1895 / 134 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Nicchtamlliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Juni.

Scine Majestät der Kaiser und König begaben Sich heute Morgen um 71/2 Uhr mittels Sonderzuges nah Jüterbog, um einem Gefechtsschießen der Schießschule beizu- wohnen, gedahten Nachmittags über Halensee nah der Wild- parfkstation zurückzukehren und auf der Rückfahrt die Glocken für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnißkirche zu besichtigen.

ür das Etatsjahr 1894/95 sind im Deutschen Reich von Ain nahmen (einschließlich der kreditierten Beträge) an Zöllên und- gemeinschaftlichen Verbrauch ssteuern sowie von anderen Einnahmen zur Anschreibunz gelangt: Zóôlle 387 653 787 H. (gegen denselben Zeitraum des Vorjahrs 4 93223 434 M6), Tabadsteuer 11 755 188 (— 3346 Hé), udersteuer 85 114479 M (+ 7234745 A), Salzsteuer L 354 163 M(+ 1 048 374 6), Maischbottich- und Branntwein- materialsteuer 22 092 390 M (— 2598 379 M6), Verbrauchs- abgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 118 031 455 M (+ 220 597 fe M Brausteuer 26 366 313 H (— 281 752 M), Uebergangsabgabe von Bier 3 625 049 M: (— 53385 ); Summe 699 992824 M (+ 28 800 172 H). Stempelsteuer dr: a. Werthpapiere 9037 981 #6 (+4871773 46), b. Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte 16 406 919 +4 8942 129 46), c. Loose zu : Privatlotterien 2342555 M (+ 863 138 M), Staatslotterien 11 973 0594 (+ 4 116 446 M6), Spielkartenstempel 1399929 H (+ 22835 M), Wechsel: stempelsteuer 8147 837 M E 2 083 A6), Post- und Telegraphen-Verwaltung 269 778002 # (+ 13311 253 H), Reichs-Eisenbahn-Verwaltung 62 758 043 (+ 405 465 M). Die zur Reichskasse gelangte Jst - Einnahme abzüglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten beträgt bei den nahbezeichneten Einnahmen für das Etatsjahr 1894/95: Zölle 362 680 984 M6 (+ 26 053 692 A), Tabadsteuer 11 329 970 M (+ 411 545 M), Zudersteuer 80 372 185 #6 (+ 9307 073 M), Salzsteuer 44462 749 M. (+ 790704 A), Maischbottich- und Branntweinmaterialsteuer 18 024895 (— 1182397 X), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu der- selben 99 600500 M (— 527 706 F), Braujteuer und Ueber- gangsabgabe von Bier 25 470 158 H (— 281 340 ); Summe 641 941 441 M (+ 34571571 MÆ). Spielkartenstempe l 1280057 M (— 21166 M).

Die Berufs- und Gewerbezählung, welhe auf Grund des Reichsgeseßes vom 8. April d. J. am Freitag, den 14. d. M, stattfinden wird, soll das Material liefern zu einer statistishen Darstellung dec Vertheilung der Bevölkerung nah Berufsarten und Berufsstellungen, der Vertheilung des land- und forstwirthschaftlich benußten Bodens nah dem Um- fang und anderen wihtigen Merkmalen der Bewirthschaftung, sowie der gewerblichen und Handelsbetriebe, mit Einschluß der Hausindustrie und des Haustergewerbes, nah ihrem Personal- bestand, unter Berücksichtigung der Verwendung von Elementar- fräften und gewisser besonders wichtiger und charakteristisher Arbeitsmaschinen. ' 4 :

Die Einrichtung dieser Erhebung {ließt sich an die bewährte und allbekannte der Volkszählungen an: nur sind die Formulare umfangreiher und dem Zweck einer volks- wirthshaftlihen Statistik angepaßt, und der Termin der Zählung is ein anderer, weil einmal die erste Erhebung dieser Art im Jahre 1882 auch im Juni stattfand und dann der für die Volkszählungen hergebrachte Termin des 1. De- zember für Ermittelungen, die das gewerbliche, insbesondere auch das landwirthshaftlihe Erwerbsleben in seiner vollen Entfaltung erfassen sollen, nicht passend ist. S

Von den drei Formularen*), in welhe vom Publikum Antworten eingetragen werden sollen : der Haushaltungslijte, der Landwirthschaftskarte und dem Gewerbebogen, wird das erstgenannte an sämmtliche Haushaltungen und einzeln lebende Personen ausgegeben ; die Landwirthschastskarte ijt in allen denjenigen Haushaltungen auszufüllen, welche eine Boden- fläche, groß oder klein, als Aer, Wiese oder Weide, zum Handels - Gewächsbau, als Nugtgarten, Weinberg, Forst bewirthshaften oder auch nur Kühe zu Zwecken der Milchwirthschaft also eines der Landwirthschaft nahe verwandten Betriebs halten. Der Gewerbebogen ijt von allen Personen auszufüllen, deren Geschäft nicht von ihnen allein und ohne Elementarkraft ausgeübt wird und für welche daher nicht shon aus der Haushaltungsliste für die Gewerbe- statistik genügende Antworten zu entnehmen sind, und zwar sollen nicht nur die Leiter selbständiger Geschäfte, sondern auch von Zweiggeschäften mit Gewerbebogen verschen werden.

