1895 / 157 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Hammacher (nl.): Ih bin der Ansicht, daß zunächst die Landwirthschaft von dem Geseß nur Vortheile haben wird, und zwar aus dem Grunde, weil sie bereits eine auêgedehntere Organisation in den ländlichen Kreditgenofsenshaften besißt. Aber das Geseß wird auhch dazu beitragen, die genofsenshaftlihe Organisation des Handwerks zu fördern. Meine politishen Freunde erkennen die Nothwendigkeit, das Handwerk auf geseßlihem Wege zu organisieren, durchaus an. Die Frage, wie diefer Gedanke ausgeführt werden soll, gehört niht hier- her, sondern vor den Reihêtag. Einzelne Bedenken ggegen das Gesetz habe ih bereits in der zweiten Lesung vorgebraht. Namentlich bin ich Gegner der Befugniß der neuen Anstalt, Wechsel zu acceptieren, und was der Herr Baan gestern gegen meinen diesbezüglihen Antrag vorgebraht hat, kann ich niht als durchs{lagend anerkennen. enn die Zentralgenossenshaftskasse die feste Aussicht hat, in bestimmter Frist in den Besiß von Baar- mitteln zu gelangen, dann ift es nicht nothwendig, zu Wechselaccepten zu greifen, um das augenblicklihe Kredit- bedürfniß einer genossenshaftlihen Vereinigung zu decken. Es giebt dann ein Dugßend anderer Wege, um Baar- mittel zu beshaffen. Ih habe aber, um das Zustandekommen des Geseßes nicht zu verzögern, auf die Wiedereinbringung meines Antrags verzichtet. Ich halte es nicht für einen Nachtheil, sondern für einen Vorzug des Geseßes, daß dem Zentralauss{uß kein maß- gebender Einfluß auf die Leitung der neuen Anftalt zugestanden ift. Auch bei der Reichsbank wird der Zentralauss{chuß nur gutactlich ge- bôrt. Freilich wird man ibm eine große Wichtigkeit beilegen müssen; denn von dem einträhtigen Zusammenwirken aller Faktoren wird die glücklihe Entwicklung des neuen Unternehmens abhängen. E

Abg. Schenck (fr. Volksp.) bemerkte, er tbeile die Hoffnung niht, daß die Vortheile des Geseßes auch dem Handwerk zu gute kommen würden, und konstatierte, daß die große Mehrheit der land- wirthschaftlichen Genoffenschaften, sowobl der Schulze-Delißsch'schen wie der Raiffeisen’s{hen Richtung, der Vorlage ablehnend gegenüber stehen. Die Angriffe auf die Benofsenschaftsbank von Soergel, Parrisius u. Co. beweisen nur, daß man für die segensreihe Thätigkeit dieser Bank kein Verständniß habe. S i

Abg. von Mendel-Steinfels (konf.): Der Behauptung, daß die große Mehrheit der landwirthschaftlißen Genoffenschaften gegen die Vorlage sei, möchte ich widersprehen. Wir haben in Deutschland noch andere landwirtbs{aftlide Genoffenschaften, als die dem Schulze-Delißzsch’schen und dem NRaiffeisen’shen Verband angebören- den. Ih erkenne die Wirksamkeit der Genoffen|caftétank von Soergel, Parrisius u. Co. vollkommen an, bin aber doch der Meinung, daß dieselbe der Landwirthschaft nit die Dienste leiften kann, welche wir von der Zentralgenossenshaftskasse erwarten.

In der Spezialberathung erhielt zu § 11 der Abg. Freiherr von Zedliß das Wort, um gegenüber einer etwaigen irrigen Interpretation festzuftellen, daß, wenn in diesem Paragrapben die Unterschrift zweier Mitglieder des Direktoriums für die Anstalt verpflihtende Urkunden erfordert wird, unter der Bezeichnung „Mitglieder“ auch der Direktor mit begriffen ist.

Gebeimer Ober-Finanz-Rath Freiherr von Rheinbaben be- stätigte diese Auffassung. S , j :

Das Geseß wurde nah den Beschlüssen zweiter Lesung in dritter Berathung angenommen.

Es folgte die zweite Berathung des Jagdscheingesebes, für dessen S8 3 und 4 die Kommission die folgende veränderte Fassung vorshlug : E A :

S 3. Jagdscheine werden auf die Dauer eines Jahres aus- gestellt: 1) für den Umfang der Monarchie (Landesjagd schein), 2) für den Amtsbereih der auëstellenden Behörde (Kreisjagd- \chein). Außerdem werden Jagdscheine für drei auf einander fol- gende Kalendertage ausgegeben (Tagesjagdschein). § 4. Für den Landesjagdschein ist eine Abgabe von 20 Æ, für den Kreisjagd- hein von 10 Æ, für den Tagesjagdshein von 3 4 zu ent- rihten. Der Kreisjagdshein kann gegen Nachzahlung von 10 Æ für die Zeit, auf welhe er ausgestellt ist, in einen Landesjagdschein umgewandelt werden. An Personen, welche

weder Angehörige eines deutshen Bundesftaates sind, noch in Preußen einen Wobnsiß haben, werden nur Landetjagdscheine gegen eine Abgabe von 50 c oder Tageësjagdscheine gegen eine solche von

10 Æ auêgegeben. Neben der JIagdscheinabgabe werden Aus- fertigungs- oder Stempelgebühren niht erhoben. Gegen Entrihtung von 1 4 kann eine Doppelauéfertigung des Jagdicheins gewährt werden. S N 20

Der Kreisjagdschein (für 10 H) ijt von der Kommission eitigefügt. Die Vorlage enthielt nur einen einheitlihen, für den Umfang der Monarchie geltenden Jagdschein für 20 und den Tagesjagdschein für 3 M S

Für Ausländer hat die Kommission die von der Re- gierung vorgeschlagene Jagdscheinabgabe von 40 bezw. 3 auf 50 bezw. 10 M erhöht. / : E

Nach der Vorlage erfolgt die Ausstellung des Jagdscheins kostenfrei, die Stempelfreiheit hat die Kommission hinzu- gefügt. 7 - i 2

. Endlich hat die Kommission die Bestimmung der Vorlage geltrihen, daß die Jagdscheingebühr (Abgabe) in Ostfries- land behufs Ausübung der Wasservögeljagd im Dürftigfkeits- falle erlassen werden kann. : ;

Es lag zu diesem Paragraphen eine Reihe von An- trägen vor. :

Die Abgg. Schnaubert und von Ploet (kons.) beantragten, die Bestimmung aufzunebmen, daß die Abgabe für den Kreiéjagdschein auf Antrag des Kreisautshusses durh den Regierungé-Präsidenten bis zur Hälfte ermäßigt werden fann.

