1895 / 139 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

erflärt find. Nun werden aber alle bestehenden Befreiungen durch dieses Gese aufrecht erhalten. Ich halte also die ganze Bestimmung nit für nothwerdig, aber zu manhen Unklarheiten führend und in der Fassung nit geeignet. Ih möchte daher Herrn Mies bitten, wenigstens an dieser Stelle auf den Antrag zu verzichten.

Abg. Mies: Katasterauszüge seien nothwendig bei Kredit- ewährungen, bei Käufen, Verkäufen, Erbschaftstheilungen u. |. w. Ës sei in dem Gesetz niht klar ausgedrückt, daß hierfür Stempel- freiheit gewährt werden solle. Wenn der Minister erkläre, Kataster- auszüge, die bisher steuerfrei waren, bleiben steuerfrei, so bleibe es für einzelne L wie das bisher in der That schon der Fall war, zweifelhaft, ob Steuer erhoben werden folle oder nit.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Wenn ih den Herrn Vorredner richtig verstanden habe, fo sagte er: Die Frage, ob die Auszüge und Bescheinigungen aus den Kataster- aften zu Gunsten Dritter \tempelfrei \ind, ist eine kontroverfe. Früher is sie niht fontrovers gewesen. In der Praxis sind alle diese Urkunden stempelfrei gewesen; neuerdings ist aber die Sache streitig geworden und liegt jeßt zur Entscheidung beim Finanz-Minister.

Dies ist richtig, ih glaube allerdings, obwohl die Sahe nohch niht entschieden ist, wird nah der bisherigen Praxis die Stempel- freiheit der Ausführungen, der Auszüge und der Bescheinigungen wohl anerkannt werden. Wenn der Herr Vorredner das Bedürfniß fühlt, unter diesen Umständen gerade diesen Punkt zu entscheiden, so kann er das aber nicht in der Tarifposition „Auszüge“ thun, sondern dann muß die Sache als besondere allgemeine Bestimmung in das Geseß aufgenommen werden; hier sprehen wir bloß von Auszügen. Dann würde die Sache hierher niht passen, sondern in das Gesetz.

Fch kann nur meine Geneigtheit, den materiellen Wünschen des Herrn Vorredners zu entsprechen, ausdrücken, möchte ibm aber noch- mals anheimgeben, vielleiht mit meinem Herrn Kommissarius die rihtige Faffung und Stelle für die dritte Lesung zu verabreden, damit dur diese rein formelle Frage niht das Ganze sceitert. Materiell ist kein großes Bedürfniß vorhanden, weil, wenn auch mal ein einzelner Stempelfiskal eine folche Meinung ausspricht, damit die Stempelpflichtigkeit noch niht vorliegt, da eine Entscheidung vom Finanz-Minister noch nit getroffen ist.

Abg. Mies zog seinen Antrag zurück, indem er sich für die dritte Lesung eine neue Formulierung vorbehielt.

Die Position 11 wurde mit einer vom Abg. Schmidt- Marburg vorgeschlagenen redaktionellen Aenderung angenommen.

Die Tarifstelle 22 enthält die Steuersäge für Er- laubnißertheilungen (Approbationen, Konzessionen U. s. w.) in gewerbepolizeilichen Angelegenheiten.

Zu Lätt. a (Konzessionen für Ap otheken) beantragte

Abg. Noelle (nl.) den Zusaß, daß die bereits in Tarifstelle 2 angenommenen Bestimmungen über Ermäßigungen und Befreiungen bei Kauf- und Tauschverträgen hier sinngemäße Anwendung finden

sollen. | .

Abg. Jansen (Zentr.) beantragte, hinzuzufügen : : „Befreit sind die vererblichen und veräußerlichen Konzefsionen

für diejenigen, welche dieselben erbschafts\teuerfrei ererbt haben.“

Beide Anträge wurden ohne Debatte angenommen.

Nach Tarifstelle 22e soll für Erlaubnißertheilungen für Unternehmer von Privat-Kranken-, Entbindungs- und 2 enanstalten, oder zum Betriebe des Gewerbes als Schauspielunternehmer oder zum ständigen Betriebe der Gastwirth\chaft oder des Kleinhandels mit Brannt- wein, oder endlih gus gewerbsmäßigen öffentlichen Veran- staltung von- Lustbarke iten, Schaustellungen u. \. w.,

sowie zur Ueberlassung von Räumen zu diesem Zwecke, eine

Steuer erhoben werden, deren Saß sih nah der Zugehörig- feit des Gewerbebetriebes zu den Gemwerbesteuerklassen richtet. Nach der Vorlage ist dieser Saß auf 3 bezw. 15, 25, 40 oder 60 M, nah dem Kommissionsantrage auf 1,50 bezw. 5, 15, 50 oder 100 A festgeseßt. : |

Es jlag ein Antrag des Abg. Richter (fr. Volksp.) vor, wonach für den Betrieb des Gewerbes als Schauspiel- unternehmer einheitlih der Tarifsag auf 20 H zu nor- mieren, ferner die Erlaubniß für den ständigen Betrieb von Gastwirthschaften u. st. w. und für die gewerbsmäßige Veranstaltung von Schaustellungen u. st. w. ganz von der staatlichen Besteuerung zu befreien sowie die oben erwähnten Tarifsäße von 50 und bezw. 100 M auf 30 bezw. 50 F. zu ermäßigen sind. i /

