1895 / 279 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Nov 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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E E E E R E B R F Se S Sage En L M L L OBIGAS 1 IERR E A E

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370.

Was das Ausbleiben dés mgen bei der Hauptverhandlung

bor dem Berufungsgericht betrifft, so ift zu unterscheiden, ob die Be-

usung ven ibm selbs oder ob dieselbe von der Staatêanwaltschaft gelegt ift.

Im ersteren Falle if nah dem i geltenden Gesch, falls das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist, die Berufung sofort zu ver- werfen. Diese Vorschrift beruht auf der Annabme, daß der im Termine zur Hauptverhandlung nicht ershienene Angeklagte das von ibm eingelegte Rechtsmittel M NAO e, habe, und wird daher durch die erweiterte Zulassung des Kontumazialverfahrens, wie solche vom Entwurf vorgesehen ist, an sfih nicht berührt. Auch liegt es im Interesse der Rechtspflege, die Vorschrift wenig als Regel festzuhalten, da sie einen wirksamen Schuß gegen mißbräuchliche Anwendung des Redtämittels gewährt. Eine Einschränkung ift jedoch zu treffen mit Rücksicht auf diejenigen Angeklagten, deren Erscheinen wegen. großer Entferaung ihres Aufenthaltsoctes besonders erschwert ift oder wele sid nicht auf freim Fuße befinden. Hier foll das Gericht auf Antrag

bétreffenden Perjonen beschließen können, daß in ihrer Abwesenheit über die von ihnen eingelegte Berufung zu verhandeln sei (Absay 1). Soweit es sih um Angeklagte handelt, deren Erscheinen wegen großer. | Entfernüñg ihres Aufenthaltsortes besonders erschwert ift, ersheint diese Bestimmung als eine fclgerihtige und ncthwendige Entwickelung des dem § 232 des Entwurfs zu Grunde liegenden Gedankens. Ihre Erstreckung auf Personen, die fih nicht auf freiem Fuße befiaden, empfiehlt fih aus Zweckmäßigkeitsgründen. ;

Anlangend die von der Staatsanwaltshaft eingelegte Berufung, [e fonnte ih der Entwurf im Absaß 2 der Hauptsache nah auf die

orshrift beschränken, daß bei nicht genügend entihuldigtem Aus- bleiben des Angeklagten über dieselbe zu verhandeln sei. Des weiteren finden, wie sih aus § 373 der Strafprozeßordnung ergiebt, die im festen Abschnitte des zweiten Buchs über die Hauptverhandlung ge- ebenen Vorschriften au hier Anwendung. Nah Maßgabe diefer

orshriften wird das Gericht darüber zu befinden haben, ob in Ab- wesenheit des Angeïlagten die Hauptverhandlung durchzufübren oder ob die Vorführung des Angeklagten beziehungsweise dessen Verbaftung anzuordnen ift. Kin übrigen ist am Schlusse des zweiten Absatzes nur noch vorgesehen, daß dem unentshuldigten Autbleiben der Fall CIVueDE, wenn der Angeklagte, weler fih nicht auf freiem Fuße efindet, auf die Vorführung zur Hauptverhandlung auëdrüdcklih ver- a bat. Diese Heroorhebung war nothwendig, weil sonst die Zu- Er grert eines Kontumazialverfahrens in Zweifel gezogen werden önnte.

Der Absaÿgz 3 entspricht dem Absaßt 2 des bisherigen § 370. Die neu binzugefügte Bestimmung, nah welcher die Wiedereinseßzung in den vorigen Stand nicht beansprucht werden kann, wenn der An-

eflagte felbft die Verhandlung in seiner Abwesenheit beantragt hatte,

taa keiner besonderen Begründung. Als ein Antrag in diesem Sinne ift es auch anzusehen, wenn der Angeklagte, welcher sih nit auf freiem Fuße befindet, auf die Vorführung zur Hauptverhandlung ausdrücklih verzichtet bat (zu Van, Foiad S)

Die Einführung der Berufung gegen die Urtbeile der Straf- kammern in erster Instanz hat zur Folge, daß für das Rechtsmittel der Revision an Stelle dieser Urtheile die Urtheile der Ober-Landes-

erihte in der Berufungsinftanz treten. Dem entspricht die vorge- fchlagene Fafsung des § 374. _ Jad § 380.

