1895 / 151 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Lt E Zer Ma N R a Sai Meri rie BEIE R B NE B E irt 90

Der Wirklihe Geheime Ober - Regierungs - R im

Ministerium der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Ange-

legenheiten Dr. Schneider if aus Süddeutshland hierher

_zurüdckgekehrt.

Der Regierungs-Rath von Reckck zu Erfurt ist der König- lichen Regierung zu Frankfurt a. O. und der bisher bei der Königlichen Ministerial, Militär- und Baukommission zu Berlin beschäftigte Regierungs - Assessor von Gehren der Königlichen Regierung zu Stettin zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

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Nah einer telegraphischen Meldung an das Ober-Kommando

der Marine is S. M. S. „Cormoran“ Kommandant Korvetten-Kapitän Brinkmann am 25. Juni von Durban

nah Lorenzo Marquez in See gegangen.

Württemberg.

Die Kammer. der Abgeordneten überwies in ihrer vorgestrigen Sißung die Vorlage über die Verlängerung der Befugniß der Württembergishen Notenbank in Stutt-

art zur Ausgabe von Banknoten an eine besondere Kommission. Der l igt welcher den landwirthschaft- lichen Berufsgenofsenschaften weitere Umlagen für den Reserve- fonds erläßt und gestattet, die Hälfte der Zinsen des ange- sammelten Reservefonds zur Deckung der Genossenschaftslaften zu verwenden, wurde mit allen gegen eine Stimme ange-

nommen. Sachsen-Weimar-Eiseuach.

Dem Landtag des Großherzogthums, welcher heute zu- sammentritt, ist der mit der preußischen Regierung abgeschlossene Vertrag über den Verkauf der Werraz-, Saal- und Weimar- Geraer Eisenbahn sowie der mit der bayerischen Regierung abzuschließende Vertrag über den Bau einer Eisenbahn von

Mellrichstadt nah Ostheim zugegangen.

Hamburg.

Der Senat erläßt im heutigen Amtsblatt folgende B e- fanntmachung: i i

ie M2 jestät der Kaiser haben bei dem jüngst bieselbst stattgebabten Fest den Wunsch geäußert, daß der Stadt Hamburg ein herzlicher Dank ausgesprochen werde für den Allerhöchstdemselben von allen Schichten der Bevölkerung bereiteten ergreifenden Empfang. Auch Ihre Majestät die Kaiserin haben unter dem no- maligen Bedauern, an dem s{öônen Fest nicht haben theilnehmen zu fönnen, die wobhlwollendste Gefinnung für Hamburg mit der Auf- forderung ausgesprochen, daß den Hamburgern hiervon Kenútniß gegeben werden möge. Der Senat kommt diefer von den Kaiserlichen Majestäten dur die Vermittlung seines Präsidenten an ihn gerichteten Auf- forderung um fo freudiger nah, als er sich bewußt ift, daß das völlige Gelingen der Feier, welche in Anlaß der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals Ha mburgischerseits veranstaltet worden, nur dur daë cinmüthige Zusam menwirken und die vaterlandsfreudige Ge- finnung Aller gesichert werden konnte. Es gereicht deshalb dem Senat zu lebhafter Genugthuung, zugleich den zahlreichen Mitbürgern, welhe dem Senat und den Behörden in Anlaß dieser Feier ibre Kräfte zur Verfügung gestellt oder zu dem Gelingen des seltenen Festes in anderer Weise beigetragen haben, niht minder aber der gesammten Bevölkerung für die fie ehrende auêgezeihnete Haltung warmen Dank und volle Anerkennung auszusprechen.“

Elsaß-Lothringen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden traf gestern früh aus Baden-Baden in Straßburg ein und begab sih um 10 Uhr mit dem Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg und dem Erbprinzen nah der Ausstellung, wo Höchstderselbe von dem Vorsißenden des geschäftsführenden Ausschusses, Bürgermeister Back, und den anderen Mitgliedern des Ausschusses empfangen wurde. Nach einem. Rundgang durch die Ausftellung fuhr Seine Königliche Hoheit mit dem Statthalter nah dessen Palais, wo das Diner eingenommen wurde. Um 4 Uhr kehrte der Groß- herzog nah Baden-Baden zurück.

Oesterreich-Ungarn.

Nachdem gestern Vormittag in der Plenarversammlung der ungarischen Delegation die Uebereinstimmung der Nuntien beider Delegationen festgestellt worden war, wurden Nach- mittags die Delegationen eshtlosjen. Zun der ungarischen Delegation Furalh Baron Kallay, in der österreihishen Graf Goluchowski im Auftrage und im Namen des Kaisers Allerhöchhstdessen Dank und Anerkennung für die auch diesmal an den Tag ge- legte Opferwilligkeit und Hingebung aus. Die Präsidenten Graf Andrassy und Fürst Lobkowiß hielten die Schluß- reden. Ersterer erwähnte die beruhigende Wirkung, welche die Worte des Kaisers in ganz Europa gehabt hätten, und die sehr sympathishe Aufnahme der Erklärungen des Ministers des Aeußern. Die Präsidenten {lossen mit dreimaligen Eljen- bezw. Hochrufen auf den Kaiser und König, in welche die Delegirten begeistert einstimmten. ah den üblichen Dankesworten für die Minister und die Präsidenten wurden die Sitzungen geschlossen. L

Nach einer Meldung aus Prag ijt in Carolinenthal der Jungczehe Jonda zum Mitglied des Abgeordnetenhauses gewählt worden.

Großbritannien und JFrland.

Der Großherzog und die Großherzogin von essen sind gestern Abend zum Besuh der Königin auf Schloß Windsor eingetroffen.