Abg. Richter: Jch bin der Ansicht, daß die Stempelsteuer der- jenigen Behörde zufließen muß, von welcher die Erlaubnißertheilung ausgeht, da sie als Entschädigung für diese Ertheilung gedacht ift. Nun hat freilich der Herr Minister erklärt, daß alle diese Erlaubniß- ertheilungen mittelbar vom Staat erfolgen. Ich kann diefen formalen Standpunkt nicht theilen. Es scheint mir naturgemäß, daß, wenn die Erlaubnißertheilung einer örtlihen Behörde überwiesen wird, die Steuer dieser zu gute fommen muß. Dem entspricht die Befreiung der Konzession für Gastwirthschaften und für Schaustellungen von der staatlihen Stempelsteuer. In dem Kommunalsteuerge)eß ist mit der Anwendung dieses Prinzips der Anfang gemacht worden, ab.r die Regelung is nit überall durchgeführt. Die Kommission hat sich in einem Punkt, nämlich bezüglich der Ertheilung von Jagdscheinen, auf meinen Standpunkt gestellt, indem der Ertrag dafür den Kommunal- fassen verbleibt. Wenn das bei den Sagdsceinen anerkannt wird, die doch niht nur für den örtlihen Bezirk, fondern für den ganzen Staat Geltung haben, wie viel eher bei der Erlaubniß zum Gastwirthschaftsbetrieb und zur Veranstaltung von Schaustellungen, die doch eine ganz lokale Bedeutung besißt! Die finanzielle Tragweite dieser beiden Tarifstellen kommt wenig in Betracht, denn die beiden Punkte, deren Streichung ih beantrage, würden nah der Berehnung des Herrn Ministers dem Staat bôdbstens 30 000 M eintragen. Eine äußerst lästige Folge der Auf- nahme dieser beiden Punkte in das Stempelsteuergesep wäre der unverhältnißmäßig große Umfang, den die s\taatlihe Kontrole erreichen müßte, da die örtlichen Polizeiorgane kein Interesse an der höheren Besteuerung der örtlihen Einwohner haben Zugleich würde sich auch das Stempelsteuergeseß mit dem Kommunal- abgabengeseß in Widerspru seßen, nah welhem die Gemeinden berechtigt sind, die Lustbarkeiten zu eigenem Nuyen zu besteuern. Ießt würde die Gebühr dafür mehrfach ¿cfoben werden können. Was nun die Besteuerung der Genehmigung für Heilanstalten betrifft, fo soll sie auch nah Maßgabe der Gewerbesteuerklassen, zu denen das Ge- werbe gehört, erfolgen. Nun aber sind Aerzte u. \. w. überhaupt nicht steuerpflihtig sollte das nicht der Fall sein, sollte ih mi irren, so würde ih diesen Punkt meines Antrags zurückziehen. Aus vielfahen Gründen bin ih der Ansicht, daß dieser Gegenstand besonders geregelt werden sollte.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Der Herr Abg. Richter erkennt ja grundsäßlich die Erhebung von Gebühren für solche Erlaubnißertheilungen an darauf habe i also niht weiter einzugehen. Ih habe auch in der Generaldebatte eine Bestreitung dieser Gebühren an sich, die ja in

B, L E F

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munalabgabengesetes als rihtig anerkannt ist, von keiner Seite gehört. Nun meint der Herr Abg. Richter, einige von diesen Gebühren gebührten den - Gemeinden und niht dem Staate. Meine Herren, wir haben die Frage, wie weit den Gemeinden das Recht, für Verwaltungsakte Gebühren zu erheben, zu ertheilen sei, so ausführlich und eingehend bei dein Kommunalabgabengeseße behandelt, daß es mir wirkli über- flüssig erscheint, da dem Haufe das noch in lebhafter Erinnerung sein wird, darauf noch weiter einzugehen. Dieses Geseß hat \sih sorgfältig gehütet, obwohl die „Freisinnige Zeitung“ das Gegentheil von vornherein mit Bestimmtheit behauptete, in das Gebührengebiet der Gemeinden einzugreifen, in dasjenige Gebührengebiet, das den Gemeinden offen gelassen ist durch das Kommünalabgabengesey. Wir haben deswegen beispielsweise Stempel für die Ertheilung von Bauerlaubnifsen irgend welcher Art hier gar nicht vorgeshlagen, weil die ge- sammten- Gebühren für die Handhabung der Baupolizei den Kommunalverbänden in dem Kommunalabgabengesey überlassen sind. Wir haben es bei dem winzigen und minimalen bisber bestehenden Lustbarkeits\tempel belassen, weil den Gemeinden das Recht eingeräumt ist, besondere Lustbarkeitsfteuern zu erheben. Aber wenn Sie jeßt die Konzession darauf zielt die Einwendung ja wobl für Gastwirthshaften und gewerbsmäßige öffentliche Veranstaltungen von Singspielen u. #. w. freilassen und den Stempel dafür nah dem Antrag Richter streichen, so bekommen die Kreise, Städte und Gemeinden dadur keinerlei Recht, um ihrer- seits Gebühren zu erheben. Dann privilegieren Sie gerade diese Art von Einrichtungen, die zu privilegieren das Haus gewiß keine befondere Neigung hat. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Richter verweist darauf, man könne das ja später in einem anderen Geseß regeln. Wenn wir hier nun diefe Materie nun einmal geseßgeberisch behandeln, wird es gerathener sein, die ganze Frage hier zu regeln. Und wenn nachher aus der Jnitiative des Hauses ein Antrag an die Staatsregierung ergehen follte, noch weiter die Frage der Erhebung von Gebühren für Verwaltungsakte der Gemeinde zu regeln, dann fann man ja auf die Sache zurückommen. Vorläufig ist jedenfalls kein Grund da, die Gastwirthe, Lustbarkeiten, Singspiele und Tingeltangel u. #. w. freizulafsen.

Meine Herren, nun ist aber auch zu berücksihtigen, daß nit überall die Gemeinden, soweit sie handeln, auch die Gebühr allein bekommen. Sehen Sie \sih das ganze Gebiet unserer Verwaltung durch, fo werden Sie finden, daß die Gemeinden nah unserer gesammten staatlichen Konstitution sehr viele Handlungen und Arbeiten für den Staat ver- mitteln, ohne daß sie dafür besondere Entschädigungen erhalten. Anders ist das Verhältniß der Gemeinde zum Staat garniht auf- zufassen wie sollte sons wohl der Staat dazu gekommen sein, den Gemeinden über 100 Millionen Mark Steuerquellen zu überweisen —, so ist das Verhältniß doch wohl nit aufzufassen, daß beide ganz getrennte Körper sind. Die Gemeinden handeln im vorliegenden Falle kraft Mandats des Staats in Ausübung eines Hoheitsrehts als Polizeibehörden; sie find hier nit Verwalter ihres fiskalischen Vermögens, sie sind hier De- legirte des Staats, die Staatshoheitsrehte ausüben, nit freiwillig, sondern, wie ih zugebe, auf Grund der ftaatlihen Zwangsgeseße.