Nach der bisherigen Faffung des § 330 kann die Revifion gegen Urtheile der Landgerichte în der Berufungsinstanz auf die Verleßung von Rechtsnormen über das Verfahren die Verlegung der Vor- {chrift des § 398 der Strafprozeßordnung ausgenommen nicht gestützt werden. Hiermit ist den Betheiligten die Véöglichkeit entzogen, Ver- siöbe gegen die Vorschriften des Prozeßrechts, welche in einem solchen

erufungsverfabren stattfinden, felbst wenn dadur an sich eine Nichtig- keit des Urtheils im Sinne des § 377 der Strafprozeßordnung be- gründet wäre, vor den höheren Richter zu bringen. Der Umstand, daß der Revisionêrihter insoweit außer stande ist, auf die Beob- achtung der geseßlichen Bor!chriften hinzuwirken, hat aber weiter die .unerwünschte Folge gehabt, bei den einzelnen Landgerichten ein vere \hiedenes und nicht überall den Grundsäßen der Strafprozeßordnung entsprehendes Verfahren in der Berufungsinstanz herausëzubilden. Schon längst herrscht über die Unangemessenheit der Bestimmung all- gemeines Einverständniß, fo E e Beseitigung angezeigt erscheint.

Nr. 5.

Die Nothwendigkeit der hier vorgeschlag?nen Einschränkung des Wiederaufnahmeverfahrens if \chon in der allgemeinen Begründung (Nr. 2) dargelegt. / f S .

Soweit bisher die Berufung zugelassen war, nämli gegen die Urtbeile der Schöffengerichte, war die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neuer Thatsachen oder Beweismittel nur mit der Be- \{ränkung auf folhe Thatsachen oder Beweismittel gestattet, welche der Verurtheilte in dem früheren Verfahren, einshliezlich der Be- rufungsinstanz, nicht gekannt hatte oder doc ohne Verschulden nicht :hatte geltend machen können. : : R ¡

Diese Beschränkung foll in Zukunft wegfallen, da die Wiederauf- nahme des Verfahrens auf Grund des abgeänderten § 399 Nr. 5 nur noch von nahweislich Unshuldigen erlangt werden kann und daher für mißbräuhlihe Auënußung des Wiederaufnaßmeverfahrens Raum nicht mehr übrig sein wird. Einem wirklich Unschuldigen muß aber die Anfechtung ker Verurtheilung auch dann gestattet sein, wenn {hn eine Versäumniß in der Benußung feiner Vertheidigungsmittel trifft. Dieser Grundsaß gilt auch, wenn es {ih nicht um die Un- {huld hinsihtlich der ganzen That, fondern nur um diejenige hinsichtlich ‘eines erschwerenden Unstandes handelt. Die bezeichnete Einschränkung in Ansehung der \{öfengeri{chtlihen Sachen ift daher in Wegfall

gebracht. § 409 Absayz 2. l :

Die im § 409 vorgesehene Beweisaufnahme bildet die Grundlage ür den vom Gericht nah § 410 über die Wiederaufnahme des Ver- ahrens zu abo Beschluß. In diesem liegt der Schwerpunkt des

ganzen Verfahrens. Hat das Gericht einmal in Gemäßheit des § 410 Absatz 2 die Wiederaufnahme beschlossen, fo ist der Antragsteller gegen das Urtheil restituiert und leßteres thatsächlich beseitigt. Das erkennende Gericht ist an den Beschluß gebunden und nicht befugt, die Zulässigkeit der Wiederaufnahme von neuem einer Prüfung zu unterziehen.

