1895 / 129 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Die Königliche Eisenbahn-Direktion zu Hannover is mit der Anfertigung allaemeiner Vorarbeiten für eine Nebenbahn von Paderborn über Neuhaus nah Brackwede beauf- tragt worden.

Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und ä Medizinal- Angelegenheiten.

_Dem Regierungs - Rath Dr. Lüdeke ift die Stelle eines Justitiars und Verwaltungsraths bei dem Provinzial - Schul- folleaium in Magdeburg übertragen worden. _ Der Regierungs- und Schulrath Dr. Heinrich Kley ift unter Belassung seines bisherigen Titels und Ranges zum Kreis-Schulinspektor ernannt worden.

Am Schullehrer - Seminar zu Reichenbach O.-L. ist der Schulamts - Kandidat Dr. Lichtenfeldt zu Münsterberg als Hilfslehrer angestellt worden. -

Justiz-Minifterium.

Der Rechtsanwalt Theodor Schroeder in Beuthen O-S. is} zum Notar für den Bezirk des Ober-Landesgerichts Breslau, mit Anweisung seines Wohnsigzes in BeûthenO.-S., und

der Rechtsanwalt Lange in Salzwedel zum Notar für den Bezirk des Ober-Landesgerichts Naumburg a. S., mit Anweisung seines Wohnsißes in Salzwedel, ernannt worden.

Angekommen:

Seine Excellenz der Staats-Minister und Minister für A Domänen und Forsten Freiherr von Hammer- stein, sowie

der Ministerial-Direktor im Ministerium für Landwirth- haft, Domänen und Forsten, Wirkliche Geheime Ober- Regierungs-Rath Sterneberg, aus Westpreußen.

Abgereist:

der Ministerial - Direktor im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Micke, nah der Provinz Schlesien.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ wird eine Zusammenstellung der pro Januar-April-Termin 1895 dur die Provinzial-Renten- banken erzielten Resultate, sowie eine Uebersicht über die von den Provinzial-Rentenbanken seit ihrem Bestehen bis zum 1. April 1895 ausgegebenen und ausgeloosten Rentenbriefe veröffentlicht.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich, Preußen. Berlin, 31. Mai.

Jhre Kaiserlihen und Königlichen Majestäten begaben Sih nah dem Paradediner im Weißen Saale des hiesigen Königlichen Schlosses gestern Abend gegen 8 Uhr mit den erlauhten Gästen, Jhren Königlichen Hoheiten dem Grafen von Flandern und dem Prinzen Albert von Belgien in das Königliche Opernhaus, um der Militär-Festvorstellung bei- zuwohnen. Die Rückehr nah dem Neuen Palais erfolgte nah 11 Uhr Abends.

“Heute Vormittag nahmen Seine Majestät der Kaiser im Lustgarten zu Potsdam die Parade über die Potsdamer Garnison ab. Anschließend daran empfingen Allerhöchst dieselben eine Anzahl militärisher Meldungen.

Seine Majestät der Kaiser haben in Anerkennung der Rettung der Ucberlebenden von dem untergegangenen Dampfer „Elbe“ folgende Mitglieder der Besaßung des englishen Fischerfahrzeugs „Wildflower“ mit Ehren- und Geldgeschenken zu belohnen geruht:

1) den Schiffer Wm. Wright in Lowestoft mit einer goldenen Uhr nebst goldener Kette und mit fünfzehn Pfund Sterling,

2) den Steuermann Jaf. Long daselbst mit einer gol- denen Uhr und ebenfalls mit fünfzehn Pfund Sterling,

3) die Matrosen Henry Feal und Chafs. Pipe sowie den Koh Ernest Hutschins, gleichfalls in Lowestoft, mit je einer silbernen Uhr und mit je zehn Pfund Sterling.

Sämmtliche fünf Uhren sind auf Befehl Seiner Majestät mit dem Allerhöchsten Namenszug und Bildniß, sowie mit folgender Inschrift versehen worden: „Jn Anerkennung der Rettung der Ucberlebenden vom Lloyddampfer „Elbe“, 30. Januar 1895.“

Jn der am 830. d. M. unter dem Vorsiß des Vize-Prä- fidenten des Staats-Ministeriums, Staatssekretärs des Fnnern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsißung des Bundes- raths wurde dem Entwurf eines Geseßes, betreffend die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werth- papiere, dem Entwurf eines HVBörsengeseßes, dem Entwurf einer Abänderung der Ausführungsinstruktion zum Viehseuchengeses, fowie dem Entwurf eines Abgabentarifs für den Nord-Ostsee-Kanal die Les ertheilt. Der Entwurf eines Geseßes über den Beistand bei oi ry e von Abgaben und Vollstreckung von Vermögens- strafen, der Entwurf eines Teil ti betreffend die Abänderung des Zuckersteuergeseßes, und die Gesegentwürfe über die privat- rehtlihen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und der lößerei wurden in der vom - Reichstag beschlossenen assung angenommen. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen: die Vorl@jên, betreffend die Verleihun von Korporationsrehten an die Kaoko-Land- und Minengesell- schaft, und betreffend die Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Besaßung der Hochsceefischerei-Dampfer, ferner die Reichstagsbeschlüsse zu dem Geseßentwurf über die Bestrafung des Sfklavenraubs und Sklavenhandels und

Zustellenden Lokalbahnen, an.

eingeführte Jron-Bricks, sowie ein Antrag wegen Bes einer Rathsftelle bei dem Reichsgericht. Die von dem

tag in Bezug auf die Aenderung der Militär-Penstonsgeseße g aßten Resolutionen wurden dem Reichskanzler überwiesen. ußerdem wurde über verschiedene Eingaben

eschluß gefaßt.

