1895 / 137 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

einrihtung zugelassenen Knappschafts-Pensionskafse unter Anerkennun lediglich der Berufs-, niht auch der reihs- gesezlichen Fnvalidität Jnvalidengeld nah Maßgabe des Kassenstatuts bezog, hatte, nahdem für ihn auf Grund ander- weit verrichteter Lohnarbeiten Beitragsmarken einer Verfiche- rungsanstalt verwendet worden waren, bei dieser auf „Ge- währung des Reichszushusses“ zu seiner Fnvalidenrente angetragen. Die Revision gegen das die volle reichsgeseßliche Invalidenrente zuerkennende Urtheil des Schiedsgerichts ist zurückgewiesen worden. Die Rüge der Versiherungs- anstalt, das Schiedsgeriht habe den allgemeinen, in den 18 Absay 1 der Kaiserlihen Verordnung vom 1. Dezember 1890 übernommenen Rechtsgrundsaß verleßt, daß die Entscheidung über die Ansprüche der Parteien nicht hinausgehen dürfe, wurde nicht für a erachtet ; das Schiedsgericht war vielmehr, da ohne Zuerkennung der vollen reihsgeseßlihen Jnvalidenrente dem Ee E von ihm beanspruhte Rententheil (der Reichszuschuß) überhaupt nit zufließen kann, verpflichtet, über die volle Jnvalidenrente zu befinden. A :

Der Einwand der Unzuständigkeit zur Renten- feststellung- kann seitens einer Kasseneinrihtung, nal- dem sie sahlih über den Rentenanspruh befunden hat, nicht mehr erhoben werden.

Von dem Entwurf eines Bürgerlihen Geseß- buchs zweiter Lesung liegen nunmehr auch die beiden leßten Bücher, das Erbrecht und das internationale Privatreht ent- haltend, in der durch die Redaktionskommission festgestellten Fassung vor. Die ersten vier Bücher sind seinerzeit auf Ver- anlassung des Reichs-Justizamts in einer handlihen Ausgabe im Buchhandel erschienen. Als Fortsezung dieser Ausgabe werden in den nächsten Tagen das fünfte und das sechste Buch veröffentlicht werden.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königl ich bayerische Ministerial-Rath von Geiger ist hier angekommen.

Der Regierungs-Affsessor von Köller zu Koblenz is mit der kommifsarishen Verwaltung des Landrathsamts im Unter- taunuskreise, Regierungsbezirk Wiesbaden, beauftragt worden.

Der Regierungs-Afefsor Dr. Vormbaum zu Merseburg . ift der Königlichen Regierung zu Posen zur weiteren dienst- lichen Verwendung überwiesen worden.

Laut telegraphisher Meldung an das Ober-Kommando der Marine wird S. M. S. „Condor“, Kommandant Korvetten- Kapitän Follenius, heute von Sansibar nah Mozambique in See gehen.

Vayern. Jhre Majestät die Kaiserin von Oesterreich ist heute früh in München eingetroffen. Württemberg.

Seine Majestät der König begab sih am Sonntag früh nah Biberach, um daselbst dem 12. Bundesfest des

württembergischen Kriegerbundes Ms und der

Stadt Biberah einen Besuch abzustatten. ci der Ankunft wurde Seine Majestät von dem Präsidenten des württem- bergischen Kriegerbundes, Seiner Hoheit dem Prinzen Herr- mann zu Sahsen-Weimar-Eisenach, dem Vorstande des Kriegerbundes, Freiherrn von Süßkind-Schwendi, den König- lichen Beamten, der Geistlichkeit, den bürgerlihen Kollegien mit dem Stadtschultheißken an der Spiße, dem Be- zirkskommandeur mit den Reserve-Offizieren, sowie von dem Krieger- und Veteranenverein Biberah empfangen. Aller- höchstderselbe nahm sodann das Mittagsmahl im Kreise der Mitglieder des Präsidiums des württembergischen Kriegerbundes und der Vorstände der württembergishen Kriegervereine, sowie der Delegirten von Bayern und Baden ein. Nach- mittags 21/, Uhr begab sich Seine Majestät zu Fuß nach dem Marktplay und ließ die anwesenden Mitglieder der württembergischen Kriegervereine, etwa 7000 an der Zahl, an sih vorbeidefilieren. Nah dem Vorbeimarsch fuhr Seine Majestät durh die reihgeshmüdckten Straßen der Stadt und trat um 4 Uhr die Rückreise nah Stuttgart an.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Wie die „Weim. Ztg.“ hört, wird der Landtag des Großherzogthums behufs Beshlußfafung über den mit dem Königreih Preußen wegen Verkaufs der Werra-, Saal- und Weimar-Geraer Eisenbahn und über einen mit dem Königreih Bayern wegen Erbauung einer Eisenbahn von Mellrichstadt nach Ostheim zu verhandelnden Staatsvertrag auf den 27. d. M. zu kurzer Tagung einberufen werden.

Braunschweig.

__ Der Ausschuß der Landes versammlung hielt am 8. d. M. eine Sizung, in der zunächst über den Geiezentwurf, betreffend den Handel mit Giften, berathen wurde. Alsdann wurde, wie die „Braunschw. Landesztg.“ mittheilt, dem Antraae des Staats-Ministeriums, 10 000 / aus dem Extraordinarium der Haupt-Finanzkasse an den braunschweigishen Landwehr- verband für dessen Wittwenstiftung zu überweijen, die Zu- stimmung ertheilt. Den Schluß der Sizung bildete eine Berathung über Veränderungen im Bestande des Staats- grundvermogens.

Schwarzburg-Rudolftadt. Der Landtag des Fürstenthums ist auf den 27. d. M. zu einer außerordentlichen Sißung einberufen worden.

Oesterreich-Ungarn.

