1914 / 140 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Jun 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Schweden vom Schloß Eberstein zur Beglückwünschung nah dem Schloß Baden, wo das \hwedishe Königspaar, wie ge- meldet,. gegenwärtig weilt, und kehrten gegen Abend von dort nah Schloß Eberstein zurück.

In der gestrigen Vormittagssizung der Zweiten Kammer erklärte der Minister des Jnnern von Bodman, wie „W. T. B.“ meldet, daß sich die Regierung mit tunlichster Beschleunigung überzeugen wolle, ob sie die Mitwirkung Elsaß- Lothringens und der Schweiz bei dem Plan der Schiff-

“barmachung des Rheins von Straßburg bis Basel

erlangen könne. Jm Falle dieser Zustimmung wolle die Re- gierung sofort mit| der Beratung des Plans beginnen. Das Haus nahm darauf die geforderte Summe von insgesamt 40 000 M einstimmig an.

Mecklenburg-Streliß.

Gestern nahmittag hat für Seine Königliche Hoheit den verstorbenen Großherzog Adolf Friedrich in der Schloßkirche in Neustreliß, wo der Sarkophag aufgebahrt war, eine Trauerfeier stattgefunden, an der, wie „W. T. B.“ meldet, außer der Großherzoglichen Familie Seine Majestät der Kaiser und König, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg- Schwerin, Seine Hoheit der Herzog von Anhalt, Seine Hochfürstl iche Durchlaucht der Fürst zu Shaumburg-Lippe, Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der Prinz Adalbert von Bayern, der Prinz Johann Georg von Sachsen und' der Herzog Nobert von Württemberg, Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Max von Baden, Vertreter der anderen Bundesfürsten und der Freien Städte, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich der Niederlande, Seine Durchlaucht der Erbprinz von Hohenzollern, ferner der englische, der italienishe und der spanische Botschafter, der dänische und der belgische Gesandte sowie Vertreter Seiner Majestät des Kaisers von Rußland, Jhrer Königlichen Hoheiten der Großherzogin von Luxemburg und des Herzogs von Cumberland, der Gesandte von Bülow als Vertreter des Reichskanzlers, die Hofchargen, die Ritterschaft und die Großherzoglichen Beamten, der kommandierende General des IX. Armeekorps, Generalleutnant von Quast, militärische Abordnungen u. a. teilnahmen. Die Feier wurde mit dem Gemeindegesang des Chorals: „Jesus, meine Zuver- sicht!“ eingeleitet. Nachdem dann der Kirchenchor „Jch habe nun überwunden Freuden, Leiden, Angst und Not“ gesungen hatte, hielt der Hofprediger und Landesfuperintendent Horn die Gedenkrede, der er die Worte aus Johannis Kap. 15 Vrrs 16 zugrunde legte: „Jch habe Euch geseßzt, daß Jhr hingehet und Frucht bringet und Eure Frucht bleibe.“ Der Redner entwickelte ein leben8volles Bild des verstorbenen Großherzogs als Christ, Mensch, Landesherr und deutscher Fürst. Der Gesang des Chores: „Selig sind die Toten!“ beschloß die Feier.

Großbritannien und Frland.

Jn der gestrigen Sißung des Oberhauses lenkte Lord Lansdowne die Aufmerksamkeit auf den Ernst der Lage in Jrland und auf die Verzögerung der Einbringung der Ab- änderungsbill durch die Regierung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte Lord Lansdowne, wenn der Lordgeheimsfiegelbewahrer Crewe die Abänderunge bill einbringen wolle, (die die allgemeine Unterstüßung seiner Partei habe, unb die nah der Meinung der Berater Crewes dem Zwecke, einen Bürger- krieg abzuwenden, entsprehe, würden die Lords die zweite Lesung annehmen und einwilligen, ihre Bestimmungen im einzelnen zu beraten, welche Form die Bill auch angenommen haben möge. Der Widerstand der Unionisten jedoch gegen die Homerule- Bill sei unges{chwädGt und unversöhnlih. Lord Lansdowne \chloß, die Unionisten würden keine Verantwortung für Homerule übernehmen, und wenn sie si{ch der Abänderungsbill nicht widerseut hätten, so set dies deshalb geschehen, weil sie alles willkommen h-:ißen wollten, was die Härten und Ungerechtigkeiten, die Homerule mit sich bringen würde, mildece, und wetl sie als Bürger gewillt seien, ein Opfer zu bringen, um die Schrecken eines Bürgerkrieges zu vermeiden. Das Mitglied des Kabinetts Crewe erklärte, die genaue Form, in welcher die Zusaßbill eingebraht werden würde, sei nicht von Belang, da die Lords sie auf jede von ihnen gewählte Weise verwandeln und ans Unterhaus senden könnten. Dort werde dann die weitere Er- örterung stattfinden, die, wie er hoffe, zu der Annahme der Maß- nahmen in einer Form führen werde, die, wenn auch nit für jeder- mann annehmbar und in mancher Hinsicht vielleiht für niemanden, auf alle Fälle alle Beteiligten beruhtgen werde. Hinsichtlich der Frei- willigen führte der Ministec aus, daß, wenn die Regierung ih zurük- halte und sich niht einmenge, dies in hohem Grâde von der Tatsache abhänge, daß Leben, Eigentum und die öffentlile Ordnung dur das Vorhandensein dieser Streitkräfte bisher niht gefährdet worden seien, und er hoffe, daß es dabei bleiben werde. Die Gefahr eines Zusammenstoßes könne nicht verkannt werden. Aber die Gefahr eines Zusammenstoßes sei wesentli gemindert durch die Tatsache, daß keine der. beiden Streitkräfte den Wunsch bege, mit der anderen zusammen- zustoßen. Die Zusaßbill werde er zu Beginn der nächsten Woche einbringen.

Im Unterhause standen gestern Anfragen auf der Tagesordnung.

Nah dem Bericht des „W. T. B." fragte der Liberale

Wedgwood, ob die Regierung jemals offiziel oder inoffiziell, mündlich oder fchriftlich der französischen Regierung oder dem franzö- fischen Kabinett, einem Minister oder sonst irgend einem französischen MNegterungsbeamten gegenüber zu verstehen gegeben habe, daß sie an dem Geseß über dte dreijährige Dienstzeit interessiert oder über seine Annahme erfreut gewesen sei, oder daß fie besorgt sein würde, wenn das Gesey aufgehoben werden würde. Der Staats- sekretär des Auswärtigen Amtes Grey sagte in seiner Antwort, die . Anfrage set in so weiten Ausdrücken gehalten, daß er fie nur ver- neinen könne, soweit er unterrichtet sei. Es sei ganz und gar nicht die Sache Englands, Frankreich irgend eine Ansicht über das Dreijahrs- geseß anzubieten oder zum Ausdruck zu bringen.

