1895 / 212 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Sep 1895 18:00:01 GMT) scan diff

8 17.

Die Eintragung einer Hypothek oder Grundschuld an einer Bahn (Bahnpfandschuld) kann auf Grund einer vor der Eintragung der Bahn in das Bahngrundbuch von dem Eigen- thümer erklärten Bewilligung erfolgen. Die Eintragung einer

rundshuld an einer Privateisenbahn bedarf der Genehmigung des Ministers der öffentlichen O,

Das Kündigungsreht des Gläubigers einer Bahnpfand- schuld kann auh über die Dauer von 30 Jahren hinaus aus- geschlossen werden. A

Sofern nah dem Erlöschen der Genehmigung die Bahn- einheit fortbesteht, sind Verfügungen des Bahneigenthümers über einzelne Bestandtheile der Bahneinheit den Bahnpfand- gläubigern gegenüber unwirksam ; jedo finden die Vorschriften u Gunsten derjenigen, welhe Rechte von einem Nicht- ReStinten herleiten, insbesondere die Vorschriften über den öffentlihen Glauben des Grundbuchs entsprehende Anwendung. Das Recht der Bahnpfandgläubiger, die Unwirksamkeit einer Verfügung des Bahneigenthümers geltend zu machen, erlischt mit der Schließung des Bahngrundbuchblatts.

Vierter Abschnitt. Theilshuldvershreibungen auf den Jnhaber. 5 20

Eine Bahnpfandschuld kann ohne Bezeichnung des

Gläubigers im Bahngrundbuch eingetragen werden, wenn die

Schuld in Theile zerlegt und die Genehmigung zur Ausstellung von Theilschuldvershreibungen auf den Jnhaber ertheilt ist. Jn diesem Falle sind in der Eintragung neben dem Gesammtbetrage die Theilschuldvershreibungen nah Anzahl, Bezeichnung und Betrag anzugeben. Jst ein Tilgungsplan “vorhanden, so bedarf es nicht der Angabe der Zahlungsbedingungen in der Ein- tragung, sondera es s die Verweisung auf den zu den Grundakten zu nehmenden Plan. Die Vorlegung einer Schuld- urkunde is auch dann nicht erforderlih, wenn der Schuldgrund bei der Eintragung angegeben wird.

Die Vorschriften des Geseßes vom 17. Juni 1833?wegen Ausstellung von Papieren, welche eine Q Eng an jeden Fnhaber enthalten (Gesez-Samml. S. 75), finden auf die Ausstellung der Theilshuldverschreibungen (§8 20) Anwendung.

S 22.

Die Eintragung der Theilshulden ift öffentlih bekannt ju machen. Die Bildung eines Hypotheken- oder Grundshuld- riefes findet nicht statt. Zur Geltendmachung der Rechte aus der Eintragung ist der Jnhaber der Theilschuldverschrei-

bung berechtigt. S 23.

Auch einé für einen bestimmten Gläubiger eingetragene Bahnpfandshuld kann mit Zustimmung des eingetragenen S in Theilshuldverschreibungen auf den Sukaber 6 egt werden. Die Umwandlung is unter Vernichtung der

runde, welche über die Bahnpfandschuld gebildet war, in das Bahngrundbuch einzutragen. Die Vorschriften der 88 21, 22 finden Anwendung.

Theilabtretungen einer für einen bestimmten Gläubiger eingetragenen Bahnpfandshuld können ohne Bezeichnung des Erwerbers nicht erfolgen.

24.

Zur Löschung von Theilschulden hat der Eigenthümer cine gerichtlihe oder notarielle Urkunde über die durch ihn er- folgte Vernichtung der E atdlben e beizubringen. Im Falle einer Kraftloserklärung derselben ist außer dem Aus- ee die Löschungsbewilligung desjenigen, der das

usshlußurtheil erwirkt hat, beizubringen.

Die Beibringung der in Absatz 1 bezeichneten Urkunden wird durch die unter Verzicht auf Zurücknahme erfolgte Hinter- legung des Betrages der fälligen Theilschuld erseßt.

S 2%.

Soweit niht nach Jnhalt der Urkunde (§8 24) auch die Vernichtung der für die Theilshuldverschreibungen aus- gegebenen Zinsscheine erfolgt ist, sind die leßteren vorzulegen. eine über verjährte Zinsen brauchen niht vorgelegt zu werden.

Die Vorlegung der nach der Fälligkeit der Theilshuld fällig werdenden Zinsscheine ist im Falle des § 24 Absay 2 nicht erforderlih, in anderen Fällen nur insoweit, als der Aussteller zur Einlösung trog der Fälligkeit der Hauptschuld verpflichtet ist.

Die Vorlegung eines Zinsscheins wird durch die unter Verzicht auf ZurückEnahme erfolgte Hinterlegung des Betrags desselben erseßt. Die Vorschriften des § 96 der Grundbuch- ordnung finden auf die Gn Genie entsprehende Anwendung.

Die Löschung der Theilschuld is öffentli bekannt zu machen, sofern der A auf Löschung ganz oder zum theil auf Hinterlegung (§8 24 a 2 gestüßt war.

In einer Versammlung der Gläubiger einer Bahnpfand- schuld kann die gänzlihe oder theilweise Aufgabe des Pfand- rechts, die Einräumung eines Vorrechts, die Gewährung einer Stundung oder einer Ermäßigung des Zinsfußes, der Verzicht auf Sicherungsmaßregeln, sowie die Zustimmung zur Ein- stellung des S werden.