_ Abg. Klose (Zentr.) {lug die Abgabe für Kreiéjagdscheine auf 5 M festzuseßen.

Ein Antrag des Abg. Schreiber (fr. fons.) ging dabin, daß die verschiedenen Arten von Jagdscheinen in der Farbe unterschieden werden follen.

Der Abg. Jäkel (fr. Volksp.) hatte einen Antrag eingebracht, der einen einbeitlichen Jagdschein für das ganze Land wollte und die Abgabe dafür auf 5 #, für Ausländer auf 10 festsette.

Abg. Willebrand (Zentr.) {lug die Aufnahme der Bestim- mung vor, daß der Kreisjagdshein der Besiter einer Privatjagd sowie der zum Hausstand derselben gebörigen Familienmitglieder auch für diejenigen Grundftücke der Privatjagd Gültigkeit bat, wele in einen anderen Kreis übergreifen.

Ein Antrag des Abg. Seer (nl.) wollte für Grundstücke von 75 bis 150 ha besondere Gutsjagdscheine gegen eine Abgabe von 5 M einführen.

Die Abgg. Schnaubert und von Ploeßz ersegten ihren obigen Antrag dur einen neuen, der die Befugniß zur Ermäßigung der Kreiéjagdschein-Abgabe in die Hände des Staats-Ministeriums legt.

Abg. Jäkel (fr. Volksp.): Es liegt kein Grund vor, einen so boben Preis für die Jagdscheine anzuseßen. Es ift niht zu vergessen, daß diese Zablung nit in das Gebiet der Luxus- oder Veranügungs- steuer gehört. Jch balte die Auéübung der Jagd mit ihren Strapazen aus Gesundbeiterüdcksihten für sehr vortheilhaft. Durh die bobe Jagdscheingebühr wird der kleine Grundbesitzer vielfah der Möglichkeit beraubt, auf seinem eigenen Grund und Boden zu jagen. Das ruft natürlich eine große Unzufriedenheit hervor. So find auch bereits eine ganze Anzahl Schreiben von Kleingrundbesitßzern ein- gelaufen, die \sich für eine Ermäßigung der Jagdschein- gebübr auésprehen. Sie werden sagen, daß wir das als Agitations- mittel auëênußen. Ja, warum geben Sie uns denn dieses Agitations- mittel in die Hand? Jedenfalls sind die Schreiben der bäuerlichen Grundbesitzer eingelaufen, noch bevor wir von diesem Mittel über- baupt bâtten Gebrauch machen können. Die Theilung der Jagd-

heine in Landes- und Kreisjagdscheine halte ih für sehr unglüdcklich: Gineétheils, weil man den großen Städten die Jagdscheinertheilung entzieht, indem jeder vorziehen wird, den billigen Kreisjagdschein

zu [Iösen: andererseits, weil der Kreisjagdshein einen sehr beschränkten Gültigfkeitskreis besitzt.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Darüber läßt fih nicht zweifeln, daß der Schwer- punkt der ganzen Vorlage in den Abänderungsanträgen liegt, welche die Kommission zu den §8 3 und 4 gestellt hat. Ich will aus diesen Anträgen den leßten Punkt - vorwegnehmen. Am Schlusse des § 4 der Regierungsvorlage befand fich die Bestimmung :

Die Jagdscheingebühr kann den Eingesessenen von Offtfriesland bebufs Ausübung der im § 13 der Jagdordnung für Hannover vom 11. März 1859 gedahten Wasservögeljagd im Dürftigkeitsfalle von der zuständigen Behörde ganz oder theilweise erlassen werden.

Diese Bestimmung hat die Kommission gestrichen, und ich nehme an, daß die Königlihe Staatsregierung mit der Aufhebung dieser Be- stimmung einverstanden ist. Ich bin indessen der Meinung, daß aber zum Ausdruck gebracht werden muß, daß die Streichung der fraglichen Bestimmungen im vorliegenden Geseß deren Aufhebung in der han- noverschen Jagdordnung bezweckt. Man könnte nämlich deduzteren, daß fich die eben von mir verlesene Bestimmung der hannoverschen Iagdordnung, weil diese Bestimmung mit denen des gegenwärtigen Gesetzes nicht in Widerspruch steht, aufrecht erbalten bat. Das ift aber nah meiner Auffassung nicht die Absicht der Kommission gewesen.

Nun, meine Herren, bedaure ih außerordentlih, daß die Kom- mission ih veranlaßt gesehen hat, in dem nach meiner Meinung viel einfacheren und rihtigeren System der Regierungsvorlage eine grund- legende Aenderung eintreten zu lassen. Die Regierungsvorlage kennt nur den Jahresjagdshein und den Tagesjagdshein, und zwischen diese hat Ihre Kommission den Kreisjagdschein hineingeshoben. Nun würde ih verstanden haben, daß man vielleicht gesagt hätte: Der Sprung von der Jagdscheinabgabe von 3 M in den alten Provinzen auf 20 ist ein zu bober, und wir wollen einstweilen mal eine geringere Erhöhung eintreten lassen, etwa auf 15 A Daß man aber eine dritte Kategorie von Jagdscheinen hier eingeshoben hat, das war meines Erachtens nicht glücklich. Dieses Einschieben wird zu allerlei Zweifeln und Schwierigkeiten und zweifellos vershiedenartigen Auslegungen der geseßlichen Bestimmungen Anlaß geben. Ich bedaure das außerordentlich. Ich kann nitt er- klären, daß die Staatsregierung, wenn das hohe Haus die Kom- missionsvorshläge annimmt, das Gese ablehnen wird; ich möte sogar glauben, daß die Staatsregierung versuchen wird, ob sich mit dem veränder- ten Gefeß arbeiten läßt. Aber bedauerlich bleibt die Nichtverbefserung. Auch die vorliegenden Anträge, welche sih auf den Bereich des Kreis- jagdscheins beziehen sollen, beweisen, zu wie vielen Zweifeln die Kom- missionsvorshläge Anlaß geben können und welche Erweiterungen weiter gewünsht werden. Ih möchte daher das hohe Haus dringend bitten, ftatt des von der Kommission betretenen Weges den von mir angedeuteten zu wählen : den Kreisjagdshein verschwinden zu lassen und die Gebühr für den Jahresjagdschein vielleiht von 20 auf 15 M zu ermäßigen. (Bravo!) Auf 5 H# kan man ni§ht zurückgehen. Der geehrte Herr Vorredner hat {on darauf hingewiesen, daß damit besonders in den annektierten Provinzen der bestehende Zustand vershlechtert werden würde, weil dort jeßt {hon eine böbere Jagdscheingebühr bestebt, in Hannover von 9 , deren Erhöhung im Interesse der Gemeinden, der Kreise und der Jagdausübung bean- tragt ift.