Der hiesige Königlih großbritannishe Botschafter Sir Edward B. Malet hat Berlin mit Urlaub verlafsen. Während seiner Abwesenheit fungiert der erste Botschafts- Sekretär Mr. Gosselin als interimistisher Geschäftsträger.

Der General der eute von Keßler, General- Inspekteur des Militär - Erziehungs- und Bildungswesens, ift hierher zurücgekehrt.

ck Der General - Lieutenant von Alten, Kommandeur der 18. Division, ist mit Urlaub hier eingetroffen.

Der Regierungs-Rath Laus in Köln ist der Königlichen Regierung in Arnsberg zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen worden.

_ Der Regierungs-Assessor von Bergen aus Wiesbaden ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Burgdorf zur Hilfeleistung zugetheilt worden.

_ Der Regierungs-Assessor Dr. jur. Stapenhorft zu Militsch ist dem Landrath des Landkreises Bromberg und der Regierungs-Assessor Dr. Pokranz zu Arnsberg der König- lichen Regierung zu Stade zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen worden.

Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 1), enthaltend Entschei- dungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Baden.

Vorgestern fand der „Karlsr. Zig.“ zufolge die Uebersiede- lung des Großherzoglichen Hofes nach Schloß Baden statt, wohin sich Jhre Koniglichen Hoheiten die Großherzogin und die Kronprinzessin von Schweden und Nor- wegen im Laufe des Nachmittags begeben haben.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Der gemeinsame Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha hat in jeiner gestrigen Sizung die Vorlage der Regierung, wona das hohere Schulwesen, das gesammte Medizinal- und Veterinärwesen, sowie die gesezlihe Ordnung des Wildschadenersazes für gemeinsame Angelegenheiten erklärt werden, dem Antrage der Kommission gemäß, einstimmig abgelehnt.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser empfing En den deutschen Botschafier Grafen zu Eulenburg und hierauf den Minister des Aus- wärtigen Grafen Goluchowsfti in längerer Audienz.

_ Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern stattete gestern den Mitgliedern des Kaiserlihen Hauses in Wien Abschiedsbesuche ab.

Das öôsterreihische Abgeordnetenhaus nahm gestern den Gescßentwurf, betreffend die im Jahre 1895 sicher- ( Jm Verlaufe der Debatte erklärte der Handels-Minister Graf Wur mbrand, in dem vorlie- genden Gesegentwurf handle es sich um Bahnbauten im Betrage von 40 Millionen Kronen. Für die Regierung liege kein Anlaß vor, die Aftion zu sehr zu überstürzen. Gegen- über den Wünschen bezüglih der Herabsezung der Tarife der böhmishen Westbahn erklärte der Minister, die Regierung beabsichtige mit der Herabseßung der Tarife der verstaatlihten Bahnen nicht sofort vorzugehen, vielmehr wolle sie abwarten, ob es ihr gelingen werde, nah einer größeren Verstaatlihungsaktion eine Art Ausgleichtarif in der Weise ein- zuführen, daß die höheren Tarife der Privatbahnen herabgeseßt würden, wobei naturgemäß die niedigeren Tarifsäte der Staats- bahnen heraufgesezt würden. Am Schlusse der Sißung inter- pellicerten die Abgeordneten Ruß und Genossen den Minister des Jnnern, untcr Hinweis auf die Siraßenscenen, die vorgestern anläßlih der Bürgermeisterwahl stattgefunden hatten, darüber, wic die Regierung die Pflichtversäumniß der Sicherheitéorgane, die zur Vermeidung von Ansammlungen nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen hätten, rechifertige, und welche Maßregeln zur Verhütung der Wiederkehr derartiger höchst bederfliher Ausschreitungen die Regierung zu ergreifen gedenke.

Jm Abgeordnetenhause ist gestern, - wie die „Neue Freie Presse“ meldet, der Vorstand der vereinigten Linken zusammengetreten, um über die Haltung der Partei gegenüber der Lage in Wien Beschluß zu fassen. An dieser Konferenz soll auch der Minifter des Jnnern Marquis Bacquehem theilgenommen haben.

Der Gemeinderath der Stadt Wien ift gestern dur eine Verfügung der niederösterreichishen Statthalterei a u f- gelöst worden. Damit erlöschen gleichzeitig das Amt des gegenwärtigen Vize-Bürgermeisters und das des Stadtrathes. Zur Durchführung der Neuwahlen, sowie zur einstweiligen Besorgung der Gemeindegeshäfte wurde der Bezirks-Haupt- mann Dr. von Friebeis bestellt. Demselben stehen alle jene Befugnisse zu, welhe nah dem Gemeindestatut dem Stadtrath und dem Bürgermeister zukommen. Diesem Funktionär wird ein Beirath zur Seite gestellt, den er vor seiner Entscheidung über alle statutenmäßig der Beschlußfassung des Gemeinderaths vorbehaltenen sowie über die wihtigeren An- gelegenheiten überhaupt zu hören hat. Jn den Beirath wurden 15 Gemeinderathsmitglieder gewählt, von denen sieben der Fort: \chrittspartei und sieben dem antisemitishen Bürgerklubangehören, während einer ein „Wilder“ ijt. Sie find alle Männer von gemäßigter Gesinnung. Bei der Zusammenseßung des Bei- raths sind auch alle Mahlbezirke und die Wahlkörper der ver- chiedenen Berufsstände möglichst berücksichtigt worden. Dr. Lueger befindet sih nicht darunter. Die Ruflösung des Gemeinderaths wurde nah dem „Fremdenblatt“ in dem Vorge gen Ministerrath . beschlossen. Die Regierung war in den leßten Tagen unablässig bemüht, ein positives Er- gebniß der Bürgermeisterwahl sicher zu stellen. Mehrfache