Die Versammlung der Gläubiger wird durch das Gericht, bei welhem das Bahngrundbuch geführt wird, berufen. Die Berufung findet statt, wenn sie unter Angabe des Zwecks, so- wie unter Einzahlung eines zur Deckung der Kosten hin- reichenden Betrages von Gläubigern, deren Theilschuldver- schreibungen zusammen den 25. Theil des Betrages der Bahn- pfandshuld darstellen, oder von dem Eigenthümer der Bahn oder dem Konkursverwalter beantragt oder wenn sie von der Bahnaufsichtsbehörde verlangt wird.

Die Berufung erfolgt durch öffentlihe Bekanntmachung derselben unter Angabe des Zwecks.

Gegen den die Berufung ablehnenden Beshluß des Ge- richts findet Beschwerde nah Maßgabe der deutschen Zivil- prozeßordnung (S8 531 bis N statt.

Die Versammlung findet unter Leitung des Gerichts statt. Der Beschluß 27) wird nah Mehrheit der Stimmen gefaßt. Stimmenmehrheit is vorhanden, wenn die Mehrzahl er im Termin anwesenden Gläubiger Daa bee À ustimmt und die Gesammtsumme der Theilshuldbeträge der afikimess den wenigstens zwei Dritttheile der Gesammtsumme der E pfandshuld beträgt. Gezählt werden nur die Stimmen der

Gläubiger, welche die Theilshuldvershreibungen nach An- ordnung des Gerichts E haben.

Der Beschluß der Versammlung bedarf der Bestätigung des Gerichts, welhes vor Ertheilun Ne die Bahn- aufsihtsbehörde zu hören hat. Auf die Bestätigung, deren Wirkung und Anfehtung finden die Bestimmungen der R 168, 170 E 2, 171, 172 Nr 1. 173, 174, 178, 181,

2 der Deutschen Konkurs-Ordnung entsprechende Anwendung. Der Antrag auf Verwerfung des Beschlusses sowie die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Bestätigung des- selben steht jedem Jnhaber einer Theilshuldvershreibung zu. Der rechtskräftig bestätigte Beschluß 1st in Ausfertigung zu den Grundaften der Bahn zu bringen.

31.

Vor der rechtskräftigen Bestätigung des Beschlusses findet auf Grund desselben eine endgültige Eintragung im Bahn- grundbuch nicht statt. Zur Eintragung bedarf es nicht der Vorlegung der in den E 24, 5 bezeichneten Urkunden. Die Eintragung ist öffentlih bekannt zu machen.

Fünfter Abschnitt. Zwangsvollstreckung. 32

Auf die Zwangsvollstreckung in die Bahneinheit finden der erste, dritte und fünfte Abschnitt des Geseßes vom 13. Juli 1883, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Geseß-Samml. S. 131), im ganzen Umfange der Monarchie Anwendung, soweit niht nachstehend ein Anderes bestimmt ist.

Nach Erlöschen der für das Bahnunternehmen ertheilten Genehmigung is eine Zwangsverwaltung oder Zwangsver- steigerung der Bahn nicht mehr einzuleiten und ein etwa ein- geleitetes Verfahren ine its

Jst zur Zeit des Antrags auf Eintragung einer vollstreck- baren Forderung im Bahngrundbuche die Bahneinheit in dem leßteren niht eingetragen, io ist der Antrag vom Amtsgericht der Bahnaufsichtsbehörde mitzutheilen, welhe von Amtswegen das Ersuchen um Anlegung des Bahngrundbuchblattes in Ge- mäßheit der Vorschriften des zweiten Abschnittes dieses Ge- seßes zu stellen hat. Die Eintragung der vollstrebaren For- derungen erfolgt bei Anlegung des Grundbuchblattes auf Grund des vorher gestellten Antrags mit dem nah der Zeit des leßteren zu bestimmenden Range; bei der Bestimmung der Dae für die Befriedigung von Realansprüchen und Forderungen, für welche die Bahn in Beschlag genommen ist (8 30 des Geseßes vom 13. Juli 1883), gilt der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags als Zeit der Entstehung des Pfandrechts. :

S 34

Wird die Hage Bing oder Zwangsverwaltung einer niht im Bahngrundbuch eingetragenen Bahn beantragt, so bedarf es der R des Bahngrundbuhs nur dann, wenn gemäß § 124 des Geseßes vom 13. Juli 1883 rück- ständiges Kaufgeld als Hypothek einzutragen ist. Jn diesem A erfolgt die Anlegung auf das in Gemäßheit der bezeichneten orschrift zu stellende Ersuchen des Vollstreckungsgerichts. Bei der Anlegung wird in den Titel die in 8 11 Abs. 1 bezeichnete Beschreibung des Bahnunternehmens aufgenommen. Die Auf- nahme der übrigen nah § 11 erforderlihen Angaben erfolgt auf Ersuchen der Bahnaufsichtsbehörde (§8 13 Abs. 2 und 3), welcher von der erfolgten Anlegung seitens des Grundbuch- rihters Mittheilung zu machen ist. - Wird im Laufe des S R der Zwangsversteigerun oder Zwangsverwaltung das Vahngrundbuch angelegt, so i der Vermerk über den Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (S8 18, 139 des Geseßes vom 13. Juli 1883) bei der Anlegung von Amtswegen einzutragen. Zu diesem Zwecke hat das Vollstreckungsgeriht von der Stellung eines solchen Antrags dem Grundbuchrichter Mittheilung zu

machen. S 35.