Ich bitte daher, daß Sie einen Antrag stellen, der den Kreis- jagdschein ablehnt und die Jagdscheingebühr für den Jahresiagdschein auf etwa 15 #4 ermäßigt; dann bitte ih das bobe Haus, Stellung zu der Frage wegen der ostfriefishen Wafservögeljagd zu nehmen.

Abg. Damink (kons.) erklärte, daß er die Regierungévorlage vorziehe, batte indeß kein Bedenken gegen die Vorschläge der Kom- mission. : L N

Abg. Willebrand (Zentr.) befürwortete seinen Antrag. Die Billigkeit erfordere, daß den Grundbesitern, deren Jagdbesiß auf mehrere Kreise übergreife, die Jagd niht dur das Erforderniß der Lösung eines Landetjagdscheins vertheuert werde.

Abg. Schreiber (fr. konf.): Mein Antrag bezweckt, dur ver- schiedene Farben der Jagdscheine den Gendarmen die Kontrole zu er- leihtern. Ih mödte auch, daß die Iagdscheine für Ausländer in derselben Weise gekennzeichnet würden. :

Abg. Seer (nl.) begründete seinen Antrag damit, daß es eine Härte wäre, wenn der Grundbesißer, der nur auf eigenem Grund und Boden jage, 10 Æ zahlen folle. '

Abg. Schnaubert (kons.) bemerkte, der von ihm eingebrachte Antrag wolle, daß den Bauern und kleinen Besißern niht dur zu bobe Abgaben die Jagd verkümmert werde. Hier dokumentieren die Großgrundbesizer ihre Solidarität mit den Kleinbesitern. /

Geheimer Regierungs-Rath Freiherr von Seherr- Thoß: Der Kreisjagdscbein ist erst durch die Kommission in die Regierungs- vorlage bineingebracht worden; da aber anzunehmen ist, daß das hobe Haus diesem Beschlusse zustimmen wird, will ih auf die verschiedenen Anträge hierzu eingehen. Der Gedanke der Antragsteller {eint der zu sein, daß derjenige, der das Jagdrecht auf eigenem Grund und Boden autübt, niht so bhoch besteuert werden soll als derjenige, welher die Jagd lediglich zum Zwecke des Vergnügens, der Erholung, als Sport auéübt. Ueber diesen Gedanken läßt sich diskutieren. Erkennt man ihn für ridhtig an, so darf man aber auch nicht weiter geben, als über die Grenzen des betreffenden Grundbesizes. Es wurde deshalb {on in der Kom- mission der Antrag gestellt, die Gebühren für die Jagd auf eigenem Grund und Boden zu erniedrigen. Wir überzeugten uns aber, daß das prafktisch undurchführbar sei; denn man fann von den einzelnen

olizeiorganen nit verlangen , daß sie die Grenzen jedes einzelnen Sutsbezirfs genau kennen. Aus demselben Grunde ist der vom Abg. Seer vorgeschlagene Gutsjagdshein unmöglih. Der Antrag des Abg. Willebrand ift uns an sich niht unsympathish; denn ih gebe zu, daß auch gewisse Härten eintreten können. Aber au hier wird die Autführung Schwierigkeiten maden. Der Antrag des Abg. S@hnaubert würde finanziell eine Vershlehterung herbeiführen, die wir namentlich den Provinzen, in denen eine Jagdsheingebühr neu eingeführt wird, nit zumuthen dürfen. Der Antrag des Abg. Sgreiber ist lediglih eine Ausführungéinstruktion, die die Regierung für praftish bält. Sie hat bereits Jagdscheinformulare in ver- lhiedenen Farben hergestellt. :

_ Abg. Schreiber zog mit Rücksicht auf diese legte Mittheilung seinen Antrag zurüdck. i

Abg. Hubr ih (Zentr.) spra sich für den Antrag Klose aus.

Abg. von Ploet (kons.): Der Antrag Jäckel ist für mich un- annehmbar. Wenn man die Sache so regeln will, dann ist es schon besser, es beim Alten zu lassen. Jch stehe auf dem Boden der Vor- lage, welhe die Gebühr für den Landesjagdschein auf 20 A festsezen will, nur würde ih gern für einen Gemeindejagdshein 3 Æ in Ansaß bringen. Da hierzu aber keine Aussicht ist, fo haben wir den Kreisjagdshein mit einer ermäßigten Gebühr geschaffen. Was unseren Antrag anlangt, der die Möglichkeit einer weiteren Herab- sezung vorsieht, so wollten wir anfangs tem Kreisausshuß die Be- fugniß der Herabsezung zuweisen. Im Interesse einer unpartetischen O der Bestimmung wollen wir aber die Entscheidung dem

egierungë-Präfidenten übertragen. Die Möglichkeit der weiteren

Ermäßigung liegt im Interesse der kleinen Grundbesißer und der kleinen Gemeinden, die oft unter dem Wildschaden zu leiden haben. Ein Theil meiner politishen Freunde wird gegen unseren Antrag stimmen, weil sie ihn als dem Interesse des Nationalvermögens zuwiderlaufend erachten. i :

Abg. Klose (Zentr.): Daß ein Theil der Herren auf der Rechten meinem Antrage nicht zustimmen will, bat mich überrascht. Im Interesse der kleinen Grundbesißer is mein Antrag gestellt; er wünscht die Festlegung der Ermäßigung im Geseg. Wenn mein Antrag abgelehnt wird, fo werden wir Freilich für den Antrag der Herren Schnaubert und von Ploeß ftimmen.

__ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- itein :

Meine Herren! Ih möchte mir ein paar Worte gegen den An- trag des Herrn von Ploehtz gestatten.

Ich weise darauf hin, daß es \sich darum handelt, durch Gesetz den Kreisen Einnahmen zuzuweisen, mögen es nun 5, 10, 15 oder 20 A sein. Jeßt will Herr von Ploeß dem Staats-Ministerium die Befugniß geben, diese durch Gesetz firierte Abgabe ohne Mitwirkung eines kon- stitutionellen Faktors auf 5 # oder eine geringere Summe zu er- mäßigen. Jch glaube kaum, daß das Parlament, das Abgeordneten- haus, in der Lage und gewillt sein wird, - der Regierung eine folche Befugniß einzuräumen. Ich bin daneben aber auch der Meinung, daß zweifellos das ift allerdings meine persönlihe Meinung die Staatsregierung, wenn ihr diese Befugniß ertheilt würde, s{werlich von der Befugniß Gebrauh machen würde. (Bravo!)