In der gestrigen Sißung des österreihishen Ab- geordnetenhauses wies der Abg. Pacak auf die neu- liche Besezung des Abgeordnetenhauses durch die Polizei hin und fragte, ob das Repräsentantenhaus zu einer Polizei- wachislube gemacht werden solle. Der Präsident Freiherr von Chlumedcky erwiderte, er wisse nihts davon, daß Wachtmänner nh im Saal oder den Wandelgängen befunden hätten. Richtig

ei, daß eine große Anzahl von Wachtleuten in der Nähe E E dite aufgestellt worden sei, um das Haus vor dem etwaigen Eindringen der Volksmenge zu n was doch Jedermann nur billigen könne. Die Vorke S der Polizei müßten umsomehr Dn En als erst kürzlich ein Fenster des Hauses durch einen Steinwurf zertrümmert worden sei. Der Abgeordnete Steiner wurde wegen seiner

wischenrufe zur Ordnung gerufen. Darauf trat das

aus in die Tagesordnung ein. Die Verhandlungen über den eas Paca k: die Sißzungen des Hauses bis zur Beendigung der Arbeiten des Budgetaus|chusses auszuseßen, veranlaßten mehrfache stürmishe Unterbrehungen des Prâäfidenten Freiherrn von Chlumecky seitens der Jung- czehen und Anti)emiten, sowie zeitweise großen Lärm. Der

räsident rief Pacak, Lueger und Geßmann zur Ordnung und entzog dem leßteren das Wort. Der Dringlichkeitsantrag wurde abgelehnt.

In der Sigung des Wahlreform- Ausschusses erklärte gestern der Abg. Beer die Zweitheilung der neuen Kurien für tehnisch undurchführbar. Baron von Dipauli sagte, wenn es sich um eine nteressen-Vertretung handle, ge- hörten alle Arbeiter zusammen, ebenso alle Steuerträger; er werde für das Eingeben in die Spezialdebatte stimmen, da er redlicher E N der Wahlreform sei. Der Abg. Klun sprach fsich für die Einreihung der neuen Wähler in die bestehenden Kurien und für das Eingehen in die Spezialdebatte aus. Der Minister des Jnnern Marquis Bacquehem vertheidigte die Anträge des Subcomités und bezeichnete die Behauptung, daß für einzelne Länder Privilegien geshaffen werden sollten, als unrihtig, da nach den Be- stimmungen der Landesordnungen dieser Länder schon gegen- wärtig zwei Drittel der Steuerträger wahlberehtigt seien. Bezüglich der Bedenken gegen die Zweitheilung der neuen Kurien hielt der Minister die Anregung des Abg. Lupul der Erörterung für werth. Der Abg. Prinz Karl Shwarzen- berg trat für die Ausarbeitung des Subcomités ein und sprah sich in entschiedenster Weise gegen das Fallenlafsen des Prinzips der Theilung der neuen Kurien aus. Der Abg. Graf Pininski erklärte sich im Sinne des vom Polenklub gefaßten Beschlusses, daß die polnishen Mitglieder des Wahl- reformausschusses für das Eingehen in die Spezialdebatte über den Antrag des Subcomités zu stimmen hätten, wobei jedo die Nothwendigkeit der Einführung gewisser Abänderungen des Antrags, in erster Linie die Beseitigung der mit der autonomen Selbständigkeit der einzelnen Länder nicht über- einstimmenden Bestimmungen, anerkannt worden sei.

Le Nuntius Agliardi hat sih gestern nach Karlsbad begeben.

Srofßbritannien und Frland.

In der gestrigen Sißung des Unterhauses erklärte der Schaßkanzler Sir W. Harcourt, er werde am Donnerstag dem Hauje die Frage über die Führung der Regierungs- geschäfte für die nächste Zeit vorlegen. Ambrose fragte, ob durch irgend einen Vertrag eine Verpflichtung für England bestehe, daß es, abgesehen von einer rein disfretio- nären Berechtigung, in die armenishen Angelegenheiten ein- greife durch einen Krieg oder in anderer Art, indem es die Pforte zwinge, die Reformen anzuerkennen, welhe das Ulti- matum, das zuleßt durch England, Rußland und Frankreich überreiht worden sei, verlange. Der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey entgegnete, er müsse in Erwiderung auf die Frage Ambrose's diesen auf den Berliner Vertrag verweisen. Das Haus nahm darauf in erster Lesung das Gejet an, betreffend die Seehundsfischerei im nördlihen Stillen Ozean. Sir E. Grey erklärte, daß der Zweck des Gesetzes der sei, mit Rußland ein Einvernehmen herbeizuführen. Sodann wurde die zweite Lesung der schottishen Lokal-Verwaltungsbill angenommen. Bei der Berathung über die zweite Lesung der Bill, betreffend die Einigung in Gewerbestreitigkeiten, sprach der Präsident des Handelsamts Bryce seine Freude darüber aus, daß Ziel und Zweck der Vorlage allgemeine Zustimmung zu finden schienen. Er erwarte mehr von der Einigung als von Schiedsgerichten: bei der Einigung müsse nothwendiger- weise das Element des Zwanges fehlen, im Falle der shieds- richterlichen Entscheidung hingegen beständen nicht die gleichen Einwände gegen eine Ermächtigung, die Durchführung des Schieds\fpruchs zu erzwingen. Nichts stehe Verbesserungs- antirägen zu der Vorlage im Wege, welhe den Gedanken durchführe, eine Behörde mit großer Vollmacht und bedeutendem Ansehen zu errichten, die über einen großen Theil des Landes sih erstrcckende Jndustrien umfasse. Die zweite Lesung wurde angenommen und die Vorlage an den großen Handels- und Gewerbe-Aus\huß verwiesen. : :