Für die Zwangsvollstreckung in die Bahn is als Voll- streEungsgeriht das zur Führung des Bahngrundbuchs be- rufene Amtsgericht aus\chließlich zuständig. Die Vorschriften des § 755 Abs. 2 und des § 756 Abs. 2 der Deutschen Zivil- prozeßordnung finden MARLCIENe Anwendung.

An unbeweglihen oder beweglichen Gegenständen und Rechten, welche zu mehreren Bahnen Een Eigenthümers gehören, bestimmt sich das Antheilsverhältniß durch das Ver- hältniß der im leßten Geschäftsjahre vor der Beschlagnahme A des Geseßes vom 183. Juli 1883) auf den einzelnen

ahnen zurückgelegten Wagenachskilometer, soweit niht aus dem Bahngrundbuch ein anderes Verhältniß sih ergiebt. Jst die Zahl der E niht buhmäßig festzu- stellen, so wird das Antheilsverhältniß durch das Vollstreckungs- geriht nach Anhörung der n Sora bestimmt. 3

Hinsichtlih der Reihenfolge der aus dem Kaufgeld zu be- friedigenden Ansprüche gelten die Vorschriften der §8 24 E 30 des Geseßes vom 13. Juli 1883 mit folgenden Maß- gaben:

Nach den in è 24 bezeihneten Ausgaben sind die gemäß SS 6, 7 dieses Geseßzes begründeten Entshädigungsforderungen zu berichtigen. Das Vorrecht erlisht, wenn die Entschädi- gers nicht innerhalb eines Jahres seit der Erklärung

er Bahnaufsichtsbehörde gerichtlich geltend gemaht und bis zur Eröffnung des Vollstreckungsverfahrens verfolgt ist.

Das in § 26 bestimmte Vorrecht steht denjenigen Per- fonen zu, welche sich dem Eigenthümer der Bahn für den Betrieb derselben zu dauerndem Dienste verdungen haben.

Die in den 88 27, 28 bestimmten Vorrechte stehen für diejenigen Steuern und andere öffentlihe Abgaben zu, welche für den Bahnbetrieb oder bezüglich der zur Bahneinheit ge- hörigen Grundstücke zu entrichten sind.

_ Nach den in § 28 bezeihneten Forderungen sind zu be- rihtigen die Forderungen auf Erstattung von Beträgen, welche bimechatb des leßten Jahres im gegenseitigen Bahnverkehr von einem anderen Bahnunternehmer ausgelegt oder für ihn er- hoben oder für die Benußung von Transportmitteln zu ent- rihten sind CAUe R S T Age),

Mit dem Antrage auf Einleitung der Zwangsverwaltung ist von dem Antragsteller eine Erklärung der Bahnauffichts- behörde beizubringen, daß die Einkünfte àáus der Zwangsver- waltung den Kosten des Verfahrens mit eal der Aus- aben und Ansprüche aus der eran voraussichtlich ent- Preden werden, oder es ist eine nach den Erklärungen der

Bahnaufsichtsbehörde voraussihtlih hierzu ausreichende Deckung zu gewähren. 4

: S 39.

Wird über das Vermögen des Bahneigenthümers das Konkursverfahren eröffnet, so ist die B sverwaltung gus dann einzuleiten, wenn die Bahnaufsichtsbehörde das Voll- streckungsgeriht um die Einleitung derselben ersuht. Dies Ersuchen istt nur dann zu stellen, wenn die Einkünfte aus der Zwangsverwaltung den Kosten des Verfahrens mit Einschluß der Ausgaben und Ansprüche aus der Verwaltung voraus- sihtlih entsprehen werden. S 40

Die in den 88 142 und 144 des Geseßes vom 13. Juli 1883 dem Gericht zugewiesene Thätigkeit steht der Bahn- aufsichtsbehörde u. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. kann für die Geläftsführung der Verwalter und die den- selben zu gewährende Vergütung allgemeine Anordnungen treffen.

41.

Bei der Vertheilung der Einkünfte der Zwangsverwaltung sind neben den laufenden Abgaben, Leistungen und Zinsen die

in 8 37 Ab. 2 und 5 bezeihneten Forderungen in der da-

selbst bestimmten Rangordnung zu berichtigen. Vor den in Abs. 3 des § 147 des Geseßes vom 13. Juli 1883 bezeih- neten Hong sind die während des Verfahrens fällig werdenden Theilshulden zu berichtigen, soweit solche niht aus den statutenmäßig zu ihrer Einlösung bestimmten Fonds, welche niht zur Bahneinheit Les ur Hebung gelangen und sofern nicht andere, den Theilshulden vorgehende Bahnpfand- schulden fällig sind oder die Zwangsversteigerung oder das Konkursverfahren eröffnet ist.

Bei dem Antrage auf Einleitung der Zwangsversteigerung bedarf es der Beifirgung cines Auszugs aus der Grundsteuer- mutterrolle und der Gebäudesteuerrolle (§8 14 Ziff. 1 des Ge- sezes vom 13. Juli 1883) hinsichtlich der zur Bahneinheit gehörigen Grundstücke nicht. 48

Vor Feststellung der gcufbitaunaén ist die Bahnaufsichts- behörde zu hören.