Die Formulare sind, mit Berücksichtigung der im Jahre

1882 gemachten Erfahrungen, unter Betheiligung landwirth- \chaftliher und gewerblicher Sachverständiger ausgearbeitet und nach Prüfung in der für die Berathung des Gescßes über die Berufs- und Gewerbezählung vom Reichstag gewählten Kommission vom Bundesrath fest- gestellt. Mancherlei Fragen, die bei diesen Vor- bereitungen als wünschenswerth bezeichnet wurden, sind zurück- gestellt worden, um die Erhebungen und deren Bearbeitung nicht zu sehr anschwellen zu lassen. Immerhin wird vom Publikum die Durchsicht einer langen Reihe von Fragen ge- fordert, die der Haushaltungsvorstand auf der Haushaltungs- liste und der Betriebsleiter auf der Landwirthschaftskarte oder dem Gewerbebogen, theilweis auch auf beiden, beantworten soll, soweit die Frage auf f zutrifft. Es i} aber natürlich nicht möglich, eine ausführliche statistishe Darstellung jener volks- wirthschaftlihen Verhältnisse, wie fie von der Praxis und Wissenschaft gefordert wicd, auf einer nur kleinen Zahl von Fragen und Antworten aufzubauen, und bei der Wichtigkeit dieser Erhebung, die fast in demselben Umfange zuleßt vor dreizehn Jahren gemacht worden ist und in einem ähnlich langen Zeitraum niht zu wiederholen sein wird, durfte in den Formularen eine Befragung, die über das gewöhnlihe Viaß hinausgeht, nicht gesheut werden.

Das Gelingen der Zählung und damit der statistischen Arbeit überhaupt hängt ganz von der einsichtsvollen und bereit- willigen Mitwirkung ber Bevölkerung ab, die sie, bei dem ge- meinnüßigen Zweck des Unternehmens sagen wird.

*) S. d,INrn. 25 und 119 d. „NR.- u. St.-Anz,*

gewiß niht ver-

Nach einem Telegramm des Kaiserlichen stellvertretenden Gouverneurs von Puttkamer aus Kamerun hat die Kaiser- lihe Schußtruppe unter der M as des Rittmeisters von Stetten den seit längerer Zeit aufsässigen Stämmen der Bakokos am unteren Lauf des Sanagaflusses eine empfindliche Niederlage beigebraht. Vier Hauptorte derselben wurden erstürmt, 200 Todte blieben auf dem Felde; zahlreiche Gefangene fielen in die Hände der Sieger. Von der Kaiser- lichen Schußtruppe find zwölf Mann getödtet und 47 ver- wundet. Deutsche Unteroffiziere oder Offiziere sind nicht ver- legt. Die Schußtruppe gelangte ungehindert nah Yaunde, welches unter Leitung des Lieutenants Dominik militärish beseßt wurde. :

Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß in dem Bakoko- lande, welches bisher dem Handel verschlossen war und dessen Bewohner \ich dauernd der shwersten Gewaltthätigkeiten gegen Europäer und Duallas \shuldig gemacht haben, nunmehr geordnete Zustände herrschen werden.

Der General der Infanterie von Rauch, Chef der Land- gendarmerie, ist hierher zurückgekehrt. / i Der hiesige Königlih bayerishe Gesandie Graf von Lerchenfeld-Köfering is vom Urlaub nah Berlin zurück- gekehrt und hat die gesandtschaftlihen Geschäfte wieder über- nommen.

Der hiesige Königlich württembergishe Gesandte Freiherr

von Varnbüler is vom Urlaub nach Berlin zurücgekehrt und hat die gesandtschaftlihen Geschäfte wieder übernommen.

Der hiesige Königlich niederländishe Gesandte Jonkheer van Tets van Goudriaan e E Ueberreichung seines Beglaubigungsschreibens am Königli bayerishen Hofe nach München begeben. Während seiner Abwesenheit ijt der Zweite Sekretär der niederländischen Gesandtschaft Erbgraf von RNechteren-Limpurg-Almelo mit Erledigung der laufenden gesandtschaftlihen Geschäfte beauftragt.

Vayern. : Seine Königliche Hoheit der Prinz Zig wird, wie „W, T. B.“ meldet, Seine Königlihe Hoheit den Prinz- Negenten auf der Reise zu den Eröffnungsfeierlichkeiten des Nord-Ostsee-Kanals begleiten. |

Seine Königliche Hoheit der Prinz Leopold hat die Ehren-Präsidentenstelle des Bayerischen Veteranen-, Krieger- und Kampfgenossenbundes, dem er bisher als Ehrenmitglied angehörte, angenommen und wird auch am 30. Juni d. J. die von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-Regenten zur Erinnerung an die 2Wjährige Wiederkehr des Tages von Sedan gestiftete Fahne dem Bund im Auftrage Höchstdesselben übergeben.

Württemberg.

Die Kammer der Abgeordneten beendigte in ihrer vorgestrigen Sißung die Einzelberathung des Eisenbahn-Etats und begann gestern die Berathung des a mus /

Dem Präsidium der Kammer der Abgeordneten is der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verlängerung der Befugniß der Württembergischen Notenbank in Stuttgart zur Ausgabe von Banknoten, nebst Begründung zur weiteren Be- handlung zugegangen.

Vaden. Der landfständishe Ausschuß zur Prüfung der Staatsrcehnungen ist am 5. d. M. in Karlsruhe zusammen- getreten.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Der Landtag für das Herzogthum Gotha hat in seiner Sizung vom 5. d. M. den Gesehentwurf angenommen, nah welchem die Wittwen- und Waisen-Pensionsanstalt für Beamte auf den Staat übernommen und das Gnadengehalt für deren Wittwen und Waisen fortan auf fünf statt bisher auf drei Monate gewährt werden soll.

Der gemeinschaftlihe Landtag für die Herzog- thümer Coburg und Gotha beschloß gestern, die Petition des Bundes deutscher Frauenvereine um Anstellung weiblicher Gewerbe-Jnspektoren der Regierung zur Erwägung zu Uber- weisen.

Oesterreich-Ungarn.

