1895 / 260 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Oct 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Heute Vormittag hörten Seine Majestät um 9 Uhr den Vorirag dcs Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Lucanus, und nahmen von 10!/, Uhr an die Vorträge des Staatssekretärs des Jnnern, Vize- Präsidenten des Staats - Ministeriums Dr. von Boetticher und des Chefs des Marinekabinets, Admirals à la suite, Kontre-Admirals Freiherrn von Senden-Bibran entgegen. Um 12 Uhr empfingen Seine Majestät der Kaiser in Gegenwart des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Staats-Ministers Frei- herrn von Marschall den bisherigen chilenishen Gesandten ogs diesseitigen Hofe Don Gonzalo Búlnes in Abschieds- audienz.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll: und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausshuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sigzungen. :

Der hiesige Königlich niederländishe Gäandte van Tets van Goudriaan ist vom Urlaub in Berlin eingetroffen und hat die Geschäfte der Gesandtschaft übernommen.

Der Regierungs - Assessor Stute zu Solingen ist der Königlichen Regierung zu Marienwerder zur weiteren dienst- lihen Verwendung überwiesen, worden.

Die Regierungs-Referendare Dr. jur. von Strempel aus Trier, Graf von Oberndorff aus Wiesbaden, von Treskow aus Potsdam, Graf von Spce aus Aurich, von Baumbach aus Cassel und Dr. jur. von Gottschall aus Erfurt haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver- waltungsdienst bestanden.

Bayern.

Scine Königliche Hoheit der Prinz-Regent ist gestern Abend von Berchtesgaden wieder in München eingetroffen.

Die Kammer der Abgeordneten seßte gestern die Berathung des Etats des Aeußern fort, wobei verschiedene Redner dié auswärtige Politik des Reiches wegen der Stellung zu Rußland angriffen. Der Minifter-Präsident und Minister des Aeußern Freiherr von Crailsheim erwiderte, dem „W. T. B.“ zufolge: „Ueber die Führung der auswärtigen Politik ist man in Deutschland beruhigt, da sie in den Händen eines der erfahrensten Staatsmänner- ist. Rußland ist ein so bedeutender Faktor, daß bei wichtigen Fragen zu überlegen ist, welhe Stellung Rußland einnehmen wird. Der bayerish- russishe Auslieferungsvertrag besteht zehn Jahre, aber noch niemals ist auf Grund dieses Vertrages irgend eine Ausliefe- rung verlangt worden“. Der Minister vertheidigte sodann die Stellung der bayerischen Regierung zu der Umsturzvorlage, den Handelsverträgen und der Boörsengeseßgebung. Der Etat wurde schließlich unverändert angenommen.

Reuß j. L.

Der Landtag ging gestern über den Wahlprotest der Sozialdemokraten zur Tagesordnung über und bestätigte sämmtlihe Wahlen. Zum Vorfißenden wurde der Finanz- Nath Fürbringer gewählt.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser empfing heute Vormittag den österreichisch- ungarischen Botschafter in Berlin von Szögyeny-Marich in längerer Privataudienz. i:

Im öfterreihishen Abgeordnetenhause erklärte gestern der Handels-Minister Freiherr Glanz von Eicha bei der Berathung eines dringlihen Antrags des Abg. Ho ff- mann-Wellhof, worin die Regierung aufgefordert wurde, die Gewerbenovelle noch vor Weihnachten dem Hause vor- zulegen: die Regierung erkenne die besondere Wichtigkeit der gewerblihen Frage an und werde derselben 1hre volle Aufmerksamkeit zuwenden. Sie trete an diese Aufgabe in der Erkenntniß heran, daß es im Staatsinteresse liege, einen tüchtigen und selbständigen Ge- werbestand zu erhalten und zu kräftigen, sowie für die Sicher- stellung und Förderung der Wohlfahrt der arbeitenden Klassen möglichst Fürsorge zu treffen. Dabei dürfe aber die Rüc- fihi auf den gesellschaftlichen Gesammtorganismus nit außer Acht gelaffen und die durch die Leistungskraft des Reichs bedingte Konkurrenzfähigkeit niht gefährdet Wei Mr Minisler erliarlé, er sei uberzeugt, daß die Voraussezung für die gedeihlihe Entwicklung der wirthschaftlichen Verhältnisse in dem Zusammenwirken aller an der Gütererzeugung und dem Güteraustausch betheiligten Faktoren liege, welhe vielleiht in Oesterreih mehr als anderêwo Raum hätten, fih zu bethätigen und nebeneinander zu bestehen, und die berufen seien, sih wechselseitig zu ergänzen. Die Einzelheiten bei dieser Frage seien aber so wichtig, daß eine sorgfältige Prüfung der Verhältnisse nothwendig sei. Er be- trachte es als seine besondere Pflicht, die betreffenden Arbeiten möglichst zu beschleunigen, und habe daher gegen die Dringlich- feit des Antrags nichts einzuwenden; er hoffe, den Entwurf bald vorlegen zu können, fönne jedoch heute niht bestimmt zusagen, daß dies noch vor Weihnachten möglich sein werde. Die Dringlichkeit des Antrags sowie der Antrag selbst wurden sodann einstimmig angenommen.

Das Resultat der gestrigen Wiener Bürgermeister- wahl wurde von den Antiliberalen mit lebhaftem Beifall auf- genommen. Auf die Anfrage des Kaiserlihen Kommissars von Friebeis erklärte Dr. Lueger, daß er die Wahl an- nehme, falls ‘der Kaiser sie bestätige. Er sprach hierauf seinen Dank aus und betonte, daß bei den leßten Wahlen nicht eine einzelne Partei, sondern die gesammte deutsche Bevölkerung gesiegt habe. Das künftige Regime werde fein Parteiregiment, sondern ein Volksregiment im edlen Sinne des Wortes sein. Er werde den Werth einer sach- lichen Opposition ftets s{ägen, objektiv vorgehen, die Mömnorität nicht beleidigen, verspotten oder verhöhnen und derselben cinen ihrer Stärke entsprcchenden Antheil an der Verwaltung einräumen, falls fie gewillt sei, davon Ge- brauch zu machen. Die Mehrheit werde niht in die Kom- petenz des Landes oder des Reiches eingreifen, aber ihre eigene Kompetenz, namentlich die Autonomie der Stadt zu wahren wissen. Das Volk wolle den Bürger- und Gewerbestand vor Ausbeutung und unredlicher Konkurrenz bewahrt sehen. Die