Im Unterhause gab gestern der Kanzler der Schaß- kammer Sir W. Harcourt die Erklärung ab, daß Lord Salisbury auf Befehl der Königin die neue Regierung bilde. Das Haus werde heute eine Sißung halten, damit dem Geseß, betreffend die Seechundfischerei im nördlichen Stillen Ocean, die Königlize Genehmigung ertheilt werden könne. Dann werde es sich bis Montag vertagen. Akers-Douglas sprach seine Freude darüber aus, daß er aus den Bemerkungen Labouchère's ersehen habe, die Opposition sei bereit, mit der neuen Regierung zusammen an dem sofortigen Zustandekommen der Auflösung des Parlaments zu arbeiten. Eine fernere Erklärung werde am Montag ergehen. Redner beantragt, die Ausschreibung neuer Wahlen an Stelle von Balfour, Chamberlain, Sir M. Hicks- Beach und Goschen, die jeder ein Portefeuille angenommen hâtten. Sodann vertagte sich das Haus.

dem von Balfour - erlassenen Wahlaufruf heißt es: di leßte egierun, hätte, der konstitutionellen Praxis gemäß, der Königin die Auflösung des Parlaments an- rathen sollen; die Unionisten würden in diesem Fall der Regierung die Erledigung der nothwendigen Geschäfte dieser Session in 1eder Weise ‘erleichtert haben. Die bisherige Regierung habe aber ihre Pflicht auf andere abgewälzt, und Lord Salisbury habe die Kabinetsbildung über- nommen, um an die Wähler zu appellieren. Der gegenwärtige Augenblick sei nicht geeignet, um die Politik auseinaaderzuseßen, welche die unionistishe Regierung befolgen werde, falls eine unionistishe Majorität in das Parlament zurüdcfkehren sollte. -

Chamberlain sagt in seinem Wahlmanifest: die Führer der Unionisten seien vollkommen darüber einig, daß die ausschweifenden Pläne einer Verfassungsänderung und die zerstörende Geseßgebung der leßten beiden Regierungen bei Seite gelegt und die Hauptaufmerksamkeit einer Politik auf- bauender Sozialreform zugewandt, fowie gleichzeitig der Wirk- samkeit der Vertheidigungsmittel die gebührende Beachtung geschenkt werden müsse. : e

Ein von der nationalen liberalen Vereinigung veröffentlihtes Manifest verkündet für die bevorstehenden Wahlen den Kampf gegen die Unionijten für Homerule, Reform des Oberhauses und für Durhführung der anderen Punkte des liberalen Programms.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer berieth gestern die Nach- tragsfkredite für den Sudan. Der Deputirte Bozérian warf der Regierung vor, daß fie Auêgaben ohne die Be- willigung des Parlaments mache; der Deputirte Vigné führte Klage darüber, daß Frankreich im Senegal und Sudan 100 Millionen nußlos aufgewendet habe, und protestierte gegen die Kolonialpolitik. Der Deputirte Le Hérissé verlangte Aufklärung über die Rückberufung der Kolonne Monteil zu dem - Zeitpunkte, wo dieselbe nahe daran gewesen sei, Samory einzuschließen. Der Deputirte Bozérian brachte sodann eine Tages- ordnung ein, welhe die Feststellung der zivilrehtlichen Verantwortlichkeit der Minister bezweckt. Der Minister - Prä- sident NRibot erkannte die Richtigkeit der Kritik der Budget- fommission bezüglih der Nachtragskredite an und erklärte, er überlasse die Entscheidung der Weisheit des Hauses. Hierauf wurde die Tagesordnung Bozérian mit 309 gegen 54 Stimmen angenommen und die weitere Berathung auf heute vertagt. A

Das Exposé über das handelspolitishe Abkommen mit der Schweiz ist gestern der Deputirtenkammer vorgelegt worden. Es wird darin erklärt : der bisherige Zustand sei Frankreih nachtheiliger gewesen als der Schweiz. Die von seiten Frankreichs zu machenden Zugeständnisse bedeuteten eine jährliche Zollermäßigung von 800 000 Fr. für schweizer Erzeug- nisse, während die shweizerishen Zugeständnisse den französt]shen Waaren eine solhe von 14 Millionen Francs vershafften. Die Zollermäßigung für die speziell die Schweiz inter- essierenden Artikel ist mittels allgemeiner Gesezesbestimmung beantragt und ftellt, falls sie bewilligt wird, eine dauernde Modifikation des franzöfishen Minimaltarifs dar, welche allen die Meistbegünstigung genießenden Staaten zu gute kommt. Es werden der Schweiz folgende Reduktionen des Minimal- tarifs zugestanden: Nähseide 300 Fr. per 100 kg; bei bedrucktem Baumwollgewcbe Berehnung des Druckzuschlags nah 100 qm, anstatt nah 100 m Länge des Gewebes. Seidengewebe roh 400, farbig 240, shwarz 200 Fr. ; für Maschinenstickereien auf glatten Baumwollengeweben durchs{chnittlich 30 Proz. Abzug vom Minimalzoll. Hydraulishe Maschinen bis 250 kg 15 Fr., bis 3000 kg 10 Fr., über 3000 kg 8 Fr., Papier- maschinen 8 Fr., Dynamo-elektrishe Maschinen bis 50 kg 80 Fr., bis 1000 kg 30 Fr., bis 2000 kg 20 Fr., bis 5000 kg 18 Fr. über 5000 kg 12 Fr. Kälteerzeugungs- maschinen bis 250 kg 25 Fr., über 250 kg 14 Fr. Zndufte für dynamoelektrishe Maschinen bis 200 kg (9 Fr., bis 500 kg 60 Fr., bis 1000 kg 45 Fr., bis 2000 kg 40 Fr. über 2000 kg 35 Fr. Bogenlampen 60 Fr. Alles per 100 kg.

Ftalien.

In der Deputirtenkammer theilte gestern bei der Berathung des Ackerbau-Budgets der Mister für Ackerbau, Industrie und Handel Barazzuoli mit, daß die oster- reichish-ungarische Regierung geneigt sei, die internationale Konvention, betreffend den Garda-See, einer Reform zu unterziehen; eine rasche Erledigung der Angelegenheit jei zu erwarten. Der Deputirte Cibrario brachte einen Bericht über die Gcschäftsordnung der Kammer ein. Die Sißung wurde hierauf geschlossen. Als Cavallotti die Kammer verließ, wurde von seinen Freunden eine Kundgebung für ihn veranstaltet. Dabei wurden einige Jndividuen verhaftet, jedoch bald wieder freigelassen. j

Cavallotti erflärt im „Don Chisciotte“, er werde die durch seine Veröffentlihung gegen Crispi in Rede ge- stellte Angelegenheit vor die Gerichte bringen.

