1895 / 158 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Mit annähernd gleiher Mehrheit wurde 8 2 des Gee und darauf in der Schlußabstimmung das ganze Geseß angenommen.

Es folgte der Bericht der Agrarkommission über den An- trag der Abgg. Ring und Génossen, betreffend-dieSperrung des städtishen Vieh- und Shlachthofs-in-Berlin.

Die Kommission stellte folgende Anträge:

I. Den Antrag Ring durch die von dem Minister für Land- wirths{haft in der Sißung vom 14. Mai abgegebenen Erklärungen für erledigt zu erachten. F :

11. Die Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken: _

A. 1) daß zur Verhütung der Eirs{leppung von Seuchen die Einfuhr von Vieh aus dem Auslande möglichst verboten, mind: stens aber eine vierwöhige Quarantäne an der Grenze eingeführt werde, 2) daß bei der Einfuhr von Fleisch und thierischen Produkten eine strengere sanitäts- und veterinärpolizeilice Untersuhung besonders der mit dem Fleish * vorzulegendèn Eingeweide vorgeschrieben werde; B. 1) daß in ‘folhen “Gebieten, in déren Seuchen oder Seuchengefahren bestehen, der Hausierhandel mit Vieh, insbesondere mit Schafen, Schweinen, Ziegen und Gänsen, sowie das Treiben dieser Thiere zu Handelszwecken untersagt oder von entsyrehenden Bedingungen abhängig gemacht vnd die “Be- folgung der betreffenden Bestiniüninges dur beamti. * Thierärzte kontroliert werde, 2) daß alle Personen, die sih gewerbêmäßig mit

. dem Handel von Hausthieren befassen, angehalten werden, über ihre Ein- und Verkäufe, also über die Herkunft und den Verbleib der “Thiere, Buch zu führen; C. 1) daß an den Haupt - Viehverladestationen von den Eisenbahn- Direktionen nöthigenfalls Sammelställe zur Benußung gegen Entgelt errihtet werden, 2) daß Sammelstallungen für Vieh- transporte nur benußt werden dürfen, wenn sie undurhlaffen- den, leicht zu reinigenden Fußboden mit gutem Abfluß und Krippen von undur{lassendem Material haben, 3) daß die Sammel- ftallungen einer laufenden Kontrole dur beamtete Thierärzte und dur die Polizeibehörden unterworfen werden, 4) daß alle Vieh- rampen und Buchten, die dem Ein- oder Ausladen von Vieh dienen, nach Maßgabe der Vorschriften über die Reinigung und Desinfektion der Wagen behandelt und die zu diesem Zwecke nothwendigen Aus- stattungen beschafft und Einrichtungen getroffen werden ; D. daß den am Viehhandel vorzugsweise betheiligten landwirtbschaftlihen Inter- effsenvertretungen eine Theilnahme an der Beaufsichtigung der Vieh- und Schlachthöfe, sowie der Viehmärkte gewährt werde; E. 1) daß die Preisnotierungen an den größeren deutshen Viehmärkten durch veretidete Makler vorgenomme.: werden, 2) daß die Notierungen nach Lebendgewicht erfolgen, 3) daß die Beeinflufsung der Notierungen durch wissentlid falshe Angaben ftrafrehtlih geahndet werde; F. daß an Stelle des P Rummelsburger Schweinemarkts in oder bei Berlin ein Magerviehmarkt errihtet werde, der nicht Gegenstand der privaten Unternehmung fein darf, den Anforderungen der Veterinärpolizei entsprechen muß und dem Berliner Polizei- Präsidium unterstellt wird.

Unter TI A. 2 dieser Anträge beantragie Abg. Herold (Zentr.) hinzuzufügen, daß, wofern die Unschädlichkeit (des einzuführenden Fleisches u. st. w.) niht mit Sicherheit nach- gewiesen werden kann, die Einfuhr gänzlih verboten werde.

Berichterstatter Abg. Ring: Mein Antrag is am 27. März hier eingehend behandelt worden. Infolge eines Besuchs der ver- ftärkten Agrarkommission auf dem Viehhof ist hier am 14. Mai eine Interpellation verhandelt worden über die Maßregeln, welhe die Regierung zu ergreifen denke, um die einheimischen Viehbestände vor Seucheneinschleppung zu bewahren. Der deutsche Landwirth hat das Recht, zu verlangen, daß die Grenzen in besserer Weise als bisher gegen die Seuchen des Auslandes ges{hüßt werden. Die Agrar- fommission stellt eine Anzabl Anträge, die ich Ihnen zur Annahme empfehle, auf deren Einzelheiten ih nicht einzugehen brauche, da íSIhnen ein ausführlicher gedruckter Bericht über die Kommisfionéver- handlungen vorliegt. 4

Abg. Langerhans (fr. Volksp.): Ih hoffe, daß der Herr Landwirtbshafts-Minister die von ibm an den städtishen Behörden Berlins geübte Kritik in der Zwischenzeit modifiziert haben wird. In der Sitzung vom 27. März hat er sich außerordentlih \charf über die Verzögerung ausgesprochen, die die städtishen Behörden beim Ein- gehen auf die Wünsche der Auffihtsbehêrde bewiesen. Er war damals neu im Amt und wobl noch nit genau unrterrihtet. Schon vorber hatte der Magistrat einen Plan zu Neubauten vorgelegt, der vom Polizei-Präsidium damals noch nit genehmigt war. Es wurde von der Aufsichtsbehörde eine - größere Entfernung des Schlachthofes vom Biebbof und eine Vermehrung der S@weinestallungen gefordert, um die Verbängung von “Sperren, die dem Landwirth Millionen kosten, möglichst unnöthig zu mahen. Die städtischen Be- börden find bereit, auf diese Forderungen einzugehen. Uebrigens hat der Viebbofs-Direktor auf mebrfahe Anfragen versichert, daß die Schweinestallungen von einem Markttage bis zum andern stets ge- räumt und gereinigt werden fonnten. “Es werden mebr Stallungen

ebavt werden, es wird cine ‘Straße zwischen dem Vieh. und dem

Schlachtbof angelegt werden, es wird überbaupt alles gethan werden,

um den ftrengsten veterinärpolizeilihen Anordnungen zu genügen.

Was die vorgeschlagenen Resolutionen anlangt, so halte ih die

Forderung einer vierwöhigen Quarantäne für sehr bedentlich;

denn dadurch wird die Gefahr heräufbeschworen, daß die

Quarantänestationen zu Seuchenberden werden. Man ver-

langt eine möglichft strenge Akichließung gegen das Ausland durch ausgedehnte Vieheinfubrverbote. Schon jeßt bestehen aber solche

Verbote in großem Umfang. “Wenn man darin noch weiter geben

will, fo sage man doch gleich, um was es sich eigentlich handelt !