Kinder sollten in den Schulen von Lehrern ihres Stammes und Glaubens in chrisilihem und nationalem Geist erzogen werden. Den Slaven gegenüber werde Gerechtigkeit geübt werden, stets aber werde das Volk des historisch überlieferten deutshen Ursprungs der Stadt eingedenk bleiben. Redner er- innerte daran, daß Wien von deutschen nes begründet sei und regiert werde, daß es die Residenz des österreichishen Kaisers sei, dem das Volk in unwandelbarer Treue ergeben sei, und {loß mit Wünschen für das Gedeihen des deutschen, christlichen, die österreichishe Residenz verbleibenden Wien. Die Rede wurde von wiederholtem, lebhaftestem Beifall der Parteigänger Lueger's aufgenommen. Die antiliberalen Gemeinderäthe, insbesondere Dr. Lueger, wurden von dem in großer Menge in den Arkadenhof eingedrungenen und in den Straßen ver- sammelten Publikum jubelnd begrüßt. Ein großes Polizei- aufgebot hielt den Verkehr aufrecht.

Frankreich.

Gestern fand im Elysée ein großes Diner zu Ehren des Königs von Griechenland statt. Alle Minister nahmen daran theil. Später war großer Empfang.

__ Die Mehrheit der Deputirtenkæmmer, welche vor- gestern gegen das Ministerium stimmte, bestand, der „Köln. Ztg.“ zufolge, aus 126 Radikalen, 65 Sozialisten, 46 Mit- gliedern der Rechten, 16 konstitutionellen und 30 Regierungs- Republikanern.

Von 1259 in Frankreich bestchenden Kongregationen haben nur 383 die Förmlichkeiten zur Zahlung der An fallsteuer noh nicht erfüllt. i

Rußland.

Der Kaiser, die Kaiserin, die Kaiserin-Wittwe, der Großfürst und die Großfürstin Sergius sowie andere Mitglieder des Kaiserlichen Hauscs wohnten gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, im Alexander-Palais zu Zarskoje- Sselo dem Dankgottesdienst anläßlich des Jahrestags der Errettung der Kaiserlichen Familie bei Borki bei.

Das „Reutershe Bureau“ is seitens der russischen Bot- schaft in London zu der Erklärung ermächtigt worden, daß der Botschafter von Staal vor einigen Tagen ein Telegramm des russishen Ministers des Auswärtigen Fürsten Loba now erhalten habe, worin die Behauptungen der in London ver- öffentlihten Depeshen aus Hongkong, betreffend einen russish-chinesischen Vertrag und die Nahricht von dem Besuch einer russishen Flotte in Port-Arthur, für vollkommen unbegründet erklätt würden. Jn unter- richteten Kreisen werde betont, daß ein solher Besuh nur mit Zustimmung Japans, welhes Port-Arthur gegenwärtig beseßt halte, erfolgen könne.

Ftalien.

Dem „Popolo Romano“ zufolge, ist der Termin für den Wiederzusammentritt der Kammer auf den 25. No- vember festgeseßt worden.

Türkei,

Die Auswahl der Mitglieder der Kontrolkommission und ihrer Adjunkten wird, wie „W. T. B.“ aus Kon- stantinopel erfährt, von einer Spezialkommission berathen. Die betreffenden Ernennungen werden für heute erwartet.

Weitere Konflikte zwishen Türken und Armeniern werden aus Karput (?), Gümüschchane, Baiburt und Bitlis gemeldet. Die Vorgänge vom 25. Oktober in den leßtgenannten zwei Städten werden offiziel auf Angriffe der Armenier zurückgeführt:; die Vorgänge in den erstgenannten zwei Städten werden von türkisher Seite als unbedeutende Reibereien dargestellt, die rechtzeitig eingeshränkt worden seien. Zugleich werden verschiedene Zusammenstöße aus anderen Orten der kleinasiatishen Vilajets gemeldet. Aus Aleppo vom 24. d. M. wird dem „Reuter hen Bureau“ berichtet, daß es in der Nähe von Marasch zu einem drei- gigen Kampf zwischen türkishen Truppen und Armeniern getfommen sei. Bei Zlgün an der Bahn nah Angora habe eine Räuberbande eine Anzahl von Bahnbeamten gefangen genommen, unter denen sih ein deutsher Unterthan und ein Malteser befänden.

Griechenland. „W. T. B.“ berichtet aus Athen, daß der Zeitpunkt für den Zusammentritt der Kammer erst nah der Nück - kehr des Königs werde festgeseßt werden.

Bulgarien.

Der großbritannishe Botschafter in Konstantinopel Sir Ph. Currie berührte auf der Reise nah London gestern Sofia und wurde auf dem Bahnhof von dem Prinzen Ferdinand begrüßt. Der Prinz und der Botschafter ver- weilten eine halbe Stunde im Gespräh, worauf Sir Ph. Currie seine Reise fortsegte.

Afrika.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Massowah gemeldet: General Baratieri sei, nahdem er die noch zurückgebliebenen kleinen Abtheilungen der Streitkräfte Ras Mangascha's zerstreut und einige Befestigungen bei Adua zur Vervoll- ständigung der Linie Adigrat—Makalle angeordnet habe, von Asmara nah Massowah zurückgekehrt. Die Befestigungen bei Adua würden im Falle der Nothwendigkeit die dortige Gar- nison disponibel machen.