Schweiz.

Der Stän derath hat sämmtlihen vom Nationalrath beschlossenen Abänderungen der Eisenbahnnovelle Zemp materiell zugestimmt. Es bestehen zwischen beiden Korperschafien nur noch redaktionelle Differenzen. 5

Nachdem der Nationalrath und der Ständerath si über die Revision der Bundesverfassung behufs Ueber- tragung des Militärwesens an die Eidgenossenschaft geeinigt haben, wird diese Revision im Laufe dieses Jahres der Volksabstimmung unterbreitet werden, sodaß die neue Organisation des gesammten Heerwesens bis 1897 aus- gearbeitet und in Kraft geseßt werden kann.

Türkei.

Die „Politishe Correspondenz“ meldet aus Sofia, daß glaubwürdige Berichte aus Macedonien eine gewisse Er- regung der christlihen Bevölkerung konstatierten, welche allerdings vereinzelte Zusammenstöße mit der bewaffneten Macht herbeigeführt haben könnten. Andererseits besige man in Sofia positive Anhaltspunkte für die Ueberzeugung, daß alle bisher dort veröffentlihten Meldungen, wiediejenigender Journale „Swoboda“ und „Pravo“ von einer organisierten Echebung der Macedonier, auf tendenziöser Mache beruhten, zumal aller Verkehr über die ottomanishe Grenze vollständig unterbunden sei. Nach einer Meldung des V. T. B.“ ‘aus Belgrad ist bei den dortigen Regierungsfreisen keinerlei amtlihe Meldung aus Macedonien und Altserbien eingegangen, welché die Berichte aus Sofia über eine aufständishe Bewegung in den genannten Provinzen bestätige.

Serbien.

Außer dem Uebereinkommen mit der Bankeng be- treffs der Konversion wird der S kupschtina ein be onderer StLeutwuf über die au tonome Gestaltung der Monopol-

verwaltung vorgelegt werden.

Amerika.

Das Comité der demokratischen Konvention von Kentucky hat, nach einer Meldung aus Louisville, Reso- lutionen gefaßt, die sih entshieden zu Gunsten von „Ss0und money“ aussprechen und die Politik des Präfidenten Cleveland unterstüßen. Die Konvention hat nah einer längeren, sehr lebhaften Debatte mit 647 gegen 233 Stimmen den Bericht des Comités angenommen. Der Schahsekretär Carlisle wird die Mitglieder der Konvention heute empfangen.

Die Revolution im Staate Rio Grande do Sul dauert, în Paris eingetroffenen Nachrichten zufolge, fort. An Stelle Saldanha's, der, als er sich umzingelt sah, Selbstmord beging, hat Tavares das Kommando übernommen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Kno der Abgeordneten befindet sich in der Ersten eilage.

In der heutigen (81.) Sipung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister des Jnnern von Köller und der Justiz-Minister Schönstedt beiwohnten, wurden zunächst die Wahlen der Abgg. Meyer zu Seehausen (kons.), Klasing (kons.) und von Baumbach (kons.) ohne Debatte für gültig erklärt.

Das Haus trat sodann in die zweite Berathung des Geseßes über die Verpflegungsstationen ein.

Die Kommission hat eine Reihe von Aenderungen in dem Entwurf vorgenommen, deren wesentlichste in der Ein- fügung eines Staatszuschusses von einem Drittel der Kosten (8 3) besteht. Jn S 8 hat die Kommission die Ent- scheidung über Einrichtung, Verwaltung und Benußung der Verpflegungsstationen, die nah der Vorlage dem Ober- Präsidenten zustehen sollte, dem Provinzialrath mit An- hörung des Provinzial-Ausschusses übertragen.

In die Bestimmung des zunächst zur Diskussion stehenden S 1, welche die Errichtung von Verpflegungsstationen vor- reibt, find von der Kommission die Worte „nach Bedürfniß“ eingefügt worden. Ferner hat die Kommission diesem Para- graphen den Zusaß gegeben, daß von einer Arbeitsleistung (der in die Stationen Aufgenommenen) in besonderen Fällen Abstand genommen werden kann.

Der Berichterstatter Abg. S ch{illing (konf.) führte aus, daß es fehr schwer gewesen fei, in der Kommission eine Einigung über die Vorlage zu erzielen. Die Kommission hoffe mit den vorbezeih- neten Vorschlägen eine Basis gefunden zu haben, welhe der Mebr- beit des Hauses annehmbar erscheine. Í