Ein in Graz durch Anschlag bekannt gemachtes Hand- schreiben des Kaisers an den Statthalter spricht der Bevölkerung für den so warmcn Empfang und die vielen herzlihen Beweise der Liebe und Anhänglichkeit, welhe dem Kaiser während seines Aufenthalts entgegengebraht worden seien, den innigsten Dank aus. i Die Delegationen sind gestern in Wien zusammen- etreten. Die österreihische Delegation wählte den Fürsten Ferdinand Lobkowißz zum Präsidenten und den rafen Zalesfki zum Vize-Präsidenten. Fürst Lobkowiß hielt daß die Sorge der Wehr- kraft der Tradi- tionen der Delegationen gehört habe. Man habe hierbei anerkannt, daß die Heeresverwaltung selbst das Bedenkliche allzugroßer Anspannung der Steuerkräfte vor Es gehabt habe und in ihren Mehransprüchen ein weises Maß zu halten verstehe. Der Präsident widmete hierauf dem Erz- herzog Albrecht einen tiefempfundenen warmen Nachruf, erwähnte sodann den im Ministerium des Aeußern erfolgten Wechsel, widmete der Amisthätigkeit des Grafen Kálnoky, dem jeder Patriot für die Wahrung des Friedens der Monarchie danken müsse, warme Worte der Anerkennung, begrüßte ferner vertrauensvoll den neuen Minister des Aeußeren, Grafen Goluchowski, und {loß mit einem dreifahen Hoch auf den Kaiser, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Der Minister des Aeußeren legte hierauf das gemeinsame Budget vor.—Die ungarische Delegation wählte Aladar Andrassy zum Präsidenten und Koloman Szell zum Vize-Präsidenten. Der Präsident widmete dem Erz- „herzogAlbrechteinenwarmenNachruf und gedachte alsdann der Verdienste des zurückgetretenen Ministers des Auswärtigen Grafen Kálnoky, dem es gelungen sei, während vierzehn Jahren der Monarchie die Segnungen des Friedens zu sihern. Jm

eine Ansprache, worin er hervorhob, für die Erhaltung und Kräftigung Monarchie stets zu den patriotischen

weiteren Verlaufe besprah der Präsident die Stellung Ungarns

. Lord-Mayor die Gesundheit des

zu den Balkanstaaten und drückte die Hoffnung aus, daß der jeßige Minister des Auswärtigen Graf Goluchows ki die bisher daselb st befolgte Politik auch weiterhin erfolgreich gel- tend machen werde. A i

Der gemeinsame Voranschlag für die Gesammt-Monarchie

ro 1896 zeigt ein gesammtes Bruttoerforderniß von 156 291 463 1

ah Abzug der vorhandenen Bedeckung in Höhe vvn 2692 175 Fl. bleibt ein gesammtes Nettoerforderniß von 153 599 288 Fl. Hiervon geben ab die mit 49 047 140 Fl. präliminierten Zollgefälls-Ueber- schüsse; es verbleibt ein Erforderniß von 104552148 Fl. Hier- von sind die zu Lasten des ungarischen Staats\chaßzes unan abzuziehenden 2°%/ mit 2091043 Fl. in Abrechnung zu bringen, sodaß das durch Quotenbeiträge zu deckende Erforderniß 102 461 105 Fl. beträgt. Davon entfallen auf die Reichs- rathsländer 71 722 774 Fl., auf Ungarn mit den dazu gehörigen Ländern 30 738 332 Fl. Im Vergleich mit dem Budget von 18% ist der Quotenbeitrag der Neichsrathsländer für 1896 um 1 860 401 gl größer, jener Ungarns um 797315 Fl. Der Heeresvoranshlag weist ein ordentlihes Erforderniß von 122 215 042 Fl. auf; nach Abzug der vorhandenen Bedeckung in Höhe von 2 469 873 Fl. verbleibt ein un- gedecktes Erforderniß von 119 745 169 Fl. Das außerordentliche Er- forderniß beträgt 14389 659 Fl. Ein Vergleih der ordentlichen Heereserfordernisse für 1896 mit der Bewilligung für 1895 ergiebt für 1896 eine Steigerung des Bruttoerfordernisses um 3713 576 Fl., eine Erhöhung des Nettoerfordernisses um 3 699 213 Fl. Der Vor- anshlag für die Krieg8marine beziffert das ordentlihe Erforderniß auf 10 364 060 FI., das außerordentlibe Erforderniß auf 3117 200 FL, insgesammt sona auf 13 481 260 F[l., d. h. auf 500 000 FI. mehr als für 1895. Der Voranschlag für das Jahr 1896 für die Truppen und die Militäranstalten in Bosnien und der Herzegowina weist ein außerordentlihes Heereserfordernik von 3 559 000 Fl. auf; bei einer Bedeckung von 40 000 Fl. stellt sich das Netto-Erforderniß auf 3 519 000 Fl., also gegen 1899 um 63 000 Fl. geringer. Hiervon entfallen, nah Abzug von 20/0 zu Lasten des un- garishen Schaßes, auf die Reichsrathsländer 2 414 034 Fl., auf die ungarischen Länder 1034586 Fl. Aus dem außerordentlichen Heeresbudget is die 6. Rate im Betrage von 1 800000 Fl. zur