Nachdem durch Verfügung des Präsidenten der französischen Republik vom 16. Juni dieses Jahres als General -Gouver- nement des französishen West-Afrika die bisher selbst- fiändig verwalteten Niederlassungen im Sudan, am Senegal, in Guinea und an der Elfenbeinküste zu einem Ganzen ver- {molzen worden sind, ist, wie „l’Ayenir militaire“ mittheilt, unter dem 15. September auch die Einrichtung der dortigen höheren Regierungsbehörden einer Neugestaltung unterzogen worden, indeman Stelle des Verwaltungsrathes des französischen Sudan eine gleihnamige, aber anderweit zusammengeseßte Be- hörde dem General - Gouverneur beigegeben, ferner nah dem Muster des in Jndo-China bestehenden, zur Unterstüßung des General-Gouverneurs bei der Entscheidung politischer, finanzieller und Handelsfragen bestimmten OÖberrathes (conseil supérieur du gouvernement général) eine gleichnamige Behörde für Westafrika errichtet worden ist, und der Geheime Rath des Senegal (conseil privé du Sénégal) eine anderweite Zusammenseßung und Einrichtung erhalten hat. Jn leßterem ist dem General-Prokurator eine hervorra- gende Stelle eingeräumt worden, während die Umar dierenden des Heeres und der Flotte in der Niederlassung nur berathende Stimmen haben.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Bei einem Kaufmann, welcher es wegen Mangels än Zahlungs- -

mitteln mebrfach zu Wechselvrotesten kommen läßt, den Lohn eines Arbeiters niht zahlt und wegen Miethsrück ständen verklagt wird, kann, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 3. April 1895, auf Grund dieser Thatsachen Zahlungsein - stellung angenommen werden, auch wenn er theilweise noch Zah- [ungen leistet. „Ein Kaufmann darf es nach fkaufmännisher An- \chauung nit zu Wechselprotesten, noch weniger zu Lohnrükstand und zur Klage wegen Miethsrückstandes für das Geschäftslokal kommen lassen. Allgemeine Zahlungseinstellung kann \sih au dann dokumen- tieren, wenn theilweise noch Zablungen geleistet werden.* (456/94.)

Die unter Festseßung einer Konventionalstrafe getroffene Vereinbarung mit einem Kaufmanne, daß dieser gewisse Waaren nicht unter einem bestimmten Preise verkaufe oder offeriere, trifft, nad» cinem Urtheil des Reisgerichts, I. Zivilsenats, vom 20. April 1895, regelmäßig nicht den Konkursverwalter, welher nah Eréffnung, des Konkurses über das Vermögen des Verpflichteten die Waaren: unter dem beftimmten Preise verkauft. In diesem Falle entsteht keinerlei Anspruch auf die Konventionalstrafe gegen die Konkursmasse. Die Handlung A. hatte am 12. Dezember 1890 der: Handlung B. ein Darlehn von 28 000 A gegen Veryfändung von Waaren und Accept gewährt und leßtere als Aequivalent dafür die Verpflichtung, unter Festseßung einer erheblihen Konven- tionalftrafe, übernommen, bestimmte Kleidertuhwaaren nit unter 1,10 Æ zu verfaufen oder zu oferieren. Das Darlehn war am §1. Juli 1891 zurückzuzablen, und ebenso lange sollte die Verpflich-

tung des Verkaufs jener Waaren nit unter dem bestimmten Preise-

dauern. Der Zweck dieser Bestimmung war, zu verhindern, daß dur Verschleuderung der bestimmten Waaren seitens der Handlung B. die der Handlung A. verpfändeten und verkauften Waaren derselben Branhe entwertbet würden. Am 30. April 1891 wurde über das Vermögen der Handlung B. Konkurs eröffnet. Der Konkursver- walter zahlte am 31. Juli 1891 das fällig gewordene Darlehn an die Handlung A. zurück, er hatte aber bereits vorher in fünf Fällen jene Waaren unter dem vereinbarten Preise verkauft. Die Das M beanspruhte demzufolge flagend von der Konkursmasse ahlung der Konventionalstrafe. In der Berufungsinstanz wurde der Klägerin die Konventionalstrafe als Mafseschuld zugebilligt. Auf die Revision des Konkursverwalters hob das Reichëgeriht das Berufungzurtheil auf, und es wies die Klägerin mit ihrem Anfpruch völlig ab, indem es begründend ausführte: „Nach dem festgestellten Sachverhalt kann der Klägerin der Anspruch auf die Konbventionalstrafe weder als Masse- schuld, noch als Konkursforderung zugebilligt werden. Die Vertragsbestimmung gab der lägerin ein Untersagungs- reht gegen die Person des Verpflichteten. Die erhebliche Konventionalstrafe hatte im vorliegenden Falle die doppelte Bestim- mung, einen Zwang auf den Verpflichteten auszuüben und das Inter- effse an der Beachtung des Verbots und aus der Nichtbeachtung des- selben im voraus festzustellen. Aber das Verbot richtete sch nur gegen die Person des Verpflichteten und gegen Handeln in feinen Geschäftsbetriebe. So wenig die Kontrahenten daran gedaht haben kônnen, daß die Könventionalstrafe verwirft werde, wenn Gläubiger der Handlung gegen sie Waare pfändeten und in der Zwangs- versteigerung unter dem in dem Vertrage bestimmten Preise ver- kauften, fo wenig können sie daran gedaht haben, daß die Konven- tionalstrafe nah Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der oa E durch Verkäufe seitens des Verwalters verfallen folle . . .* /94. L

___— In einem Ehescheidungsprozeß wegen Ehebruchs ift, nach etnem mit der bisherigen Rechtsprehung des Reichêégerichts übercin- stimmenden Urtheil des Reichsgerihts, 1V. Zivilsenats, vom 2. Mai 1895, die Auferlegung eines zugeshobenen Eides darüber, daß der eine Ghegatte mit niht namhaft gemachten Personen des anderen Geschlechts den Gbebruch begangen, un zulässig, wenn diese Behaup- tung nicht auf bestimmten Anbaltspunkten, sondern nur auf einem unbestimmten Verdachte, einer leeren Vermuthung beruhr. Dagegen ist der Eid zulässig, wenn . mit. der zum Eide gestellten allgemeinen Behauvtung des Ehe- bruWs mit unbenannten Personen nicht bloß ein unbefstimmter Verdacht geltend gemacht wird, oder wenn die Behauptung derartig E ist, daß der Eidespflichtige sih darüber im Klaren befinden muß, ob er außerhalb des ehelihen Verkehrs geshlechtli%en Umgang

rit C4 hat, oder wenn eine Konkretisierung infoweit stattgefunden at, daß eine bestimmte Kategorie von R angegeben ift,

mit welchen die Ehe gebrohen fein soll. „Im vorliegenden Rechts- streit hat das Berufungsgericßt es für wa hrscheinlich angeseben, daß der Beklagte mit anderen Personen die Ebe gebrochen hat, und dem Beklagten die eidlihe Widerlegung dieser Thatsache nur für die kurze Zeit von Eingebung der Ebe, den 27. Mai 1890, bis Ende Juli 1891 zugemuthet. Die Eidesnorm widerspricht daher nicht den vom Reicsgericht aufgestellten Grundsäyen“. (66/95.)