S 44.

An Stelle des nah der Veranlagung zur Grund- und Gebäudesteuer zu berechnenden Betrags, innerhalb dessen O und Grundschulden auf dem zu versteigernden

egenstand eingetragen sein müssen, um nah der Vorschrift des S 64 Abs. 2 des Geseßes vom 13. Juli 1883 zur Sicher- heitsleistung benußt werden zu können, is ein bestimmter Betrag von dem Gericht nah Anhörung der Bahnaufsichts- behörde festzuseßen. Der festgeseßte Betrag ist in der Bekannt- machung des Versteigerungstermins anzugeben.

An Stelle der in § 40 Ziff. 1 bis 3 des Geseßes vom 13. Juli 1883 bezeichneten Angaben tritt eine den wesent- lihen Jnhalt der Genehmigung wiedergebende Beschreibung der Bahn. L

5.

Die Ertheilung des gufkinas erfolgt unter der Bedin- gung, daß für die Person des Erstehers die staatliche Génehmi- gung zum Erwerb der Bahn beigebraht wird. Wird diese Genehmigung versagt, so ist das Urtheil über die Ertheilung des Zuschlags aufzuheben und ein den Zuschlag versagendes Urtheil zu erlassen, welhes allen Jnteressenten von Amts- wegen zuzustellen ist. .Die Zustellung der Entscheidung steht im Sinne des 8 99 Abs. 4 des Geseßes vom 13. Juli 1883 der Verkündung des den Zuschlag versagenden Urtheils gleich. Ein Termin zur Verkündung dieses Urtheils findet nicht statt. Der Termin zur Belegung und Vertheilung des Kaufgelds wird erst nah Beibringung der Genehmigung zum Erwerb anberaumt. M

Die in den 88 21 und È des Geseßes über die Eisenbahn- unternehmungen vom 3. November 1838 vorgesehenen öffent- lihen Versteigerungen erfolgen nach den für die Zwangs- versteigerung der Bahn geltenden Vorschriften, Die Feststellung eines geringsten Gebots findet nicht statt.

Jt eine Bahn, für welche die Genehmigung zur Eröffnung des Betriebs noh nicht ertheilt ist, nicht im Bahngrundbuch eingetragen, fo hat die Bahnaufsichtsbehörde bei Stellung des Antrags auf Einleitung der Zwangsversteigerung zugleih um die Anlegung des R Ed: vie zu ersuchen.

Eine Da O Les in andere, als die im NReichs- geseß vom 3. Mai 1886, betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln (Reichs-Gesezbl. S. 131), bezeichneten, zur Bahneinheit gehörigen Gegenstände findet nur Katt, soweit die Bahnaufsichtsbehörde bescheinigt, daß die Vollstreckung mit dem Betrieb des Bahnunternehmens vereinbar ist. ,

Besteht nah dem Erlöschen der Genehmigung die Bahn- einheit fort, so ist bis zur Schließung des Bahngrundbuch- blatts die Zwangsvollstreckung in die zur Bahneinheit ge- hörigen Gegenstände nur zur Beitreibung eines den Bahn- pfandgläubigern gegenüber wirksamen Pfandrechts zulässig. Durch diese Bestimmung werden dieselben im Fall des Kon- kursverfahrens von der Konkursmasse niht ausgeschlossen. Soweit eine Ag stei ulässig ist, wird derjenige Theil des Erlöses, welcher dem dbacigetbüies zufällt, Be- standtheil der Bahneinheit.

Sechster Abschnitt. Zwangsliquidation.

8 48.

Nach Erlöschen der Genehmigung für das Bahnunter- nehmen is auf Antrag von dem Amtsgericht, bei welhem das Bahngrundbuch geführt wird, zur abgesonderten Befriedigung der Bahnpfandgläubiger aus den einzelnen Bestandtheilen der Bahneinheit die Zwangsliquidation zu eröffnen. ;

Zu dem Antrage is} jeder Bahnpfandgläubiger, sowie der Bahneigenthümer und, wenn über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet ist, der O ERDe ree berechtigt.

Der Beschluß, durch welchen die Zwangsliquidation eröffnet wird, ist öffentlih bekannt zu machen. Die ihrem Wohnorte nach bekannten Bahnpfandgläubiger sollen von dem Beschluß benachrichtigt werden. Der den Antrag auf Zwangs- liguidation abweisende Beschluß des Gerichts ist dem Antrag- steller von Amtswegen a

Gegen den Eröffnungsbeschluß steht jedem Bahnpfand- gläubiger, sowie dem Bahneigenthümer oder Konkursverwalter, gegen den abweisenden Beschluß dem Antragsteller die sofortige:

eshwerde nah Maßgabe der Deutschen Zivilprozeßordnung

B40, 531 fs 538) zu. Die Frist zur Vialeaung der Be-

(3 erde gegen den Eröffnungsbeshluß beginnt mit der Be- fanntmachung desselben ( e i 51.

Nach der Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses und bis zur Beendigung der Zwangsliquidation findet eine selbst- ständige Verfolgung des Pfandrehts durch einzelne Bahn- pfandgläubiger nicht statt.