Auf einige an die Negterung über die Streitkräfte der nattionalistischen Freiwilligen gestellten Anfragen erklärte der Chefsekretär für Jrland im Auswärtigen Amt Birrell, die Streit- kräfte hätten um ungefähr 15000 Mann wöchentlich zugenommen, aber er habe feine genaue Kenntnis über die Zahl der Gewehre, die sie besäßen. Der Premierminister Asquith sagte, er halte es nicht für wünschenswert, irgend eine Erklärung über die Maßnahmen abzugeben, die getroffen werden sollten, um die Durchführung des Verbots der Einfuhr von Waffen zu erzwingen, aber diese Maßnahmen würden in Jrland allgemein zur Anwendung kommen, und er hoffe, daß sie überall Wirkung haben würden.

Frankreich.

Der Ministerrat hielt gestern vormittag im Elysée eine Sizung ab, in der die Fassung der ministeriellen Er- klärung gebilligt wurde. Jan dieser Erklärung heißt es, wie W. L. B.“ meldet:

Die Negterung wolle thre Autorität nur auf eine aus\{ließlich republikänishe Mehrheit stüßen und weder direkt noch indirekt die

Unterstüßung der reaktionären Parteien annehmen. Sie versichere, daß ihr näckstes Werk die Anlethe sei, die noch vor dem Budget genebmigt werden müsse. Dann aber werde sie dem Senat die Vorlage, die von der Kammer bereits angenommen worden sei und die eine progressive Steuer auf das Gesamt- einkommen fordere, vorlegen und den Senat gleichzeitig bitten, diese Vorlage in das Finanzgeseß von 1914 etnzufügen. Sie beabsichtige, in das Budget für 1915 eine progressive Steuer auf das Kapital aufzunehmen. Die Regierung werde, heißt es weiter, es als eine ihrer höchsten Pflichten betrahten, in der von der Republik seit so vtelen Jahren verfolgten äußeren A zu beharren. Sie werde das Bündnis fördern, das fruchtbar fei an glücklichen Erfolgen, erprobt und gefestigt durch die Zeit und dur die Sympathien, die zwei Völker verbinden, die alle beide am Frieden hängen. Die vollkommene Uebereinstimmung, die zwischen Frankretch und einer mächtigen Nachbar- nation bestehe, und der jüngst erfolgte Besuch hätten von neuem und offensichtlich die Beziehungen der Republik zu den anderen Negie- rungen bekräftigt. Frankreih \{chöpfe niht nur aus diesem Bündnis

‘und aus dieser Ent-nte, aus diefen guten Beziehungen seine Kraft,

es chöpfe fie aus fich selbst. Das Parlament habe das Geses vom 7. August 1913 über die Verlängerung der militärishen Dienstzeit angenommen. Seine Beratung sei beftig und lang gewesen, aber es sei angenommen. Dieses Gese genüge nicht für #ch allein, um die Ver- teidigung des Landes zu sichern. Die Negterung werde binnen kurzem eine Gruppe von Geseßvorlagen einbringen, unter denen die wichtigsten sein werden : eine Vorlage über die militärische Vorbereitung der Jugend und über die Reorganisation der Neserven. Diese Vorlagen hätten den Zweck, die Defensivkraft einer Nation zu: verstärken, die das allgemeine Recht achte und stets nur darauf bedacht wäre, ihre Herde, ihre Freiheiten und ihre Würde zu {üßen. Erst nach der Annahme und Anwendung dieser Vorlagen und nachdem ihre Anroendung ihre Wirk- samkeit gezetgt habe, werde eine Regierung, indem sie gleihzeitig den Er- gebnissen der Erfahrung und den Notwendigkeiten der nationalen Ver- teidigung Rechnung trage, etne teilweise Erleichternng der milttäris{chen Lasten vorshlagen können. Bis dahin werde die Regierung sich unter der Kontrolle des Parlaments an die genaue und loyale Anwendung des Gesetzes halten. Die Erklärung des Kabinetts bestätigt dann die Notwendigkeit einer Wahlreform - in UÜeber- einstimmung mit der republikanishen Partei der betden Kammern und fährt fort: Die Negierung werde gleichzeitig die Verteidigung des Laitenstaates \sicherstellen. Sie wolle eine Republik, die ebensoweit von der Verfolgung ihrer Gegner entfernt sei, wie von der Schwäche, aus der die Feinde Nußen ziehen könnten. Die Negterung werde sich in tätiger Weise der sozialen Reformen an- nehmen.

Im weiteren Verlauf des Ministerrats gab der Finanz- minister No ulens ein Exposé über die Finanzlage und kün- digte die Einbringung eines Gesetzentwurfs über eine 31/5 pro- zentige Anleihe gleih nah der Besprechung der Juterpellation über dieallgemeine Politik des Ministeriums an. Der Anleihegeseß- entwurf fordert die Ermächtigung zur Emission von 31/» prozentiger Rente bis zum Betrage von 805 Millionen Francs, von denen 800 Millionen für Heer und Marine und 5 Millionen für die Ausgabespesen bestimmt sind. Da das Heeres- und Marine- programm 1 800 000 000 Francs erfordert, wird eine weitere Milliarde vom öffentlihen Kredit verlangt werden. Der Ent- wurf spriht weder von dem Zeitpunkt noch von den Be- dingungen dieser Anleihe, doh wird angenommen, daß sie 1915 erfolgen wird.

Jn der gestrigen Sißung der Deputiertenkammer verlas der Ministerpräsident Viviani die obige Erklärung des Kabinetts, worauf der Abg. Thierry Cases (Ge- einigter Radikïaler) das Wort zu einer Jnterpellation ergriff und die Rüklehr zum Zweijahresgesez fordere.

