1895 / 130 p. 16 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Die Befugniß der g “arat ièay Anordnungen der im Abs. 1 Ziffer 2" und 3 bezeihncten Art wird bi der Bundesrath von feiner Befugniß keinen Gebrauh gemacht hat.

IIT. Zulassung-von Wertbpapieren jum Börsenhandel.

Zulaffungsftelle. 8 36.

Die Zulaffung von Werthpapieren zum Börsenhandel erfolgt an jeder Börse dur eine Kommission (Zulafsungésstelle), von deren Mit liedern mindestens der dritte Theil aus Personen bestehen muß. welche sih nit gewerbsmäßig am Börfenhandel mit Werthpapieren be- theiligen. Im übrigen werden die Bestimmungen über die Zusammen- sezung der Zulassungsstelle sowie über die Zulässigkeit einer Beschwerde

egen deren Entscheidungen durch die Börfenordnungen getroffen. Die ulafsungéstelle ift befugt, zum Börsenhandel zugelassene Werth- papiere von demfelben quu Ce: ; Ges

Die Zulassung deutsher Reihs- und Staatsanleihen darf nicht versagt werden.

Verhältniß verschiedener Zulafsungéstellen zu einander. S I. - -

i Wird von der Zulafsungsftelle einer Börse der Antrag auf Zulassung von Wertbpapieren zum Börser handel abgelebnt, fo hat die Zulassungsstelle unter Angabe der Gründe den Vorständen der übrigen deutschen Börsen für Werthpapiere Mittheilung zu machen. Dabei ist anzugeben, ob die Ab- Iehnung wit Rücksicht auf örtlihe Verkältnisse oder aus anderen Gründen erfolgt ift. In leßterem Falle darf die Zulaffung von einer anderen Börse nur mit Zustimmung derjenigen Stelle ertheilt werden, welche die Zulassung abgelehnt hat. : E

Der Antragsteller hat anzugeben, ob das Gesuch um Zulaffung bereits bei einer anderen Börse eingereiht ift oder gleihzeitig ein- gereidt wird. Ift dies der Fall, fo sollen die Werthpapiere nur mit Zustimmung der anderen Zulassungsstelle zugelaffen werden.

Vorausseßungen der Zulaffung. S 38.

Vor der Zulassung von Wertbpapieren ift, sofern es sih nicht um deutsche NReichs- oder Staatsanleihen handelt, ein Prospekt ein- zureichen und zu veröffentlihen, weler die für die Beurtheilung des Werths der einzuführenden Papiere wesentlihen Angaben enthält.

Für Schuldverschreibungen, bezüglih deren das Reich oder ein Bundesstaat die volle Garantie übernommen. hat, und für Schuld- verscreibungen kommunaler Körperschaften und fommunalftändiscer Kreditinstitute sowie der unter ftaatliher Aussicht stehenden Pfandbrief- anftalten kann die Landeêregierung 1) von dieser Verpflichtung entbinden. S # Folgen der Nichtzulassung.

8 39. e

Für nitzugelafsene Werthpapiere darf eine amtliche Feststellung des Preises nicht stattfinden. Geschäfte in solchen Werthpapieren find von der Benußung der Börfeneinrihtungen ausgeschloffen und dürfen von den Kursmaklern nicht vermittelt werden.

Befugnisse des Bundesraths.

S 40.

Der Bundesrath ift befugt, weitere Bestimmungen über die Auf- gaben der Zulafsungsftelle und die Voraussetzungen der Zulaffung zu treffen.

Haftung auf Grund des Prospekts. 8 41.

Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Wertbpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurtheilung des Werthes erheblich find, unrichtig, fo haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden bätten kennen müssen, als Gefammtschuldner jedem Besißer eines folhen Werth- papiers für den Schaden, welher demselben‘ aus der von den gemachten Angaben abweihenden Sachlage erwächst. Das Gleiche gilt, wenn der Prospett infolge der Fortlafsung wesentlicher Thatsachen unvollständig if und diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böélichen Unterlafung einer ausreihenden il seitens derjenigen, welhe den Prospekt erlassen haben,

erubt.

Die Ersfatpflicht wird dadur nicht auêsgeslofsen, daß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet.

8 42.

Die Ersfaßpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf Grund des Prospekts zugelaffen und von dem Besißer auf Grund eines im Inland abgeshlofsenen Geschäfts erworben find.

Der Erfatpflichtige kann der Ersaßpflihi dadurch genügen, daß er das Werthpapier gegen Erstattung des von dem Besißer nah- gewiesenen Erwerbtpreises oder desjenigen Kuréwerths übernimmt, den die Werthpapiere zur Zeit der Einführung hatten.

Die Ersatzpflicht ift ausgeschlossen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. Gleiches gilt, wenn der Besißer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt kennen mußte, und die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit jener Angaben nicht auf böslihem Verhalten derjenigen beruht, welhe den Prospekt erlafsen baben.

8 43. i

Der Erfattzanspruch verjährt in fünf Jahren seit der Zulaffung der Werthpapiere. Die Verjäbrung läuft auch gegen Minderjährige und bevormundete Persoren, sowie gegen juristishe Personen, denen geseßlich die Rechte der Minderjährigen zustehen, obne Zulaffung der Wiedereinfeßung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt des NRückgriffs gegen die Vormünder und Verwalter. -

8 44. Cine Vereinbarung, dur welche die nah den §8 41 bis 43 be- gründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ift unwirksam. Weitergehende Anfprüche, welde nah den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen erboten werden können, bleiben unberührt.

IV. BVörfenterminbandel.

Begriff der Börsentermingesckäfte in Waaren und Werthpapieren. S 45.

Als Börsenterningeshäfte in Waaren oder Werthpapieren gelten Kauf- oder fonstige Anschaffung?ge'chäfte auf eine fest- bestimmte Lieferungszeit oder mit ciner festbestimmten Lieferungs- frist, wenn sie nah Geschäftzbedingungen ges{lossen werden, die von dem Börsenvorstand für den Terminhandel festgeseßt sind, und wenn für die an der betreffenden Börse ges&%lossenen Geschäfte r Art eine amtliche Feststellung von Terminpreisen (§8 29, 35) erfolgt.

Untersagung des Börfenterminhandels. Lieferuncsqualität

des Getreides. S 46.

