aweifelhaft. (Sehr richtig! rechts.) Das ist der Anlaß, weshalb ih mich verpflichtet fühle, meiner Erklärung noch einige Bemerkungen folgen zu lassen.
Sehen wir uns doh die Satlage näher an. Jm vorigen Jahre hat der Reichstag eine Novelle zur Besoldungsordnung beschlossen, und die verbündeten Regierungen haben dem zugestimmt, um einem langjährigen Wunsche des Neichstags hiermit zu entsprehen. Troß der großen Bedenken, welche gegen jede Aenderung der festgefügten Besoldungsordnung bestehen, und troß der Bedenken, die namentlich dagegen zu erheben sind, in kurzen Zwischenräumen mehrere Aende- rungen aufeinander folgen zu lassen, haben sih die verbündeten Re- gierungen entschlossen, in diesem Jahre eine neue Vorlage zu bringen, die, abgesehen von einigen kleinen Aenderungen, die Konsequenzen aus der von Jhnen beschlossenen Novelle des Vorjahres ziehen und außerdem, ebenfalls einem Wunsche des Reichstags entsprechend, die Bezüge der Dedoffiziere neu regeln soll. :
Meine Herren, eine Meinungsverschiedenheit besteht zwischen den beiden gescßgebenden Faktoren insofern nit, als wir alle der Ueber- ¿eugung sind, daß den Beamten, welche in der Novelle aufgeführt sind, eine Aufbesserung zuteil werden soll. (Sehr richtig! rechts.) Eine Meinungsverschiedenheit besteht nur, und zwar eine sehr tiefgehende Meinungsverschiedenheit, in der Beziehung, daß der Reichstag noch weitere Beamtenklassen zu bedenken wünscht, die Regierungen dies jeßt aber nicht für mögli halten. Jch weiß nicht einmal, ob ich diese Meinungsverschiedenheit, die ih als tiefgehende bezeichnet habe, eine grundsäßliche nennen soll; jedenfalls nicht in vollem Umfange. 3. B. bezüglich der gehobenen Unterbeamten haben die Negierungen in keiner Form und in keinem Stadium der Verhandlungen erklärt, daß sie einer Aufbesserung dieser Beamtenklasse im Prinzip entgegen- stehen. Was sie erklärt haben, war immer nur, daß sie zurzeit auf die Anregungen des Reichstags nicht eingehen könnten, und dies ist mit sahlichen Gründen belegt worden, die Sie anerkennen müssen. Jede Aenderung der Besoldungsordnung über die wohlbedahten Gren- gen der Novelle hinaus würde zu weiteren Konsequenzen führen. Diese Konsequenzen bestchen niht nur für das Neich, sie bestehen auch für die Bundesstaaten und \cließlich au für die Kommunen. Alle diese Fragen müssen aufs genaueste und sorgfältigste geprüft sein, ehe man Ihnen eine entsprehende Vorlage unterbreiten kann, Jm Augenblicke läßt sich das noch nicht bewirken, es muß einer späteren Zeit vorbehalten bleiben.
Nun, meine Herren, kann i es vollkommen verstehen, wenn der Neichstag cinmütig wünscht, daß noch weitere Beamtenklassen bei der Gehaltsaufbesserung berüdcksihtigt werden. Es sind das Wünsche, die sih mit den Wünschen in den Kreisen der verbündeten Regierungen begegnen. Die Regierungen lassen sih in der Sorge um ihre Beamten von niemandem übertreffen (Zurufe bei den Sozialdemokraten) und sie werden mit entsprehenden Vorschlägen an Sie herantreten, sobald die Vorarbeiten dafür erledigt sind und die Möglichkeit besteht, die Maßnahme durchzuführen.
Aber, meine Herren, was ih nit verstehe, das ist, daß, weil einzelne Beamtenklassen niht den Wünschen des Neichstags ent- sprechend berüsihtigt werden können, deshalb auch diejenigen Klassen unberücksihtigt bleiben sollen, deren die Vorlage bereits gedacht hat. Ich kann es nicht verstehen, warum, wenn sih im Augenblick nicht auch den gehobenen Unterbeamten eine Zulage gewähren läßt, des- halb auch die Landbriefträger einer solchen Zulage verlustig gehen follen. Jch kann es niht verstehen, daß, weil man ih über die Gehaltsverhältnisse einzelner Beamtenklassen in Elsaß-Lothringen zurzeit nicht einigen kann, deshalb auch die Regelung der Gehalts- verhältnisse der Deckoffiziere ins Ungewisse hinausgeschoben werden soll. Meine Herren, diese Gesichtspunkte, glaube ih, rechtfertigen die Bitte, die dringende Bitte, die ih jeßt an Sie richte, im Inter- esse des Zustandekommens der Vorlage Jhren ablehnenden Stand- punkt aufzugeben und dem Geseßentwurf, wie er Ihnen von der Negierung unterbreitet ist, zuzustimmen.
