1895 / 161 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Genofsenschaftsbanken zu mahen, um den Personalkredit des länd- lichen Interesses zu fördern, so ist dies auch die unerläßlihe Vor- bedingung, allmählich zu einer Vershuldungsgrenze zu kommen und die wachsende reale Vershuldung des Grund und Bodens, die {ließlich zum Ruin führen muß, allmählich hintanzuhalten. Diese Gesichtspunkte führen naturgemäß au zu einer Aenderung des Erbrechts, des römi- schen Erbrehts, welhes zwar auch durch seine verpflichtenden Bestim- mungen über den Pflichtiheil ein Zwangsreht ift und keineswegs ein sogenanntes Recht der freien und individuellen Disposition des Erblafsers. Solche Anschauungen kann man nicht bei einem fleinen Zipfel zur Geltung bringen; da gehören geläuterte, flare Gedanken dazu, ein fter Plan, eine sorgfältige Berücksichtigung aller verschiedenartigen, im Laufe der Geschichte entstandenen Verhältnisse in unserem Vater- land, eine große Vorsicht, allmählih den Umschwung und andere Ge- fihtspunkte und Anschauungen herzustellen, wie wir sie alle seit fünfzig Fahren und länger gelernt haben. Genau fo steht es nun mit dem Fideikommiß. Selbst gelehrte Theoretiker und Praktiker, welhe mit diesen von mir ja nur oberflählich sfizzenhaft angedeuteten Gesichts- punkten einverstanden sind, welche fich bewußt sind, daß wir in dieser Beziehung vor einem Umshwung in unserer Gesezgebung teben, tragen doch Bedenken, \{rankenlos das Fideitommiß zu gestatten. So nüglih au in vielen Beziehungen das Fideikommiß wirken kann, so ist doch ebenso richtig, daß die Proklamation der Unveräußerlich- keit, der Untheilbarkeit, der Unverschuldbarkeit durch einen Stifter für alle Generationen, wie ein Gelehrter sagt, in gewissem Sinne pro- flamieren heißt die Herrshaft des Todten über den Lebendigen. Meine Herren, ich bin kein Gegner des Fideikommifses; aber au das Fideikommiß, wie alle solhe staatlihen Ordnungen, muß vor Mißbrauh behütet werden. Einen Stempel von 3/6 halte ih für eine höchsst mecanishe und dem Wesen der Sache nicht entsprehende Art von Schranke und Hinderniß. Nein, unser ganzes Fideikommißwesen muß nach anderen Gesichtspunkten reformiert werden. Die todte Hand kann nüglich sein, sie kann aber auch im Uebermaß s{chädlich sein. Die Todte Hand in dem gewöhnlichen Sinne ift der Besiß von Grundeigenthum in der Hand des Staats, der Stif- tungen, der Kirhe, der Korporationen; aber die Erträgnisse dieser Todten Hand werden für das gemeine Wesen benußt. Die Er- haltung des Besißes in der Familie halte ich für ein ftaatlihes Bedürfniß, aber es muß seine Schranke an den all- gemeinen staatlichen Interessen finden. Schon heute kenne ich Bezirke, wo die Entwickelung des Fideikommißwesens über sein natürlihes Be- dürfniß binau8geht, und wir haben keine andere Schranke als diese drei Prozent, das zu verhindern. Wir haben andere Landestheile, wo vielleicht die drei Prozent die Einführung des Fideikommisses und die Befriedigung des Bedürfnisses solchen geshlofsenen Besißes allzusehr ein- geshränkt haben. Nicht in den drei Prozent ift das Kriterium zu suchen, sondern in einer organischen Ausbildung unseres Fideikommiß- wesens nach den angedeuteten allgemeinen Gesichtspunkten. Wenn wir dazu einmal übergehen, dann werden wir uns fragen? Sind die Fideikommisse in Preußen rihtig vertheilt, oder hängt ihre Ver- theilung lediglich vom Zufall und Belieben des Einzelnen ab, von dem Interesse der einzelnen Familie? It es richtig, die Frage des Fidei- fommifses lediglih nah juristishen Gesichtspunkten durch die Ober- Landesgerichte zu beurtbeilen, oder bedarf es hier einer Behörde, die die

Frage vom allgemeinen wirthschaftlichen Gesichtspunkte aus behandelt ? Ist es richtig, die Einschränkungen in der wirthschaftlichen Ausnußung des Fideifommißobjekts durch den einzelnen Befißer in vollem Maße

aufrechtzuhalten? Ift es niht nothwendig, in dieser Beziehung etwas mehr Freiheit, wie in England, auch dem preußischen Fideikommiß- besißer zu geben? Sind die Grenzen der Bildung der Fideikommissen rihtig gezogen in Preußen mit 7500 Æ beziehungsweise 30 000 ? Ift es in einem Lande aufrechtzubalten, daß, abgesehen von den Pro- vinzen des Allgemeinen Landrechts, in allen übrigen Provinzen ganz verschiedene Geseze in Beziehung auf die Fideikommifse gelten? Ift es rihtig, daß allein in Hannover das Stammgut eine andere und nach meiner Meinung in vieler Beziehung bessere Form der Geschlossenheit des Besites besteht? Ift es richtig, daß in den alten Provinzen die Grenze 7500 A Reinertrag, in anderen Landes- theilen 1200 Æ, in anderen Gebieten gar feine Grenze besteht? Auf welche Güter welher Größe foll das Fideikommiß angewandt werden? Soll das verschieden entschieden werden in allen einzelnen Provinzen ?