Der Bundesrath ift befugt, den Börsenterminhandel von Be- dingungen abhängig zu machen cder in bestimmten Waaren- oder Wertbpapieren zu untersagt: 11.

Die Lieferungégualität ¿cs im Börsenterminhandel zu liefernden

Getreides kann, rah Anbörung von Vertretern der betheiligten Er-

werbszweige, von dem Bundesrath oder, foweit er von dieser Be- fugniß keinen Gebrauch geziacht hat, von der Landesregierung fest- gestellt werden.

S 47. Ift nach den vom Bundesbrath erlassenen Besiimmungen der

Börsenterminhandel in bestimmten Waaren oder Werthpavieren un-

erdurh nit berührt, soweit

statthaft, fo ist au ein von der Mitwirkung der Börsenorgane uit- abbängiger Terminhandel von der Börse ausgeschlossen, soweit er sus in den für Börfentermingeshäfte üblichen Formen vollzieht. Au dürfen für solche Geschäfte Terminpreise öffentli oder in mechanisch hergestellten Preisliften (Kurszetteln) niht notiert werden.

8 43.

Wird die Zulassung von Waaren oder Werthpapieren zum Börsen- terminhandel verweigert oder wird die Zulassung niht nachgesucht, fo fann ein thatsählich stattfindender Terminhandel von den Börsen- aufsichtsbebörden mit den im § 47 bezeihneten Folgen unterjagt werden.

Zulaffung von Waaren.

8 49.

Die Börsenorgane snd’ verpflichtet, vor der Zulassung von Waaren zum Börsenterminhandel in jedem einzelnen Falle Vertreter der be- theiligten Erwerbs;weige gutahtlich zu hôren und das Ergebniß dem Reichskanzler mitzutheilen. Die Zulassung darf erft erfolgen, nachdem der Reichskanzler erklärt hat, daß er zu weiteren Ermittelungen feine Veranlassung finde.

Ankündigung lieferungsunfähiger Waaren. § 90. i

Bei dem Börsenterminhandel in Waaren geräth der Verkäufer, sofern er nah erfolgter Kündigung eine unkontraktlihe Waare liefert, in Erfüllungsverzug, auch wenn die Lieferungsfrist noch nicht abge- laufen war. ; t

Eine entgegenstehende Vereinbarung ift nichtig.

Börsenregifter. 8 51.

Bei jedem zur Führung des Handelsregisters zuständigen Gerichte ift je ein Börfenregister für Waaren und für Werthpapiere zu führen. Die Landesregierung kann die Führung des Registers für die Bezirke mehrerer Gerichte einem derselben übertragen.

S 52.

In das Börsenregister werden nah Namen, Vornamen, Stand und Wohnort die Personen eingetragen, die fich an Börsentermin- geshäften in Waaren oder Wertbpapieren betbeiligen wollen. Be- trifft die Eintragung eine Handelsgesellschaft oder juriftishe Perfon, so ist ihre Firma oder ihr Name fowie der Ort, wo fie ihren Siß hat, einzutragen. 4

Die Eintragung erfolgt in dem Register des Bezirks, in welchem der Einzutragende seine gewerblihe Niederlaffung oder in Ermange- lung einer solhen seinen Wohnsiß hat. Im Fall einer Verlegung der Niederlaffung oder des Wohnsißes wird die Eintragung unter Löschung in dem Regifter des bisherigen Bezirks in das Register des neuen Bezirks gebührenfrei übertragen.

8 53. :

Das Börsenregister ift öffentlih. Die Einficht desfelben ift während der gewöhnlichen Dienststunden einem Jedem geftattet. Auch kann von den Eintragungen gegen Erlegung der Kosten eine Abfchrift gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ift.

8 54.

Vor der Eintragung in ein Börsenregister ist eine Eintragungs- gebühr von einhundertfünfzig Mark zu entrichten. _ :

Für jedes folgende Kalenderjahr, während defsen die Eintragung S soll, ift cine Erhaltungégebühr von je fünfundzwanzig Mark zu zahlen.

Die Gebühren fließen, insoweit die Landesregierungen nicht ein Anderes bestimmen, den Landetkafsen zu.

: O. Do. ; :

Den Antrag auf Eintragung hat der Einzutragende oder, falls er E durch Verträge nicht verpflichten kann, sein gefeßlicher Vertreter zu stellen. __ Kinder unter väterliher Gewalt und Ehefrauen, die nicht Handels- frauen sind, bedürfen der Genehmignng des Vaters oder Ehemannes.

Der geseßliche Vertreter ciner unter Vormundschaft oder Pfleg-

“schaft (Kuratel) stehenden Person bedarf der Genehmigung der Vor-

mundschaftsbehörde. 8 56.

Der Antrag ift bei dem Gerichte, bei welchem das Börsenregister geführt wird, mündli zu Protokoll zu stellen oder schriftli ein- zureichen.

Schriftliche Anträge müfsen gerihtlih oder notariell aufgenommen oder beglaubigt sein.

__ Die vorstehenden Den finden auch auf eine etwa er- forderlihe Genehmigung 55) Anwendung.

Anträge und Erklärungen öffentliher Behörden bedürfen, wenn sie vorschriftsmäßig (intecfcbricben und untersiegelt find, keiner Be- glaubigung.

-

di.

Der Antrag auf Eintragung soll die Erklärung enthalten, daß der Einzutragende Börsentermingeschäfte in Waaren oder Werthpapieren eingehen wolle. ;

8 58.

Der Axtrag auf Eintragung in das Waarenregister kann auf be- stimmte Geschäftszweige beschränkt werden. Auf Antrag ift gebühren- frei die Eintragung auf weitere Geschäfl8zweige auszudehnen oder die eingetragene Beschränkung zu löiïchen; auf cinen folchen Antrag finden die Bestimmungen der §§ 55, 56 entsprechende Anwendung.

j 8 59.

Die erfolgte Eintragung ist von dem Gericht ohne Verzug ihrem ganzen Inhalt nach auf Koften des Eingetragenen im „Reichs-Anzeiger“ sowie in denjenigen öffentlihen Llättern bctannt zu machen, weldhe gemäß Art. 14 des Handelëgeseßbuhs für die Veröffentlichung der in das Handelsregister aufgenommenen Eintragungen bestimmt find.