Die Besserung in dem Befinden Gladstone's schreitet fort. Derselbe gedenkt, dem „W. T. B.“ zufolge, heute Nach- mittag in London einzutreffen, um von dort an Bord des „Tantallon Castle“ nah Kiel abzureisen.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sißzung der Deputirtenkammer stand die Interpellation des Deputirten Millerand (Sozialist) über die auswärtige Politik der Regierung auf der Tagesordnung. Die Tribünen und der Sizungssaal waren stark besezt. Millerand bedauerte, wie „W. T. B.“ berichtet, die im äußersten Osten befolgte Politik, welche dazu geführt habe, daß Frankreih an den Festlichkeiten in Kiel theilnehme. Franfreih habe bei Annahme der Ein- ladung einem Beweggrund der Shwäche nachgegeben; Deutsch- land müsse wissen, daß Frankreich nie die verlorenen Pro- vinzen vergessen werde; die elsaß-lothringishe Frage in ihrem ganzen Umfange bleibe bestehen. Redner fuhr fort, er wolle den Frieden, glaube aber, daß die Politik der Regierung eine Gefahr für Frankreih nah si ziehen fönne. Der Deputirte Ernst Roche, ehe- maligcr Boulangist, wunderte sich, daß Frankreich niht gewagt habe, die Einladung abzulehnen, und fragte, ob Frankreich einem obligatorishen Frieden oder einem Kriege entgegengehe, wenn die deutsche Flotte den Besuch erwidern oder der Deutsche Kaiser zur Ausstellung im Jahre 1900 kommen sollte. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux erklärte:

Die Regierung habe erwartet, man werde ihr angeben, welche Haltung sie in der Frage der wichtigsten Interessen des Landes ein- nehmen folle. Die Redner, welche das Wort ergriffen hätten, bätten ih indeß damit begnügt, einzelne bestimmte Handlungen zu fritisieren ; fie hätten behouptet, daß in der Haltung der Regierung ein Umschwung erfolgt sei. Dieser Umschwung sei aber in keiner der Handlungen der Regierung erfolgt. Die gegenwärtige Regierung habe ih nit von den Grundlinien der N Politik entfernt, welhe Frankreich seit 1871 befolgt habe. Die Regierung sei dieser Politik treu geblieben, deren Charakter und Absichten man mehrere Male vergeblih in ein anderes