Mit Rücksicht auf die hiernah der Beweitaufnahme des § 409 zukommende Bedeutung muß das Verfahren fo gestaltet werden, daß dasselbe eine sichere Gewähr für die Ermittelung der Wahrheit bietet.

Die vorgeschlagene Abänderung if auch vom Reichstag in dem von ihm 1886 bef Is Geseyentwurf, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, vorgeschlagen werden. i;

Neben der Bestimmung, daß die Vernehmung der Zeugen, soweit die Beeidigung zulässig ist, eidlih zu erfolgen hat, greifen selbstver- ständlich die allgemeinen Vorschristen der §Z 56a und 57 Plaß, wo- nah unter den dort bezeihneten Vorausfezungen die Beeidigung

unterbleiben darf. 410 Absatz 1.

Die Nummern 1 und mera der bisherigen Bestimmung. Daß im Falle der Nummer 1 der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auh dann zu verwerfen is, wenn die darin aufgestellten Behauptungen zum theil \ich als hinfällig ergeben, zum anderen Theil zwar Bestätigung finden, aber insoweit nit mehr erheblich er- cheinen, ergiebt sih aus den Bestimmungen des § 399 von felbst und raucht daher hier nicht noch besonders hervorgehoben zu werden. Die Bestimmung unter Nummer 3 wird durch die Aenderung des he Nr. 5 erfordert, um, entsprehend dem bestehenden Recht, das iederaufnahmeverfahren in denjenigen Fälleù auszuschließen, in denen troy der Anwendung eines milderen Strafgesezes eine geringere Bestrafung nicht begründet sein würde. § 411 Absay 1, 2. j Der jehige Absaÿ 2 läßt auch für den Fall, daß der Verurthbeilte

Inftanz anhängig gewesen ift. Der Reichskaffe wird sie zur Last

preGungen geführt. Die Beseitigung tines

b bedenkli af as he ergangenen rechftskräftigen Urtheils

auf Grund mündlicher d ¿

o%zne mündlihe Verhandlung enthält an sich einen Widerspru und darf niht weiter ausgedehnt werden, als es infolge befonderer Um- fände unvermeidlich is. Solche besonderen Umstände können nur in den urs des Absatzes 1 als vorliegénd anerkannt werden.

st der Verurtheilte bereits orben, fo bietet fi der Natur der Sache nah für eine Hauptverhandlung kein Raum mehr. D esem alle wird, wie es im Entwurf geschehen ift, der weitere Fall ange- chlossen werden dürfen, wenn der Verurtheilte in Geisteskrankheit verfallen ift. Da der Geisteskranke verhandlungsunfähig ift, würde auch, wenn \sich nahträglih seine Unshuld ergiebt, nah s des Absatzes 2 eine erneute Hauptverbandlung im Wiederaufnahme- verfahren nicht stattfinden können. Seine Freisprehung würde also erst nah seinem Tode möglich sein. Um einer solhen Unbilligkeit zu begegnen, ift die Ausnahme des Absatzes 1 auf diesen Fall ausgedehnt