„Abg. Ebert (Soz.): Nach dieser heutigen Erklärung des Schaßsekretärs scheint das Schicksal der Besoldungsnovelle bestegelt zu sein. Der Schaßsekretär meint, es sei unzweckmäßig, wenn sich der Neichslag in so \chneller Folge mit Aenderungen der festgefügten Besoldungsordnung zu befassen habe. Dafür ist aber vor allem die Heichsregierung selbst veraniwortlih zu machen, indem die Reform von 1909 nur eine unzulänglihe Negelung \peziell für die Unter- beamten gebracht hat. Es gelang ihr damals, noch im leßten Augen- blicke die Mehrheit des Reichstages umzustimmen und die Erwartun- gen der Unterbeamten zu täuschen. Wenn jeßt, ih einer Zeit an- dauernder Teuerung, der Reichstag verlangt, daß den Unterbeamten jeßt gegeben werden soll, was ihnen 1909 vorenthalten wurde, so ist das nur ein Gebot der Notwendigkeit. Für einige Klassen von Unterbeamten ist das durch die vorjährige Vorlage geschehen, die jeßige sollte die Konsequenzen ziehen. Aber selbst den bescheidensten Anforderungen in dieser Hinsicht genügt die Vorlage in keiner Weise, sie bringt nur ganz dürftige und geringe Aufbesserungen. Die Ge- haltsflasse der Beamten von 11——1700 Æ soll eine Aufbesserung von 100 Æ erhasten, darunter befinden si die Landbriefträger; die unteren Reichseisenbahnbeamten bcfommen aber in Wirklichkeit nicht einen roten Heller mehr als bisher, weil ihnen der ihnen bisher gewährte Zuschuß von 100 4 jeßt entzogen werden soll. Auch die Regierung hai zugestehen müssen, daß die Sache so liegt. Diese Bestimmung der Vorlage zu streichen, ist uns in der Kommission gelungen, die Regierung will aber davon nichts wissen und läßt lieber die ganze Vorlage scheitern. Dabei ist diese Streihung von der Kommission einstimmig beschlossen worden. Die gehobenen Unterbeamten der : Reichspostverwaltung follten nah der Vorlage überhaupt nicht berüdck- lichligt werden, obwohl die Notwendigkeit der Besserstellung dieser Kategorie vom Reichstage wiederholt anerkannt worden ist, És han- delt i dabei vor allem um die Oberschaffner. Die Kommission will hier anstatt 1500—2100 Æ ein Gehalt von 1600—2200 M gewähren und die Aufrückungsfrist von 18 auf 15 Fahre Fra epen, Auch diese Konzession ist nur sehr mäßig, und nicht leiht haben wir unsere weitergehende Forderung zurüdcfgestellt, um eine mögli einmütige Stellungnahme des Hauses herbeizuführen. Die jeßigen Kommissions- vorschläge sind das Allermindeste und Allerdringendste, was den ge- hobenen Unterbeamten gewährt werden muß. Verhält \ich der Bun- deórat dagegen ablehnend, so ist dabei wohl seine Stellung zu dem jeßigen Reichstage überhaupt maßgebend gewesen; diesem Reichsta gegenüber soll nur das Wort gelten: Vogel, friß oder stirb! Wo bleib da das verfassungsmäßige Recht des Reichstages? Und will er sich hier völlig aushalten lassen? LEUA unwürdigen Zustande muß endlih ein Ende bereitet werden. Finanzielle Erwägungen können für die verbündeten Regierung niht entsheidend gewesen sein; weitere Konsequenzen für die unteren Reichsbeamten Tönnen daraus auch nit gefolgert werden, und Preußen darf doch niht dem Reichs- tag einfah seine Beschlüsse diktieren. Wir brauchen doch nicht dar- auf Rücksicht zu nehmen, wenn Preußen glaubt, mit seinen Beamten machen zu können was es will, wenn es seine Beamten une be-
. lagen nit der Fall war.
einzugehen.) Die Sten tetung, daft einfa die Tasche zu und weist den Unterbeamten die Tür. s müssen wir verurteilen. Wir stimmen für die Beschlüsse der Kommisston.
Abg. Nadcken (Ventr.): Troß der s{chönen Darlegung des SZchaßsekretärs werden wir für die Beschlüsse der Budgetkommission timmen. Wir wollen keine Novelle verabschieden, ohne den Wün- chen der gehobenen Unterbeamten und einer Anzahl höherer Post- eamter Rechnung A tragen, Sie stehen im Zufammenhang mit Wünschen, die im- Vorjahre geäußert worden sind. Der Reichs\chah- sekretär hat ja au diese Wünsche anerkannt, Wir haben bei der Be- ieg der jeßigen Novelle andere dringende Wünsche zurückgesteUt, um all das aus dem Wege zu räumen, was dem Zustandekommen dieser notwendigen Vorlage s{hädlih sein kann. Wir sind umsomehr überrascht, daß der Bundesrat einen einmütig E Beschluß des Reichstags direkt ablehnt. Dieses Verhalten muß unter den Be- amten des Deutschen Reiches eine große Mißstimmung auslösen. A eine Nückwirkung auf den Reichstag dürfte niht ausbleiben. Auch an dem Punkte dürfte doch die Regierung nicht achtlos vor- übergehen, daß es gelungen ist, alle bürgerlihen Parteien zu ver- einigen. Dadurch wird für die Zukunft dieses Zusammengehen viel- leiht unmöglich mae Man muß annehmen, daß der Regierung nicht viel daran liegt, mit den vereinigten bürgerlichen En im Einvernehmen zu leben, Meine politishen Freunde hoffen troß alledem, daß bereits im kommenden Jahre die verbündeten MRegie- rungen fih veranlaßt fehen, den Beschlüssen der Budgetkommission ihre Zustimmung zu geben, weil die Lage unhaltbar is. Wenn man uns rât, der Reichstag soll nachgeben, so rufe ih der Regierung zu, sie soll es tun.
_ Abg. Bassermann (nl): Die Budgetkommission hat in ihren Beschlüssen diesmal ein Maß gehalten, wie es bei anderen Vor- Aus allen Teilen des Reiches is man an uns wegen Erweiterung der Vorlage herangetreten, Durch die Eini- gung der bürgerlichen Parteien gelang es zunächst, ein gewisses Maß von Forderungen festzustellen. Dieses Ergebnis liegt jeßt im Plenum vor, Die Regierung kann nicht sagen, daß sie einen unbequemen Reichstag hat. Die Vorgänge der lebten Tage liefern dafür den Be- weis. Der MNeichstag hat es verstanden, dem Grundsaß Nechnung u tragen, daß das politische Leben auf Kompromissen der geseßgeben- en Faktoren beruht. Das trat hervor beim Spionagegeseß und bei den Beratungen über die Konkurrenzklausel. Es ist unverständlich, weshalb die Regierung jeßt so intransigent ist, bei einem fo gering- fügigen Anlaß, während sie sonst do bei so wichtigen Geseßen, mie bei der Deckung für die Heeresvorlage, zum Entgegenkommen bereit war. Es ist uns unverständlich, wie die Re ierung jeßt, die sich sonst so viel Mühe gibt, die Parteien unter einen But zu bringen, über einen folhen Vorgang mit kühlem Lächeln hinweggeht. Diese intransi- gente Ablehnung wird eine große Erbitterung hervorrufen. Sie wird es niht verhindern können, daß die Wähler der Abgeordneten die S für das Scheitern der Vorlage auf die Regierung ab- wälzen.
