1895 / 228 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Sep 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Bergheim, Grevenbroih, Opladen, Saarlouis, Daun, Hilles- heim, Neumagen, Berncastel und Wittlich. Berlin W., den 23. September 1895. Königliches Ge)ez-Sammlungs-Amt. Weberstedt.

Bekanntmachung.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesez-Samml. S. 357) sind bekannt gemacht: y :

1) der Allerhöchste Erlaß vom 24. April 1894, betreffend die Verleihung des Rechts zur Chaufseegelderhebung an den Amtsver- band Ibbenbüren im Kreise Tecklenburg für die von ihm gebaute Chaussee von der Stadt Ibbenbüren bis zur Grenze der Gemeinde Ledde, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 24 S. 121, ausgegeben am 14. Juni 1894; :

2) der Allerhöchste Erlaß vom 18. Juni 1895, betreffend die Genehmigung des I. Nachtrags zur Ostpreußischen Landschaftsordnung vom 7. Dezember 1891, des VII. Nadbtrags zum Statut der Ost- preußischen landsaftlihen Darlebnskasse vom 20. Mai 1869 und der neuen Abichäßzungsgrundsäte der Ostpreußischen Landschaft, durch die Amtsblätter s

der Königlichen Regierung zu Königsberg Nr. 33 S. 323, aus- gegeben am 15. August 1895, ;

der Königlichen Regierung zu Gumbinnen Nr. 33 S. 304, ausgegeben am 14. August 1895, ;

der Königlichen Regierung zu Marienwerder Nr. 34 S. 269, ausgegeben am 22. August 1895; E

3) der Allerhöchste Erlaß vom 18. Juni 1895, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts sowie des Nets zur Chaufseegeld- erbebung an den Kreis Beeskow-Storkow für die von ihm zu bauende Chaussee von Neu - Zittau über Gosen bis zur Grenze des Kreises Teltow, dur das Amtéblatt der Königlichen Regierung zu Potédam und der Stadt Berlin Nr. 37 S. 383, ausgegeben am 13. Sep- tember 1895 ; tan Ens s a s

4) das am 14. Iuli 1895 Allerhöchst vollzogene Statut für die Entwässerungsgenofsen|chaft ‘zu Mötsh im Kreise Bitburg durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Trier Nr. 35 S. 347, aus- gegeben am 30. August 1895; : A

5) tas am 14. Juli 1895 Allerhöchst vollzogene Statut für die Entmnäfferungtgenossenschaft zu Hinterweiler - Kirhweiler im Kreife Daun dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Trier Nr. 35 S. 349, ausgegeben am 30. August 1895; :

6) das am 14. Juli 1895 Allerböhst vollzogene Statut für den St. Jürgensfelder Sielverband zu Ritterhude im Kreise Osterholz dur@ das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Stade Nr. 33 S. 225, ausgegeben am 16. August 1825;

7) der Allerhöhste Erlaß vom 31. Juli 1895, dur welchen der Stadtgemeinde St. Goar das Recht verliehen worden ist, das zu der geplanten Erweiterung und Veränderung ihrer Quellenwasserleitung erforderlihe Grundeigenthum im Wege der Enteignung zu erwerben, oder, soweit dies ausreichend isi, mit einer dauernden Beschränkung zu belasten, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Koblenz Nr. 40 S. 247, ausgegeben am 5. September 1895; ;

8) der Allerhöchste Erlaß vom 31. Juli 1895, betreffend die Herabseßung des Zinsfußes der von der Stadt Limburg auf Grund der Allerhöchsten Privilegien vom 14. Juli 1879 und vom 1. Juni 1887 aufgenommenen Anleihen auf 34 °/o, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Wiesbaden Nr. 36 S. 307, ausgegeben am 5. September 1899; : A

9) das am 31. Juli 1895 Allerhöchst vollzogene Statut für die Drainagegenossenschaft zu Krassow im Kreise Pleß D.-S. dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Oppeln Nr. 34 S. 275, aus- gegeben am 283. August 1895.

: Angekommen :

Seine Excellenz dec Generai-Oberst der Kavallerie Freiherr von Loë, General-Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs, Ober-Befehlshaber in den Marken und Gou- verneur von Berlin ;

Seine Excellenz der Staats-Minister und Minister der geistlichen, Ünterrihts- und Medizinal - Angelegenheiten DDr. Bosse, aus der Provinz Schleswig-Holstein ;

der Unter-Staatssekretär im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten DD1. von Wey- rauch, aus Heringsdorf.

Abgereist: Seine Excellenz der Wirkliche Geheime Rath und Präsident der Seehandlung von Burchard; der Ministerial-Direktor im Ministerium für Handel und Gewerbe, Ober-Berghaupimann Freund, nah der Provinz Sachsen.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 23. September.

Seine Majestät der Kaiser und König verblieben am Sonnabend Vormittag im Rominter Jagdshloß und unternahmen Nachmittags einen Pürschgang. Am gestrigen Sonntag Vormittag Daluea Seine Majestät dem Gottesdienste in der Kapelle zu Rominten bei.

Der Königliche Gesandte in Dresden, Wirkliche Geheimc Rath Graf Carl von Dönhoff ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der hiesige Großherzoglich mecklenburgishe Gesandte von Oerten ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die gesandtschaftlichen Geschäfte wieder übernommen.

Jn der Kaiserlihen Marine hat der unerwartete Tod des Marine-Oberpfarrers Erich Langhe kd die allgemeinste Theil- nahme erregt.