worden. 8& 411 Absatz 4, § 4133. | Die in dem bisherigen Abfaßz 4 des § 411 enthaltene Vorschrift foll in Zukunft auf alle Fälle Anwendung finden, in denen im Wieder- aufnahmeverfahcen ein freisprehendes Urtheil ergeht. Das Recht, zu verlangen, daß die geschehene Anerkennung der Unschuld des Ver- urtheilten öfentlih bekannt gemacht werde, ift den Betheiligten ohne Rücksiht darauf za gewähren, ob das freisprechende Urtheil nah vor- gängiger Hauptverhandlung oder ohne eine folche erlassen ift. Wirt die Vorschrift in der oben gedachten Weise ver-[lgemeinert, so empfiehlt es sich, sie in einer besonderen als § 413 a einzuschaltenden Bestimmung dem Geseze einzufügen. S8 413b bîs 413 f. Daß es jetzt infolge der anderweiten Regelung des Wieder- aufnahmeverfahrens für die Gefeßzgebung ermöglicht ift, der Frage nah der Entschädigung der in jenem Verfahren Freigesprochenen näher zu treten, ift bereits in der allgemeinen Begründung (Nr. 2) dargelegt, so daß hier nur noch die Einzelheiten zu erörtern find. S 413b. Die Bestimmung bringt zum Auëdruck, daß der Arspruh auf Schadensersaß nicht nur gefeßlich anzuerkennen, fondern auch als ein geritlich verfolgbares Ret zu gestalten sei. Bei der Abschäßung des Schadenserfages soll nur derjenige Schaden berücksihtigt werden, welher dem Verurtheilten dur die erfolgte St:afvollstreFung er- wachsen ift. Auf diesem Standpunkt standen anch die von tem Reichstag beshlofsenen Gesetzentwürfe. E

Im Anschluß an die A trifft die allgemeine Fassung der Bestimmung nicht nur die Fälle einer verbüßten Freibeitsftrafe, sondern auch kiejenigen Fälle, in denen auf Todesstrafe oder auf Geldstrafe e¿fannt worden war. l Einer besonderen Vorschrift für die Fälle, daß die Wiederaufnahme gegenüber ciner Gefammtstrafe zu theilweiser Freisprehung geführt hat und die nunmebr erkannte Sirafe geringer ift als die bereits vollstreckte, wird es nit bedürfen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Fälle durch die Vorschrift des ersten Absazes mit umfaßt sind.

Da nur derjenige Vermögenéëschaden erseßt wird, welher dur die Strafvollstreckung verursacht ift, fo versteht es si von felbîit, daß in den Fällen, in welchen im Wiederaufnahmeverfahren auf eine geringere Freiheiteftrafe erfannt wird, ein Schadenêgerfaß nur infoweit beanfpruht werden fann, als die neu erfannte Strafe binter der vollftreckten Strafe zurückbleibt. : L 4 i Vorausf\ezung des Anspruchs foll lediglich das freisprehende Urtbeil sein. Dadur wird eine Prüfung der mit der Entscheidung übzr den Anspruch befaßten Behörden über die Vorbedingungen der Ent- shädigungepfliht für den gegebenen Fall erübrigt; die Thätigfeit der Behörden wird fich auf die Déñfung, ob die im § 413. bezeihnetezn Auénahmefälle vorliegen, auf die Legitimationsfrage, fowie auf Er- mittelung des Schadens und Feststellung der Entshädigungssumme zu beschränken haben. E E Was den Kreis der Berechtigten anlangt, fo ift außer dem Frei- gesprochenen au denjenigen Personen ein Entshädigungeanfpruch bei- gelegt, denen der Verurtheilte geseßlich Unterbait zu gewähren hatte, infoweit ihnen der Unterhalt dur die Strafvollstreckung entzogen worden ist. Diese Vorschrift entspriht der Billigkeit und findet ihre Rechtfertigung in dem allgemein anerkannten Grundsaße des bürger- lihen Rechts, wona der Unterbaltsanspruw für die Vergangenheit niht geltend gemaht werden fann. Zufolge dieses Grund}jates find in dem bezeihneten Falle die unterhaltsberehtigten Personen nicht in der Lage, fh nachträglih an den Verurtheilten zu halten, selbst wenn derselbe die erforderlihen Mittel erlangt haben sollte. Der Verurtheilte fann daher seinerseits einen Anspruch auf Entschädigung aus diesem Gesichtépunkt überbaupt nit geltend machen, und biermit erledigt sh ohne weiteres das Bedenken, daß der Ersaß wegen entzogenen Unter- halts sowobl auf Grund von Absaß 1, wie auf Grund von Absahz 2, mithin doppelt, gefordert werden könnte.