8 60.

Die Löschung der Eintragung erfolct gebührenfrei auf Antrag des Eingetragenen oder seines geseßlihen Vertreters am Schlusse des Jahres, in weihem der Löschungsantrag gestellt ift. Für Kinder unter väterliher Gewalt und für Ehefrauen, welhe nicht Handels- frauen find. genügt der Antrag des Vaters oder Ehemanns.

Der Löschungéantrag ist bei dem Gerichte mündlich zu Protokoll zu stellen oder in geritliher ‘oder notarieller Beglaubigung einzu- reichen. Die Vorschrift im § 56 Abf. 4 findet entsprehende An- wendung.

8 61. : Eine Eintragung, die nit nah den Vorschriften in § 5d erfolgt ist, wird, wenn der Mangel nicht inzwischen beseitigt ist, von Amts- wegen gelöst. j Am Sólusse dcs Kalenderjahres wird eine Eintragung von Amts- wegen gelöst, wenn die Erhaltungsgebühr für das nächstfolgende Jahr nicht bis zum Ende des vorlegten Monats des laufenden Jahres ein- gezahlt ift. 8 62.

_Jedes Gericht bat nah Beginn des Kalenderjahres eine Liste

derjenigen Personen aufzustellen, teren Eintragungen am 1. Januar noch in Kraft bestanden. _ Das Gericht für den Bezirk der Stadt Berlin, an welches die übrigen Gerichte ibre Listen bis zum 31. Januar jedes Jahres ein- zusenden baben, ftellt nah deren Eingang unverzüglich eine Gesammt- liste auf und macht sie durch den „Reich3-Anzeigec“ bekaunt.

: : § 63.

Durch ein Börsentermingeichäft in einem Geschäftszweige, für welchen nicht beide Parteien zur Zeit des Geschäftsabshlusses in einem Ee eegiter eingetragen sind, wird ein Schuldverbältniß nicht be- gründet.

_ Das ‘Gleice gilt von der Ertheilung und Uebernahme von Auf- trägen sowie von der Vereinigung zum Abschlusse von Börsentermin-

geschäften.

Die Unwirksamkeit erstreckt sich auf die bestellten Sicherheiten und die abgegebenen Schuldanerkenntnifse.

Eine Nükforderung dessen, was bei oder nah völliger Abwicklung des Geschäfts zu seiner Erfüllung gelzistet worden ift, findet nicht statt. S 64.

__ Wer den Vorschriften des § 55 zuwider eingetragen worden ift, git nur dann als eingetragen, wenn der Mangel zur Zeit des Ge- hâftsabschlufses dem anderen Theile nit befannt war. _ Wer troß erfolgter Löshung im Börsenregister noch in der Ge- hammtliste 62) aufgeführt ist, gilt als eingetragen, fofern nit zur

eit des Geshäftsabschlufses der andere Theil von der bewirkten öschung Kenntniß hatte. Das Gleiche gilt bis zum Ablauf eines Monats seit der Veröffentlihung der Gesammtliste von denjenigen Personen, welche in dieser Liste infolge der Löschung nicht wieder auf- geführt find.

S 65.

Die Bestimmungen des § 63 finden au dann Anwendung, wenn das Geihäft im Auslande ges{loffen oder zu erfüllen ift.

In Ansehung von Perfonen, welche im Jnland weder einen Wohnsiß noch eine gewerbliche Niederlaffung haben, ijt die Eintragung in das Börsenregister zur Wirksamkeit des Geschäfts nicht erforderlich.

Hat nur eine der Parteien im Inland einen Wohnsiß oder eine gewerblihe Niederlafinng, so ift auch die Eintragung dieser Partei in das Börsenregister niht erforderli, sofern das Gefchäft zu ihrem Gewerbebetrieb gehört.

Einwand des Ausschlusses der Effektivlieferung. / 8 66.

Gegrn Anfprühe aus Börsentermingeshäften sowie aus der Eribeilung und Uebernahme von Aufträgen und aus der Vereinigung zum Abschluß von Börsengeshäften kann von demjenigen, welher zur Zeit der Eingehung des Geschäfts in dem Böcsenregister für den betreffenden Geschäf!szweig eingetragen war, sowie von demjenigen, dessen Eintragung nah den vorstehenden Bestimmungen 65 Abf. 2 und 3) zur Wirksamkeit des Geschäfts nit erforderlih war, ein Einwand nicht darauf gegründet werden, daß die Erfüllung dur Lieferung der Waaren oder Werthpapiere vertragë8mäßig auëges{loffen war.

V. Kommission3geschäft. 8 67.

Die Bestimmungen des Artikels 376 des Handelsgesezduchs werden durch die Bestimmungen der §8 68 bis 70 erjett.

Selbsteintritt.

8 68.

Bei der Kommission zum Einkauf oder zum Verkauf von Waaren, welche einen Börsen- oder Markftvrcis haben, und von Werthpapieren, bei denen ein Börfen- oder Marktpreis amtlich festgestellt wird, kann der Auftrag, wenn der Kommittent niht ein Anderes bestimmt hat, von dem Kommissionär dadurch ausgeführt werden, daß er das Gut, welches er einfaufen foll, selb als Verkäufer liefert, oder das Gut, welches er zu verkaufen beauftragt ift, selbs als Käufer übernimmt.

Im Falle einer solhen Ausführung des Auftrages ist die Pflicht des Kommissionärs, Nechensaft über die Abschließung des Kaufs oder Verkaufs zu geben, auf den Nachweis beschränkt, daß bei dem be- rechneten Preise der zur Zeit der Ausführung des Auftrages bestehende Börsen- oder Marktpreis eingehalten ift. Als Zeit der Ausführung gilt der Zeitpunkt, in welchem der Kommissionär die Anzeige von der Ausführung bebufs der Absendung an den Kommittenten ab- gegeben hat. ;

Ist bei einem Auftrage, der während der Börfen- oder Marktzeit auszuführen war, die Ausführungsanzeige erst nach dem Schlusse der Börse oder des Markts zur Absendung abgeg:ben, so darf der berech- nete Preis für den Kommittenten nicht ungünstiger sein, als der Preis, der am Schlusse der Börse oder des Markts bestand. Wenn seit der Ertbeilung des Auftrags verschiedene Börsen- oder Marktpreise während der Börsen- oder Marktzeit bestanden baben, so tarf au von dem mittleren Preise, welcher sih aus der Vergleichung dieser Preise ergiebt, nicht zu Ungunsten des Kommittenten abgewihen werden. Werden nach den Einrichtungen einer Börse oder eines Marktes innerbalb derselben Börsen- oder Marktzeit zu mehreren Malen einbeitlihe Preise amt- li festgestellt, so find für die Feststellung des mittleren Preises lediglih diese Preise heranzuziehen.