Der Genannte war am 25. April 1836 zu Klein-Sireik- heim im Herzogthum Braunschweig geboren, hatte nah Ab- solvierung des Gymnasiums zu Braunschweig in Erlangen und Göttingen Theologie studiert, und war dann mehr als 9 Jahre im Großherzoglich oldenburgischen Kirchendienst pati

ewesen. Mit dem 29. Mai 1872 zum evangelischen arine-Pfarrer in Wilhelmshaven berufen, wurde Langheld

am 1. Oktober 1882 in gleicher Eigenschaft nah Kiel verseßt und - am 16. März 1886 zum evangelishen Marine-Ober- pfarrer ernannt. : :

Durch S unermüdliche Amtsfreudigkeit, seine auf- opfernde seelsorgerishe Thätigkeit, seine hervorragende Redner- abe und seine ausaezeihneten Charafktereigenshaften hat er in der Kaiserlihen Marine die ungetheilte Verehrung und Anerkennung gefunden.

Cronberg, 21. September. Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich sind von Darm- stadt zu mehrtägigem Besuch Jhrer Majestät der Kaiserin Friedri heute auf Schloß Friedrihshof eingetroffen.

Helgoland, 22. September. Der Staatssekretär des Reichs - Marineamts, Vize- Admiral Hollmann traf heute Nachmittag 31/2 Uhr hier ein. Um 7 Uhr Abends kamen an Bord des Aviso „Jagd“ auch der Vize-Admiral Valois, Chef der Marinestation der Nordsee, und 24 höhere Offiziere an. Morgen früh 9 Uhr beginnen Schießübungen, die am Dienstag fortgeseßt werden. Am Mittwoch werden die Mann- schaften abgelöst werden.

Sachsen.

Jhre Majestäten der König und die Königin haben sich gestern Nachmittag zu einem mehrtägigen Aufenthalte nah Rehefeld begeben.

Elsaß-Lothringen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und der Kaiserlihe Statthalter in Elsaß-Lothringen Fürst zu Hohenlohe-Langenburg kehrten am Sonnabend Nach- mittag von den Manövern des XV. Armee-Korps bei Saar- burg nah Straßburg zurück. Abends traf daselbst auch Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden ein und wurde auf dem Bahnhof von dem Großherzog und dem Statthalter empfangen. Gestern Nachmittag besuchten Ihre Königlichen Hoheiten die Jndustrie- und Gewerbe- ausstellung. Am Eingang wurden Höchstdieselben von dem Bürgermeister Back und der Ausfstellungsleitung empfangen. Der Großherzog und die Großherzogin, welhe über zwei Stunden verweilten, besichtigten mit besonderem Jnteresse die Sonderausstelung des Vereins vom Rothen Kreuz, ferner die Kunst- und Alterthumsausstellung, sowie das Panorama der Kreuzigung Christi.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser und König, Allerhöchstwelher am Sonn- abend bei Zenta der Uebersezung aller Waffengattungen über die neugeshlagene Theisbrücke beigewohnt hatte, sprah seine vollste Zufriedenheit mit der wohlgelungenen Leistung aus und nahm eine Revue der Truppen ab, worauf die Rückkehr nah Zenta erfolgte. Die Stadt war Abends Ba illuminiert. Ünter enthusfiastishen Ovationen der Bevölkerung erfolgte um 9 Uhr die Abreise des Kaisers und Königs nah Klausenburg, wo Seine Majestät gestern früh eintraf und am Bahnhof von dem Minister-Präsidenten Baron Banffy, den Ministern Baron Josika und Perczel, dem Obergespan Beldi, dem Kommandanten des XII. Korps, Feldmarschall-Lieutenant von Galgóczy, Vertretern der Be- hörden, der Geistlichkeit und zahlreihen Abordnungen empfangen und mit langanhaltenden Eljenrufen begrüßt wurde. Der Kaiser und König erwiderte huldvollst die Ansprache des Obergespans und unterhielt sih sodann mit den Ministern sowie dem Erzbishof Mihalyi und dem reformierten Bischof Szaß. Darauf fuhr der Kaiser und König unter ununterbrohenen Eljenrufen nach . seinem Absteigequartier. Später woynte Allerhöchstderselbe einer stillen Messe bei und empfing sodann verschiedene Deputationen. Auf eine huldigende Ansprache des Bischofs Leonhard, der den Kaiser und König im Namen der katholishen Geistlichkeit begrüßte, antwortete der Kaiser: er nehme die Versicherungen der Treue als cin starkes Pfand dafür Oel daß auch der röômisch-katholische Klerus ihn in seinen auf den Schuß der kirhlihen Jnteressen und des Staates gerichteten väterlihen Bestrebungen stets mit dem traditionellen Patriotismus unterstüßen werde. Der Segen Gottes möge das Wirken des Klerus begleiten.

Jn Erwiderung der Ansprache des griehishkatholishen Bischofs Mihalyi versicherte Seine Majestät dessen Kirche seines Wohlwollens; er wünsche, daß der Leitstern von dem Wirken des Bischofs stets die Treue gegenüber dem Thron, Achtung vor dem Geseß und Liebe zum gemeinsamen Vater- lande sein möge. Er bezweifle nicht, daß dieser sein Wunsch bei dem Bischof und den Gläubigen ein bereitwilliges Echo finden werde und daß leßtere dur dessen Erfüllung sih auch in Zukunft die beshüßende Gnade des Kaisers sichern werden.

