1895 / 209 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Sep 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Pete, welchen die Weltgeschichte kennt, konnte niht würdiger egangen werden als durch Einweihung der zum Ge- dächtniß des Heldenkaisers errichteten Kir ce.

Um 7 Uhr In läuteten die feierlih-freudigen Klänge der Glocken „Deutschland, Kaiser Friedrih und Wilhelm TI., Auguste Viktoria“ den Festtag ein. Schon bald nah 8 Uhr entfaltete fich um das Gotteshaus ein reges Leben. Der Auguste Viktoria-Plaß war von der Stadt A mit Siem Masten-, Fahnen- und Guirlandenschmuck versehen. An dem Eingang zum Plaß vom Kurfürstendamm her erhob sich eine Ehrenpforte. :

Jn den anstoßenden Straßen, besonders den Kurfürsten- damm entlang von der Corneliusbrücke an, waren die Häuser von ihren Bewohnern geshmückt. An den Zugängen zum Kirchplaß begann sich das Publikum zu sammeln, und die zahl- reichen Festordner, Offiziere und O des 2. Garde- Regiments z. F., des Garde - Füsilier - Regiments und des 4. Garde - Regiments z. F., von der alten Brigade des jeßigen Kaisers, sowie Mitglieder der kirchlichen, städtischen und Gemeinde - Organe trafen ein und begaben sich auf ihre Plätze an den Portalen der Kirche. 7

Bald nah 9 Uhr begann die Anfahrt der Ehrengäste; Kriegervereine und die Deputationen sämmtliher Schulen Berlins, Charlottenburgs und Schönebergs zogen in ge- \hlossenen Trupps die Straßen entlang und nahmen auf den ihnen zugewiesenen Pläßen der Kirche gegenüber und um die Kirche herum Aufstellung. Die große Tribüne am Romanischen Hause wurde mit über 500 Mädchen beseßt, die Tribünen an der Mauer des Zoologischen Gartens füllten 2000 Knaben und Mädchen. Auf dem dem Hauptportal der Kirche zunächst aufgestellten Flügel der Kriegervereine stand die Deputation der deutschen Krieger aus Amerika. Den Kurfürstendamm entlang sammelte sih eine große Zahl von Kriegsveteranen. *

Um 91/5 Uhr rückte die Leib-Kompagie des 1. Garde- Regiments z. F. mit klingendem Spiel auf dem Kurfürsten- damm heran, an ihrer Spitze die mit Eichenlaub geschmückten Fahnen der Leib-Regimenter Kaiser Wilhelm's L: die vier en des 1. Garde-Regiments z. F., die Standarte des

egiments der Gardes du Corps, die Standarten des Kürasster- Regiments Nr. 1, der Husaren - Regimenter Nr. 1, 2 und 7 und je eine Fahne der Grenadier-Regimenter Nr. 7, 8 und 110. Mit Jubel wurden die Truppen begrüßt, und alle Fenster füllten sich mit fröhlihen Zuschauern. Die Ehren- Kompagnie stellte sich auf dem Plaße an den Ecken der Hardenberg-Straße,- vor der großen Schüler-Tribüne, auf. Vor den Portalen der Kirche, vor denen bei jedem ein rößerer Naum mit Tannengewinden abgesperrt war, sammelten fd allmählich die geladenen Gäste, und zwar vor den drei e Eo: die Fürstlichkeiten, die Geistlichkeit, die Vor- tände des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins und des E bau-Vereins, die Generale, Staats-Minister, die höchsten Hof- beamten, der Hof der verewigten Majestäten, die höchsten Staats- und Kirchenbeamten, die Gefolge der Fürstlichkeiten, die kirchlichen und städtishen Gemeinde-Vertretungen Char- lottenburgs sowie eine große Zahl Donatoren, Gemeinde- mitglieder, Deputationen von Kirchen und Schulen. An den den Hauptportalen zunächst liegenden beiden Seitenportalen sammelten sih das Musikkorps des Garde-Füsilier-Regiments, der Domchor, der Kirchenchor der Kaiser Wilhelm-Gedächt- nißkirhe unter seinem Leiter, dem Professor Freudenberg, die Baulcute, Lieferanten und wieder eine Anzahl von Gästen, Donatoren und Gemeindemitgliedern. An den anderen Por- talen hatten die übrigen Geladenen, namentlih auch Deputationen der Gemeinden, welche sich an dem Bau der Kirche betheiligt hatten, Aufstellung genommen. Vor dem Portal des südlichen Chorthurms standen fast ausshließlich Donatoren und einige Gemécindemitglieder, vor dem Portal des nördlichen Chor- thurms die sämmtlichen Direktoren und je ein Lehrer der höheren Lehranstalten sowie viele Rektoren und Lehrer der Gemeindeschulen. Die Zuschauertribüne in der Hardenberg- straße wär dicht gefüllt. L

So harrten auf dem kleinen Auguste Viktoria - Plaß des frohen Festes über 5000 Krieger, über 3000 Schulkinder, gegen 9500 Gäste und gegen 1000 Soldaten und 200 Musikanten. Auf den Tribünen saßen 600 Zuschauer, ‘an verschiedenen Stellen zwischen den Kriegervereinen waren Pläße für Zu- schauer freigehalten, welche dicht bescht waren, sodaß der Plaß an 15 000 Menschen faßte. Die Eingänge zu dem Plaß, nament- lih an der breiten Tauenzienstraße, waren vom Publikum dicht beseßt.

Um 9/2 Uhr erklangen die Töne der drei kleineren Glocken und gegen 10 Uhr verkündeten ihr abermaliges Ge- läute und die Jubelrufe von der Cornelius-Brücke her das Herannahen Jhrer Kaiserlihen und Königlichen Majestäten mit den vier ältesten M und Jhrer Königlihen Hoheit der roßherzogin von Baden, welhe, von einer Ehren - Eskorte vom Regiment der Gardes du Corps geleitet, den Kur- fürstendamm entlang zum Kirchplay fuhren. Bei den Veteranen wurde langsamer und endlich in der Nähe des Plaßes im Schritt gefahren, wo ein endloser Jubel die verehrte Tochter Kaiser Wilhelm's T. und die Majestäten empfing. Die beiden großen Glocen stimmten nun mit ihren gewaltigen, wundervollen Tönen in das Geläute der drei anderen Glocken ein, und weirhin erzitterte die Luft von den mächtigen Klängen. Vor dem Hauptportal verließen die Allerhöchsten Herrschaften die Wagen.