Abg. Dr. Oertel (dkons.): Auh ich bitte, den Beschlüssen der Budgetkommission einstimmig zuzustimmen. Diese Zustimmung muß uns durch die Ueberzeugung erleihtert werden, daß das, was wir fordern, maßvoll und begründet ist, und in unmittelbarem Zu- sammenhang mit den Forderungen des Jahres 1913 steht. Auch uns war es überraschend, mit Ster Leichtigkeit sich im vorigen Jahre der Reichs\chaßsekretär die Ummodelung der Deckungsvorlage gefallen ließ. Diese damalige Leichtigkeit ist mit der heutigen Starrheit aller- dings nicht leiht in Einklang zu bringen. Im Vorjahre wünschten wir, daß die Landbriefträger, die damals leer ausgegangen waren, möglichst bald berücsihtigt werden sollten. Auch verlangten wir, A die gehobenen Unterbeamten der Post- und Telegraphenverwaltung aufgebessert werden sollten, und daß den Wünschen der höheren Post- beamten in der Ausgéstaltung ihrer Laufbahn Rechnung getragen wer- den sollte, Wir glaubten damals gerade die Ansprüche dieser Be- amten vertreten zu müssen, weil sie sonst hier weniger berüsichtigt werden, als die anderen Klassen. In der Novelle und 1m Etat steht weder etwas für die gehobenen Unterbeamten, noch für die böheren Postbeamten. Die wenigen Stellen der Vizedirektoren, die gefordert werden, genügen nicht. Jch danke den Herren von den anderen Par- teien auch hier, wenn fie andere Wünsche zurückgestellt haben, so daß wir uns auf einer Lime in der Budgetkommission einigen konnten. Ueber die Berechtigung unserer Forderung brauche ih kein Wort zu verlieren. Auch ih meine, daß das Scheitern der Vorlage eine tieke BVerstimmung hervorrufen muß. Wir freuten uns 1m Vorjahre, daß endlih die Mißstimmung der Postunterbeamten beseitigt werde. Ganz besonders die gehobenen Unterbeamten mußten erwarten, daß bald die Konsequenzen aus der vorjährigen Besoldungsordnung gezogen wür- den. An dieser Mißstimmung tragen wir keine Schuld, wir haben das unsrige getan. În dieser Vorlage sollten alle die Wünsche er- füllt werden, deren Berechtigung überall anerkannt worden ist. Schei- tert diese Vorlage, dann werden weitere Wünsche in gewaltiger Hoch- flut auf uns einstrómen. Wenn der Schaßzsekretär mit Necht sagte, die Sache müsse vorbereitet werden, so ist die beste Vorbereitung die Zustimmung zu dieser kleinen Vorlage. Dann werden die Beamten erkennen, daß auch ihren weiteren berechtigten Wünschen kein Wider- stand entgegengebraht wird. Wir mochten uns deshalb den Be- {chlüssen der Budgetkommission anschließen. Diese Vorlage bringt auch eine wesentlide Besserstellung der Deck- und Oberdeoffiziere. Durch das Scheitern der Vorlage wird die begründete Hoffnung dieser Beamten vorläufig ins Wasser fallen. Auf wie lange, wissen die Götter und der MReichs\chaßsekretär. In den leßten Tagen mußte ih auf Schleihwegen in dieses hohe Haus kommen, um unbemerkt in den Sißungssaal zu gelangen, draußen saßen die Herren, die lhre Wünsche vorbringen wollten. Dem Kollegen Hubrich, der mir zunickt, ist es vielleicht {limmer ergangen. Sehr viele sagten mir: Lassen Sie doch das Ding E Im nächsten Jahre n etwas Besseres kommen. Die Zustimmung zu dem Antrag der Budgetkommission ist deshalb eine politische Not- wendigkeit. Wir alle werden uns dem Gewicht der Frage nicht ent- ziehen können. Jch möchte die Frage niht aus dem Handgelenk entscheiden, ob es besser ist, jeßt die Vorlage anzunehmen, oder die Beamten noch länger warten zu* lassen. Auf jeden Fall werden sie uns und der Negierung den Vorwurf machen, wenn die Vorlage \scheitert. Einen Teil. der Verantwortung für die Mißstimmung werden wir dann auch zu tragen haben. Db wir diese Verantwor- tung tragen können, das fragt sih. Jch beneide den, der diese Frage Le hon bejahen kann. Wie die Dinge liegen, haben wir die Pflicht, ohne Nücksiht auf die verbündeten Regierungen unser Ge- wissen zu prüfen, welche Verantwortung wir tragen können. Daß ih etwa zum Umfallen geneigt sein sollte, das ist wohl nicht anzu- nehmen, Das kann ich. niht in Aussicht stellen. Jch hoffe, daß es zwischen der zweiten und dritten Lesung noch zu einer Verständigung fommen wird. Diese zu finden, is bei einigem guten Willen möglih. Diesen guten Willen stelle ih in Ausficht. Jh glaube, keiner von Jhnen wird sih ausschließen wollen, Sie alle sind davon bescelt, Möge auch der Staatssekretär diesen guten Willen zeigen, dann kommen wir vielleiht doch noch zu ciner wirklihen Ver- ständigung.
Staatssekretär des Reichsshaßamts Kühn :
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Bassermann hat eine Frage gestellt, die der Herr Vorredner, wenn ih richtig gehört habe, als „pikant und interessant“ bezeihnete. Er hat gefragt: wie können denn die Regierungen heute \o fest bleiben, während sie im Jahre 1913 bei der großen Deckungsvorlage den Wünschen des Reichstags in weit- gehendem Maße entgegengekommen sind? Meine Herren, auch ohne die politishe Seite der Sache zu berühren — was ih durchaus ver- meiden möchte —, läßt sih, wenn man schon eine Antwort auf die Frage sucht, ein Unterschied in der parlamentarishen Situation von
handelt. (Der Präsident hält diese Aeußerung für unstatthaft und arsuht den Redner, nicht näher a die viéufisGen Verhältnisse
damals und heute unshwer erkennen; Seinerzeit lag- die Sache so, |
daß das Scheitern der ganzen großen Vorlage in Aussicht stand, wenn die Regierungen den Wünschen des Reichstags nicht entgegenkamen. - (Widerspruch.) - Heute liegt die Sache so, daß die Vorlage scheitern muß, wenn der Reichstag es nicht über sih gewinnt, sih auf den Standpunkt der verbündeten Regierungen zu stellen. (Große Heiterkeit und. Rufe: Oho!) Die einfahe Konsequenz der Darlegungen des Herrn Abgeordneten Basser= mann gebietet somit, daß wir, um das Geseß zustande zu bringen, uns auf dem Boden der Regierungsvorlage zusammenfinden. Meina Herren, Sie können darauf um so leichter eingehen, als ih {on vorhin erklärt habe, daß die Regierungen es niemals im Prinzip abgelehnt haben, die gehobenen Unterbeamten besser zu stellen. Sachlihe Er- wägungen sind darüber anzustellen, in welhem Umfange dann auch andere Beamtenkategorien zu berüsihtigen wären, und diese Er- wägungen erfordern eine längere Zeit. Vor Abschluß der Vorarbeiten ist es den Regierungen nit mögli, einen entsprehenden Geseh= entwurf auszuarbeiten, also auch nicht Ihrem jebt gestellten Antrag zuzustimmen. |
Meine Herren, ich glaube wirkli, es ist hier eine Basis gegeben, die von allen betreten werden könnte. \
Ablehnen möchte ih noch, was von mehreren Seiten behauptet worden ist, daß aus\ließlich oder überwiegend finanzielle Gründe die Haltung der verbündeten Regierungen bestimmt hätten. Das ist nichi der Fall, und wenn die Herren meine ersten heutigen Ausführungen aufmerksam verfolgt haben, so werden sie bemerkt haben, daß ih von der finanziellen Seite der Sache überhaupt nicht gesprochen habe.