In dem Augenblick, wo wir diese organishe Reform in Angriff nehmen, wird die Stempelfrage auch die jeßt mindestens dem Schein nah vorhandene Einseitigkeit verlieren. Diese Frage wird ein Theil werden einer im allgemétinen sozialen und wirths{aftlihen Landes- interesse nothwendigen Reform. Die Gegner des Fideikommisses werden dann eber verstummen müfßsen gegenüber dem reformierten Fideikommiß. Wenn Sie jeßt, meine Herren, das Stempelsteuergeseßtz an dieser einen Frage scheitern laffen, gefährden Sie dann niht auch eine wirkli durchgreifende organishe Reform, die auf so viele ent- gegengeseßte Anschauungen und Schwierigkeiten aller Art |sßt? Ich appelliere an die hohe Einsicht und Weisheit des hohen Hauses, aus einer großen zusammenhängenden Gesetzgebung, die, wie ih zu Gott hoffe, die Gesetzgebung der Zukunft wird, nicht einen einzelnen Punkt berauszureißen und dadurch der Sache ich wage es ofen zu sagen einen gewissen gebässigen Anftrich zu geben. (Sebr richtig!) Dazu fteht die Sache wirklih zu hoh. Ich appelliere an diejenigen, welhe in den großen allgemeinen Gesichts- punkten mit der Staatsregierung einverstanden sind, ihr in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten zu mahen. Jh kann nicht sagen, daß das Fideikommiß-Geseß morgen kommt, oder in der nächsten Session; denn es ift eine sehr schwere Aufgabe; aber daß im Fort- gang dieser Geseßgebung, die wir jeßt doch entschlofsen begonnen haben, dieses Gese eins der ersten sein wird denn hier ist das Bedürfniß am ftärkften darüber kann doch wohl faum ein Zweifel sein.

Meine Herren, wohin soll es führen, wenn die in den legten Generationen uns vor Augen ftehende, rapide anwasende, von Jahr zu Jahr progressive Vershuldung des Grund und Bodens weitergeht ? Muß da nicht der ganze Grund und Boden \chließlih jede Selbst- ständigkeit, jede Gesichertheit in seinem Bestande verlieren, von dem mobilen Kapital völlig abhängig, ihm unterworfen werden? Wie kann eine Staatsregierung das rubig ansehen! Muß nicht alle Welt, die eine ftabile und kontinuierlie Entwickelung will und sie erstrebt, nicht auf Mittel sinnen, wie wir dieser gefährlihen Entwickelung Einhalt thun! Haben wir nicht längst gelernt, daß die bloße Freiheit auf wirthshaftliGem Gebiet, vor allem aber auf dem Gebiet des Grund-

besizes die Dingé nicht allein kuriert, sondern daß da, wo die Sitte nicht stark genug ift und \{ließlich wird sie auch in der beutigen Entwicklung überwunden der Staat als solcher geseßlihe Schranken tellen muß ?

Sie können daher nach meiner Meinung und es wäre Klein- muth, wenn Sie dieses Vertrauen niht hätten das volle Ver- trauen haben, daß diese Stempelfrage in ganz anderer Form, mit anderen Garantien sehr bald wiederkommen wird und Sie in der Lage sein werden, dann die Sache ohne irgend welche Mißdeutungen, die Ihnen unterstellt werden könnten, objektiv zu behandeln.

Meine Herren, das Zweikammersystem, von dem ih im Eingange gesprohen habe, legt natürlih ewifsse Rücksichten auf; sonst ift es auf die Dauer nicht haltbar. Es ift etwas Anderes, wenn das andere Haus mit einer kleinen Majorität ein folches Geseß votiert; das kann sih ändern, da kann man sagen, darauf ift kein entsheidendes Gewicht zu legen. Wenn aber die konservative, die freikonservative, die nationalliberale Partei, das Zentrum und selbst die Gemäkigteren unter den Freisinnigen dies Geseßz .acceptieren, und wenn man dann Aenderungen macht, ohne dazu genöthigt zu sein, wenn das Herren- baus, das die großen Prinzipien des Staatëélebens vor allem zu stabi- lisieren und zu befestigen hat, eine solche Gesetzgebung in Frage stellt und ich braude ja nicht weiter auszu- führen, daß das thatsählich der Fall sein würde so halte ih das allerdings nit für wohlgethan. Das Herrenhaus ift gewiß souverân, jedes Haus ist für sich souverän, es fann rechtlich thun, was es will; aber daß die allgemein politishe Lage, das Verhältniß zum anderen Hause, die Natur des Geseßes, um das es sih handelt, doch gewisse Rücksichten auferlegt, Reserven aufzwingt, darüber, glaube ih, brauche ih niht weiter zu reden, ih bin überzeugt, in dieser Be- ziehung die Zustimmung in diesem hohen Hause zu finden.

Meine Herren, wenn ich nun \{chließlich noch auf die einzelnen Bestimmungen eingehe, die in den Anträgen liegen, so sind sie nah meiner Meinunz, was namentlih den Antrag des Herrn Grafen Mir- ba angeht, ohne die erforderlihe innere Begründung; was den An- trag des Herrn Grafen von Pfeil anlangt, so entspricht derselbe feinem wirklihen Bedürfniß. Meine Herren, jeder von uns fkennt die Grundsteuer, ihre verschiedenartige ungleihe Veranlagung und wie sie im Laufe der Zeit noch viel un- gleiher geworden ift. Eine Shäßung nah dem Dreißigfachen des Grundsteuerreinertrags ift doch viel- und tausendmal ungleicher als die Schäßung im einzelnen Fall nach dem Werth des Objekts (sehr wahr !); ih glaube wirklih diejen Saß garnicht beweisen zu brauchen. (Zuruf: doch! doch!) Ich habe in meinem Ministerium aus der Erbschaftssteuer, aus der Fideikommißverwaltung und aus anderen Verwaltungszweigen eine lange Reihe von folchen einzelnen Shätzungen aufítellen lafsen. Da stellt sich heraus, daß wir zahlreiche Fälle gehabt ‘haben, wo die Betheiligten als rihtigen Werth sogac mehr als das Hundertfahe des Grundsteuerreinertrags anboten ; andere find uns vorgekommen, wo selbs der dreißigfache Reinertrag des Grund und Bodens zu hoch war. Wir haben auch in einer Reihe von Fällen, und gerade beispielsweise in dem Gese über die Verwandlung der allodifizierten Lehen in Fideikommisse das Vierzig- fahe des Grundsteuerreinertrags und das Zwanzigfahe des Nugzwerths der Gebäude; das if der sogenannte Lehnswerth, der doch eine besondere Begünstigung sein soll. Dieser mechanische Satz, das Dreißigfache des Grundsteuerreinertrags würde zu Ungeretig- keiten führen, wie sie die heutige Einshägung längst nit herbeiführt ; er würde in einzelnen Fällen zu hoh sein, im allgemeinen zu niedrig. Meine Herren, ih appelliere in dieser Beziehung an die Sachkenntniß diefes hohen Hauses.