Während Seine Majestät der Kaiser die Front der Ehren- Kompagnie abschritt und die deutsche Krieger-Deputation aus Amerika begrüßte, verblieben Jhre Majestät die Kaiserin und Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden bei den auf. der Freitreppe versammelten Fürstlichen Personen. Nach- dem Seine Mazestät der Kaiser Sich ebenfalls dorthin begeben und die Fahnen der Leib-Regimenter vor dem Hauptportal der Kirche Aufstellung genommen hatten, bewillklommnete der Vorsißende des Evangelischen Kirhenbau- Vereins, Minister des Königlichen Hauses von Wedel die Majestäten mit fol- gender Ansprache : 0

„Vor wenigen Wochen haben Eure Kaiserlihe und Königliche Majestät den Grundstein zu einem Denkmal gelegt, welches Deutsch- land dem großen Kaiser errihten will, der fine Einheit begründet hat. Heute am Gedenktage von Sedan sind Eure Majestäten ge- fommen, um an der Weihe eines Gotteshauses theilzunehmen, das dem Gedächtniß des frommen Herrschers gewidmet ist, der alle seine wunderbaren Siege Gottes Barmherzigkeit zuschrieb. :

Alle, die da wissen, daß Gottesfurht die festeste Grundlage ift, auf welher Throne und Völker ruhen, tragen tief im Herzen die Dankbarkeit für den frommen Sinn des unvergeßlichen Kaisers. Dieser Dankbarkeit wollten 1 Ausdru geben. Unter Führung Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin haben deshalb Neich und Arm, Vornehm und Gering sich zusammengeshaart, um eine Kirche zu erbauen, welche

die kommenden Geschlechter daran erinnern soll, daß unser großer Kaiser ein gottesfürhtiger Herrsher war. Heute steht dieses {chöône Gotteshaus vollendet da. Möge Gottes Gnade allezeit über dem- selben walten.

Der Vorstand des Vereins, der den Bau geleitet hat, bringt Eurer Majestät als ein Andenken an den heutigen Tag den fkunstvoll gearbeiteten Schlüssel der Kirche dar. Eure Majestät wollen Aller- gnädigst gestatten, daß der Meister, der den Bau ausgeführt hat, diesen Schlüssel überreiche.

Der Schlüssel, welcher von dem Bildhauer «„Riegelmann angefertigt worden ist, besteht aus einem vergoldeten Bronze- stiel, an dessen oberem Ende, wo er mit dem Griff zuf auci, sich ein reiches, durchbrochenes romanisches Ornament befindet. Der Griff is kreisrund in einem Durchmesser von 10 cm und zeigt in der Mitte die zum Einweihungstage geprägte Gedächtnißmedaille, deren eine Seite das Bild Kaiser Wil- helm’s I. schmüdckt, während die andere Seite das Eiserne Kreuz von 1870 mit der Umschrift „Gott war mit uns“ sowie das Datum „1. September 1870. 1895“ und den Namen „Gedächtniß- kfirhe“ sowie die Stammwappen Jhrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin enthält. Die Medaille umgiebt ein reih mit Edel: steinen beseßter Rand in Filigranarbeit und diesen wieder ein weiter, matt versilberter, breiter Rand von kleinen romani- hen Bogen. Zu beiden Seiten des Griffes sind in gleichen Abständen vier Schilde in blauer Emaille aufgelegt, deren unterstes den Namenszug der Königin Luise, das obere den Namenszug der Kaiserin Auguste Viktoria und die Krone der Kaiserin trägt. Auf den Schilden rechts und links befinden sih der Namenszug des verewigten Kaisers Wilhelm I. und der Namenszug Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II. mit der neuen Königskrone.

Der Vorsitzende des Berliner Comités der Kaiser Wil-

helm-Gedächtnißkirhe, Unter-Staatssekretär Dr. Fischer über- |

reichte namens der Mitglieder desselben Jhrer Majestät der Kaiserin, als der hohen Protektorin, zum Zeichen tiefsten Dankes und treuester Verehrung ebenfalls einen Schlüssel zum Haupt- portal mit folgenden Worten:

„Der hohen Protektorin dieses Baues wünschen die Männer, welchen die Sammlung der Mittel und die Fürsorge für den inneren Aus- bau der Kaiser Wilhelm-Gedächtnißkirche obgelegen hat, ihren ehrfurchts- vollen Dank darbringen zu türfen. Von Anbeginn des Baues bis zur heutigen Stunde sind wir bei Lösung unserer Aufgabe auf das Nach- haltigste und Wirksamste gefördert worden durch die nie versagende Huld und die thatkräftige Hilfe, welhe Eure Majestät diesem herr- lien Bauwerk zuzuwenden geruht haben. Das Berliner Comité bittet Eure Majestät, diesen Schlüssel des unter Allerhöchstihrem Protektorat begonnenen und vollendeten Gotteshauses als Zeichen unseres tiefempfundenen Dankes huldreihh annehmen zu wollen.“

Der Schlüssel Jhrer Majestät der Kaiserin ist ebenfalls von dem Bildhauer Riegelmann entworfen; der Stiel ist rei vergoldet, der Griff rund, mit durchbrohenen reichen romanischen Verzierungen und mit zahreihen Edelsteinen beseßt; in der Mitte sieht man“ auf der einen Seite in blauer Emaille das goldene Chirogramm, auf der andern Seite den Namenszug des verewigten Kaisers. Der Name der Kirche und das Datum des Einweihungstags umgiebt den Griff in einem blauen Emaillekranz.

Nachdem Baurath Schwechten Seiner Majestät dem Kaiser den großen Schlüssel überreicht hatte, übergab Seine Mazestät denselben dem General-Superintendenten, Hof- und Domprediger Faber.

Der General-Superintendent reihte den Schlüssel dem Ersten Geistlichen der Luisen - Gemeinde Oberpfarrer Müller, welcher die Kirhthür mit einem Segensworte ershloß. Jhre Majestäten betraten mit der Frau Großherzogin die Ge- dächtnißhalle. Danah nahmen der General-Superintendent Faber, der General - Superintendent, Schloßpfarrer D. Dry- ander, die Superintendenten Lange und Steinbach, der Oberpfarrer Müller, die Geistlichen der Luisen-Kirhe und der von Seiner Majestät dem Kaiser als Erster Prediger für die Gedächtnißkirche designierte Ober- Konsistorial - Rath Köhler vor den Allerhöchsten Herrschaften Aufstellung der General- Superintendent Faber mit dem herrlichen Kruzifix, die übrigen Geistlichen mit den Altargeräthen, Bibeln und dem Kirchen- siegel und eröffneten durch das Mittelportal den Einzug in die Kirche.