Nun kommt aber weiter hinzu: in allen diesen Fällen geht die Berufung an die Staatsbehörden; wie wollen Sie nun da unter- {eiden beispielsweise bei Gastwirthsfonzessionen! Die meisten einzelnen Gemeinden haben dás Recht der Konzessionierung hier garnicht. Da, wo die Ortspolizei den einzelnen Gemeinden nit zusteht, ertheilt überhaupt von vornherein der Kreisausschuß die Konzession. In den Städten werden die Konzessionen von den Stadt- aus\hüfsen ertheilt, gehen aber in der Berufungsinstanz an die Be- zirksausshüsse, und das Schwergewicht der Verhandlungen in Streit- fällen, die Kosten verursahen, namentlich auch für den Staat, liegt gerade im Bezirksaus\{uß.

Diese Fragen sind in der Kommission so ausführlich behandelt, daß ih dringend bitte, nun hier diese Grundsätze niht wieder umzu- werfen, und ersuche, die Anträge des Herrn Abg. Richter abzulehnen.

Meine Herren, der Herr Abg. Richter irrt sich auch, wenn er meint, es bliebe dann der Stempel von 1,50 4 Man werde si hüten, in einem solhen Falle eine doppelte Urkunde herzustellen. Auch der Stempel von 1,50 Æ, der jeßt eine andere Beschaffenheit hat bei Ausfertigungen wie früher, würde auch dann niht mehr erhoben werden können. Nun meint der Herr Abgeordnete, es sei ihm doch sehr zweifelhaft, ob hier die Bestimmung nah Maßgabe der Be- \{lüsse der Kommission, daß bei Bemessung des Stempels die Ge- werbesteuer zu Grunde gelegt werden könne, passe; denn eine Neihe von diesen hier fraglihen Erlaubnißertheilungen bezöge sich auf solche Institute garniht, die der Gewerbesteuer unterworfen seien, oder vielmehr auf solhe Institute, welhe der Gewerbesteuer nicht unterworfen seien. Das trifft niht zu; in allen diefen Fällen wird Gewerbesteuer gezahlt; alle diese Institute werden in die Gewerbe- steuer eingeshäßt, entweder als frei oder in eine der vier Klassen. Auch die“Behauptung, die der Herr Abg. Richter aufgestellt hat, daß hier gewissermaßen eine dreifache Besteuerung stattfinde, daß hier eine selbst- ständige Veranlagung des betreffenden Gewerbetreibenden für Ausübung derjenigen gewerblichen Thätigkeit, welche auf der Erlaubniß beruht so habe ich ihn, glaube ih, recht verstanden erhoben werden fönne, die ist niht zutreffend. Wir kennen überhaupt nur eine Gewerbe- steuer. Der Gastwirth bezahlt Betriebs\teuer, sie ist in diesem Sinn aber feine Gewerbesteuer. Er wird zu einer bestimmten Gewerbesteuer eingeshäßt, und bei der Einshäßzung liegt das Anlagekapital und der Ertrag zu Grunde. Wenn er nun seinen Ertrag nebenbei auch einnimmt aus der Haltung von Musikspiel u. dergl., fo wird dies natürlich bei der Gesammtheit der Steuer mitberehnet; aber eine besondere Einschäßung für diese Art der Gewerbethätigkeit findet niht statt.

Meine Herren, welhe Vorzüge die Wirthe haben, welche beispiels- weise in ihren Lokalen Musik machen dürfen, gegenüber denjenigen Wirthen, welchen das nicht gestattet is, brauhe ih niht weiter auseinander zu

seßen, und ih würde es für die größte Unbilligkeit halten, wenn bier ein Fixstempel von 20 4 oder ein anderer Fixstempel genommen würde, wenn die kleinsten Wirthe auf dem Lande bezahlen follen wie ein großer Bierpalast oder ein Wirth, der derartige Tingeltangel, Sing- spiele und Musikaufführungen aller Art hat. Ich glaube, die Kom- mission hat in dieser Beziehung durhaus das Richtige ge- troffen. Die Handhabung wird auch garniht zu solchen Sqwierigkeiten führen, wie Herr Richter glaubt; denn die Behörde, die den Stempel kassiert, hat nur einfah nachzushlagen, in welcher Klasse der Gewerbesteuer die betreffende Anstalt liegt. ‘Ist sie noch

die Einshäßzung erfolgt ist. Eine Schwierigkeit kann dadurch nicht erwahsen, noch weniger ein übermäßiges Eindringen in die Akten der betreffenden Gemeindebehörden. :

Ich möthte daher bitten, die sämmtlichen Anträge abzulehnen und bei den Bestimmungen der Kommission stehen zu bleiben.

Wenn Sie sich die einzelnen Säße ansehen, so können Sie nit sagen, daß eine einmalige Zahlung für solche Kon- zessionen, die häufig thatsählih eine sehr wesentlihe Ver- mögenszuwendung enthalten, irgendwie drückend seien. Sie können ja möglicherweise einen anderen Tarif erfinden; das weiß man ja, daß man die Zahlen leiht umstellen kann. Ich glaube, das Haus würde aber doc in die größte Verwirrung kommen, wenn an diesem nun nah langen Berathungen in der Kommission aufgestellten, nach meiner Meinung durchaus zweckmäßigen Tarif wieder etwas geändert wird. Ich würde bitten, alle Anträge abzulehnen und gerade im vor- liegenden Falle es bei der Bestimmung der Kommission zu belassen. Glauben Sie nicht, meine Herren, daß die Gebühr ohne die Rück- siht auf die Größe der Anlage eine gleiche sein müßte! Beispielsweise bei einer Irrenanstalt .— bei einer kleinen Privatirrenanstalt, wo drei, vier Zimmer nur in Frage ftehen, die ein Arzt für. sih privatim halten will, ist die Arbeit und die Thätigkeit der Behörden eine viel geringere. Handelt es sich dagegen um eine große Irrenanstalt mitHunderten von Irren, so muß die Beschaffenheit der Gebäude, die Entwässerung, die Lüftung u. \. w. in ganz anderer Weise geprüft werden. Dadurch entstehen viel größere Kosten, als wenn es fich um kleinere Anstalten handelt. Es würde daher in diesem Falle durhaus unberectigt sein, einen einfahen Fixstempel zu erheben, sondern die Grundlage der Tarifierung nah Maßgabe der Einshäßung zur Gewerbesteuer ist hier durchaus gerechtfertigt.