Nun, meine Herren, wenn man verbefsern will, dann muß man auch doch wirklich verbessern. Jh kann aber garniht anders als meine Ueberzeugung auêësprehen, daß der Antrag in Wahrheit eine Verschlehterung wäre. j

Nun will der Antrag zugleih die Schulden abziehen. Das fteht im Widerspruch mit dem ganzen Prinzip des Veräußerungsstempels- Wie können Sie denn einem Hauébesizer und die Städte bezahlen 5 dieses Veräußerungsstempels von 1% gegenübertreten, wenn er sagt: Wenn ih mein Haus verkaufe und vielleicht verkaufen muß Erbschafts halber wie könnt ihr mir die Shulden anrechnen und bei der Fideikommißbildung werden sie abgezogen? Ist es überhaupt gerathen, bei einer neuen Geseßgebung für das Fideikommiß es soll doch eine Erleichterung des Fideifommisses sein die Bildung von ho{hvershuldeten Fideikommissen und bei den gering ver- s{uldeten Fideiklommissen kommt der Abzug des Schuldenbetrags ja wenig in Betracht geradezu zu begünstigen? Hoh verschuldete Fideikommisse sind bei der beutigen Gesetzgebung über Fideikommisse bei der ‘absoluten Einschränkung der freien Verfügung des jeweiligen Besitzers oft statt Woblthat Plage (Zustimmung), und mir sind in der Praxis {hon Fälle vorgekommen, wo lediglich darin der wirth- schaftlihe Ruin der Familie lag.

Was nun den Antrag des Herrn Grafen Pfeil betrifft, so ift {on in der Kommission dagegen eingewandt, daß ja ein Fideikommiß- besißer, der niht in der Lage ist, das baare Geld für den dreis- prozentigen Stempel aufzubringen, vorher ein amortisables Darlehn bei irgend einer Landshaft aufnehmen könne. Die Sicherheit wird doch wobl noch unter allen Umständen vorhanden sein; denn das Grundstück soll ja den Reinertrag von 7500 A nahweisen; was braucht der Besißer in dieser Beziehung also Staatshilfe ? Warum soll man si hier dem Vorwurf ausseßen, daß das Herren- haus verlangt, daß der Staat dur seine Garantie die Zahlung der Steuern, die er gefordert hat, sichern sol? Dazu ift ein dringendes Bedürfniß jedenfalls niht vorhanden. Herr Graf Pfeil, der die Sache ja sehr objektiv in der Kommission behandelt hat, hat gesagt: ja, vielleiht leistet der Fideikommißbesizer nahher diese Amortisation nicht wirkli und siebt fie auf seine Nahkommen. Auf eine solche unwirthschaftlihe Handlungsweise hin, die zuglei do eigentli ein Vertrauenëbruch gegen die Nachkommen wäre, kann man doch feine Geseße bauen; da wird doch das Herrenhaus niht der Meinung sein, daß ein Bedürfniß vorliege, solhe Schranken gegen einen einzelnen niht gewifsenhaften Wirth zu legen.

Aber weiter im einzelnen. Man soll ein Darlehn bei der Rentenbank aufnehmen. Unsere Rentenbanken können feine Darlehen geben ; fie sind ursprünglih eingerihtet, um die Ablösung zu befördern und zu erleihtern. Eine Rente ist konstituiert, sie liegt auf dem Grundftück, man verwandelt diese Rente in Kapital, indem man darauf Rentenbriefe ausgiebt, die der Staat garantiert. Auf Kapital- darlehen find die Rentenbanken überhaupt nit eingerihtet. Wir

haben dies Prinzip später ausgedehnt und haben gewisi, | maßen die Thätigkeit der Rentenbanken wieder neu

indem wir damit die Bildung von Rentengütern he, günstigen wollten. Aber auch dort if eine feste Rente radiziert auf Grund und Boden, und diefe Rente wird kapitalifiert. Baare Darlehn giebt die Rentenbank überhaupt nicht.

Wenn der Staat Stundungen unter der Bedingung feste Amortisation geben müßte, und wenn dazu ein dringendes Bedürfniß vorhanden wäre, so brauchte man den Umweg über dje Rentenbanken nicht, dann könnte der Staat das ja maten wie er es bei den Domänenrenten bereits gemaht bat wo man die Rentenbanken überhaupt nicht herangezogen hat. Der Antrag ift au geshäftlich niht richtig geftellt, aber es kommt darauf nicht an. Wenn Sie nun die Wahl haben, einen solchen An. trag anzunehmen, von dem man mit gutem Gewifsen sagen fann: & ist dafür nur ein geringes Bedürfniß in allen Fällen vorhanden, und wenn Sie dur die Annahme eines solchen Antrags nah meiner Ap: ficht in der öffentlihen Meinung auch ich will fagen, die un, begründete Anshauung erwecken, daß hier der Staat zum ersten Mal angehalten wird, seinen Kredit zu interponieren für die Zahlung einer Steuer, die er selbst fordern kann, und Sie dur einen solchen Antrag möglicherweise das ganze Geseß zu Falle bringen: sg glaube ich doch nit, daß es richtig ift, selbst wenn man eine gewisse Hinneigung zu diesem Antrag hat, ihn hier per majora anzunehmen,

Ich appelliere an die hohe Weisheit dieses Hauses und bitte all: Anträge abzulehnen und das Geseß im übrigen, wie es die Kom, mission beantragt, anzunehmen. (Lebhafter Beifall.)

Herr von Diest beantragte, die Verhandlung über den Geseg. entwurf infolge der bedeutsamen Rede des Finanz-Ministers bis Dienêtag oder Mittwoch zu vertagen.

Der Antrag fand indessen niht die nothwendige Unter- stüßung durch 15 Mitglieder des Hauses, die Verhandlnng wurde also fortgeseßt t.