52. : i Zugleich mit der Eröffnung der Zwangsliquidation er- nennt das Gericht einen Liquidator und beruft eine Ver- ammlung der Bahnpfandgläubiger zur Bestellung eines Aus- [usses von mindestens zwei Mitgliedern.

Die Berufung erfolgt durch öffentlihe Bekanntmachung derselben unter Angabe des Zwecks. Die Versammlung findet unter Leitung des Gerichts stätt. :

Wahlen erfolgen nach relativer Mehrheit, andere Beschluß- fassungen nach absoluter Mehrheit der Stimmen der erschienenen Gläubiger. Die Stimmenmehrheit wird nah den Beträgen der Forderungen berechnet. Die Jnhaber von Theilschuld- verschreibungen müssen dieselben nah Anordnung des Gerichts hinterlegt haben.

S 583. : Der Name des Liquidators ist öffentlich bekannt zu machen. Jhm ist eine urkundliche Bescheinigung feiner Bestellung zu d E h Æ bei Beendigung seiner Geschäftsführung urüc{zureichen hat. E ; Die Deraülana für die Geschäftsführung des Liquidators wird in Ermangelung einer Einigung mit dem Ausschuß der Bahnpfandgläubiger und dem Bahneigenthümer oder Konkurs- verwalter durh das Gericht festgeseßt. Das Gleiche gilt für eine den Mitgliedern des Ausschusses bewilligte Vergütung, wenn über die Höhe derselben eine Einigung mit der Ver- sammlung der Bahnpfandgläubiger und dem Bahneigenthümer oder Konkursverwalter nicht erzielt wird. : Der Liquidator steht unter der Aufsicht des Gerichts. Das Gericht kann gegen denselben Ordnungsstrafen bis zu 200 M. festsezen und ihn auf Antrag des Gläubigerausschusses oder des Bahneigenthümers oder Konkursverwalters wegen Pflichtverlezung oder aus anderen wichtigen Gründen entlassen. Vor der Entscheidung ist der Liquidator zu hören. . Gegen die in diesem Paragraphen bezeichneten Entschei- dungen des Gerichts findet Beshwerde nah Maßgabe der Deutschen Zivilprozeßordnung (§8 531 bis 538) statt. Die Beschwerde gegen die Entlassung eines Liquidators ist die so-

fortige (S8 540). 8 54

Der Liquidator hat die Verwerthung aller Bestandtheile der Bahneinheit vorzunehmen. Jn wichtigeren Fällen hat derselbe dem Ausschuste der Bahnpfandgläubiger von der be- absichtigten Maßregel Mittheilung zu machen.

Die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung von Grundstücken kann durch den Liquidator betrieben werden, ohne daß er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat. Zur Veräußerung von Grundstücken aus freier Hand bedarf der Liquidator der Genehmigung des Ausschusses der Bahnpfand- gläubiger, sowie der Zustimmung des Bahneigenthümers oder Konkursverwalters.

Wird einem Unternehmer die Genehmigung zum Fort- betrieb des Bahnunternehmens ertheilt, so kann der Liquidator mit Zustimmung des Ausshusses der Bahnpfandgläubiger, \o- wie des Bahneigenthümers oder Konkursverwalters die noh vorhandenen Bestandtheile der Bahneinheit als Einheit nach den in § 16 bezeichneten Vorschriften veräußern.

8 66.

So oft aus der Verwerthung von. Bestandtheilen der Bahneinheit hinreihende baare Masse vorhanden ist, hat der Liquidator eine Vertheilung vorzunehmen. Die Kosten und Ausgaben der Zwangsliquidation sind vorweg zu berichtigen.

Bei der Vertheilung kommen hinsihtlih der Theilnahme- rechte, sowie der Reihenfolge und des Umfangs der zu be- friedigenden Forderungen die füx die Vertheilung des Erlöses einer Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften zur Anwen- dung. Die in § 37 Abs. 2 bezeichneten Entichädigungs- forderungen können Befriedigung nur in Höhe des Erlöses des einzelnen Grundstücks beanspruchen. Die Vertheilungen an die Bahnpfandgläubiger erfolgen, ohne daß es einer An- meldung bedarf, auf Grund des Bahngrundbuchs. Soweit für die Bestimmung des Umfangs einer Forderung nah dem Geseß vom 13. Juli 1883 der Zeitpunkt der Bejhlagnahme maßgebend ist, tritt der Zeitpunkt, an welhem die Eröffnung

der Zwangsliquidation bekannt gemacht ist (S 49), an die

Stelle.

Die Vornahme einer Vertheilung unterliegt der Genehmi- gung des Ausschusses. Von der beabsichtigten Vertheilung ist der Bahneigenthümer oder Konkursverwalter zu benachrichtigen.

Nicht erhobene Antheile sind nah der Bestimmung des Ausschusses für Nehnung der Betheiligten zu hinterlegen.

Q Dc

Nach der leßten Vertheilung und nach der Rechnungs- legung des Liquidators beschließt auf den von dem Liquidator und dem Ausschusse der Bahnpfandgläubiger gestellten Antrag das Gericht die Aufhebung der Zwangsliquidation.