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): Die Entscheidung über den § 1 hängt für meine Fraftion davon ab, wie eine Reihe von Fragen, die nicht in § 1 erledigt werden, fondern erst später in dem Gesey vorkommen, ihre Erledigung finden werden. Eine Frage ist die, ob die Einrichtung eine kommunale sein soll in dem Sinne, daß die Provinz entsprehend dem Kosten- antheil, welchen fie übernehmen soll, auch die höhere Bestimmung sowohl binsihtlih der Zahl und der Orte der Verpflegungsftationen als hinsihtlich der Einrichtung derselben zu treffen hat. Diese Frage werden wir bei § 2 ex officio eingehend zu erörtern haben. Noch wichtiger für die Entscheidung if die Frage, ob ein Staatszushuß gewährt werden soll oder nicht. Die ganze Konfiruktion der Kommission beruht auf der Vorausfeßzung eines Staatszuschusses ; die Ingerenz des Ober-Präsidenten, des Provinzial- ratbs ist in der Kommission wesentlih begründet worden mit der Er- wägung, daß, wenn der Staat einen Theil der Kosten trage, ihm au eine Einwirfung auf die Negelung der An: elegenheiten in der vor- gesehenen Weise zustehe. Auf der andern Seite ist von den- jenigen, welhe aus der Einwirkung des Ober-Präsidenten und des Provinzialraths eine unzureihende Berücksichtigung der Leistungs- fähigkeit der zunähßst mit Geldmitteln Betheiligten befürchten, eine gewisse Gewähr gegen allzugroße Ansprüche darin gefunden worden, daß der Staat mit einer bestimmten Summe betbeiligt und der Finanz - Minister in der Lage i, allzugroßem Eifer der Ober-Präsidenten durch den Hinweis auf die fiskalis&en Inter- essen einen wirfsamen und hbeilsamen Dämpfer aufzufeßen. Fällt der Staatszuschuß fort, so fallen die beiden Grundstüßen, auf denen die Kommissionsbeshlüse errichtet sind, fort, und der Gang, den Ihnen die Kommission vorschlägt, ist niht mebr aufrecht zu erhalten. Wir müssen dann entweder uns entscheiden, die Sache ganz ruhen zu lasen oder zu einer grundsäßli anderen Regelung der Sache überzugehen. Fc halte es daher im Interesse der Klarbeit und Sicherheit unserer Beschlüsse in hohem Grade für wünschenswerth, daß die Staatsregierung {hon jeßut eine Erflärung darüber abgiebt, ob auf Staatszuschuß zu rechnen iît oder niht. Ich richte an die Herren Vertreter der Staats- regierung im Auftrage meiner Parteigenoffen die Frage: Ist darauf zu renen, taß ein Staatszuschuß gewährt wird oder nicht? (Leb- hafte Zustimmung rechts.)

(Schluß des Blattes.)

Das Herrenhgus tritt am 5. Juli wieder zusammen. Auf der Tagesordnung stehen: Petitionen und der mündliche Bericht der Kommission für Agrarverhältnisse über den Gesezentwurf, betreffend die Errichtung einer General-Kommission für dieProvinz

Ostpreußen.

Bei der Ersaßwahl zum Hause der Abgeord- neten in dem 9. Wahlbezirk des Regierungsbezirks Breslau (Fran kenstein-Münsterberg) wurde nah amtlicher Fest- stellung der Pfarrer La nger in Bärwälde (Kreis Münster- Ae (Zentrum) mit sämmtlichen abgegebenen 215 Stimmen gewählt.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hat ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter einer Partei von einer Thâtigkeit seinerseits bei dem Beweisverfahren Abstand genommen, so tann er, nah einem Beschluß des Reichsgericht®, IL. Zivilsenats, vom 2. April 1895, die Beweisgebühr nicht be- anspruhen. „Die in § 13 Z. 4 der Gebührenordnung für Rechts- anwalte vorgesehene Bewcisgebühr können die Rechtsanwalte nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts allerdings nicht bloß in folchen Fällen beanspruchen, in welchen sie eine Partei im Beweistermin ver- treten baben; vielmehr fann der Anspruch darauf auch mit Rückficht auf eine anderweite Thätigkeit im Beweisaufnahmeverfahren geredtfertigt sein. Es genügt aber in dieser Beziehung nicht, daß cin Rechtéanwalt zur Zeit der Beweisaufnahme Prozeßbevollmächtigter war, sondern wird immerhin vorausgesetzt, daß er in diefem Ver-

S S e ta as ï Fe L

f jahren thätig gewesen ist. Eine derartige Thätigkeit ist aber im

vorliegenden Falle, in welhem dem um Abnahme des Eides ersuhten t das Ersuhungsschreiben nebst den Aften vom Gerichtsschreiber

äbersandt wurde und die Prozeßbevollmächtigten von vornherein auf

cine E vom Eidestermin verzichteten, nit erfolgt.“

(58/99. :

Der Pfändung sind nah § 715 Ziff. 4 der Zivilprozeß-

ordnung niht unterworfen: bei Künstlern, Handwerkern, T

¿nd Fabrifkarbeitern die zur persönlichen Ausübung des Be-

rufs unentbebrlihen Gegenstände. In Bezug auf diefe Be- stimmung hat das Reichsgericht, 1V. Zivilsenat. durch Beschluß vom 11. April 1895 ausgesproen, daß unter den bezeichneten Gegenständen nur Werkzeuge und solhen gleichstehende Gegenstände, deren Former die erwähnten Personen unmittelbar an der Ausübung ihres Berufs hbindern würde, nicht aber auch Materialien zu verstehen sind, deren der Künstler und Handwerker bei der Ausübvyng des Berufs bedarf. „. . . Für diese einshränkende Auslegung is auh aus der Entstehungsgescichte des Geseßes ein Anhalt zu entnehmen. Bei der ersten Lefung des Entwürss einer Zivilprozeßordnung in der Reichstagskommission hat auf die Be- merkung eines Abgeordneten, daß der Auëdruck „Gegenstände“ zu all- gemein sei, der Regierungsvertreter ausgeführt: „man habe haupt- sächlich an diejenigen Jnftrumente gedaht, ohne weldæ die Künstler und Handwerker ihren Beruf niht ausüben könnten, an gewisse Land- und Fabrikarbeiter, die si ihre Instrumente selbst halten müßten ; solche Gegenstände hätten meist {hon an 11ch keinen großen Werth; der Erlös bei deren Versteigerung erreihe aber gewöhnlich nit einmal diesen Werth und stehe außer allem Verhältnisse zu dem dem Swuldner zugefügten Nachtheil*, und nach dieser Ausführung is der Antrag, statt „Gegenstände“ das Wort „Werkzeuge“ zu seyen, von der Kom- mission abgelehnt worden. Darnach ftebt die Annahme, daß unter die im § 715 Z. 4 gedahten Gegenstände auch die Vorräthe an Ma- terialien fallen, deren der Künstler und Handwerker bei der Ausübung des Berufs bedarf, mit dem klar zum Ausdruck gelangten Sinne des Gesetzes im Widerspru“. (75/95.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts,