Gestebe man doch ein, daß man überhaupt feine Biehecinfuhr will,

um die Konkurrenz fernjußalten! Vergegenwärtigt man sh denn nit, daß das eine direkte Aufforderung an das Ausëland bedeutet, mit gleichen Maßregeln gegen uns vorzugehen ? Wohin würde

Deutschland konimen, wenn wir in Kriegszeiten feine Bieheinfuhr baben würden? Gegen folhe weitgehenden Forderungen, wie sie in der Resolution unter Il a aufgestellt werden, muß ich mi auf das entschiedenste erklären.

__ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein :

Meine Herren! Ich hatte mich vorbin bereits zum Worte ge- meldet; der Herr Präsident hat leider übersehen, daß ih mi er- boben hatte. Es würde wahrscheinli, wenn i früzer. das Wort bekommen bätte, ein Theil der Aeußerungen - vermieden sein, die der geehrte Herr Vorredner gegeben hat. Ich gebe jeßt die Erklärung ab, daß wir glüdcklicerweise durch das weiteste Entgaezenkommen seitens der Stadtvertr-tung von Berlin, fcwobl des Magistrats - als der Stadtverordneten, zu dem erfreulihen Ergebniß gelangt find, daß schon in diesem Herbst für einen Kostenbetrag von etwa 44 Millionen der Bau auf dem s\tädtishen Schlacht- und Viebkcf in Angriff ge- nommen wird, und daß alle diejenigen Einrichtungen getroffen werden, die von der landwirthschaftlihen Verwaltung gefordert sind und mit Recht gefordert werten fönnean,

Ich gebe dann ferner. die Erklärung: ab, daß ih neuerdingé auch in eine perfönlide Verbandlung mit allen Betheiligten wezen Besse- rung der Rummelsburger Biehmarkt2verbältnifse eingetreten bin, und daß ih dort au seitens der Stadtvertretung von Berlin daz weitefte Entgezen- kommen gefunden babe. Esist ¿u bofen, daß dort die Stadtve: tretung von Berlin in kürzester Zeit einen alle: Ansprüchen cutsprechend- n“ N;arkt

die) Staatsregierung eine * vierwöchentlihe ‘Seequaxantäne' in „aller-

SwladWthof cine Sperrung eintreten müßte, auch als Ventil dienen könnte. k Meine Herren, ih will dann zu den einzelnen Anträgen, die hier

nächster Zeit einführen wird, daß eine Landquarantäne schwer ‘dur{- führbar sein, wird, “daß. die jedenfalls zur Zeit nicht in Aussicht ge- nommen ift. * (Abg. Graf Sträachwitz : Leider !)

Dann zu dem Antrag 11 A 2 gestatte ih mir, dem hohen Hause mitzutbeilen, daß vorauésihtlich in kürzester Zeit Maßnahmen erfolgen werden, wonach von auswärts eingchendes Fleish und thieriswe Pro- dukte einer sehr strengen fanitäts - und veterinärpolizeilihen Unter- suhung beim Eingang unterworfen werden sollen, und wonach das Fleisch mit den Eingeweiden u. \. w. vorgelegt werden muß. (Bravo! rets.) Daneben wird eine Gebühr für die Untersuhung erhoben werden. Ich glaube, daß durch diese Maßregel die Einführung einer Landquarantäne überflüssig oder doch theilweise ersegt wird.

Zu dem Autrage I1B1, daß in solhen Gebieten, in denen Seuchen oder Seuchengefahren bestehen, der Hausfierhandel mit Vieh, insbesondere mit Schafen, Schweinen, Ziegen und Gänsen, sowie das Treiben dieser Thiere zu Handelszwecken untersagt werde, habe ih die Erklärung abzugeben, daß diese Anordnung nicht möglich ift, ehe nit im Reichstage die in der Kommission bereits angenommene Novelle verabschiedet ist, wonach die Zuständigkeit zu solhen Maßnahmen den Behörden ertheilt wird. Im übrigen mate ih darauf aufmerksam, daß nah unserer Veterinärgesegebung dann, wenn wirklich Seuchen- gefahr vorliegt, allerdings Maßnahmen auch jeßt {hon zulässig find, wonach unter Umständen in solhen Bezirken, wo bereits Seuchengefahr eingetreten ift, der Hausierhandel auf Grund von vetertinärpolizeilichen Bestimmungen untersagt oder an bestimmte Bedingungen geknüpft wird, und ih ertheile die Zusage, daß das geschehen soll, so weit es erforderlih wird.

Zu dem Antrag II B 2, daß alle Personen, die sich gewerbs- mäßig mit dem Handel von Hausthieren beschäftigen, angehalten werden follen, über ihre Ein- und Verkäufe, also über die Herkunft und den Verbleib der Thiere, Bu zu führen, bemerke ih, daß eine folhe allgemeine Anordnung zur Zeit nah meiner Auffassung un- zulässig ift. Man kann sie aus veterinärpolizeilihen Gründen in besonderen Fällen vorübergchend treffen, wenn die Gefahr der An- \steckŒung unmittelbar vorliegt und wenn man ih vergewissern will, wohin und woher die verseuchten Thiere gekommen find. Sie all- gemein einzuführen, ist mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung nach meiner Auffaffung nicht vereinbar.

Zu dem Antrag II C 1, „daß an den Hauptviebverladestationen von den Eisenbahndirektionen Sammelställe zur Benußung gegen Entgelt errichtet werden“, und die weiteren Bestimmungen 2 und 3, die sich auch auf Sammelstallungen beziehen, habe ich darauf hin- zuweisen, daß die Königl. Eisenbahnverwaltung derartige Sammel- ställe in etwa 70 Fällen bereits errihtet hat, und daß fie voraussihtlich bereit sein wird, wenn weitere Anträge erfolgen, auch folhe weitere Sammelstallungen einzurichten. Daß diese Einrichtungen nur dann benußt werden dürfen, „wenn fie undur{lafsenden, leiht zu reinigenden Fußboden mit gutem Abfluß und Krippen von undur(hlassendem Material baben“, erscheint zweifellos. Daß folche Einrichtungen aus veterinärpolizeilihen Gründen zu fordern sind, ift zweifellos.

Zu dem Antrag unter C 4, wona „alle Viehrampen und Buchten, die dem Ein- oder Ausladen von Vieh dienen, n2ach Maßgabe der Vorschriften über die Reinigung und Desinfektion der Wagen bebandelt und die zu diesem Zwecke nothwendigen Ausftattungen beschafft und Einrichtungen getroffen werden“, habe ih darauf hinzuweisen, daß eine Reinigung dieser Einrichtungen jeßt regelmäßig auf allen Vieh- rampen auf den Eisenbahnstationen ftattfindet, daß die Desinfektion allerdings, weil fie sehr viel Kosten verurfacht, nur dann angeordnet wird, wenn die Gefahr einer Verfeuhung vorliegt, wenn wirklich Verseuhung eingetreten ift. Dabei wird es auch wohl ferner sein Bewenden behalten müfßsen.