ortsezung der Beschaffung von Repetiergewehren und Karabinern

ervorzuheben. Da mit dem pro 1891 eingestellten Gejammterforderniß von 9 772300 Fl. nur die Neubewaffnung der Infanterie, der Jägertruppe und der Kavallerie beendet ist, so spricht sih das Kriegs-Ministerium für die successive Neubewaffnung der übrigen Truppen aus, sowie für die Nachschaffung des Kredits von 20 027 700 Fl., wodur si der gesammte Kredit auf 29 800 000 Fl. erhöht. Hiervon wird der bereits erwähnte Theilbetrag von 1 800 000 Fl. pro 1896 verlangt. Die übrigen Hauptposten des außerordentlihen Heereësbudgets betreffen theils weitere Raten oder die Fortseßung der Kredite für bereits früher bewilligte Erfordernisse, so für die Verstärkung der Armierung einiger festen Pläße und für die Ein- führung rauchlosen Pulvers je 1 000000 Fl. 2c., theils einmalige Erfordernisse zur Durchführung organisatori)cher Aenderungen sowte für Militär-Erziehungs- und -Bildungsanstalten. Das Budget der Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina zeigt au für 1896 einen Uebershuß. Dem Erforderniß von 14386 296 Fl. stehen 14 413 590 FlI. Einnahmen gegenüber. er Uebershuß beträgt sonach 27 294 Fl. Die Shlußrehnungen für 1893 weisen höhere Er- trägnisse der Zollgefälle gegenüber dem Voranschlag um 12673291 Fl. aus. In den ordentlichen Ausgaben dagegen ist eine Ueberschreitung um 4 600 000 Fl. vorhanden. Nach Abzug dieser Ueberschreitung und unter Hinzurechnung der bei den außerordentlihen Ausgaben erzielten Ersparnisse {ließt das Ergebniß für 1893 gegenüber dem Präliminare um 9 119 526 Fl. günstiger ab. Der Gebahrungésausweis für 1894 weist dem Voranschlage gegenüber eine Erhöhung der Zolleinnahmen um 10324 838 Fl. nach.

Im Steueraus\chuß des österreihishen Ab- geordnetenhauses gelangte gestern der Antrag des Abg. Baron Di ipauli zur Berathung, wonah durch die Steuer- reform eine Verkürzung des Wahlrechts niht Plaß greifen solle. Der Finanz-Minister Dr. von Plener erklärte, der Antrag präjudiziere der Wahlreform und sei deshalb un- annehmbar. So lange die Wahlreform noch nicht durchgeführt sei, gehe es niht an, eine Grenze zwishen den alten und neuen Wählern anläßlih der Steuerreform zu zichen. Der Minister empfahl den Antrag des Referenten, wona bis zum Zustandekommen der neuen Wahlreform die durch neue Steuergeseße eintretenden Nachlässe, Ermäßigungen oder Befreiungen «den Verlust des Wahlrechts für die bisher das Wahlrecht genießzenden Staats- bürger nicht zur Folge haben könnten. Der Abg. Baron Dipauli erklärte, seinen Antrag aufrccht zu erhalten; er werde nur gewissen Modifikationen zustimmen. ;

Ein Communiqué der deutschen Linken besagt: die Partei habe in der Erwartung, daß an dem Wahlreform- Entwurf des Subcomités wesentliche Verbesserungen erreichbar sein würden, beschlossen, daß die der deutschen Linken angehö- renden Mitglieder des Wahlreformausshusses für das Ein- gehen auf die Spezialdebatte über die Wahlreformvorlage stimmten, aber shon in der Generaldebatte den Parteistand- punkt vertreten sollten. :

Hroßbritannien uud Frland.

Der Großherzog und die Großherzogin von Hessen sowie der Prinz und die Prinzessin ‘agten von Nu mänien sind gestern in London eingetroffen.

Nasr Ullah Khan und dessen gesammtes Gefolge er- schienen gestern als Gäste des Lord-Mayors in der City. Der Lord-Mayor und die Aldermen empfingen den Prinzen in der Guild Hall, woselbst der Staatssekretär für Jndien Fowler und zahlreiche andere hohe Persönlichkeiten anwesend waren. Die City war beflaggt. Bei dem Frühstück brachte der

rinzen aus. Jn uen Toast gab er dem Bedauern Ausdruck, daß der Emir von Afghanistan, der treue Verbündete Englands, niht anwesend sei ; er begrüße jedo warm dessen Sohn und hoffe, daß die Freundschaft zwischen England und Afghanistan immerwährend dauern werde. Jn seiner Erwiderung dankte Nasr Ullah Khan für den ausgezeichneten Empfang. Er habe selbst den Glauben, daß dadur, daß der Emir ihn zum Besuh na England gesandt habe, die Freund- haft zwishen England und Afghanistan werde befestigt werden. Die freundschaftlichen Worte des Lord-Mayors cent ragen den warmen Empfindungen des afghanishen Volkes

ür England. Frankreich. Der Präsident der Nepublik Faure ist heute Nacht wieder in Paris eingetroffen. : i Das österreihish-ungarishe Geschwader ist gestern von Brest nah Kiel abgegangen.

Rußland.

Der Kathol ikos von Armenien ist gestern Nach- miitag in St. Petersburg eingetroffen. Wie die „Nowosti hören, ist der Zweck seiner Reise, dem Kaiser den üblichen Glückwunsch zur Thronbesteigung zu überbringen.

Spanien.

Die Königin hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern den Gesezentwurf unterzeichnet, durch welchen die Ermächtigung

der Kammer zu einer Kreditaufnahme durh Ausgabe von

ypothekenbriefen auf Cuba verlangt wird. Der Loegs-Minister wird fobald als möglich 10 Bataillone nach Cuba abschickden und bereitet die Absendung von 10 weiteren Bataillonen vor. Der Marschall Mar- tinez Campos ist nah Havanna zurücgekehrt.

Die oppositionellen Abgeordneten werden den.

Geseßentwurf, betreffend die Kreditbewilligung für den Krieg auf Cuba, nicht bekämpfen. Jm Senat verlangte der Republikaner Gonzales die Mittheilung der Akten des Prozesses gegen den Kapitän Clavijo. Der Kriegs-Minister versprach die Vorlegung derselben, sobald alle geseßlichen Formalitäten erledigt sein würden.

Schweiz.

Der Nationalrath hat nahezu einstimmig beschlossen,

die Vorlage des Bundesraths, betreffend die Revision der Militärartikel der Bundesverfassung, in Behandlung zu nehmen.