8 69.

Auch im Fall der Ausführung des Auftrags durd Selbsteintritt 68) muß der Kommissionär, wenn er bei Anwendung pflicht- mäßiger Sorgfalt den Auftrag zu einem günstigeren als dem nah S 68 sih ergebenden Preise ausführen fonnte, dem Kommitteaten den günstigeren Preis in Nechnung stellen.

Hat der Kommissionär vor Absendung der Ausführungsanzeige aus Anlaß des ertheilten Auftrags an der Börse oder am Markt ein Ge- shâft mit einem Dritten abgeschlossen, so_darf er dem Kommittenten keinen an geren als den hierbei rereinbarten Preis berechnen.

Die vorstehenden Bestimmungen können niht durch Vertrag ab- geändert werden. s

F (V. o E

Der Kommissionär, der das Gut selbs als Verkäufer liefert oder als Käufer übernimmt, ift zu der gewöhnlihen Provision berehtigt und fann die bei Kommissionsgeshäften sonst regelmäßig vorkommenden Unkosten berechnen.

Ausführung durch Abschluß mit einem Dritten.

Erklärt der Kommissionär bei der Anzeige von der Ausführung des Auftrages nicht ausdrücklich, daß er selbst eintreten wolle, fo gilt dies als Erflärung, daß die Ausführung durch Abschluß des Geschäfts mit einem Dritten für Rehnung des Kommittenten erfolgt sei.

Eine Vereinbarung zwischen dem Kommittenten und dem Kom- missionär, daß die Erklärung darüber, ob der Auftrag durch Selbst- eintritt oder durch Abschluß mit einem Dritten erledigt sei, über den Tag der Ausführungsanzeige hinaus aufgeshoben werden dürfe, ift ungültig. L O :

Auch wenn der Auftrag als durch Abschluß des Gefchäfts mit einem Dritten ausgeführt gilt, haftet der Kommissionär, falls er niht zugleih mit der Anzeige der Ausführung den Dritten namhaft mat, für die Erfüllung des Geschäfts.

VI. Straf- und Schlußbefstimmungen.

S 72.

Wer außer dem Falle des Artikels 249 d Ziffer 2 des Handels- geseßbuchs in betrügerisher Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendct, um auf den Börsenpreis von Waaren oder Werthpapieren cinzuwirken, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu Zehntausend Mark bestraft. Auch kann auf Verluft der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. i S

Sind mildernde Umstäude vorhanden, fo tritt ausschließlich Geldstrafe ein. S 73

Wer gewohnheitsmäßig und in gewinnfüchtiger Absicht Andere unter Ausbeutung ihrer Unerfahrenheit oder ihres Leichisinns zu Börtfenspekulationsgeschäften verleitet, welhe niht zu ihrem Gewerbe- betricbe gehören, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu Fünfzehntausend Mark bestraft. Auch kann auf Verluft der bürger- lihen Ehbrenrechte “erkannt AEEA i

(%.

Ein Kommissionär, welcer, um sih oder einem Dritten einen Vermögensvortheil zu verschaffen,

1) das Vermögen des Kommittenten dadurch beschädigt, daß er binfihtilich eines abzuschließenden Geschäfts wider besseres bg unrichtigen Rath oder unrihtige Auekunft ertheilt, oder

9) bei der Ausführunz eines Auftrags oder bei der Abwielung : eines Geschäfts absihtlih zum Nachtheile des Kommittentea handelt, S - / wird mit Gefängniß bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Geldstrafe bis zu Dreitausend Mark sowie auf Verlust der bürger- lichen Ehbrenrechte erkannt werden. : S Sind mildernde Umstänte vorkanden, fo tfann auss{ließlich auf die Geldstrafe erfannt werder. ; : Der Versuch if strafbar in den Fällen der Ziffer 1. S9:

Die in dem 1I., IV. und V. Abschnitt sowie im § 72 bezüglich der Werthpapiere getrcfenen Bestimmungen gelten auch für Wechsel

-und ausländishe Geldforten. i

S 76. E : Die in den §S 30 bis 34 enthaltenen Vorschriften treten mit dem 1. Jauuar 1897 in Kraft. Im übrigen tritt dieses Gesez mit dem . in Kraft. :

Begründung.

Der Geschäftsbetrieb an den deutschen Börsen und die Abstellung der bei demfelben hervorgetretenen Mängel ift seit längerer Zeit zum Gegenstand von Besprehungen in der Oeffentlichkeit, mehrfah au von Petitionen bei den g-feßgebenden Körperschaften gemacht worden.

So war in der Session des Reidbstags von 1887/88 (7. Legis- laturperiode II. Session) die Kommission des Neichétags für die Petitionen mit der Berathung einer Petition befaßt, welche den An- irag enthielt, daß die an der Produktenbörse zu Berlin, insbefondere auf dem Gebiet des Terminhandels mit Getreide, hervorgetretenen Mißstände im Wege der Gesetzgebung Abhilfe finden möchten.

Die Petitionsfkommission beschloß (Nr. 185 der Neichstags- Drucksachen von 1887/88): :

die Petition dem Reichskanzler zur Erwägung zu überweisen, ob aus Anlaß der von dem Gesuchsteller sowie auch vielfa in der Presse zur Sprache gebrachten Mißstände eine Enquête über die Zustände der Börse vorzunehmen sei und ob eine reih8geseßlihe Regelung der Materie ch empfehlen möchte.