Es folgten die Majestäten und die Großherzogin von Baden, von dem Vorsißenden, Minister des Königlichen Hauses von Wedel nah der Königlichen Loge geleitet. Weiter {lossen sih an: die übrigen Fürstlichkeiten und die Geistlichkeit, welche in dem Raume vor dem Altar Play nahmen, danach die Fahnen und Standarten der Leib-Regimenter, welche sich zu beiden Seiten des Altars aufstellten.

Als Jhre Majestäten ungefähr die Miite der Kirche erreicht hatten, ertöónten von dem Musikkorps des Garde-Füsilier:Regi- ments unter Leitung seines Dirigenten Frese die herrlichen Klänge des Beethoven’shen Chorals „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“. Während dieses Chorals wurden die übrigen Portale geöffnet, und unter den Klängen des Hallelujah von Händel und dem darauf folgenden, von dem Musikkorps begleiteten Gesange des Königlichen Domchors „Wie herrlich ist die neue Welt“ unter Leitung des Musik-Direktors Pro- fessor A. Becker hielt die Festgemeinde den feierlichen Einzug.

Nachdem der Einzug in etwa 8 Minuten beendet war, trug der Domchor den 100. Psalm von Mendelsfohn: „Jauchzet dem Herrn alle Weli“* vor. Unter Begleitung des Musikkorps \chloß ih der Fest- und Lobgesang der Ge- meinde an: „Großer Gott, wir loben dih“ und „Sieh dein Volk in Gnaden an“.

Während des Gesangs hatten sich der General-Super- intendent Faber, die Superintendenten Lange und Stein- bah, der Oberpfarrer Müller und Ober-Konsistorial-Rath Köhler vor den Altar begeben. Der General-Superintendent verlas aus der schönen, silberbeshlagenen, von Jhrer Mazestät der Kaiserin geschenkten Altarbibel den von Allerhöchstderselben eingeschriebenen Spruch: „Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften, halfst du ihnen aus“ (Pjalm 22, V. 5.) und knüpfte daran folgende Ansprache:

„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Amen.

Das von der Erlauchten Protektorin dieser Kirche bestimmte Weihewort lautet im 5. Verse des 2. U also: „Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften, halfst du ihnen aus.“

Als am Feste der Grundsteinlegung des Nationaldenkmals Seine Majestät der Kaiser die Urkunde verlas, gab das Schloß seiner Ahnen jedes Wort klar und laut zurück. Es war, als ob die hohen Fürsten seines Geschlechts, die dort gewaltet haben, ihr Amen sprehen wollten zu dem Kaiserwort, und als ob mit dem Echo in der Brust der laushenden Hörer sich vermählen wollte ein Wiederhall aus der jenseitigen Welt.

Und folch ein Wiederhall aus der oberen Welt ift kein leerer Wahn. Heute, wo wir dies zweite Nationaldenkmal seiner Be- f1immung übergeben wollen, werden wir ausdrücklih auf die lebendige Beziehung zwischen Zeit und Ewigkeit hingewiesen durch das

Weihewort, das etwas an sich hat von der Schlichtheit des Eisernen Kreuzes und von f Majestät des Himmels- pee „Unsere Väter hofflen auf dih, und da sie hofften, alfstt du ihnen aus*, was is das andecs, ‘als der große Wiederhall der Ewigkeit, als die wunderbare Wechselwirkung zwischen Gebet und Erhörung, Glauben und Gnade, Hoffnung und Hilfe!

_ Wohlan denn: Glaubenshoffnung und Gnadenhilfe fei die Losung für diese hehre Gedächtnißkirhe ; ist sie doch der {önste Kranz um unseres großen Kaisers Bild; bedeutet sie doh den hellsten Segens- stern für unseres Volkes Zukunft!

Als die irdische Hülle des heimgegangenen Kaisers im Dom auf-

gebahrt lag, hat die Fürstlihe Hand der liebenden Tochter die ver- hüfllende Kopfbedeckung hinweggethan, daß man das edle Haupt in voller Klarheit fehen könne. Seit der Stunde sind Tausende von pietätvollen Händen beschäftigt gewesen, jede Linie des hohen Helden- bildes klarzustellen und aud alle die kleinen Züge zu sammeln, die seine Gestalt so mens{lich \{ön und liebenswerth erscheinen lassen ; aber was man auch immer wieder hört von seiner Gewissenhaftigkeit, in der er sich selbst das Schwerste zumuthete, neben der liebevollsten Rücksicht gegen den geringsten seiner Diener; von jener Dankbarkeit, die des kleinsten Dienstes niht vergaß, bei einer Großmuth, die den Namen derer nit wissen mochte, die sich gegen ihn vergangen hatten ; von seiner Bekenntnißtreue, verbunden mit babberctaitér Duldung ; von dem Volbewußlsein seines Königlichen Berufs im Verein mit rührender persönlicher Bescheidenheit das alles wird umrahmt und verklärt von dem Einen: „Unser Vater hoffte auf Gott, und da er hoffte, half er ihm aus.“ __ Es gruben die alten Gothen ein finniges Königsgrab, als sie ihren Fürsten betteten unter dem tiefen Strom. Auch über den edlen Leib des in der Liebe Gottes ruhenden Kaisers geht ein tiefer Strom. Das i} eines großen Volkes heilige Liebe. Sein Rauschen klingt wie ein Dankgebet und woie ein Treugelübde, und es geht aus in den O ‘Unser Vater hoffte auf Gott, und da er hoffte, half er ihm aus.“

Er hat drei Menschenalter hindur den Wiederhall der Ewigkeit vernommen. Zwischen dem Julitage 1810, da er von der heißgeliebten Mutter Abschied nahm, und dem Julitage 1870, da er in ihrer Gruft sih rüstete zur gewaltigen Entscheidung; zwischen dem Be- kenntniß des Jünglings am Tage der Einsegnung und dem Simeons- bekenntniß des Sterbenden; zwishen der Stunde, da bes jungen Helden Brust das Eiserne Kreuz {chmüdckte, und der anderen, da man auf die Brust des Vollendeten das Kreuz dessen legte, der ihm mit feinem Namen geholfen hatte: welch eine Fülle von Glaubenshoffnung und Gnadenhilfe! -