eine

Licht zu seßen versucht habe, welche aber die Kammern und das Land, die man so viele Male befragt habe, immer gebilligt und genehmi hätten. Diese Politik séi im übrigen nit das L einer tei, habe si vielmehr lewlo en unvermeidlich entwickelt aus den eigenften Verhältnissen der Geschihte Frankreihs. Sie habe nur ein Ziel baben können, nur auf einen Erfolg hinzielen können, der beute zum theil erreihi sei und gestatte, den bereits durchlaufenen Weg abzu« messen. Diese Politik habe die Wiederaufrihtung des dur fo grausame Schikfals\chläge niedergeworfenen Landes ange Ten: eine allmähliche Wiederaufrihtung, niht durch hartnäckige Abschließung, sondern dur fortdauernde Arbeit des Landes an fi selbst, durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit, die fih der Vertheidigung seiner Interessen und seiner Rechte widmete, durch © unausgeseztes Ueberwachen der günstigen Umstände, welhe bewirkten, daß Frankreih wieder in das europäische Konzert eintrat, und welche ihm gestatteten, allen den Beweis zu führen niht nur für seine wiedereroberte Machtstellung, sondern auch für die Nothwendigkeit seines Bestehens und seiner Machtstellung zur Erhaltung des Gleichgewihts in Europa und in der Welt. Die Einladung erging an uns zu derselben Zeit, in welcher sie alle anderen Seemächte erhielten, fie hatte den doppelten Charakter eines friedliden und internationalen Schrittes. Würde die Welt es ver- ftanden baben, wenn Frankrei allein ihr eine andere Deutung gegeben und durch sein Fernbleiben in den Einklang der anderen Mächte einen Mißton gebraht hätte? Nein, meine Herren, die Höflichkeit, welche ‘man uns erwiesen hat, haben wir mit Höflichkeit erwidert ; ¿wei von unseren S{lachtschiffen werden nach Kiel gehen und einer unserer Avisos wird den Kanal passieren; am 21. cr. werden unsere - Kriegsschiffe die Anker wieder lihten, um in die Gewäfser Franfkreichs zurüdckzukehren, wohin sie die Wiederkehr des Gedenktags unserer nationalen Trauer zurückruft. Meine Herren, unsere Marinesoldaten gehen nah Kiel, nit um ein erniedrigtes und zu Boden geworfenes, sondern um ein freies und starkes Frantreih zu repräfentieren, welches genugfam in si selbst gefeftigt ist, um rubig zu sein, ftolz ‘und ruhmreih E um feinen Vergleih zu scheuen, feine Erinnerung zu verleugnen. Wie könnte diefes Frankreih eine Einbuße seines Prestiges, seines Ansehens oder seiner Interessen dadurch erleiden, daß seine Schiffe einer internationalen Feier bei- wohnen, wo fie, unter bundert anderen, den Schiffen einer befreundeten Nation begegnen werden, welche unter gleihen Bedingungen wie wir der gleichen Einladung entsprochen hat ? Indem der Minister im FAgenes auf die chinesish-japanishe Frage überging, äußerte er: an fragt uns, worin bei dieser Angelegenheit Frankreihs Interesse bestände und ob wir bei unserer Intervention etwa andern Beweg- ründen gefolgt seien, als die Absichten Rußlands zu unterstützen. ch erfläre fofort, daß, selbst wenn die eigenen Interessen Frankreichs bei dieser Gelegenbeit weniger ernste und weniger eindringlihe ge- wesen wären, als fie der Regierung zu sein shienen, wir es troßdem als eine gebieterische Pflicht angesehen hätten, unser Augenmerk nicht abzuwenden von dem Gleichgewicht der Mächte im äußersten Osten, in dem Moment, wo die Regierung die Gefahr sah, daß dasselbe zum Nachtheil Nußlands gestört werden könne, und die Regierung die Augen niht s{ließen konnte gegenüber den Unzuträglihkeiten und Gefahren einer Politik, welhe der von uns befolgten entgegengeseßt war, einer DUS welche Nußland die Unterstüßung und die Hilfe unserer iplomatie versagt hâtte und in dieser heiklen Phase dasfelbe Beute der Schwierigkeiten hätte werden lassen, welche unbedingt auf seiner allgemeinen Politik {wer lasten mußten. Meine Herren, die Grundbéedingung einer jeden auswärtigen Politik ist sicherlih Zielbewußtsein in Plänen und in Handlungen, damit sie nit in Unruhe gefeßt werde durch Unsicherheiten und Schwankungen. Eine Nation, die zuerst in lautester Weise ihre Politik auf eine Kombination gerichtet hatte, deren Erfolge fich in so vielen Punkten gezeigt haben, welche so oft Aeußerungen von sich gegeben bat, bei denen sih die Gefühle des Vertrauens und der Freundschaft zwischen zwei großen Völkern vereinigten, follte plößlih diese Politik ver- leugnen und \sich durch eine unerklärlihe Zurückbaltung einer Hilfe entziehen, die von ihr verlangt wird? Man kann andere Kritiken gegen uns richten, aber wir haben nit im geringften diesen Tadel uns zugezogen. Wir sind uns felbst treu s und ih glaube, ih habe den Gesinnungen des Landes richtig Ausdruck gegeben, als ich in dem Telegramm an unseren Botschafter in St. Petersburg die Worte gebrauchte: Frankreich stellt in die erste Reihe seiner Erwägungen die Rücksicht auf seine Bundesgenofsen ; wir sind daber bereit, mit allem Nachdruck die Absichten der Kaiserli russishen Regierung, soweit fie auf den Frieden zwishen China und Japan Bezug haben, zu unterstüßen. Wenn das Hauptinterefse unserer auêwärtigen Politik uns zu der Entscheidung geführt hat, die wir gefaßt baben, liegt diefe auch in unserem eigensten Interefse im äußersten Osten? Dieser Gesihtspunkt ganz besonders war der Gegenstand unserer eingehendsten Erwägungen. Wir haben während des Krieges zwischen China und Japan die strengste Neutralität beobachtet. Wir haben mit dén anderen Mächten den Beschluß bezüglih des Waffenstillstandes gefaßt. Der Friede von Simonoseki ist von Japan vorgeschrieben worden. Jedenfalls hätten einige Bedingungen dieses Friedens die Existenz und Unabhängigkeit jenes großen Reichs fortdauernd bedroht. welches an einer so lang gestreckten Grenze unser Nachbar if und von dem drei, von bundert Millionen Einwohnern tevölferte Provinzen ein weites Feld für die wirthshaftlihe Er- ftarfung unserer indo-cinesischen Kolonie darbieten. Indem Hano- taux die Politik der Zurückhaltung erörterte, welche von der Oppo- sition fo dringend empfohlen war, fuhr er mit folgenden Worten fort: „Diese Politik, meine Herren, wurde durch eine Art von Ueberrumpelung în einer bedeutsamen Stunde unserer Geschichte herbeigeführt. Es war im Jahre 1881, Gambetta war noch im Besiß der Macht. Mit äußerst rihtiger Würdigung der Bedürfnisse unserer damaligen Lage hatte er die Tragweite der egypr- tischen Angelegenheit vorauégefehen und England dahin gebraht, uns um unsere Intetvention zu ersuhen. Was fürchtete man? Man stand ohne Macht und Ansehen vor einem Aufruhr und gleihwoohl bezichtigte man Gambetta, das Land in ein Abenteuer hineinzuziehen. Und dieser Vorwurf stand zu feinem jähen Sturz in naher Beziehung, tenn man ließ ihm feine Zeit, nachzuweifen, daß sein Verhalten, weil es sehr entschlofen, auch sehr weise war. Aber die Doktrin der Zurückhaltung überwog und rollte die noch immer s{webende egyptishe Frage auf, welche durch unsere diplomatishe UAftion im Einvernehmen mit Eng- land selbst gar leit zu regeln gewesen wäre, wenn man mehr Ver- trauen zu einem Manne gehabt hätte, der durch so edle Dienste ih so rei verdient gemacht hatte. lückliherweise dient dieses denk- würdige Beispiel auch ferner als Anleitung für das Parlament und das Land troy der vorübergehendéèn Mißerfolge, welhe es begleiten. Ihr Wettstreit verpflihtet auch fernerhin diejenigen, welche aus anderen Gesihtêépunkten das Erbe Frankreihs und die Ehre seiner Fahne vertheidigen mußten, die Segnungen im Auge zu behalten, welche eine energishe und sichere Handlungêweise dem Lande zuzusihern weiß. Welches auch immer die Erwägungen sein mögen, welhe aus anderen Gründen dieser Politik * der Thatkräftigkeit und der Aut- dehnung entgegengeseßt werden, wer will troßdem leugnen, daß diese Politik Frankrei in den Augen der Welt erhoben hat? Hat sie uns nicht gestattet, in Afrika und Asien Aufgaben zu lêsen, welche lange liegen geblieben waren und auf welche die Regierung aufmerksam zu machen selbft das Parlament übersehen hatte? In Europa wird keine Frage von Wichtigkeit behandelt, ohne daß : unsere R eingeholt und oft unsere Hilfe gewünsht wird. Kann man schließli leugnen, daß unsere fo wiederhergeitellte Machtstellung den Einfluß gehabt und die Wirkung hervorgebraht Hat, daß eine neue Zusammensezung in: den Bündnifsen der europäischen Mähie stattfand, wee uns unsere Ausnahméftellung verlassen licß und uns den Stüßpunkt gab, der uns so lange fehlte? Zwei aroße Mähhte, gegenseitig zu einander hingezogen dur die An- ziehungéfraft ihrer Gesinnungen und ihrer gegenseitigen Intereften, haben sih die Hand gereiht, fie haben eine Vereinigung geslofien, welhe sie auf natürlihem Wege in unablässiger, fortlaufender politischer Arbeit einander nähert und deren dauernde Friedfertigfeit ihnen eine gegenseitige Sicherheit garantiert. Wenn man eine der-

artige Politik ans{huldigen will, fo nehmen wir in vollem

die Verantwortlichkeit auf uns und erklären uns als ihre ent- s{lossenen Anhänger. Indessen | kann ja unter den gegenwärtigen Verhältniffen unfer Eifer unklug, unsere Aufmerksamkeit fehler- haft erscheinen. In diesem Falle sagen Sie es klar heraus; unsere der Regierung wurzelt in der Kammer. Wenn Sie uneinig find, dann wird die Machtstellung Ihrer Vertreter ge- schwächt und ohnmächtig sein. Wenn Sie aber einig bleiben, so wird crankreich, wieder aufgerihtet durch einen mehr als zwanzigjährigen ficten, vertheidigt dur eine Armee und Marine, für welche das Land wiederholt mit Ueberlegung die weitgehendsten Opfer gebraht hat, geleitet von einer Regierung, welche von Ihnen unterftüßzt wird, ylanvoll und mit kaltem Blut die großen Aufgaben weiter verfolgen, welhe ihm zu erfüllen bleiben.“