Der gricchish-:rumänishe Metropolit R oman hielt gleich- falls eine Ansprache an den Kaiser und König, worin er sagte: „Wir vergesjen die vielen Uebelstände unjeres öffentlichen Lebens, und nur das beglückende Gefühl belebt unsere Seele, Eure Majestät begrüßen zu können“. Der Metropolit bat sodann den Kaiser, „die vielen Entbehrungen ausgeseßte Kirche möge fernerhin des gnädigen Schußes des Kaiserlichen Herrn thälhaftig werden“, und brachte ein Hoch auf den Kaiser aus. Hieräuf erwiderte der Kaiser und König: er habe vor aht Jahren in diesem Orte die Richtung gekennzeichnet, in deren Bcfolgung die Gläubigen niht nur die eigenen Jnteressen am besten fördern würden, sondern auch auf den zederzeitigen Schuß des Kaisers rechnen könnten. Diese Richtung bestehe darin, daß alle Konfessionen ohne Unter- schied der Nationalität sich eins fühlten und zusammenshmölzen in der Treue zum Thron, in der Liebe zum gemeinsamen Mutterlande und in der Achtung vor den Geseßen; dies empfehle er auch jeßt wieder auf das wärmste. Der Kaiser versicherte shließlich den Metropoliten und die Gläubigen seiner unveränderten Gnade und seines unveränderten Wohl- wollens.

Auf die Ansprache des Bischofs Müller, des Führers der Deputation der Évangelishen Augsburger Konfesnon, er- widerte Seine Majestät: „Es gereiht mir zur besonderen Freude, die Bezeugung Jhrer bei jeder Gelegenheit erprobten Treue und Anhänglichkeit wahrnehmen zu können. Jch gebe in Begleitung meines besten Dankes meiner aufrihtigen Be- friedigung darüber Ausdruck, daß Jhre Glaubensgenofsen und Jhre Stammesverwandten, geleitet von ihren eigenen, gut aufgefaßten Juteressen und von ihrem patriotischen Pflichtgefühle, jener Erwartung, welche ih vor

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aht Jahren an dieser Stelle Ausdruck gegeben, zu entsprechen

sih bestreben. Da dieses dem geraeinsamen Ziele zustrebende Zusammenwirken sämmtlicher Fakioren des staatlihen Lebens die Garantie des Schußes und der Förderung der Jnteressen der Einzelnen bildet, werde ih mi jederzeit freuen, wenn ih M F dieser Richtung meines Schußes theilhaftig werden assen kann.“ :

Auf die Ansprache des Bischofs Sza ß, des Führers der Deputation der Evangelishen Heidelberger Konfession, er- widerte der Kaiser und König: „Jhre Huldigung und die Offenbarung Jhrer treuen Anhänglichkeit erwidere ih mit aufrihtigem Dank und der Verficherun daß ih die Jnteressen Zhrer Kirche stets mit warmer Sympathie begleite. Jch zweifle Ubrigens nicht daran, daß Sie und Jhre Glaubensgenofsen die soeben verdolmetshten, treuen patriotischen Gefühle auch in der Jhrer Fürsorge anvertrauten Generation pflegen und dadurch stets mit patriotishem Eifer an dem ferneren Aufblühen des Landes mitwirken werden.“

In seiner Erwiderung auf die Ansprache des Ober- Rabbiners sagte Seine Majestät: es diene ihm zur Be- friedigung, daß die Jsraeliten auch in den siebenbürgischen Theilen Ungarns ungestört die ihnen durch das Geseß und den Schuß des Königs gesicherten Rechte genöfsfen. Er zweifele nicht daran, daß die Jsraeliten sih auch ferner- hin durch Bezeigung gemeinnüßziger Thätigkeit fowie selbstloser patriotischer Gefühle der Achtung ihrer Mitbürger und der Königlichen Gnade, auf welche alle Unterthanen ohne Glau- bensunterschied rehnen könnten, würdig zeigen würden.

Auf die Ansprache des Obvergespans Beldi antwortete der Kaiser und König: er wisse, daß in dem Bestreben nah Förderung des Wohls der Bevölkerung, der kon- fessionele oder sprahlihe Unterschied keine Scheidewand bilde, sowie daß nur die Pflege wirkliher Vaterlands- liebe und die Achtung vor dem jeden gleih s{chüßenden, aber auch gleih verpflihtenden Geseg und Ee Arbeit dem ace Kraft verliehen und das wahre Wohl der Bevölkerung sicherten.

_ Nachdem der Kaiser und König noch einige Be- sihtigungen vorgenommen hatte, trat Allerhöchstderselbe um 21/39 Uhr die Weiterreise nah Banffy Hunyad an, wo die Ankunft unter dem enthuftiastishen Jubel der Bevölkerung um 3/7 Uhr erfolgte. Dort begannen heute die großen

Manöver, an denen die Militär-Attahés Deutschlands und -

JFtaliens theilnehmen. :

Das Verordnungsblatt für das Kaiserlihe und Königliche Heer veröffentlicht ein Handschreiben des Kaisers an den FZM. Freiherrn von Schönfeld anläßlih dessen s0jährigen Dienstjubiläums. Das Schreiben drückt die aufrichtigste Theilnahme des Kaisers aus, der dankbarst der ausgezeichneten Dienste des Generals im Krieg und Frieden gedenke, und {ließt mit dem Wunsche, der Jubilar möge noch lange auf dem Posten des Genexal-Truppeninspektors seine reiche militärische Erfahrung dem Heere widmen.

__ Der Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski hat sih gestern Mittag nah Krakau begevöen.

Bei der vorgestrigen Stichwahl im dritten Wiener Gemeinderathswahlkörper des zehnten Bezirks wurden die beiden deutschnationalen Kandidaten Schrabauer und Sauerborn gewählt.