Belgien. Jn der Repräsentantenkammer begann gestern die Berathung über die Artikel des Zollgeseßentwurfs. Der Antrag Coremans (Antwerpen), der dahin zielt, den ersten Artikel (Abschaffung der Steuer auf Leuchtfeuer und Feuer- thürme) von dem zweiten Theil des Geseßentwurfs (Eingangs- zölle) zu trennen, wurde -mit 87 gegen 50 Stimmen ab- gelehnt. Artikel 1 (Abschaffung der Steuer auf Leuchtfeuer und Leuchtthürme) wurde einstimmig angenommen. Das Gesetz tritt am 1. Januar 1896 in Kraft. Bei dem Artikel 2 (Eingangszoll) erklärte Minister de Burlet, die Regierung werde nicht zugeben, daß irgend ein Theil von dem Geseß- entwurfe zurückgezogen werde. Wenn derselbe nicht genehmigt würde, würde die Reaierung Maßnahmen zu treffen haben, welche der Lage entsprächen. Der Domherr Wa ffelaers ist zum Bischof von Brügge ernannt worden.

Türkei.

Die Londoner „Daily News“ erfährt aus Konstanti- nopel, die Antwort der Pforte auf den Reform- vorshlag der Mächte, betreffend Armenien, verwerfe die Reformen insgesammt und bezeihne Aenderungen für irgend einen besonderen Theil der Unterthanen des Sultans allein als unnöthig. Die einzelnen erforderlihen Modifikationen seien solche, die auf die ganze Bevölkerung anwendbar wären. Die Pforte bestreite den Mächten das Recht der Einmischung in die innere Verwaltung des türkishen Reichs.

Nach einer Meldung des „Reutershen Bureaus“ aus Beirut besuchte der britishe Admiral Seymour mit seinem Stabe den Vali. Zu seinem Geleit hatte der Vali eine Ehrenwache gestellt. Der Vali erwiderte sofort den Besuch an Bord des Flaggenschiffs und hatte dort eine herzlihe Unter- redung mit dem Admiral. Der Gouverneur von Beirut gab Abends ein Gastmahl zu Ehren des Admirals und seiner Offiziere.

Griechenland.

Der Finanz-Minister hat seine Demission gegeben ; der Minister-Präsident übernimmt proviforish das Portefeuille der Finanzen.

Der griechishe Geschäftsträger in St. Petersburg ist ermächtigt worden, den Handelsvertrag mit Rußland zu unterzeichnen, durch welchen auf 10 Jahre die freie Ein- fuhr von Rosinen nah Rußland zugestanden wird.

Schweden und Norwegen.

Der Linkenverein des Storthing hat, wie „W. T. B.“ aus Christiania berichtet, in seiner gestrigen Abendsizung mit 34 gegen 28 Stimmen beschlossen, für die am 30. Mai verabredete Tagesordnung zu stimmen. Es wird als wahr- GHEUA anein. daß auch die Mehrzahl von denjenigen,

die Aa gegen diesen Beschluß waren, s{hließlich eine

mbare Begründung vor dem Plenum des Storthing Tagesordnung

anne : seitens der Linken vorausgeseßt für die stimmen werde.

Amerika.

Jn der gestern in Louisville, Kentucky, abgehaltenen Versammlung nahmen die Republikaner eine Resolution gegen die freie Silberprägung und für gleichzeitige Ausprägung von Gold- und Silbermünzen an. Die Demokraten, welche in L: Zllinois, eine Ver- sammlung abhielten, nahmen eine Resolution zu Gunsten der freien Silberprägung mit der Relation von 16 zu 1 an.

Aus Washington berichtet „W. T. B.“: in den Ver- einigten Staaten hielten sich spanishe Beamte auf, welche verschiedene vermuthete Expeditionsbestrebungen zur Unterstüßung der cubanischen Aufständischen beobachten sollten, mit dem Endzweck, die Einmischung der Regierung der Ver- einigten Staaten zu erlangen.

In New-York eingetroffene Depeschen aus Guayaquil bestätigen die Nachrichten von dortigen Unruhen. Die Stadt sei im Besiß der ecuadorishen Aufständischen. Die Radikalen hätten die Provinzen Manabi und Esmeraldas in ihrer Gewalt.

Asien.

Das „Reuter’she Bureau“ meldet aus Hongkong, in Jaipefu auf Formosa, wo der Aufstand ausgebrochen sei, rge noch vollständige Verwirrung. Der Stadttheil der ingeborenen stehe in Flammen. Ein Pulvermagazin sei in die Luft geflogen, wobei 90 Chinesen getödtet worden seien. Der britishe Kreuzer „Rainbow“ ijt von Hongkong nach Tamsui in See gegangen.

Afrika. Das „Reuter'she Bureau“ meldet aus Bloemfontein Se eas): Der „Volksraad“ habe nah heißer ebatte eine Resolution angenommen des Jnhalts, daß der Staat die Annexion von Tongoland seitens Groß- britanniens bedauere und hoffe, daß die britische Re- gierung diese Handlung für ungültig erklären werde.

Parlamentarische Nachrichten.

Der langjährige Bureau-Direktor des Nee ans, T Regierungs-Rath Dr. Ludwig Meßtel ist gestern nah schweren Leiden im 81. Lebensjahre gestorben.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Nach § 711 Tb. 11 Tit. 1 des Preuß. Allg. Landrechts berechtigt angel an Unterhalt die Frau nur dann zur Scheidung, wenn der Mann durch unordentlihe Wirthschaft sich selbst außer stand versezt hat, sie zu ernähren. In Bezug auf diese Be- stimmung hat das Reichsgeriht, 1V. Zivilsenats, durch Urtheil vom 18. Februar 1895 ausgesprohen. 1) Mangel.an Unterhalt liegt vor, wenn der Ehemann aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den nothdürftigen Unter- halt der Chefrau niht gewähren kann, wobei Gelder, welche für die Erziehung der Kinder ausgeseßt sind und verwendet werden müssen, außer Ansay bleiben. , 2) Als „unordentlihe Wirthschaft“ ift der Verbrau ‘des von der Ehefrau eingebrahten Vermögens seitens des Ehemanns durch Börsenspekulationsgeschäfte, ohne eigene Mittel zu besißen, namentlih dann zu eraten, wenn der ershwerende Umstand, daß fremdes, seiner Vermahrung anvertrautes Vermögen (beispiels- weise das feiner Stiefkfinder) von ihm angegriffen worden, hinzu- getreten ift.