Abg. Krause- Waldenburg (fr. k.): Wir stehen auf dem Stand- punkte der Kommissionsbeshlüsse. Was die Jagdscheingebühren an- O, wollten wir die Einnahmen, die den Kreisen zustehen, nit

m :

Abg. Richter: Wenn es richtig ist, daß Krankenhäuser und Frrenanstalten Gewerbesteuer bezahlen, dann würde mein erster An- trag binfällig sein. Der Herr Minister hat das nicht ausdrüdcklih ausgesprochen, sondern nur bei meiner ersten Rede pantomimis an- gedeutet. Ih finde es ungereht, daß z. B. ein Kolonial- waarenhändler, der, weil er einem Gewerbebetriebe eine leine Ausdehnung geben will, um die Konzession für den Handel mit denaturiertem Spiritus einkommt, die volle Gebühr bezahlen soll, die ih nach der Größe seines Gesammt- gewerbebetriebes bemißt; oder daß von einem Wirth, der ausnahms-

weise aus besonderem Anlaß eine Lustbarkeit veranstaltet, die Gebühr ebenfalls nah seinem Gesammtgewerbebetriebe eingezogen werden foll.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich habe mir nur das Wort erbeten, um dem Herrn Abg. Nichter auf die Frage bezüglich des Verkaufs von denaturiertem Spiritus zu antworten.

Der Verkauf von denaturiertem Spiritus fällt nicht unter eine besondere Steuer, sondern unter den allgemeinen Begriff der Gewerbe- steuer. Hat einer ein großes Geschäft in denaturiertem Spiritus, fo wird er in eine höhere Klasse der Gewerbesteuer eingeschäßt, genau wie der, der ein größeres Geschäft in Kaffee hat. Aber eine befondere Steuer zahlt er nit.

Fc bin persönlich der Meinung, und ih habe son, ehe der Reichstag in dieser Beziehung Beschlüsse gefaßt hat, dahin gewirkt, daß der Verkauf des denaturierten Spiritus einer besonderen Konzession garnicht bedürfe.

Aber sei dem, wie ihm wolle: beitlihe Gewerbesteuer.

Meine Herren, mit den Jagdscheinen lag die Sache doch ganz anders; da waren bereits früher die Jagdscheingebühren den Kreisen überwiesen, ehe überhaupt von einer staatlihen Gebühr irgendwie die Rede war. Jett machten wir den Versuch, nicht die Jagdscheingebühr den Kreisen zu entreißen, sondern daneben mit Rücksiht auf die all- gemeine landeëpolizeiliche Thätigkeit auch einen Stempel auf dic Jagd- scheine fest;usezen. Daß das nun wegfiel gegenüber dem jeßt vor- liegenden besonderen Geseh, das liegt doch in der Natur der Sache.

Die Anträge des Abg. Richter wurden abgelehnt. Die Bestimmung des Litt. c, daß für P und Fristungen ein Viertel der für die rlaubnißertheilung bestimmten Säge zu zahlen ist, erhielt auf Antrag des Abg. Krause- Waldenburg den Zusaß, daß der Stempel niht unter 50 S betragen soll. Versicherungsanstalten (Litt. g), welhe auf Gegen- seitigkeit gegründet und deren Zwecke nicht auf die Er- zielung von Gewinn gerichtet sind, sollen nah den Kommisstons- vorshlägen stempelfrei bleiben. : O Ein Antrag des Abg. Richter, fie in gleicher Weise wie die anderen Versicherungsanstalten zu den Stempelgebühren heranzuzichen, wurde abgelehnt. i Die Stempelgebühren für Genehmigungen zum Gewerbe- betriebe der Auswanderungs-Unternehmer und Aus: wanderungs-Agenten (Läitt. i.) sind von der Kommission auf 100 M, für Genehmigungen auf die Dauer eines Jahres, sowie Verlängerungen dieser Genehmigungen auf 25 b, für Erlaubnißertheilungen für Ul Adi Me Auswanderung®- unternehmer zur Bestellung von Agenten im Jnlande (Litt. k) auf 300 #6 festgeseßt. \ ; Abg. Richter beantragte, den Tarif auf bezw. 30, 5 und 30 6 zu normieren. A 2 Abg. Richter (fr. Volksp.): Für Ausländer ist in diesen Posi- tionen eine besonders hohe Gebühr festgeseßt worden. Nach einer Erklärung in der Kommission sind unter Ausländern Nicht-Preußen zu verstehen. Das widerstreitet der Reichsverfassung, hon deshalb ift die Annahme meines Antrags angebracht.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ih muß zugeben, was der Herr Abg. Richter sagt, daß unter , ausländischen“ nit verstanden sein sollten außer- preußische, sondern außerdeutsche Auswanderungsagenten ; sonst würde es allerdings {werlich mit der Reichsverfassung im Einklang stehen. Außerdem habe ih gar kein Interesse, Agenten aus einem andern deutshen Lande anders zu behandeln als Agenten aus Preußen. Wenn dagegen etwa Brasilianer hier solche Geschäfte betreiben wollen , über die wir eine viel geringer? Kontrole haben, bei denen wir viel \{chwieriger Kontraventionen fassen können, dann allerdings kann ein nteresse bestehen, eine der artige Konzession höher zu tarifieren, um die Leitung der Auswanderung®“ geschäfte durch solche ausländische Agenten möglichst einzuschränken.

Abg. Richter: Die Erklärungen des Regierungsvertreters in der Kommission waren den heutigen Erklärungen des Herrn Finanz

wir kennen immer nur einé ein

vollem Maße in dem Kapitel „Beiträge und Gebühren" des Kom-

nicht eingeshäßt,- so wird der Stempel erst erhoben, wenn nachher

Ministers gerade entgegengeseßt. Ein ausländischer Unternehmer fan

ia auch seine Thätigkeit nicht ohne Genehmigung der Regie s ginnen, und ih sehe E weibatb e tra Inn wanderungbgesell saft niht ebenso solide sein soll wie eine Bremer.