Abg. Dr. Lot (b. k. P.) brate einen Antrag ein, welcher die Wiederherstellung des Regierungévorshlags in Betreff der Freilassung Me F in Ostfriesland von der SugdiWeiüabaabe ezwedckt.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Der Antrag Jäkel ist für uns unannehmbar, weil er den Westen im Vergleih zum Often benaltheiligen würde. Man darf eben nit vergessen, daß es ih um Abgaben handelt, welde den Kreis- bezw. den Gemeindekassen zufließen sollen. In der Unterscheidung der bei den Jagdscheinen in Betracht kommenden Interessen soll man auch nit zu weit gehen. Die Ausübung der Jagd, sofern es sich nicht um die Abwehr von Wildschaden handelt, ift stets mehr oder weniger ein Luxus, und die Anschauungen über die Vortheile der Ausübung der Jagd durch die kleinen Besißer find doh fehr getheilte. Mir selbst hat ein kleiner Besißer erklärt, es wäre besser, wenn die Bauern, statt auf die Jagd zu gehen, ihren Acker bestellten. Der größte Theil meiner politischen Freunde wird allerdings für die Vorschläge der Kommission timmen.

Abg. Freiherr von Dobeneck (kon}.): Jh werde gegen den Antrag des Herrn von Ploet und für die Vorschläge der Kommission stimmen. Es wird über die Ungleichheiten geklagt, welhe die Vor- laze hafen werde. Durch die vorliegenden Anträge werden die Un- gleihbheiten nur noch vergrößert. Am besten wäre es, der Anregung des Herrn Ministers zu folgen und den Betrag für einen jeden Jagd- schein ein- für allemal auf 15 # festzuseßen. Weiter wie die Kom- mission sollte man aber in den Ermäßigungen keinesfalls gehen.

Abg. Graf Strachwiß (Zentr.): Zur Erregung politischer Gegensäße is das ganze Geseß nit angethan. Ich verstehe demnah die beftigen Reden und Gegenreden nichi. Die Faffung des § 4 dur die Kommission stellt ein Kompromiß zwischen zwei Ideen dar, von denen jede gewisse Gründe für sih hat: zwischen der Idee, daß die Ausübung der Jagd ein Luxus sei, und der Idee, daß sie die Aus- übung eines Grundrechts bedeute. Jh kann nur dringend bitten, an diesem Kompromiß festzuhalten. Diejenigen, welche eine Herabseßung der Jagdscheingebühr unter 10 4 verlangen, |chädigen diejenigen Kreise, in welhen die Gebühr jeßt höher ift. Der Antrag des Abg. von Ploey is schon aus den von dem Herrn Minister an- gedeuteten ftaatsrehtlihen Gründen für uns unannehmbar.

Jnzwischen war ein Antrag des Abg. Schlabißt (kons.) eingegangen: die S8 3 und 4 in der Fassung der Regierungs- vorlage wiederherzustellen mit der Aenderung, daß die Gebühr für jeden Jagdschein statt auf 20 M auf 15 Æ festgeseßt wird.

Abg. Sattler (nl.): Jch glaube, die Kommission hat dur Einfügung des Kreisjagdscheins einen wichtigen Schritt zur Ver- befserung der Vorlage gethan, namentlich soweit meine Heimath- provinz Hannover in Betracht kommt, in der die Jagdscheingebühr zur Zeit 9 Æ beträgt. Ich werde aber, und ih glaube, auch meine Freunde werden das ganze Gefeß ablehnen, wenn die Regierungs- vorlage wiederbergestellt wird. Den zurückgezogenen ursprünglichen Antrag Schnaubert-Ploeß dagegen nehme ih wieder auf, da ih glaube, daß er geeignet ift, gewisse Härten in der Erhebung von Jagdscheingebühren zu mildern. l L

Abg. Kl ose (Zentr.): Die Jagd ift niht ein für den Bauern überflüssiger Luxus, wie Graf Limburg-Stirum meint, sondern zum Theil ein Schußmittel gegen Schädigung. Sodann hat Herr Graf Limburg-Stirum einen zweiten Eingriff in die Privatverbältnisse der kleinen Grundbefißer gethan, indem er sagte, der fleine Grundbesiger solle lieber seinen Acker bestellen, als auf die Jagd gehen. (Graf zu Limburg-Stirum macht eine verneinende Geberde.) Ja, das haben Sie gesagt. Aber diese Belehrung ist ganz überflüssig. Die befonnenen Bauern brauen fie nicht, und die unbefonnenen, leidenshaftlihen Jäger werden sie niht börex. Durch die hohe Jagdsceingebühr wird aber die Jagd allmählih ganz in die Hände gerade der leßteren übergehen, auch würden die Iagdpachten billiger werden. Sie haben ferner gesagt, der Kleingrundbesiy komme nicht in Betracht. Das ift aber sehr traurig, daß Sie ihn _niht in Betracht ziehen wollen. Wo ift überhaupt die Grenze, die Sie zwischen dem kleinen und großen Grundbesiß ziehen? Jedenfalls erscheint die von mir beantragte Ermäßigung der Jagdscheingebühr durchaus berechtigt, und ih bitte Sie, meinen Antrag anzunehmen.

Hierauf wurde die Debatte zu § 3 und 4 geschlossen.

In einer persönlihen Bemerkung hob der

Abg. Graf zu Limburg-Stirum hervor, daß er zwischen großen, mittleren und fleinen Grundbesißern untersheide. Unter kleinen verstehe er solche, die fast nur mit eigener Hand ihren kleinen Acker bestellen, während der mittlere Grundbesißer, für den er plaidiere, der Bauer mit ca. 300 Morgen Land sei. Er konstatiere, daß er keineswegs gesagt habe, der fleine Grundbesißer solle lieber seinen Acker bestellen, statt auf die Jagd zu gehen. Das habe ihm

anz fern gelegen. Er habe vielmehr nur mitgetheilt, daß ein Meine Grundbesitzer ihm folhes erklärt habe. Das sei ein großèr Unterschied. i

Abga. Klose meinte unter lebhaftem Widerspruch, das sei wohl

ziemlich dasselbe. ; i Bei der nun folgenden Abstimmung wurden sämmtliche

Anträge abgelehnt und die S8 3 und 4 in der Fassung

der Sommiflionävorlage mit großer Majorität an-

genommen. :

S 5 bestimmt, welhe Personen von der Jagdscheinabgabe befreit find.

Abg. Graf Strachwit (Zentr.) beantragte, au die im Haupt- amt angestellten privaten Forstbeamten von der Jagdscheinabgabe zu befreien; für den Fall der Ablehnung dieses Prinzipalantrags bean- træzte derselbe Abgeordnete, daß „die zuständige Behörde berechtigt sein soll, auch den nit bereits von der Befreiung betroffenen Jägern einen unentgeltlißen Jagdschein auszustellen“.