S n Von dem Grundsaße, daß jedem Freigesprohenen ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen soll, ist nur eine Ausnahme gemacht. Der Anspruch foll ausgeschlossen fein, wenn die frühere Verurtheilung vom Angeklagten selbst wvorsäßlih herbeigeführt oder durch grobe Fahrläfsigkcit verschuldet war.

Es ift cine Thatfrage, die nah Lage des einzelnen Falles von dem zuständigen Gericht zu entsheiden ist, ob eine solche Fahrläfssigkeit in der nit erfolgten Einlegung eines an sich gegebenen Nechtsmittels erblickt werden darf.

& 4134.

Der Entwurf hat den Standpunkt eingenommen, daß es fi hier um eine Verpflichtung handelt, die aus der Justizhobeit sich ergiebt. Die Entschädigung soll daher regelmäßig aus der Kasse desjenigen Bundesftaates gezahlt werden, vor dessen Gericht die Sache in erster

ers ees das Reichsgericht in erfter und leßter Instanz geur- eilt hat.

Wenn die Verurtheilung von einem mebreren Bundeéstaaten ge- meinsamen Gericht erfolgte, so will der Entwurf selbstverständlich niht auch die Entshädigung von Angehörigen anderer Staaten der Kasse desjenigen Bundeéstaates aufbürden, in dessen Gebiet das aeineinshastlieke Gericht seinen Siß hat. Es bleibt hier vielmehr die weitere Regelung der Uebereinkunft unter den betheiligten Staaten vorbehalten. ; i E

Keiner weiteren Begründung wird die Bestimmung bedürfen, daß bis zum Betrage der geleisteten Entshädigung diejenigen Ansprüche kraft Geseges an die Kase übergehen sollen, welWe dem unschuldig Bestraften gegen einen Dritten aus dessen rechtswidrigen, für die Ver- urtbeilung maßgebend gewesenen Handlungen zustehen.

S 413 ae. :

Da die Aufgabe des erkennenden Gerichts sih im wesentlihen auf die Ermittelung und Feststellung des Betrages der zu gewährenden Entschädigung beschränkt, fo liegt kein Grund vor, besondere Vorschriften über das Verfahren und die Zuständigkeit der Gerichte zu geben. Der Entwurf beläßt es daher in diefen Beziehungen bei den allgemeinen Regeln, die sich aus der Anwendung der Zivilprozeßorduung und des Gerictsverfafsungsgeseßes ergeben, jedo mit der Maßgabe, daß die Zu- tändigkeit der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegen- tandes cine auss{ließliche sein soll. Die leßtere Bestimmung empfiehlt

ch, um es zu ermöglichen, hay in allen Fällen in leßter Instanz das Reichsgericht angegangen und so auf eine gleihmäßige Anwentung der geseßlichen Vorschriften hingewirkt werden kann. Die örtliche Zu- ständigkeit der Landgerichte regelt sh nach § 29 der Zivilprozeß- ordnung. J 7 va Eta weitere u des § Is 8, L die rei tuns weges nur nah vorgängiger eidung obersten Justiz- verwaltungsbehörde für iulässig ertlärt bet sich dem errelplGen Geseÿze S O den im tag angenommenen Anträgen an. Dieselbe dürste umsomehr am Plage sein, als sie einerseits der Natur des Anspruchs Rechnung trägt und andererseits dem eigenen Interesse

Bei der einf Gestaltung des für die Stellung Antrages auf g, als Klageerhebung die Einführung E ¿a geräumiger Fristen.