In Beantwortung der Interpellation erklärte der Ministerpräsi- dent Bivtani, er nehme, ebenso wie Ribot dies getan habe, die Macht nur an, um die gegenwärtigen Schwierigkeiten, besonders die- finanziellen, zu überwinden, und sprach sich dann über die von der Negierung beschlossenen finanziellen Maßnahmen aus. Im Budget für 1915 werde er von den Besißenden verlangen, die militärisWen Lasten zu tragen, die ihnen zukämen. Viviant erinnerte daran, daß das Militärgeseß an- genommen worden sei, um auf die mächtige Anstrengung eines Nachbar- landes zu antworten und um dieser eine mächtige Anstrengung Frankrelchs entgegenzuseßen. Aber kein Geseg set unantastbar. Was unantastbar sei, set der Grundsaß der Gleichheit aller im Dienste. Der Ministerpräfident legte dar, daß das ganze milttärisße Geseg unbedingt am Tage nach seiner Beröffentlihung anzuwenden sei. Die mit dem Oreijahres- geseße zusammenhängenden Maßnahmeny könnten niht angetastet werden, so lange andere Maßnahmen uicht beständen und erprobt seien. Es genüge nicht, die Geseße, die eine Erleichterung der mili- tärishen Lasten vorbereiteten, zu beschließen oder anzuwenden. Die jungen Leute müßten hinaus ins Manövergelände und auf die Schießpläßze. Vorher könne keine teilweise Erleichterung ge- währt werden. Der Ministerpräsident legte Gewicht darauf, mitzutellen, daß, falls er im Oktober 1915 noch die Macht in Händen habe, er den Jahrgang niht entlassen werde. Biviani wandte sich an die. äußerste Linke mit der Frage, ob die Demokratie ihr nur das - eine Pandat gebe, in der ganzen Gesetz- gebung nur die Militärfrage zu betreiben, ging dann das Steuer- programm und das soziale Programm durch, die die Mitwirkung dec linken Parteien erforderten. Die republtkanishe Mehrheit dürfe fich nicht zersplittern lassen. Die Regterung rechne auf ihre Unterstüßung. Der Abg. Ti sier (Geeinigter Nadikaler) sagte, er werde gegen das Kabinett stimmen, dessen Erklärungen das Dreijahresgesez ver- \chärften und das keine Verpflichtung für die Nückkehr zur zwet- jährigen Dienstzeit eingegangen sei. Auf eine Frage, ob Augagneur als Bedingung für feine Mitarbeit die Herabseßung der dret- jähriaen Dienstzeit auf dreißig Monate gestellt habe, erwiderte der Ministerpräsident Vivtant, die Regierung habe eine Er- klärung verlesen, die sie durch thren Chef hat erörtern lassen. Dem sei nichts hinzuzufügen. WViviant erklärte, er nehme die von Breton - Greygnier und Genossen im Namen der Nadikalen, republikanischen Sozialisten und der übrigen links- republifanishen Gruppen eingebrahte Tagesordnung an, die der Negterung das Vertrauen in der Ueberzeugung ausspricht, daß fie eine auf der Einigung der Republikaner beruhende Politik der MNeformen betätigen und sich auf eine ausschließlich republikanische Mehrheit stützen werde.

Die Tagesordnung Breton wnrde darauf mit 363 gegen 139 Stimmen angenommen. Die Mehrheit um- faßt nah dem amtlichen Bericht 142 Geeinigte Radikale, 14 Sozialistisch - Radikale, 20 Republikanische Sozialisten, 64 Mitglider der Radikalen Linken, 56 Linksrepublikaner, 34 Mitglieder der Demokratishen Linken, 4 Unab- hängige Sozialistishe Republikaner , 3 Gemäßigte Re- publikaner und 25 Wilde. Gegen das Ministerium timmten sämtliche 101 Mitglieder der Gruppe der Geeinigten Sozialisten, 1 Revolutionärer Sozialist, 18 Geeinigte Radikale, 1 Gemäßigter Republikaner, 14 Konservative und 4 Wilde. Der Abstimmung enthielten sich 93 Abgeordnete, der Mehrzahl nah Gemäßigte Republikaner und Konservative. Nach der Abstimmung brachte der Finanzminister Noulens den Anlkdihegeseßentwurf ein, zu dessen Prüfung die Kammer eine Kommission zu ernennen beschloß. Darauf wurde die Sißung geschlossen.

Im Senat fand für die Verlesung der Minister- erklärung durch den Justizminister Bienvenue Martin

eine kurze Sißung statt. Die Stelle, in der der Wille der Regierung ausgedrückt wird, ausschließlich mit einer republi- fanischen Mehrheit zu regieren, wurde von der äußersten Linken durch Zurufe unterstrichen ; die Stelle über das Dreijahresgeseß wurde unter tiefem Schweigen angehört.

Rußland.

Der Kaiser und die Kaiserliche amte haben gestern in Kischinew an der Feier der Enthüllung eines Denk- mals Alexanders I., des Befreiers Bessarabiens von der tür- kischen Herrschaft, teilgenommen und sind sodann nah St. Petersburg abgereist.

Die Reichsduma hat in ihrer gestrigen Sißung, wie „W. T. B.“ meldet, die Geltung der vorläufigen Bestimmung, wonach Teer für Steinkohlenbriketts, die von der ein- heimischen Jndustrie angefertigt werden, zollfrei eingeführt werden darf, bis zum 31. Dezember 1917 verlängert und für die Expedition zu Nachforshungen nah den verschollenen Polarforschhern Sjedow, Brussilow und Russanow 480 000 Rubel bewilligt.

Schweiz.

Bei der Besprechung der Binnenschiffahrtsbestrebungen er- klärte gestern das Bundesmitglied Calonder laut Meldung des „W. T. B.“ namens des Bundesrats, daß dieser die größte Aufmerksamkeit vorerst der Rheinschiffahrt zuwenden werde. Hier seien die Verhältnisse am meisten geklärt und infolge der Haltung Badens dränge die ganze Frage zu einer rashea Entscheidung. Das Ziel der s\chweizerischen Fluß- \chiffahrtspolitik sei erstens freie Zufahrt vom Bodensee-Basel nach der Nordsee und alsdann freie Zufahrt vom Genfer See nach dem Mittelmeer.

Niederlande.

Die Königin hat vom Fürsten von Albanien ein Telegramm erhalten, in dem er ihr den Tod des Obersten Thomson meldet, dessen heroischer und kluger Führerschaft der Sieg über die Rebellen zu verdanken fei.