Frankrei. : Der König der Belgier traf am Sonnabend Nach- mittag gegen 5 Uhr zum Besuch dcs Präsidenten Faure in Fontainebleau ein, nahm an dem ihm zu Ehren gegebenen Festmahl theil und fehrte Abends nach Paris zurück. Gestern Vormittag gab der König zu Ehren des Ministers des Aus- wärtigen Hanotaux ein Dejeuner. Voraussichtlih wird der König seinen Aufenthalt in Paris bis zum 28. d. M. ver- längern. __ Auf Ersuchen der japanischen Regierung ist der französishe Minister - Resident in Bangkok Hardouin er- mächtigt worden, die Jnteressen der japanischen Unterthanen in Siam wahrzunehmen.

Nuß:land.

Die Kaiserin Alexandra hat, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, angeordnet, daß aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dem eisernen Fonds des Arbeits- hausfuratoxiums, das unter Allerhöhstihrem Proteïtorat steht, 10 000 Rubel zugeführt werden.

Jtalien.

In der Rede, welche der König am Sonnabend Vormit- tag an die Abordnung der Deputirtenkammer hielt, führte er, dem „W. T. B.“ zufolge, aus: Die durch die Deputirten ihm dargebrahten Glückwünsche hätten für ihn einen sehr hohen Werth; fie seien eine Bekräftigqung jener Empfindungen, welche stets sein Haus mit den Hoffnungen und Geschicken des Volks vereint hätten. Das Gefühl der Einigkeit habe in diesem Augenblick neuerdings die feierlihste Weihe erhalten. Unter allen Kundgebungen der Liebe und Treue aber, welhe ihm in diesen Tagen zu theil geworden, habe diejenige der Deputirten ganz besonders sein Herz warm berührt. Der einmüthige Ausdruck vertrauens- voller Hingebung sowie die machtvolle Kundgebung des National- gefühls bildetcn die größte Stärte des Volkes und gäben eine sichere Gewähr für die fernere Wohlfahrt des Vaterlandes und der Stadt Rom, welche unter so lebhaftem Beifall der zivilisierten Welt an Jtalien zurückgegeben sei.

Vorgestern Nachmittag zogen etwa 40 radikale Ver- eine mit Fahnen und zwei Musikkapellen unter Führung von neun radikalen Deputirten nach dem Janiculus, um einen Kranz am Garibaldi-Denkmal niederzulegen. Der De- putirte Vendimini hielt eine Ansprache, welhe von der Volksmenge mit Beifallsrufen aufgenommen wurde. Abends war das Stadtviertel Borgo glänzend illuminiert.

Gestern Vormittag weihten der König und der Kron- prinz, in Begleitung des Minister-Präsidenten Crispi, anderer Minister und der Vertreter der Behörden, die Humbert-Brücke über den Tiber und sodann das Denkma.l Cavour'’s vor dem Justizpalast ein. Der Bürgermeister hielt cine dem Andenken Cavour’s gewidmete Rede, welche lebhaften Beifall hervorrief. Eine große Volksmenge sowie zahlreihe Vereine mit Fahnen und Musik nahmen an der Feier theil und legten prächtige K-änze an dem Denkmal nieder. Jn dem Augenblick, wo die Hülle des Denk- mals fiel, erfolgte eine stürmishe Beifallskundgebung. Der König und der Kronprinz machten, von den Anwesenden lebhaft begrüßt, einen Rundgang um das Denkmal. Um 2 Uhr Nachmittags empfingen der König, die Königin

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und der Prinz von Neapel im Quirinal die Ab- ordnungen von Arbeitervereinen mit 150000 Mitgliedern, welhe dem König ein kostbares Album mit einer Adresse und den Unterschriften aller Theilnehmer an dieser Massenkundgeb ung überreichten. Jhre Majestäten und der Kronprinz unterhielten fich lange mit den im Ballsaal aufgestellten Mitgliedern der Abordnungen. Der Köni dankte ihnen für die dargebrachte Huldigung und erklärte, da er das Album in der Bibliothek zu Turin würdig aufbewahren lassen wolle. Pes folgten warme Beifallsäußerungen der Delegirten; alle umringten den König und die Königin, um ihnen die Hand zu füssen. Gegen 3 Uhr zogen fich die Majestäten, von dem Vorgang lebhaft bewegt, zuruück. Danach begaben sih die Deputationen mit Fahnen nah dem Pantheon und legten an dem Grabe Viktor Emanuel's einen Kranz nieder. Abends fand im Quirinal Galatafel zu 300 Ge- decken statt. Auf dem Tiber wurde ein großes Beleuchtungs- fest veranstaltet, zu dem eine zahllose 3 enschenmenge herbei- geströmt war. j : Z . j

Jn Mentana begingen gestern 45 radikale Gesell- schaften und Volks vereine unter großer Begeisterung eine Erinnerungsfeier an die Schlacht von Mentana. Zahlreiche Kränze wurden an dem Denkmal der Garibaldianer niedergelegt; der radikale Deputirte Fratti hielt eine Rede, welche von den 3000 Zuhörern, darunter etwa 100 alten Garibaldianern, beifällig aufgenommen wurde.

Spanien. Die Königin-Regentin hat ein Dekret unterzeichnet, worin der Ankauf von 60 000 Mausergewehren für das cubanishe Expeditionsheer angeordnet wird.

Türkei. Der Sultan empfing am Sonnabend den britischen Botschafter Sir Ph. Currie in Audienz.

Griechenland. Die gestern vorgenommenen Munizipalwahlen sind für die Regierung günstig ausgefallen. Jn Tripoliga kam s dabei zu einer ernsteren Ruhestörung.

VBuigaärien.

Wie „W. T. B.“ aus Sofia berichtet, verurtheilte am Sonnabend der Gerichtshof erster Jnstanz den Redakteur der „Narodna Swoboda“ Mittakow wegen wiederholter Ve- leidigung des Prinzen Ferdinand durch die Presse zu 5 Jahren Gefängniß; der Redakteur der „Narodni prawa“ wurde frei- gesprochen.