_ Abg. Kop \ch (fortshr. Volksp.): Die Haltung der Negierung ist insofern verständlih, als sie einem Vorschlage zustimmt, wenn sie neue Einnahmen bekommt, je mehr, um fo lieber. Sie bleibt aber fest, wenn es sich um Ausgaben handelt, besonders um Ausgaben, wie sie der Reichstag für die Beamten auszugeben wünscht. Wir haben auf manche Wünsche verzichtet, die uns aus Beamtenkreisen entgegen- getreten sind. Wir haben diese Wünsche zurückgestellt in der Hoff- nung, die Zustimmung der Regierung zu unseren bescheidenen Vor« schlägen zu finden. Diese bezogen sih auf die gehobenen Unter- beamten und die oberen Postbeamten. Für die leßteren wünschen wir eine durchgehende Skala, unabhängig von der Einrichtung neuer Stellen. Wir halten es nicht für angängig, neue Beamtenstellen nur einzurichten, um ein besseres Avancement zu ermöglichen. Bei diesen Beschlüssen haben wir uns stets gefragt, wie sie auf die Bundesstaaten, insbesondere auf Preußen finanziell einwirken würden. O haben wir von der Regierung ein glattes Unannehmbar gehört. Darauf hat offenbar die Stellung der preußishen Regierung eingewirkt. Gerade für Preußen ist aber eine Aufbesserung gewisser Beamtenkategorien nötig. Der e Staat hat ja auch am ersten die Mittel dazu, er braucht nicht Millionen aufzuspeihern. Wenn die preußische Re- gierung erst das Votum des Reichstages abwarten will, so können wir umgekehrt Preußen den Vortritt lassen, dann wird die Reichsregierung schon folgen. Was würden denn unsere Beschlüsse dem Reiche kosten, wenn die Negierung nahgibt? Ganze zwei Millionen. Die Verantwor- tung trägt allein die Regierung. Gewiß hat auch der Mittelstand {wer zu kämpfen, aber auh der Beamtenstand befindet sih in einer Not- lage. Wenn die Regierung sagt, sie lasse sih in der Sorge für die Beamten von niemand übertreffen, so entspriht das doch nicht den Tatsachen. Nirgends gibt es einen Beamtenstand, der so seine per- sönlichen Interessen dem Wohl der Allgemeinheit unterordnet. Er denkt nicht an Streik. Die Regierung ei es sich doppelt und drei- fah überlegen, ob sie an ihrem Nein festhalten darf. Wenn die Re- gierung auf ihrem Unannehmbar besteht, dann trägt niht der Reichs- tag, dann trägt die Reichsregierung die Schuld!
Abg. Schult - Bromberg (Np.): Ich werde mich in den Streit, wer die Schuld trägt, niht einmischen, denn damit ist den Beamten nicht geholfen. Es kommt darauf an, noch einmal zu ver- suchen, ob es einen Weg zur Verständigung gibt. Ich möchte aller- dings sagen, wenn man die Parteiredner hört, so ist lediglich ein Zu- stand der Hoffnunsslosigkeit gegeben. Jm weiten Teil seiner Nede hat aber Dr. Oertel die Möglichkeit einer Verständigung mit großer Gewandtheit angedeutet. Jh möchte auch annehmen, daß die Nede des Abg. Kopsch in threm zweiten Teil an den zweiten Teil der Nede des Abg. Oertel anklang. Wen wird für das Scheitern die Miß- stimmung treffen? Jch glaube, sie wird in überwiegendem Maße den Reichstag treffen, ¡edenfalls in den Kreisen der vielen Tausenden Be- amten, die in thren Hoffnungen auf die Regierungsvorlage ge- täuscht werden. Dringend werden wir aus diesen Kreisen gebeten, zu nehmen, was da ist. Weil wir aber die Kommissionsbeschlüsse an sih im Prinzip billigen, stimmen wir jeßt dafür, hoffen aber mit Be- stimmtheit auf eine Einigung und deren Zustandekommen zwischen der zweiten und driten Lesung.
Abg. Dr. Haegy (Els.): Wir stehen auf dem Boden der Be- {lüsse der Kommission, wie sie heute vorliegen. Wir freuen uns des ernsthaften Versuches der Kommission, auch die gehobenen Unter- beamten in die Verbesserung einzubeziehen, und bedauern nur, daß es nicht gelungen ist, noch andere Klassen, wie die Weichensteller 1. Klasse, mitzubedenken. Die Enttäushung wird sich besonders auch bei den (isenbahnunterbeamten geltend machen, denen die Kommission durch die Beseitigung des ominösen § 5 entgegenkommen wollte, Wenn man diesen Eisenbahnbeamten die nihtpensionsfähigen Zu- üsse, die sie 1909 zum Ausgleih bekommen haben, wieder weg- nimmt, so bekommen sie auch bei der Besoldungserhöhung in Wirklich keit nichts. Die Streichung dieses § 5 ist also für uns in Elsaß-Loth- ringen eine unbedingte Notwendigkeit. Es würde sonst eine Erbitte- rung in diesen Kreisen geschaffen werden, die auch politisch un- angenehme Folgen haben muß. dies die Zulage belassen werden. Mit der Entziehung der Zulage kann nur bei einer allgemeinen Besoldungsverbesserung vorgegangen werden.
Abg. Werner - Hersfeld (wirts{. Vgg.): Man hätte die heutige
Vorlage nicht nötig gehabt, wenn 1909 ganze Arbeit gemacht worden s
wäre. Das Entgegenkommen des a eren hinsichtlich der ge- hobenen Unterbeamten genügt nicht. ‘
darf nicht aus\chlaggebend sein. Für die Streichung des § 5 habe
auch ich in der Kommission gestimmt; ih halte diese Streichung für . notwendig, um den Eisenbahnunterbeamten der Reichslande eine wirk- 6 liche Aufbesserung zuteil werden zu lassen. Die Telegraphenmechaniker f
empfehle ih dem besonderen Wohlwollen der MNeichsverwaltung.
(Vizepräsident Dr. Paas e bittet, diese Ausführungen nicht weiter [f
auszudehnen, da sie mit der Vorlage nicht unmittelbar zusammen- hängen.) Gbenso sollten die Telegraphensekretäre und Obersekretäre bessergestellt werden. of das Geseß doch noch zustande komme, muß namentlih im Interesse der vielen kleinen Beamten, der Landbricf- träger usw. gehofft werden.