‘Zu dem Antrag D, „daß den am Viehbhandel vorzugsweise be- theiligten landwirtbschaftlihen Interessenvertretungen eine Theilnahme an der Beaufsichtigung der Vieh- und Schlachthöfe, sowie der Vieh- märkte gewährt werde", darf ih darauf hinweisen, daß {on in dem Landwirthschaftékammergeseß in Aussicht genommen ist, eine derartige Einrichtung zu treffen. Jch glaube mit Bestimmtheit versichern zu dürfen, daß die Staatsregierung, sobald die Landwirthschaftskammern eingerichtet sein werden, dem geäußerten Verlangen Rechnung tragen wird.

Was den Antrag unter E 1, Preiênotierungen, betrifft, so gehört die Erfüllung des Wunsches zur Zuständigkeit des Handelsministeriums. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß die Notierung nah Lebend- gewicht den Gegenftand sehr eingehender Prüfungen und Erwägungen in vershiedenen landwirtbschaftlihen Irteressenvertretungen gebildet hat, namentli der Deutsche Landwirtbschaftsrath hat die Frage ein- gebend erwogen. Bei den Berathungen hat \sich berausgestellt, daß die Einführung der Preisnotierung nach Lebendgewicht allerdings ihre großen Vorzüge aber auch ihre Schattenseiten, jedenfalls ihre großen Schwierigkeiten hat, und daß es vielleiht niht so leiht sein wird, die Sache zur Ausführung zur bringen, wie nah der Stellung des ‘Antrages anscheinend angenommen wird.

In Bezug auf den Rummelsburger Schweinemarkt babe ih vorhin bereits die nöthigen Mittheilungen gemacht. Die Herren werden daraus ersehen, daß wahrsceinlich der größere Theil der von ibnen gestellten Anträge von der Staatsregierung in loyalster Weise zur Ausführung gebraht werden wird. (Bravo!)

Abg. Gamp (fc. konf.): Die Ausführungen und Zusicherungen des Herrn Minifters werden im ganzen Lande mit großm Dank entgegen- g- nommen werden. Wir ersehen aus ihnen, daß die landwirthichaft- lichen Verhältnisse zur Zeit doch anders behandelt werden, als früher. Ic glaube allerdings, d25 die Verhandlungen in der Kommission und die Annahme der vorlicgenten Nefolutionen wesentlih mit dazu beigetragen haber, die Angalezenheit -der Vieh- und Schlachthofoerbälinisse in Berlin tchneller zur Erlediaung zu bringen. Die Kommijssicnu verdient für ihre Thätugkeit alle Anerfennung, und dicse Anerkennung is auch auf Herrn Langerhans auêzudebnen, ter sch um die Sache sehr verdicnt gemacht bat. Die Befürchtung des Herrn Langerhans, daß Deutschland im Kriegszustande die Bieheinfubr niht werde entbehren fönnen, theile ih nit. Die einheimische Vichprockuftion bat sich derart gesteigert, daß diese Befürchtung nicht begründet ist. Auch die Befürc(tung des Herrn Langerbvans, daß das Ausland zu Repressivmaßregeln greifen werde, ‘ift obne Grund. Diejenigen Länder, nah denen wir exportieren,

gestellt find, mih wenden? Zu* deur Antzage Il A 1 erkläre ih, ee |

Resolution B 2, daß der Auëführung derselben die Gewerbeordnung ent. gegenstehe, kann ich nit theilen. Ist sie aber richtig, so fi es meiner ünsiht nach Aufgabe einer fürforglihen Regierung, die be, stetenden Hindernisse zu beseitigen. Bedenken bezüglih der Land, quarañtâne bege zich umfowenftger, als Mh. hier im Gegensaß zu der iñfubr | übèr Sce die Einfuhr : auf ene hestim#ite Anzahl von tationen befchränken läßt, deren Utberwähung*ketne Schwierigkeiten bietet. Ueber einen Punkt möchte ih den Herrn Minister um Auf- klärung bitten. Im Mai d. J. äußerte er si(ber tie Gerüchte, betreffend den Autbuch der Schweinesfeußhe in Steinbruch, dahin, daß nach einem eingehöolten Bericht Steinbruch feucben- frei sei. Gleih nachher wurde im ungarishen Abgeordnetenhause mit, getheilt, daß die Schweineseue in Ungarn schon seit 1890 beobachtet sei daß sie seit dem 8. April d. J. in Steinbruch \voradish auf, etreten sei und daß seit dem 8. Mai Steinbruch vollständig verseucht ei. Wie erklärt fich dieser Widerspruch in den Angaben? Wenn die Sache fo liegt, wie es im ungarishen Abgeordnetenhause dar: gestellt wurde, fo follte Steinbruch dauernd das Recht zur Importation von Schweinen entzogen werden.

Fei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- ein : Ich habe auf die leßte Aeußerung des Herrn Vorredners zu er- widern, daß ich damals einen Veterinärbeamten nah Steinbruch zur Prüfung der Verhältnisse entsandt habe, und daß derselbe berihtet hat, daß augenblicklich Krankheitsfälle in Steinbruch nit vorliegen, daß im wesentlichen Alles in Ordnung sei. Dann bekamen wir die Nachricht, daß einige wenige Fälle von Verseuchungen eingetreten seien. Infolge dessen habe ih fofort gesperrt. Es hat also die Uebertragung irgend einer Krankheit von da ab nicht weiter ftatt- finden können. - Die Bakonyer Schweine, die nah dem Berliner Vieh, hof Tamen, find fofort abgeshlahtet worden. Als der Seuchenausbruh in Steinbruch eintrat, habe ich den Professor Schüß hingeschickt, der dann feststellte, daß inzwishen eine vollständige Verseuhung in Steinbruch eingetreten set. Was Herr Gamp noch weiter und zu welhem Zwette konstatieren will, ift mir unklar. Zu der Zeit, wo unser Thierarzt da war, war eben anscheinend keine Krankheit vorhanden. Das kann ih natürli von Tag zu Tag ändern. Der entsandte Veterinär berichtete aller- dings, daß die Einrichtungen in Steinbruch zu wünschen übrig lassen. Einen praktishenw Erfolg kann ich mir von den Anregungen, welche Herr Gamp gab, nit versprechen.

Abg. Herold (Zentr.) befürwortete seinen Antrag, da die “Gia gegen die Seucheneins{leppung niht \charf genug fein önnten.

__ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer: Nein:

stimmung hinzufügen oder nit; die Staatsregierung wird in den Fällen, in denen sie die Einfuhr versagen muß und dazu befugt ift, aus veterinärpolizeilihen Gründen dieselbe auch untersagen, mögen Sie den Antrag annehmen oder ablehnen.

Abg. Knebel (nl.) trat für die Resolution, betreffend die Füh- rung von Büchern \eitens der Viehhändler, ein. Die Gegner dieser Bestimmung verträten nur unberechtigte Sonderinterefsen.

Abg. von Mendel-Steinfels (konf.): Es is erfreulich, daß die dringenden Forderungen, die die Landwirthschaft seit Jahren hier gestellt hat, jeyt größeres Verständniß finden. Aber es is noch Manches zu verbessern. Vor allem muß die Liebenswürdigkeit gegen das Ausland aufhören. Die Gefahr liegt darin, daß die Grenzen fortwährend auf- und zugemaht werden. Einmal wird die Grenze nah Oesterreich für Schwsine ges{lossen, und Deutschland bevorzugt nun die Schweinezucht ; da wird plößlih die Grenze wieder geöffnet, und nun \trômen die Schweine aus Oesterreih herein es entstehen Sdbleuderpreise. Ein wunder Punkt is auch die verschiedenartige Behandlung des aus- und inländischen Fleisches. Es ift wunderbar, wie die Verproviantierung des deutschen Volks mit Fleis bisher be- handelt wurde. Während das deutsche Fleish auf dem Schlachthofe auf das rigoroseste untersucht wird, ist die Kontrole des ausländischen

leishes außerordentlih lax. Besonders gilt das vom amerikani]chen leise. Wir find darum dem Herrn Minister für feine Er- klärungen sehr dankbar. Sehr empfehlenswerth wäre es, die Straßen, auf denen vorzugsweise Vieh getrieben wird, zu pflastern, um sie leichter reinigen und dadurh die Gefahr der Seucenvers{chleppung vermeiden zu können. Den Ausführungen des Herrn Ministers über den Viebbandel kann ich niht ganz zu- stimmen. Kein Handel is in dem Maße organisiert wie der Vieb- handel. Wer die Berliner und Leipziger Verhältnisse kennt, weiß, daß ein Ring von Kommissionären besteht, der einen Boykott auf direkte Angebote von Vieh ausübt und die Preisbestimmung voll- ständig in seiner Hand hat, wodurch er die Zufuhr nach Willkür regeln fann. Das Mindeste, was wir verlangen, ift die Notierung des Lebendgewichts, damit der Landwirth erfährt, was das Vieh wirkli werth ist. Auh würde ih bitten, daß - der Viehb- bändler die geseßlihe Stellung eines Kaufmanns erhalte, damit er die Pflicht der e tre N über seine Ein- fäufe und Verkäufe habe. Was die aul- und Klauer- seuhe in Steinbruch anlangt, so ift es mir unerklärlih, wie der Herr Minister am 14. Mai sagen konnte, daß Steinbruh seuchenfrei sei. Am 8. Mai war die Seuche doch, nachdem sie am 8. April sporadis( aufgetreten war, dort allgemein geworden. Entgegen der Erklärung des Regierungsvertreters in der Kommission habe ich erfahren, daf der Shmuggel von Holland aus große Dimensionen angenommen hat. Der Herr Minister müßte diesem Shmuggel doch mehr Auf- merksamkeit zuwenden,

__ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer stein:

Meine Herren! Sie werden niht erwarten, daß ich auf - die Frage der Aufbesserung der Gehälter der Thierärzte und der Ver- mehrung der Thierärzte, die abermals heute durch die Erklärung deé Herrn Vorredners angeregt ist, eine bestimmte Aeußerung abgebe. Ich hake das schon früher gethan. Ich will die Sache in Erwägung nehmen, und ic gebe mich der Hoffnung hin, daß wir bei der Be- rathung des nächstjährigen Budgets, wenn ih dann noh an der Spiße der landwirth schaftlien Verwaltung stehe, Veranlassung haben werden, von Ihnen die Mittel zu beanspruchen, die zur Erfüllung der gestellten Forderung nothwendig sind.

Was den Schmuggel in Holland betrifft, so find die mitgetheilten Nachrichten privater Natur. Ich muß mich auf das verlassen, was auf dem behördlihen Wege an die Staatsregierung gelangt, und i möchte do glauben, daß im Großen und Ganzen die Behörden, sowobl die unteren wie die mittleren und die obere Behörde, keine Veranlassung haben, etwa den Schmuggel zu vertuschen, oder darüber ununterritet sind, wenn derselbe wirklich eine größere Ausdehnung haben sollte. Wenn bestimmte Erklärungen von den Organen-der Staatsver- waltungen vorliegen, daß der Schmuggel eine irgendwie nennenswerth? Bedeutung nicht habe, so muß ich einstweilen so lange die Richtigkeit

wird, daß diese Mittheilunzen unrichtig sind. Private Erzählungen

für Magervieh einrichten wird, der dann für sole Fälle, wo unter Umständen auf dem Hauptviehmarkt in Berlin und : guf dem

namentli: England, sind uns mit: sehr strenger Maßregeln bereits | vorangegangen.

Die Auffaffung des- Herrn Ministers bezüglich der *

führen folhen Beweis nicht ;- man: weiß sehr wohl, wie folche

Ich bemerke kurz: Es is ziemli einerlei, ob Sie die Be- M

dieser Behauptung aufrechterhalten, bis mir der Nachweis erbrackt.

shichten weitererzählt und aufgebauscht werden. Ih gebe, ofen ge- sagt, auf solche Erzählungen nit allzu viel. '

Wirklicher Géheimer Ober-Regierungs-Rath B e b die Mit- theilung der Steuerbehörde wieder, wona der Séütuggek aus Ses

e a Ming (kons.): Ih möchte noch die Frage an den H Lardwirthshafts-Minister rihten, wie es mögli (vat: daß die ‘auf lon Rummelsburger Markt berrshenden Zustände so lange bestanden haben, troßdem seit 4 oder 5 Jahren der Königliche Polizei-Präsident pon Berlin Seuchen-Kommissar war. Wie war es ferner möglich, daß meiner Ansicht, die Seuche sei von Steinbruch ein: eshleppt, \tets entgegengebalten wurde, es sei von unseren Veterinärbeamten in Steinbruch alles in Ordnung befunden worden? All das zeigt aufs deutlichste, daß unser gesammtes Veterinärwesen der Aenderung bedarf. dei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein :

Meine Herren! Jch weiß wirkli, ehrlih gesagt, niht, wozu es dienen foll, daß wir uns in retrospektive Betrahtungen über die Schäden einlassen, die der Rummelsburger Viehmarkt herbeigeführt haben soll, und daß wir die Ursachen ermitteln, weshalb in dieser oder jener Richtung angebli nit rehtzeitig eingeshritten ist; ein praktischer Erfolg würde dur solhe Untersuchungen nicht erzielt werden. Jedenfalls ist jet festgestellt, daß es dringend erwünscht ist, in den Einrichtungen des Rummelsburger Magerviehmarkts Aenderungen eintreten zu lassen, um Gefahren, die angeblih auch früher {hon vorgelegen haben und die angeblih zu Mißständen geführt haben, zu beseitigen.