Er ist in Leidenstiefen geführt worden, wie wenige; und er hat Höhen des Segens ersliegen, wie kaum ein Anderer. Er hat es mit angesehen, roie Luisens Herz blutete an den Dornen der Nose, die ihr der fremde Eroberer bot ; er hat aber auch das gesehen, wie aus den

Thränen der Königin und dem Blut der Helden neben den Lorbeeren

der Freiheitskriege der MNoserflor eines neuen Glaubens- lebens emporwuchs; er hat ten 18. August 1807 erlebt, wo ein welshes Königreich im Herzen Deutschlands gegründet wurde, aber auch den 18. August 1870, wo die Entscheidungsshlaht den Weg zum Herzen Frankreichs austhat; ihm ist die chmachvolle Zeit nicht erspart geblieben, in der ein Haufe von Empörern an das Königs\hloß im Geiste des Aufruhrs \{chrieb: „Nationaleigenthum“, aber auch das war ihm beschieden zu erleben, daß ein ahe Volk sein Königshaus im Geiste der Liebe ansah als das Eigenthum der Nation und ihn f\elb\ als die Verkörperung seiner Ideale; er hat hin- dur gemußt durch jene Zeiten, in denen ein deutscher Dichter von der Höhle fang, in der alles, was man sagte, zu Glockenton fih wandelte, und wenn einer vom Vaterlande sprach: „Da tönt die tiefste Gruft entlang ein dumpfer Grabesgloéenklang“; und nun ist dur ihn und seine Helden die Zeit hinaufgeführt, wo das Wort vom Deutschen Vaterland töônt wie Österglockenklang, wie Dankeshymnen und Jubelsturm. Ueber allen diesen Tiefen und Höhen aber wölbt es ih wie ein lihter Bundesbogen : „Unser Vater hoffte auf Gott, und da er hoffte, half er ihm gus.“

Dieser alte, treue Gott, Festgemeinde, lebt noch heute. Noch heute führt er über Höhen und Tiefen, wie er denn unser theures Königshaus in diesen Tagen mit holder L N beglüdt hat und zugleih heimgesuht mit bitterem Leid. Noch heute hat er diefe selbst- verständliche, einfältige Treue, wie sie unser Wort so {licht zeichnet : „da sie hofften, half er ihnen aus.“

Ach, daß wir doch auch die selbstverständliche, einfältige, kindliche Glaubenstreue unserer Väter hätten! Soll der Herr etwa unserer Unbußfertigkeit antworten mit dem Donxerhall des Gerichts? Sollen unsere Kinder dereinst von uns mit Jeremias klagen: „Unsere Väter haben falsche und nihtige Götter gehabt, die nichts nügen können?"

Man sollte doch meinen, es müßte aus den großen Erinnerungen dieses Jubeljahres ein neuer Geist der Treue geboren werden. Es hat doch mancher mit den alten Ehrenzeihen auch das Angedenken an Stunden hervorgeholt, wo er unter dräuender Todesgesahr das Wort erfuhr: „Ich hoffte auf dich, und da ich hoffte, halfst du mir aus“; wir haben die Augen vieler harter Männer naß werden sehen beim Wiederfinden der alten Führer und Kameraden; folhe Thränen machen doh maiengrün, machen todte Liebe wieder blüh’n. i

Es ift herzbeweglich, wie alle Stände, vom Königshause an bis zu dem einfadsten Arbeiter, an diesem Gotteshause mit Liebe gebaut haben. O, daß doch alle Stände auch darin eins würden, das Reich Gottes zu bauen im lieben Vaterlande! : :

Das von unserem in Ehrfurcht geliebten Kaiser gestiftete Bild stellt Moses dar, wie er für sein Volk betet. Gewiß, ein König, der sein Volk recht führen will, muß auch betea für sein Volk. Es be- darf dessen aber auch, daß jeder treue Patriot täglich für ihn betet. An diesem großen Gedenktage, der zugleih vor 21 Jahren sein Ein- segnungêtag gewesen ist, wollen wir ihm geloben, es treulih zu thun.

Der gewaltige Hauptthurm der Kirche gipfelt in der Kaiserkrone ; über ihr steht das Kreuz und darüber der Stern. So ist es in der That. Nur dann, wenn die Krone sich segnen läßt vom heiligen Kreuze, in welchem alle Glaubenshoffnung und alle Gnadenhilfe zu- sammenkommen, leuchtet über ihr der helle Hoffnungéstern einer glülichen Zukunft. i

Die fünf Glocken verbinden zwei Accorde zu wundervollem Klange; des freuten wir uns unter ihrem ersten Läuten. Dazwischen aber liegt noch ein dritter, und die drei Dominanten bilden die Melodie des Geläuts. So mögen denn drei gute Geister wirken und walten in diesem Gotteshause wie im-großen Vaterlande: die dreîi, die da bleiben: Glaube, Hoffnung und Liebe! Und drei ewige Himmels- mächte mögen den Wiederhall geben aus der jenseitigen Welt im Segen für Kaiser und Reich : die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes! Amen.

Am Shlusse der Ansprache vollzog der General - Super- intendent die Einweihung, und danach knieten die Geistlichen an dem Altar zum Weihgebet nieder. Während desselben erklangen die tiefen gewaltigen Töne der großen Glocken „Königin Luise und Kaiser Wilhelm 1“, und wie von fernen Chöóren durhdrangen leise das Gotteshaus die Klänge der herrlichen Orgel, welche der bekannte Organist, der Königliche Bibliothekar Dr. Neimann mit Meisterschaft spielle, und verbanden sich zum Schluß des Gebets in mächtigen Tönen mit dem Gesang der Gemeinde: „Jhr, die ihr Christi Namen nennt, gebt unserm Gott die Ehre.“ :

Wie bei der Einweihung der Gnadenkirche, sang auch hier der Domchor den Hochzeits- und Lieblingsspruh der hoch- seligen Kaiserin Augusta: „Seid fröhlih in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“, komponiert von A. Beer.