3) Die Bestimmung des § 721 T1 1 Allg. L. N., wonach einer aus- drücklihen Verzeihung gleih geahtet wird, wenn der beleidigte Chegatte, nah erhaltener überzeugender Kenntniß, die Ehe ein Jahr hindur fortgeseßt hat, findet auf den Scheidungsgrund des § 711 daselbst keine Anwendung. i

„Die Revision hat geltend gemacht, daß bei Berechnung der Mittel, welche der Klägerin zu Gebote gestanden haben, die Er- Pungsgaider der beiden Töchter der Klägerin aus erster Ehe außer

nsaß geblieben sind. Allein s{chon das Berufungsgericht hat aus- geführt, daß diese Gelder nur dazu bestimmt waren, für die Erziehung der beiden Töchter verwendet zu werden, und daher auch nur hierzu verwendet werden durften, und daß durch die Wiederverheirathung der Klägerin feineswegs ein Vertragsverhältniß hergestellt ift, vermöge dessen die Klägerin oder der Beklagte berechtigt gewesen wäre, jene Gelder zu anderen Zwecken als den bestimmten, auch nur theilweise zu verwenden. Diese Ausführung if durchaus zutreffend, und der Revisionsangriff is daher verfehlt. Das Berufungs- geriht hat ferner festgestelt, daß der Beklagte durch un- ordentlihe Wirthschaft \sich selbst außer stand geseßt hat, die Klägerin zu ernähren. Auch der hiergegen erhobene Angriff kann keinen Erfolg haben. Denn der Beklagte (Inhaber eines „Bank-, Getreide- und Produktengeschäfts“) hat während seiner im Jahre 1886 eingegangenen Che bis zum März 1892 durch Börsenspekulations- ge{chäfte Geldverluste von etwa 123 500 M gehabt. Zur Deckung dieser Verluste is das eingebrahte Vermögen der Klägerin, bis auf ihre Wittwenpension von jährlich 262 A 50 A und vielleicht auch die Einnahme aus einem Grundstücke im Jahresbetrage von höchstens 300 , verbrauht. Der Beklagte selbs hat eigenes Ver- mögen nicht besessen und durch feine geschäftlibe Thätigkeit irgend nennenswerthe Geldmittel niht erworben. Er hat endli zur Berichtigung eines Verlustes von dem Vermögen seiner Stieftöchter 46 000 M untershlagen. Bei dieser Sachlage ist es ohne Erheblich- keit, ob ein Theil der Verluste durch eigentliche Differenz- gel gate herbeigeführt ist, oder ob der Beklagte nur andere

pekulationsgeschäfte betrieben hat. Schon der fortgesetzte Betrieb solcher anderen Geschäfte ohne eigene Mittel und mit dem Erfolge, daß dadurch das fast 100 000 4 betragende Vermögen der Klägerin verbrauht wurde, und der Beklagte \ih verleiten ließ, das seiner Verwahrung anvertraute Vermögen seiner Stiefkinder anzu- greifen, arafkterisiert sich als eine unbesonnene und un- e Geschäftsführung, und damit als eine unordentlie

irthshaft. Diese aber ist die Ursahe gewesen, daß der Beklagte \{ließlich niht mehr zur Ernährung der Klägerin im stande war. Mit vollem Recht hat deshalb das Berufungsgericht ange- nommen, daß die Erfordernisse des § 711 Il 1 A. L.-R. vorliegen. Die Vorschrift des § 721 I1 1 A. L.-R. findet auf den Scheidungs- grund des § 711 daselbst überhaupt keine Anwendung. Denn der Grund beruht in dem durch ein bestimmtes Verhalten des Mannes hervorgerufenen Mangel, welchen die Frau zur Zeit der Klageerhebun leidet, also in einem Zustande, defsen Natur es nothwendig mit fich bringt, daß er au innerhalb des im § 721 gedachten Jahres besteht. Ob er vor diesem Jahre ebenfalls hon bestanden hat, ist deshalb gleihgültig.“ (277/94.)

Der ehemalige Küfer und nunmehrige Kaufmann St. zu Frankfurt a. M. hatte mit der Handlung A. u. B. zu Berlin durch deren Agenten C. mehrere Börsen-Spekulationégeshäfte abgeschlossen, darunter ein Spiritusterminge|chäft, aus welhem sih ein Guthaben der Firma A. u. B. ergab. Auf die Klage der Firma gegen St. auf Zahlung dieses Betrags erhob St. den Einwand des

)ifferenzgeschäfts, indem er unter anderem geltend mate, daß die stillschweigende Vereinbarung, nur einen Spielvertrag eingeben zu wollen, sich aus den Umständen ergebe, insbesondere aus der Thatsache, daß der Agent C. um dieselbe Zeit eine große Zahl einfacher Handwerker zu ähnlichen Geschäften dur die Zusicherung be- t s bâtte, es handle si dabei niht um wirkliche Lieferung und Ab- nahme, fondern nur um die Differenz, Der Einwand des Beklagten wurde in beiden Instanzen verworfen, und die Revision desselben wurde vom Reichsgericht, I. Zivilsenat, durch Urtheil vom 30, Januar 1895 zurüdgewiesen, indem es begründend ausführte: , . . . Die Er- wägung des Berufungégerichts greift hier Play, daß die von dem Agenten C. und seinem Gehilfen mit einer Reibe von Personen, bei denen sie weder den Willen, noch die Fähigkeit zum Abschluß effektiver Spekulationsgeshäfte annehmen konnten, abgeschlossenen reinen Differenzgeschäfte noch nit zu dem Schluß bere E daß auch das mit dem feiner Persönlichkeit nah anders zu beurtheilenden Beklagten abgeshlofsene Geschäft ein solhes Spielgeshäft gewesen sei.“ (352/94.)