Es steht jeßt fest, daß mit aller Energie bestehende Mißstände festgestellt und beseitigt werden sollen, und daß alle Betheiligten, die dabei mitwirken, das weitgehendste Entgegenkommen bewiesen haben. Ich weiß alfo nit, weshalb wir angebliche frühere Mißstände von neuem wieder aufrühren wollen.

Im übrigen habe ih die zweite Frage niht recht verstanden. (Zuruf : auf Steinbruh!) Da kann ih nur sfagen, es is doch sehr möglich, daß am heutigen Tage, an welhem ein zuverlässiger Vete- rinär nach Steinbruch kommt, um festzustellen, ob etwa in Steinbruch verseuhtes Vieh \ich befindet, kein solches vorhanden is, und daß morgen eine Verseuhung eintritt. Daraus erklärt si, daß der Veterinär, der hingeshickt, die Verhältnisse vnter- sult und die bestimmte Erklärung abgegeben hat, es sei alles in Ordnung, deshalb keiner leihtfertigen Untersuhung zu bezihtigen is, weil sich später eine Verseuhung herausstellt. Es ift als feststehend anzuschen, daß an dem Tage, an welchem die Untersuhung vorgenommen ist, verseuchtes Vieh niht vorgefunden ist, und daß alles in Ordnung war. Ih wüßte also niht, wie aus weiteren Unterfuungen ein prafktishes Resultat erzielt werden follte.

Auf die Behauptung, welche aufgestellt ift, daß in Oesterreich wissentlich und absihtlich Seuchenfälle verheimliht werden, Sie werden das verstehen, darauf kann ich als Staats-Minister niht ein- gehen. Jch kann die Behauptung nicht zugeben, ih kann fie ebenso wenig widerlegen.

Abg. Langerhans wiederholte seine Versicherungen : eine Pression auf die städtischen Behörden sei überflüssig, da hon vor Einbringung des Antrags Ring Umbaupläne autgearbeitet worden seien. Die Ver- n rings) ri zögen fich aber, namentlich die mit der Eisenbahnverwaltung,

C.

Abg. Damink (konf.) bat um Annahme der Vorschläge der Kommission, deren Durchführung von der höchsten Wichtigkeit für die gesammte deutsche Landwirthschaft sei.

Sämmtliche Anträge der Kommission wurden nebst dem Unterantrage Herold angenommen.

Schluß der Sizung nah 3 Uhr.

Nächste Sißzung: Freitag 11 Uhr. (Jnterpellation Rin- telen, betreffend den fkatholishen Religionsunterriht, Antrag Hobrecht und Gen., betreffend Ablösungsrente der rentenpflich- tigen Stellenbesigzer.)

Literatur.

Volkswirthschaft.

Geschichtliher Rückblick auf die ersten 50 Jahre des preußischen Eisenbahnwesens. Von H. Schwabe, Geheimem Regierungs-Rath a. D. Verlag von Siemenroth und Worms in Berlin. Die außerordentliche Wichtigkeit, welhe das Eisenbahn- wesen im gesammten wirthscaftlihen Leben der Völker einnimmt, die ungeheuren Fortschritte, welhe es seit der ersten Entwicklung bis heute gemaht hat und noch fortdauernd mat, haben eine überaus reihe Literatur hervorgerufen. Dieselbe versuht indessen vorzugsweise eine wissenshaftlihe Darstellung des Verkehrêwesens als eines besonderen Gebiets der menshlichen Wissenschaft, während gute, anregend und gemeinverständlih geschriebene geschihtlihe Gesammt- oder Einzeldarstellungen der erstaunlihen Entwiéklung des modernen Verkehrs zu den Ausnak men gehören. Die vorliegende Arbeit i daber um fo verdienstliher, als sie, obwohl den geographishen Rahmen des Königreihs Preußen nicht überschreitend, doch fehr deutlide Schlaglihter auf die Entwicklung des Verkehrswesens in Deutschland und anderen europäischen Staaten zu werfen geeignet is. Wenn der Verfasser, zu der nur noch geringen Zahl derer gehörend, welhe die Entwicklung unseres Eisenbahnwefens miterlebt, die hervorragenden Mitarbeiter gekannt und selbs thätigen Antheil daran genommen haben, als die ihm gestellte Aufgabe bezeichnet: „ein Bild von dieser für unser gdes wie wirth|caftlihes Leben so hohbedeutsamen Zeit zu geben, Ddevor die einzelnen Züge der Vergessenheit anheimfallen“, so darf ihm bezeugt werden, daß er diese Aufgabe völlig gelöst und ein bis in die Einzelheiten getreues und sorgfältiges Bild dieser Entwicklung ene hat. Er begnügt sich hierbei keineëwegs mit der trockenen

ufzählung der einzelnen Daten und Maßnahmen und ihrer unmittelbaren Veranlassung, sondern giebt überall eine furze Darstellung der gleihzeitigen wirthshaftlihen Zustände. Für das lebende Geschlecht, das in dem Zeitalter des Dampfes, der Eisen- babnen und der Elektrizität geboren und aufgewachsen is, wird es \hwer, si eine deutliche und lebendige Vorstellung von der Umwälzung zu machen, die si seit der Eröffnung der ersten Eisenbahnen, also im Laufe nur eines -Menschenalters vollzogen hat. Um den Einfluß, welchen die Eisenbahnen durch Abkürzung der Entfernung und Zeit hervorgerufen haben, im vollen Umfang erkennen zu lassen, vergleiht daber der Verfasser die Gegenwart zunächst mit der überaus lang- amen Gntwicklung, welhe der Brief-, Nachrichten-, Personen- und Güterverkehr in den [leßten, dem Eisenbahnzeitalter vorausgebenden Jahrhunderten g2nommen hat. Es wird berichtet, daß son am Ende des 14. Jahrhunderts für den Hochmeister, die Ritter und Beamten des Deutschen Ritter - Ordens eine förmlich eingerihtete NReitpost in dem ganzen Ordens- gebiet vorhanden war, daß unter Kaiser Maximilian “prrante de Taszis 1516 eine reitende Botenpost von Brü e nach

ailand und Rom einrichtete, und daß die älteste landesherrliche Post in Preußen \{chon-1486 von Kurfürst Albrecht errichtet wurde, welcher als Besizer der Mark Brandenburg und der fränkishen Lande gewöhnlich! seinen Aufenthalt in Ansbah nahm. Die Boten gingen zweimal im Monat von Küstrin über Leipzig, Weimar, Saalfeld nach Ansbach und brauchten zur Zurüklegung dieser Entfernung von