Die Liturgie hielt Superintendent Lange. Nach der- selben sang der Domchor unter Begleitung der Streich- instrumente des Musikkorps des Garde-Füsilier-Regiments den tiefergreifenden und shönen Chor: „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben“ aus dem Oratorium „Paulus“ von,

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- gesegneten Protektorat des erhabenen Kaiserpaares, der

\chlafener Kyffhäusergreis, dein

Große Erinnerungen

Mendelssohn. Nach dem Gemeindegesang hielt der Oberpfarrer

Müller die Predigt über das von Jhrer Majestät der Kaiserin in die von Allerhöchstderselben gestiftete Kanzelbibel e i Psalmwort: „Der Os hat Großes an uns gethan, des sind wir fröhlih“ (Psalm 126, V. 3):

Was am 22. März des Jahres 1891 unter der Losung des Pa[m- sonntags: „Siehe, dein König kommt zu dir“ und unter dem Wakhl- spruch des Heldenkaisers: „Jm Glauben is die Liebe und die offnung in freudiger Begeisterung begonnen ward, Heute s\teht's

errlih vollendet vor unseren Augen. Dieser erhabene, majestätische Bau, soeben ge und unter Gebet seiner Bestimmung Übergeben, welch eine heilige Stätte der Gnadengegenwart des Herrn und welch ein nationales Denkmal, das uns und alle zukünftigen Geschlehter erinnern soll an die unvergleihlihe Größe und das unermeßlihe, weltaeshihtlihe Verdienst des ersten Deutschen Kaisers Wilhelm, zur Ehre Gottes! „Jch will meinen Mund auf-

thun zu Sprüchen und alte Geschichten aussprechen“ ruft der Psalmist

in Erinnerung der großen Wohlthaten Gottes aus. Wo dieses Gotteshaus heute zum ersten Mal seine Pforten aufgethan und ih ein fröhlicher Festzug hineinbewegt hat, um Gottes Güte und aht an diesem Hause zu preisen und zugleich die Wunder des Herrn an unserem Volk zu rühmen, in dessen Dhr und Herz Heute nach 25 Jahren wiedertönt vom Fels zum Meer der Sedanjubel mit scinem Festhoral: „Welch cine Wendung durch Gottes Fügung", da thun auch wir unseren Mund auf zu Sprüchen und verkündigen eine große, wunderbare Geschichte: Gottes, daß sie nimmer vergessen werde, unter dem Jubelruf des Psalmisten: „Der Herr hat Großes an uns gethan, des sind wir fröbhlih!" A sei und bleibe der Grundton unseres Herzens und ebens! „Der Herr is noch und nimmer nit Bon seinem Volk geschieden ; Er bleibet ihre Zuversicht, Ihr Segen, Heil und Frieden. Mit Mutterbänden leitet er Die Seinen stetig hin und her; Gebt unserm Gott die Ehre!“

Göttliche Liebesmacht und mens{chlihe Treue haben dieses Gottes- haus in wunderbarer Schöne geschaffen und fertig gestellt. Schön und ehrwürdig von außen mit seinen edlen Formen, mit seinen bhimmel- anstrebenden Thürmen, \{ôn und würdig von innen mit feinem freundlihen Tageslicht, mit seinen gewaltigen Pfeilern und erhabenen Gewölben, steht es vor uns. Viel wadere Kräfte haben einträhtig hier zusammengewirkt und gearbeitet. Die große Opferwilligkeit von Nah und Fern, die hilfreiche Hand der Staats- und städtischen Behörden und der kirhlihen Gemeindeorgane, der rastlose Eifer des Evangelishen Kirchenbau-Vereins unter dem ( bewährte Kunstsinn des Baumeisters, der Fleiß der Bauleute, Fürst und Volk in treuer Fürsorge und pietätvyoller Dankbarkeit gegen den alorreihen Schöpfer deutsher Einheit, das alles hat unter Gottes Segen diesen hehren, heiligen Tempel gefördert und vollendet, eine neue Erbauúngs- und Zufluchtsstätte zu dem Herrn Zebaoth, dem barmherzigen Vater in Christo Jesu, inmitten des weiten, ruhelosen Häusermeers zweier großer Residenzen. Habt Dank, tiefempfundenen Dank Alle, die Ihr uns diesen Tag durch Cure Liebeswerke so herrlih bereitet! Gott sei Euch ein reicher Ver- gelter in Zeit und Ewigkeit! Du aber, chrwürdiges Gotteshaus, du festlih ges{chmüdte Braut deines himmlishen Bräutigams, fei uns gesegnet und gegrüßt! In und mit dir bringen wir heute vor Allem cin Ovyfer des Dankes und des Bekenntnisses dem König aller Könige zu Ehren, ein weithin fichtbares, gewaltiges Zeugniß allen nachkommenden Geschlehtern , daß der Herr Großes an uns gethan hat. Welch ein vaterländischer Ge- denktag heute, der Weihetag dieses Gotteshauses! So fest woie diese Mauern war die Mauer, die heut vor 2% Jahren sich um die Feste Sedan legte. Als in der Nacht die Wachifeuer der Deutschen rings- berum brannten, sah es aus, als wenn die dunkle Stadt in eine feurige Mauer eingeschlossen wäre. Und diese Mauer war die edelste, welhe es geben konnte. Sie bestand aus allen deutshen Stämmen; fe war gut, es waren keine Lüden darin, sie war überall gefestigt mit dem Mörtel und Kitt brüderliher Treue. Das hatte Gott gegeben, do er wollte noch weit mehr thun. Wie gar unbegreiflih sind seine Gerihte und unerforsh- lih seine Wege! Ein Kaiserthum ward zu Grabe getragen, aber in Erfüllung ging, was Deutschlands Patrioten {hon längst erhofft und erstrebt hatten. Versunkene Herrlichkeit des Vaterlandes, nun schauen wir dich wieder im Glanz der Kaiserfrone! Du lang ent- Träumen hat geendet; zer- stoben ist der Raben Schaar und leuchtend tritt vor seines Volkes Augen im Silberhaar der Kaiser. „Der Herr hat Großes an uns gethan.“ Und immer weiter reiht Gottes Segen. Wie hat der Herr die theure Greisengestalt des damaligen Siegers uns noch Jahre lang in wunderbar s{afender Kraft er- halten! Wie steht der neunzigjährige, von aller Welt umjubelte Fürst vor uns: demüthig vor seinem Gott, eine unbeschreiblichh rührende und gewaltige Gestalt auf der Höhe, ein beseligter Erbe ewiger Gnade! Ja, selbst in den ernsten Prüfungen des Jahres 1888 hat der Herr noch Großes an uns gethan. Wenn der deutsche Kronprinz, der hoffnungsvollste Fürstensohn auf dem Erdenrund, ein eter Hohenzoller, s{liht und gerecht, an der Seite seines Kaiser- lichen Vaters dastand als ein Held in der Siegfried8gestalt, voll ritterlicher Kraft und Milde, so hat die gottergebene Leidensgestalt des todtfkranfen Kaisers unserem deutshen Volk in Tausenden seiner Glieder ein ergreifend \{chönes Bild seltener Pflichttreue und der bewundernswürdigsten ausharrenden Geduld für immer in die Seele geprägt. Und wie herrlich ersheint uns der neue Zeitabschnitt im Lichte der Persönlichkeit des Kaiserlichen Sohnes und Enkels, der, den {wer und glorreih erkämpften Siegeskranz der Väter unverwelfkt und unentweiht um die Stirn tragend, seit 7 Jahren die Geschicke unseres Vaterlandes lenkt als ein fürstliher Verwalter großer Friedensgedanken nah außen und innen! Gott fegne ihn dafür! Gott segne thm vor allem auch die erneuernde Arbeit