Der Deputirte Flourens bemerkte, die Jntervention Frankreihs in “Japan habe hauptsächlih deutschen Interessen edient, und fragte alsdann, ob sih die Regierung Kompen- jationen vorbehalten habe, ob man nicht von Rußland verlangen könne, daß es die Franzosen unterstüge, um die Befreiung Egyptens zu erlangen. Der Deputirte Goblet fand die Erklärungen der Regierung gem ungenügend und betonte, die Theilnahme an en Festlichkeiten in Kiel verleßten das Gefühl des Volks. Die Theilnahme Frankreichs sei veranlaßt durch die Jntervention im äußersten Osten. Redner forderte alsdann die Veröffentlihung des Bündnißvertrags mit Rußland, wenn ein solhes bestehe. Was die elsaß-lothringishe Frage betreffe, so wolle er keine Revanche gegen Deutschland nehmen, aber solange erstere niht gelöst fei, werde Frankreich sich Deutsch- sand niht nähern. Der Minister - Präsident Ribot er- widerte, die Regierung habe niht unthätig bleiben können gegenüber den Ereignissen im äußersten Osten; Rußland und Deutschland hätten dort niht allein thätig sein dürfen. Frankreih habe, indem es sein Jnteresse vertheidigte, die allgemeine Politik befolgt, in der es bereits die Sicherheit und Würde gefunden habe, die niemand im Lande in Abrede stellen werde. Frankreih habe seine Jnteressen mit denen einer anderen Macht für den Frieden Europas verbunden ; seit 1891 sei in Europa eine Veränderung vor s\ih ge- gangen. Dieses Bündniß bilde heute die Stärke ankreich, Die Kammer und das ganze Land hätten diese Politik gut- geheißen. Hierauf wurde eine Tagesordnung, durch eide die Erklärungen der Re gierung gebilligt werden, mit %2 gegen 105 Stimmen angenommen und die Sizung aufgehoben. :

Die franzöfishe Schiffs-Division, bestehend aus den Schiffen „Hohe“, „Dupuy de Lôme“ und „Surcouf“, wird heute von Brest nah Kiel abgehen.

Rußland,

Der Kaiser besichtigte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, auf der Kronstädter Rhede die nah Kiel bestimmten S Aus diesem Anlaß war die Rhede außerordentlich belebt. Auf den Wällen waren Truppen aufgestellt, auf den Kriegsschiffen standen die Mannschaften in den Raaen, die Land-Batterien und die Kriegsschiffe gaben den Kaisersalut. Später gingen dann die Schiffe, der Kreuzer „Rjurik“ und das Panzerschiff „Alexander IT.“ in See. Aus Christiansund is gestern das Kanonenboot „Gro- siastschji“ ebenfalls nah Kiel abgegangen.

Ftalien,

Die Eröffnung des Parlaments erfolgte gestern durch den König mit einer Thronrede, welche ad dem W. T. B.“, wie folgt, lautete:

__ „Ich begrüße die neuerwählten Vertreter der Nation und gebe r der Gewißheit bin, daß diefelben das erleuchtete Bewußtsein der érer harrenden hohen Aufgaben und den ents{lofsenen Willen be- sigen, dieselben durchzuführen. Das in den Wahlorten versammelte italienishe Volk hat seine Absichten mit einer solchen Klarheit fundgegeben, daß die Neugewählten hinfort nicht in Ungewißheit über die Natur ihrer Aufgaben blei- den können, welhe eine rashe Entscheidung seitens des Parlaments erheishen. Die Organisierung der Finanzen wird no- mals den ersten und hauptsählihsten Gegenstand der Berathung bilden. Die in der ersten Sessionéperiode eingebrahten und an- genommenen Gesetzentwürfe hatten allerdings die Wirkung, daß der Staatskredit gehoben wurde, und trugen dazu bei, den Ausfall zwischen den jährlichen Einnahmen und Ausgaben in wirksamer Weise zu verringern ; allein die Befestigung des Budgets ift durh dieselben noch nicht vollkommen erzielt. Angesihts der Dringlichkeit einer ausreihenden Abhilfe hat deshalb meine Regierung einige Ver- sugungen getroffen, welche unverzüglich die von ibrer \ofortigen nwendung erwarteten budgetären Erfolge über die Vor- anshläge Hinaus ergeben haben. Dieje Verfügungen wurden alsbald der Sanktion des Parlaments unterbreitet und werden Ihnen neuerdings vorgelegt werden, damit Sie über dieselben jenes Urtheil fällen, welches mit vollem Recht Ihrer Autorität vorbehalten ist, Allein das wirklihe Gleihgewiht im Staatshaushalte wird nur dadurch dergasent werden fönnen, daß die Ausgaben in den engsten Grenzen gehalten werden, welche die unabweislihen Bedürfnisse der verschiedenen Zweige des öffentlichen Dienstes noch erleiden können. Es bleibt noch ein Schritt zu thun, um dieses Ziel zu erreichen, und ih Hege das Vertrauen, daß Sie, beseelt von Ihrem er- habenen Patriotismus und in genauer Kenntniß Ihrer Pflichten, die erforderlihe Kraft finden werden, um die lezten Schwierig- keiten zu- überwinden und die vollständige Gesundung der ftaat- lihen Finanzen sicher zu stellen. Es ist dies der gemeinsame Boden, auf welchem alle wohlgesinnten Männer ohne Unterschied der Partei id) frei bewegen können. Das Parlament wird dabei zeigen können, daß es seiner Aufgabe in jener Weise gewachsen ist, wie es das tand von ihm erwartet. Nachdem wir die Staatsfinanzen konsoli- diert, im Ausland unseren die ntwicklung der Volkswirthschaft unter- ltîßenden Kredit gehoben und auf natürlihem Wege die Quellen der Produktion und der Arbeit wiederbelebt haben werden, werden wir mit ¡rößerer Sicherheit und mit dem Entschluß einer würdigen Lösung an de Bewältigung der s{chweren Aufgabe herantreten, die uns die lokalen nanzen bieten, und werden die Verwaltungsreformen derart vorbereiten onnen, wie sie den Erfordernissen der Gegenwart und dem Charakter unseres Volks am besten entsprehen. Gleichzeitig mit den erwähnten snanziellen Entwürfen werden Ihnen andere Vorschläge verschiedener atur zugehen, die ich gleichfalls Jhrer Aufmerksamkeit empfehle. le oberste Bürgschaft jeder Ie Gesellschaft ift eine sichere, pie, für Alle gleiche und über Allen stehende Justiz. Meine Kraft fob wird Ihnen mithin einige Aenderungen der zur Zeit in Gt stehenden Gesetze vorschlagen, welche Data abzielen, daß die