Abg. Dr. Weill (Soz.) {ließt sich den Ausführungen des -
Abg. Haegy bezüglich der reichsländishen Eisenbahnunterbeamten an und erklärt, bas auch für die dritte Lesung das unerschütterliche Fest- halten seiner Fraktion an den Kommissionsbeschlüssen feststeht.
Damit \chließb die zweite Beratung. Ohne Diskussion wer- den die Kommissionsbeschlüsse im einzelnen einstimmig an- genommen.
Darauf seßt das Haus die Spezialberatung des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres bei dem Hb Au3gabetitel „Gehalt des preußischen Kriegsministers" ort. U ezu
A (Fortseßung in der Zweiten Beilage.) «+
Den höheren Beamten soll ja über- |
ie Nücksiht auf Preußen
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staalsanzeiger.
„M 108,
(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)
Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Fa l- kenhayn:
Meine Herren! Am Schluß der gestrigen Sißung hat sih dec Herr Abgeordnete Liebknecht gegen einen Punkt meiner Ausführungen in bezug auf das Stuttgarter Protokoll gewendet. Jch möchte dem- gegenüber feststellen, daß ich den Herrn: Abgeordneten Liebkneht in meinen Ausführungen mit keinem Wort erwähnt habe, aus dem ein- fachen Grunde nicht, weil ih gar nicht wußte, daß er bei dieser Stutt- garter Sihung zugegen ‘gewesen ist und dort sogar eine Hauptrolle ge- spielt hat. Mittlerweile habe ih mir nun heute früh mit einiger Mühe den offiziellen Bericht über die erste internationale Konferenz der Jugendorganisationen, der im Buchhandel nicht mehr zu haben ist, pershaffen können.
Fn diesem Bericht sind folgende Punkte dessen, was ih gestern gesagt habe, enthalten:
„Das wesentliche Ziel der antimilitaristischen Propaganda ist die Zermürbung und “Zerseßung des militaristishen Geistes zur Be- s{leunigung der organischen Zerscßung des Militarismus,
(Hört, hört! rechts.)
Die leider vielfah betriebene Agitation zur Nichtgestellung- der einberufenen Mannschaften is der denkbar größte taktishe Fehler. Dadurch werden ja gerade die für den Militarismus unzuverlässigen Glemente, die zur Desorganisation beitragen, von der Armee fernz gehalten
(Hört, hört! rechts.), wodur deren Gefährlichkeit vermehrt wird.
Sorgen wir, daß die internationale Jugendbewegung im anti- militaristishen Kampfe eine ehrenvolle Nolle spielt.
Stließlich wird noch der Punkt, den ih auch erwähnt habe, in dem Protokoll erwähnt, daß die Gründung der Jugendorganisationen für den antimilitaristishen Kampf ganz besonders geeignet sei. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Wo steht das mit dem „Ekel und Abscheu“? — Glocke des Präsidenten.)
Nur in einem Punkte habe ic in diesem Protokoll nicht eine Be- stätigung dessen gefunden, was ih gestern gesagt habe, in dem Punkte nämlich, wo ih aus meinem Material anführte: „Jn diesem haben wir die jungen Leute gegen jeden Dienst mit der Waffe mit Ekel und Ab- scheu zu erfüllen." (Aha! bei den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, ih habe dem Herrn Abgeordneten Dr. Liebknecht gestern zugesagt, daß ih ihm mitteilen würde, aus welhem Material ich diese Angaben habe. Jch kann das heute ruhig tun. Es ist kein Spitelmaterial — mit derartigen Angelegenheiten befaßt si die Heeres- verwaltung nicht (Aha! und Widerspruch bei den Sozialdemokraten. — Sehr richtig! rechts.), sondern es ist aus verschiedenen Publikationen (Zuruf von den Sozialdemokraten: Welche? Namen nennen!), aus großen Berliner Zeitungen, die ih Ihnen sofort nennen kann, jeder- zeit, und gegen die von sozialdemokratischer Seite meines Wissens nicht der geringste Einspruch erhoben worden ist. Hätte ih diese Angaben bezweifeln können, so würde ih diesen Saß nicht ausgesprohen haben — (Lebhafte Zurufe von den* Sozialdemokraten. — Glocke des Prä- sidenten.) — denn zur Charakterisierung dessen, was ih charakterisieren wollte, ist er durhaus unnôtig nah dem, was in dem offiziellen Pro- tokoll steht. (Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten, — Lebhafte Zustimmung rechts.)
Meine Herren, im übrigen wird der Herr Abgeordnete Liebknecht mir, glaube i, nit bestreiten wollen, daß er gerade die hier be- anstandeten Worte in ganz ähnlichem Sinne bei anderen Gelegenheiten verwendet hat. Die ganze Sache ist also ein Streit um Worte. (Große Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Mir kommt es aber nit auf Worte, sondern auf die Sache an, wie sie hier in diesem offiziellen Protokoll charakterisiert ist. Diese Sache legt mir die Pflicht auf, gegen Ihre Betätigurg mit allen meinen Kräften zu kämpfen. (Lebhafter Beifall rechts. — Unruhe und Zurufe von den Sozialdemo- fraten.)
Abg. Stü ckl en (Soz.): Der Kriegsminister wird von der ge- amten reaktionären Presse wegen seiner gestrigen Rede gefeiert, als kommender Mann bezeichnet. Wir fürchten thn nicht, wir werden noch da sein, wenn er dereinst vershwunden ist. Wie es mit seinen Be- hauptungen ‘steht, hat sein heutiger Nückzug gegenüber dem Abg. Liebknecht bewiesen. Sein Pressebureau follte ihn künftig anders in- formieren, als es jebt geschehen ist. Er sagte, es komme nicht auf Worte an, sondern auf den Sinn. Der Kriegsminister hat dem Abg. Liebkneht einen Sinn untergelegt den dieser niht im Auge gehabt hat. Der Kriegsminister konnte sih nur auf Aeußerungen der Neichs- verbandspresse stüßen. Wir haben nicht soviel Personal, um alle Schwindeleien richtig zu stellen, die Tag für Tag über uns verbreitet werden. Der Kriegsminister hat gezeigt, daß er über alle Fragen \{lecht informiert war. Wir Sozialdemokraten haben es gern, wenn gegen uns mit offenem Visier gekämpft wird. Der Kriegsminister hat wenigstens das Verdienst, einen anderen Ton in die Debatte gebracht zu haben. Die Rede des Abg. Hegenscheidt klang so, als sollte ein neuer Nagel in eine Fahnenstange geshlagen werden. Der Kriegs- minister sprach davon, er wolle sparen. Seine Sparsamkeit führt in die Victoriastraße. Von Sparsamkeit ist in der Militärverwaltung feine Nede. Die glatte Durchführung der Heeresvorlage war kein be- sonderes Verdienst der Verwaltung, die Vorarbeiten lagen weit zurü. (5s wäre noch schöner, wenn sie bet einer solchen Sache versagt hätte.