führten indeß zu keinem Ergebniß, da sich dieselben nit ver- (is wollten, für irgend A

mmen. Die Unterhandlungen wurden von dem Minister des Snnern Marquis Bacquehem, dem Finanz-Minister Dr. von Plener und dem Statthalter Grafen Kielmannse ge- führt. Die Regierung überließ die Nominierung des Nandidaita vollständig dem freien Ermessen der Fortschrittspartei. Nach- dem - auch die vorgestrigen Konferenzen ohne Ergeb- niß verlaufen waren, sah fi die Regierung zur Auflösung des Gemeinderaths bemüßigt, um so mehr, als sie nah ihrer Kenntniß der Sachlage zu dér Ueberzeugung gelangt war, daß die von Dr. Lueger für gestern angejeßte Bürgermeister- wahl dasselbe Resultat haben werde wie die vorgestrigen Wahlgänge. Ueber den Zeitpunkt für die Neuwahlen ver- lautet noch nichts Bestimmtes.

Srofßbritannien und JFrland. y

Die Königin hat sich in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin Heinrih von Battenberg sowie der Prinzesfinnen Alexandra und Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha von Windsor nach Balmoral begeben. __ Der Minister-Präfident Lord Rosebery wird, wie „W. T. B.“ meldet, in einigen Tägen eine neue Seefahrt antreten, die auf zehn Tage berechnet ist.

i us Oberhaus hat sich gestern bis zum 17. Juni vertagt.

- as Unterhaus seßte gestern die Budgetberathung fort. Der Schaßkanzler Sir W. Harcourt erklärte im Laufe der Debatte, der hauptsächlichste Vorwurf Ashmead-Barilett's gegen die Regierung fei, daß fie in gutem- Einvernehmen mit Ruß- land und Frankrei gehandelt hàbe und handle. Dem sei allerdings so, und es sei durchweg der Fall gewesen. Die Behauptungen Bartleti's über die unfreundühe Haltung Rußlands gegenüber England seien auf Artikel in der russischen. Presse gegründet. Jhm, dem Redner, ständen authentischere Informationen zu Gebote; es sei nicht die leiseste Begründung für Bâártlett's Behauptung vorhanden, daß die Regierung die entralmächte zurücgestoßen habe. Die Politik der Regierung jei gewesen, sich mit keiner Gruppe von Mächten, weder in Europa noh sonstwo, zu verbinden, sondern mit allen Mächten in Europa und Amerika freundlihe Beziehungen zu unterhalten. An dieser Politik halte die Regierung fest. Der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey theilte mit, daß die Pforte noch nicht auf den ihr ein- gereichten Reformplan für Armenien geantwortet habe.

_Bei der gestern in West - Edinburgh vorgenommenen Ersaßwahl zum Unterhause für Viscount Wolmer, der Lord Selborne in der Peerschaft nacgefolgt is , wurde Mac Jver (Unionist) mit 3783 Stimmen gewählt. Der Gladstonianer Murray erhielt 3075 Stimmen.

Frankreich.

_ Der Präsident der Republik Faure, der gestern Nach- mitiag über Nevers und Clermont nach Bordeaux abgereist ist, wurde bei seiner Ankunft in Nevers von der Bevölkerung warm begrüßt. Die Nückehr des Präsidenten nah Paris ijt für den 6. Juni in Ausficht genommen.

Jn der Deputirtenkammer brachte gestern der Miniftcr- Präsident Rib ot eine Vorlage ein, betreffend die Bewilligung eines Kredits von 250 000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals für die während des Krieges 1870/71 Ge- fallenen. Der Minister-Präsident beantragte für diese Vorlage die Dringlichkeit und die Ueberweisung an die Budgetkommission, was die Kammer genehmigte. Der Deputirte Goblet brachte eine Interpellation über das Schreiben des Erzbischofs von Cambrai an den Kultus-Minister bezüglich der Anfall- steuer ein. Die vom Kultus-Minister Poincaré be- antragte Vertagung der Berathung dieser Jnterpellation bis nach der Berathung über die Getränkesteuerreform wurde mit 268 gegen 235 Stimmen genehmigt. Auf den Antrag des Deputirten Rouanet (Sozialist) bewilligte die Kammer einen Kredit von 5000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals auf dem Grabe des jüngst verstorbenen Mitgliedes der provisorishen Regierung von 1848, Albert. Hierauf wurde die Berathung der Getränkesteuerreform wieder aufgenommen. Am Schluß der Sißung brate der Deputirte Millerand (Sozialist) eine JFnterpellationm über das Zusammengehen von Rußland, Deutsch- land und Frankreich gegenüber dem chinesisch-japa- nischen Friedensvertrag ein. Wegen der Abwesenheit des Ministers des Aeußern Hanotaux wird der Tag der Be- sprehung der Jnterpellation am Sonnabend festgeseßt werden.

Jtalien, Die „Italie“ will wissen, daß der General-Prokurator dem Justiz-Minister eine Abschrift des in der Añ- gelegenheit Giolitti’s gefaßten Beschlusses des Kassations- hofes übermittelt habe. Dem „Diritto“ zufolge würde der Justiz-Minister bei der Kammer die Ermächtigung zur straf- rechtlihen Verfolgung Giolitti’s nahsuchen.