68 Meilen im Ganzen 24 Tage. Beteckte Wagen kommen tann im 16. Jahrhundert und zwar vorerst nur an den Höfen als vereinzelter, außerordentlicher Luxus für die Beförderung von Personen in Ge- brau; der gewöhnliche Reiseverkehr bewegt \sich jedoch nchch fast dieses ganze Jahrhundert hindurch auss{ließlich zu Pferde. Der wichtigste Schritt für den öffentlihen Verkehr in Preußen geschah eit n 16 Jahrhundert durch die von dem Éroßen Kurfürsten bereits in den ersten Jahren seiner Re- gierung (1646) _ befoblene Einrichtung einer allgemeinen Landes-Postanstalt in unserem beutigen Sinn und Uebernahme der Verwaltung und des Betriebs des Postwesens seitens des Staats. Aber obglei bereits im Jahre 1690 die erste fahrende Post zwischen Nürnberg und Frankfurt a. M. für die Beförderung von Personen und Waaren eingerichtet wurde, hat doch in Preußen die Einführung derartiger Fahrposten erst später stattgefunden. Jn welchem Zustande sich diese dann befunden haben, läßt ein Edikt vom 6. März 1712 er- kennen, in welchem es heißt, „daß die Passagiere vor lauter Pätereien und üblen Geruch in den Wagen kaum sigen können, daher auf die Extraposten getrieben werden, die Posten auch je länger, je mehr den Fratwagen ähnlich sehen und feine Stunde halten können, des- gleihen und da die Postillions sih niht scheuen, selb auf vollen Wagen, noch _Pasfsagiere heimlich mitzunehmen, die Postwagen dergestalt mit Sachen und Menschen befrachtet sind, daß sie zum öfteren zu nicht geringer Blame der Königlichen Posten stecken bleiben.“ Die Ursache hiervon is wohl vorzugsweise auf den \{lechten Zustand der Straßen zurückzuführen. Ein Jahr vor der Thron- besteigung Friedrichs des Großen fand in Berlin die Einführung der «Fiafer* mit 14 rumerierten Wagen statt, und im Jahre 1754 wurde die erfte „Journalière“ zwischen Berlin und Potédam eingerichtet : Das Personengeld betrug 12 gute Groschen, wobei 20 Pfund Gepäck frei waren. _Die erste Kunststraße in der Mark Brandenburg wurde im Jahre 1789 erbaut, es war die Chaussee von Berlin nah Pots- dam. Nach Beendigung der Befreiungskriege im Jahre 1816 besaß das Königreich Preußen im Ganzen erft 420 Meilen chaussierter Wege, davon in Dst- und Westpreußen 14 Meilen, im Jahre 1891 dagegen 86 926 km Provinzial-, Kreis-, Gemeinde-, Guts- und Privat- Chauffeen. Bei dieser langsamen Entwicklung des Kunststraßenbaues darf es nicht Wunder nehmen, daß auch eine beshleunigte Perfonen- beförderung mit der Post erst \pât eingeführt wurde. So wurde am 15. November 1821 die erste Schnellpost zwishen Berlin und Dresden mit 26stündiger Fahrzeit, am 1. April 1827 die erste Schnellpost zwischen Berlin und Breslau mit 33 Stunden und 25 Minuten Fahrzeit eröffnet. Für die Sicherheit des Reisens mit der Post ist es aber bezeihnend, daß in verschiedenen Städten der Oberlausitz öffentliche Kirchengebete für die glücklihe Nückehr der zur Leipziger Mefse reisenden Kaufleute abgehalten wurden. Die große Be- \chleunigung in der Personenbeförderung, welhe nah dem Bau von Kunststraßen im Vergleich zu der früheren Zeit erreiht werden konnte, erfuhr mit dem Bau von Schienenstraßen und mit der Einführung des Dampfes an Stelle der Pferdekraft eine weitere erheblihe Steige- rung, die vielfach Mißtrauen gegen die Benußung der Eisenbahnen hervorrief. Viele ängstlihe Gemüther verschworen sich hoch und theuer, wegen der Gefährlihkeit nie eine Eisenbahn zu benußen, und einige fromme Leute behaupteten sogar, sie sei Satanswerk, und die Rahe dafür werde {on nicht ausbleiben, daß man in solcher Weise, wie auf der Eisenbahn geschehe, der natürlichen Fortbewegung, wie sie Gottes Wille sei, spotte. Andererseits hatte man sih auch das Eisenroß als schneller ziehend gedacht ; den Berlinern war das Fahrtempo nah Pots- dam zu langsam, und bald erhielten die Behörden eine Eingabe des Inhalts, es möchte doch endlich die Belästigung der Reisenden wäh- rend der Fahrt durch Bettler aufhören; man möge insbesondere auf die Invaliden achten, die mit ihren Stelzfüßen neben den Wagen herliefen und um milde Gaben bäten. In welcher Weise der Betrieb auf der Berlin-Potédamer Eisenbahn in der ersten Zeit ausgeführt wurde, dürfte auch aus nachstehender Mittheilung der Berliner Zei- tungen vom 25. Februar 1839 ersihtlih sein: „Sicherem Vernehmen nach erwartet die Direktion der Berl§-Potsdamer Eisenbahn-Gesell- schaft die höhere Erlaubniß zur Einrichtung von Fahrten im Dunkeln mit Pferden. Nach erlangter Erlaubniß wird beab- sichtigt, zunächst Morgens vor Abgang der Dampffahrten einmal und Abends zweimal von jeder der beiden Residenzstädte aus mit Pferden zu fahren. Die Beförderung 7 auch mit Pferden bei zweimaligen Relais in 15 Stunden, also fast ebenso rasch als dur Dampffahrten im Dunkeln stattfinden.“ Dieser Pferdebetrieb im Dunkeln wurde jedoch bald eingestellt, wie aus nah- stehender Bekanntmachung ‘der Direktion vom 26. September 1839 hervorgeht: „Da die jedesmalige Heizung einer kleinen Lokomotive niht viel mehr kostet, als wir bisher für ein Pferd pro Fahrt bezahlten, so fallen künftighin die Fahrten mit Pferden ganz weg“. Als Kuriosum ist ferner noch zu erwähnen, daß in der erften Zeit des Betriebs der Berlin-Potsdamer Bahn Billets am Bahnhof überhaupt nicht verkauft wurden, ‘sondern nur in der Gropius’schen Buchhandlung. Inzwischen ist seit Eröffnung der ersten Eisenbahnen wenig mehr als ein halbes Jahrhundert verflossen, und wenn es damals als etwas Außerordentliches galt, daß z. B. mit der am diese 330 km lange Strecke in zwei Nächten und einem Tage in einer Zeit von 334 Stunden, also mit einer Fahrgeshwindigkeit von noch niht ganz 10 km in der Stunde (das Personengeld betrug 9 gute Groschen für die Meile) zurückgelegt wurde, diese Fahr- Eigen auh in der ersten Zeit des CEisenbahn- etriebs nur auf etwa das 13 fache gesteigeri werden fonnte, fo ist seitdem die Schnelligkeit der Perfonenbeförderung bei den Schnellzügen auf das 7 bis 8 fahe der Schnellposten erhöht worden. Die Fortschritte, die seit jener ersten Eisenbahneröffnung in Preußen die Personenbeförderung in Bezug auf Sicherheit, Schnelligkeit, Be- quemlihkeit und Billigkeit des Neisens gemacht hat, werden indessen noch übertroffen durch die großartige Umwälzung, welhe die Eisen- bahnen in der Güterbeförderung hervorgerufen haben. Vor Beginn der Cisenbahnzeit war, abgesehen von Kaufmannsgütern, die Beförde- d von Massengütern auf größere Entfernungen überhaupt nit auéführbar. Das älteste Projekt einer Bahn mit Lokomotivbetrieb, und zwar für den Kohlenverkehr der Grube Bauernwald nah der 2,9 km entfernten Saar, stammt aus dem Jahre 1816. Mit einem in der Königlihen Eisengießerei zu Berlin er- bauten Dampfwagen von 8740 kg Gesammtgewiht fand am 28. Juni 1819 der erste Fahrversuch statt, der jedo keinen Erfolg hatte; denn der Dampfwagen war zu keiner Bewegung zu veranlassen. Welche Zustände im Güterverkehr noch vor einem