Die Aushebungen haben in einer Lei der Krisis stattgefunden, da fonnte das Wirtschaftsleben nicht erschüttert werden. Aber bei einer
obfonjunktur werden uns die Hunderttausende fehlen, die jeßt inden Ritt sind; da werden ausländische Arbeiter als Lohndrücker ver- wendet werden. Auch das Kapitulieren der Unteroffiziere hängt mit
der wirtschaftlichen Krisis zusammen. Die Versorgungsshwierigkeiten für die O e steigen ins Ungemessene, Die Unteroffiziere, die 12 Jahre gedient haben, haben feine Lust, auf das Land als kleine Bauern zu gehen, sie ziehen ein Amt vor. “Die 38 000 Ueberzähligen erstreckŒen \sich offenbar auf 3 Jahre. Diese 38 000 werden ein neuer Anreiz für die Nüstungstreiber sein, eine neue Heeresvorlage einzubrin- gen. Gin Mitglied der Kommission könnte einen Brief vorlegen, wonach einem Festungsbauunternehmer mitgeteilt ist, er möchte sich auf neue Bauten vorbereiten, ver Bedarf würde durch das leßte Dritiel des Wehrbeitrages aedeckt werden. Ich glaube, daß bis dahin eine neue Militärvorlage kommt, wenn der Kriegsminister auch gesagt hat, daß eine neue Vorlage niht ausgearbeitet werde. Der Abg. Erzberger sagte,
Berlin, Freitag, den §8. Mai
—
die Resolutionen des Reichstags seien Hypotheken auf die Militärvor-
lage. Das sind Hypotheken, die auf der 6. Stelle stehen, also ober- faule Hypotheken. Gewiß ist manches erreiht worden, z. B. bessere Löhne für die Mannschaften. Aber die Negierung hat sih zu diesen und ähnlichen Konzessionen erst drängen lassen mussen. Der Urlaub für die Soldaten ijt problematish, weil er von der Gnade der Vor- geseßten abhängt. Wir haben weit mehr verlangt, als durchgeseßt werden fonnte. Wir hätten die Regierung zwingen können, auf diese Forderung im Geseß einzugehen. Alles war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben in der Armee keine Garantie, daß in der Armee der gute Gesundheitszustand bleibt. Es fehlen uns nicht weniger als 57 % Assistenzärzte, obwohl in Berlin Aerzte sogar von der Armenpflege unterstüßt werden müssen. Das liegt daran, daß die Aerzte von den Offizieren über die Achsel angeschen werden, daß jüdische Aerzte nicht eingestellt werden. Die Cinjährig-Freiwilligen, die als Aerzte eingestellt werden, sind ein höchst trauriger Notbehelf. Der Prinz Friedrich Leopold hatte 5 Adjutanten, ohne daß er in der Armee eine Stellung bekleidet; gespart worden is nur ein einziger Adjutant, indem man seinen Söhnen jeßt auch je einen Adjutanten gegeben hat. Das war der Wille des Reichstages nicht. Die Offi- zierkasinos sind höchst überflüssig, sie dienen nur und wollen nur dienen der Abschließung der Offiziere vom Bürgertum. Auf diese Weise wird mit den Millionen aus den Steuergroschen Schleuderwirtschaft ge- trieben. Bei den Pensionierungen wird ungeheuer splendid vorge- gangen; mit dem verderblichen Prinzip, daß ein Hauptmann in Pension gehen muß, wenn sein Hintermann zum Major befördert wird, bricht man niht. Daß die Soldatenmißhandlungen erheblih zurückgehen, wird behauptet, aber wir müssen es bezweifeln. Diesem Krebs\schaden kann man nur den Garaus machen, wenn man jeden Soldatenschinder einfah davonjagt. Der Kriegsminister gab seinem Abscheu vor den Mißhandlungen \chärfsten Ausdruck, aber solche Versicherungen haben wir noch von jedem Kriegsminister hier gehört. Die Schinder kommen mit außerordentlih milden Strafen davon. Eine Soldatenmißhand- lung ist eine bodenlose Mea weil der Soldat sich nicht wehren darf. Die Offiziere wollen ein besonders hochgespanntes Ghrgefühl haben, wäre das der Fall, dann würde kein Offizier sich an einem Soldaten vergreifen. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Militär- mißhandlungen und Prozesse darüber sid abspielen; wir werden darüber dem Kriegsminister noh eine lange Leporelloliste zur Kenntnis bringen. Wenn der Kriegsminister meint, wir wollten mit dem Bekanntgeben solcher Fälle die Armee herabseßen, so is er auf dem Holzwege. Nicht nur Soldaten werden drangsaliert, auch Unteroffiziere. Ein besonders krasser Fall, eine Soldatentragödie in des Wortes verwegenster Bedeutung hât na in Meß zugetragen. Der betreffende Unteroffizier hat sich das Leben genommen, weil ihn der Hauptmann aufs Blut peinigte, ihn wegen der geringsten Kleinigkeit schlecht machte. Der Hauptmann schrieb an die Eltern in trockenstem Ge- schäftston, er bedaure, daß der Mann sich erschossen habe, er könne es aber nicht ändern; hoffentlih würden die Eltern mehr Freude an ihren anderen Kindern erleben. Dann bekamen die Eltern noch einen Brief, worin ein Kamerad des Verstorbenen troß des Ver- bots, etwas mitzuteilen, ihnen riet, die Unteroffiziere der Kompagnie bei der Gerichtsverhandlung als Zeugen anzugeben, dann würden sie ihren Hauptmann los werden, Auch die Einjahrigen werden schikaniert; in Luckenwalde hat sich ein solcher erschossen, weil ihn sein Kompagnie- offizier in einer Weise drangsaliert hatte, daß er es nicht mehr aus- halten konnte. Wären die Öffizière wirklich die hochgebildeten Leute, die sie sein wollen, so müßten sie das doh auch den Mannschaften gegenüber zum Ausdruck bringen. Ein Leutnant vom 60. Regiment in Weißenburg wurde wiederholt mit Stubenarrest belegt, weil er die Reservisten mit Ausdrücken wie „Sauherde“, „Saubande be- dachte. Ein anderer Offizier bezeichnete Meservisten als „Wales“, „Hanaken“, „Schweinepriester“ usw. "In neuester Zeit scheint eine ganz neue Methode der Mißhandlung in Schwung gekommen zu sein, das Austrinken von Spucknäpfen. Daß die Leute krank davon geworden sind, kann niemand bezweifeln. In der Armee gibt es eine große Zahl von Selbstmorden und Selbst- mordversuchen. Ueber 10 000 Leute haben sih