Schweden und Norwegen.

Der shwedishe Gesandte für Belgien und die Niederlande Dr. von Burenstam ist, dem „W. T. B.“ zufolge, von seinem Posten zurückgetreten; zu seinem Nachfolger vom 1. November cr. ab it der bisherige General-Sekretär im Ministerium des Aeußern Graf Gpibensiolse ernannt worden.

Dänemar®. Der König nahm vorgestern mit dem König von Griechenland, dem Prinzen von Wales und anderen Fürstlichkeiten an einer Jagdpartie bei Schloß Bernstorff theil.

Amerika.

Ja Paris eingetroffenen Meldungen aus Havanna zu- folge, hätte General Luque das Lager der Fnsurgenten bei Santa Paquita besezt. Acht Rebellen wären getödtet worden; die Spanier hätten einen Todten und zwei Ver- wundete verloren. ;

Aus Madrid wird berichtet, eiwa 300 Jnsurgenten hätten versucht, das Fort Nazareno im Distrikt Nemedios auf Cuba zu nehmen, si jedoch infolge der heldenmüthigen

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Vertheidigung der Besaßung mit Verlusten zurückziehen müssen.

Asien.

Der New-Yorker „World“ wird aus Shanghai ge- gemeldet, daß die deutshe Missionsstation in der Nähe von Swatau geplündert worden sei.

Afffriïa.

Aus Tanger meldet das „Reuter’she Bureau“, die marofkanishe Regierung habe nunmehr den britischen Konsul in Fez amtlich anerkannt.

Die „Agence Havas“ veröffentlicht eine Korrespondenz aus Madagaskar vom 19. v. M., worin die Ueberzeugung aus- gesprochen wird, daß die Armee bald Antananarivo erreichen werde; das sei aber auch höchste Zeit, da die Armee in schneller Auflösung begriffen sei. Alle Hospitäler seien mit Kranken überfüllt, das ärztlihe Personal sei ungenügend. Trotzdem sei die Sterblichkeit niht so groß, wie man ver- muthen sollte. ;

Eine amtlihe Depesche aus Majunga vom 20. Sep- fember meldet, daß der General Duchesne während des Marsches auf Antananarivo keine Nachrichten werde senden können. Jn der Depesche verlangt General Duchesne ein Hospitalshiff für die Ueberwinterung der Kranken. Er lehnt die Anwerbung chincsisher Kulis ab, von denen er die Ein- \chleppung der Cholera befürchtet, und hofft, bald Eingeborene als Rekruten einstellen zu können. Der General gedenkt, demnächst die Spitäler in Majunga und Amkaboka ‘zu ent- lasten und einen großen Theil der Kranken in Nossi und Nosfi Komba unterzubringen. L

In cinem Briefe vom 18. August hatte der General Duch esne die Absicht geäußert, nahdem er 20 Tage lang in Ándriba Lebensmittel angesammelt, mit einer fliegenden Kolonne, welche sich mit auf dem Marsch erlangtem frischen Fleisch und Reis erhalten würde, aufzubrehen und nach 10- bis 12 tägigem Marsh Ende September Antananarivo zu erreichen. Der General bezeihnet den Gesundheits- zustand der Truppen als mittelmäßig bei der Nachhut und gut bei der Vorhut und theilt die Meinung des Leiters des Sanitätsdienstes, daß die Heimsendung der Truppen das sicherste Mittel zur Wiederherstellung der infolge des Klimas Erkrankten sei.

Eine Depesche des „Temps“ meldet aus Mangahazo von gestern: Der Marsch der leichten Kolonne auf Antana- narivo habe begonnen; die Dauer des Marsches werde auf höchstens 20 Tage geschäßt. Die Kolonne führe 2500 Maul- thiere, Rinderherden sowie 240 t Proviant mit sih. Der Ge- sundheitszustand sei gut. Zahlreihe Madagassen hätten sich bei Tsinainondry und Ampotaka stark verschanzt.

Aus Majunga von gestern wird weiter gemeldet, der General Duchesne habe us dem forcierten Vormarsch 6000 Hovas in dem Defilé von Tsmainondry überrasht. Die

algerishen Tirailleure hätten die Position genommen, und die Vorhut der Franzosen habe si darin festgeseßt. Die Hovas hätten 80 Todte verloren.

Nr. 38 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berau8gegeben im Reichsamt des Innern, vom 20. September, bat folgenden Inhalt: 1) Veterinärwesen: Festsezung der Quarantänefrist auf zehn Tage für die aus Dänemark und Schweden - Norwegen ftammenden Wiederkäuer und Schweine. 2) Handels- und Gewerbe- wesen : Abänderung des Verzeichnisses der Weinbaubezirke. 3) Kon- sulatwesen: Ernennung; Ermädttigung zur Vornahme von Zivil- standsaften. 4) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reich3gebiet.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hat bei einer Mobiliar-Feuerversicherung.der Versicherte die in der Police vorgeshriebene Anzeige von einer Trans- lokation der versicherten Sachen, deren Nichterfüllung nah den Versicherungsbedingungen das Erlöschen der Entschädigungsverpflich- tung zur Folge hat, zu machen verabsäumt, so hat, nah einem Urtheil des NReichsgerichts, 111. Zivilsenats, vom 18. Juni 1895, diese Nichtanzeige regelmäßig das Erlöïchen der Entschädigungspflicht zur Folge, es fei denn, daß der Versicherte den Mangel jeder Fahr- lässigkeit seinerseits bei der gedachten Nichtanzeige nachweist. Das Nichtlesen der der Police vorgedruckten Versicherungsbedingungen seitens des Versiherungsnehmers vermag aber feine Exkulpation zu begründen. (81/95) j