Nach § 38 des Gewerbesteuergeseßzes vom 24. Juni 1891 soll bei der Ausdehnung eines Gewervebetriebes über mehrere Kommunalbezir ke die für die Zwecke der kommunalen Besteuerung erforderlihe Zerlegung deëSteuersaßzes in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Theilbeträge unter Vorbehalt der Rechts- mittel von dem veranlagenden Steueraus\{uß bewirkt werden. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Obter-Verwaltungsgeriht, VI. Senat, 1. Kammer, durch Entscheidung vom 31. Januar 1895 ausgesprochen, daß die Anordnung im Art. 55 Nr. 2 der Ausführungs- anweisung zum Gewerbesteuergeseß vom 10. April 1892, wona die Vertheilung des Steuergeseßges nach Maßgabe des Ertrags und, falls ein folcher überhaupt nicht erzielt ift, nach Maßgabe des Anlage- und Betriebskapitals vorgenommen werden foll, im Einklang mit dem bestehenden Recht steht. „Hiernach müssen also die von dem sfteuerpflihtigen Gesammtertrag auf die einzelnen Betriebégemeinden entfallenden Erträge, soweit es über- haupt die Natur des Unternehmens gestattet, rechnungsmäßi oder \chätßzungsweise festgestellt und in dem erlegungabes@hui bezw. der Berufungsentscheidung zahlenmäßig angegeben werden. Die Weigerung des Steueipflichtigen, hierbei mitzuwirken, kann keinen Anlaß geben, von dieser Feststellung Abstand zu nehmen. Nur dann, wenn die Natur des gewerblichen Unternehmens selbst, die organishe Verbindung der Einzelbetriebe zu einem einheitlichen Gesammtbetrieb, die Feststellung der Einzelerträge durch Rechnung oder Schäßung unmögli macht, dürfen, um die Auéführung des § 38 des Gewerbesteuergeseßes zu ermög* lihen, die auf die einzelnen Betriebsgemeinden entfallenden Quoten des Gesammtertrages unter Anwendung geeigneter Aushilfêemittel be- messen werden (Art. ‘55, 191 Abs. 2 der Ausführungsanweisung). Wel che Aushilfsmittel zulässig und geeignet find, richtet sich nah den Umständen des konkreten Falles. Die Nothwendigkeit der An- wendung von Aushilfsmitteln, die benußten Aushilfsmittel selbs und die Umstände, welhe ihre Anwendung im einzelnen rechtfertigen, müssen, um die erforderlihe Nachprüfung im S ¡u ermöglichen, aus dem Zerlegungsbes{luß bezw. der Berufungs- entsheidung ersihtlih sein.“ (VI. G. 706.)

Der Eigenthümer is nach einem Urtheil des Ober-Ver- waltungsgerihts, TV. Senats, vom 6. Februar 1895, berechtigt, durch Errichtung von Steinen auf seinem Grundstück dicht an der Fahrstraße sein Eigenthum gegen Beschädigung dur Anfahren von Fuhrwerken zu s{chüßen. „Der Kläger is berechtigt, sein Eigen- thum gegen diejenigen Beschädigungen zu {üßen, welhe demselben durh unberechtigtes Anfahren von . Fuhrwerken an und auf dasselbe entstehen können. Es steht dem an sich nihts ent- gegen, daß er diefen Schuß durch Errichtung von Steinen ewirkt, soweit er denselben auf seinem Eigenthum anbringt. Ist der Weg zu s{hmal, um denselben ohne Beschädigung der Nachbar- grundstücke benußen zu fönnen, so würde die Nothwendigkeit der Ver- breiterung desselben auf Kosten des Wegebaupflihtigen in Frage fommen, nit aber würde daraus eine Einshränkung der Berechtigung des Anliegers zum Schutze seines Eigenthums gegen Beschädigung folgen.“ (IV. 212.)

Statistik nud Volkswirthschaft.

Auswärtiger Handel des deutschen Zollgebiets.

Nach dem Mai - Heft der vom Kaiserlichen Statistischen Amt berausgegebenen Nachweise über den auswärtigen Handel des deutschen Zollgebiets beträgt

die Einfubr die Ausfuhr

; E (100) kg (100) k

im Monat Mai 1895 29 620 646 21111 »f6 z S „41694 27 708 808 18 129 510 mithin mehr 18% .... 1911838 2 982 006.

Die Mengen der Einfuhr sowohl wie der Ausfuhr find somit gegen diejenigen des gleihen Monats im Vorjahr erheblich gestiegen, änd zwar in der Ausfubr mehr als in der Einfuhr.

Die Jahresabschnitte Januar/Mai ergeben für die

Einfuhr Ausfuhr i: (100) kg (100) kg Januar/Mai 1895. . . , 112 067 153 91 482 044 z e N 120 601 740 86 192 031 É L Mer 5 290 013 mithin in 1895\ weniger. 8534 587 as

_ Für den Jahresabshnitt Januar/Mai 1895 ergiebt \ih demgemäß im Vergleich mit dem Vorjahr eine Minderung in den Einfuhrmengen und eine Steigerung in den Ausfuhrmengen.

D Gesfammthandel des Zollgebiets, Einfuhr und Ausfuhr zu- \ammengefaßt, beträgt :

: (100) kg Da B E 50 732 162 O a e _ 45 838 318_ min K 1990 Me 4 893 844 (100) k

Aua O O 203 549 197 4 A T a _206 793 771 _ mithin in 1895 weniger . . . ., 3 244 574.