Türkei. Aus Djeddah in der arabischen Provinz Hedschas meldet das „Reuter he Bureau“, daß daselbst gestern der britishe Konsul und Vizekonsul, dec stellvertretende russische Konsul und der Sekretär des französischen Konsulats außerhalb der Stadt dur cine Gruppe von Leuten, vermuth- lich Beduinen, thätlih angegriffen worden seien. Der britishe Vizekonsul sei durch cinen Schuß getödtet, der Konsul leiht verwundet, der französische und der russische Beamte seien schwer verwundet worden.

Rumänien. Der Prinz und die Prinzessin Ferdinand vor Rumänien sind mit ihren Kindern heute von Bukarest nah Darmstadt abgereist.

Vulgarien. Gestern, als am Jahrestage des Sturzes Stam- bulow's, hielten, wie „W. T. B.“ berichtet, die Studenten in Sofia mit behördliher Erlaubniß einen Umzug mit Fahne und Musik. Unterwegs {loß sih troß des Protestes der Studenten eine Gruppe Sozialisten dem Zuge an, der sich nah Stambulow's Wohnhaus bewegte. Dasselbe war durch einen Polizeikordon abgeschlossen. Ein Redner hielt eine kurze Ansprache, welche mit dem Ruf \{chloß: „Tod- den Tyrannen!“ Bis dahin verlief alles ruhig; als aber die Sozialisten weitere Reden der Studenten unterbrachen, entstand eine unbedeutende Rauferei. Den Nachmittag verbrachter beide Gruppen außerhalb der Stadt; Abends durchzogen zahl-

zu einer Petition wegen Rückerstattung von Zoll für

Konferenzen mit den Führern der liberalen Gemeinderathspartei

reiche Demonstranten die Straßen der Stadt.

einen liberalen Kandidaten zu

Schweden und Norwegen.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania werden heute fünf Mitglieder der Linken, drei . Mit- glieder der Rechten und zwei Mitglieder der Gemäßigten im Storthing eine Tagesordnung einbringen, dahin lautend, daß das Storthing unter Festhaltung an der Allein-

gewalt Norwegens in allen niht unionellen Fragen, fi

dafür aussprehe, daß möglihst bald Verhandlungen zwischen Schweden und Norwegen unter einem mit dem Storthing Ea arbeitenden Kabinet eingeleitet werden sollen, behufs einer befriedigenden Regelung der das Konsulatswesen und das Minifterium des Aeußern betreffenden Fragen. Voraussezung der Ver- handlung soll sowohl ein gemeinsamer, wie ein be- sonderer norwegisher Minister des Aeußern sein. Mit den Stimmen der Rechten, der Gemäßigten und der Mitglieder der Linken, welche den Antrag unterzeichnet haben, hat dieser bereits die Majorität; es ist niht ausgeshlofen, daß Einstimmigkeit erreicht werden kann. Die Debatte über den Antrag wird wahrscheinlich Mittwoh oder Donnerstag nächster Woche beginnen.

Amerika.

Die Beerdigung des Staatssekretärs Gresham fand, wie aus Chicago gemeldet wird, gestern daselbft auf dem Oakwood-Friedhof statt. Unter den Theilnehmern be- fanden sich der Vize-Präsident Stevenson, die Bundesrichter, die Staats- und städtishen Beamten, die Familie des Ver- storbenen und die Vertreter des Präsidenten. Leßtere begaben sih sogleih nah dem Begräbniß wieder nah Washington zurü.

Afien.

Li - T\ching - Fang ist nach einer Meldung aus Shanghai in Begleitung John Foster's gestern an Bord des Dampfers „Kungyi“ nah den Pescadores-Jnseln abgereist.

Der Kaiser von Japan hielt gestern seinen Einzug in Tokio. Die Straßen und Häuser waren geschmüdckt. Der Kaiser wurde mit großer Begeisterung empfangen. Auch die

. Stadt Yokohama war im Festshmudck.

Aus Hongkong von heute meldet das „Reuter’sce Bureau“ : dort eingetroffenen Privatnachrichten zufolge hätten die Feindseligkeiten auf Formosa begonnen. Die Japaner bombardierten Kelung.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Der verantwortlihe Redakteur einer Zeitung ift, nach einem Urtbeil des Reichsgerihts, 1V. Strafsenats, vom 23. No- vember 1894, infolge der Veröffentlichung einer Annonce, in welcher zur Betheiligung an einer öffentlichen, -ohne obrigfeitlihe Grlaub- niß veranstalteten Aus\pielung aufgefordert wird, zwar niht wegen Prefdelikts aus § 20 des Preßgeseßes, wohl aber wegen Beihilfe zu einer verbotenen Auss\pielung zu bestrafen, wenn er bei der Auf- nahme der Annonce wußte oder annehmen konnte, daß die obrigkeit- liche Genehmigung zu der angekündigten Ausspielung fehlte. „Aller- dings konnte nach dem festgestellten Sachverhalt der Redakteur M. nit als Thäter bestraft werden, da der Inhalt der Annonce ergiebt, daß niht er, sondern lediglih R. die Ausfpielung ver- anstaltet hat, und dur Veröffentlichung der das fremde Unternehmen betreffenden Annonce ter Angeklagte Vê. nicht Thäter in Bezug auf dieses Unternehmen werden konnte. Für die Anwendbarkeit des & 90 des Preßgesezes bietet daher der vorliegende all feinen Raum. Der Angeklagte M. durfte aber niht {on deshalb frei esprochen werden, weil die von ibm bewirkte Publikation für sich allein noch niht den Thatbestand des § 286 des Strafgeseßbuchs ershöôpfe. Wußte er, daß die obrigkeitlihe Genebmigung fehlte, und leistete er denno dem Thäter R. bei der Veranstaltung der Ausspielung wissent- li Hilfe durch die Veröffentlihung der Ankündigung, |o stand der Verurtheilung wegen Beibilfe ein rechtlihes Hinderniß nicht ent-

egen. Außerdem war in Betracht zu ziehen, daß nach allgemeinen rundsäßen zur Annahme wissentlichen ilfeleistens im Sinne des & 49 Strafgesezbuhs auch Eventualdolus genügt.“ (3356/94.)