Demnächst gelangte im Reichétag eine Petition zur Erörterung, in welcher die Abstellung von Mißständen an der Hamburgischen MWaarenbörse und zwar namentlich im Bereiche des Kaffeetermin- handels befürwortet und zu diefem Zweck die Untersagung oder do Beschränkung dieses Handels, inebesondere soweit er durch die Waaren- [iquidationsfafie Förderung erhält, beantragt wurde. Auf Grund des Berichts der Kommission für die Petitionen beshloß der Reichstag (vergl. Nr. 151 der Drucksachen des Reichstags von 1888/89) in seiner Sitzung vom 16. Mai 1889, die Petiticn den verbündeten Regierungen zur Erwägung zu überweisen.

Während die vorstekend genannten Anträge zunächst an die Ver- bâltnifse einzelner Börsenpläße anfknüpften, sind in neuerer Zeit, namentli seit dem Jahre 1891, vielseitig Beshwerden laut geworden, die sich auf den gesammten Umfang des Börsenwesens erstrecken. Hervorgerufen wurde diefe Bewegung durch den Zusammenbru be- deutender inländisher Bankhäuser, welcher die Aufdeckung einer über- triebenen, unfoliden Börsenspekulation und umfangreiher Depvotver- untreuungen zur Folge hatte, sodann auch durch Zahlungseinstellungen in aus[ändishen Staaten, deren Werthe durch die deutshe Börse ver- breitet waren. Es entstand in weiten Kreisen das dringende Ver- langen, daß dur geseßlihes Eingreifen den Auswüchsen des Geschäfts- verkehrs an den Börsen entgegengetreten und die zur Zeit unzuläng- Ae Vorkehrungen zum Schutz des Publikums vervollständigt werden möten.

Die erwähnten Depotuntershlagungen führten zunäch{ft zu einer Erwägung darüber, in welher Weise der Effektenbesiter dur gesetz- lie Bestimmungen gegen ein unredlihes Verbalten des Banquiers hinsichtlih der ihm anrertrauten Wertbstücke gesichert werden föônne. Das Ergebniß dieser Erwägung findet in dem Entwurf eines Gesetzes über die Pflichten der Kaufleute bei Auftewahrung fremder Werth- papiere Ausdru.

Daneben blieb die Frage bestehen, inwieweit die im Börsen- betrieb selbst zu Tage getretenen Schâcen ein organifatorishes Ein- greifen der Gesetzgebung nothwendig maten. Die Forderung eines folhen Eingreifens wurde durch die nawfolgenden, von Mitgliedern verschiedener Parteien unterftüßten Anträge im Reichstag als eine án weiten Kreisen vertretene Forderung gekennzeichnet :

A. Der Reichstag wolle beichließen :

die verbündeten Regierungen zu ersuchen:

1) dem Reichstag noch im Laufe der gegenwärtigeu Session eine Geseßzeêvorlage zu machen, in welcher dem Mißbrauch des Zeitgeschäfts als Spielgeshäft sowobl an der Börse wie ander- wärts, namentlich in. den für die Volkzernährung wichtigen Artikeln, durch eingreifende Bestimmungen auf dem Eeviet de SUUNAN und des bürgerlihen Rechts entgegengetreten wird; dahin zu wirken, daß die Bêrfen und der Geschäftsverkehr an denselben einer wirt]amen ftaatliwen Aufsicht unterstellt und dadurch ihren wahren Aufgaben für Handel und Verkebr er- halten werden. (Drucksachen des Reichstags Nr. 528, 8. Legis- laturperiode I. Session 1890/92.)

B. Der Reichstag wolle beschließen :

die verbündeten Regierungen zu erfuchen : dem Reichstag noch im Laufe der gegenwärtigen Session Ge- feßeévborlagen zu machen, durch welhe dem Börsenspviel sowohl an der Produfte-n- als auch an der Effektenbôrse entgegen- getreten und insbesondere festgestellt wird:

reine Differenzgeschäfte siyd nichtig und begründen fein Klagerecht. (Drucksachen des Neichètags Nr. 531, 8. Legislatur- periode 1890/92.)

Auch die Bundesregiecrungen, in dercn Gebieten Börsen sich be- finden, hatten alsbald nah den Vorgängen des Jahres 1891 die Ver- pflihtung ertannt, zur Herbeifübrung cines Schuges gegen die Wieder- kehr ähnlicher Auéschreitungen in eine eingehende Prüfung der auf den Börsenverkehr und die Stellung der Börscn im allgemeinen bezüg- lichen thatfächlihen und rechtlihen Fragen einzutreien. Zu diesem Zweck stellte sich, da es an den ausreihenden Unterlagen mangelte, zunächst die Veranstaltung einer Enquête als nothwendig dar. Es wurde deshalb unter dem 6. Februar 1892 durch den Neihs- kanzler eine Kommission berufen, welhe durch einen vom Reichs- kanzler ernannten Vorsitzenden geleitet wurde und aus Beamten der betheiligten Bundesregierungen, ferner aus Vertretern der Wissen- schaft, sowie der direft oder intireft am Béêrsenhandel betheiligten Kreise zusammengesetzt war. Die Komnmission trat am 6. April 1892 zusammen, einigte sh zunähst über die Gestaltung der den weiteren Verhandlungen und den Vernehmungen. von Sachverständigen zu Grunde zu legenden „Fragen und erledigte fodann nach Abbaltung von 93 Sizungen ihre Aufgabe durch die am 11. November 1893 erfolgte Erstattung eines Schlußberichts an den Reichékanzler. Die Kommission hat es sich angelegen sein lassen, Nachrichten üter die in den einzelnen Bundezstaaten und an den wichtigsten ausländischen Bôörsenpläzen geltenden geseglichen Vorschriften, Statuten und Handels- gebräuche cinzuziehen und ein reihhaltiges statistisdes Material über den Umfang und die Formen der Börsengeschäfte beizubringen. Ferner find von ihr 115 Sachverständige, und zwar 39 dem Effekten-, 56 dem Waarenverkebr, 8 der Wissenschaft und der Rechtépflege, 5 der Presse angebörig, vernommen worden, deren Ausfagen in wortgetreuer Wiedergabe dem Berichte beigefügt wurden. Unter Berücksichtigung der so gewonnenen Aufflärungen hat die Kommi}sion sich durch Mehr- heitsvoten über die zu empfehlenden Maßregeln {lü!sg gemaht und formulierte Vorschläge für gesetzgeberishe und administrative Anord- nungen vorgelegt. 5