Kunft und Wissenschaft.

Ausgrabungen am Kolosseum in Rom.

Nachdem seit fast zwei Jahren keine größere Ausgrabung in Nom vorgenommen war, ift in jüngster Zeit auf Veranlaffung des Ministers Baccelli und unter Mitwirkung der römishen Stadtverwaltung wiederum eine folhe in großem Stil und mit bedeutenden Mitteln in Angriff genommen. An der Ostseite des Kolosseums nah dem Esquilin zu lagerten bisher noch so bedeutende Schuttmassen, daß die moderne Straße (Via del Colosse0o) fast in ne des ersten Stock- werks des Amphitheaters vorbeiführte. Man ist nun im Begriff, die moderne Straße zu verlegen und nah der Esquilinseite zu einen ge- räumigen Play zu schaffen, sodaß dieser Theil der Kolosseums-Façade, der am besten von allen erhalten, fich bald in weit großartigerer Weise präsentieren wird als bisher.

Die Arbeiten, seit Anfang dieses Monats mit großer Energie betrieben, haben unter anderm einen Fund zu Tage gefördert, welcher für die Einrichtung des Riesengebäudes und das rômishe Schauspiel- wesen im allgemeinen von Interesse ift.

Man glaubte bisher, daß die äußere Grenze des Amphitheaters bezeichnet werde dur die der unteren Arkadenreihe vorgelegte Stufe aus Trávertin (Kalkstein) und daß gleih davor die öffentliche erse das Gebäude umgeben habe. an sieht jeßt, daß dies falsch i Das Kolosseum war zunächst umgeben von einem mit großen Travertin- platten gepflasterten Gürtel in einer Breite von 15 m; erst an dessen äußerer Seite lief eine mit den üblihen s{warzen Basaltblöcken ge- pflafterte Straße. Auf der Grenze beider Zonen stehen große quadratishe Pfosten Lr 1) aus Kalkstein noch an ihrem ursprünglichen Plage. ie find etwa 1,75 m ho, 0,60 breit und oben abgerundet: ein quadratishes Loh auf dem Scheitel diente zum Einlafsen einer Stange, die eine Tafel getragen haben mag. Bis zu diesen cippi hat si also der Bezirk des Amphitheaters ausgedehnt : zu der ca. 23 000 gon betragenden Grundflähe des Gebäudes selbst

ist also noch eine Zone von ungefähr 9000 qm hinzuzurechnen, wenn man die Gesammtfläche des NRiesenbaus {äen will. Aber die Pfosten hatten auch einen prafktishen Zweck. Ihre Nück-

Ns

von Holzstangen gedient haben. Nun ftehen die CTippen so, daß sie immer abweselnd einem der Arkadenpfeiler des Untergeshofses und der Mitte einer Arkade entsprehen; und zwar ftehen die fünf bisher gefundenen Exemplare gegenüber den Eingängen, welhe mit den antiken Nummern XXIlI1 und XXV bezeihnet sind. Es konnten also von den Cippen bis zum Gebäude hin Schranken oder Stackete aus Holz angebracht werden, sodaß auf jede Eingangsarkfade zwei \chmale Gänge zuliefen für die „Queue“ bildende und des Einlafses harrende Menge. - z Der MisSauercaum des Kolosseums zerfiel, abgesehen von dcn Kaiserlichen Logen und dem „podium“ für die vornehmsten Besucher, in drei RNänge (maeniana) mit Sißpläßen, wozu dann die Stehpläße auf dem Dache der Säulenhalle über dem dritten Range kamen. Die läße waren genau vertheilt, und jeder Zuschauer erhielt ein Billet {tessera), auf welhem Rang und Abtheilung genau ver- merkt war. Es mag feine kleine Aufgabe für die Pee (dissignatores) gewesen sein, die s{chaulustige Menge, die |chon vor Morgengrauen (denn die Spiele begannen zu frühester Tagesstunde) ih vor dem geschlossenen Schaugebäude drängte, rihtig zu dirigieren : und das Kolosseum faßte, wenn auch niht 87 000 Personen (wie in allen Büchern zu lesen steht), so doch über 40 090; also mußten durch jede Eingangsarkade in kurzer Zeit über ein halbes Tausend Zu- schauer einstrômen. ' E

Schon aus der ergiebt ih, daß jede der 76 Eingangéarkaden des “Kolosseums den A zu zwei verschiedenen Aufgängen vermittelt hat.

ie Eingänge mit geraden Nummern scheinen (meist) in den ersten und zweiten Nang (maenianum primum et secundum), die {mit ungeraden zum dritten Rang (maenianum tertium) und zum „Olymp“ auf dem Dach der oberen Säulenhalle geführt zu haben. (Die vornehmsten Zuschauer auf dem „podium“ betraten ihre Pläße wohl von den Kaiserlihen Haupteingängen an der kleinen Axe des Gebäudes.) Wir sehen nunmehr, daß die Sonderung der Zuschauer schon außerhalb des Gebäudes begann. Jede der 152 beschriebenen Abtheilungen konnte bei einem Flähenraum von gegen 60 qm etwa die Hälfte der zum Eintritt berehtigten Personen fassen : auf den Billeten (tesserae) wird vermerkt gewesen sein, daß beispielsweise diejenigen, welche ihren Play im Sektor 53 des obersten Ranges einzunehmen hatten, den Eingang 53 rehte Seite zu wählen hatten, während der Eingang 53 links für die Benuter der entsprehenden Sektoren des unteren Ranges diente. Weitere Sonderung nah den Pläßen fand dann innerhalb des Gebäudes selbst statt. :

Ueber andere Funde in der Nähe, wo Reste eines großen öffent- lichen Gebäudes mit Portiken, Stuckdekoration und Malerei zu Tage kommen, wird nah weiterem Fortgang der Ausgrabungen berichtet werden können.