In Bezug auf & 10 des preußischen Eigenthumserwerb8geseßes vom 5. Mai 1872: : N . „Die Anfehtung (der Eintragung des Eigenthumsübergangs) ift auch auf Grund des Redggel Gs, in dessen Veranlafsung die Auflafsung erfolgt ist, statthaft, jedoeh wird die mangelnde Form dieses Geschäfts dur die Auflassung geheilt“ hat das Reichsgericht, TIL. Zivilsenat, durch Urtheil vom 12. Februar 1895 ausgesprochen, daß durch die Auflafsung die Formmängel des die Auflassung veranlassenden Rechtsgeshäfts, nit aber die Formmängel der Vollmacht geheilt werden, durch wel@e ein Dritter von dem Veräußerer “oder dem Erwerber zur Abaabe der Auflassungserklärung ermächtigt worden ist. Ist aber die Vollmacht wegen Formmängel ungültig, so ist die Auflassung und das zu Grunde liegende, mit gleichen Formmängeln bebaftete Rechtégeshäft anfehtbar. A. und B. verkauften ihr Grundftück dur schriftlihen Kaufvertrag an C. Der Kaufvertrag trägt die notariell beglaubigten Unterschriften der beiden Verkäufer und des Käufers. Außer den Kaufbedingungen enthält der Vertrag im § 6 eine Vollmaht, durch welche A. und B. den Gerichtsdiener K. ermächtigen, für fie vor dem Grundbuchamt die Auflafsungserklä- rung abzugeben. Das ift dur K. gesheben und darauf C. im Grund- bu) als Eigenthümer eingetragen. Hierauf fohten A. und B. dur Klage die Rechtégültigkeit des Kaufvertrags, der Vollmacht und der Eintragung an, weil A. nicht schreiben könne und seine Unterschrift nur dadurch ermögliht sei, daß der beglaubigende Notar ihm die Hand geführt habe. Ohne den dafür angebotenen Beweis zu erbeben, erahtete das Berufungsgeriht den _behaupteten Formmangel des Vertrags als durch die erfolgte Auflassung geheilt, daher den Vertrag und die Auflassung als formell rehtewirkfjam. Auf die Re- vision der Kläger hob das Reichsgericht das Berufungéurtheil auf, indem es begründend ausführte: „Es ift zwar rihtig, daß nah § 10 des Eigenthumserwerböge\ees vom 5. Mai 1872 durch die Auflafsung die Formmängel des die Auflafsung veranlafsenden Nechtsgeschäfts ge- heilt werden ; weiter geht aber die Wirkung nicht. Nur der Kaufvertrag ist das Rechtsgeschäft, dur das die Auflassung veranlaßt ist, nicht die nur Fußerli damit verbundene Vollmacht. Auch diese erfordert \chriftlihe Form, die, wenn der Mitkläger wirklich Analphabet ift, nah § 172 ff. des A. L.-R. Tb. 1 Tit. 5 nicht ge- wahrt sein würde. Feblte es aber an einer gültigen Vollmacht, so kann an sich die Auflassung von den Age wirksam angefochten werden; damit würde auch die heilende Wirkung des 8 10 cit. be- seitigt, dann aber der Kaufvertrag wegen ungenügender Form un- gültig sein. Daß der Grundbuchrichter auf Grund der äußerlih ge- nügende Unterschriften tragenden und notariell beglaubigten Urkunde die Auflassungserklärung entgegennehmen und die Umschreibung vor- nehmen durfte, ändert daran nichts.“ (278/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Die Uebertragung der Funktionen eines Armenarztes an einen Arzt durch Vertrag zwischen der Gemeindebehörde und dem Arzt verleiht , nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerichts, 11. Senats, vom 16. Februar 189%, diesem nicht ohne weiteres eine