Graf von Zieten-Schwerin: Ich stimme darin mit den Drr Finanz-Minister überein, e ein s{hrankenloses Bilden von

ideikommissen nit wünschenswerth ist. Ich gebe auch zu, daß auf das Zweikammersystem Nücksiht genommen werden muß. Bei einer so shwierigen Sache aber, wie der vorliegenden, ift es sicher nit an- ebracht, ohne einen s{hriftlichen Bericht der Kommission zu ver- handeln. In zwei Tagen is der Entwurf in der Kommission be- handelt worden. Ein Stempel foll keine fortlaufende Steuer sein, Dieses Prinzip wird* hier verlassen, bei Pacht- und Miethsverträgen u. s. w. fehrt der Stempel jährlich wieder. Nun wird gesagt, der Stempel sei minimal; auch beim Ergänzungsfteur- geseß sprach man von dieser Steuer als einer Lappalie. Wei der Veranlagung aber zeigt es sih, daß es sich keineswegs überal um Lappalien handelt. Durch die Stempelsteuer werden auch Otjzkie getroffen, die hon der Einkommen: oder der Ergänzungésteuer unter- liegen. Ich glaube so sehr ich auch die fleißige Arbeit des Ak- geordnetenhaujes anerkenne —, das Richtigste wäre es, den Geseyent- wurf in die Kommission zurückzuverweisen. Freilich würde dann dat Geseß in dieser Sesfion niht mehr zu stande kommen. Wenn aber die jeßige Wirthschaft von 1822 bis 1895 bestehen konnte, würde & auf cin Jahr wohl auch nicht ankommen. Erft vor kurzem haben wir das Einkommen- und Ergänzungsfteuergeseßz beschlofsen und geber schon an eine Aenderung der Geseze. Ich möchte vor einer übereilten Annahme neuer Gesetze warnen.

Ober-Bürgermeister Giese: Meine politisen Freunde haber mich beauftragt, zu erfsären, daß wir die Kommissionévorschläge an- nehmen werden. Die gestellten Anträge haben in der Kommission eingebende Erörterung gefunden. Ein Vorwurf, als habe sie nicht gründlich genug gearbeitet, fann der Kommission niht gemaht werden. Wir haben Anträge, die wir für wünschenswerth erachten, nit ge- stellt, um das Zustandekommen des Gesetzes niht zu gefährden. Ih hoffe, daß das auch von anderer Seite niht geshehen wird, zumal der Herr Finanz-Minister in seiner Rede eine organishe Regelung des Fideikommißwesens in Aussicht geftellt hat. Ih bitte alfo, die zu dem Entwurf gestellten Anträge abzulehnen.

Graf zu Inn- und Knyphausen: Ich möhte in diesem Moment niht die Verantwortung für ein Scheitern des Gefet- entwurfs tragen. Mit Bedauern habe ich gehört, daß die Anträge der Herren Grafen Pfeil und Mirbach das Geseg gefährden könnten, vielleicht könnten wir aber dem in den Anträgen enthaltenen Ge danken in Form einer Resolution beistimmen. Der von freisinniger Seite im Reichstag gestellte Antrag auf Aufhebun Le E ist eine ftarke Provokation, der gegenüber wir die hohe Bedeutung be sonders der bâuerlihen Fideikommisse betonen müssen. Das wäre, wenn die Bildung von bäuerlichen Fideikommissen von jede Stempelabgabe befreit würde, und ih s{chöpfe aus der heutigen Er tlärung des Herrn Finanz-Ministers wenigftens die Hoffnung, daß un der Berechtigung, den Fideikommißstempel zu erlassen, in möglidî großem Umfange Gebrau gemacht wird. f

_Freiherr von Manteuffel: Es liegt mir fern, gegen die Kor mission wegen der Behandlung der Vorlage einen Vorwurf zu er heben. Wir bedauern einzig und allein, daß es n möglich war, einen schriftlihen Bericht zu erstatten. Der Herr Finanz - Minister hat davon gefprohen, das Zweikammersystem seße Kompromisse voraus, und dann die pure Annahme des Geseßes empfohlen. J# komme zu einem anderen Schluß. Wir offerieren dem Abgeordneten hause ein Kompromiß dabin, daß wir dem Geseß unsere Zustimmung ertheilen wollen, wenn eine einzige kleine Aenderung bezügli deé P emps vorgenommen wird. An dem Abgeordneten- ause ist es, dieses Kompromiß anzunehmen. Daß das Geseß daran scheitern würde, befürhte ich nicht, und wenn der per Finanz-Minister meinte, falls das Geseß jeßt nit zu ftande omme, werde kein Minister sich dazu verstehen, die Arbeit noch einmal zu machen, so erkläre ih mich gern bereit, das Geseß als Jnitiatir- antrag einzubringen, freilich mit einigen kleinen Abänderungen be züglih des Fideifkommißstempels. Der Herr L eint roße Agrarrede gehalten, unter deren großen Gesichtspunkten der Staatsministerialbes{luß und das Ee gr ti h vollständig ver- s{wanden. Er hat ausgeführt, daß eine so starke Strömung für die Agrarreform vorhanden sei, daß garniht daran ï denken sei, dieselbe einzudämmen. das der Fa warum sollen wir denn nicht einem der vorliegenden Anträg? zustimmen ? Was die Werthbemefsung betrifft, die der Berechnung des Fideikommißstempels zu Grunde gelegt wird, so halte ich es für ungereht, daß durch die Einbeziehung der vorhandenen Schulden ix die Werthbemefsung ein Stempel für ein Objekt berehnet wird, welches in dem angenommenen Werthe garniht exiftiert. Die E fahr, daß stark verschuldete Fideikommisse gebildet werden, halte id nit für vorliegend; vor einer solhen Frivolität bewahrt uns {a die Gewissenbaftigkeit unserer Fideikommißstifter. Wir begeb® also weder eine Unfklugheit, noch befunden wir Gehässigkeit, wenn n dem Wunsch nah einer Ermäßigung des Fideikommißstempels Arb druck geben. Wir vertreten damit nur unser gutes Recht. raf von Pfeil-Hausdorf: Bei meinem Antrag handelt? es sih niht um eine Ermäßigung des Fideikommißstempels, sondem um die Art und Weise der Aufbringung dieses Stempels. Sold welche den Fideikommißstempel überbaupt niht zahlen können, mödt ih in feiner Weise das Wort reden. Wer ein Fideikommiß stifte, muß aúch den Stempel bezahlen fönnen. Aber die Art und Weise, wie diese Zahlung jeßt erfolgt, {ließt eine Ungerechtigkeit den na eborenen Kindern des Fideikommißstifters gegenüber ein. tempel muß in einer kurzen Frist bezahlt werden, und diese Zabluns erfolgt jeßt von dem angesammelten Vermögen auf Kosten der nad geborenen Kinder. ein Antrag will in dieser Beziehuns