G An den Mehreinfuhren im Monat Mai 1895 von im ; anzen 3 035 635 (100) kg, denen gegenüberstehen Mindereinfuhren m Ganzen 1 123 797 (100) kg, entfällt ein hervorragender Theil auf

treide, und zwar bei einer Gesammteinfuhr von Getreide von

5 063 219 (100) kg ein Mehr von 1240951 (100) kg gegen den Mai 1894. Außerdem weisen noch Steinkohlen, Erze, Wolle und Wollenwaaren, Dele und Fette, Droguen -1c., Flahs und Hanf, Material- und Spezereiwazaren 2. erheblih größere, ferner eine Reihe anderer Waarengruppen, wenn auch unerbeblih, immerhin aber größere Einfuhrmengen als im Monat Mai 1894 auf. Eine Mindereinfuhr von einigem Belang trifft nur auf Holz, andere Mindereinfuhren sind unbedeutend. 0

Im Zeitraum Januar/Mai 1895 betragen die Mehbreinfuhren gegen das Vorjahr im Ganzen 1 360 057 (100) kg, denen Minder- einfuhren im Betrage von 9 894 644 (eo kg gegenüberstehen, mithin ergiebt sih im Ganzen eine Mindereinfuhr von 8534587 (100) kg. Erhebliche Mehreinfuhr weisen auf Hanf und Flachs, Baumwolle, Petroleum, Droguen ‘x., Material- und Spezereiwaaren 2c., Wolle und Wollenwaaren, erhebliche Mindereinfubr Steinkohlen, Erze, Selreite, Holz, ferner Abfälle, Steine und Steinwaaren, Oele un e.

ie Mehrausfuhren im Monat Mai gegen denselben Monat ‘des Vorjahrs vertheilen sih nahezu auf alle S während nur wenige Gruppen von Minderausfuhren betroffen worden find.

Die Mehrausfuhren des Monatis betragen im Gauzen 2 997 060 (100) kg, die Minderausfuhren im Ganzen 15 054 (100) kg, sodaß das Mebr im Ganzen beträgt 2982 006 (100) kg. Hervorragend sind die Mehrausfuhren von Steinkohlen, Spezerei- 2. Waaren, Erden und Erzen, Getreide, Eisen und Eisenwaaren.

Im Zeitraum Januar-Mai stehen den Mehrausfuhren von 6 395 895 (100) kg gegenüber 1 105 882 (100) kg Minderausfuhren, sodaß sich 1m Ganzen als Mehrausfuhren ergeben 5 290 013 (100) kg.

__ In erster Reihe hat die Ausfuhr von Steinkohlen 2c. zugenommen ; bei einer Gesammtausfubr von 49 354 205 (100) kg in den ersten 5 Monaten 1895 beträgt das Mehr gegen das Vorjahr 3 197 378 (100) kg, dann folgen:

Gesammtausfuhr mehr

| : (100) kg (100) kg

Material- und Spezereiwaaren 2... , 6610 923 862 123 E aaa 0 2 347 931 1 587 853 Eisen und Eisenwaaren. . .....…, 5 999 498 294 456 Ee O Da Daa 698 081 85 760

L C 15 274 076 89 692 Ma 581 641 56 990 Baumwolle und Baumwollenwaaren . 353 319 34 949 Muee o R 190 655 30 148

ofle und Wollenwaaren . .. 302 237 28 017

Unter den Waaren mit erheblichen Mehrausfuhren find noch zu nennen die Gruppen: Blei und Bleiwaaren, Hopfen, Kupfer und Kupferwaaren, PuE und Zinkwaaren.

Erbeblihe Minderausfuhren find zu verzeichnen bei

Gesammtauéfuhr weniger

Januar/Mai 1895 gegen 1894 : (100) kg (100 kg Steine und Steinwaaren . 1 674 793 585 120 e a E S 1 025 028 135 991 E e ian 503 409 133 803 Droge e 2 356 422 88 716 Holz und Holzwaaren E 1 660 103 89 701 Le U Ea S 421 806 62 791 Ba 124 784 20 757

Zur Arbeiterbewegung.

In Breslau haben die Arbeiter und Arbeiterinnen der Blatt- metallfabrik von Louis Boronow, wie ‘im „Vorwärts* mit- getheilt wird, am 24. d. M. die Arbeit eingestellt. Als Grund wird „Maßregelung ihres Vertrauensmannes* angegeben.

us Striegau wird der „Köln. Zta.“ geschrieben: Wie in Altwasser (vgl. Nr. 79 u. flgde. d. Bl.) sind jegt auch die orzellanarbeiter in Königszelt ausständig, uhd eine weitere Ri 8 des Ausftandes auf andere Porzellanfabriken ift wahr- scheinlih.

In Nürnberg befinden sich die Tischler der Evßer'schen gar im Ausftande, weil ihnen, wie der „Vorwärts“ mittheilt, eine

erkürzung der Arbeitszeit verweigert worden ist.

In Leipzig beschäftigte sih, wie die „Lpz. Ztg." berichtet, der

Verband der Bauarbeitgeber am 25. d. M. mit den von den ausftändigen Maurern vor der Beilegung des Aus-

standes geltend gemahten Nebenforderungen, welhe die Dauer der Mittagspause, die Beschaffenheit der Baubuden und Bedürfnißanstalten und die Unterlassung der nachträglichen Maßregelung von Gehilfen aus Anlaß des Auéstandes betrafen. Die Bewilligung dieser schon vor Jahren zugestandenen Forderungen

wurde als felbstverständliß ohne Debatte ausgesprohen. Sodann ging die Versammlung auf die geforderte Lohnaufbesserung der Zimmergehilfen über. Auch diese wurde, wenigstens

theilweise, gewährt und der Stundenlohn von 38 „4 auf 40 (gefordert waren 42 «) für die Stunde erhöht. Was die Löhne der Bauhandwerker anbetrifft, so beschloß die Versammlung, diese Lohnfrage zunächst nech nit einheitlich zu regeln, sondern die bessere Bezahlung der Handarbeiter je nach ihren Leistungen den einzelnen Arbeitgebern ans Herz zu legen.

In Budapest follen, wie der „Vorwärts“ meldet, die Bäcker in einer Versammlung die Fortseßung des Ausstandes beschlossen haben, da viele Meister die Forderungen immer noch nit bewilligt haben. (Bgl. Nr. 148 d. Bl.)

Aus Basel wird der „Frkf. Zig.“ geschrieben, daß der Aus- stand der Posamentierarbeiter (vgl. Nr. 145 d. Bl.) unver- ändert fortdauert. Die Vermittlungéversuche des eidgenössischen Fabrik- inspektors wurden von den Fabrikanten abgelehnt.