in den Kasernen seit Gründung des Reichs das Leben genommen, meist aus Furcht vor Strafe. Diese Zahlen sprechen für sich; sie bedürfen keines Kommen- tars. Der Kriegsminister führte als Entschuldigung an, daß draußen im Lande viel mehr Mißhandlungen vorkommen. Das ist kein Be- weis. Der Kriegsminister meinte, wir bauschten die Mißhandlungs- fälle auf, und er berief sich auf den „Vorwärts“. Dieser soll nichts davon mitgeteilt haben, daß eine Anzahl von Offizieren die Rettungs- medaille erhalten habe. Er bringt solhe Fälle, wenn sie in Berlin passieren; er kann aber doch nicht aus jedem Winkel des Meiches be- richten; er ist kein Publikationsorgan des Kriegsministers. Diese Nettungsmedaillen können doh nicht die Mißhandlungen kompen- sieren. Weiß er nicht, daß unsere Genossen ihr Leben eingeseßt und verloren haben bei Rettungsversuchen in den Bergwerken? ¡Sie legen aber keinen Wert auf Dekoration. Wenn dem „Vorwärts“ ein Vor- wurf daraus gemacht worden ist, daß er dekorierte Offiziere nicht er- wähnt hat, warum hat dann das „Militärwochenblatt die Helden- taten der Bergleute niht gebraht? Der Abg. Müller-Metningen hat die neuen Vorschriften über den Waffengebrauch als einen Fork- \hritt bezeichnet. Er denkt wohl niht an das sogenannte liberale Vereinsgeseß. Wir bestreiten einen Fortschritt. Solche Dinge müssen auf dem Wege des Gesehes geordnet werden. Nach den neuen Vor- schriften kann der Offizier unter Umständen {hon nah eigenem Er- messen einschreiten. Die militärishe Putativnotwehr entspricht eigentlih der Kleptomanie, sie existiert nur bei Offizieren. Daß einem Soldaten, der sich gegen einen Vorgeseßten zur Wehr geseßt hat, die Putativnotwehr zugebilligt wurde, ist nicht bekannt geworden. Die Verordnung enthält in anderen Beziehungen eine Verschlechte- rung. Eine ¿eieblidie Regelung ist \chon deshalb notwendig, weil das Leben der Zivilverwaltung in Frage steht. Man beruft sih auf die Kommandogewalt. Diese ist in der Reichsverfassung genau fest- gelegt, darüber hinaus kann sie nihts bestimmen. Artikel 64 dedt feineswegs das, was hier als neue Vorschriften vor uns liegt. Der Begriff der Notwehr is in einer Weise definiert, die noch manches erwarten läßt. Was heißt ein rechtswidriger Angriff gegen die Ghre eines Soldaten? Es kann sein, on ein Soldat unter Umständen auf dem Ballsaal von der Waffe Gebrauch machen zu können glaubt. Wie soll der einfahe Soldat in dem kritishen Moment entscheiden fönnen, ob cine Notwehr vorliegt? Ueber diese Sache darf ene niht die Kommandogewalt entscheiden. Wenn ein Unteroffizier sich einbildet, daß die Zivilbehörde nicht ausreiche, so kann er gegen innere Unruhen eingreifen. Das is doch unhaltbar. Der Kriegsminister hat cine Erklärung der Vorschriften abgelehnt. Das war klug, er wollte sich und seine Nachfolger niht binden. Die Verantwortuñg der Befehlshaber wird ihnen sehr leiht gemaht. Hoffentlih wird diese Verordnung nicht auf andere Bundesstaaten übertragen. Was das Pressebureau betrifft, so möchte s , bemerken, daß wir gegen eine Abteilung, die Aettungoausl nitte sammelt, nichts einzuwenden haben. Das Pressebureau at aber ein Pamphlet verbreitet, in dem die Parteten des Reichstages mit Ausnahme der Konservativen in der unflätigsten Weise beschimpft werden. Der Kriegsminister hat das allerdings als einen Mißgriff bezeichnet. Gerade der Hinweis des Ministers auf die Marinerundschau mußte uns stußig machen. Sie beeinflußt die öffentliche Meinung zu qunsten von Flottenvorlagen. Der Kriegsminister cheint ein Organ schaffen zu wollen, wodurh die öffentlihe Meinung beeinflußt
1914.
werden soll. Das Zentrum hat 1906 und 1907 auf diesem Gebiet sehr üble Erfahrungen gemacht. Einen inaktiven ÖDffizier mit dem Nachrichtendienst zu betrauen, hat der Kriegsminister abgelehnt; er möchte an möglist vielen Stellen aktive Dffiziere haben, sogar bei den Bekleidungsämtern. Bei den Lehrshmieden haben wir aktive Offiziere. Es kann uns nicht zur Zustimmung zu einer Vergrößerung des Bureaus bestimmen, daß auch sozialdemokratishen Zeitungen Aus- kunft erteilt werden soll. Wir sind dagegen, daß eine offizióse Mei- nungsfabrik aus der Stelle wird, Der Vorwurf, daß wir verab- schiedete Offiziere beleidigt hätten, ist nicht stihhaltig. Wir haben uns nur dagegen gewendet, daß verabschiedete Offiziere im Handek angestellt werden. Vielleicht können sie als Verkäufer in Zigarrenge- schäfien angestellt werden. Aber das sollen sie nit, sie sollen Ver- trauensstellungen einnehmen. Die Firma Krupp kann allerdings ver- abschiedete. Offiziere brauchen. Der Kriegsminister hat sich, vielleicht aus Versehen, an eine Gewerkschaft für Lithographen gewendet. Was soll eine Gewerkschaft mit einem verabschiedeten Dsfizier machen? Höchstens könnte sie ihn als Streikposten verwenden; aber das will die Polizei nicht. Jch freue mich, daß die A n L es abge- lehnt haben, die Offiziere in Vertrauensstellungen zu nehmen. Ge-« wiß gibt es verabschiedete Offiziere, die jih in prekärer Lage befin- den. Aber dann sollte man nicht diese Offiziere so früh absägen. Es laufen viele verabschiedete Offiziere herum, die sich einer beneidens- werten Gesundheit erfreuen. (Der Redner führt einen Fall an, wo ein Offizier zuerst ins Irrenhaus gesteckt, dann für gesund erklärt und pensioniert worden ist). Man pensioniert in ganz unglaublicher Weise darauf los. Allein die pensionierten Generale könnten einen ganz stattlichen Kriegerverein bilden. Wäre man früher {hon so vor- gegangen, dann wäre Moltke schon 1866 micht mehr 1m Heere ge- wesen. Namen wie Liebert, Keim und Wrochem bedeuten geradezu ein Programm. Diese verlangen immer eine Verstärkung