; leichterung schaffen, und ich fann sagen, daß zahl- int Stiftungen von Fideikommifsen nur darum zurückgehalten werden, weil man die Annahme meines Antrags erwartet. Der Herr Finan Minister sagt, die Fideikommißstifter könnten \sih auf andere Weise das nöthige Geld beschaffen, jo durch die Landschaften. e Institute bestehen aber nit überall, und zudem bietet die JInanspru zahme der Landschaften noch andere Schwierigkeiten, welhe bei den Rentenbanken fortfallen. Der Herr Finanz-Minister hat ein organi- hes Geitl, erte Regelung des Fideikommißwesens, angekündigt. Ser ie Mitglieder der Regierung wechseln, und diese Zusage bietet uns feine Sicherheit. Die vorliegenden Anträge sind kleine Anträge

annt worden. Nun, an solchen kleinen Anträgen wird das große Stempelfteuergeseß gewiß nit scheitern. Ae

Herr von Leveßow: Ih muß die Kommission in Schuß hmen. Wenn fie die Vorlage erjt vor drei Tagen in die Hand be- fommen bâtte, so bâtte sie ja vor einem unübersteiglihen Berge stehen müssen. Aber die Kommission hat sich bereits vor drei Monaten ge- bildet ; sie trat vollkommen informiert an ihre Arbeit heran, da alles im Abgeordnetenhause eingehend besprochen worden war. Daher fonnte sie sehr gut alles so s{chnell erledigen. Es ift beklagt worden, daß fein sriftliher Bericht der Kommission vor- liegt. Es ist dieses durchaus nit Regel. Es hat dies auch niemand beantragt, uxrd ic glaube, daß nicmaud Lust bat, noch weiter in dea Scmmer hinein hier zu per, und ein sc{riftliher Bericht würde eine Verlängerung der Session um mindestens aht Tage be- deuten. Die Kommission hat die Gesezesvorlage fehr eingehend ge- prüft und if zu einer einstimmigen Einigung gelangt, bis auf den einen Punkt, die Taufziffer 24. Nun, so wichtig ist dieser Punkt auh nicht, daß von ihm das Wohl und Wehe des Vater- landes abhängig is. Wenn es sich dabei noch um die Einführung cines neuen Fideifommißstempels handelte aber es soll ja beim Alten bleiben. Wenn dur das Geseß eine Mehreinnahme von zwei Millionen erzielt werden sollte, so habe ih nichts dagegen. Jh weiß faum etwas am Geseß zu ändern, obwohl auch meiner Ansicht nach der Fideikommißstempel zu hoh bemessen ist. Die Analogie des Verkaufs- ftempels paßt nicht hierher, {hon aus dem Grunde nit, weil heim Fideikommiß der Stempel vorausbezahlt wird und die Zinsen eine bedeutende Summe ausmachen, um die somit der Stempel er- höht wird. Gegen den Antrag von Mirbach muß ih mi aber wenden. Ebenso auch gegen den Antrag Pfeil. Dieser hat keinen rechten Effekt, denn die Rentenbanken find keine Darlehnskafsen. Eine “iti der Vorlage an die Kommission halte ih für sehr ¡iwecklos. # Referent Professor Dr. Damba ch: Nachdem Herr von Leveßow die gegen die Kommission erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen hat, môhte ih nur hervorheben, daß troß der Abstimmung en bloc do auf die einzelnen Positionen eingegangen worden ift.

Damit wurde die Generaldebatte geschlossen.

Freiherr von Bodenhausen zog nunmehr seinen Intrag zurüd, desgleihen Graf von Zieten-Schhwerin zen Antrag des Grafen von Mirbach in dessen Yamen.

In der Einzelberathung wurde die Tarifstelle 24 (Fidei- fommißstem pel) vorangestellt. Es nahm dazu das Wort

Graf von Klinckowstroem: Nachdem der Antrag des Grafen Mirbach zurückgezogen ist, bleibt nur noch der Antrag des Grafen

feil, der den Stempel in Höhe von 3 9/9 voll bestehen läßt, nur die

lung desselben dadur erleichtern will, daß der Stempel allmählih etistert und der Stifter eines Fideikommisses dadurch in den Stand geseßt wird, den Stempel zum theil auf seine Nachkommen zu übertragen. Der Herr Finanz-Minister hat gegen den Antrag wenig einzuwenden gehabt ; er meinte nur, der Stifter eines Feidei- fomisses fônne eine amortisable Hypothek aufnehmen und davon den Etmpel zahlen. Wir aber wollen eine Rehts\huld, keine Hypotheken- uld, bei der die Gefahr nabeliegt, daß die Zahlung der Amortisa- tionsquoten eingestellt wird. Wir halten an dem Antrage fest, gegen den sich ja auch die Regierung nit erklärt hat.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Um keine Mißverständnisse auffommen zu lassen, die aus der Rede des Herrn Grafen von Klinckowstroem hervorgehen ünnten, von dem ih bedaure, daß er meine Ausführungen nit richtig verstanden oder, wie ih annehme, nicht gehört bat, möchte ih dagegen entshieden mich wenden, daß Herr Graf von Klinckowstroem annimmt, ih bâtte eigentli feine wesentlihen Bedenken gegen den Antrag des Herrn Grafen von Pfeil vorgebraht. Ich habe, glaube ih, das stärkste dagegen vorgebracht, nämli, daß der Antrag zwar völlig unnöthig, aber auch höchst gefährlich if (Heiterkeit) gefährlich mit Rücksicht auf das Zustandekommen des Gesetzes, genau fo wie der zurückgezogene Antrag des Herrn Grafen von Mirbach. Was nun jeßt Herr Graf Klinckowstroem sagt, trifft doch in keiner Veise zu und kann niht durhs{lagend sein. Darüber kann doch fein Zweifel sein, daß ein Fideikommißstifter, ehe die Fideikommiß- urfunde vollzogen wird, das Recht hat, bei den Landschaften ein amortisierbares Darlehen aufzunehmen und allmählih zu tilgen. Nun wird gesagt: ja wenn nun aber der Mann si allmählich einen Fonds ansammelt, wie er bei den Landschaften üblich ist, so kann er denselben wieder in seinem Privatnußen verwenden, und die Fideikommißs{chuld wird niht amortisiert. Vorher war die Deduktion des Herrn Frei- herrn von Manteuffel eine andere: nämli zu sagen, daß ein vernünf- tiger anständiger Mensh ein bochvershuldetes Fideikommiß machen würde, das könne man dem Fideikommißinhaber garniht zutrauen. Venn eine Kautel hier nothwendig wäre, könnte es auch auf dem Verwaltungswege gesehen, und wenn wirkli in dieser Beziehung Anträge an das Ministerium kämen, bei Genehmigung von Fidei- tommißurkunden den Verzicht auf eine solhe Unterbrehung der Amortisation zu verlangen, so wäre das nicht schwer. Dazu brauchen wir also diese ganzen Bestimmungen nicht.