Entscheidungeu des Ober-Verwaltungsgerichts,

Eine _Ortéêpolizeiverordnung, wonach in Einzelfällen von der M Bone an tiefliegenden Punkten einer bestehenden Haus- ntwäsferungsanlage eine selbstthätige, von dem Hauseigen- thümer leiht zu beaufsihtigende Sicherheitsvorrihtung gegen: Nüdcstau vorgeschrieben werden fann, ist, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerichts, 1V. Senats, vom 1. Mai 1895, rets - gültig, auh wenn weder in der Verordnung noch in der polizei- lichen Einzelverfügung eine regelmäßige Reinigung und Kontrole der Vorrihtung besonders vorgesehen ist. „Die ortépolizeilite Ver- fügung vom 29. Dezember 1892 (an den Hauseigenthümer S. in Köln, in welcher ihm die Anbringung eines Rückstau-Verschlusses an der Eutwässerungsanlage seines Grundstücks aufgegeben wurde) ftütt sid auf § 10 der Ortépolizeiverordnung vom 4. März 1891, wonach an tiefliegenden Punkten eine selbstthätige, leiht zu beaufsichtigende Sicherheitsvorrihtung gegen Rüstau vorgeschrieben werden fann. Der Kläger irrt in der Annahme, daß die Polizeibehörde nach dieser Bestimmung eine Anordnung, wie die streitige, nur aus Anlaß er auézuführender Hausentwässerungëanlagen und nur für diese, nit aber für bestehende, polizeilich genehmigte Leitungen treffen könne. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch ihr Zweck bieten hierfür einen Anhalt. Wenn jene Verordnung gleih der in Köln unter dem 18. Mai 1877 erlassenen, die im § 6 dieselbe Bestimmung enthält, und unter deren Herrschaft die klägerisden Häuser an den Kanal anges{hlossen sind, im Gegensay zu den für andere Städte erlassenen Verordnungen die fragliche Ein- Anordnung dem C ige der Polizei überläßt, so soll leßtere dabei nach Maßgakte ihrer Beobahtungen und Erfahrungen verfügen; es ift ibr aber zicht im Widerspruch mit dem Wesen der Sache und den Aufgakcn der Polizei ein Verziht auf nöthige Einrichtungen für die Fälle auferlegt worden, in denen sie nicht von vornherein glei brim 2nschluß der Häuser an den Kanal auf die Sicherheits- vorrihtung gegen Rückftau gedrungen hat. Dagegen können. auch nicht die mit der jpâteren Einschaltung verbundenen Schwierigkeiten und erhöhten Koften geltend gemaht werden. Es ist jedem Hauéeigenthümer unrerwehrt, sofort bei dem Anschluß jene Vorrichtung zu treffen, um sich vor solchen Be- lastungen zu sichern. .. . És ift, um die polizcilihe Anforderung als rechtlich mögli zu erkennen, keineswegs erforderli, daß die fraglihe Einrichtung den Rüdftau unter allen Umständen vollständig und sier aus|chließt. Es gießt, wie die Ortépolizeibehörde zu- treffend hervorgeb,oben hat, zahlreihe polizeilihe Vorkehrungen, die ¿war eine gewisse Gefahr niht ficher und unbcdingt auéschließen, aber doch sie zu mindern geeignet sind. Auch derartige Einrichtungen in: E1mangelung von etwas Besserem zu fordern, ist die Polizei berechtigt, und eine folche Einrichtung steht hier in Frage, obwohl weder die

‘rihtung nit gemein und obligatorisch vorschreibt, sondern ihre *

FollaewertGuust fom 4, März 1891 noch die Verfügung vom . Dezember 1892 eine regelmäßige Reinigung und Kontrole der Vorrichtung besonders vorgesehen haben. Baß in § 10 der Verord-

- nung an Vorrichtungen gedacht ist, die der Aufsicht und der Reinigung

bedürfen, geht s{hon daraus hervor, taß die Sicherheitsvorrihtung eine leicht zu beaufsichtigende sein foll. Diese Aufficht liegt an erfter Stelle dem Haudegenthämer selbst ob, auch wenn sie ihm niht noch ausdrücklich polizeilih auferlegt ist. Sie stebt mit der weiteren Ver- pflihtung, Mangelhaftes zu ergänzen und Verbrauchtes zu ersetzen, durchaus auf einer Stufe. . .“ (19. 698.)

Nach §2 tes Kommunalabgabengesezes vom 27. Juli 1885 ist ein die Einkommensteuerpfliht begründender Gewerbebetrieb nur in den Gemeinden anzunehmen, in welchen sih der Siß, eine Zweig- niederlassung, eine Betriebs-, Werk- oder Verkaufsssttätte oder cine folhe Agentur des Unternebmers befindet, welche ermähtigt ist, Nechtsgeschäfte im Namen und für Rehnung des Inhabers bezw. der Gesellschaft selbständig abzuschließen. In Bezug auf diese Bestimmung (mit welcher der 395 des jeßt geltenden Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 übereinstimmt) hat das Ober-Verwaltungsgeriht, 11. Senat, durch Urtheil vom p. Juni 1895 ausgesprochen: 1) Das „Bureau“ einer auswärts domizilierten Versicherungêgesellshaft in einem der Gefellshaft selbst gehörigen Hause und in von derselben unterbaltenen Räumen, welches berufen ift, der Gefellshaft neue geshäftlihe Beziehungen zum Publikum zu eröffnen, Kunden anzuwerben, Versiherungs- und Aus- zablung8anträge vorzubereiten und Inkassfi freilih folhe nur gegen Quittung der Gesellschaft selbst zu besorgen, is als eine Betriebsstätte der Gesellshaft zu erahten. 2) „Die beiden Begriffe „Agentur“ und „Betriebsstätte" {ließen keineêwegs einander derartig nothwendig aus, daß nit unter befonders gearteten Umständen eine Agentur und eine Betriebsftätte neb en einander be- stehen könnten, wennshon praktisch eine Gesellshaft wohl nur felten es in ihrem Interesse finden dürfte, zwei derartige Vertretungen an einem und demselben Orte konkurrieren zu lassen.“ (II. 896.)