Der Bericht der Enquête-Kommission ist nebst sämmtlichen An- lagen dem Bundesrath und dem Reichstag mitgetheilt worden. Der Teßtere hat darauf bei Gelegenheit der Berathung des Gefeßes über

die Erbeburg der Reichëstempelabgaben in feiner Sitzung tom 19. April 1894. bes{lofsen : h die verbündeten Regierungen zu ersuden, auf Grund der Er- gebnifse der Börsen-Enquête ein Börsengesey thunlichft bald vorzulegen. E

Die Erörterungen, welche diesem Reichstagsbeïhluß vorausgingen, und die zahlreiden fonftigen Besprehungen, denen der Bericht der Enquête-Kommission unterzogen worden ist, ließen ersehen, daß dêr vermittelnde Standpunft, welchen die Kommission nah sorgfältiger Abwägung- aller eins{lägigen Interessen einnahm, überwiegende Billigung fand, und daß auch die von diesem Standpunkt aus formulierten Kommissionsvorshläge, troß mannigfaher Auëstellungen gegen Einzelheiten, in weiten Kreisen als eine geeignete Grundlage zu weiterem Vorgehen betrachtct wurden. h

Allerdings steht die Gesetzgebung in der vorliegenden Frage vor einem ungewöhnlich lebhaften Gegensaß der Interessen und Meinungen, deren Auëgleicung und gleihmäßige Berücksichtigung mit besonderen S@hwierigkeiten verbunden ift. Durch die Entwicklung des nationalen und internationalen Güterverkehrs ift die Börse für den Umsatz von Waaren und Wertibpavieren und für die Festseßung der Tageswerthe zum unentbehrliben Faftor geworden. Das fann zwar nicht hindern, Abbilfe für nahzewiesene, zum theil s{hwerwiegende Mißstände zu suchen, deren Beseitigung auch im Interesse der Börse selbst liegt, während darauf die durch ten Börsenhandel in weiterem Umfang be- rübhrten Interessen der Allgemeinheit einen berechtigten Arspruch haben. Dabei aber wird es die Aufgabe sein, die Entfernung der Auswüchse berbeizuführen, ohne die Börse in ihren nugbringenden und nothwendigen Funktionen zu ftören.

Cine weitere Schwierigkeit, wele bei dem Erlaß reich8geseßz- liher Maßnahmen zu überwinden ist, beruht darin, daß die geshihtliden Grundlagen, auf denen die verschiedenen Börsen Deutschlands erwachsen sind, wesentli von einander abweichen. Die Aufstellung bestimmter Normen ist {hon in formeller Hinsicht [leihter in Betreff derjenigen Börsen, welche bereits eine feste äußere Organisation besitzen, als in Betreff der Börsen, die si ihrer Ent- wickelung nach als freie Vereinigungen von Kaufleuten und anderen Geschäftstreibenden zu geshäftlihen Verabredungen jeder Art betrachten und daber jedem Eingreifen der Staatsgewalt mit befonderer Leb- haftigkeit widerstreben. Demgegenüber tis indeß zu berücsihtigen, daß die Einwirkung, welhe die Verbältniffe an den einzelnen deut- {en Börsen auf die anderen Börsen, und welche sie gemeinsam auf das Wirthschaftsleben der Gesammtheit ausüben, im Verlauf der neueren Entwicklung niht nur immer lebhafter und stärker, sondern daß auch die dabei angewendeten Geschäftsformen immer gleichartiger geworden sind. Beschränkt sich die Gesetzgebung auf diejenigen Maß- regeln, welhe zum Scutße der allgemeinen wirths{aftlichen Inter- essen als notbwendig erfannt werden, so muß sie au auf alle in- ländischen Börsen obne Unterschied sich erstrecken. Dabei bleibt immer noch Raum, um der auf bistorisch gesunder Grundlage entwidelten Eigenart des einzelnen Börsenplaßes Rechnung zu tragen.

Als Gebiete, auf denen eine Reform des Börsenwesens und des mit diesem im Zusammenhange stehenden Geschäftsverkehrs als erfor- terlih sich erwiesen hat, sind von der Börsen-Enquête-Kommission die nachfolgenten bezeihnet worden :

1) rechtlihe Stellung und Organisation der Börse;

2) das Emifsionswefsen ;

3) der Terminhandel und das Börsenspiel : 4) das Maklerwesen und die Kursfeststellung : 5) das Kommissionsgeschäft.

Für jedes dieser Gebiete hat die Enguéte-Kommission Borschläge ausgearbeitet für die Neichsgeietgebung, für Anordnungen des Bundes- raths und für die Börfenordnungen. die Vorschläge der leßzt- aenannten beiden Kategorien find zwar in verschiedenen Punkten als wesentliche Bestandtheile einer wirksamen Reform zu erahten, indeß entziehen sie si ibrer überwiegenden Mehrheit nah im vorliegenden Zusammenkbarge der Einzelerörterung umsomehr, als ihre Aus- gestaltung von der Feststellung der allgemeinen organifatorischen Be- stimmungen abhängt. Der Entwurf folgt in der Scheidung zwischen geseßlichen und administrativen Maßnahmen im wesentlihen den An- fchauungen der Erguéte-Kommission. Nur îin einzelnen Richtungen, wie in Bezug auf die Ausschbließung unlauterer Elemente vom Börsen- besu, auf die Zuständigkeit der Börsenschiedsgerichte, auf die Folgen der Ankündigung unkontraktliher Wagre im Terminhandel, stellt er im Interesse der Einbeitlichkeit Vorschriften für das Geseß felbst auf, anstatt die Entshlie5ung den einzelnen Börfenordnungen vors- zubehalten.

Auch den sachlichen Inhalt der Enquêétevorichläge bat auf Grund der nach Erstattung des Kommissionsberihts vorgenommenen ein- gehenden Prüfung der Gntwurf sich in weitgehendem Maße zu eigen gemacht. In wie weit Ergänzungen, Abweichungen und redaftionelle Umgestaltungen als angezeigt si erweisen, ist in der nachstehenden Begründung zu den einzelnen Abschnitten näher dargelegt.

Hinsichilih der äußeren Anordnung erschien es angemessen, die Bestimmungen über die Feststelung des Börsenpreises und das Matlerwesen an diejznigen über die Börfenorganisation anzuschließen.