Jn der Abgeordnetenkammer ehrie von Savornin Lohman im Namen des Präsidenten das Andenken des Obersten Thomson, der als Held gestorben sei und dessen Tod einen großen Verlust, niht allein für Holland bedeute. Der Ministerpräsident s{hloß sih diesen Worten an und sagte, daß der Tod des Obersten gleichzeitig ein Verlust und ein Gewinn sei; ein Gewinn, weil der niederländishe Name dadurch in der ganzen Welt geehrt werde.

Luxemburg.

Gestern haben die 14 erforderlihen Stichwahlen zur Kammer stattgefunden, bei denen 14 liberale und sozialistische Kandidaten gegen die Kandidaten der Rechten obsiegten. Die neue Kammer seßt sich, wie „W. T. B.“ meldet, nunmehr zu- sammen aus 23 Liberalen (bisher 22), 6 Sozialisten (bisher 5), 4 Unabhängigen (bisher 1) und 19 Mitgliedern der Rechten (bisher 19).

Norwegen.

Gestern ist die Spibbergenkonferenz in Kristiania er- öffnet worden. Wie „W. T. B.“ meldet, sind Dänemark, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Vereinigte Staaten von

4 Nordamerika, Frankreich, Holland, Rußland und Deutschland vertreten. Der Minister des Auswärtigen Jhlen begrüßte die

Konferenz im Namen der Regierung und sprach die Hoffnung aus, daß die Arbeiten- des Kongresses gute Ergebnisse zeitigen mögen. Der norwegische Gesandte in Kopenhagen Hagerup wurde zum Vorsißenden der Konferenz gewählt.

Türkeïi.

Die Meldung der „Agence d’Athènes“, wonach der tür- fische Gesandte in Athen Ghalib Bey nach seiner mazedoni- schen Reise die Zufriedenheit der Muselmanen im griechischen Mazedonien zugegeben haben soll, wird, wie „W. T. B.“ mit- teilt, von der türkishen Botschaft in Berlin für irreführend erklärt. Das Gegenteil sei der Fall. Die Feststellungen, die Ghalib Bey während seiner Reise im griehischen Mazedonien gemacht habe, bewiesen, daß die Ausschreitungen und Verfolgungen, die überall und leßthin, besonders im Ge- biete von Drama, begangen worden seien, alle menschliche Ein- bildungskraft überschritten. Ghalib hätte auch nach seiner Nück- kehr nicht verfehlt, den Ministern Streit und Venizelos Mit- teilung von seinen Beobachtungen zu machen.

Der Minister des Jnnern Talaat Bey hat einer Meldung des genannten Telegraphenbureaus zufolge den Gouverneur der Dardanellen und des Sandschaks wegen Nachlässigkeit in der Frage der Auswanderung der Griechen sowie den Gouverneurstellvertreter von Aiwali wegen eigenmächtigen Verlassens seines Postens abgesetzt. Talaat Bey teilt telegraphisch mit, daß er ih gestern früh nah Vurla begeben habe, um dort die Auswanderungs- bewegung einzudämmen. Nachmittags habe er sih mit dem griechishenMetropoliten nah Gunye begeben, wo die Bevölkerung, zur Auswanderung bereit, auf der Bahnstation gewesen sei, sich aber, da Truppen zu ihrem Schuzte bereits entsandt und 40 Exzedenten verhaftet waren, von ihrem Vorhaben habe ab- bringen lassen.

Griechenland.

Die Deputiertenkammer hat wegen der Unsicherheit der gegenwärtigen Lage ihre Arbeiten für einige Zeit vert agt.

Rumänien.

Der russische Minister des Aeußern Sasonow, der vor- gestern abend in Bukarest eingetroffen war, reiste gestern vor- mittag in Begleitung des Ministerpräsidenten Bratianu, des rusfischen Gesandten und des Personals der Gesandtschaft nach Sinaja, von wo die Herren am Abend nah Bukarest zurüc-

lehrten. Jn der Nacht trat Sasonow die Rückreise nach Ruß-

land an.

Nach dem endgültigen Ergebnis der Senats- wahlen für die fonstituierende Versammlung sind, wie „W. T. B.“ meldet, 81 Liberale, 22 Konservative, 12 konser- vative Demokraten und 3 Unabhängige gewählt worden.

Albanien.

Nach einer Meldung des Wiener K. K. Telegraphen- Korrespondenz - Bureaus aus Durazzo dauerte das Feuer vorgestern bis zum Einbruh der Dunkelheit und wurde zum Schluß nur noch von den Verteidigern unterhalten. Jn den Abendstunden wurde festgestellt, daß der erste Versuch der Aufständischen, Durazzo zu uberrumpeln, alz

gescheitert betrahtet werden konnte. Die Bevölkerung verhielt sich im allgemeinen ruhig; nur hier und da fam es zu leinen aufgeregten Szenen. Ein Teil der italienischen Bevölkerung, die am meisten eine Panik befürchtete, schiffte sich im Laufe des Tages ein. Um halb zwölf Uhr Nachts begann abermals ein heftiges Gewehrfeuer, das aber nur furze Zeit andauerte. Die übrige Nacht ver- lief ohne Zwischenfall. Der Feind räumte die Höhen nördlich von Durazzo und zog sih in der Richtung auf Nasbul hinter die Hügelkette zurü. Man führt diesen Rückzug auf die An- kunft von Verstärkungen zurück, die zu Wasser und zu Lande eintrafen und bereits die Stadt Kroja beseßt haben sollen, die die Aufständischen ohne Garnison gelassen hatten. Offiziere des österreichish-ungarishen Kreuzers „Szigetvar“ berichten, daß sie bei Kawaja einen Kampf beobachtet haben. Man nimmt an, daß dort die Truppen von Aziz Pascha Vrioni im Kampf mit den Rebellen stehen.

Der „Albanischen Korrespondenz“ zufolge hat Achmed Bey Mati nach einem Siege über die Aufständischen Tirana mit 1500 Mann besegt. Ein Teil der Aufständischen, die entwaffnet wurden, erklärte sich für den Fürsten und bat Achmed Bey, beim Fürsten um Amnestie für sie zu bitten. Ferner meldet die „Albanische Korrespondenz“ aus Volona, daß die fürstentreue Besaßung von Elbassan, durch Freiwillige ver- stärkt, am leßton Sonnabend den Versuch machte, die Auf- ständischen im Skumbital zurückzudrängen. Südwestlich von Elbassan kam es zu einem Zusammenstoße, bei dem die Aufständischen in die Flucht geschlagen wurden.