nrihtungen der Rechtspflege einen besseren Schuß der Privat- rechte und der öffentlihen Ruhe sichern. Jeder Staatsbürger, t wenn er ein hohes Amt bekleidet, soll berufen werden

Onnen, über seine Dingen unter der Herrschaft des all- gemein verbindlihen Geseßes Rechenschaft abzulegen. Es liegt

s daher ob, und es werden Ihnen bezüglihe Vorschläge zu- geben, die Kompetenz der Gerichte niht nur für die untergeordneten D gsiufen, sondern auch für die dur in höheren Graden des öffentlichen aae stehende Perfonen begangenen Handlungen klarer als bisher zu d en. Noch eine Verantwortlichkeit ruht in gleiher Weise auf fine: Sutgesinnten, noch ein Werk giebt es, zu dem wir alle berufen d es if der soziale Friede. Meine Regierung mußte diesen Frieden

Hüterin der Ordnung durch die Gewalt aufrecht halten, fie

stimmt jedo mit mir darin überein, daß der Anwendung von Gewalt die des Woblwollens unserer Mitbürger vorzuziehen sei und da den repressiven Maßregeln die Gnade gefolgt if und in noch auëgedebnterem Maße folgen wird, sobald dur die wiederbergestellte Ordnung die ie gsdaft einer nicht ohne Zwang erhaltenen Stabilität gegeben ift, fo rechne ih darauf, daß ein wirksamer Einfluß auf die Unm

ndelnden und die Irregeleiteten ausgeübt werden wird dur die

Cedathang, welhe dem Grundsaß der Brüderlihkeit unter den Menschen immer höhere thatsählihe Bedeutung zu leihen bestimmt ist; nah dieser Richtung wird auch die erziehlihe Aufgabe der Schule wirksam-sein. Jch habe, wie Sie wissen, den Ruhm meiner Regie- rung in der Verbesserung des Looses der Bedürftigen gesucht. Sie werden ay dem Glüdcke meiner durch glücklihe Ereignisse erfreuten Familie nicht befser theilzunebmen vermögen, als indem Sie dahin wirken, daß es in der großen italienishen Familie niemanden gebe, der durch Gewaltthätigkeit oder Haß zu leiden hätte. Auf dieses Ziel wird die Regierung binarbeiten, und dieses Ziel sollen auch Sie im Auge haben. Mit aufrichtiger Genugthuung konstatiere ih die Herz- lichkeit der Beziehungen, welche zwishen anderen Völkern und uns, zwischen meiner Regierung und den auëwärtigen Regierungen besteben. Europa athmet Frieden, auch durch unseren Willen, und fein Miß- trauen, fein Verdaht rubt auf unseren Absichten. Mit berechtigter Freude entsenden wir daber unsere Schiffe, um an der friedlichen Be- gegnung Se Flotten theilzunehmen, welhe im Begriffe sind, das unter den Auspizien meines Freundes und Verbündeten, des Deutschen Kaisers, vollendete bewunderung8würdige Werk einzuweiben. Von dort werden si dieselben nah England begeben, um der britisGen Flotte und der britishen Nation unseren herzlichsten Freunde8gruß darzubringen. Es liegt mir am Herzen, Ihnen einen neuen Beweis der praktischen Wirksamkeit dieser Intimität in jenem Erdtheile zut fignalisfieren, wo Italien und England ih berühren und im Einver- ständniß handeln, die lagge der Zivilifation hochalten. Dort, wo die vorgeschrittensten Völker um die Ehre wetteifern, das Gebiet ihrer fruhtbringenden Thätigkeit auszudehnen, hat unser Heer, dem Feinde die Stirn bietend, von Kafsala bis Adua den Ruhm der italienischen Tapferkeit erneuert; doch hat die englische Regierung Italien einen Reuen Beweis ihrer Sympathie gegeben, indem sie cs verbinderte, daß aus den unter ihrer Schußherrshaft stehenden Häfen des Golfes von Aden den im Aufstande gegen uns begriffenen Völker- schaften Waffen zugingen. Immerhin wird die. Organisation der italienishen Besißungen in Afrika, welhe wir im Zusammenhange mit der Lage und den allgemeinen Interessen des Volks betrachten, wie bisher auch weiterhin den Gegenstand der unermüdlichen Sorge meiner Regierung bilden. Weit entfernt, eine Politik der Abenteuer zu wollen, streben wir in Wirklichkeit dana, unseren Stellungen dauernde Sicherheit zu versbaffen; insbesondere werden unsere Be- mübungen darauf gerichtet sein, allmählich die finanzielle Unabhbängig- keit der Kolonie vom Mutterlande vorzubereiten. Wir gehen der Feier des erften Jubiläums Italiens im dritten Rom entgegen, jenem ewigen Rom, in welchem es meinem Vater vergönnt war, die un- zerstörbare nationale Einheit zu krönen. Jh bin versichert, Sie nit vergebens zu dem Werke zu berufen, durch welches dieses denkwürdige Jahr dem italienishen Volke in Zukunft Segen bringen soll; Plan und Ausführung müssen auf der Höhe dieses großen Ziels stehen. Die Durchführung desselben wird eine Ehre für die neunzehnte Legislaturperiode sein, welhe zu eröffnen ich mich freue. Möge die Gemeinsamkeit der Bestrebungen und die Liebe zwischen Dynastie und Land, auf welche die Geschike Jtaliens i aufgebaut baben, in Ihnen thätige und brave Dolmetscher finden, und möge die Achtung vor der Würde jener freibeitlihen Einrichtungen, welche die uners{hütterlihen Glaubens}äße meines Hauses bilden, Sie leiten, um dem italienischen Vaterlande eine gesicherte und beitere Zukunft zu bereiten !“ :