Abg. Graf Strachwiß wies zur Begründung des Antrags darauf bin, daß den angestellten Privatförstern dieselben Aufgaben zu- fallen wie den Königlichen Förstern.

_ Minifter für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein : E

Meine Herren! Jh habe gegen die Aenderung, daß für „Jagd-

sheingebühr“ „Jagdscheinabgabe“ gesagt wird, nihts einzuwenden ;

dagegen muß ich mi gegen den Verbesserungêantrag des Herrn Grafen Strahwiß auésprechen.

Es ift zweifellos die Absicht, fie vereidigte, wirkli angestellte Beamte find, unentgelt- lihen JIagdshein ebenso zu geben wie den ftaatlihen Forst- beamten. Verläßt man aber diese Grenze, dann kommt man zu Willkürlichkeiten; dann hat man zu gewärtigen, daß Privat- personen zu Jagdbeamten ernannt werden, um für dieselben unentgelt- lie Jagdscheine zu erlangen. Ich bitte, diesen Weg nicht zu be- shreiten. UnentgeltliGß foll für die Privat - Jagdbeamten der Fagdschein gegebe# werden, wenn sie wirklich angestellte Beamte und nah den geltenden Bestimmungen als solche vereidigt sind, und für ftaatlihe Forstbeamte, wenn sie eben Staatsbeamte sind.

Abg. Gamp (frkons.): Ich bin damit einverstanden, daß den-

jenigen Privatbeamten ein freier Jagdschein gewährt wird, denen die Arbeit der Königlichen Förster, vor allem der Forsts{huß zufällt. Für beeidigte Personen fällt die Iagdsheinabgabe fort. Es wird aber vor der Vereidigung eine dreijährige tadellose Dienstzeit verlangt, kein Privatmann kann ohne weiteres einer Person auf 3 Jahre seine Pacht anvertrauen. Die für den Staatsforstdienst in der Ausbildung Be- riffenen befinden \sich den anderen Förstern gegenüber im Vortheil. Menn man jeden zur Vereidigung zuließe, der die Stellung eines Försters inne hat, so würde der Antrag sich erübrigen. So kann ih denselben zur Annahme empfeblen.

Minister für Landwirthschaft Freiherr von Hammer- stein:

Ich glaube, Ihnen zunächst mittheilen zu sollen, was zur Zeit bestehendes Necht ift. In der Provinz Hannover wird ein unentgelt- licher Jagdschein weder für die ftaatliden Beamten noch für die Privat-Jagdschußbeamten gewährt. Der Inhaber der Privatjagd muß also für seine Jagdbeamten an die Kreiskasse die 9 4 Gebühren zahlen, und der Forstfiskus muß für seine sämmtlihen Forstbeamten ebenfalls die Gebühr an die Kreiskasse zahlen. Für die alten Pro- vinzen Preußens gelten folgende Bestimmungen :

Die im Königlichen oder Kommunaldienst angestellten Forst- und Jagdbeamten, sowie die lebenélänglich angestellten Privatforst- und Jagdbedienten erhalten den Jagdschein unentgeltlih, soweit es sich um die Ausübung der Jagd in ihren Schußbezirken handelt. In Jagdscheinen, welche unentgeltlich ertbeilt sind, muß dies und für welhen Schußbezirk sie gelten, angegeben werden.

Nun will die gegenwärtige Vorlage für die ganze Monarchie den unentgeltlichen Jagdschein auch für die Privat-Jagdshutzbeamten, so wie dies das Gese bestimmt, gewähren. Das ift also etwas Weiteres, als was bis jeßt gewährt war. Nun kann man aber nit bestreiten, daß, wenn die Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge geordnet wird, Gefahr vorliegt, daß eine Umgehung der geltenden Bestimmungen eintritt, daß Personen Freijagdscheine erlangen, welchen sie nit gewährt werden sollen, und daß dadur eine Schädigung der

Privat - Jagdbeamten, wenn

Ï Kreiskassen eintritt, kurzum, daß allerlei Unzuträglihkeiten eintreten.

Ich bitte deëbhalb, die Sache so zu belaffen, wie sie von der Staats-

S regierung vergeshlagen ift.

Abg. Graf Stra chw ißt (Zentr.): Mir wäre es am sympathis{s\ten, wenn der § 23 des Feldvolizeigeseßes, nah dem die Vereidigung zu erfolgen hat, geändert würde. Da das hier aber niht mögli ist, müssen wir bei diesem Geseg darauf Rücksicht nehmen, daf die Königlichen Beamten sofort, Privatbeamte aber ers nah dreijährigem Dienst vereidigt werden können.

ak Gamp: Es ist nit abzusehen, weshalb bei den gleichen Ansprüchen an die Leistungen Königliche Förster besser gestellt werden sollen als private. In den ersten drei Jahren kann fein Privatförfter einen abgabefreien Jagdschein erhalten, ein Königlicher Förster sofort. Dazu kommt noch, daß den Privatförstern zum großen Theile die Auétübung der Jagd untersagt ist; daß Verwandte als angestellte Förster bezeihnet werden sollten, ersheint nit denkbar, der Landrath würde bei Ausstellung des Iagdscheins doch zuerst nah dem Kontrakt der Betreffenden fragen.

__Abg.-Reimniß (nl.) trat für den Antrag des Grafen Strahwitz din, empfahl aber ftatt dessen, lieber den ganzen Paragraphen abzu- ehnen.

_ Abg. von Kardorff (fr. konf.): ‘Der Antrag des Grafen Strachwiß scheint mir doh große Bedenken zu haben; ih keantrage statt defsen, § 5 überbaupt abzulehnen.

__ Minifter für Landwirthschaft Freiherr von Hammer- stein:

Ich weise auf die finanzielle Einwirkung der Anträge auf die Staatskafse hin, welche möglicherweise den Herrn Finanz-Minister veranlassen könnte, gegen das Geseß Widerspru zu erheben. In der Regel gehen die Jagdbezirke und Forstbezirke, für welche ein König- liher Beamter bestellt is, über die Kreisgrenzen binaus. Es muß also in der Regel für diese Forstbeamten ein Landes-Fagdscein für 20 gelöst werden, und diese Abgabe fließt in die Kreiskasse. Der Staat wird den staatlichen Forstbeamten diese Abgabe erstatten müssen. Der Staat muß, wie es in Hannover {on geschieht, also für seine sämmtlichen Förster und Jagdshußbeamte Jagdscheine in der Regel für 20 A Iôfen. Daß das, wenn man si den Umfang des staatlichen Forstverbandes ansieht, eine sehr erhebliche Belastung der Staatskasse zu Gunsten der Kreise herbeiführt, ist zweifellos, und ih bin zweifel- haft, ob niht deshalb die Regierung die ganze Vorlage ablehnen wird.