Abg. Krause (nl.) beantragte, statt „ausländisch* zu sagen „außerdeutsch“. Der Abg. Richter habe vorhin einen Antrag gestellt, ohne zu wissen, daß die Krankenanstalten der Gewerbesteuer unterliegen. Er sei also am wenigsten berechtigt, die Gründlichkeit der Arbeiten der Kommission in Zweifel zu ziehen. Wer in einem Glashause sige, dürfe niht mit Steinen werfen.

Die Positionen wurden mit der vom Abg. Krause beantragten Aenderung angenommen.

Die Genehmigungen zum Betrieb eines Eisenbahn- unternehmens (Litt. b) unterliegen nah den Beschlüssen der Kommission einem Stempel von 100 #; die Genehmi- gungen zum Betrieb eines Dampfschiffahrts-, Klein- oder Pferde - Eisenbahnunternehmens, wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrags und Kapitals von der Gewerbesteuer frei ist, zahlen 3 (, wenn der Betrieb in die vierte Gewerbesteuerklasse gehört 10 , in der dritten Gewerbe- steuerklasse 25 Æ, in der zweiten 60 4, in der ersten 100 M Génehmigungen zu Veränderungen zahlen die Hälfte der vor- stehenden Säße; Bewilligungen von Fristverlängerungen und Fristungen ein Viertel. der vorstehenden Säge.

Abg. Richter beantragte, die Dampfschiffahrts- unternehmungen zu streichen, stait des nah den vier Gewerbesteuerklassen abgestuften Tarifs zu seßen: bei einer Länge bis zu 5 km 10 Æ, bis 20 km % H, bis 50 km 60 6, bei einer größeren Kilometerlänge 100 /( Endlich beantragte Abg. Richter für Genehmigungen zu Verände- rungen einen Stempel von 10

lbg. von Strombeck (Zentr.) beantragte, Stempel nur u erheben bei Genchmigungen zu „wesentlihen“ Veränderungen in dem Betriebe, sowie hinzuzufügen: „Die Bewilligung von Fristverlängerungen und Fristungen, welhe durch Natur- ereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verursacht sind, ist stempelfrei“‘.

Abg. Richter: In der Kommission ist festgestellt worden, daß es zu Dampfschiffs - Unternehmungen überhaupt keiner Konzession be- darf. Troßdem ist ein Antrag, die Genehmigung zum Betriebe der Dampfschiffahrt freizulassen, von der Kommission abgelehnt worden. Auch das ist ein Zeichen dafür, daß die Kommission nicht gerade gründlich gearbeitet hat.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Fch glaube nicht, daß das Haus nervös wird, wenn die Anträge des Abg. Richter ekenso viel Erfolg haben wie bisher. (Heiterkeit.) Es liegt eigentlih feine Veranlassung vor, aber ih möchte doch die Kommission gegen die gemachten Vorwürfe einigermaßen vertheidigen. Gewiß, nach der Gewerbeordnung ift eine Konzession niht erforderlih für Dampfschiffe. Wohl aber werden bestimmte Genehmigungen, Erlaubnißertheilungen gegeben aus mehreren Gründen: einestheils für bestimmte Ströme, anderntheils überhaupt, um die Sicher- heit der Dampfschiffe, namentlich solher, welhe Personenverkehr betreiben, zu garantieren durch eine vorhergegangene genaue Prüfung der Einrichtungen und der Tragkraft der Dampfschiffe. Da ist es nah den eigenen Gesichtspunkten, die der Abg. Richter uns entwidelt hat, vollständig berechtigt, für eine folhe dem Staat Kosten Mühe und Arbeit verursahende Prüfung und Kontrole einen Stempel

zu erheben.

Abg. Richter: Die Prüfung bezieht sich nur auf die einzelnen Schiffe, eine Dampfschiffahrts-Unternehmung an sih bedarf keiner Konzession.

_ Abg. von Strombeck (Zentr.): Jh möchte im Interesse der Billigkeit jenen Stempel nur erhoben sehen bei wesentlihen Aende- rungen im Betriebe.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.): Den lezten Antrag des Herrn von Strombeck möchte ih bitten anzunehmen, er entfpriht meinen Erfahrungen nach auch der jeßigen Praxis. Seinen anderen Antrag halte ih, soweit Kleinbahnen in Frage kommen, für unnöthig, da im Geseß über die Kleinbahnen hon Bestimmungen hierüber getroffen sind. Es bezieht sich der Passus aber auch auf Eisenbahnen und Dampfschiffahrts-Unternehmungen. Es ift niht möglich, hier der Stempelbehörde die Entscheidung dar- über in die Hand zu geben, welhe Aenderungen als wesentliche zu betrahten sind. Die Anträge des Abg. Richter beruhen auf einem rechtlihen Irrthum. Für Dampfschiffahrts-Unterneh- mungen sind strompolizeilihe und landespolizeilihe Genehmigungen erforderli. Ich glaube, er entbehrt, wie \sich heute hon öfter er- wiesen hat, derjenigen faclihen Kenntnisse, welhe man von einem Antragsteller erwarten müßte. Die Annahme des anderen Antrags des Abg. Richter würde dahin führen, daß für die Genebmigung zum Bau der Siemens’schen Hohbahn ein niedrigerer Stempel zu zahlen wäre als für eine pommershe Kleinbahn. Ich bitte Sie, den zweiten Antrag des Herrn von Strombeck anzunehmen, den ersten ebenso ab- zulehnen wie die Anträge des Herrn Richter.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich kann mich mit diesen Ausführungen im wesentlichen ein- verstanden erklären, namentlich habe ih nichts dagegen, daß der An- trag 2 des Herrn Abg. von Strombeck angenommen wird. Noth- wendig scheint er mir auch nit zu sein ; denn in folchen Fällen wird zweifellos der Stempel erlassen werden ; aber es mag ja besser sein, das in dem Gese selbst zu sagen.