Kunst und Wissenschaft.

4 In der „Maschinenhalle“ des Ausstellung sparks am Lehrter Bahnhof sind gegenwärtig die Konkurrenzentwürfe für ein Bismarck-Denfmal, das seine Aufftellung vor dem Reichstagsgebäude finden soll, vereinigt. Die übergroße Zahl der Wettbewerber aus ganz Deutschland machte die Aufgabe der

Jury \{chwierig; die ausgeschriebenen Preise sind in der in Nr. 142 d. Bl. mitgetheilten Weise vertheilt wocden; die Wabl des zur Ausführung am meisten geeigneten Projekts

steht noh aus. Eine Wanderung dur die Halle giebt Gelegenheit, die Leistungéfähigkeit unserer deutshen Bildnerei vergleihend kennen zu lernen. Die überwiegende Mehrzahl der Entwürfe bewegt si in den ausgefahrenen Gleisen fonventioneller, akademisher Kunftübung; der Größe der Aufgabe zeigen sich nur ganz wenige Bewerber wirklich gewahsen. Sicherlich tellt der Beschauer an ein Bismarck- denkmal besonders hobe Anforderungen; aber selten waren die “e is Bedingungen für freie Entfaltung der bildnerischen Phantasie günstiger als hier, selten war wohl auch der Impuls des Vorwurfs kräftiger und anspornender. Die Wucht und Geschlossenheit der darzustellenden Perionen drängt nothwendig zu einer Konzentration der ganzen

‘omposition in der Gestalt des Fürsten hin. Eine pomp- hafte Vielgestaltigkeit, ein reihgegliederter arhitektonischer Aufbau scheint von vornherein ausgeshlossen. Wie wenige Bildhauer aber haben es verstanden, die igur Bismarck’s durch energische Charakteristik zum packenden Mittelpunkt des Ganzen zu erbeben! Gewaltsame Pose genügt dazu nicht: künfstlerishe Qualitäten müssen den Blick auf den Mittelpunkt lenken. Diese Aufgabe, mag man einwenden, läßt sich in einer Skizze kleinen Maßitabs nicht lôsen. Es hâtte aber jedem Bewerber zur Pflicht gemacht werden sollen, neben feinem Gesammtentwurf einen Kopf Bismarck's zu modellieren. Erst damit wäre ein Maßstab für die geistige Potenz des Urhebers und für die endgültige Wirkung des Denkmals geschaffen. Am ehesten leuchtet diese Auffassung der Aufgabe aus dem Modell von I. Floß- manns in München und aus den drei verschieden harakterisierten Skizzen von Harro Magnussen hervor, deren eine mit dem Merk- wort „Kraft“ dur einen dritten Preis ausgezeihnet ist.

Unter den mit dem ersten Preis gekrönten Entwürfen zeigt der des Altmeisters Siemering die größte Selbftändigkeit der Er- findung. Nach dem Auësp des Fürsten: „Lassen Sie uns nur erfi Deutschland in den Sattel heben, reiten wird es allein können“ hat der Künstler eine jugendliche Germania zu Roß dargestelit, der Bismarck mit erhobner Hand - den rechten Weg weist. Auch in der plaftishen Dur{führung steht dieses monumentale Bildwerk in erster Reibe. Wenig läßt fih von den übrigen ersten Preifen sa;en, die F. Schaper, L. und E. Cauer, Pfeiffer und Echter- meyer, Lessing und Jassoy, Hilgers und B. Schmiß, Rümann, Bärwald und Schmalz davongetragen haben. Die architektonishe Gestaltung des leßtgenannten Projekts zeichnet \fich vor vielen anteren Verfuhen dur Kraft und Originalität aus. Das allegorishe Beiwerk is meift ret ge- dankenlos dem Typenvorrath der landläufigen Symbolik entnommen; fast nirgends stößt man auf eine individuell erfundene Gestalt; die Mehrzahl der Bewerber fand sih mit den, Gestalten des antiken und Ramin Mythus ab; nur wenige wätlken realiftisch aufgefaßte

olfsgruppen oder hbistorishe Begebenheiten als Sotel- s{chmuck. Kühn, aber niht glücklich hat Uphues über der Gestalt des sißenden Fürsten eine Weltkugel baut, über der ein Adler mit einer jugendlihen Geniusgestalt \{webt; dieser Entwurf hat einen dritten - Preis davongetragen. Ernft und großzügig wirkt das Denkmal von Peterich. (2. Preis), der Bismarck auf das Halbrund der Erdkugel gestellt und zu seinen beiden Seiten zwei fräftig modellierte Männergestalten gelagert hat, die des Erwachen des deutshen Einheitsgedankens in ibrer auf- horchenden Stellung verfinnlihen. Ebenso verdient unter den Trägern des e iteO Marx Klei n hervorgeboben zu werden, der dem Fürsten einemächhtige Germania zugesellt hat, während die weiblichen Idealgestalten von Unger, Gößg und von Uechtrißtz allzu lyrisch aufgefaßt sind. Eberlein?’s pomphafter, aber im Einzelnen {wächlicher Aufbau ift, gas den ebengenannten und denjenigen Schilling’s, Pfuhl's, Volz’, Schäde?'s und Herter?s, mit dem zweiten Preise be- dat worden. Die endgültige Wabl wird bei der großen Zahl der vertheilten Auszeichnungen sicherlich noch viel Mühe verursachen. Das Vorurtheil gegen die Einrichtung der Denkmals-Konkurrenzen wird jedenfalls durch die Ergebnisse dieses Wettbewerbs kaum entkräftet oder widerlegt werden fönnen.