Abg. von Waldow (kons.) sprah si für die Beibehaltung des Paragraphen aus.

Abg. von Kardorff: Die Befürchtung einer Ablehnung des Geseßes durch die Regierung möchte ih nit zu ern nehmen. Die entstehenden Mindereinnahmen sind nit so bedeutend, daß sie bei

den dur das Stempelsteuergeseß zu erwartenden Mehreinnahmen in etradt kämen.

fei Minister für Landwirthschaft Freiherr von Hammer- n:

Entschuldigen Sie, daß ich noch einmal tas Wort ergreife und n die Wiedereröffnung der bereits geschlossenen Diskussion ver- anlafse.

Ich halte mi aber doch verpflichtet, einige allgemeine Zahlen borzuführen. Nah Mittheilung des Herrn Ober-Landforstmeisters sind etwa 7500 staatliche Forstbeamte, für die in der Regel der JIagd- hein mit 20 4 bezahlt werden müßte, vorhanden. (Zurufe rets : 10 1) Es handelt fih also um eine Belastung der Staatskasse zu Gunsten der Kreise im Umfang von 120- bis 150000 4 jährlich. Widerspru rets.)

Abg. Gamp hob demgegenüber or, daß es sich zumeist um Jagdschöine Lte h die Lur 10 Aba vis Sin fi, |

Nah Ablehnung des Antrags wurde 8 5 in der Kommissionsfassung angenommen.

S 10 bestimmt, daß derjenige, der innerhalb der ab- fesledten Festungsrayons die Jagd ausüben will, vorher seinen

gdschein von der Festungsdebörde mit einem Einsichtsver- merke versehen lassen muß.

|

/ Aba. Iäckel (fr. Volksp.) brate einen Fall zur Sprake, in welhem einem Jagdberechtigten in Posen von der Komman- dantur das Jagen verboten wurde, obwohl sein Iagdschein den erfor- dérlichen Vermerk getragen habe.

_ Gebeimer Regierungs-Rath v on Trott zu Solz erwiderte, daß die Bestimmung des § 10 allerdings bestehendes Recht sei; do sei der erwähnte Fall nicht zu seiner Kenntniß gelangt. Im übrigen ge- hôre dieser Fall vor den Herrn Kriegs-Minifter.

Zu S 12, welcher die Strafbestimmungen enthält, lagen zwei Anträge vor.

Abg. Günther (nl.) beantragte, die Haftstrafe zu streichen.

Abg. Bachmann (nl.) wollte außerdem die Geldstrafe von 40 bis 100 Æ auf 15 bis 100 Æ berabsegen.

__ Geheimer Regierungs-Rath Freiherr von Sehberr-Thoß sprach fi gegen die Anträge aus. Es sei niht zu empfehlen, mit zu milden Strafen vorzugehen.

Der Antrag des Abg. Bahmann wurde angenommen und mit der dadurch herbeigeführten Aenderung der S 12.

Der Rest des Geseßes gelangte gleichfalls zur Annahme.

Das Haus ging sodann zur zweiten Berathung des vom Herrenhause beschlossenen Geseßentwurfs, betreffend die Er- gänzung des Jagdpolizeigeseßtes, über.

Die Kommission beantragte, den Gesezentwurf ab- zulehnen und

die Regierung zu ersuchen, ihrerseits die Regelung f in diesem Entwurfe behandelten Materie in die Wege zu eiten.

Abg. Win ckler (konf.) tadelte das Verfahren der Kommission, welche die Angelegenheit fehr oberflählih behandelt habe, und bean- tragte die Zurückverweisung des Gesetzentwurfs an die Kommission.

Dieser Antrag wurde abgelehnt, ebenso §8 1 der Vor- lage und der Rest derselben ohne Debatte.

Die von der Kommission beantragte Resolution wurde angenommen.

Schluß der Sigung 4 Ukr.

_Nächste Sißzung Donnerstag 11 Uhr (Gesetz, betreffend Aufhebung der Rückzahlungspfliht bezüglih der Grundsteuer- entshäâdigungen: Antrag Ring).

Literatur.

Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesezbuchs.