des Heeres. Das Publikum glaubt, weil sie hinter ibren Namen den Generals» titel seben, es seien lauter Moltkes. Wir haben einen General, der es im aktiven Dienst nur bis zum Leutnant der Reserve gebracht hat. Das ist Herr von Bethmann Hollweg. Von dem Drang der Gardeoffiziere nah wissenschaftliher Ausbildung hat man früher nichts gehört. Es gibt immer noch zwei Gruppen von Offizieren. Man hätte uns die Namen der Offiziere nennen sollen, deren Väter Unteroffiziere in einem Garderegiment oder Unterbeamte sind. Die Es nach der Grenze wird von den Offizieren selbst als Strafe angesehen. Die burschikose Art des Generals von Deimling hat der Kriegsminister als das beste an ihm erklärt. Offiziere in seiner Stellung sollten sih aber der Tragweite ihrer Worte mehr bewußt sein. Die ivil» behörden in Straßburg haben es abgelehnt, zur Tagung des Wehr- vereins zu gehen. Der General von Deimling erschien dort an der Spiße mehrerer Dußend Offiziere, Woher weiß der Kriegsminister, in welchem Sinne die Vorträge des Nedakteurs Stöcker gehalten waren? Er stüßte sih auf angebliche Aeußerungen des Abg. Liebknecht, die er aber selbst als nit getan anerkennen mußte. Der Kriegsminister hat die \ozialdemokratische Tätigkeit als unmoralisch bezeichnet. Das wird keine guten Früchte tragen. Sind denn die französischen, die [chweize- rischen Offiziere unmoralish, weil sie Republikaner sind? In der Schweiz hat über das Leben unseres Katsers ein Offizier gewacht, der zu unserer Partei gehört. Die heutige Armee ist nicht dieselbe Armee, wie die von 1870. Es i} zweifelhaft, ob solche Massen- heere fo bewegt werden können, wie es früher der Fall war. Solche Massenheere können auch nit verpflegt werden. Der Generalstab hat Studien zur Kriegsges{ihte herausgegeben und weist nah, daß in den leßten Kriegen es mit der Verpflegung ganz außerordentlich gehapert hat. Das würde auch in Zukunft ncht anders sein, troß aller Vervollkommnung des landwirtscaftlichen Betriebes. Der Ge- neralstab tellt fest, daß die Soldaten des ersten Napoleon zu Näuber- banden geworden sind, weil sie nihts zu essen hatten. Die mangela hafte Ernährung hat 1866 zu Cholera geführt, es fehlte an Pro- viantkolonnen, 1870/71 war es nicht besser. Als die Truppen aus- rüdten, waren die Truppen auf die Opfenwilligkeit der Bevölkerung angewiesen. Die Bevölkerung kann aber nicht hergeben, was sie nicht hat. Der Generalstab stellt fest, daß ein Streit um die Lebens- mittel zwischen den einzelnen Armeekorps vorkam. Auf dem Schlachtfelde fehlte es an Wasser. Die Schwierigkeiten der Ver- pflegung werden künftighin noch viel größer werden. Wenn wix \ole kolossalen Truppenmassen nicht verpflegen können, so hat es feinen Sinn, die Truppenstärke immer weiter zu erhöhen. Der Kriegsminister begriff es nicht, daß der Abg. Schulz auf Männer wie Gneisenau, Scharnhorst usw. hinwies. Gegenüber dem damaligen verlotterten Heere waren diese Männer geradezu Antimilitaristen wie wix. Der Gedanke der Miliz war son bei thnen vorhanden. Das Volk hat \{ließlich nicht die Mittel für die stehenden Heere. Eur Milizheer würde mit einer ganz anderen Begeisterung in den Krieg ziehen als ein stehendes Heer. Wenn Sie glauben, sich über das Bolksheer lustig zu machen, so frage ih: War das Heer von 1813 fein Volksheer? Die Soldaten waren zwar \{chlecht angezogen, aber sie haben den Kampf siegreich geführt; während der König erst zun Kriege getrieben werden mußte. Der Abg. Erzberger sagte, der Abg. Bebel habe einem \{chwedischen Genossen ein stehendes Heer empfohlen. Das ist nicht richtig, er hat ihm die Einrichtung einer Miliz emp- fohlen. Zu einem Kriege braucht man die Massen des 2 zolkes, und wenn diese den Krieg nicht wollen, so wird der Staat sih wohl überlegen, einen Krieg anzufangen. Die bramarbasierenden Generale und die chauvinistishe Presse wollen zum Kriege treiben. Die Arbeitermasse hat nur einen Feind, das Großkapital. Die NRüstungstreiber wollen eine Vermehrung der Kavallerie. Sind erst die Stäbe da, dann wer- den auch die Kavallerieregimenter gebildet werden. Die Kriegsheßer haben in der Regel selber nichts zu verlieren. Es ist leicht, im warmen Zimmer an seinem Schreibtisch zu sißen und für das Naterland zu sterben. Der Kriegsminister sagte, wir wollten das Vaterland wehr4 los machen. Wir lieben auch das Land, in dem wir E sind. Wir wollen, daß die großen Massen sih wohlfühlen. Wir haben von dem Vaterlande niht den Vorteil wie angere EEE nur einen metallishen Beigeshmak; wir müssen gegen den Militarismus sein, weil er si gegen den inneren Feind richtet. Können Sie verlangen, daß wir die Gewehre liefern, die möglicherweise gegen uns abgescho]sen werden? Der Kriegsminister hat die Bestrebungen der Sozialdemo- fratie unmoralish genannt. Was der Kriegsminister YA uns ge- sagt hat, berührt uns niht. Die Sozialdemokratie steht zu ho. Der Präsident ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur
\rdnung.) Wir werden gegen den Militarismus weiter kämpfen, und wir werden Sieger bleiben.
Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Fa l- Tenhayn:
Meine Herren! Nur einige wenige tatsächliche Feststellungen. I habe nit die Sozialdemokratie unmoralisch genannt, sondern ih habe die Bestrebungen, das Heer, den Schuß unserer Vaterlandes, zu desorganisieren, unmoralisch genannt. (Sehr richtig! rets. Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Eine zweite Feststellung! Der Herr Abgeordnete hat mich ge« fragt, ob ih denn die Reden des hier vielgenannten Herrn Stöer gelesen hätte. Der Herr Abgeordnete ist vielleicht nicht darüber orientiert, daß derartige Angelegenheiten von den Zivilersaßbehörden