Dagegen bin ich der Ansicht mit dem Herrn Vorredner, daß, wenn wir zwar auch in unserer Gesetzgebung das Wort ,„wesentlich“ fehr oft gebrauchen und auch nit entbehren können, wie ich Herrn von Strombeck . zugebe, doch im vorliegenden Falle man es den Stempelbebörden nicht überlassen kann, zu beurtheilen, , ob eine Ver- änderung einer technischen Anlage wesentlih is oder niht. Jch glaube, in das Geseg hinein kann man eine solche Vorschrift niht stellen. Bei ganz kleinen Veränderungen werden ja überhaupt Ge- nehmigungen nicht ertheilt werden; wo eine Genehmigung ertheilt wird, wird sie auch mehr oder weniger wesentlich sein. Ich glaube, dabei könnte sih Herr Abg. von Strombeck beruhigen.

Abg. Kra ; ie Anträ i vis S Mate nl) sprach \sich gegen die Anträge Richter und

Die Anträge des Abg. Richter wurden abgelehnt, ebenso der Antrag von Strombeck, die Steuer nur von wesentlichen Betriebsänderungen zu erheben. Der zweite An- irag von Strombeck wurde angenommen und mit dieser Aenderung die ganze Tarifnummer.

Die Nr. 24 des Tarifs verlangt bei Fideikommiß- stiftungen eine Stempelsteuer von 3 Proz. des Gesammt-

werths der denselben gewidmeten Gegenstände ohne Abzug der

Schulden.

ü Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum s) bean- agte, der Tarifnummer folgenden Absaßg hinzuzufügen: —, eDer Stempelpflichtige is berehtigt, zu verlangen, daß der Stempel unverzinslich gestundet und dur eine 3prozentige, 24 Jabre lang zahlbare Rente amortisiert wird.“ N

B Ein Antrag des Abg. Mat ng Qo definièrte den egriff des Fideikommisses im Sinne des vorliegenden Geseßes

E

dahin, daß als solches eine Bindung des Besiges auf mindestens drei Generationen hinaus angesehen werden soll.

Abg. von Kröcher (kons.): Der wihtigere von den vorltegen- den Anträgen ist unzweifelhaft derjenige des Abg. Grafen zu Di ebrtae: Stirum. Dieser Antrag verlangt nit eine Herabseßung des Stempels, sondern nur eine Erleidterung der Zahlung für den Steuerpflichtigen. Dem Fiskus entgehen ¿zwar zum theil Zins und Zinseszins des Es aber ich halte das für unwesentlih. Mir erscheint es als fals, daß von seiten des Staats die Bildung von Oie erschwert wird. Jeden Stempel, der über den

harafter einer Vergütung für die vom Staate ausgeübte Mühewaltung bei der Fideikommißbildung hinausgeht, halte ih vom Uebel. Ein gebundener Besiß in einem gewissen Umfange ist gerade für Preußen von der größten Wichtigkeit. Ich traue au den Gegnern des gebundenen Besiges zu, daß sie die Dienste shäten, welche von den Zieten, Bülow von Dennewiß und Bismarck dem Vaterland geleistet worden. Es ist ja mögli, baß sie der Ansicht

Luv: andere Männer hätten die Aufgaben, welche drei Träger dieser

tamen ausgeführt haben, ebenfogut odèr beffer vollbraht; aber was diese Männer gethan, werden sie doh anerkennen. Meist is es aber sehr zweifelhaft, ob wir diese Männer in der preußishen Geschichte gehabt haben würden, wenn ihre Familien nit durch Fideikommifsse vor dem Niedergang bewahrt worden wären, dem so mane alt- adeligen Familien anheimgefallen sind. Jh trete niht für die großen Latifundien ein. Biel wichtiger ersheint mir die Bildung von mittleren Fideikommifsen. Für den Fiékus handelt es sich hier um eine verhältnißmäßig geringe Summe; der ganze Ertrag aus den Fideikommiß-Stempelsteuern ist auf 400900 A geschäßt. Für den einzelnen Stempelsteuerpflihtigen fallen die betreffenden Summen wohl ins Gewicht. Ich habe von weitergebenden Anträgen abgesehen, da doch keine Auësicht besteht, dcß dieselben zur Annahme gelangen. Ich glaube auch nicht, daß der Antrag des Grafen zu Limburg- Stirum angenommen wird. Dann bleibt eben für das Herrenhaus noch etwas übrig zu tbun. Im Interesse der Fideikommißbildung empfehle ich Ihnen dringend die Aanahme des Antrags. é Abg. Freiherr von Zedliy und Neukirch (fr. konf.) : Namens meiner politischen Freunde kann ih erklären, daß wir eine Gebunden- heit des Besites durch die Bildung von Fideikommissen in gewissem Umfange unter den jeßigen E dai aae 2e Verhältnissen für einen Vortheil und in vielen Fällen für eine Wohlthat ansehen. Aber die Frage, in wie weit eine Vermehrung der Fideikommisse von Vor- theil ist, wie weit sie niht da, wo eine überwiegende Gebundenheit des Grundbesißzes die Möglichkeit der Ansässigmahung allzusehr ershwert, vielleiht sogar nachtheilig wird, diese Frage is nicht so nebenher zu behandeln. Wenn man die Vortheile der Gebundenheit des ländlichen Grundbesißes erreih-n will, so wird man das nicht auf dem Wege der Stempelgeseßgebung versuhen dürfen, fondern dur eine planmäßige Behandlung der YNaterie, dur ein besonderes Gefeß. Man wird dort den Weg suchen müssen , die Fideikommikbildung da zu erleihtern und zu fördern, wo sie nüßlich ist. Jch halte die Vor- ausfeßungen des Antrags des Gr.fen Limburg-Stirum für richtig, halte es aber für zweckmäßiger, diese Frage in einem möglichst bald zu erwartenden Fideikommißgeseße so zu erledigen, wie es im Interesse des Landes und der Landwirthschaft erforderlich ift.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich möchte auch, meine verehrten Herren, das Haus bitten, wo es sih um einen bestehenden Stempel handelt, die große Frage, ob wirthscaftlih, sozial- oder agrarpolitisch und in welcher Art und in welcher Austehnung die Fideikommifse nüßlich oder berechtigt sind, hier niht zu diskutieren. Herr Freiherr von Zedliß hat die Frage rihtig behandelt. Man wird fich fragen müssen, ob es richtig ist, diese große Frage, die so verschiedene Meinungen hervorruft, bei dieser Gelegenheit an einem so fleinen Zipfel zu entscheiden, oder ob es rihtig ist, die ganze Sache in organishem, materiellem Zufammenhang zu behandeln und dann auch die Frage des Stempels zu erledigen. Hier haben wir es mit einem wesentlich fiskalischen Gesetz zu thun, und vom rein steuerlihen Standpunkt aus ift eine stärkere Besteuerung der Fideikommisse an sih durhaus berechtigt, als bei folhen Objektten, die im freien Verkehr bleiben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn durch einen solhen Akt, ih möchte sagen, für ewige Zeiten, soweit man in menschlichen Dingen von der Ewig- keit sprehen kann, ein Objekt dem freien Verkehr entzogen wird, das für den Staat von erheblicher finanzieller Bedeutung ift gegenüber dem anderen Fall, wo das Grundstück dem freien Verkehr unterstellt bleibt, und nun bei Veränderungen im Besiß immer 1 9/0 erhoben wird, während wir hier nur ein einziges Mal 3 9/9 erheben, dann aber überhaupt weiter Prozente nicht mehr empfangen von diesem rein s\teuerlihen Standpunkt aus is nach meiner Meinung der 39% ige Stempel durchaus berechtigt und durhaus unanfechtbar. Ganz anders liegt die Sache, ob áus s\ozialpolitishen oder wirthschaft- lihen Gründen der Staat Veranlassung hätte, unter den von ihm gestellten Bedingungen und Kautelen im Interesse der Erhaltung des Grundbesites in einer Familie nah den Gesichtspunkten, die wir bei den Rentengütern anzuwenden begonnen haben, und die ja durch eine Vorlage, die allerdings, fürhte ih, in dieser Session nicht mehr vor- gelegt werden wird, aber doch im Ganzen fertig gestellt ist, wegen Ein- führung des Anerbenrehts bei den Rentengütern weiter zur Geltung gebracht werden ob man da, sage ich, aus Gründen des allgemeinen Staatsinteresses und der wirthschaftlißen und fozialen Entwicklung diese Festlegung von Grundbesiß mit dem Zweck, den Grundbesitz in einer Familie zu erhalten, besonders begünstigen will, wie wir in der Stempelgeseßgebung das vielfah gethan haben, nament- lih au bei den Bestimmungen über Auseinanderseßzungen und auch bei der Rentengutsbildung. Diese Frage kann hier aber nicht ent- schieden werden; darin hat der Herr Freiherr von Zedliy Recht. Denn die materielle Frage, unter welhen Vorausfeßungen der Staat eine solche Begünstigung eintreten lassen will oder kann, liegt uns bier gar nit vor; im Gegentheil, auch Freunde dieser ganzen Rich- tung müssen anerkennen, daß unser Fideikommißwesen, so wie es jeßt ift, reformbedürftig ist.