Meine Herren, es ist, glaube ih, von dem Herrn Berichterstatter nit Recht hervorgehoben, daß die Sache so, wie sie hier in dem Intrag steht, überhaupt nit geordnet werden fann. Aber Herr Graf ton Klinckowstroem hat durchaus Unrecht, wenn er meint, dann hätte i? Kommission das verbefsern sollen. Nein, die Sache war nicht zu bessern; (sehr rihtig!) Sie fönnen beispielsweise nit ein neues fiotbuch mahen. Wie wollen Sie das Grundbuch plöglih von ute auf morgen einführen in den Provinzen, wo es noch garnicht steht? Es soll die Rentenbank ein Darlehn geben. Ih fordere le diejenigen hier im Hause auf, welhe die Rentenbank md ihre Verfassung kennen, zu sagen, ob das möglich is. Die Rentenbank hat gar fein Kapital. Woher soll sie die Mittel be- fommen ? Die Rentenbank findet nur Renten, die auf Grund und Vcden haften, und giebt dafür vom Staate garantierte Rentenbriefe Wê. Wenn der Antrag gänzlih von der Rentenbank abgesehen hätte, dann würde die Sache vielleiht noch eher praktisch durchführbar ge- wesen sein.

Ih glaube also, es kann niht gesagt werden, daß ih gen den Antrag nicht viel gesagt hätte. Ich wiederhole: ih balte ihn in keinem Fall für nöthig. Der Zweck4z die Erleichterung der Fideikommißstifter, den Herr Graf von Pfeil im Auge hat, kann au so, namentlich in den alten Provinzen, wo die Sache wesentli in Frage kommt, mittels der landschaftlichen oder sonstiger

amortisabler Darlehen erreiht werden, und man soll nit ein so wichtiges Gesez, welches ih wiederhole es in feinem anderen Punkte bisher irgend eine Anfechtung gefunden hat, niht gefährden auf Grund eines Antrags, von dem man wirkli sagen muß, er ift für den Zweck nicht erforderlih. In der heutigen Zwangslage, wo die gegnerishen Parteien in ihren Blättern deutli genug andeuten: shickt das Herrenhaus das Geseg an das Abgeordnetenhaus zurü, so wird ausgezählt, und das Geseg if hinfällig geworden in einer solden Zwangëlage möchte ich das hohe Haus wiederholt dringend bitten, den Antrag nicht anzunehmen.

Meine Herren, Freiherr von Manteuffel das möhte ich bei dieser Gelegenheit noch nahholen hat gemeint: was schadet es, wenn ein solhes Geseg nicht zu stande kommt. Das nähste Mal- würde aus der Initiative des Hauses selb ein Gesez gemacht werden können. Ih möhte Herrn Freiherrn von Manteuffel, der do ein sehr erfahrener Mann ift in den parlamentarishen Verband- lungen, fragen, ob er glaubt, daß das so leiht if, über 100 verschiedene Positionen eine Verständigung zu erzielen. Die Stimmung fann ja im näâhsten Jahre ganz geändert sein. Der Herr Ober-Bürgermeister Giese hat mit großem Recht gesagt, wir haben au viel aufgegeben, wenn wir hier ftillschweigen und feine Anträge stellen. Früher war die Klage berehtigt, daß der Grundbesiß bei der Veräußerung im Stempelwesen überlastet sei. Nachdem aber die erste Börsensteuer im Reih gemacht ist, nahdem die Wechsel- ftempelsteuer eingeführt ist, nahdem die erste Börsensteuer verdoppelt ist, nahdem wir nahezu 40 Millionen davon einnehmen, da hat die ganze Sache ein anderes Gesicht bekommen. (Zuruf: Ja, gewiß!) Aber noh mehr, meine Herren, in diesem Gesey selbst könnten, wenn man sich üker Mehrbelastung beklagen wollte, die Herren des gewerblihen Lebens, der Handel und das Gewerbe, sich auch beklagen über Erhöhungen ; lesen Sie nur das Kapitel über die Gesellshaftsbildung. Hier aber ge- schieht weiter nihts, als daß der beftehende Stempel vorläufig bleibt, Ich möchte daher die Meinung des Herrn Freiherrn von Manteuffel, daß es fo leiht wäre, ein solhes Geseß auf den Berg, auf den es nunmehr gebracht ist, noch einmal binaufzuwälzen, nicht aufkommen laffen.

Ober - Bürgermeister Struckmann und Ober - Bürgermeister Bedcker baten im Interesse deL Toms des Gejeßzes den Grafen Pfeil, seinen Antrag zurückzuziehen.

Jn namentlicher Abstimmung wurde der Antrag des Grafen Pfeil mit 64 gegen 55 Stimmen abgelehn t.

Der Tarif und der Geseßentwurf wurden sodann auf Vorschlag des Ober-:Bürgermeifsters Becker en bloc an- genommen.

Die von der Kommision beantragten Resolutionen gelangten ebenfalls zur Annahme.

Die Gesezentwürfe, betreffend die Erbschafts steuer und die Bewilligung von Staatsmitteln zur Ver- besserung derWohnungsverhältnisse von Arbeitern, wurden ohne Debatte angenommen.