In der Muzakija am Unterlauf des Semeniflusses nördlich von Fieri unternahmen die Regierungstruppen in drei Gruppen einen Angriff gegen die nördlih des Flusses stehenden Auf- ständischen, die sich nah dem Kloster Ardema zurückzogen, das eine ausgezeichnete strategishe Position bildet. Drei Gruppen der Regierungstruppen sollen nunmehr die Aufständischen dort kTonzentrish angreifen.

Das englische Kriegsschiff „Gloucester“ unter dem Befehl des Admirals Troubridge ist gestern vor Durazzo eingetroffen.

Amerika,

Die amerikanischen Delegierten der Friedenskonferenz haben fich nach Buffalo begeben, um mit den Vertretern des Generals Carranza zu konferieren.

Jnfolge des in Veracruz unter der amerikanischen Militärregierung herrshenden Mangels an Lebens- mitteln haben die Vereinigten Staaten, wie „W. T. B.“ meldet, beschlossen, alle Nahrungsmittel bis zum 25. Juni zollfrei nach Veracruz sowohl aus fremden Häfen wie aus denen der Vereinigten Staaten einführen zu lassen.

Die brasilianishe Deputiertenkammer hat gestern, obiger Quelle zufolge, mit 102 gegen 20 Stimmen einen Gesezentwurf angenommen, der die Regierung er- mächtigt, eine Anleihe aufzunehmen, um der gegenwärtigen shlehten Lage des Staatsschazes abzuhelfen.

LWSohlfahrtspflege. Erholungsheime für Handwerksmeister.

Aus den Kretsen des Handwerks find dessen amtlihen Ver- tretungen, den Handwerkskammern, in den leßten Jahren wiederholt Vorwürfe gemacht, daß ihre Tätigkeit zu wentg praktischen Nutzen für den Stand habe. Augenscheinlih um diesen Vorwurf von sich ab- zuwehren, waren einzelne Kammern bemüht, Einrichtungen, wie Ver- dingungsämter, Ausfkunftsstellen, Treuhänderabteilungen, Cinziehungs- ämter usw., in das Leben zu rufen. Aber es wird vielfach bezweifelt, ob eine derartige unmittelbare wirtshaftlihe Förderung des Handwerks wirklich zu den Aufgaben der Handwerkskammern gehört. Man weist darauf hin, daß diese Körperschaften Behörden, aber keine Interessen- vertretungen sind. Es wird betont, daß die Kammern neben ihrer verwaltenden und gutahtenden Tätigkeit das Lehrlings- und Prüfungs- wesen zu regeln haben und si darauf beshränken müssen, dem Hand- werk Anregungen zur Förderung seiner wirtschaftlihen Interessen zu geben. Besonders sei von thnen das Fachbildungswesen zu pflegen.

Hier foll auf diese Fragen niht weiter eingegangen werden. Keinen Widerspruch haben, der „Sozial-Korrespondenz“ zufolge, bisher die anerkennènswerten Wohlfahrsbestrebungen der Handwerkskammern gefunden, die namentlich auf dem Gebiet der Erholungsheime für Handwerker si betätigen. Bei dem Bade Altheide hat die Breslauer Kammer etn Erholungsheim geschaffen, das sehr gut besucht wird. (Cs fostet 60000 M, besißt cinen 30 Morgen großen Park und 20 Morgen Land. Die Königsberger Kammer hat ein 4 Morgen großes Grundstück erworben, auf dem sie ein Heim bauen will. Der Bau foll im nächsten Jahre tn Angriff genommen werden und 25 Fremdenzimmer enthalten. Die Errichtung wird etwa 100000 46 kosten. Die Stettiner Kammer gründete zusammen mit mehreren anderen Kammern in Misdroy an der Ostsee ein Heim, das noch im Laufe dieses Sommers eroFnet wird; ein zweites Heim wollen die beteiligten Kammern in einem Gebtrgsort bauen. Das Heim in Misdroy besißt einen 6 Morgen großen Park, kostet mit Einrichtung 60 000 46 und gewährt 60 Per- sonen Aufenthalt. Die Niederschlesishe Handwerkskammer errichtet gegenwärtig in Schreiberhau ein Heim, das sie im Oktober dieses Jahres eröffnen will und das 280 000 4 kostet. Es ist zunächst zwar nur für die Handwerklsmeister des Bezirks der Kammer bestimmt, doch soll, wenn Plätze frei find, auch den Meistern aus anderen Gegenden Aufnahme gewährt werden. Nuch die Berliner Kammer will ein Heim errichten. Das Berliner Haus auf der im nächsten Iahre in Dresden stattfindenden Ausstellung „Das deutsche Handwerk“ soll so eingerihtet sein, daß seine Bestandteile für das Heim verwendet werden können. Man sucht nech nach einem

assenden Gelände für das Heim. Das sind nur einige Beispiele für en Erfolg der Bestrebungen der Handwerkskammern nach dieser Nichtung. Es ist selbstverständlih, daß die Kosten des Aufenthalts nicht hoh sein dürfen, um auch den minderbemittelten Meistern die Benutzung der Heime zu ermöglichen. Gerade aus diesen Kreisen des Handwerks wird die Zahl der Besucher ohnehin gering sein, da es dem kleinen Meister sehr {wer ist, aus feinem Geschäft auf Wochen abzukommen, weil er selten eine geeigaete Vertretung findet.

Kunst und Wissenschaft.