Der Eröffnung wohnten die Königin, der Kronprinz, der Graf von Turin und das diplomatische Korps bei. Die Versammlung begrüßte den König und die Königin beim Er- scheinen und beim Verlassen des Saals aufs lebhafteste. Auch vor dem Parlamentsgebäude bereitete eine zahlreihe Menge dem Königspaar einen begeisterten Empfang. Jn den Straßen erwiesen die Truppen die militärishen Ehren. Die Thronrede war andauernd von stürmishem Beifall und dem Rufe: „Es lebe der König!“ begleitet. Besonders laute Zustimmung _fanden die Stellen über die vollständige Restaurierung der Finanzen, über die Herstellung des sozialen &riedens im Jnnern des Landes und über die Vermählung des Herzogs von Aofta. Der Passus über die herzlichen Be- ziehungen zu allen Völkern sowie die warmen Worte für Deutschland und England, ebenso auch die Stelle, wo die Thronrede von den politishen Zielen in Afrika, und jene, in welcher sie von den geplanten Verwaltungsreformen im Jnnern spricht, riefen den lebhaftesten Beifall der Versammlung hervor. Es ereignete sich keinerlei Zwischenfall, weder im Saal selbst, noch vor dem Parlamentsgebäude. Bei der Eidesleistung waren nur die Sozialisten abwesend, während auch mehrere radikale Deputirie, darunter Cavallotti, den Eid ablegten. Die seinerzeit vom Kriegsgericht verurtheilten Deputirten Bosco, Barbato und Defelice wurden nicht zur Eidesleistung aufgerufen, weil sie wegen ihrer Verurtheilung nicht wählbar find.

Gestern Abend 9 Uhr fand eine Versammlung der Parlamentsmajorität statt, an welcher sih 251 Deputirte betheiligten. Der Minister-Präsident Crispi richtete einen Appell zum Zusammenhalten und zur Disziplin an die Mazjoritätsparteien für die heutige Abstimmung über die

usammensezung des Bureaus und des Präsidiums der Kammer und |schlug in rühmenden Worten den Deputirten Villa als Kandidaten für das Kammer-Präsidium vor; die Versammlung billigte einstimmig diesen Vorschlag. Die Oppositionsparteien werden die Kandidatur des Her 0gs von Sermoneta aufrechterhalten. Aerer hat einen Brief an di Nudini gerichtet, worin er erklärt, daß er mit der Opposition bezüglich der konstitutionellen Fragen und der

ragen, betreffend die Vertagung und den Schluß der Session, übereinstimme, aber die Mittel niht billige, mit denen Cavallotti den Kampf gegen die Regierung führe; er werde die Regierung bei allen Gesegen unterstüßen, die geeignet seien, dem Lande die S “und Sicherheit zu erhalten. Diese Erklärung halte er für fcine Pte bevor er die Kandidatur für die Kammer-Präfidentscha

Schweiz.

Der Nationalrath hat gestern in namentliher Ab- stimmung mit 111 gegen 9 Stimmen die Vorlage des Bundes- A betreffend die Revision der Militärartikel der Bundes- verfassung, angenommen.

Griechenland.

An der gestern vorgenommenen Wahl des Präsidenten der Kammer betheiligten sich 192 Deputirte. Zaimis, der Kandidat der Partei Delyannis, erhielt 148 Stimmen, Archerino, der Kandidat der vereinigten Oppositionsparteien, 44 Stimmen. /

Das Kabinet hat seine Entlassung gegeben; der König hat Theodor Delyannis mit der Neubildung des Kabinets beau ragt. Delyannis konferierte gestern längere Zeit mit dem Könige, welhem er eine Ministerliste vorlegte;

übernehme.

heute wird er sich mit seinen politishen Freunden berathen.

Bulgarieu. d ___ Vei den gestern in Sofia vorgenommenen Wahlen für die neu errichteten vier Handelskammern wurden, wie „W. T. B.“ berichtet, zumeist Anhänger der Regierung gewählt.

Amerika. Der neu ernannte Staatssekretär des Auswärtigen Olney hat gestern den Eid geleistet und seine Amtsgeschäfte übernommen.

Afienu.

_ Der deutsche Gesandte Freiherr von Gutshmidt über- reite gestern in Tokio, begleitet von dem Kommandanten und einem Offizier S. M. S. „Arcona“, in feierlicher Audienz dem Kaiser von Japan die Kette zum Schwarzen Adler-Drden , welche der Deutsche Kaiser demselben in Erwiderung der Verleihung der Kette zum Chrysanthemum- Orden verliehen hat. S

Die „Times“ meldet aus Tientsin vom Sonntag, da der neuernannte japanische Gesandte Hayaschi dort einge- troffen sei. ;

Die telegraphische Verbindung zwischen Shanghai und Tscheng-tu (Provinz Sz’ Tschwan) ist dem „Reuter schen

. Burcau“ zufolge wiederhergestellt, jedoch sind noch keine be-

stimmten Nachrichten über die englischen, französishen und amerikanischen Missionare eingetroffen, deren Eigenthum Ende Mai von Aufrührern zerstört wurde. Es verlautet, daß die Lage in Tscheng-tu ruhiger geworden sei, daß sih jedoch die Unruhen in dem südlich von dieser Stadt gelegenen Lande ausbreiten.