Von dem zweiten Entwurf eines Bürgerlichen Geseßbuchs für das

Deutsche Reih nah den Beschlüssen der Redaktions-Kommission ist vor kurzem der leßte Theil, Buh V und VI, auf amtliche Ver- anlassung bei J. Guttentag sowie gleichzeitig im Verlage von Franz Vahlen, Berlin, ershienen. Er enthält das Erb- recht und das sogenannte internationale Privatrecht. Wie all- bekannt. ist das Gebiet des deutshen Erbrechts seinen gegen- wärtig geltenden rechtlihen Bestimmungen na vielleiht das bunt- scheckigste Gebiet unseres gesammten Rechtes. Wollte man die ver- schiedenen in O bestehenden erbrechtliden Bestimmungen dur eine in entsprehend vielen Farben ausgeführte Karte darstellen, lo würde man ein noch viel bunteres Bild erhalten, als das dur eine polttische Uebersichtskarte des erloshenen alten deutshen Reichs hervorgerufene jemals gewesen ist. Es ist deshalb gewiß aufs innigste zu * wünshzn, daß diesem Chaos durch das neue BVürgerlihe Geseßbuh für das Deutshe Reih endlih ein Ende gemacht wird. Die wesentlihen Bestimmungen des Entwurfs sind bereits nah seiner ersten Lesung von verschiedenen Seiten eingehend kritisiert und gewürdigt worden. Vielleiht die bedeutendste unter allen in ihm enthaltenen Neuerungen ift die, welhe der Entrourf bei der Ordnung der geseßlichen Erbfolge einführt. Das bisher geltende Erbrecht in Deutschland bestimmt die Erbfolge der Ver- wandten fo gut wie ausscließlich nach dem dem römishen Recht entlehnten sogenannten Gradualsystem. Dasselbe läßt über die Erbfolge die Verwandtschaftsnähe entscheiden; diese aber wird nah der Zahl der nöthig gewesenen Geburten berechnet, welche von dem Erblasser zu dem Erben hinleiten. Im Gegensatz hierzu huldigt der neue Entwurf, unter Anlehnung an das germanishe Ret, dem Parentelensystem, welches auf dem Gedanken beruht, daß diejenigen, die mit dem Erblasser die näheren Stammes- eltern gemeinsam baben, die Parentel \olchen Verwandten vor- gehen, welhe dur entferntere Stammeseltern mit jenem verbunden sind, und daß innerhalb der Parentel die entfernteren Verwandten an die Stelle eines weggefallenen näheren treten. Hiernach bilden die Abkömmlinge des Erblassers die erste Parentel, die Eltern des- selben mit ihren Abkömmlingen die zweite, alsdann kommen die Großeltern und ibre Abkömmlinge u. \. w. Von der Durchführung dieses Systems, welches die in den geltenden Erbrehten Deutschlands vorhandenen Gegensäße vermitteln joll, maht das Geseßbuch nur bei der dritten Parentel im volkêwirthschaftlihen Interesse cine Aus- nahme, indem es eine Bestimmung getroffen hat, welche die Zer- splitterung des Vermögens dur Uebergang der Hinterlassenshaft an die möglicherweise sehr zahlreihen Enkelkinder verhindern soll. Der Entwurf hat den Kreis der zur geseßlihen Erbfolge berufenen Perfonen gegenüber einem Theil des geltenden Rehts dadur ausge- dehnt, daß er dem überlebenden Ehegatten ein unmittelbares Erbrecht einräumt und hiermit eine große Hârte und Ungerechtigkeit beseitigt. Eine weitere, prinzipiell wihtige Umbildung in sozialpolitishem Sinn hat das Erbrecht des Bürgerlichen Geseßbuhs in der zweiten Lesung erfahren. Es ift bekannt, daß von hervorragenden Juristen so von Brinz, Baron, Brater u. a. die Beseitigung des Intestat- Erbrechts von einem bestimmten Verwandtschaftsgrad ab gefordert worden ist. Der erste Entwurf verhielt sih gegenüber den Anregungen, das Erbrecht der Verwandten in s\ozialpolitishem Sinn iOrttufen, ablehnend; die Kommission war der Meinung, daß die Frage bom Standpunkt der Sozialpolitik noch niht reif für die geseß- eberische Behandlung fei. Der zweite Entwurf begrenzt nun das Snteftat-Erbrecht der Verwandten zu Gunsten des Staats, wenn au diese Begrenzung eine sehr erhebliche praktische Bedeutung noch nicht haben wird. Der Staat folgt nämlich hinter den Erben fünfter Ordnung (Parentel) und binter dem Ehegatten; Erben fünfter Ord- nung sind die entfernteren Voreltern des Erblassers, d. h. die Vor- eltern, welche weitläufiger mit ihm verwandt sind als die Ur- großeltern und deren Abkömmlinge. Im übrigen kommen die Vorzüge, die dem zweiten Entwurf eines Bürgerlichen Geseßbuchs im Vergleih zu dem ersten eigen sind, auch in dem jeßt veröffentlihten V. und VI. Buche zur Erscheinung, wenn schon die Veränderungen, die man hierbei an den Beschlüfsen erstec pf E hat, im Verhältniß niht so besonders zahl- rei find.

Veber die muthmaßlihen Wirkungen, welhe das neue Geseßbuch auf die wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse des deutschen Volks ausüben wird, Vermuthungen aufzustellen oder ein ab- s{ließendes Urtheil über seinen Werth zu fällen, wäre verfrüht. Das eine aber steht fest, daß die einheitlihe Regelung des bürgerlichen Rechts unserer nationalen Einheit ein neues, unzerstörbares Band verleiht, und daß also die nationale Bedeutung der gewaltigeu Rechtsreform faum übershäßt werden kann. Wer wollte verkennen, daß das S der Zusammengehörigkeit unter den deutschen Stämmen durch die Thatsache mächtig gefördert wird, daß ein Gesey vom Osftwall des Reichs bis zur Westmark gilt, daß eine Norm die Lebensbeziehungen im Wasgau und an der Eider regelt; und wo ift der Deutsche, dessen Herz niht von freudigem Stolz geschwellt würde, wenn er daran denkt, daß wir nun das föstlihe Gut der Nechtseinheit erlangt haben, welches unseren Vätern ein verheißungsvoller, aber uner-