Cin neuer Plan zur Erforschung des Atlantischen Ozeans. Der Atlantishe Ozean ist unbestritten das am bester. be- fannte unter den fünf großen Weltmeeren. Wer daraus aber den Schluß ziehen würde, daß die Wissenschaft dieses Meeres als eintger- maßen abgeschlossen betrahtet werden könnte, würde sich in einem aroßen Irrtum befinden. Die Fachleute sind jedenfalls ganz anderer Meinung. Das beweist hon die erst vor wenigen Jahren aeshlossene internationale Vereinigung zur Erforshuna der nordishen Meere, die h zunächst nur auf die wiederum bekanntesten Teile des Atlan- tishen Ozeans tn der Nachbarshaft von Europa erstrecken soll. Dann aber haben zwei Vertreter der Meereskunde, Professor Pettersson und Drechsel, die aud dem internattonalen Ausschuß avngehören, ein Programm ausgearbeitet, nah dem eine gründliche Erforshung des Atlantischen Dzeans überhaupt erst ein- geleitet werden soll. Dabei werden selbstverständlih auch die wirt- schaftlichen Interessen mitzusprechen haben, indem namentlich die Fischerei eine wesentlihe Förderung davon erwarten kann. Das Programm sieht zwet große Gruppen der Uytersuhunaen vor, eine jür die Küstenmeere, die andere für die trangatlantische Forschung,

also für die Hochsee. Beide sollen aber gleichzeitig in Angriff ge- nommen werden, da nur so ein gemein]ames Bild von dem Verhalten des Ozeans in scinem ganzen Umfang während des Sommers und des Winters beschafft werden kann. Dieser Hinweis deutet {hon an, daß es si sehr wesentlih um die Aufklärung von klimatischen Gegensäßen handelt, nachdem erkannt worden ist, daß dabei die Verhältnisse des Meeres von bestimmender Wichtigkeit sind. Das Unternehmen würde mit einer allgemeinen Untersuhung zu beginnen haben, ehe die einzelnen Teile und die besonderen fragen aufgenommen werden. Es wird erwartet, daß zu diesem Zweck die Staaten, die mit ihren Küsten an den offenen Ozean grenzen, sih zu einer festen g?meinsamen Arbeit vereinigen werden. Zwischen England und den Beretnigten Staaten hat etne sfolhe Uebereinkunft bereits stattgefunden, und man hofft, daß sch nun auch Frankrei und Canada daran beteiligen werden. Für die Erkundung der Küsten- meere ist shon ein sehr umfangreicher Plan ausgearbeitet worden. So follen jedes Vierteljahr Kreuzfahrten im nordöstlichen Atlantischen Ozean unternommen werden. Die untermeerischen Rücken und Rinnen dieses Gebiets sind durch besondere Expedittonen zu erforshen. Von großer Wichtigkeit ist die Bestimmung der Eisverhältnifse im Osten und Westen von Grönland, und tarauf will das Dänische Meteoro- logische Institut sein Augenmerk rihten. Ferner sfoll die Lücke aus- gefüllt werden, die durch die mangelhafte Kenntnis des Labradorstromes entfleht und ein genaues Verständnis der Wasserbewegungen im nördlichen AlantischenOzean verhinvberte. Andere Abschnitte des Programms betreffen neue Forshungen in den Küitenmeeren bei Neu #Fundland und den Vereinigten Staaten einerseits und bei Portugal und den Azoren andererseits, Die trangatlantische For|chung wird in so großem Um- fang, wte sie für notwendig gehalten wird, nur durch einmütiaen Zu- sammenschluß der verschiedenen Staaten ausgeführt werden können. Das Becken des Atlantik wird dabei in zwet große Hohlformen unterschieden, die durch einen untermeerishen Rücken vom \o- genannten Kabelp!ateau getrennt werden und völlig ver- schiedene hydrographishe Verhältnisse aufweisen. Das ein- fachste Vorgehen wäre ferner, die transatlantische Zone nah Breitengraden zwischen Amerika und Europa auf- zuteilen. Der nördliche Abschnitt würde längs des 57. Breitengrades zu studieren sein. Das Kabelplateau muß eine ganz besondere Nüksicht erfahren, da seine Erforshung alle Zweige des Golfstromes ein- s{licßen würde. Die südlichen Teile des Ozeans dagegen wären in Längszonen oder in diagonale Zonen zu teilen, einmal nördlih vom Azorenplateau nach Westindien und ferner von der Straße von Gibraltar nah Trinidad. Die erste große Aufaahme des Meeres wird für das Jahr 1915 vorgeschlagen, da die Eröffnung des Panamakanals ohnehin etne große Zahl von Fahrzeugen in Be- wegung seßen wird.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Das Kaiserlihe Gesundheitsamt meldet den Ausbruch der E und Klauenseuche vom Viehhof in Magdeburg am „d. Mei

Oesterrei.

Die K. K. Seebehörde in Triest hat unterm 29. Mai d. F. ver- fügt, daß wegen Auftretens von Pest die Herkünfte von Bengasi nach den Bestimmungen des seebehördlihen Rundschreibens vom 12. August 1904, Nr. 12468, zu behandeln sind. (Vgl. vMRetdSanzeiger“ vom 1. Dezember 1904, Nr. 283.)

Belgien.

Nach einer Verfügung des belgishen Ministers des Fnnern vom 6. d. M, veröffentliht im „Moniteur Belge“ vom 10. d. M. Nr. 161 —, find zur Verhütung der Einschleppung von Pest in Belgten die Bestimmungen der Artikel 1 bis s der König- lich belgischen Verordnung vom 26. September 1907 (vgl. „N.-Anz.“ vom 28. Oktober 1907 Nr. 257) für Herkünfte aus Dakar (Senegal) und der Insel Chtos in Wirksamkeit geseßt worden. Solche Her- künfte von See sollen an den Quarantänestationen des Königreichs nah Maßgabe des Titels T der Pariser Internationalen Sanitäts- Tonventton behandelt werden.

__Im September dieses Jahres wird der 3. internationale Kongreß für Berufs- und Gewerbekrankheiten in Wien tagen. Die Verhandlungen versprehen nach dem vorläufig fest- gestellten Programm einen sehr anregenden Inhalt. Sieben Haupt- fragen sind den Arbeiten der Versammlung zu Grunde gelegt worden. Die erste betrifft die Ermüdung oder die Physiologie und die Pathologie der Arbeit mit Bezug auf das Nervensystem, auf die Knochen usw., mit besonderer Berücksihtigung der Nacht- arbeit. Das Referat über diefen Gegenstand hat der Prof. Durig in Wien übernommen. Dann folgt eine Erörterung über die Arbeit in feuchier und heißer Luft, eingeleitet dur etnen Vortrag von Professor Carozzi aus Mailand. Die weiteren Themata sind: der Milzbrand, Referent Professor Schattenkroh aus Wien; die Stauberkrankungen der Lunge, Referent Professor Devoto aus Mailand; Verletzungen dur Elektrizität in industrielleu Betrieben, Referent Professor Langlois aus Paris; die Schädigungen der Gehörs- nerven dur die Berufstätigkeit, mehrere Neferenten ; bie industriellen Gifte, Referent Professor Lehmann aus Wüzburg. Bei dem leßten Gegenstand wird auch der Verkauf von Giften in größeren Mengen besprochen werden. Gleichzeitig mit dem Kongreß wird eine Aus- stellung veranstaltet werden, um die Entwicklung und Verhütung von Berufskrankheiten und den Einfluß bisheriger Beschäftigungen auf Gesundheit und Gesundheitspflege im allgemeinen zu veranschaulichen. Fernec ift eine Reihe von Aueflügen in Ausficht genommen, um in verschiedenen großen industriellen Betrieben die modernen Ein- richtungen zur Verhütung von Industriekcrankheiten odèr Unfällen vorzuführen. Dabet sollen noch einige Bergwerke sowie Quellen von Erdwachs und Erdölen besucht werden.