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Solingen wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 26. Oktober geschrieben: Unsere Industrie ift bereits wieder von einem Ausstand bedroht. Diesmal sind es die Platterlmesserreider, die den Fabrikanten ein mit böberen Preisen versehenes Preisverzeiniß zu- geshickt haben, das jedoch nur von wenigen Fabrikanten anerfannt worden ift, Die meisten verhalten sib ablehnend; diesen ist infolge dessen von den Platterlreidern der Ausstand angekündigt worden. Wie verlautet, haben andere Fachvereine, die um Unterstüßung der Reider angegangen find, diese Unterstüßung einstweilen abgelehnt.

Hier in Berlin fanden am Montag vier Scchneiderver- fammlungen ftatt, in welhen wieder über die Betriebêwerkstätten- frage (vgl. Nr. 237 d. Bl.) verhandelt wurde. In allen Ver- sammlungen wurde, der „Voss. Ztg.“ zufolge, eine Entschließung an- genommen, die sich für die Ausdehnung des geseßlihen Arbeitershutes auf die Hausindustrie, für Ueberwaung alier hausindustriellen Be- triebe durch männliche und weiblihe Aufsihtsbeamte ‘ausspriht. Fn einer fünften Versammlung der der Lokalorganisation angehörigen Konfektionsshneider wurde cin Beshluß zu Gunsten der Be- triebswerkftätten angenommen.

Aus Zür ich wird dem Berner „Bund*" gemeldet, daß der Aus- ftand der Hafner (Töpfer) (vgl. Nr. 245 d. Bl.) gestern beigelegt wurde. Die A: beiter erzielten eine Lohnerhöhung von 15 bis 20 9/0, R aber die Forderung auf Verkürzung ‘der Arbeitszeit fallen assen.

e Kunst und Wiffenschaft.

Die Königlihe Akademie der Wissenschaften hat in ibrer erften Sißung nah den Sommerferien folgende Unterstützungen für wissenshaftlihe Unternehmungen bewilligt : Von der pbilofophisch- bistorishen Klasse erhielt Professor Sachau zu ciner Vorarbeit für die Herausgabe der Urgeschichte des Jslams von Ibn Said 700 4, die Verlagsbuhhandlung von Georg Reimer hierselb#| zur Heraus- gabe des Werks von Gerbard „Etruébkishe Spiegel" (Band V, Heft 12/13) 360 «6 Von der physikalish - mathematischen Klasse wurden bewilligt: dem Privatdozenten an der Universität Kiel Dr. Hans Lohmann zu einem en Aufent- halt in Messina bebufs Studiums der Appendikularien des Mittelmeers 1500 46, dem Prosektor am anatomischen Institut hier: felbst Professor Hans Virchow zur weiteren Bearbeitung des von dem praktischen Arzt Dr. Füllborn in Nord-Amerika gesammelten Materials von Ami, Lepidosteas und Necturus 1000 4, endlih dem Privatdozenten Dr. G. Lindau zu Untersuhungen über Bau- und Wachsthum der Krustenflehten 350 4

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Griechenland.

Die gegen Herkünfte von der asiatishen Küste des Marmara- Meeres zwishen Boz-Bournou und Kara-Beogha f. Zk. angeordnete fünftägige Beobachtungs-Quarantäne ist wieder aufgehoben worden. (Vergl. „R.:-Anz.“ Nr. 241 vom 8. d. M.) E

Dagegen ist die Quarantäne gegen Damiette in Anras in eine zebntägige Effektiv-Quarantäne umgewandelt worden. Dieselbe findet statt in den Quarantäne-Anstalten von Trikeri oder von Delos. (Vergl. „R.-Anz.* Nr. 255 vom 24. d. M.) :

Brafilien.

Durch Verfügung des brasilianishen Ministers des Innern vom 20. v. M. ift der Hafen von Tanger für choleraverseucht erklärt wor- den, die übrigen Häfen Marokkos werden als verdächtig angesehen. Alle seit dem 6. v. M. aus dem Hafen von Tanger und alle seit dem 14, v. M. aus den übrigen F Marokkos abgegangenen Schiffe werden bei ihrer Ankunft in Brasilien erst zum freten Ver- kehr zugelafsen, nahdem sie in dem Quarantäne-Lazareth auf Ilha Grante der vorschriftésmäßigen gesundheitlihen Behandlung unter- ¿ogen worden sind.

Der Gesundheitsftand in Berlin war auch in der Woche vom

13. bis 19. Oktober ein günstiger, die Sterblichkeit nahezu die gleiche, kleine wie in der Vorwoche (von je 1000 Cinwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 16,3 gegen 16,4 der Vorwoche). Unter den Todes- ursahen haben afute Darmfkrankheiten einen weiteren kleinen Rüfgang erfahren und führten in 76 Fällen (gegen 82 in der Vor- woche) zum Tode. Die Gestorbenen ftanden fast auss{ließlich im Alter von noch niht 2 Jahren. Die Theilnahme des Saäuglings- alters an der Sterblichkeit war eine der vorangegangenen Woche fast gleiche; von je 10000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 56 Säuglinge. Hiufiger als in der Vorwoche kamen afute Entzündungen der Äthmungsorgane zum Vorschein und endeten auch häufiger tödtlih. Erkrankungen an Grippe wurden mebrfach beobachtet, auch ist ein Todesfall infolge von Grippe ge- meldet worden. Von den Infektionskrankheiten blieben Er- kranfungen an Unterleibstyphus und Masern in ‘beschränkter Zahl und zeigten sih in keinem Stadttheil in nennenswerther Weise. tfranfungen an Scharlah wurden etwas häufiger, an Diphtherie etwas seltener zur Anzeige gebraht, und zwar

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Tamen Erkrankungen an Scharlah aus den beiden Luifen- ftädtishen Stadttheilen, dem Stralauer Viertel, der Rosenthaler Vor- stadt und dem Wedding, an Dipkttherie aus der jenseitigen Luifenstatt dem Stralauer- und Königsviertel, der Rosenthaler Vorstadt und dem Wedding am zahlreihsten zur Meldung. Nosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden weniger beobachtet. Erkrankur gen an Kindbettfieber find 4 bekannt geworden. Erkrankung?-n an Keuch- busten, die in 11 Fällen zum Tode führten, wurden wieder mebr zur Behandlung N: au rheumatishe Beshwerden aller Art kamen häufig zum Borschein.

London, 29. Oktober. (W. T. B.) Die amtlihe „London Gazette“ veröffeniliht ein Telegramm des britishen General-Konsuls in Beirut, welches meldet, daß in Damaskus die Cholera aus- gebrochen sei.