Menschenalter herrichten, zeigen folgende Beispiele: In einem im

Jahre 1836 veröffentlichten Bericht über Projekt und Vorarbeiten zu

der Anlage einer Eisenbahn von Elberfeld über Hagen nah Witten

heißt es u. a.: „So unglaublih es au seinen mag, so sieht man

do täglich lange Züge von Pferden, welche, auf guten Chausseen

4 bis 5 Meilen weit, jedes drei Scheffel Kohlen auf dem Nücken

tragen.“ In Oberschlesien geschah die Zufuhr des Materials von den

Gruben zu den Hütten bis in die vierziger Jahre nur auf \{lechten

Wegen und mit den jämmerlihsten Gespannkräften, so daß während

der ungünstigen Jahreszeit cin Mann und zwei Pferde erforderlich

waren, um 10 bis 12 Ztr. während 12 Stunden eine Entfernung

von 3 bis 4 Meilen mit Aufwand aller Kräfte zu befördern. Ein

Breélauer Handlungshaus ließ im November 1834 oberschlesishe

Steinkohlen von Gleiwig aus auf dem Klodnit-Kanal verladen, welche

erst nah zweimaliger Ueberwinterung und Umladung auf noch kleinere

Fahrzeuge zwei Jahre später, im Jahre 1836, Breslau erreichten.

So war der Zustand des Güterverkehrs in der Zeit vor dem Beginn

des Eisenbahnzeitalters, während im Jahre 1891/92 auf den deutschen

Bahnen 158,8 Millionen Tonnen Güter, darunter allein 73 Millionen

Tonnen Stein- und Braunkohlen, befördert wurden, und zwar mit

einer durchschnittilichen Geschwindigkeit von etwa 25 km in der Stunde,

also mal fo {nell als früher die Schnellpost, außerdem aber noh

mit einer Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit, die wohl wenig zu

wünschen übrig läßt, und zu einem Tariffaß, der für die Beförderung

der Kohlen nur ungefähr den 33. Theil der vor der Eisenbahn-

- 1. April 1837 zwischen Berlin und Breslau eingerichteten Schnellpost

zeit gezahlten Fracht beträgt. Die Gesammtzahl der in der

Staatseisenbahnverwaltung beschäftigten - Beamten - belief im Jahre 1892/93 auf rund 92 500, die der Arbeiter auf rund E Dieser großen wirthschaftlihen Bedeutung der Eisenbahnen, eins{hließ- lih der Sekundär- und Kleinbahnen, ist denn au ein umfangreiches Kapitel des vorliegenden BuŸYes gewidmet. Der Verfasser - erörtert weiter immer unter besonderer Berücksichtigung der geschihtlihen Entwickelung die preußische Eisenbahn- Politik und -(Seseßgebung, den Bau und den Betrieb der Eisenbahnen, die Organisation der Ver- waltung, das gesammte Tarifwesen und im Anschluß hieran die Thätigkeit des Vereins deutsher Eisenbaÿnverwaltungen, endlich die Wohlfahrtseinrihtungen für Beamte, Arbeiter und deren Angehörige innerhalb der preußishen Staatsbahnverwaltung. Eine tabellarishe Uebersiht über die Entwickelung der preußen Eisenbahnen von 1838 bis 1891/92 bildet ten willkommenen Abschluß des interessanten

Buches. , Naturwissenschaft.

__ Katechismus der Physik, von Dr. Julius Kollert. L verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 273 Abbildungen.

n Original-Leinenband 4 4 50 4. Verlag von I. F. Weber in Leipzig. In kurzer und klarer Darstellung giebt tiefes Buch Auf- {luß über die wichtigsten _physikalishen Erscheinungen nah dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft. In der vorliegenden neuen Auflage hat die allgemeine Mechanik eine durchgreifende Umgestaltung erfahren. Ferner hat der Verfasser dem Magnetismus einen beson- deren- Abschnitt gewidmet und in diesem vor allem die Faraday’ sche Kraftlinienanshauung zur Darstellung und zum Verständniß gebracht. Wesentliche Umarbeitungen und Erweiterungen finden sih auch in den Abschnitten „Galvanismus*“ und „Lehre von den Fernwirkungen des eleftrishen Stroms“; in leßterem Abschnitt ist insbesondere die Be- sprehung des Drehstroms und der Beziehungen zwischen Elektrizität, Magnetismus und Licht neu hinzugekommen.