Beamtenstellung, auh wenn im Vertrage die dem Arzt zu ge- währende fortlaufende MESL Ang ars „Gehalt“ bezeichnet ist uad dieses „Gehalt“ binsihtlih ber Gemeinde-Einkommensteuer als zur älfte von der Besteuerung befreit behandelt worden ist. Die l des praktischen Arztes Dr. N. zum Stadtverordneten in V. (Rheinprovinz) wurde flagend angefochten, weil Dr. N. von der Stadt als Armenarzt angestellt, daher als Gemeindebeamter nad S 16 Nr. 2 der Städteordnung für die Rbeinprovinz vom 15. Mai 1856 nicht wählbar fei. Der Bezirksausshuß wies die Klage ab mit der Ausführung: Das Verhältniß des Dr. N. zur Stadt sei Tediglich nach dem Mo dcade vom 26. März 1891, dessen Unter- zeihnung durch den Bürgermeister keine Anstellung enthalte, zu be- urtheilen; auch sei die Stadtverordnetenversammlung vorher nit gebôört und Dr. N: nicht vereidigt. Unter solchen Umständen genüge die bloße Einstellung des Gehalts von 200 A in den Etat der all- gemeinen Armenverwaltung und die Befreiung der Hälfte des Gehalts von der Gemeindeeinkommensteuer noh nicht, die Beamteneigenschaft als “gegeben anzusehen. Auf die Berufung der Kläger bestätigte das Ober-Verwaltungsgeriht die Vorentscheidung, indem es be- gründend ausführte: „Die Anstellung mit dem Effekt der Begründung der Beamteneigenschaft kann allerdings auch mittels Unterzeihnung eines Vertrages zwishen der Behörde und dem Berufenen erfolgen. Indessen ift die regelmäßige Form do die Ertheilung einer Bestallung, durch welche einerseits die Unterordnung unter jene Behörde, andererseits das dem Beamten ewährte Schußverbältniß verbrieft werden. Es bedarf daber in jedem Falle einer besonderen Untersuhung, ob bereits durch die wieder ge- räuhlihe Form des Vertrags eine Beamtenstellung bat gewährt und übernommen werden follen. Dabei genügt es nit, daß der Berufene überbaupt an der Erfüllung kommunaler Aufgaben, wie beispielsweise der Fürforge für die Armen und für die öffentliche Gesundheitspflege, betheiligt wird, sondern es müfsen ihm innerhalb dieser Aufgaben E anvertraut werden, welhe gerade die Beamtenstellung onders fennzeihnen. Der Vertrag vom 26. März 1891 ergiebt aber nichts Derartiges. Dem Dr. N. ift danach nur die ärztlide, wundärztlihe und geburtsbilflihe Behandlung derjenigen Grkrankten des II. Armen-Bezirks übertragen, für deren flege zu sorgen der Gemeinde obliegt. Die Pflicht des Arztes er- eckt fih nur auf die au sonst jedem Aerzte obliegende sorgfältige Behandlung der Kranken, sowie auf die Beachtung der Sparfamkeit bei der Arzneivershreibung und eine Kontrole der Apothekerrechnungen. Daneben bat er noch die Tranêportanden zu untersuchen und darüber auf Erfordern eine Bescheinigung auszustellen; es ift aber niht er- sibtlih, daß diesen Attesten amtliher Glaube beizumefsen wre. Ferner wird ihm zwar die tehnishe Revision der Schulen aufgetragen, aber feinerlei Anordnung gestattet, [sondern nur Berichterstattung an den Bürgermeister verlangt. “Auch die Mitwirkung für die ibm anvertrauten Kranken als Mitglied der Sanitätskommission bei Epidemien und die Ausstellung von Todtenscheinen überschreiten niht nothwendig den Geschäftskreis oder die Qualifikation eines Privatarztes. Der Inhalt des Vertrags bietet also keinen Anhalt dafür, daß durch denselben etwas Mehreres beab- sichtigt sei, als die Sicherung einer der Armenverwaltung zur Seite stehenden tehnischen Hilfékraft. Wenn somit keine Momente für die Absicht, dem Dr. N. eine Beamtenstellung zu verleihen, für feine Absicht andererseits, in solhe Stellung einzutreten, aus dem Vertrag folgen, fo ergiebt fih ein Thatbestand diefer Art au nicht aus der etatsmäßigen Bezeichnung des Honorars als „Gehalt“, noch aus der etwaigen steuerlihen Behandlung der Hälfte desfelben.“ (IT1 271.)

Die Bewohner eines der Gut sherrs\ chaft gebörigen, aber auf dem zur Landgemeinde gehörigen Fundus stehenden Hauses zählen, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerichts, 1. Senats, vom 16. Oktober 1894, kommunalrehtlich zur Landgemeinde, selbst wenn sie zu dem Gesinde oder zu den Instleuten der Gutsherrschaft

ehören. Dieses Rechtsverhältniß kann auch niht durch entgegen- ehende Bestimmungen in den nach der Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz Preußen von dem Landrath auf- genommenen und von der Regierung bestätigten Schulmatrikeln verändert werden. Zu den Kosten des Neubaues eines Schul- hauses zu S. (Westpreußen) hatte nah der vom Scul- vorstande vorgenommenen Vertheilung die Landgemeinde S. nah 54 und der Rittergutöbesizer Z. als Eigenthümer des mit dieser den Schulbezirk bildezden Guts R. nah 38 Haushaltungen beigetragen. Dieser Vertheilung der Kosten lag ein vom Landrath gegen den Widerspruch des Schulvorstandes aufgenommener und von dem Regierungë-Präsidenten bestätigter Matrikelnachtrag vom 21. März 1887 zu Grunde, wonach dieses Verhältniß (54 : 38) für die nächsten 10 Jahre maßgebend bleiben solle. Hierauf klagte Z. gegen die Land- emeinde S. im Verwaltungéstreitverfahren auf Ersaß der für 10 Haus- artangen geleisteten Zahlungen, weil diese bei jener Vertheilung irrigerweise statt zur Landgemeinde S. zu dem Gute R. gerechnet seien. Der Bezirksaus\{huß erkannte zu Ungunsten der Landgemeinde S., und auf die Revision der Landgemeinde bestätigte das Dber-Verwaltungs- geriht die Entscheidung des Bezirksausshu}ses, indem es begründend ausführte: „Der Fundus, auf dem das Haus steht, ist aus der bäuer- lichen Gemeinte nirt ausgemeindet, bildet also nach wie vor einen Theil der bäuerlichen Gemeinde (S 1 des Geseyes v. 14. April 1856; & 2 der Landgemeinde-Ordnung vom 3. Juli 1891). Die Bewohner des Hauses gehören darnah fommunalrechtlich zur Landgemeinde S., und es ändert darin nichts, daß sie irrigerweise bisher in fteuerlicher Beziehung niht als Mitglieder dieser Gemeinde ‘angesehen und be- handelt worden sind. Belanglos ift dabei das Verhältniß, in welhem fie vertragsmäßig zu dem Eigenthümer des Gutes R. standen. Ob sie zu dessen Gesinde oder zu dessen Instleuten gehörten, und welche sonstige Beziehungen zwischen ibm und ihnen obwalteten, hat nur eine privatrechtlihe, wirthshaftlihe Bedeutung, läßt aber ihre kommunale Zugehörigkeit zu der Landgemeinde S. unberührt. Der Vorderrichter hat darnach mit Recht angenommen, daß die in dem Hause wobnenden zehn Familien bei der Berehnung der Haushal- tungen im Sculbezirke bei der Landgemeinde S. und nit bei dem Gut R. in Ansaß gebraht werden mußten. Wie der Gerichtshof in ständiger Judikatur angenommen hat, schaffen die nach § 66 der Schulordnung für die Elementars{ulen der Provinz Preußen vom 11. Dezember 1845 von den Landräthen aufzunehmenden und von den Regierungen zu beftätigenden Schulmatrikeln kein neues Recht, sondern konstatieren nur bestehende Rechtsverhältnisse ; sie haben an sich nicht den Charakter von Verträgen, noch erhalten sie solhen durch die Genehmigung der Schulauffichtébehörde; nur wenn die Festsezungen der Matrikeln auf vertragsmäßigen Abreden beruhen, sind ihre Festseßzungen ebenso maßgebend und rehtsverbindlich, wie die Verträge selbs; wesentlih ift sonach die Art ihres Zustande- fommens, insbesondere der Inhalt der Erklärungen der Betheiligten in a d Matrikelaufftellung vorangegangenen Verhandlungen.“ (T 1166.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung,