Namens der Budgetkommission berichtete Herr von Reinersdorff kurz über die Denkschrift, betreffend die Durchführung des Großschiffahrtsweges dur den Breslauer Stadtbezirk. Die Kommission beantragte, die Denkschrift durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären.

Graf von Frankenberg: Das jeßt endlich zur Ausführung kommende Projekt der Breslauer Oderkanalisierung halte ich für keine Verbesserung des früheren, denn der Großschiffahrtsweg soll nur 3 km ftatt 6 km Länge erhalten, und ferner wird er bei Hochwasser nit passierbar sein. Es ift aus dem Bericht nicht klar zu ersehen, ob die neue S(hleuse immer passiert werden muß oder ob fie nur bei Hochwasser funktionieren soll. Jedenfalls if eine solhe Schleuse immer ein Hinderniß. Im leßten Abschnitt ist für mich der folgende Say dunkel: „In dem Abkommen is der Wunsh der Stadt Breslau wegen künftiger Entlastang von der sie gefährdenden Hoch- wassermenze Rechnung getragen und zu diesem Behufe von der Stadt- bauverwaltung die Verpflihtung übernommen worden, die Möglichkeit der Vermehrung der Hochwasierführung durch die Alte Oder um 200 cbm in der Sekunde aufrecht zu erbalten.“ Ich entnehme daraus, daß die Staatsregierung für die Zukunft eine noch größere Entlaftung der Stadt vom Hochwasser in Aussicht genommen hat. Das wird in dem vorbezeihneten Umfange nicht billig sein, und die Hoffnung auf eine Ersparniß, die der Bericht ausspricht, wird sich {werlich erfüllen. Ferner möhte ih mein Bedauern aus- sprechen, daß der Kanal doch niht so breit ausgeführt werden soll, daß überall zwei Schiffe aneinander vorüberfahren können. Mir ift

esagt, daß an sechs Stellen, d. h. in Zwischenräumen von 6 km, Ausweicheftellen angelegt werden sollen. Das ift für die große Schiff- fahrt auf der Oder ein Hinderniß, das später zur Verbreiterung des Kanals nöthigen wird, und es werden sih hier die finanziellen Er- fahrungen, die man beim Kanal von Fürftenwalde nah der Spree gemacht hat, wiederholen. j E :

Geheimer Ober-Baurath Keller erwiderte, daß die Schleuse

nur eine Fluthsleuse sein soll, die fortwährend geöffnet und nur dann geschlofsen wird, wenn Hochwafser vom Kanal abgehalten werden muß. Die Entlastung der Stadt Breslau vom Hochwasser solle durch Erweiterung des Strauhwehrs geschehen. Man habe zu diesem Zweck die Profile entsprehend gelegt und die Dämme entsprechend eshoben. Die ganze Anlage werde sich billiger gestalten, weil das Ziel etwas eingeshränft worden sei. Ausweichstellen befänden si nit bloß an sechs Stellen, sondern es beständen noch Privatanlagen von Adjazenten, die außerhalb des Fahrwassers Ausladestellen für ihre Güter auf eigene Kosten eingerihtet haben. 5

Das Haus {loß sich dem Antrage der Kommission an.

Die Nachweisungen über die in den beiden Etatsjahren vom 1. April 1893/94 und 1894/95 auf Grund des Gesetzes vom 14. Zuli 1893 zu Elementarschulbauten gewährten Staatsbeihilfen wurden dur Kenntnißnahme erledigt.

Die Budgetkommisfion berichtete hierauf über die Nech- nungen der Kasse der Ober-Rechnungskammer für das Jahr vom 1. April 1893 bis 1894. Auf Antrag der

- Kommission wurde über die Rechnungen, soweit dieselben si

auf die preußische Verwaltung beziehen, in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten Decharge ertheilt. Dieselbe Kommission beantragte, über eine Petition von Verwaltungs- beamten der Orts-Krankenkassen und Berufsgenossenschaften in Berlin um Gewährung des Steuerprivilegiums der Staats- beamten zur Tagesordnuazg überzugehen. Das Haus beschloß dem Antrage gemäß. O : Auf Antrag der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten wurde über eine Petition um Erwirkung ermäßigter Güter- tarife auf den preußishen Staatseisenbahnen für die e rung von Futtermitteln und Saatgetreide, welhe von Land- wirthen für den eigenen Wirthschaftsgebrauh bezogen werden, zur Tagesordnung übergegangen. Schluß der Stun l Uhr. i

Nächste Sitzung : Dienstag 11/2 Uhr. (Jagdscheingeseßt.)

Haus der Abgeordneten.

88. Sizung vom Montag, 8. Juli. E den Beginn der Sigzung ist gestern berichtet worden.

Den enen Gegenftand der Tagesordnung bildete die Berathung des in abgeänderter Fassung vom Herrenhause Ur SGREIENSNE Geseßentwurfs, betreffend die Abände- rung und Ergänzung einiger Bejtimmungen des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893.

Art. 1 des Geseßentwurfs wurde in der ihm vom Herren- hause gegebenen Fafsurg angenommen.

Im Art. 2 S 50 hat das Herrenhaus einen Sag ein- geschaltet, der ausdrüdlich feststellt, daß der für das Gesammt- einkommen berechnete Steuersaß auf die vershiedenen Wohnsiß- gemeinden des Zensiten nah der Zahl derselben gleihmäßig vertheilt wird.

Abg. Im Walle (Zentr.) hielt den Zusay für überflüssig, weil der § 49 son eine entsprehende Bestimmung enthalte.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Noell bemerkte, der Zusag sei nothwendig, weil der § 49 nur das Verhältniß zwishen Wohnsißgemeinden und Forenfalgemeinden regele, in § 50 es si aber um das Verhältniß Bon mee zu Wohnsißgemeinde handle. E t A Gesegßentwurfs wurde darauf gleichfalls in der Faffung des Herrenhauses angenommen.

Damit war die Tagesordnung erledigt.