Zu den einzelnen Abschnitten des Entwurfs wird Folgendes bemertt :

I. Allgemeine Bestimmungen über die Börfen und deren YWrgane.

Innerhalb des Reichsgebiets befinden fich Börfenpläge in folgenden Bundesftaaten :

in Preußen, und zwar in den Städten :

Berlin, Breslau, Danzia, Düsseldorf, Elbing, Essen, Frank- furt a. M., Gleiwiß, Grimmen, Halle a. S., Köln, Königs- berg, Magdeburg, Memel, Posen, Stettin ;

in Bayern, und zwar in den Städten:

München und Augsburg ; im Königreih Sachsen: und zwar in den Städten: Dresden und Leipzig;

in Württemberg, und zwar in Stuttgart ;

in Baden, und zwar in Mannheim :

in der freien und Hansestadt Lübeck;

in der freien Hansestadt Bremen:

in der freien und Hansestadt Hamburg;

in Elsaß-Lothringen, und zwar in

Straßburg und Mülhausen.

An den großen deutschen Börsenplägen sind durchweg Börsen für Effekicn und Waaren vorhanden. Dasselbe gilt von einer Reibe der Élcineren Börsenorte, während an anderen der Börsenhandel auf Effeften- oder Waaren oder auf Zweige des Effekten- und Waaren- geshäâfts beschränkt ist.

Die reitlihe und geshihtlihe Grundlage, auf welher diese B5rsen beruhen, zeigt äußerlih bedeutende Verschiedenheiten. Indeß bestehen, wenn auch die RNechtsguellen ven einander abweichen, doch fast überall Bestimmungen über die Handhabung und Beaufsichtigung des Börfenbetriebes. Die wesentlihsten Merkmale sind nah beiden Richtungen hin aus den nachfolgenden Einzelnheiten zu entnehmen :

Für Preußen ist durch den Artikel 3 pes Einführungsgesetzes zum Handel3ge}eßbuch vom 24. Junt 1S61 (Preußische Geseßz-Samml. S. 449) in Bezug au! die Börsen und dic kaufmännischen Korporationen Folgendes vorgesri: ben : y

8 1. Die Erri@tung einer Börse kann nur mit Ge- nehmigung des Handels-Ministers erfolgen.

§ 2. Neue Börsenordnungen bedürfen der Genehmigung des Handels-Ministers.

Diese Genehmigung ift aub zur Abänderung und Er- gänzung bestehender Börsenordnungen erforderlih und genügend.

Die Vorschriften der bestehenden Börsenordnungen, welche privatrechtlichen Inhalts sind, treten außer Kraft. Privat- rechilihe Vorschriften können auch in die revidierten und in die neuen Börsenordnungen nit aufgenommen werden.

In Ausführung . dieser Gesetzesvorschriften ist die unmittelbare Aufsicht über die Börse für die meisten Pläge der Handelskammer oder einer faufmännishen Korporation (Aelteste der Kaufmannschaft, Borfteheramt der Kaufmannschaft u. |. w.) übertragen ‘worden. Eine Börse die zu Düffeldorf unterliegt der Aufsicht der Bezirksregierung. Die vorgenannten Zwischeninstanzen sind ver- pflihtet, den Anordnungen des Handels-Ministers Folge zu geben.

Für Bayern find staatli&erseits, abgesehen von einigen Spezial- bestimmungen über Handelsmakler, Verfügungen über die Beaufsichti- gung des Börsenbetriebs bisher nicht ergangen. Dagegen sind eBestimmungen für die Münchener Börse, gültig vom 1. Januar 1891“ vom Münchener Handelsverein erlassen, unter defsen Aufsicht und Leitung die Börse steht.

Im Königreih Sathsen ist nur für die Börse in Leipzig eine be- sondere Regelung erfolgt, dahin gebend, daß alle Anordnungen und Bestimmungen der Genehmigung der Handelétfammer bedürfen, welche auch die fortlaufende Aufsicht über den Betrieb der Börfe führt.

Für Württemberg ift dur den Artikel 12 des Einführungsgeseßes zum Handelsgeseßbuch vom 13. August 1865 (Regierungsöblatt für das Königreih Württemberg S. 211) folgende Bestimmung getroffen:

„Zur Feststellung von Börsenpreisen im Sinne des Handels- gefeßbuchs find nur diejenigen Vereine von Kaufleuten als ge- eignet anzusehen, welhen durch landesberrlihe Ents{ließung auf Grund einer genehmigten Börsenordnung die Eigenschaft öffentliher Börsenvereine beigelegt ift.“

Dementiprehend hat die Börfenordnung für Stuttgart vom 24. Mai 1877 der Königlichen Genehmigung unterlegen. Die Aufsicht über diese Börse wird von der Handels- und Gewerbekammer zu Stuttgart durch Kommissare wahrgenommen.

Bon seiten des badishen Staates find Anordnungen über die Börfe nicht erlassen.

Für Lübeck hat der Senat auf den Antrag der Handelskammer unter dem 10. April 1875 (mit Nachtrag vom 12. Dezember 1885) eine Börsenordnung erlassen, deren Vorschriften (nach Artikel 9) sämmtliche Besucher der Börse unterworfen sind und- bebufs deren Aufrechterhaltung (nah Artikel 10) an jedem Börsentage ein Mitglied des Börsenausshusses der Handelskammer sich auf der Börfe ein- zufinden hat, um die Obliegenheiten des Vorstandes wahrzunehmen. Ieder Anwesende ift verpflichtet, den Anweisungen dieses Handels- kammermitgliedes hinsihtlich des Besuchs der Börse unweigerlih Folge zu leisten.

In Bremen hat \sich der Staat mit dem Börsenwesen insofern befaßt, als er Bestimmungen über die Zahlung von Börfeneintritts- und Standgeldern erlassen hat.

Durch die obrigkeitlihen Verordnungen vom 6. Februar 1860 (Bremisches Gesetblatt S. 26) vom 18. Februar 1863 (taselbsi S. 22) und vom 6. Oktober 1864 (daselbst S. 277) u. f. w. ist bestimmt worden, daß zur Zablung eines Börseneintrittsgeldes verpflihtet find:

1) sämmtlihe Mitglieder des Kaufmannskonvents,

2) alle fonftigen Personen, welche die Börse besuchen, mit Aus- nabme der Schiffer, der Fremden, welhe niht |chon ein Jahr lang in Bremen gewohnt haben, fowie derjenigen, welche Handels- oder Handelishilfsgeshäfte nicht betreiben.