Der Weberausstand in der M. und O. Sommerfeld- {hen Tuchfabrik in Kottbus (vergl. Nr. 128 d. Bl.) ift, wie der Berliner „Volks-Ztg.“ gemeldet wird, bereits beendigt.

Aus Köln wird der „Voss. 3g unter dem gestrigen Tage ge- meldet: Der auf den belgishen Gruben im Sülzthale aus- gebrochene Aus stand (vergl. Nrn. 102 und 122 d. Bl.) dauert fort. Eine Konferenz, die in den leßten Tagen in Mülheim a. Rhein unter dem Vorsißze des Regierungs-Präsidenten im Beisein des Landraths und der Bürgermeister der betheiligten Gemeinden stattfand, und an dert die Vertreter der Arbeiter und der Direktor der Gesellschaft theilnahmen, ist ergebnißlos verlaufen. Die Gesell- schaft verlangt Wiederaufnahme der Arbeit, während die Arbeiter

vorerst die Sicherstellung ihrer Forderungen verlangen. Die Arbeiter

haben si jegt in einer Eingabe an Seine Majestät den Kaiser

dt.

Fe E Lands Hut in Niederbayern legten, wie dem „Vorwärts“ be- rihtet wird, 14 Gehilfen der Brauerei Drarlmeier die Arbeit wegen Differenzen mit der Verwaltung nieder.

Dem „Leipziger Tageblatt“ zufolge erstreckt ih der Maurer - ausftand in Leipzig (vergl. Nr. 128 d. Bl.) nicht auf den Reiché- erihts-Neubau; ferner haben nicht, 9, sondern 21 Arbeitgeber die orderung der Ausständigen bewilligt. '

Eine gestern in Wien, in der Volkshalle des Rathhauses abge- baltene sozialdemokratishe Versammlun g, welche eine Demon- ftration fúr das allgemeine direkte Wahlrecht bezweckte, war, wie „W. T. B.“ meldet, von etwa 8000 Personen besucht, von denen 5000 den Verhandlungen stehend beiwohnen mußten. Mehrere Redner sprachen sh in heftigster Weise zu Gunstew des allgemeinen Wahlrechts aus. Nah SWhluß der Versammlung zogen die Arbeiter truppweise ab und stießen Rufe für das Wablreht und. quen die Regierung aus ; ein besonderer Zwischen- fall ereignete fih nit. i Na einer Meldung der „Köln. Ztg.“ vom 29. d. M. find in. Verviers die Arbeiter der Kammgarnspinnèret von Sers- wir, Byrom u. Co. ausständig. Sie wollten die Abschaffung der ibnen überflüssig -ersheinenden Stelle eines dritten Spinn- meisters, eine Lohnerhöhung der in der Fabrik beshäftigten Fadner und für die fogenannten MRentrèurs gleihe Lohnsäße erzielen, wie sie die Spinner haben. Bisher verdienten - die Fadner der irma im Durchschnitt täglih 3,75, die Rentreurs 5 und die Spinner 50 Fr. Die Spinner erklärten sich bereit, auf ihre Löhne so weit zu verzihten, daß den Arbeitgebern aus den zu Gunsten der übrigen Arbeiter verlangten Neuerungen keine Mehrauslagen erwühsen.

Nach Mittheilung des Statifstishen Amts der Stadt Berlin find bei den hiesigen Standesämtern in der Woche rom 19. Mai bis inkl. 25. Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 856 Lebendgeborene, 290 Ebefhließzungen, 35 Todtgeborene, 541 Sterbefälle.

Kunft und Wissenschaft.