Das Gericht hat die Einstellung der Zwangsliquidation zu beschließen, wenn die Bahnpfandgläubiger der Einstellung eris Auf die Zustimmung der Jnhaber von Theil- huldverschreibungen finden die Vorschriften der 88 28 bis 30 Anwendung. :

Gegen die vorstehend bezeihneten Entscheidungen findet Be chwerde nah Maßgabe der Deutschen Zivilprozeßordnung (SS 531 bis 538) statt. /

Die Aufhebung oder Einstellung is öffentlih bekannt zu machen.

Siebenter Abschnitt. Schlußbestimmungen. 8 58.

Wenn ein Anderer als der Eigenthümer einer Bahn den Betrieb auf derselben kraft eigenen Nußungsrechts ausübt, so gehört dies Nußungsrecht in Ansehung der Zwangsvollstreckung zum unbeweglichen Vermögen. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Lersriften des fünften Abschnitts dieses Geseßzes als wangsverwaltung durch Ausübung des Nuzungsrechts. Zu Jmmobiliarmasse gehören die in § 4 Legen Gegen- tände, soweit fie Eigenthum des Nußungsberechtigten sind. Auf die Zwangsvollstreckung in dieselben finden bis zum Er-

löshen der Genehmigung die Vorschriften des 8 47 entsprehende Anwendung. 8 69.

Bei Bahnen, welche nur zum theil im Gebiet des preußischen Staats liegen, finden die Vorschriften dieses Ge- seßes, sofern niht durch Staatsvertrag ein Anderes bestimmt ist, auf die im preußischen Gebiet befindlihen Bestandtheile Anwendung.

& 60

Auf die Beschwerde gegen die nah diesem Geseßz den Aufsichtsbehörden der Kleinbahnen zustehenden Beschlüsse und Verfügungen findet der § 52 des Geseßes über die Klein- bahnen und Privatanshlußbahnen vom 28. Juli 1892 (Geseß-Samml. S. 225) Anwendung.

8 61. Die in diesem Gesez angeordneten öffentlihen Bekannt- machungen erfolgen durch mindestens einmalige Einrückung in den Anzeiger des Amtsblatts. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt mit dem Ablauf des zweiten Tages nah der Ausgabe des die Einrückung oder ‘die erste Einrückung enthaltenden Blattes.

Außerdem erfolgt die Bekanntmachung durch mindestens einmalige Einrückung in die dur die Statuten oder die Be- dingungen der Ausgabe der Theilshuldverschreibungen be- stimmten Blätter. Diese Bestimmung findet auch auf die Bekanntmachung des Termins einer Zwangsversteigerung An- wendung, im übrigen bleiben die Vorschriften des § 46 des Gesetzes vom 13. Juli 1883 unberührt.

8 62.

Bei Eintragung einer bereits zur Zeit des Jnkrafttretens dieses Geseßes im Betrieb befindlihen Bahn in das Bahn- grundbuch sind auf Ersuchen der Aufsichtsbehörde die vor diesem Zeitpunkte auf Grund des Geseßes vom 17. Juni 1833 (8 21) ausgegebenen Theilschuldvershreibungen auf den Jn- haber, bei welchen in den Ausgabebedingungen eine vorzugs- weise Haftung der Bahn nicht ausgeschlossen worden is, als Bahnpfandschulden einzutragen.

Die Eintragung erfolgt in der durch die Zeit der Ent- stehung der Forderungen bestimmten Reihenfolge mit dem Vermerk, daß das Rangverhältniß ‘der Gläubiger zu einander nah dem vor der Eintragung zwischen ihnen begründeten Verhältniß sich bestimme.

„Soweit der Bahneigenthümer die im ersten Absaßze be- zeichnete Eigenschaft der früheren Schuld oder deren Betrag bestreitet, ist bei. der Eintragung eine Vormerkung zur Er- haltung seines Widerspruhs gegen die Pfandhaftung der Bahn einzutragen. 8 63

63.

Sind Forderungen der in § 62 bezeichneten Art vor- handen, so hat die Bahnaufsichtsbehörde von Amtswegen das Amtsgericht zu ersuchen, das Bahngrundbuchblatt in Gemäß- heit der Vorschriften des zweiten Abschnitts dieses Gesezes an- zulegen.

8 64.

Hinter den §8 66, 100, 121 des Preußischen Gerichts- kfostengeseßes werden folgende SS 66a, 100a, 12la und 121 b eingestellt :

S 66a.

Die -hinsichtlih der Grundbücher bestehenden Gebühren- bestimmungen sind auf die Bahngrundbücher entsprehend anzuwenden. Es werden erhoben für die Anlegung des Bahngrundbuchs die in § 69 Abs. 1 bestimmten Säße, für den Vermerk des Erlöschens der Genehmigung einschließlih der öffentlihen Bekanntmachung desselben der Saß des S 59 und für die Schließung des Bahngrundbuchblatts der Saß des S 61. Die Eintragung des infolge einer Veräußerung der Bahn eingetretenen Eigenthumswechsels in dem über ein Bahngrundstück geführten gerichtlihen Buche erfolgt ge- bührenfrei.