Fischerei.

Der letzte große Heringsfang- in der Elbmündung.

Lange hatten die Fischer an der Elbmündung vergeblih darauf gewartet, däß fich etnmal wieder die Shwärme von Heringen und Sprotten zeigen würden, die früher etnen großen Reichtum an diese Küste Deutschlands gebracht hatten, und die Hoffnung war son fast aufgegeben worden. Haben sih überhaupt doch nur noch wenige Fischer die Mühe gemacht, nach Heringsshroärmen auszushauen. Wurde ein solher doh einmal angetroffen, fo war er sfLingfügig, und wurde nicht als Vorbote besserer Zeit geshäßt. Das ist nun im leßten Winter wieder anders geworden, die Heringe und Sprotten sind über dies Gebiet hereingebrohen wte ein aroßes erfreulides Naturereignis. Der Fischerettnspektor Duge in Curhaven hat jeßt in den „Mitteilungen des Deutschen Seefischereivereins" alle Beobachtungen über die Fish- \{chwärme des leßten Winters zusammengestellt und damit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung dieses bedeutsamen Ereignisses ge- geben. Die Fischer von Finkenrärder hatten jeßt gerade vor zehn Jahren den Hertrasfang als nicht lohnend aufgegeben und als im Dezember vorigen Jahres die ersten Nachrihten vom Wiedererscheinen der Heringe und Sprotten einliefen, begegneten sie einem so großen Miß- trauen, daß sich die Fischer gar nicht herheilassen wollten, auf den Fang auszuztehen. Die Fischeretinspektion in Curhaven und der Deutsche See- fischereiverein, die thre Nachforschungen überhaupt nie eingestellt hatten, waren auch jeßt auf dem Posten, und Ende Januar konnten die ersten Merkmale dafür gemeldet werden, daß doe Fis{chs{chwärme auch in der Elbmündung eingetroffen waren. in Anzahl von Vögeln und Seehunden gaben dazu das Signal. Leider verging etrwoa eine Woche, ehe die Au?nußzung dieses Fischsegens begann, und auch dann wurde fie durch Stürme behindert und verzögert. Ein im Auftrag der Fischereiinspektton gestellter Kutter, der am 28. Janvar ausgefahren war, konnte endlich am 4. F.bruar zwischen den Feuershlfen Elbe L

und Elbe IT einen Fang machen, der ihm mit einem Schlage ungefähr 1200 Pfund Heringe und Sprotten brachte und vor allem den Nachweis lie*erte, daß es ih um die lange ver- mißten Schwärme handelte. Sogenannte „Sptyen“, wertlose Fische, die die Fischer in den vergangenen Jahren oft genarrt hatten, fehlten in dem Fang vollfommen, der vielmebr in lauter marftfähigen Sprotten und Heringen bestand. Nun wurden alle Fischereifahrzeuge, einschließli der im Winterlager befindlichen, alarmiert. Jener Kutter, der den ersten großen Fang getan hatte, brahte zwei Tage darauf etwa 20 000 Pfd. ein, und da jeßt auch gutes Wetter eingetreten war, fonnte die Fischerei munter vonstatten gehen; fie würde freilich noch größere Erträge gebracht haben, wenn man alsbald mit den nôtiaen Fanggeräten ausgestattet gewesen wäre. Die Neue, die 10 Jahre müßig gelegen hatten, vzrlangten begreifliherweise, nahdem sie end- lih zur Stelle waren, auch noch manche Ausbesserung und Ergänzung. Auch sonst erwies sih die Ausrüstung oft als mangelhaft, und viele Neye rissen unter der Wucht der gefangenen Fischlasten oder dur den Seegang. Duge schildert nun eingehend den Verlauf des ganzen ¿angs und veranshaulicht auch auf einer Karte die Punkte der Elbmündung, die im Februar und März die größten Erträge ge- bracht haben. Es zeigte fich übrigens, daß der zur Unterstüßung der Fischerfahrzeuge tätige Dampfer den Möwen und anderen Bögeln einen großen Schrecken einjagte, sodaß sie sich \{leunig zurück- zogen, während sie die anderen Boote garniht beacteten. Freilih mochten namentli die in unzählbaren Scharen versammelten Möôwen \chon \o reidl’{che Mahlzeiten gehalten haben, baß sie keinen großen Hunger mehr verfpürten. Zuweilen aber waren fie beim Ein- holen der Neße ret zudringlih, \obald der gefürhtete Dampfer nicht in der Näbe war. Die genaue Liste der Fänge ergibt, taß die Hoch- seefischereifahrzeuge in Cuxhaven 1,8 Millionen Pfund, die Küsten- fischereifahrzeuge noch 50 000 Pfund Heringe einbrachten, die in Hamburg felbst beheimateten über 300 000 Pfund, die von Altona über 600 000, die von Glüdstadt 234000 und die Geestemünder 130 000. Das Gesamtgewicht stellte sih auf 3 600 576 Pfund, die einen Erlös von rund 56 750 4 brahten. Jm ganzen waren 258 Fahrzeuge an dem Fang beteiligt. Auf das einzelne Fahrzeug entfiel also ein Erlös von 220 Æ im Durchschnitt. Das mag noG recht mäßig erscheinen, aber es muß berüdcksichtigt werden, daß die Fischer in dieser Jahreszeit früher überhaupt ohne Berdtenst waren. Sollten die Heringe und Sprotten jegt unserer Nordsecküste wieder treu bleiben, so würde künftig mit Sicherheit auf größere Erträge gerechnet werden können. Vor allem ist es auffallend, daß diesmal die Shwärme erst Ende Januar bemerkt wurden, während sie früher {on im Oktober oder November einzutreffen pflegten. Man darf cs als wah: sheinlich betraten, daß sie auch im leßten Winter hon weit früber zur Stelle waren und nur nicht beachtet wurden, zumal die Beobachtungen erwiesen haben, daß die Scharen von Seevögeln und Sechunden, die als sogenannte Heringszeichen gelten, nicht immer und überall vorhanden find, wo sih Fishs{chwärme zeigen, wie sie anderseits auch irreführen können. Künftig wird cine gründliche Abfischung des ganzen in Betracht kommenden Gebiets durch möglichst viele Fahr- zeuge gleichzeitig geshehen müssen. Der Nachricht-ndienst wird i dann noch vollkommener bewähren, indem er bei der Gewißheit einer großen Giawanderung von Heringen mit größerer Schnellig- keit die ganze Fischereiflotte zur Tätigkeit aufruft. Das ist um fo wichtiger, als die Heringe nicht lange warten, fsondern als flüchtige Fische gelten, mit denen man s\{leunig Fühlung nehmen muß, um ihren Zug verfolgen zu können. Da dieser wahrscheinl!ch von Westen kommt, so muß {hon auf der Jade nah seinem Er- scheinen gefahndet „werden. Die für die ersten Fängz ausgeseßten Prämien, die auch im leßten Winter anregend gewirkt haben, werden wteder ihre Schuldigkeit tun, vor allem werden sich die Fischer für ihren nächsten Frieg8zug sorgsam rüsten müssen, damit sie tadellose Fanggeräte in genügender Zahl fofort bereit haben. Auch der Fish- handel wird sih dann besser auf die Lieferung der kleinen Heringe einstellen, die diesmal keinen reten Absatz finden wollten, weil diese Art von Heringen aus der Erinnerung gekommen war.