In Obenaltendorf bei Harburg fand man kürzlich, etwa

2 m tief, im Torfmoor vernwachfen, eine noch gut erhaltene männ - liche Leiche, die aus dem Zeitalter Karl’s des Großen zu ftammen scheint, also etwa 1000_ Jahre alt fein dürfte. Der Lehrer Meyer in dem genannten Ort, dem das Verdienst gebührt, den Fund gerettet zu baben, beshreibt das Skelett, der „Nat.-Ztg.“ zufolge, als das eines 7 Fuß boben, sehr kräftigen Mannes mit langen bellblonden aren, defsfen Füße mit dem germanishen BundfBbuhß und dessen VDberkörper mit einer groben wollenen Decke beckieidet war. Die Bekleidungéstücke sind für das Museum in Stade erworben worden. Sie besteben aus einer braunen wollenen Decke mit Franzen, dem bekannten ärmellosen sagum, das als Mantel umge!ch{chlagen und auf der linken Schulter durch einen Dorn oder eine bronzene Gewandnadel zufammengehalten wurde; einem Bundshuh aus einem einzigen Stück gegerbten Leders, das, mit Schliten ver- sehen, durch die ein Riemen läuft, sih genau der Form des Fußes angeshmiegt hatte. Das gefundene Stüd ist reih mit eingepreßten und eingeschnittenen Ornamenten versehen (man trug diefe Schuhe nur bis zu Anfang des 9. Jahrhunderts); endlich zwei silbernen, kreisförmigen, doppelten Riemenzungen von 11 mm Größe und 3 mm Die. er Finder der Objekte behauptet, dieselben bätten in der Nähe des Kopfes gelegen; ganz unmöglih ift ja freilich niht, daß diese Zungen, ähnlich den Spißen unserer Schnürbänder, zur Befestigung des Mantels auf der Schulter dur einen Riemen dienten, obglei diese Befestigung in der merovingishen Zeit noch ganz unbekannt war. Welche vorzüglichen Konservierungémittel der Gerbstoff des Moores enthalten muß, geht daraus kervor, daß nach dem Bericht

des Herrn Meyer die Hautstücke dieses alten Germanen pergament- artig das Knochengerüst umhüllten und felbst die Haare in demsélben noch befestigt waren.

Wie aus Rom gemeldet wird, ist P. Ehrle zum Präfekten der vatikanishen Bibliothek ernannt worden, als Nachfolger des verstorbenen P. Bollig.

Land- und Forstwirthschaft.

Der Berichti über die Verhandlungen der XXIII. Ver- sammlung 1895 des Deutschen Landwirthschaftsraths vom 4. bis einschl. 8. März, welchen auf Grund der Sitzungéprotokolle und der ftenograpbishen Aufzeihnungen der General - Sefretär Dr. Traugott Mueller erstattet hat, ift jeßt im Druck erschienen. Vorangeschickt find dem Beriht die Verzeichnisse der Dele- girten und stellvertretenden Delegirten, des ständigen Aus- schusses sowie der im Deutschen Landwirthschaftsrath vertretenen landwirthschaftlihen Zentralvereine, ferner das Statut und die Ge- shäftsordnung. Dann folgt ein gedrängtes Protokoll der Plenar- versammlung nebst Uebecsicht der gefaßten Beshlüsse und dem Geschäfts- bericht pro 1894. Die ausführlichen Verhandlungen und Referate sid so- dann nach den Gegenständen übersihtlih zusammengestellt. Sie betrafen : die reihsgefeßlihe Regelung des Verkehrs mit Dünge- und Futter- mitteln; die Frage: Welche Maßregeln können zur Hebung der Getreidepreise in Deutschland ergriffen werden?; die Reform

der Zuckersteuer; die Errichtung landwirtbschaftliher Schöffen- gerihte; Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose; die Reform des Branntweinsteuergeseßzes; die Wirkung

der Beseitigung des TIdentitätösnahweilses in Verbindung mit der Frage der Beseitigung der gemis{ten Transitläger; die Ab- änderung des Tabadsteuergeseßeë, und die Aenderung der Organisation des Landwirthschaftsraths. Am Schluß endlich sind die Berichte der Kommissionen über die Feuerversiherung, die Reform des Vieh- pie E und die ländliche Arbeiterfrage vollständig mit- getheilt.

Handel und Gewerbe,

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Nuhr und in Oberschlesien. An der Ruhr find am 26. d. M. geftellt 11 736, niht rechtzeitig vi T DAT i. (ies fu 4 n erichlesien sind am 25. d. M. gestellt 4243, nit te ¡eitig gestellt keine Wagen. E bia

Ueber die gestrige Zehenbesitzer-Versammlung des Rheinis ch- Westfälischen Kohlenfyndikats in Essen berictet die Rd Westf. Ztg." : Das Hauptinteresse nahm der dritte Punkt der Tages- ordnung: Nochmalige Lesung des Entwurfs zum neuen Syndikatsvertrag in Anspruch. Außer verschiedenen lediglich redaktionellen Aenderungen fand der Antrag der Zeche „Zollverein“, lautend: „Die Auflösung des Syndikats kann nah Ablauf der ersten fünf Vertragsjahre mit ein- jähriger Kündigung durch Beschluß von ‘/5; der Gesammtstimmen er- folgen,“ einstimmig Annahme. Der Antrag der Zeche Graf Bismarck auf prozentuale Steigerung der Förderung der . neuen Schachtanlagen wurde gegen die Stimme dieser Zehe abgelehnt, jedoch erklärte fi der Vertreter der Zeche bereit, persönli darauf hinzuwirken, daß die gestellte Bedingung von der Zechenverwaltung fallen ge- lassen werde. Ebenso fand sich nach längerer Berathung der Vertreter der Zehe Schlägel u. Eisen bereit, bei seiner Verwaltung dahin zu wirken, daß die von der Gewerkenversamm- lung gestellte Bedingung, es müfse die Betheiligung der Zehe vor ihrem Eintritt in das Syndikat um 120 000 t erhöht werden, fallen gelassen werde. Es bandelt si hier ledigli darum, daß für eine einzurihtende neue Schachtanlage die vertragsmäßige Mindestförde- rung gewährt werde. Der allgemeine Eindruck in der Versamm- lung war der, daß das Zustandekommen der geplanten Syndikats- verlängerung als peiDert zu betraten sei, und es wurde deshalb be- \{chlofsen, zum Abschluß des notariellen Vertrages eine Versamm-

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