Die durch die persönliche Anwesenheit einer Partei im Verhandlungstermine eines Anwaltsprozesses ent- standenen Kosten kênnen, nach einem Beschluß des Reichsgerichts, T1I. Zivilsenats, vom 5. Juli 1895, niht ohne weiteres vom unter- liegenden Prozefigegner beanspruht werden. „Die durch die perföôn- lihe Anwesenbeit des Beklagten im Verbandlungstermine entstandenen Kosten würden zu dem vom Prozeßgegner zu erstattenden Aufwand der zweckentsprehenden Rechtsvertheidigung nur dann gerechnet werden fônnen, wenn ein kesonderer Anlaß vorgelegen hätte, aus welhem anzunehmen gewesen wäre, daß der Beklagte seine Vertretung dem von ihm bestellten Prozeßbevo!llmäßtigten nicht allein überlassen konnte, sondern zwecks vollständiger Wahrung seiner Interessen neben dem- selben persönlich ersheinen mußte.“ (118/95.)

Der Widerruf einer durch Uebergabe vollzogenen, außer- gerichtlihen Schenkung ist, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1V. Sivilsenats, vom 11. Juli 1895, im Gebiete des preußischen Allgemeinen Landrehts an keine Form gcknüpft; es genügt die mündlihe Erklärung des Geschenkgebers oder feiner Grben, daß die Schenkung nitt als gültig anerfannt wird. „Darin liegt, auch wenn die Erklärung von den Erben des Geschenkgebers (innerhalb 6 Mo- naten nah der Uebergabe: § 1090 I 11 Allgemeinen Landrechts) aus- geht, die Kundgebung einer Sinnetänderung insofern, als die Erben danach die von dem Erblasser gemahte Schenkung nicht aufrecht er- halten wollen, si{ch also hinsidtlich der Schenkung anderen Sinnes erweisen, als der Erblasser.“ (63/95.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungs8gerichts.

Ist gemäß § 12 des Fluchtliniengeseßes vom 2. Juli 1875 orts- statutarisch bestimmt, daß an Straßen oder Straßentheilen, welche noch nit gemäß der baupolizeilihen Bestimmungen des Orts für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertig hergestellt sind, Wohngebäude, die nah diesen Straßen einen Ausgang haben, nicht errichtet werden dürfen, so kann, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerihts, 1V. Senats, vom 20. März 1895, die Ge- nehmigung zum Bau eines Gebäudes an ciner noch nit fertig her- gestellten Straße, welhes nach der Erklärung des Bauberrn nicht zu Wohnzweken dienen soll, deshalb niht versagt werden, weil die nach der Bauzeihnung berzustellenden Räume zu Wohnzwccken dienen können. „Die beklagte Polizeibehörde würde, wenn der Kläger die Genehmigung zum Bau des Gebäudes erbalten und dieses zu den von ihm angegebenen Zwecken errichten, dann aber in Abänderung seiner jegigen Absichten dazu über- geben sollte, das Gebäude auch zu Wohnzwecken benußen zu lassen, dann immer noch: in der Lage fein, die Bestimmungen des Ortsftatuts zur Anwendung zu bringen, d. h. die Duldung einer Benugung zu Wohnzwecken von der ausnahmsweisen Genehmigung des Magistrats abhängig zu machen. Einem solchen Einschreiten würde sich der Kläger au dann schon ausseßen, wenn er ohne irgend welche bauliche Aenderungen zur wohnlihen Benußung einzelner Räume übergehen sollte.“ (IV. 468.)

Polizeiliche Verfügungen an den Eigenthümer eines Grundstücks sind, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungs- gerichts, III. Senats, vom 9. Mai 1895, wenn das Grundstück von dem eingetragenen Eigenthümer freiwillig an einen Anderen ver- äußert worden ift, solançe die Auflassung an diesen nicht erfolgt ist, an den bisberigen, ncch eingetragenen Eigenthümer zu richten. „Nach § 1 des Eigenthumserwerbêgeseßes vom 5. Mai 1872 wird in Fällen freiwilliger Veräußerung nur ein folcher steht in Frage das Eigenthum an einem Grundstück nur dur die auf Grund einer Auflassung erfolgte Gintragung des Eigenthumsübergangs im Grund- buch erworben.“ (TII. 390.)

Kunst und Wissenschaft.