: gr von Köller erklärte sodann, es sei ihm niht mögli, eine ZageSordnung für eine näste Sißung festzustellen, bevor die noch auéstebenden Entscheidungen des Herrenhauses über die dort zur Ver- handlung kommenden Gegenstände gefallen seien. Er werde daher die nächste Sißung nah den Umständen anordnen. _ Abg. Freiherr von Heereman (Zentr.) bemerkte: wohl allseitig sei das Gefühl im Hause verbreitet, daß es bedauerlich sei, daß so viele Petitionen unerledigt blieben. Das Petitionsreht sei ein ver- fafsungsmäßiges Recht; es werde aber illusorisch gemacht, wenn das arlament die eingegangenen Petitionen garnit in Berathung nehme. ie Schuld an diesem in der abgelaufenen Session besonders stark hervorgetretezen Uebelstand liege auf verschiedenen Seiten. Einmal habe man im Hause zu viel und zu lang über Dinge gesprochen, die mit einer kürzeren Verhandlung abgethan gewesen wären. Noch mehr Schuld aber trefe die Regierung, wel: wichtige Vorlagen erst in einem sehr vorgerückten Stadium der Session eingebracht habe, und er glaube im Namen des ganzen Hauses zu sprehen, wenn er die Bitte an die Staatsregierung richte, solhe Vorlagen früher zur Verhandlung zu stellen. Für eine ruhige und sachgemäße Behandlung der Petitionen sei es jegt zu spât, obwobl verschiedene derselben eine sorgfältige Prüfung verdienten, so namentli die Petitionen betreffs der Sicherstellung der Forderungen der Bauhandwerker. Er hoffe, daß man in der nächsten Session dur eine forgfältigere Einhaltung der Shwerinstage und eine größere Fürsorge für die Petitionen eine Wieterkehr des jeßigen Uebelstands vermeiden werde.

Abg. von Eynern (nl.) {loß sich diesen Ausführungen an, war aber der Ansicht, daß die Regierung an dem Mißstande weniger Schuld trage als das Haus selbst, welches von den Mitgliedern mit Initiativanträgen übershüttet worden sei.

Präsident von Köller wies darauf hin, daß die Geschäfts-

ordnung der Berathung von Petitionen enge Grenzen ziehe, da die Petitionen und Jnitiativanträge nur in der Reibenfolge zur Be- rathung kämen, in der sie für die Behandlung im Plenum fertig ge- stellt würden. _ Abg. von Dett en (Zentr.) war der Ansicht, daß die Unzu- friedenheit im Lande über die Behandlung der Petitionen dur das Haus allgemein sei. Es sei dringend nothwendig, hier Remedur ein- treten zu laffen.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.) theilte den Wunsch des Abg. Freiherrn von Heereman, daß die Regierung wichtige Geseßentwürfe möglichit frühzeitig einbringe, und sprach die ula aus, daß in der nâhsten Session dur eine strengere Ein-

altung der Shweriustage eine Besserung herbeigeführt werde.

Schluß der Sißzung 121/, Uhr.

Kunft und Wissenschaft.

Sechsunddreißigste Plenarversammlung der historishen Kommission bei der Königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bericht des Sekretariats.

München, im Imi 1895. Die Plenarversammlung hat

s Allerhöhstem Befebl in der Pfingftwohe am 7. und

. Juni stattgefunden. Der Vorftand der Kommission, der

Wirkliche Geheime Rath von Sybel, Excellenz, war au diesmal durch Unwohlsein und ärztlihe Anordnung gehindert, die Reise nah München zu unternehmen. Den Statuten gemäß übernahm der Sekretär der Kommission, Professor Cornelius, die Leitung der Verhandlungen, an welchen außer ihm folgende ordentliche Mitglieder theilnahmen: die Geheimen Regierungs-Räthe Dümmler und Wattenbah und Profeffor Lenz aus Berlin, der Geheime Rath von Hegel und Profeffor von Bezold aus Erlangen, Pro- fessor Huber aus Wien, Professor Meyer von Knonau aus Zürich, der Geheime Hofrath von Rockinger, der Geheime Rath von Maurer, der Ober-Konsistorial-Rath Preger, der Ober- Bibliothekar Riezler, die Professoren Heigel, Stieve und Lossen von hier; ferner die außerordentlihen Mitglieder Professor Quidde von hier und Dr. Wrede aus Göttingen.

Seit der leßten Plenarversammlung, Mai 1894, sind folgende Publikationen durch die Kommission erfolgt :

1) Allgemeine deutshe Biographie. Bd. XXXVI1I, Lieferung 2 und 3. Bd. XXXVT111. Bd. XXX1X, Lieferung 1, 2, 3.

2) Chroniken der deutschen Städte. Bd. XXIIl: Bd. IV der Chroniken der Stadt Augsburg.

n E und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Kriegs.

Die Hansereze sse werden mit dem nähften, dem 8. Band, abschließen. Derselbe ift so weit vorbereitet, daß der ausgeber, Dr. Koppmann, im August den Druck zu beginnen hofft.

Die Chroniken der deutschen Städte, unter der Leitung des Geheimen Raths von Hegel, sind bis zum 24. Band fort- geschritten, dem dritten und leßten in der Reihe der niederrheinischen und westfälishen Städtechroniken. Derselbe ist im Druck begriffen. Er wird Auszüge aus den Stadtbüchern von Soest und die von dem Priester Johann von Wassenberch verfaßte Chronik von Duisburg in den Jahren 1474—1517 enthalten, beides von Ardivar Ilgen in Münster bearbeitet, welher auch eine Geschichte der Ver- fafsung von Soest hinzufügen wird.

Die Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Otto Il. und Otto II1. hofft Dr. Ublirz im Laufe des Jahres 1896 druckfertig zu stellen. Die Arbeit für die Jahrbücher unter Heinrih 1V. und Hein- rich V. bat Profeffor Meyer von Knonau unterbrehen müssen, um Zeit für die Biographie Georg's von Wyß und die Herausgabe von dessen Werk über die Geschichtsschreibung der Schweiz zu ewinnen. Er wird sih jeßt wieder dem dritten Band seiner Jahr- üher zuwenden. Dr. Simonsfeld arbeitet fortdauernd für die Jahrbücher unter Friedrih 1. Die Arbeit für die Jahrbücher unter

riedrich Il. liegt in den Händen des Geheimen Hofraths inkelmann. A

Von der Geschichte der N Ol T iten in Deutschland sind noch im Rückstand die Geschichte der Geologie vom Geheimen Rath von Zittel, die Geschichte der Physik von Frmelar Karsten und die von Professor Landsberg übernommene Vollendung von Stintzing's