Andererseits besteht nah § 98 der Brémishen Verfassung der Kaufmannékonvent aus Mitgliedern der Bremischen Börfe.

Ueber die Anstellung von Beamten (beeidigten Börsenmaklern) für die Abhaltung von éffentliden Verkäufen, die Ertbeilung von Befundzeugnifsen und Gutachten sowie die Vornahme von Schäßungen ift eine obrigfeitlihe Verordnung des Senats vom 9. Dezember 1867 im Einverständniß mit der Handelskammer ergangen. Außerdem hat die Handelzkammer unter dem 1. Dezember 1889 Bestimmungen für das Schiedsgericht der Bremer Börse erlafsen. Die Bremifche Börsen- ordnung bestimmt im § 4:

„Wäßrend der Dauer der Börsenversammlung liegt den beiden Vorfigern der Handeksfammer die Sorge für die Erhaltung von Ordnung und Anstand ob.“

Das Hamburgische Geseß vom 23. Januar 1889, betreffend die Handelskammer und die Versammlung eines Ebrbaren Kaufmanns (Hamburgische 'Gesez-Samml. S. 26) bestimmt im § 17 Folgendes:

„Die Handelskammer hat die Aufsicht über die Börse und übt innerhalb derselben die Polizei nah Maßgabe einer mit Ge- nebmigung des. Senats zu erlassenden Bör!enordnung aus.“

Nah § 1 desselben Gesetzes besteht die Handelskammer aus Mitgliedern, welhe von der Versammlung eines Ehrbaren Kauf- tnanns gewählt werden. Der vorstehenden Bestimmung entsprechend, bat die Handelskammer mit Genehmigung des Senats unter dem 18. Dezember 1891 die jet in Kraft befindlihe Börfenordnung er- lassen, weldze im Hamburgischen Geseßblatt für 1891 S. 206 ver- öffentlicht ift und mit den einleitenden Worten beginnt:

„Die Handelskammer führt die Aufficht über die Börse und ubt innerhalb derselben die Polizei nah Maßgabe ter folgenden Börsenordnung aus."

Außerdem bat sih die hamburgishe Gesetzgeburg mit dem Jn- stitute der Makler und demjenigen der beeideten Auktionatoren (Geseg vom 20. Dezember 1871) befaßt. Die Maklergebührentare ift von der Hantelsïammer unter Genehmigung des Senats geregelt.

Bezüglich Elfaß-Lotbringens find besondere Vorschriften nit zu erwähnen, da die dortigen Börsen niht als Börsen im Sinne des durch § 1 Ziffer 3 des Neichsgesezes vom 19. Juni 1872 (Gefezbl. für Elfaß-Lothringen S. 213) aufrecht erhaltenen französischen Recbts

angesehen werden.

Auch in vielen Staaten des Auslandes ift durch Gesetzgebung oder Statui theils dem Staate, theils kommunalen oder Handels- korporationen eine Aufsicht über die Börse beigelegt. Dies gilt namenilich von Oefterreih (Geseß vom 1. April 1875), ferner von Franfreid (Art. 71 des Code de commerce), von Belgien (Code de commerce 1. Buch Titel V: „des bourses de commerce, agents de change et courtiers“ Art. 61 bis 68, Gese vom 11. Juni 1883 Art. 1) und den Niederlanden (Holländises Handels- geseßbuh Art. 59 und 73). In einiaen der genannten Länder wird die grundsäßlihe Feststelung der Aufsihtébefugniß dur Einzel- beftimmungen über die Handhabung der Aufsicht und über den Ge- schäftsbetrieb der Börse ergänzt. Auf aussc{ließlih privater Gcund- lage sind die Börsen Großbritanniens aufgebaut.

Aus obiger Zusammenfafsung der inländischen Bestimmungen er- giebt sich. daß ein gewisses Maß von Aufsicht durŸ die Staatsbehörde oder durch Handel8organe fasi überall bereits jeßt wahrgenommen wird. Es erwächsl die Aufgabe, diese Aufsichtsbefugnifse reidbégesetlih auf einen gemeinsamen Boden zu ftellen, um dadurch den Auêgangs- punkt für fernere organisatorishe Bestimmungen zu gewinnen. Dems- gemäß bestimmt der § 1 Ab?. 1 und 2 in Verbindung mit § 4 des Entwurfs, daß den Landesregierungen eine entscheidende Ein- wirkung sowohl in Bezug auf die Ertftecung und das Bestehen der Börse wie auf die in der Börsenordnung zum Auëdruck kommende Regelung des Börsenbetriebes zusteht. Jn welher Weise und durch welche fiaatlihen Organe die Landesregierung von ihrem Aufsichts- rechte Gebrauch machen will, bleibt abgesehen ven der Bestimmung im § 2 ibrer Entshließung überlassen.

Der Entwurf fieht außerdem vor, daß die siaatlihe Aufsicht, foweit sie in der unmittelbaren Einwirkung auf die Börse sich äußert, auch folchen nit ftaatlihen Körperschaften übertragen werden fann, welhe als Vertrauensorgane der Handelëwelt den Staat in Erfüllung seiner die Beförderung und Erleichterung des Handelëver- kehrs bezwedenden Aufgaben unterstützen. Ob aus dem Schoße der Handelskammer u. s. w. auch diejenigen Perfönlichteiten bervorgehben, denen die Börsenleitung selbst übertragen wird, eder ob ein Vorstand aus der Mitte der Börse gebiidct wird, und ob etwa der Vorstand bebufs sachgemäßer Wahrnehæwung der verschiedenen ibm übertragenen Funktionen sib in mehrere Abtheilungen zu zerlegen bat, überläßt der Entwurf der Regelung durch die Börfenordnungen. Ja beiden Fällen bezeichnet er das zur Leitung der Börse berufene Organ ais „Börfenvorstand“, während das mit der unmittelbaren Aufsicht über die Börse bctraute, also der Börsenleitung übergeordnete Handels- organ (Handelskammer u. \. w.) in dieser Eigenschaft gleihwie die