an den fkirhlihen und sittlihen Zuständen der Gegenwart, die unser Kaiser mit seiner hohen Gemahlin frisch und freudig, klar und kräftig auf sich genommen hat! „Der Herr

hat Großes an uns gethan“, Aber, Volk Gottes, dich brauht der Kaiser zur Dur(hführung seiner großen Absichten. Er gun ein christlich Volk, das niht nur heute am Jubelfest ekennt: „Des sind wir fröhlih“, wo der Königsthron dasteht, um- spielt vom Sonnenlicht, von Glück und Glanz, getragen von dem Jubel eines ganzen Volks sondern fröhlih auch am Lage von Golgatha, auch dann, wenn es hindurhgeht dur Enk- täushungen und bittere Erfahrungen und An ere Kämpfe; fröhlich auch dann, wenn u des Königs aller Könige Wort uns zur heilsamen Probe wiederholt: „Selig seid Jhr, wenn Euch die Menschen um meinetwillen s{mähen und verfolgen und reden allerlei Uebles wider Euch, so sie daran lügen“; fröhli}h auch dann, wenn Angst und Tod mit starren Augen uns gegenüberstehen. „Du ewig reiher Gott, wollst uns bei unserm Leben ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben!“ Die Unzufriedenheit ist ja ershrecklich groß in unserer Zeit. Troy des vielen MRingens und Schaffens wird doch keine rechte Zufriedenheit erzeugt. Ein ungenügsames Begehren ist der eigentlihe Grundtrieb unseres Geschlehts geworden, und darüber geht viel Fröhlichkeit zu Grunde. Es liegt eine tiefe Ermattung über unserm innern Leben. Unserm Glauben fehlt die jugendliche „Schwungkra t, der immer frische, fröhlihe Muth zum Zeugen und Bekennen. Daher der offen- fundige Mangel an sittlicher Energie, an großen sittlichen Charakteren.

So wird der heutige Festtag zu einem Tag der Beichte. y E *vellias Boden neu E

Lebens. Im Evangelium unseres Herrn liegen allein die Heils- und Segenskräfte, die anser Volk zufrieden und fröhlih mahen und höher denn je emporheben können. Die Lebenskraft eines Volks, wie das

deutshe, kann nur wurzeln in dem Hereinragen eines höheren, unbeweglihen Reichs, das seine Kräfte: laubenstreue, Ge- wissensernst, barmherzige Liebe, dem einzelnen Tag und feinen Auf- gaben mächtig unterbaut. Durch die Gnade werden wir entsündigt und werfen \fröhlich Panier auf. So wollen wir Ernst machen mit der persönlichen Heiligung, mit der Versöhnung durch Jesum, unseren Heiland! Zum Herrn, dem dieses Haus geweiht, müssen wir fleißig fommen im Kämmerlein und in der Gemeinschaft der Gläubigen, in Wort und Sakrament. Von hier aus ergießen \sch die Ströme des Lebens, der Freude und des Friedens in Herz und Haus, in Gemeinde und Volk. Von hier aus fällt ein heller Strahl himmlishen Lichtes auf die Gräber der tapferen Helden, die im heiligen Kampf für Deutschlands Ehre und Größe dahingesunken sind und uns mit ihrer Geisterstimme heute mahnend zurufen: „Deutsches Volk, halte, was Du hast, daß niemand Deine Krone nehme.“ Wohlan, liebe Festgemeinde, wie diese hohen Mauern und Pfeiler die Kirche des großen, ersten deutshen Kaisers tragen, so wollen wir als Träger deutscher Sittlichkeit, deutsher Frömmigkeit und deutscher Einheit das Erbtheil unserer Brüder und Väter pflegen; dann wahren wir als die Grundypfeiler deutsher Größe den Gewinn aus der Vergangenheit, den Frieden in der Gegenwart und eine gute Bürgschaft für die Zu- funft. Wohlan, wie dieser gewaltige Bau aus ebenmäßigen Steinen innig und fest zusammengefügt ift, io wollen wir uns als die lebendi- gen Bausteine mit einander erbauen zu einer Behausung Gottes im Geist! Unser Gelübde heute am Doppelfesttag vor aller Welt : Wir wollen treu und waer die Fahne des evangelishen Christen- thums hochhalten und fest zusammenstehen: „Mit Gott für König und Vaterland.“ Amen.

Gesang der Gemeinde folgte. Dann sprach der General- Superintendent ein Dankgebet und das Vater Unser. Der Domchor sang den 149. Psalm: „Singet dem Herrn ein neues Lied“; darauf folgte der Segen, und ncch demselben bes{hloß der von der Gemeinde und den Chören unter Orgel- und Musik- begleitung gesungene, machtvolle altniederländishe Choral: „Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten“ die Feier.

Mit dem Gesang des dritten Verses verbanden sich die E Klänge der Glocken.

, Während die Majestäten und Fürstlichkeiten unter dem Geläute der Glocken und den herrlichen Klängen der Orgel den Hauptgang der Kirche entlang ritten, intonierten draußen die Kriegervereine, Schulen und Truppendeputationen in viel- tausendstimmigem Chor den Choral „Nun danket alle Gott“, begleitet durch die Musikkorps des Kosleck schen Bläserbundes, des 1. und 2. Garde-Feld-Artillerie-Regimenis und des 1. Garde- Regiments z. F.