Parlamentarische Nachrichten.

Die heutige (72.) Sigung des Hauses der Abgeord- neten, welcher der Finanz - Minister Dr. Miquel und der Justiz-Minister S chbnstedt beiwohnten, eröffnete der Präsident von Köller um 121// Uhr.

Vor Eintritt in die Tagesordnung theilte derselbe dem Hause das seit der leßten Sißung erTolaie Ableben der Ab- seinen Hauptmann (Zentr.), Ottens (nl.) und von

isselmann (kons.) mit. Das Andenken der Verstorbenen wurde durch Erheben von den Pläßen geehrt. _ Das Haus trat sodann in die dritte Berathung des Ge- seßentwurfs, betreffend das Grundbuchwesen und die Zwangs vollstreckung in das unbewegliche Vermögen in dem Gebiet der vormals freien Stadt Fran kfurt sowie den vormals Großherzoglich hessishen und Landgräflih hessischen Gebietstheilen ‘der Provinz Hessen-Nassau.

Den S 5 Abs. 2, welcher festseßt, daß ein Vertrag, durch den ein dinglihes Recht an einem Grundstü bestellt werden soll, der shriftlihen N bedarf, beantragten die Abgg. Spahn und Stephan - Beuthen (Zentr.) dahin einzuschränken, daß von dem Erforderniß der \chriftlihen Form ab- gesehen werde, wenn dic zur Ausübung des dinglichen Rechts erforderlihe Anlage mit Einwilligung des Eigenthümers des Grundstücks auf diesem hergestellt wird.

(Schluß des Blattes.)

Vauten,

Die Fortseßung der Bauarbeiten an dem Hoch- und Mittel- \chloß zu Marienburg beschränkte sih während der leßten Monate auf die Abgrabung des Westparhams, den Ausbau des Thorwärter- bäuschens auf dem Nordwest-Haupteingang zum Schloßhof, die bau- analytishen Untersuhungen in der St. Anna-Kapelle, in den Ruinen des Pfaffenthurms und im Innern des Ostflügels des Mittelshlosses, sowie _ auf die Vorbereitungen zur Vollendung des Zinnenkranzes über der St. Anna-Kapelle. Entwurf und Kostenanshlag zur Herstellung des Pfaffenthurms sind aufgestellt und unterliegen der Borrevision. Mit der inneren Auëshmüdckung der St. Anna-Kapelle, sowie mit ros Pfaffenthurmbau foll noch im Laufe dieses Sommers begonnen werden.

y2s Theater und Mufik.

_ Das Konzert der im Rudelsburger Kartellverband vereinigten fünf Gesangvereine aus Jena, -Halle, Leipzig, Prag und Bonn, welches am 6,0, M: in dem ibnen dazu überlastenen Hoftheater zu Weimar stattfand, hatte einen großen Grfolg und dürfte dem Liszt-Den kmal - Fonds einen namhaften Betrag zuführen.

Mannigfaltiges,

Das Luther-Denkmal auf dem Neuen Markt ift heute in Gegenwart einer vieltausendfövfigen Menge feierli enthüllt worden. Der Derkmalsplaß war in würdiger Weise ges{chmückt. An der Seite nah der Kaiser Wilhelmstraße erhob \sich das imposante Kaiserzelt, an das si zwei Hallen für die Ehrengäste lossen. Die übrigen drei Seiten umsäumten Tribünen, über denen sich Ständer mit Blumen- förben und Flaggenmasten erhoben. Auch die Häuser des Neuen Marktes waren reich und zum theil recht geschmackvoll dekoriert. Als Ehrengäste erschienea der Vize - Präsident des Staats- Ministeriums, Staatsf\ekretär Dr. von Boetticher, die Staats-Minister Freiherr von Berlepsch, Dr. Miquel und Thielen, der Leßtere mit dem Ministerial-Direktor Schulß und dem Geheimen Ober-Baurath Adler. Den abwesenden Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse vertrat der Ministerial-Direktor Dr. von Bartsch, dem sih der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Schöne sowie die Geheimen Ober-Regierungs-Räthe Dr. Jordan und Graf von Bernstorff angeschlossen hatten. Vom Handels-Ministerium waren noch der Wirklihe Geheime Ober-Regierungs-Rath Lüders, vom Justiz-Ministerium der Geheime Ober-Justiz-Rath Dr. Starke anwesend. Ferner waren die Staats-Minister Graf zu Eulenburg und Dr. Delbrück, der Chef des Zivilkabinets Seiner Majestät des Kaisers und Königs Dr. von Lucanus, der General-Stabsarzt der Armee Dr. von Coler, der Präfident des Neichsbank-Direktoriums Dr. Koch, der Ober-Präsident, toats-Minister Dr. von Achenbach, der Landes - Direktor von Leveßzcw und der Ober - Regierungs - Rath E Leßterer als Vertreter des Polizei - Präsidiums zugegen.

ie Universität wurde durch den Rektor Pfleiderer vertreten. Die Chargierten der Studentenschaft hatten mit ihren Fahnen zu Seiten des Denkmals Aufstellung genommen. Die Akademie der Künste vertrat Professor Dr. Blumner, die Technishe Hochschule der Rektor, Geheime Rezierungs-Rath, Professor Slaby. Zahlreich ver- treten war die Geistlichkeit, der die Tribüne rechts, zunächst der Ehren- halle, eingeräumt war. An ihrer Spitze befanden \sih die General- Superintendenten Faber und D. Dryander, sowie die Wirklichen Ober- Konsistorial-Räthe D. Dr. Brückner und Propst Dr. Freiherr von der Gol. Es folgten auf den übrigen Tribünen die Vertreter

der beiden städtishen Behörden, die ULEE des Werks und die Kommunalbeamten des Bezirks. egenüber dem Kaiserzelt war die Tribüne für den Kosleck’s{chen Bläserhor und die Sänger