In der am 20. September in Lübeck stattgefundenen dritten und lezten Hauptversammlung des 67. Deutschen Naturforscher - und Aerzitetages bielt Professor Dr. Credner- Greifswald einen Vortrag über „Die Ostsee und ihre Entstehung“. Die an- regende und klar gegliederze Rede wußte die Aufmerksamkeit der _zahl- reih ershienenen Zuhörer von den erften Worten bis zum Schluß wach zu balten. Es lag nabe, so führte der Redner etwa aus, in der altberühmten Hansestadt Lübeck gerade über das Binnen- meer zu sprehen, dem sie ihre Größe verdankt. Und zwar um so mehr, als die Ostsee in neuerer Zeit Gegenstand eingehender Forshungen geworden ist. Die Ostsee ist ein echtes Binnenmeer ; aber die Tiefenkarte zeigt kein einförmiges Been, sondern Rinnen, Mulden, trennende Shwellen. Wir haben ein ge- sondertes Becken im Bottnischen Meerbusen, dann kommt bei den Aalandéinseln eine seihte Einschnürung; es folgt die eigentliche Ostsee mit den Tiefen bei Gothland, in der Danziger Bucht und nördlih von Bornbolm. Weiter nah Süden und Westen verflacht sih der Boden immer mehr zwischen den dänishen Inseln und dem Festlande. Entsprechend der Ticfenformation_ ist auch èie Bildung des Landes: im Norden kompakter Fels, im Südwesten flaches, reich gegliedertes Erdreih, dort Granit und Gneiß, im Süden Sandstein, Schiefer, Kalk, Mergel. Hier ist an der geologishen Struktur des Bodens klar erkennbar, wie in der Tertiärzeit die Gletscher ihre, End- moränen vor \ich ber und über das ältere Gestein s{choben, und zwar in wiederholten Glacialperioden. Welche Vorgänge haben nun das Hoblbecken der Ostsee geschaffen? Zuerst unstreitig gewaltige tektonishe Urfahen. Bei der Veränderung der Erdrinde sind Ginbrücke von Gesteinêmassen entstanden. Die Spuren davon find niht nur auf dem Festlande, der Umrandung der Dítsee, deutli erkennbar, fondern auch bis in das Meer hinein. Diese Einbrüde und Senkungen, daneben auch wieder Erhebungen durch seitlihe Schiebung, haben die Grundlage der Formation ge- liefert. Die weitere Umgestaltung hat in erster Linie das Eis geliefert. Gewaltige Schuttmassen wurden von den Gletshern im Norden nah Süden geshoben. Das wandernde Eis wirkte dann glättend oder in

weichem Boden aufreißend. Durch Abtrennungen von Gesteinsmafsen wird das Becken erweitert. Die Erosion dur die Gletscher wirkte in weihem Boden ins Breite, in hartem in die Tiefe. Schließlich werden die Schuttmassen an dem Südrande der Inseln und dem deutschen Festlande abgelagert. So bietet namentlich die „Ostholsteinische Schweiz“ den Charakter einer Moränenlandshaft. So wirkt eine ganze Menge von Vorgängen zusammen zur Bildung des Beckens , dessen Masserbedeckung erst mit dem Shluß der Glacialzeit eintrat. Vorher gab es in den interglacialen Zeiten wobl einzelne Wafserflähen, die aber nihts mit der heutigen Ostsee gemein haben. Denn jede neue Eispeciode beseitigte sie wieder. Erst nachher trat die Reihe von teftonishen Veränderungen ein, die zur heutigen Gestalt der Ostsee geführt baben. Die einzelnen Etappen dieses Werdeprozesses laffen nch noch genau verfolgen, namentlich an den verschiedenen Fauna- \{ihten: und zwar wurden diese Veränderungen durch Niveauver- \chiebungen, durch Senkungen und Hebungen des Bodens bewirkt. Bei der ersten Senkung trat das Eismeer in breite Verbindung mit der Nordsee der \chwedishe Seengürtel if heute noch ein Rest dieser Verbindung und vielleiht auch mit dem Weißen Meer. So entftand ein Salzmeer. Dann erfolgt eine Hebung. die Ver- bindung wird größtentheils unterbrochen, die Ostsee wird Binnenmeer mit allmählich nachfolgender Ausfsüßung. Eine zweite, aber weniger starke Senkung trat ein, das Salzwasser des Ozeans drang wieder zu, aber {wäcer: wir haben ein Brakwassermeer. Schließlich zeigte sich eine abermalige Hebung, die jeßt noch andauert, mit dem natür- lihen Resultat, daß die Zufuhr vom Weltmeer {hwächer wird. Namentlih im Norden zeigt \sih jegt wieder der Beginn der Aus- \üßung. Die Hebung ist zwar nicht sehc stark, an der Küste Shwedens und Finlands verschiedengradig, etwa 0,6 bis 1 cm jährli; aber sie bâlt feit etwa 100 aben nahweisbar an, und gerade ihre Un- gleichmäßigkeit beweist, daß niht eine Niveauveränderung der See, jondern eine tektonijhe Verschiebung zu Grunde liegt. Während diese hauptsäblih im Norden zu Tage tritt, sehen wir im Süden und Westen beständig die Wirkung der Landzerstörung und des Auf- baues des abgerissenen Materials an anderen Orten. So vermag der Geograph in dem beständigen Wandel der Gestaltung jeweils nur ein Augenblicksbild vcn der Formation der Ostsee zu geben. Aber die Gegenwart, in der ein neuer Weg die Ostsee mit dem Weltmeer im Kaifer Wilbelm-Kanal verbindet und Lübeck einen zweiten Pfad dur den Trave-Elbe: Kanal bauen will, bietet für die rührige und tüchtige R den Ausblick in frohe Zeiten regen Verkehrs und neuer Blüthe!