Die Kosten der Anlegung des Bahngrundbuchs sowie der Vermerke der M eines Grundstüks zur Bahn- einheit trägt der Bahneigenthümer ; die bezeichneten Kosten fallen jedoch, wenn ein Gläubiger durch den Antrag auf Eintragung einer vollstreckbaren Forderung die Anlegung des Bahngrundbuchs veranlaßt, diesem Gläubiger, und wenn die Anlegung im Zwangsversteigerungsverfahren auf Ersuchen des Vollstreckungsgerichts erfolgt, dem Ersteher

zur Last. S 100a. e Für die Erledigung der dem Gericht in den §8 28 bis 30 des Gesetzes, betreffend das Pfandreht an Privat- eisenbahnen und Kleinbahnen und die Zwangsvollstreckung in dieselben, zugewiesenen Thätigkeit werden drei Zehn- theile der Säße des 8 8 des Deutschen Gerichtskostengeseßzes

erhoben. S 121 a.

Die Vorschriften des Geseßes vom 18. Juli 1883, be- treffend die Gerichtskosten bei Zwangsversteigerungen und S sverwaltungen von Gegenständen des unbeweglichen

ermögens, finden mit den in 8 117 bezeichneten Maßgaben auf Zwangsvollstreckungen in eine Bahneinheit im ganzen Umfange der Monarchie Anwendung.

S 121b. ? Für die Zwangsliquidation einer Bahneinheit werden sechs Sehnihäilt und, wenn die Zwangsliquidation eingestellt wird, nur vier Zehntheile der Säße des § 8 des Deutschen Gerichtsfkostengeseßes erhoben. Die Gebühr wird nah dem Gesanmtwerth der Bestandtheile der Bahneinheit berechnet. S 65, Das gegenwärtige Gese tritt mit dem 1. Oktober 1895 in Kraft. 8 66. Mit der i Lr t des Geseßes werden der Justiz- Minister und der Minister der öffenlichen Arbeiten beaustragt. Urkundlich unter Unserer Anden Unterschrift und beigedrucktem Königlichen “Fnstegel.

Gegeben Nertes Palais, den 19. August 1895. (L. S.) Wilhelm,

von Boetticher. Thielen. von Köller. Schönstedt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Einiges zur Lage des deutshen Shuhmachergewerbes in älterer Zeit.

Nach den neuesten Forschungen über die Lage des Handwerks (00S esen, F in Deutschland.)

Unter den Berichten, welche der „Verein für Sozialpolitik“ über die Lage des Handwerks in Deut|hland veröffentlicht hat, beschäftigen sich sech8 mit dem Shuhmachergewerbe. Davon maht nur einer, die Arbeit Nicolaus Greiffenberger's über „die Shuhmacherei in Leipzig und Umgegend“, thatsähhliche, d. h. statistishe und akteninäßige Mittheilungen über die Lage diefes Daner s in älterer Nette Außer dieser Arbeit ist in Nachstehendem noch die Schrift Dr. Ernst Francke’'s über „die Schuhmacherei in Bayern (Münchener volkswirthschaftlihhe Studien, Erstes Stück, 1893) berücksihtigt. Unter „älterer“ Zeit ist die Zeit vor etwa 1860 ver- standen, in welcher die alte Gewerbeverfassung da, wo sie noch bestand, in Deutschland noch nicht dem Zustand der sogenannten Gewerbefreiheit Platz gemacht und die neuen Arbeits- und Vérkehrsmittel einen dur- greifenden Einfluß auf die Lage des Shuhmahergewerbes in Deutsch- land noch nit gewonnen hatten. Die Bedeutung, welche die Kenntniß dieser älteren Zeit für die Gegenwart hat, liegt auf der Hand.

Nach den Erhebungen des Königlich sächsishen Ministeriums des Innern bei den Innungen vom Jahre 1855/56 ergeben fih folgende

ablen für Leipzig: Zah | igs 1845 1850 1855

1) Es betrieben das Gewerbe: S C 200 293 301 V a T 8 18

2) Zur Ruhe hatten sich gesetßt,

ohne das Geschäft wieder begonnen zu haben,. . 11 9 12

3) Es betrieben das Geschäft nicht L

mehr, weil sie ihr Brot nicht dabei fanden, . . 81 9 T

In dem Bericht an die Kommission zur Erörterung der Arbeits- und Gewerbeverhältnisse im Königreih Sachsen schilderte die Innung die Lage des Handwerks u. a. folgendermaßen: j i

Bei einer ununterbrochenen, vierzehn- bis fünfzehnstündigen Arbeits- zeit hätten sih die Schuhmacher nur einer sehr geringen Kost zu er- sreuen. Drei- bis viermal mäßiger Fleishgenuß in der Woche fei in den noch nit heruntergekommenen Familien Gebrauch; eine Erholung, etwa bei einem Glase Bier, finde, lange niht bei allen, nur des Sonntags statt. Der Miethpreis für Wohnungen sei um 25 bis 30 %% gestiegen und die Beschaffung der nöthigen Bekleidung, damit der Meister nicht schon der äußeren Erscheinung wegen den Kredit verliere, müsse ihn zur äußersten Sparsamkeit und Einschränkung zwingen. Betreffs der kleinen Städte finde um Leipzig herum eine große Ueberfüllung statt. Einige befänden sich, da sie nah dem Maßstab einer kleinen Stadt viele Gesellen hielten, indem se ihre Arbeit in Leipzig absetzten, ziemlih wohl; die Mehrheit aber lebe in den kläg- lihsten Umständen. Große Konkurrerz und Zeitversäumniß beim Abliefern der auf Bestellung nah Leipzig gefertigten Arbeit oder bei Betrieb des verbotenen Hausierhandels in der Stadt führten oft zum Ruin. Der Landmeister im richtigen Bauerndorf möchte wohl noch am besten daran sein; wenigstens könne er das sorgenloseste Leben führen. Die Schuhmacher seien zum größten Theil armen Herkommens, und von Ersparnissen während der Gesellenzeit könne faum mehr die Rede sein; um als Meister das Kapital zu verstärken, sei der Verdienst zu gering. Der Wohlstand finde unter den Schuh- machern nur sehr wenig Vertreter, und wo man ihm ausnahmêrweise begegne, sei es niht der Hände Arbeit, niht der gewählte Beruf, niht das Gewerbe, wie man zu erwarten berehtigt sein sollte, welche N Pera grgerzten hâtten, sondern er beruhe auf einem zufälligen

runde.