Theater und Musik.

In der Kaiser Wilhelm-Gedächtnt skirhe veranstaltet der Organist Walter Fischer morgen, Donnerstag, Abends 6—7 Uhr, das leßte Orgelkonzert vor dem Herbst d. J. Mit- wirkende find: Fräulein Gudrun Havsteen (Alt) und Fräulein Hallt von Sittmann (Violine). Das Programm enthält u. a. Philipp Nüfers Drgelsonate (Op. 16) sowie Violinmusik von Tschaikowsky und Saint-Saöns und geistlihe Gesänge von Beethoven und Mendels- sohn. Die Eintiittépreise find die üblichen.

Mannigfaltiges.

Berlin, 17. Juni 1914.

Seebären und Gewitter. Der Seebär ist eine merk- würdige Naturerschetnung, die namentlich auf der Ostsee zuweilen beobachtet wird. Ste besteht tin einer plößlihen Hebung eines mehr oder weniger großen Teils der Wasserfläche. Viel häufiger sind ähn- liche Ereignisse tin großen Landseen, wo sie in der Wissenschaft all- gemein als Seiches bezeihnet werden. Dieser Name ist von den An- wobnern des Genfersces erfunden worden, wo der Vorgang am besten beobachtet und studtert worden ist. Zuweilen {finkt der Seespiegel in Genf um ein bis zwei Meter und hebt sich gleichzeitig an der Nhonemündung um denselben Betrag, und diese Shwankungen können mebrere Tage anhalten. Nach der von Professor Forell ge- gebenen Grflärung sind sie eine Folge der Aenderung des Luftdrucks, dur die das Gleichgewiht der langgestreckien Wassermassen g-\tört wird. Wie danach zu erwarten ist, kommen entsprehende Erschei- nungen auch am Bodensce und am Plattensee vor. Ferner sind sie außerbalb Europas festgestelt worden in den großen amerikantschen Seen und neuerdings auch in dem größten Binnensee Japans, dem Biwasee. Japantshe Gelehrte haben ins- besondere den Zusammenhang dieses Seiches mit dem Auftreten von Gewittern untersuht. Diese haben einen Einfluß insofern, als sowohl die Anhäufung von Regenwasser in einem Teil des Sees, wie auch die Wirkung des Windes mitsprehen kann. Nuch die Anziehung des Wassers durch elektrisch geladene Wolkenmassen ist in Rüksicht gezogen worden. Am Biwasee haben die Beobachtungen ergeben, daß etn Plaßregen von 22 Millimetern in 20 Minuten eine Shwankung des Seezpiegels um mehr als 6 cm hervorrufen kann, ein Betrag, der si freilich nur dur eine genaue Messung feststellen läßt. Unter: günstiger Mitwirkung des Windes und der Luftdruckänderung stieg dann die Hebung des Seesptegels freilich auf mehr als 17 ecm.

Ntîederftinow, 17. Juni. (W. T. B.) Die Feier der Er- öffnung des Großshiffahrtsweges Berlin—Stettin hat heute vormittag auf dem auf einem berwaldeten Hügel be- legenen Festplaß bei Schleuse 3 des Abstiegs nack Netieder- finow stattgefunden. Unter den Festgästen befanden fi u. a. die Minister Dr. Delbrück, Dr. Beseler, vou Breiten- bach, Dr. Sydow, Dr. Lenße und von Loebell, der Unter- staatsselretär von Etlsenhart - Rothe, die Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg und Pommern von der Schulenburg und von Waldow, der Negierungspräsident von Potsdam Freiherr von Falkenhausen, der MNeichstagspräsident Dr. Kaempf, die Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses Dr. von Krause und Dr. Porsch, der Präsident und der Vüizepräsident des Herren- havss von Wedel - Piesdorf und Dr. von Becker, der Ober= bürgermetster Wermuth, der Stadtverordnetenvorsteher-Stellvertreter Caffel, der Gouverneur der Marken, Generaloberst von Kessel, der: Oberlandforstmeister Wesener, der Polizeipräsident von Jagow sowte: viele Mitglieder beider Häuser des Landtags. Setne Majestät der Kaifer traf vom Neuen Palais um 11 Uhr auf dem Festplabe ein, wo er von dem Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach sowie ciner sehr zahlreihen Volksmenge, die auf den benachbarten Hügela Aufstellung genommen hatte, begtüßt wurde, Mit Seiner

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