Meine Herren, ich will nur kurz erwähnen, daß ih persönlich wenigstens der Meinung bin, daß unsere altpreußishe Fideikommiß- gesetzgebung den jeweiligen Eigenthümer, in dem Bestreben, den Werth des Fideikommißguts zu erbalten, doch in seiner wirtbschaftlihen Freiheit in Bezug auf die Benußung des Grundstücks zu viel beshränkt und die englishe Erfahrung lehrt, daß folhe weitgehende, für die wirthshaftlich rihtige Ausnußung des Fideikommißobjekts {hädlihe Beschränkungen garnicht erforderli sind, um den Hauptzweck zu erreihen. Ih würde z. B. eine Geseßz- gebung, wie früher das Königreich Hannover sie hatte und wie fie in einzelnen Theilen der Provinz Hannover noch besteht, wo ein beson- deres Rechtsverbhältniß, Stammbuch genannt, vorhanden i}, für eine Verallgemeinerung auf die ganze Monarchie für geeigneter halten, als die altpreußishen Fideikommisse. Jedenfalls ist aber klar, daß die Bildung der Fideikommisse, welche heute lediglih nah rein juristischen Gesichtspunkten behandelt wird, auf die Dauer so niht behandelt werden - kann. Wir haben Gegenden, wo nach meiner Mei-

nung die Zahl der Fideikommisse und ihre Ausdehnung zu

groß ift; in anderen fann man vielleiht mit Reht sagen, sie is zu klein. Daß das Ober-Landesgericht über eine solche Frage entscheidet, ob man ein folhes Fideikommiß in einem Bezirk gleihmäßig wie in den anderen zulassen soll, das halte ich für falsch; das muß nah sozialpolitishen und agrarpolitishen Gesichtspunkten behandelt werden. Die Fideikommißgeseßgebung ift obendrein ganz verschieden in den verschiedenen Provinzen; auch in dieser Beziehung müßte Wandel geschaffen wérden.

Ich theile also ganz die Absicht des Herrn Freiherrn von Zedlitz, daß die Neform des Fideikommißwesens durhaus nothwendig ift als Theil einer größeren Agrargeseßgebung. Diese Erwägungen haben gerade davon abgehalten, in dem gegenwärtigen Augenblick und bei Gelegenheit dieses Gesezes wesentliße Aenderungen vorzunehmen; gewiß fällt es manhem Fideikommißstifter \{wer, mit einem Male das ganze Kapital zu bezahlen. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, kann man, ohne auf Widerspruch zu stoßen, behaupten, daß Fideikommißstiftungen, bei welchen der Stifter nicht in der Lage ist, 39/9 zu bezahlen, {on an und für si ihr Bedenkliches haben. (Sehr richtig!) Aus Erfahrung weiß ih, daß bisweilen hohvershuldete“ Güter zu Fideikfommissen gemacht werden und daß allerdings der Stifter oder die Stifterin wirklih nicht in der Lage war, das Baargeld aufzutreiben, um die 3 9% zu zahlen. Eine solche Fideikommikßstiftung halte ih für bedenklich. Wir haben in solhen Fällen, in Fällen wo die Billigkeit es erfordert, vielfa längere Fristen gegeben, und das kann in manchen Fällen berechtigt sein. Aber durch besondere Bestimmungen es zu begünstigen, daß kapitalshwache, bhohverschuldete Personen ihre Güter zu Fideikommifsen machen, das halte ih niht für richtig.