Der Verein der Kunstfreunde im Preußischen Staat bielt vorgestern Abend im Lokal des Künstlervereins unter dem Vor- fit des Majors a. D. Alexander Duncker feine Generalversamm- lung ab. Der Verein hatte im verflossenen Jahre eine Einnahme von 17170 M zu verzeichnen, darunter 13 845 an Mitgliederbeiträgen, 3220 Æ an Zinsen und 105 Æ für verkaufte Kunstblätter. Verausgabt wurden 14 401 4 und zwar u. a. 2000 4 für Miethe, 1776 A für Verwaltungskoften, 1122 Æ für Druck- und Inscrtionékosten und 9050 Æ für den Ankauf von Kunstwerken zur Verloosung. Es verblieb ein Baarbestand von 2769 #4, außerdem besißt der Verein ein Effektenvermögen von 80 000 A Aus der von Seydlig’shen Stiftung erhielten die Pro- fessoren Otto Lessing, Mar Koner und Karl Salpgmann Prämien in Höbe von je 200 A Der bisherige Vorstand wurde wiedergewählt und der Aus\huß aus folgenden Herren gebildet: den Pro- fessoren Pflugradt, Meyerheim, Becker, Körner, Breitbach, Knaus, Hans Meyer, Pape und Moser; den Malern Bennewiß von Loefen und Pinckert, dem Baumeister Knoblauch, dem Kunsthändler Schulte, dem Hofbuchhändler Dr. Töche, dem Geheimen Hofrath Bork, dem Geheimen Kommerzien-Rath Mendelsfohn- Bartboldy, dem Kommerzien-Rath Spindler und dem Staats- sekretär a. D. Herzog. Die Versammlung beshloß sodann ein- stimmig, die neuen vom Vorstand entworfenen Statuten in nähere Erwägung zu nehmen ; eine endgültige Abstimmung kann erst in einer zweiten Generalversammlung erfolgen. Die neuen Satzungen bezwecken eine as der Geschäftsführung und sihern im Fall einer Auflösung des Vereins das Vermögen dem Verein Berliner Künstler zur Unterstüßung seiner bilfsbedürftigen Mitglieder und deren Hinterbliebenen“ zu. Schließlich fand die Verloosung der angekauften Kunstwerke statt. L

Land- und Forstwirthschaft.

München, 30. Mai. (W. T. B.) In der ersten General- versammlung des baverischen Landesverbandes der land- wirthshaftlihen Darlehnskassen hielt der Minister Peeterr von Feiligsch eine Ansprache, worin er die Anwesenden begrüßte und die weitere Förderung der Bestrebungen des Verbandes zusicherte. Nah lebhafter Debatte wurde shließlih eine Resolution des Inbalts ange- nommen, daß ein Spezialaus\huß prüfen folle, auf welhe Weise der genossenschaftlihe Verkauf der Landwirthschaftsprodukte zu fördern und inwieweit die Errichtung von Lagerbäusern erforderlich sei. Ein weiterer Beshluß ersucht den Vorstand, dahin zu wirken, daß Mündel- und Stiftungsgelder uneingeshränkt bei den Darlebnskassen angelegt werden fönnen. Der Vorsitzende Freiherr von Soden {loß die Sizung mit einem Hoh auf den Prinz-Regenten Luitpold. Dem Landesverband gehören jeßt 651 Darlebhnskassen an.

Belgrad, 30. Mai. (W. T. B.) Der Stand der Winter saaten ist gut, nur stellenweise haben die Saaten durch Hagel gelitten. Dem Mais hat stellenweise die Dürre geshadet, Wein und Obst versprechen eine gute Ernte.

Handel und Gewerbe.

Täglihe Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 30. d. M. geftellt 10 692, nit rechts zeitig gestellt 51 Wagen. In Oberschlesien sind am 29. d. M. gestellt 3838, nicht rechts zeitig gestellt keine Wagen.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 29. Mai 1895. Auftrieb und Markt- preise nah Schlahtgewiht mit Ausnahme der Schweine, welhe nah Lebendgewiht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 238 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg) I. Qualität —,— 4, Il. Qualität —,— 4, III. Qualität 88—100 #4, IV. Qualität 76—84 #4 S{weine. Auftrieb 10846 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 78—80 #, Landschweine: a. gute 74—76 H, þ. geringere 68—72 4, Galizier —,— #, leihte Ungarn —,— A bei 20 9/9 Tara, Bakonyer M bei kg Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 4816 Stü. (Durbschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,12—1,20 M, IT. Qualität 1,00—1,10 M, III. Bualität 0,90— 1,08 A Safe. Auftrieb 1461 Stück. (Durchschnittspreis füx 1 kg.) I. Qualität 0,94—1,08 Æ#, II. Qualität 0,90—0,92 ä,

Köln, 30. Mai. (W. T. B.) Die heute hier abgehaltene Generalversammlung der Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken war von 30 Aktionären, welche 4217 Stimmen vertraten, besucht. Die Vorschläge der Verwaltung in Bezug auf die Verwendung des Reingewinns unter Auskehrung einer Dividende von 13 %% wurden einstimmig genehmigt. Die aus dem Aufsichtsrath ausscheidenden Mitglieder: Direktor Seof Louis Hagen, Josef Sayer, Friedrich chmalbein und Eberhardt Schuelgen wurden wiedergewählt und Justiz-Rath Maas sowie Direktor Menshausen hinzugewählt.

: Essen a. d. Ruhr, 30. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Versammlung der dem Rheinisch-Westfälishen Kohlen- \syndikat angehörigen Zechenbesißer fand der Entwurf zur Ver- längerung des Vertrages nach unwesentlihen Aenderungen der Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ zufolge mit 3350 gegen 286 Stimmen

Annahme; 237 Stimmen waren nicht vertreten. Gegen die vorliegende

Fassung des Vertrages stimmten die Zechen „Zollverein“,