Handel und Gewerbe.

Täglihe Wagengestellung für Koblen und Keks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Rubr sind am 29. d. M. geftellt 13109, nicht recht- ¡eitig geftellt 152 Wagen. In Oberschlesien sind am 28. d. M. geftellt 6152, niht recht- ¿zitig gestellt feine Wagen. a

Liquidationskurse der Berliner Börse für Ende Oktober 41895. 309%/ Deutsche Reichs- Anleihe 98,90, ‘3%/4 Preuß. Konsols 99,00, Oesterreichische Kredit-Aktien 249,50, Lombarden 47,75, Franzosen 167,25, Berliner Handelsgesellschaft 164,75, Darmstädter Bank-Aktien Mark-St. 162,75, Deutsche Bank-Aktien 215,75, Dis- fonto-Kommandit-Antheile 228,00, Dresdner Bank 179,00, National- bank für Deutschland 149,50, Russishe Bank für auswärtigen Handel 140.00, Wiener Bank-Verein 166,50, Aachen-Mastricht 81,00, Dortmund- Gronau 157,90, Lübeck - Büchener 154,50, Mainz - Ludwigshafener 120,25, Marienburg-Mlawfa 84,50, Oftpreußishe Südbahn 98,50, Böhmische Nordbahn 191,00, Buschterahder 275,00, Canada Pacific 56,80, Gotthardbahn 175,50, talienishe Meridional 127,25, do. Mittelmeer 94,75, Jura - Simplon (konv. Schwz. W.) 98,50, Oeefterreihishe Nordwestbahn 131,50, do. do. Elbe- thal“ 139,50, Prince Henri 81,00, Schweizer Zentralbahn 135,75, do. Nordostbabn 134,75, do. Union 95,50, Warschau- Wiener 269,00, Egyptische Anleihe 49/6 unifiz. 104,00, Italienische 9 9%) Rente 88,60, Merifaner 6 °/6 Anleihe 94,75, do. v. 1890 95,00, Oesterr. 1860er Loose 155,50, Russishe 4%/ Konsols 101,00, do. 4% 8er Anl. 101,00, do. 4% Rente 67,00, do. 33 2/0 Gold 95,00, Türken konv. 23,50, Türken-Loose 129,00, Türkische Tabak 240,00, Ungarische 49/6 Gold - Rente 103,00, do. Kronen - Rente 99,60, Bochumer Gußstahl 171,00, Konsoli- dation 226,75, Dannenbaum 113,75, Dortmunder Union 6% Stamm-

rioritäten 78,00, Gelsenfirhen 189,50, Guano 119,00, Hamburg. Paetfahrt-Akt. 115,00, Harpener 186,00, Hibernia 1184,00, Königs- und Laurahütte 159,00, Norddeutsher Lloyd 113,50, Trust Komp. 161,50, Nufsishe Banknoten 220,75. Heutiger amtliher Durhschnitts- kurs für deutsche Fonds und Eisenbahn-Aktien. Amtlicher Durch- shnittskurs vom 30. d. M. für Oesterr. Noten, Wechsel pr. Wien und St. Petersburg.

In der gestrigen Auffichtsrathësißung der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellshaft erstattete der Vorstand Bericht über das Ergebniß des Geschäftsjahres vom 1. Juli 1894 bis 30. Juni 1895; es wurde beschlossen, der zum 2. Dezember d. F. einzuberufen- den Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 11 9% (gegen 99/9 im Vorjahre) in Vorschlag zu bringen. Der Umfang der augenblicklich vocliegenden Aufträge übertrifft die Ziffer des Vor- jahres wesentli.

In der gestrigen Generalversammlung des Wittener Guß- ftahlwerfs waren 16 Aktionäre anwesend, welche 2590 Stimmen vertraten. Den Anträgen des Aufsichtêraths und Vorstandes ent- sprecend, wurde die Vertbeilung des Gewinns genehmigt und dem- gemäß die Vertheilung einer Dividende von 6 9/9 beschlossen, welche am 1. Dezember d. J. zur Auszahlung gelangen wird.

Die Adchener Rückversiherungsgesellschaft ladet die Aktionäre zu einer am 15. November stattfindenden außerordent- lichen Generalversammlung ein. Auf der Tagesordnung steht die Verdoppelung des Grundkapitals mit 25% Baareinzablung, die Erhöhung der Einzahlung auf alte Aktien von einem Fünftel auf ein Viertel und die Ausschüttung des Dividenden-Ergänzungsfonds an die alten Aktionäre zur Verwen: ung als Nachshußzahlung.