Nun aber liegt auch doch in dem Antrage des Herrn Grafen zu Limburg-Stirum eine niht unbedenklihe Unklarbeit; hier wird alfo gesagt, innerhalb 24 Jahren soll eine 39/6 Rentenzahlung ftatt- finden. Da würde also das Kapital selb auf 7209/9 reduziert werden. Nicht bloß verlieren wir die Zinsen während der Zwischenzeit, sondern auch das Kapital wird geringer. (Sehr richtig! links.) Dreimal 24 find 72, also ftatt 100 bekämen wir 72.

a Nun aber weiter ! Wenn nicht auédrücklich das vorgesehen wird, so ist diese Schuld, innerhalb 24 Jahren eine Rente von 39% zu zahlen, nicht eine Fideikommißshuld, sondern sie ist eine persönlihe Schuld des ersten Fideikommißstiftecs. Wenn der nun abgeht ohne Hinterlassung von Allodialerben oder von Allodial- vermögen, fo ift der Nachfolger garnicht verpflichtet, die Rente weiter zu zahlen. Wie der Antrag liegt, glaube ich, kann es garniht anders * verstanden werden. Meine Herren, Ihre Ziele erréichen Sie nicht. Wenn der Herr Abg. von Kroecher auf die Bedeutung der Fidei- kommißbildung hingewiesen hat für die Erhaltung der Familien und für deren Bedeutung im Staat und in der Geschichte Preußens, so kann er darin durhaus Recht haben ; aber dur solchen kleinen An- trag erreihen wir nihts, da muß eine organische Reform des Fidei- kommißwesens eintreten. Dann erst werden wir Erfolg haben.

Ich bin wirklih den Herren sehr dankbar, daß Sit die von Ihnen früher fehr viel behandelte Fideikommiß-Stempelfrage in einer fo maßvollen Weise hier berührt haben; aber ih glaube, Sie würden fich selbst und der Sache einen Dienst leisten, wenn Sie diese Frage aus der Diskussion der Stempelsteuer herauslafsen und dieselbe bei einer anderen Gelegenheit behandeln, wozu in Zukunft Gelegenheit gewiß niht feblen wird.

Meine Herren, ich will weiter auf die Sache nicht eingehen, ih rathe dringend, den Antrag zurückzuziehen bezw. niht anzunehmen, und will nur noch hinzufügen, daß so, wie die Sache gestellt ist, mir auch der Antrag des Herrn Dr. Klasing niht annehmbar cr- cheint. Wenn ich ihn recht verstehe, soll der Antrag eigentlcch nur eine Defklaration - fein. Diese Deklaration ist aber nit erforderlich, namentlich nah der Praxis uicht. Statt „zwei“ will er sagen „drei“. Nun liegt die Sache so: in dem ersten Theil des zwölften Titels des Landrechts § 55 heißt es :*

Wo nah dem Geseß kein Familienfideikommiß stattfindet, gilt eine fideiklommissarishe Substitution nur zum Besten des ersten und zweiten Substituten.

Das ist in ‘der Praxis fo ausgelegt, daß hierbei der erste Erwerber nicht in Betraht kommt, sondern daß erst der erfte und dann der zweite Substitut zu berücksihtigen sind. Das ift die Praxis gewesen, und es scheint mir, als wenn Herr Dr. Klasfing eigentlich dasfelbe will; denn sonst würden wir ja auf vier Generationen nah der Auslegung der Praxis kommen. Wenn er aber dasselbe will und es nur verdeutlißen möchte, dann, glaube ih, muß er das klar machen, daß es s hier niht um Nacherben handelt. Ich halte das für eine Interpretationsfrage, und ih glaube allerdings, daß der Antrag in seiner Kürze im Hause durhaus mißverstanden ift. Nicht allein handelt es hier nicht um eine große finanzielle Frage, sondern nah meiner Meinung handelt es \sich lediglich um eine juristishe Klarftellung einer übrigens in der Praxis nit bedenklichen Meinungsverschiedenheit. Das ist immer so gehandhabt, und meines Wissens auch bei den Gerihten. Auch die Interpreten des Landrechts \sprehen davon, daß es sih hier bei der ersten und zweiten Generation nur um die erste und zweite Generation der Nacherben handelt. Jch möchte nur bitten, daß hier durch den Antrag Klasing nicht eine fest- stehende Praxis etwa unflar gemaht wird und daß, wenn der Antrag aufrecht erhalten wird, er im Sinne diejer Praxis erörtert oder modifiziert wird.

Abg. Graf zu Limburg - Sti i in ste igli auf ved Standpunkt der Stempelgesel A inb O A êFrage der Fideikommisse berühren. Ein Gut, das im freien Verkehr steht, kommt durchschnittlich dreimal im Jahrhundert zum Verkauf. Der Betrag von 3 °/ wird alfo erst in hundert Jahren fällig und der Fideikommißbesißer, der die 3 %/o sofort zahlen muß, verliert mithin die Zinsen. Die Grundlagen des Antrags sind gesund und billig. Ich bitte Sie, thn anzunehmen. | Finanz-Minister Dr. Miquel:

Die Aeußerungen des Herrn Abg. Grafen zu Limburg-Stirum find do nicht ganz zutreffend. Er befindet sich nach zwei Richtungen in einem Irrthum. Der Fideikommißstempel is garniht dur die Kabinets ordre eingeführt worden, die er zitiert hat ; sie hat bloß den damals \chon bestehenden 3 9/9 Fideikommißstempel erläutert. Der Fideikommißstempel selbst beruht auf dem Gesey von 1822. Und zweitens, es ist auch nit richtig, die Rehnung anzulegen, daß ein Fideikommiß 100 Jahre dauert. Man kann doch wohl im ganzen annehmen, daß die Fideikommifse viel länger gedauert haben und dauern werden als 100 Jahre und dann wird die Rehnung schon nit stimmen. Wir

nehmen an, daß ein Besitzwechsel der dem freien Verkehr unter-