Anocdnung der Treppen

Gestern Vormittag ist in Frankfurt a. M. am Rechneiweiher das Denkmal für Arthur Schopenhauer feierlich enthüllt worden. Außer den Angehörigen des Denkmalsausshusses und einigen Damen twoaren, wie die „Frkftr. Ztg.“ berichtet, zahlreihe Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten-Verfammlung zur Stelle. Von Vertretern der Frankfurter Schriftstellerwelt befand sich Wilbelm Jordan unter den Anwesenden. Ein Musikkorps eröffnete die Feier durh den Vortrag des Beethoven’schen „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre*. Auh im weiteren Verlauf spielte die Musik Beethoven'she Tondichtungen, die der Philosoph am meisten hätte; als die Hülle fiel, Theile des Es-dur-Konzerts und zum Schluß die Egmont-Duvertüre. Die Weiherede hielt Landgerichts - Rath Dr. Gwinner, der Freund und Biograph Schopenhauer's. Sodann über- nahm im Namen der Stadt Ober Bürgermeister Adickes das Denkmal, welches folgendermaßen beschrieben wird: Auf einem dorishen Säulen- sockel erhebt sich die Bronzebüste des Philosophen, modelliert von F. Scierholz, gegossen von Lenz-Nürnberg. Der äußere Anblick ist ge- fällig, doch mangelt jeglihes Attribut, das die spezielle Art der Schopenhauer’shen Philosophie verdeutlichen könnte.

Land- und Forftwirthschaft.

Köln, 6. Juni. Heute Mittag wurde die Ausstellung der Deutschen Landwirthschaftsgesellshaft feierlich eröffnet. Der Eröffnung wohnten der Ober-Präsident der Rheinprovinz Nasse und die Spitzen der hiesigen Behörden bei. Der Borsißende des Aus- stellung8comités, Graf Rechberg, bedauerte die Abwesenheit des Prä- sidenten der Deutschen Landwirthschaftsgesellshaft, des Fürsten zu Wied, dessen Wirken niht wenig zur Entwicklung der Gesellshaft bei- getragen habe und {loß mit einem Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und König. Darauf begrüßte der Minister für Landwirth- schaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein-Loxten die Versammelten. Die Deutsche Landwirthschaftsgesellshaft, so bemerkte der „Köln. Ztg.“ zufolge der Minister, habe ih auf dem ältesten Kulturboden auf deutscher Erde, an dem Strome versammelt, der Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze sein solle, an der Stätte der Colonia Agrippina, wo vielleicht die ersten Anfänge der deutshen Landwirthschaft zu suchen seien, wo der Weinstod das edelste und {önsee Gewähs zeitige, wo die weitentwidckelte Landwirthschaft der noch weiter entwickelten In- dustrie die Hand reiche. Die Deutsche Landwirthschaftsgesell schaft bade sich s|pontan, aus eigener Kraft entwidckelt, sie habe sich große Verdienste erworben und werde sich noch andere erwerben. Der Minister drückte sodann in verbindlichster Weise die Hoffnung aus, daß der bewährte Gründer der Ge- sellshaft ihr noch lange Zeit zum Wohle der Allgemeinheit seine Unterstüßung zu gewähren vermöge. Die preußische Staatsregierung sowohl wie die deutshe Reichéregierung würden die Bemühungen der Deutschen Landwirthschaftsgesellshaft unterstügen, wie es unter den heutigen s{wierigen Verhältnissen angezeigt sei; jedoh es sei auch angezeigt, nicht nur die Hilfe des Staats und der Be- hörden anzurufen, sondern ein Ieder müsse das Seine thun. Die Versicherung aber könne Redner im Namen der preußischen und der Reichsregierung geben, daß, soweit die eigenen Kräfte der Landwirthschaft niht ausreihen, die Hilfe des Staats und des Reichs ihr nicht versagt werden würde. So erkenne die Regierung wohl, was sie zur Förderung der Viehzucht auf allen Stufen, der Verwendung von verbesserten Futtermitteln, auch von Kunstdünger und auf einigen anderen Gebieten zu thun vermöge. Der Minister {loß mit einem Hoh auf die Deut‘che Landwirthschaftsgesell schaft. Dber-Bürgermeister Becker - Köln begrüßte sodann die Erschienenen namens der Stadt Köln. Die Ausstellung ift reih beschickt.

Saatenstand in Schweden. Die anhaltend trockene Witterung hat den Saaten manchen TIOOSen gest, sodaß der Stand derselben z. Zt. zu wünschen übrig läßt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperruugs- Maßregeln.

i : Cholera. Großbritannien und Irland. London, 7. Juni. Im „British Medical Journal“ theilt Dr. Klein mit, daß die patho- logishe und bafteriologishe Untersuhung bei dem Todesfall in Shoreditch (vergl. Nr. 132 d. B.) keinerlei Anhaltspunkte für das Vorhandensein asiatisher Cholera ergeben habe. Ostindien. Kalkutta. In der Woche vom 14. bis 20. April starben 90 Personen an Cholera. Gelbfieber. In Havana wurden dem „Abstr. of sanit. rep.“ zufolge vom 19. April bis 9. Mi 3 Todesfälle (bei etwa 10 Neuerkrankungen) an- ezeigt, in Santiago (Cuba) während der zweiten Hälfte des pril 11, in Santos vom 14. bis 20. März 87, in Rio de Janeiro in den beiden Wochen vom 31. März bis 13. April 39 bezw. 32. ck ocken.

Griechenland. In Athen sind zufolge einer Mittheilung

seiten zeigen Gruppen von quadratishen Löchern, die zum Einlafsen

vom 27. Mai die Pocken ausgebrochen.