„Der Bau der Vögel“, von William Marshall. Mit 229 in den Text gedruckten Abbildungen. Jn Original-Leinen- band Pr. 7 #4 50 A Verlag von I. J. Weber in Leipzig. An zusammenhängenden Werken über die Organisation der Vögel ist zwar kein Mangel; aber einerseits sind fie veraltet, andererseits muß man zuviel in den Kauf nehmen, was für einen Ornithologen nur wenig Interesse hat, da die Vögel in den betreffenden Werken mit den anderen Wirbelthieren zusammen abgehandelt sind. Andere Werke wiederum sind zu umfangreih, zu kostspielig und erfordern zu viel gelehrte Vorkenntnifse. Diese Gründe haben den Verfasser zur Her- ausgabe dieser gemeinverständlichen, nicht zu weitschweifigen Beschreibung des Baues der Vögel veranlaßt, die als zehnter Band von „Webers naturwissenschaftliher Bibliothek* soeben erschienen is und aufs beste empfohlen werden kann.

„DieWunderdes Lichtes“, vonG.Schollmeyer. Verlag von Louis Heuser in Neuwied und Leipzig. Preis 1 4 50 4. Der Verfasser, der sh schon durch seine in demselben Verlage er- schienene Schrift „Was muß der Gebildete von der Elektrizität wissen?“ bekannt Ines hat, sucht in dem vorliegenden Werkchen den Laien in volksthümliher Sprache über das Wissenswertheste aus der Lehre vom Licht zu unterrihten. Das kleine Buch vereinigt in geshickter Weise Belehrung und Unterhaltung.

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Die Buchhandlung von Gustav Fock in Leipzig versendet soeben ibr neuestes Lagerverzeihniß Nr. 103: „Deutsche Sprache und Literatur, Kulturgeshihte, Volks- und Alterthumskunde“, das in der Hauptsache die von dem bekannten Rostocker Germanisten, Prof. Bechstein, hinterlassene Bücher- sammlung enthält. Der Katalog umfaßt nahezu viertausend Nummern und weist viele werthvolle Werke und Seltenheiten auf. Wir er- wähnen nur einige Luther-Autogramme, die werthvollen Sander’\chen Manuskripte, den aus 3000 Einzelschriften bestehenden wissenshelAn eHandapparat Bechstein's." Die Reihe der germanistishen wissen- schaftlichen Zeitschriften ist nahezu vollständig; ebenso dürfte die mittel- D Ee E Nee Le E aue Lücken aufweisen. Das Porträt Bechstein? en Titel des Verzeichni Wunsch gratis zugesandt I E

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Die hier in Berlin erscheinende Zeitschrift „Die Thi er- böôr s e* versteht es, ihren großen Leserkreis immer mehr an sich zu fesseln. Als Organ des Berliner Thiershuß-Vereins* enthält dieselbe in jeder Nummer ein Archiv der Thiershußbestrebungen und wirkt auf diese Weise veredelnd und bildend auf die Jugend und auf Er- wasene. Außer dem Hauptblatt erhalten die Abonnenten jede Woche noch 7 Blätter gratis: 1) den landwirthschaftlihen und industriellen Zentral-Anzeiger, 2) die internationale Pflanzenbörse, 3) die Naturalien- und Lehrmittelbörse, 4) die Kaninchenzeitung, 5) das illustrierte Unterhaltungsblatt, 6) alle 14 Tage die Allgemeinen Mit- theilungen für Haus- und Landwirthschaft und neuerdings alle 14 Tage noch einen Bogen (16 Seiten) eines Werkes aus dem Gebiet des Thierreichs von fahkundiger Feder. So sind bereits das „Hühner- buh*, das „Kaninhenbuh“, das „Entenbuh“, das „Bienenbuh“ E e Car e ines, E erscheint das L bom Hunde“. es dies erbâlt der Abonn TSE Bel in die Wohnung. ta:

r. 23 der vaterländishen Wotenschrift „Der Bär“ herausgegeben von Fr. Zillessen und R. George, hat folgenden Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit, oder: Der Schlangenring, historisher Roman von C. Gründler. (Fortseßung.) riedri der Große und die Frauen, von A. von Winterfeld. a Df Berlins von M. Minde. General-Oberst von Pape und der Landwehrmann, Gedicht bon von Wedel. Kleine Mittheilungen: Zur Geschichte Sr S E E en) Alt-Berlin auf der

ewerbe-Ausstellung 1896. Die ältesten Fahnen der Bis Armee. Büchertish. Auzeigen. A R

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Gesundheits- und Sterblichkeitsverhältnisje während des Monats Mai 1895.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts find im Monat Mai cr. von je 1000 Einwohnern, auf das Sabr be- rechnet, als gestorben aag in Berlin 16,4, in Breslau 27,6, in Altona 18,1, in Frankfurt a. M. 17,4, in Hannover 18,7, in Cassel

13,6, in Köln 19,7, în A 24/9, in Magdeburg 17,2, in Stettin

23,4, in Wiesbaden 17,2, in München 22,6, in Nürnberg 20,7, in Augsburg 27,0, in Dresden 19,9, in Leipzig 17,8, in Stuttgart 16,0, in Karlsruhe 18,9, in Braunschweig 21,4, in Hamburg 19,0, in Straß- burg 24,8, in Mey 15,5, in Amsterdam 16,4, in Brüssel 20,3, p: Budapest 30,1, in Christiania 19,3, in Dublin 27,5, in Edinburg 18,9, in Glasgow 21,5, in Kopenhagen 18,5, in Krakau 34,9, in Liverpool 24,8, in London 18,5, in Lyon 16,8, in Moskau 32,5, in Ode a 20,8, in Paris 20,1, in St. Petersburg 27,5, in Prag 28,2, in Nom ?, in Stockholm 19,3, in Triest 29,2, in Turin (April) ?, in Venedi ?, in Warschau 21,6 in Wien 25,9, in New- York 20,6. (Für die nichtdeutshen Städte ist der Zeitraum von s vom 28. April bis einschließlih 1. Juni, zusammengefaßt orden. Der Gesundheitsstand im Monat Mai gestaltete si in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen sowohl wie der nihtdeutscen Orte wesentli günstiger als im vorangegangenen April, und auch die Sterblichkeit zeigte fast allgemein eine weitere erhebliche Ab- nahme. So ]stieg die Zahl der deutschen Orte mit sehr ge- ringer Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer unter 15,0 pro Mille) von 15 im April auf 19, und zwar erfreuten sih die Orte: Allen- stein, Bielefeld, Cassel, Eupen, Giebichenstein, Hagen, Hildesheim, Hörde, Krefeld, Minden, Ohligs, Rheydt, Saarbrücken, St. Johann, Siegen, Wilhelmshaven, Pirmasens, Wismar, Apolda einer fol niedrigen Sterblichkeit. Dagegen sank die Zahl der deutschen Orte mit hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer über 900 Vro Ville) uf 2 (von d in Wi) und

zwar war dies in den Orten Langenbielau und NRegersburg

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