In Dresden fand am Sonnabend die feierlihe Eröffnung des 17. Kongresses der „Association litéraire et artistique internationale“ ftatt. Derselben wohnten bei Seine Majestät der König, die Prinzen und Prinzessinnen des König- lihen Hauses, die Staats-Minister, das diplomatische Korps, die Spitzen der Behörden und zahlreiche Schriftsteller von nah und fern. Der Schatzmeister des Kongresses, Banguier Hahn, brachte ein begeistert aufgenommenes Hoh auf Seine Majestät den Köaig aus. Sotann begrüßte der Justiz-Minister Dr. Schurig die Versammlung namens der Staatsregierung mit einer Ansprache, in der er die fried- lihe Natur der Aufgaben des Kongresses beleuhtete. Der Ober- Bürgermeister Beutler gab feiner Freude darüber Ausdruck, daß Dresden die erste deutshe Stadt sei, in welher der Kongreß tage. Im Namen des Dresdener Ortsausschusses spra Dr. Schramm, im Namen des Arbeitsaus\husses sprachen Nechtsanwalt Schmidt- Leipzig, Pouillet-Paris und Advokat Wauwermans-Brüssel; ferner Advokat Chaumat-Paris und Desjardin, letztere beiden im Auftrage des französishen Kultus-Ministeriuums. Im Auftrage der griechischen Regierung begrüßte Konsul Lenos, namens der italienischen Vize-Konsul Locella die Versammlung. Nach einer Ansvyrache des Mailänder Verlegers Hoepli erklärte Pouillet-Paris die Sißung für eschlossen. Allen Rednern wurde lebhafter Beifall zu theil. Abends Vate im Altstädter Hoftheater eine Festvorstellung, nah deren zweitem Akt Seine Majestät der König Albert die 30 Mitglieder des Kongresses im Vestibül empfing, wo Erfrishungen gereiht wurden. Der König beehrte die Kongreßmitglieder mit Ansprachen und gab seiner Freude über den Kongreß sowie seinem Wunsche für dessen er- folgreiche Arbeit Ausdruck. |

In Gegenwart des Königs, der Königin und des. Kronprinzen wurde am Sonnabend in Rom der italienische historische Kongreß eröffnet. Unter den zahlreihen Vertretern fremder Institute befanden sich auch diejenigen des Königlich preußischen Instituts in Rom, sowie der Berliner, Wiener und Pariser historischen Gesell- schaften. Bonghi wurde zum Vorsigenden erwählt.

Der internationale thierärztlihe Kongreß is am Sonnabend in Interlaken ges{chlossen worden. Der nächst: Kongreß findet 1899 in Baden-Baden statt.

Verkehrs-Anstalten.

Königsberg. Der Betrieb einer in biesiger Stadt neu er- bauten elektrishen Straßenbahn ist eröffnet. Die Bahn wird lebhaft benußt und hilft einem dringenden Verkehrsbedürfniß ab.

St. Petersburg, 23. September. (W. T. B.) Die „Nowoje Wremja“ meldet aus Wladiwostok: Der Dampfer der Freiwilligen Flotte „Chabarowsk“, mit dem Heck 142 Fuß tief gehend, passierte als erstes Kauffahrteishiff die Meerenge von Sachalin und lieferte damit den Beweis, daß die Sachaliner Fahrstraße von Dampfern mit diesem Tiefgang benußt werden kann.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Am Sonnabend ging unter der neuen Direktion des Berliner Theaters Ludwig Anzengruber's „Pfarrer von Kirchfeld neucinstudiert in Scene: jenes rührende Volksftück, welches der Welt mit einem S{lage die Augen öffnen follte über die Bedeutung des Wiener Dramatikers. Es ift freilih cin Erstlingswerk, und die Schwächen eines solchen haften ihm recht devtlih an; aber in mehr als einer U troy alledem ein glücklicher Wurf, ein tief poetishes Werk, wie es nur aus dem Herzen und Sinnen eines wahren Dichters geboren werden konnte. Der Dramatiker Anzen- gruber mag sich im „Meineidbauer“, „G'wissenswurm“ und im „Ledigen Hof" stärker und nachdrücklicher dokumentiert haben den feinsinnigen, unendlich empfindungsreichen Dichter, den Verfasser der heute freilih kaum noch gekannten, ershütternden Dorfgeschichten „Der Polizze“ und „Der Einsame*“ erkennt man nirgends lebendiger und unverhüllter als in feinem „Pfarrer“. Man möchte es bedauern, daß der politisch-moralishe Gehalt der Kunstwerke Anzengruber"s noch immer vielfa davon abhâlt, dem rein Dichterishen in seinen Arbeiten ein genügendes Verständniß entgegen zu bringen. Den Pfarrer von Kirchfeld spielte Herr Sommerstorff. Daß diefe Rolle abermals den fleißigen Künstler im besten Licht zeigen würde, war selbstverständlih. Gelegenheit zu großen äußerlichen, rein theatra- lishen Effekten bietet die Rolle fast gar nicht, sie bewegt sih zu zwei Drittheilen in ruhigem, gemessenem Ton, aber sie verlangt eine rührende Vert'efung in die künstlerishe Aufgabe, ein volles Ver- ständniß für den bei Anzengruber immer und immer wiederkehrenden Konflikt zwischen kirhliher Tradition und reiner, unverfälschter Bolks- seele. Und gerade dieser Anforderung des Dichters wurde Herr Sommer- storf in erster Linie gerecht ; in der großen Scene des vierten Akts vor der Kirche wie in der Gartenscene des dritten Aufzugs legte er auf das aufdämmernde Ahnen dieses Konflikts in der Seele des Pfarrers und dann auf das siegreihe Emvorringen seines Pflichtbewußtseins den Hauptwerth. Hier gab der Künstler das Beste und Werthvollste seiner \chauspielerishen Ausgestaltung und wußte damit die größte Wirkung zu erzielen; den einfachen, {lichten Herzenéton traf er am glüdlichsten in den kurzen Gesprächen mit Anna Birkmeier und in der kleinen Episode mit dem Pfarrer von St. Jakob in der Einöd, von Herrn Beck ganz vortrefflich in Haltung, Maske und Sprache verkörpert. Bei weitem wirkungsvoller, im Sinne schauspielerisher Effekte, ist die Rolle des Wurzelsepp, des menschen- und gotteësheuen Dorfpessimisten, dessen Uebermaß von Haß- der starke Pfarrer in eine Summe von Liebe verwandelt. Der meister- hafte, lebensvolle Dorfkezer des Herrn Pohl, der mit feiner unerbitt-