Was die bayerischen Verhältnisse betrifft, so sind sie von besonderem Interesse dadurch, daß in der Nheinpfalz {hon zu Anfang des Jahrhunderts mit der französishen Besiznahme die Gewerbe- freiheit eingeführt wurde und auch nach dem Uebergang an Bayern 1816 bestehen blieb, während im rechtsrheinischen Bayern die Zunftverfassung, zeitweise mehr oder minder abgeschwächt durch behörd- lihe Eingriffe, bis 1868 galt. Ein Bild von den rechtsrheinishen Zuständen um 1840 giebt die Mittheilung der 1890 zum 600 jährigen Jubiläum der Münchener Schuhmacherinnung herausgegebenen Festschrift, nah welcher ein Meister, dessen Probestück 1840 „praktis und theoretish richtig befunden“ wurde, in seiner Vaterstadt München erst 13 Jahre später ein selbtändiges Gewerbe ausüben durfte, „da der Rath der Stadt die Zahl selbständiger Shuhmacher im Ver- hältniß zur Bevölkerung auf 225 festgeseßt hatte“, während ein anderer Schuhmacher, der „eine Wittwe mit dret Kindern hetrathete“, das Schuhmachergewerbe ausüben durfte. Und troßdem {wollen die Klagen über die erorückende Konkurrenz im Handwerk immer mehr an, troßdem drängte man den Staat zu weiteren Einschränkungs- maßregeln unter Berufung auf die „gute alte“ Zeit, in der es keine „Uebersetzung“ gegeben habe.

Es drängt ih die Frage auf, wie die Einführung der Gewerbe- freiheit auf diese Verhältnisse eingewirkt hat.

Im rechtsrheinischen Bayern kommen auf je 10 000 Einwohner 1847: 102,7 Schuhmacher einschließlich Gehilfen, 1861: 941 J ; / LO(D! 040 7 é « 1882: 832 Ï 4 L Danach hat die 1868 eingeführte Gewerbefreiheit eine Zunahme der relativen Größe der Schuhmacherbevölkerung nicht gebracht, im Gegentheil zeigt sich eine fortlaufende Aknahme troß des steigenden Konsums an Schuhwaaren. In der Rheinpfalz kamen auf 10 000 Einwohner 1847: 65 Schuhmacher einschließlih Gehilfen 18G D L J L 18/0: 140 s à L 1882: 143 J 4 Í Hier kann man aber die bereits seit einem halben Jahrhundert bestehende Gewerbefreiheit als Ursache für die Zunahme der Schuh- macher nicht ansehen. Troy derselben ist die Zahl des Jahres 1847 sehr gering, und erst mit dem Anfang der Entwickelung des rhein - pfälzishen Großbetriebes beginnt auch die Vermehrung der Schuhmacherbevölkerung. Im rehtsrheinischen Bayern hat die Ein- führung der Gewerbefreiheit zunächst eine der soeben erwähnten rhein- pfälzishen Entwickelung entgegengeseßte Bewegung, d. h. eine Zu- nahme der Meister im Verhältniß zu den Gesellen bewirkt, denn ¡es fommen hier auf 10 000 Einwohner - 1847: 56 Betriebsinhaber und 42 Hilfsperfonen 1861: 951 4 4: S0 Ï 1875: 61 Í C Ï 1882: 58 ¿ . 34 L Es sind also noch 1868 mehr Gehilfen zur Selbständigkeit ge- langt, aber immerhin in einem Maße, daß in Anbetracht der vor- herigen Zustände eine soziale oder wirthschaftlihe Vershlimmerun als Folge dieser Erscheinung niht wohl als möglich erscheint, au der neuerlihe Rückgang der Meister- und der Gehilfenzahl nit als die Reaktion auf eine durch die Gewerbefreiheit herbeigeführte „UÜeber- seßung“ des Handwerks als solhen angesehen werden kann. Es ift eben die Wirkung der radikalen Neuerung auf dem Gebiete des Ver- kehrs und der Technik, welche seit 1875 in N EUng tritt, nicht die Wirkung der Veränderung in der t ugo: Auch in Leipzig zeigt sih dasselbe statistishe Bild. Es kommen

auf 10 000 Einwohner

a tbftice ares Betriebsinhaber Hilfspersonen I e O 44 71 10 C 0B 48 51 1000), e «0000 ¿2:90 4l Also auch hier zunächst keineswegs eine Ueberseßung des Hand- werks infolge der Gewerbefreiheit, vielmehr cin Rüdgang im Ge- sammtpersonal bei mäßiger Zunahme der Betriebe.