Die Majéstäten, die Großherzogin von Baden, die Fürst- lichkeiten und Höchsten Gäste traten auf die Freitreppe hinaus. Bei dem zweiten Verse des Chorals hörten die Glocken allmählih auf zu läuten. Dann aber durchbrauste die Luft der begeisterte Gesang der „Wacht am Rhein“. Aus der Kirche war während des Gesanges allmählich die Festgemeinde durch die verschiedenen Portale herausgetreten, und Viele stimmten in den begeisterten Gesang mit ein. Seine Majestät der Kaiser nahm dann vor der Kirche den Parademarsch der Ehren-Kompagnie ab, welcher die Fahnen und Standarten der Leib: Regimenter voraufschritten. Sobald die Grenadiere vor- beigezogen waren, stimmte die Musik mit den Vereinen und Schulen „Heil dir im Siegerkranz“ an; allmählich fielen die Glocken mit ihren mächtigen Klängen ein, und bei der Abfahrt der Majestäten s{chmetterten die Trompeten das herrliche alt- niederländische Vaterlandslied „Wilhelmus von Nassauen“. Jhre Majestäten und Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden fuhren um die Südseite der Kirche herum, um auch hier die aufgestellten Kriegervereine, Schulen und Zu- E zu begrüßen, und begeisterter Jubel mischte sih in

ie Töne des nun mit allen Gloœen mächtig erklingenden Geläuts.

Der Freude über die Vollendung des herrlichen Denkmals und der Dankbarkeit gegen die Vielen, welche an diesem Werk mitgeholfen, haben Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin durch die Verleihung zahlreicher Auszeichnungen und sonstiger Gnadenbeweise und Erinnerungen Ausdruck gegeben.

Die diesjährige große Herbstparade über das ge- sammte Garde-Korps fand heute, Vormittags 9 Uhr, auf dem Tempelhofer Felde, westlich der Chaussee, vor Seiner Majestät dem Faifer und König statt.

Die Truppen waren im Paradeanzug mit Gepäck, Fuß- truppen und Bedienungsmannschaften der fahrenden Batterien in weißen Hosen, das 1. Garde-Regiment z. F. und das Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 mit den Blech- müßen; Hoboisten, Regiments- und Bataillons-Tambour, Fahnenträger ohne Gepäck, das Regiment der Gardes du Corps und das Garde-Kürassier-Negiment mit Kürassen.

Die Parade befehligte der kommandierende General ‘des Garde-Korps, General der Jnfanterie von Winterfeld, General- Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs (Chef des Generalstabes Oberst von Woyrsch).

Die Parade- Aufstellung erfolgte in zwei Treffen:

Das erste Treffen bestand aus der 1. Garde-Jnfanteric- Division und der 2. (zusammengestellten) Garde - Jnfanterie- Diviston.

Die 1. Garde-Jnfanterie-Division befehligte der General- Lieutenant von Kliging, Kommandeur der 1. Garde-ZJnfanterie- Division, die 2. Garde - Jnfanterie - Division der General- Lieuicnant von Bomsdorff, Kommandeur der 2. Garde- Jnfanterie-Division.

Das zweite Treffen kommandierte General-Lieutenant Graf von Wartenberg, Kommandeur der Garde-Kavallerie-Division.

Auf dem rechten Flügel des ersten Treffens standen die Leib-Gendarmerie und die Stäbe, daneben die 1. Garde - Jnfanterie - Brigade (General - Major Freiherr von Bülow), bestehend aus der Haupt-Kadetten-Anstalt E Freiherr von Boenigk), dem 1. Garde- Regiment z. F. (Oberst - Lieutenant von der Lancken vom 1. Garde-Regiment z. F. für den erkrankten Kommandeur, Oberst von Kessel), dem 3. Garde - Regiment 3. Oberst - Lieutenant von Boehn vom 3. Garde - Regiment für den erkrankten Oberst von Twardowski), dem Lehr- Infanterie - Bataillon (Oberst - Lieutenant von Uslar), der Unteroffizier-Schule zu Potsdam (Major von Heydebreck), dem Garde-Jäger-Bataillon (Major Freiherr von Plettenberg), die 2. Garde-Jnfanterie-Brigade (General-Major von Alvensleben), bestehend aus dem 2. Garde-Regiment z. F. (Oberst von Hart- mann), dem Garde-Füsilier-:Regiment (Oberst von Krosigk), dem 4. Garde-Regiment z. F. (Oberst von Bülow). Dem Kommando der 2. (zusammengestellten) Division waren unterstellt: die 3. Garde - Jnfanterie - Brigade (General-Major Herwarth von Bittenfeld), bestehend aus dem Kaiser Alexander Garde- Grenadier - Regiment Nr. 1 (Oberst von Sausin), dem Königin Elisabeth Garde-Grenadier-:Regiment Nr. 3 (Oberst

reiherr von Buddenbrock - Hettersdorf) und dem Garde- Schüßen - Bataillon (Oberst - Lieutenant von Pawlowski), die“. 4. Garde - Jnfanterie - Brigade (General - Major Friedrich Leopold, Prinz von Preußen, Königliche Hoheit), gebildet aus: dem Kaiser Franz Garde - Grenadier - Regiment Nr. 2 (Oberst S von Buddenbrock - Hettersdorf) und dem Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4 (Oberst-Lieutenant Lölhöffel von Löwensprung desselben Re- giments), die auf Allerhöchsten Befehl aus den 4. Bataillonen der Garde - Jnfanterie - Regimenter zusammengestellte Brigade (3 Regimenter à 3 Bataillone) unter dem Befehl des Obersten und Flügel-Adjutanten von Braunschweig, Kommandeurs des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4, und zwar 1. kombiniertes Regiment : 4. Bataillon 1. Garde-Regiments z. F., 4. Bataillon 2, Garde-Regiments z. F., 4. Bataillon Garde- Füsilier-Regiments (Oberst-Lieutenant von Loewenfeld, ctats- mäßiger Stabsoffizier des Garde-Füsilier-Regiments). 2. kom- biniertes Regiment: 4. Bataillon Kaijer Alexander-Garde- Grenadier-Regiments Nr. 1, 83. Garde - Regiments z. F., 4. Garde-Regiments z. F. (Oberst-Lieutenant von Kleist, etats- mäßiger Stabsoffizier des 4. Garde - Regiments z. F.). 3. fkfombiniertes Regiment: 4. Bataillon Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2, Königin Elisabeth Garde- Grenadier-Regiments Nr. 3, Königin Augusta Garde-Grenadier- Regiments Nr. 4 (Oberst - Lieutenant Stein von Ka- miensfki, etatsmäßiger Stabsoffizier des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2) und die zusammengestellte Brigade (Oberst Taubert, Kommandeur des Eisenbahn-Regi- ments Nr. 3), zusammengestellt aus dem Garde-Fuß-Artillerie- Regiment (Oberst Rathgen), der Fuß-Artillerie-Schießschule (Oberst Gunkel), dem zusammengestellten Eisenbahn-Regiment P U E U Schubert, Kommandeur des Eisenbahn- Regiments Nr. 1).