Die „Rhein.-Westf. Ztg.“ berichtet vom rheinisch-we|- fälishen Eisen- und Stahlmarkt: Die feste Haltung des rheinish-westfälishen Eifenmarktes hat in der vergangenen Woche angedauert. Die zuversichtlihe Stimmung der lezten Monate hat noch keine Erschütterung erlitten. Die Folgen der früheren Zurückhaltung machen sih immer mehr bemerkbar. Nicht nur, daß die erhöhten Preise jeßt anstandélos gezahlt werden müssen; die Käufer sehen auch ein, daß, je länger man mit den Aufträgen zögert, desto mehr ange- legt werden wu Die Abschlüsse reihen daher meist weit bis ins folgende Jahr hinein, und die Lager nehmen, wo solhe vor- handen sind, stetig ab. Auf dem Eisenerzmarkte herrscht wieder erfreuliche Festigkeit. Im Siegerlande werden die fontraktlich zur Lieferung bis Ende März nächsten Jahres übernommenen Aufträge voraus\icht- lih noch den größten Theil der Förderung des Monats April mit beanspruchen. Abschlüsse für das zweite Vierteljahr 1896 sind bisher noch nit erfolgt. Für diesen Zeitraum liegen zwar Anfragen für einen großen Theil der Förderung vor ; sie konnten jedoch bisher nicht erledigt werden, weil die Verhandlungen über die Fortdauer des Vereins für den Verkauf von Siegerländer Eisenstein noch nicht zum Abschluß gelangt sind. In Luxemburg-Lothringer Minette sowie in ausländischen Erzen ist keine Aenderung eingetreten. Auf dem Noh- eisenmarfkt ist die Stimmung noch immer sehr zuversihtli und die Haltung eine außerordentli feste. Die Geschäftslage kennzeichnet sich deutlih durch das Bestreben, Abschlüsse für längere Lieferfrist zu erzielen. Derartige Aufträge laufen in großer Zahl ein, und für be- fondere Sorten werden dabei auch willig die geforderten höheren Preise oder Ueberpreise bezahlt. Auf dem Walzeisenmarkte ist das Geschäft noch in allen Zweigen gleih rege: die Werke sind meist in lebhaftem Betrieb und könnten oft noch mehr Aufträge D wenn sie gewillt wären, sich zu den jeßigen Preifen auf längere Zeit Einaus zu verpflihten. Auf dem Stabeisenmarkte herrschte wiederum lebhafter Begehr sowohl vom Inlande, wie vom Auslande. Die Preise sind zwar außerordentlich fest, zeigen aber noch das gleiche Mißverhältniß zu denen der Rohstoffe. Thatsächlih geht Roheisen im Verhältniß rasher aufwärts als Stabeisen. Die leb- hafte Nachfrage in Bandeisen hat angehalten. Ueber Formeisen ist nichts Neues zu berihten. Der gesteigerte Begehr in Grob- blechen und das ausgesprochene Mifverbältniß, in welchem die Fertigeisenpreise zu den Rohstoffen standen, hat zu dem Beschluß ge- führt, die Preise entsprehend zu erhöhen. Feinblehe sind anhal- tend sehr stark gefragt, die Preise werden kaum mehr erörtert. Walzdrabt, gezogene Drähte und Drahtstifte kommen in größeren Mengen zu besseren Preisen auf den Markt. Die Maschinenfabriken und Konstruktionswerkstätten sind im Ganzen leidlih beschäftigt ; die Preise sind mäßig. In der Geschäftslage der Bahnwagenbauanstalten ist eine Aenderung nicht eingetreten. Die Cisengießereien, d. h. wenigstens ein Theil von ibnen, haben Schritte etbai, um das Mißverhältniß zwishen ihren Erzeugnissen und den Robstoffen zu beseitigen, indem eine ganze Reihe von Firmen ihre Preise um 10 Æ per Tonne erhöht hat.

Die „New-Yorker Hdls.-Ztg.“ vom 19, Oktober schreibt in ihrer wirthschaftlihen Wochenschau: Auf den Stillstand im Manufakturwaarenmarkt während der lebten 14 Tage ift, begünstigt durch klares Herbstwetter, eine kleine Belebung gefolgt.

Die Aufmerksamkeit des Handels wendet sih der schwereren Winter-

waare zu. Die feste Preishaltung in Baumwollerzeugnissen dauert

fort. Ein Preisrückgang auf diesem Gebiete is für die laufende

Saison ausgeschlossen. Sn erster Hand macht sich keine belangreiche

Bewegung geltend. Dagegen bessert sich die Nachfrage im kleinen Ver-

kehr, und Ergänzungen der Lager finden allenthalben stait, wenn auch

vorsichtige Zurückhaltung keanzeihnend bleibt. Der Kleinbedarf stebt

übrigens nit auf der Höhe normaler Zeiten, da die Lage der arbei- . tenden Bevölkerung vieles zu wünschen übrig läßt. Die Lohnerhöbuns- - gen, wele seit einem halben Jahre stattgefunden baben, sind doch

nit so durbgreifend, daß sie die Wirkungen der mehr als zwölf-

monatlihen Noth der niederen Klassen vollständig aufheben können.

Die geshlagenen Wunden heilen, wenn auch stetig, doch langsam.

Da und dort fangen einzelne Fabriken zu klagen an, theils wegen der geschwähten Finanzkrast der Massen, theils wegen der s{charfen Konkurrenz, welche fie mit den impor- tierten Waare zu bestehen haben. Troy alledem liegt keine be-

ängstigende Erscheinung des Markts vor, und die Hoffnung auf den günstigen Einfluß der Ernte auf das wirthschaftlihe Leben ift keine willkürliche; denn sie ffüßt fich auf die aus der Ernte sih unfehlbar ergebenden neuen Geldmittel. Der Eisenmarkt liegt ungünstig. Zwar sind die Fabriken vollauf mit Herstellung und Ablieferung früberer ausgedehnter Aufträge beschäftigt; neues Geschäft aber ent- wickelt sich nur langsam infolge der ftarken Preiserhöhungen. Auch laufen die Bestellungen der Eisenbahnen nit so lebhaft ein, als der geshäftlihe Vorstoß, welcher vor zwei Monaten seinen Anfang nabm, erwarten ließ. Das Bauwesen überhaupt {ließt #sich im Winter ab. Aufträge für Strukturaleisen werden daher erst im nächsten Frühjahr wieder gegeben werden. Unter den jeßigen Um- ständen find Käufer nicht so willig als Verkäufer; wenn die Kohlen- preise und die Lohnsâte niht so ho wären, würde die Preistendenz ohne Zweifel weichend sein. 7

Königsberg, 29. Oktober. (W. T. B.) Getteidemarkt. Weizen unverändert, Roggen rubig, do. pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 112. Gerste träge. Hafer fest, do. loko pr. 2000 Psd. Zollgewiht 108,50. Weiße Erbsen pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 106,00, Spiritus pr. 100 Liter 100 9/6 loko 33} bez., do. pr. Oktober 34 Br., do. pr. November 34 Br.

Danzig, 29. Oktober. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen loko ruhiger, Umsatz do. inländ. bellbunt 141,00, do. Transit hochbunt und weiß 111, do. hellbunt 108, do. Termin zu freiem Verkehr pr. April-Mai 146,590, do. Transit pr. April-Mai 112,50, NRegulierungspreis zu freiem Verkehr 143. Roggen loko unverändert, do. inländischer 114, do. russisher und polnisher zum Transit 79,00, do. Termin pr. April - Mai 119,50, do. Termin Transit pr. April - Mai 85,90, do. Regulierung8preis zum freien Verkehr 114. Gerste, große (660—700 Gramm) 110—115. Gerste, fleine (625—660 Gramm) 98. Hafer, inländischer 105—108. Erbsen, inländische 110,00. Spiritus loko fontingentiert 52,25, niht fontingentiert 32,25.

Breslau, 29. Oktober. (W. T. B.) Getreide- und Produktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 1009/6 exkl. 50 4 Ver- brauhsabgabe pr. Oktober 51,40, do. do. 70 46 Verbrauhsabgabe Pr. eg 31,80, do. do. Rüböl pr. Oktober 45,00, pr. Mai —,—. Zink —.