füllbarer Traum zu sein hien ? Nicht zu der Zeit, da der Gaugraf unter der alten shattigen Linde das Reht spra, und nicht in den Tagen, in welchen der gewaltige Staufenkaiser auf den lombardishen Gefilden Gerichtstage abhielt, besaßen die Deutschen die Rechtseinheit in dem Umfange, wie sie durch das neue Bürgerliche Geseßbuch verwirklicht werden foll. Wenn wir dies erwägen und uns daran erinne-n, daß noch vor einem halben Menschenalter die deutshe Nation keine Ver- faffung besaß, welcke es ermögliht bätte, für das Ganze verbindliche Rechtsnormen zu erlafsen, dann werden wir wohl sagen dürfen, daß der Genius des deutshen Volks Ursahe hat, mit unserer Entwicklung während der leßten Jabrzehnte zufrieden zu sein. Es sind jeßt 17 Jahre her, seitdem der erste Deutshe Kaiser vor dem versammelten Neichs- tag ein prächhtiges Wort über die Schaffung der deutshen Rechts- einheit sprach. „Die gemeinsame Rechtsentwicklung*, so sagte Kaiser Wilbelm T., „wird in der Nation das Bewußtsein der Zusammen- gebörigfeit stärken und der politishen Einheit Deutschlands einen inneren Halt geben, wie ihn feine frühere Periode unserer Geschichte aufweist.“ Die deutshe Nation und der sie repräsentierende Reichstag wird, dessen sind wir gewiß, allezeit dieses Aus\pruchs des verewigten Herrschers eingedenk bleiben und in der Arbeit zur Be- sôrderung der Rechtseinheit nicht ruhen noth rasten, bis das Wort Kaiser Wilhelm?s 1. seiner ganzen Tragweite nah zur Thatsacbe ges worden ift. A Kunstgewerbe. _ L.K. Führer durch das Hamburgishe Museum für Kunst und Gewerbe, zugleih ein Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes, von J. Brinckmann. Hamburg 1894. 2 Bde. Als um die Mitte unseres Jahrhunderts die Bewegung zu Gunsten einer Reform des Kunstgewerbes in Fluß kam, richteten sich die Be- strebungen auf eine neue Organisation des funstgewerblichen Unter- rihts und die Errichtung kunstgewerbliher Sammlungen. Den let- teren fiel die Aufgabe zu, den tehnishen Unterriht dur§ Anscauuna von Mustern vergangener Kulturepohen zu beleben und den Geshma und die Ansprüche der Gebildeten auf eine höhere Stufe zu beben. Die Wirkung der älteren kunstgewerblihen Erzeugnisse auf die Produzenten ift, wie man nah nunmehr fast fünfzigjähriger Erfahrung sagen darf, anfangs überschäßt worden ; ja zeitweise hat das Studium vergangener Stil- epohen fogar die Schaffensfreibeit und Selbständigkeit gelähmt. Dagegen steben die Kunstgewerbemuseen als Bildungêanstalten für den Geshmack des Konjumenten vielfach noh am Anfang ihrer Wirksamkeit. Nur die historishe Durdringung des bier gesammelten Materials, das wachsende Verständniß für die geshichtlihe und technische Bedingtheit der einzelnen Stilformen fann das Publikum zum Urtheil in kunstgewerblihen Dingen erziehen. Die Anschauung allein genügt diesen Zween nicht, literarishe Unterweisung muß als nothwendige rganzung zu dem Besuch der Museen hinzutreten. Der „Seschichte der tehnischen Künste“, die der Direktor des öfterreihishen Museums Bruno Budwer im Verein mit anderen Fachgenossen herausgegeben hat, fehlte wiederum der enge Anschluß an das Anschauungsmaterial einer Sammlung, der die geshihtlihen Ausführungen erft wirkli lebendig macht. Der Führer durch das Königliche Kunstgewerbe- Museum in Berlin war durch die geforderte Knappheit seines Um- fangs auf eine nur andeutende Schilderung der historishen Zusammen- hänge angewiesen. Ein wirklich anregendes und bildungförderndes Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes geschaffen zu haben, ift das Verdienst des unermüdlichen Leiters des Hamburger Kunstgewerbe- Museums, Professors Dr. J. Brinckmann, dessen oben angezeigter Führer durch die ihm unterstellten Sammlungen in der That den Anspruch erheben darf, eine tiefempfundene Lücke der Kunstliteratur auszufüllen. Der troß des Untertitels ge- wahrte Anschluß an die Hamburger Sammlung erklärt zur Genüge, daß einzelne Gebiete eingehender behandelt werden mußten als andere, zu deren auéführliher Berücksichtigung die dortige Sammlung feinen Anlaß bot. Den Schwerpunkt ded Werkes, das durch die vortrefff- lichen Abbildungen (meist nah Aufnahmen des Museumszeichners W. Weimar) einen reihen und belehrenden Shmuck erbalten hat, bilden die Abschnitte Über deutsche Keramik. Hier hat der Verfasser eine durhaus selbständige, durch viele Cinzelfunde bereicherte Gruppierung des Stoffes gegeben und damit die bisherigen Darstellungen weit überholt. Aber auch die Kapitel über die Bauernmöbel der Elb- marschen, die niederdeutschen Truhen und Schränke, die Mangel- bretter u. a. konnten nur auf Grund des Hamburger Sammlungs- materials geschrieben werden und sind als Grundlage für die weitere Forschung anzusehen. Laß der oft-asiatishen Kunstindustrie ein breiter Raum zugewiesen ist, darf angesihts des Umstandes, daß Hamburg den Hauptstapelplaß für japanishe und chinesische Kunsterzeugnisse bildet, niht überrashen. Auch verdanken wir dem Verfasser eine der trefflihsten Monographien über Kunst und Handwerk in Japan, deren zweiter Band fi gegenwärtig unter der Presse befindet. Mit der Hervorhebung dieser Glanzpartien des Buchs ist sein Inhalt bei weitem nihcht ershöpft; insbesondere würde auch der Ab- shnitt über Tertilkunt eine eingehende Würdigung recht- fertigen, während die Schmiedekunst sowohl die der Edelmetalle, wie die des Eisens und die italienishen Fayencen, dem Umfang dieser Gruppen im Hamburger Museum entsprechend, weniger ausführlihe Behandlung erfahren haben. Daß das Hand- buh in seiner gegenwärtigen Form indeß ein lebhaft empfundenes Bedürfniß befriedigt, ergiebt sih aus dem Umstand, daß in der kurzen Zeitspanne seit seinem Erscheinen bereits über tausend Exemplare abgesezt wurden. Das spricht niht nur für den Reichthum des Ge- botenen, fondern im besonderen Maße auch für das Geshick der literarischen Darstellung, die, gleih entfernt von phrasenhafter Oberflächlihkeit und \chwerfälligem Gelehrtenstil, in überaus klarer und anregender Weise in die einzelnen Gebiete der kunstgewerb- lihen Forschung einführt. Besondere Beachtung gebührt noch den in der Einleitung kurz skizzierten Anregungen über die zweckmäßige künftige Anordnung unserer Gewerbe-Museen, die der Verfasser in einem Vor- trage im Hamburger Gewerbeverein ausführlicher dargelegt hat. Mit Recht wird der Schwerpunkt der Reform im Gegensaß zu der heute beliebten Aufstellung nah tehnishen Gesichtspuntten auf die kultur- geshichtlihe Gruppierung der Sammlungsobjekte gelegt. Nur wenn dem Beschauer die sämmtlichen kunstgewerblihen Erzeugnisse einer be- stimmten Stilepoche und eines Landes übersichtlich in einem geschlossenen Rahmen vorgeführt werden, wird der Eindruck der Zersplitterung vermieden, werden die Bezüge der einzelnen Techniken zu einander und zu dem Kulturboden, aus dem sie erwachsen, als historishe Noth- wendigkeit flar erkannt werden können. Diese Postulate an die Zu- kunft stehen mit der eingangs angedeuteten wichtigen Aufgabe der Museen als Bildungéanstalten für die Auftraggeber in engem Zu- sammenhang, uen aber allerdings, wie der Verfasser hervorhebt, eine durchdringende Kenntniß der Dinge voraus. Daß gerade der Leiter des Hamburger Museums für eine solhe Reorganisation der rechte Mann ift, hat er dur seine Leitung der Anstalt wie dur das vor- liegende Werk aufs glänzendste bewiesen.

Karten.

Von dem großen Uebersihtsplan von Berlin im Maß- stabe von 1 : 4000, der im Auftrage der Stadt im Geographischen Institut und Landkarten-Verlag von Julius Straube, Berlin SW., in Kupferstih ausgeführt wird, ist igt Blatt 11 A. erschienen und in Er Ausführung zum Preije von 2 käuflih. Dasselbe bildet eine Erweiterung des Kartenbildes zu Plan T1 A (nah Süden) und umfaßt das Gebiet zwishen Rathhaus, Mate Frankfurterstraße, Schillingsbrücke, Sebastianstraße. Hat der Maßstab einerseits den Vortheil großer Uebo-rsichtlihkeit, so führt er andererseits jedes einzelne Grundstück in seinen Grenzen und seiner Bebauung vor Augen. Außerdem ist der Plan in genauer Originalgröße gedruckt, wodur er für baulihe Vorentwürfe 2c. besonders werthvoll wird. Auch dieses mit außerordentliher Schärfe und in lebhaften ansprehenden Farben hergestellte Blatt bestätigt den guten Ruf der Leistungen des Straube'- schen Instituts.