Im zweiten Treffen standen: die 1. Garde-Kavallerie- Brigade (General-Major von Si), bestehend aus dem Regi- ment der Gardes du Korps (Oberst-Lieutenant von Mißlaff) und dem Garde-Kürassier-Negiment (Oberst-Lieutenant Graf von Klinkowströôm), die 2. Garde - Kavallerie - Brigade (Oberst Rabe von Pappenheim), bestehend aus dem 1. Garde - Ulanen - Regiment (Oberst - Lieutenant von der Schulenburg), dem 3. Garde - Ulanen - Regiment (Oberst- Lieutenant von Naßmer), die 3. Garde - Kavallerie- Brigade (Oberst von Moßner), bestehend aus dem 1. Garde-Dragoner-Negiment Königin von Großbritannien und Jrland (Major von Falkenhayn), dem 2. Garde- Dragoner - Regiment (Oberst Heinrih XIX. Prinz Reuß D.), und die 4. Garde - Kavallerie - Brigade (General - Major Freiherr von Bissing), bestehend aus dem Leib-Garde- Husaren - Regiment (Major von Wallenberg) und dem 2 Garde - Ulanen - Regiment (Oberst - Lieutenant Freiherr von Langermann und Erlencamp), anschließend hier- dn Die eld MUtilleie D De Dra ter Oberst von Saldern-Ahlimb, Kommandeur der Garde-Feld- Artillerie-Brigade, gebildet aus dem 1. Garde-Feld-Artillerie- Regiment (Oberst von Slyterman-Langeweyde), dem 2. Garde- Feld-Artillerie-Regiment (Oberst-Lieutenant Graf und Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld), der Feld - Artillerie - Schießjschule (Oberst Schmid) und dem Garde-Train-Bataillon (Oberst- Lieutenant Eiswald).

Es waren aufgestellt: das erste Treffen in aufgeshlossener

Tiefkolonne, die Luftschiffer-Abtheilung in Kompagnie-Kolonne, das zweite Treffen: Kavallerie in nach der Flanke ab- geshwenkter Regiments-Kolonne, Artillerie und Train in Breit- Kolonne. Die Ehrenbezeugungen wurden zuerst im Ganzen, dann brigadeweise ausgeführt. __ Das Zweite Treffen wurde vom linken Flügel aus ge- sehen. Hierauf erfolgte ein einmaliger Vorbeimarsh und zwar das Erste Treffen in Kompagniefronten. Das Zweite Treffen: Kavallerie in Eskadronsfronten mit halbem Tiefen- abstand, Artillerie in Batteriefronten, Train in Kompagnie- fronten sämmtlih im Schritt.

Nach dem Vorbeimarsh versammelten si die Generale, Negiments- und selbständigen Bataillons-Kommandeure zur Kritik bei Seiner Majestät dem Kaiser und König und, hieran anschließend, fanden militärishe Meldungen statt.

Die Truppen formierten sih hierauf zum Abmarsch und rückten mit klingendem Spiel in ihre Quartiere ab. Die Leib- Kompagnie des 1. Barde-Regiments z. F. mit den Fahnen der Fußtruppen und verstärkter Regimentsmusik sowie die Leib-Eskadron des Regiments der Gardes du Corps mit den Standarten, ferner die 1. Kompagnie des Kaiser Alexander Garde- Grenadier-Regiments Nr. 1 (ohne Spielleute und Musik) und die 1. Eskadron des Garde-Kürassier-Regimenis (ohne Trom- peterkorps) versammelten sih nah Beendigung der Parade am Steuerhause und marschierten erst auf Allerhöchsten Befehl ab.

Seine Majestät der Kaiser ritten bei der Fahnen- Kompagnie. Die 1. Kompagnie des Kaiser Alexander Garde - Grenadier - Regiments Nr. 1 hatte sch der Fahnen - Kompagnie, die 1. Eskadron des Garde- Kürassier-Regiments der Standarten-Eskadron angeschlossen. Der Marsch erfolgte vom Tempelhofer Feld aus dur die Friedrichstraße und demnächst auf dem Mittelweg der Linden entlang nach dem Königlichen Schloß. Am Denkmal Friedrich's des Großen seßten sih die Kompagnien in Kompagnie-Kolonne die Eskadrons in Zug-Kolonne, die Fahnen in 2 Gliedern vor die Front der Leib-Kompagnie, die Standarten vor dem 1. Zuge der Leib-Eskadron. In dieser Formation wurde bis in die Nähe des Portals Ÿ des Königlichen Schlosses marshiert ; demnächst erfolgte die Abbringung der Fahnen und Standarten. Hierzu rückten beide Kompagnien bezw. Eskadrons in den Schloßhof. ¿ e i

Heute Nachmittag 6 Uhr findet im Königlichen Schloß das übliche Paradediner statt.

Zur 25 jährigen Gedenkfeier des Tages von Sedan trägt die Reichshauptstadt seit gestern reihen Festshmudck ; wohin man \{haut: Flaggen und Blumengewinde. Schon gestern durchwogten festlih gekleidete Schaaren die Straßen der Stadt, um die Dekorationen anzushauen. Die ganze Nacht hindurch und bis in den heutigen Vormittag hinein regten sih viele Tausende fleißiger Hände, um die Aus- s{chmückung rechtzeitig herzustellen. An vielen Punkten der Stadt sind Laubgewinde über die Straßen gezogen, so am Belle-Allianceplay, am Eingang der Friedrichstraße, wo „dem siegreichen Heere“ auf sinnige Weije ein Gru entboten wird, ferner am Schnittpunkt der Jerujalemer- und Schüßeu straße und am Eingang zur Kaiser Wilhelmstraße, wo die Guirlande ein goldenes Velarium mit dem Adler trägt. Einen