Magdeburg, 29. Oktober. (W. T. B.) Zutckerbericht. Karnzucker exkl. von 92% —,—, nete —,—. Kornzudcker erkl. 88 9/7 Rendem. 10,90—11,05, neue 10,90— 11,05. Nachprodukte exkl, 7509/9 Rendem. 7,65—8, 65. Stetig. Brotraffinade 1 23,25—23,50. Brotraffi- nade 11 23,00. Gem. Raffinade mit Faß 23,50—23,75. Gem. Melis I mit Faß 22,75. Stetig. Robzucker 1. Produkt Trans. f. a. B. Hamburg pr. Oktober 10,874 Gd., 10,90 Br., pr. November-Dezember 10,924 Gd., 10,975 Br., pr. Januar - März 11,223 bez., 11,25 Br., pr. April-Mai 11,40 bez, 11,423 Br. Fest.

Leipzig, 29. Oktober. (W. T. B.) Kammzug-Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. November 3,10 4, pr. Dezember 3,125 4, pr. Januar 3,125 #4, pr. Februar 3,15 , rxr. Maârz 3,175 #, pr. April 3,20 4, pr. Mai 3,227 4, pr. Juni 3,225 A, pr. Iuli 3,223 #, pr. August 3,25 A, pr. September 3,29 4, pr. Oktober A Umsay 115 000 kg. Behauptet.

_Bremen, 29. Oktober. (W. T. B.) Börjen-Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum- Börse.) Höher. Loko 6,50 Gd. Baumwolle. Anziehend. Upland middl. loko 45 &§. Schmalz. Ruhig. Wilcor 313 4, Armour shield 31 x, Cudahy 327 &, Fairbanks 264 4. Sped. Ruhig. Sbort clear middling loko 27. Wolle. Um- saß 86 Ballen. Taba ck. Umsaß‘ 10 Faß Kentucky.

_ Hamburg, 29. Oktober. (W. T. B.) Kaffee. (Nacmittags- beriht.) Good average Santos pr. Oktober 754, pr. Dezember 75, br. März 73, pr. Mai 712. Behauptet. Zudckermarkt. (Schlußbericht.) Rüben-Robzucker 1. Produkt Basis 880%/9 Rende- ment neue Usance, frei an Bord Hamburg pr. Oktober 10,85, pr. Dezember 11,00, pr. März 11,30, per Mai 11 40. Rubig.

Wien, 29. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sißung des Verwaltungsraths der Oesterreihishen Kredit-Anstalt wurde zur Kenntniß gebraht, daß Merey aus Vau etra En mit Jahress{chluß aus der Direktion aussheidet. Jn maßgebenden Kreisen beabsichtigt man, Merey für eine Stelle im Verwaltungsrath vorzuschlagen. ¿

Die Brutto-Einnabmen der O rientbahnen betrugen in der 41. Woche (vom 8. Oktober bit 14. Oftober 1895) 254361 Fr., Abnahme gegen das Vorjahr 4995 Fr. Seit Beginn des Betriebs- jahres (vom 1. Januar bit 14. Oktober 1895) betrugen die Brutto- Einnahmen 8 622006 Fr., Zunahme gegen das Vorjahr 196 196 Fr.

Wien, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Generalrath der öster - reihisch-ungarischen Bank beschloß angesihts des Umstands, daß schon im November erfahrungêgemäß eine ausgiebige Nüströ- mung von Banknoten einzutreten pflegt, eine Aenderung der Bank - rate nit vorzunehmen. :

London, 29. Oktober. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen- ladungen angeboten.

_ 96% Javazucker 127 ruhig. Rüben-Rohzucker loko 1018/16 fest. Chile- Kuvfer 451/16, per 3 Monat 457/16.

Manch ester, 29. Oktober. (W.T. B.) 12r Water Taylor 6, 30r Water Taylor 74, 20r Water Leigh 6}, 30r Water Clayton 7z, 32r Mock Brooke 73, 40r Mayoll 7#, 40r Medio Wilkinson 84, 32r Warpcops Lees 7F, 36r Warpcops Rowland 73, 36r Warpcops Wellington 8}, 40r Double Weston 94, 60r Double courante Qua- lität 117, 32* 116 yards 16 K 16 arey Printers aus 32r/46rx 164. Fest.

St. Petersburg, 29. Oktober. (W. T. B.) Produkten- markt. Weizen loko 8,00. Roggen loko 4,90. Hafer loko 3,25. Leinsaat loko 10,40, Hanf loko —,—. Talg loko 47,00.

Amsterdam, 29. Oktober. (W. T. B.) Java-Kaffee good ordinary vot. Bancazinn 39. L s L

News-York, 29. Oktober. (W. T. B.) Die B örfe eröffnete träge, wurde im weiteren Verlauf durchweg chwach und {loß schwach zu den niedrigsten Tageskursen. Der Umsay der Aktien betrug 286 000 Stüd. : i

Weizen seßte mit gestrigen Schlußkursen ein und nahm infolge besserer Kabelmeldungen und ungünstiger Witterungsberichte aus den Winterweizen-Diftrikten eine steigende Tendenz an. Später wurden aber Gerühte über MRegenfälle verbreitet und das Angebot für Lieferungen für Monat Mai wurde ein fo dringendes, daß die Preise wieder erheblich nachgaben und der Schluß sich recht träge gestaltete. Mais fiel infolge reihliher Ankünfte und infolge der Mattigkeit in den Weizenmärkten während des ganzen Börsenverlaufs.

Waarenberiht. Baumwolle-Preis in O Ne 87, do. do. in New-Orleans 84, Petroleum Stand. white in New-York 7,10, do. do. in Philadelphia 7,05, do. rohes (in Cases) —, do. Pipe line Certific. pr. November 128 nom., Schmalz Western fteam 5,85, do. Rohe u. Brothers 6,10. Mais per Oktober 373, do. per November 36, do. per Dezember 354. Rother Winterweizen 694, Weizen per Oktober 66, do. per November —, do. per Dezember 67è, do. pr. Mai 70. Getreidefraht nah Liverpool 4, Kaffee fair Rio Nr. 7 15,

do. Rio Nr. 7 aier November 15,10 do. do. pet Januar 14,89, Mehl, Spring-Wheat clears 2,85, Zucker 3}, Kupfer 12,35.

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200 t, do. inländ. bochbunt und weiß 144—146,*

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