8 S Wenn auch der Entschädigungsanspruch an erster Stelle ein ver- mögensrechtliches Interesse befriedigen foll, so bezweckt derselbe doh zuglei eine persönlide Genugthuung für dex zu Unreht Bestraften. Hiermit steht es im Einklange, daß der Anspruch den Erben des im Wiederaufnahmeverfahren Freigeibrohenen nur dann gewährt wird, wen: der letztere ihn bereits geltend gemaht hat. : Der Abfay 2 will einem unwürdigen Handel mit der Ent- s{ädigungsforderung vorbeugen. 8 414 Absäßz 1 und 2. Wenn gegenwärtig ausshließliÞ Beleidigungen und Körperver- Tezungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, der Privat. flage unterliegen, fo erscheint diese Beschränkung sachlih niht gerecht. fertigt Denn es kowmen au antere strafbare Handlungen vor, welche in dea l[eihteren Fällen mehr cine Verlegung der Privatrechts. \sphäre, a!s der öffentlihen Ordnung darstellen, und welche sich daher mangels eines bestehenden öffentlichen Interesses an der Verfolgung für die Le eignen. Auf Grund des Legalitätsprinzips müssen auch folhe Fälle gegenwärtig von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden Es erscheint zweckmäßig, dieselbe von folchen geririgfügigen Sachen zu entlasten und ihr die Befugniß zu verleihen, ge ben ge- mäß § 416 zur Privatklage zu ciintilen Dies will der abgeänderte Avbjaßz 1 bewirken, indem er in den Kreis der Strafthaten, wegen deren zen Privatklage angestellt werden kann, folgende Handlungen neu einbezieht: 8SS 123 Absah 1 (einfacher Hauëfriedensbruh), 241 (Bedrobun

mit Begebung eines Verbrechens), 289 (ftrafbarer Eigentnß)

und 303 (einfahe Sachbes{ädigung). Bezüglich diefer Thatbestände wird es einer besonderen Rechtferti- gung nit bedürfen. Daß der § 241 kein Antragsdelikt ift, kann seiner Einbeziehung nit entgegenfteben, da die Frage der Veéerfolgbarkeit von Amtswegen sih mit derjenigen, ob bestimmte Fälle wegen mangelden öffentlichen Interesses dem Betriebe durch den Verleßten überlassen werden dürfen, niht nothwendig deckt. Die gleihe Erwägung trifft auch für den in den Absatz 1 neu aufgenommenen § 223 a zu. Zwar bezieht sich der Paragraph begrifflih auf die {wereren Fälle von Körpervereßzung. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß that- sählich unter die Begriffzbestimm-ngen desselben au leite, in ibrer Bedeutung für die öffentlihe Ordnung von dêr gewöhnlichen Körper- verlezung kaum sich untersheidende Vergebungen fallen, deren Zahl infolge der Auslegung, welche die Rechtsprehung den Begriffen des „gefährlihen Werkzeuges" und der „Gemeinschaftlihkeit" gegeben hat, niht unerbeblich ist. Gegen die Ausschließung soicher Fälle von der Verfolgung von Amtêwegen dürfte kein wesentlihes Bedenken beftehen, zumal die Verpflibtung der Staatëanwaltschaft, da einzuschreiten, wo ein öffentliches Interesse berührt ersheint, bestehen bleibt, und die Vorschriften des § 417 es siherstellen, daß die Staatsanwaltschaft von jeder erbobenen Privaiflage Kenntniß erhält. “Die Erbebung einer folhen ohne vorgängige Anrufung der Staatsanwaltschaft wird wohl auch fchon der Koften wegen nur höchst selten vor-

ktommen. 8 447 Absat 1. i ] Nah der Vorschrift des § 447 isst der Erlaß eines amtsri{ter- lichen Strafbefebls gegenwärtig nur in den gemäß § 27 Nr. 1 und 2 des Gerichtsverfassung8geseyes zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen zuläifig. Der Entwurf will die Vorschrift auch auf die in den Nummern 3 und 5 des § 27 (nach der Faffung unter Artikel 1) bezeihneten Sachen ausdehnen (Hausfriedensbru im Falle des § 123 Absay 3 des Strafgesezbuhs, Bedrohung im Falle des § 241). Bei den gedachten Vergeben is der Thatbestand oftmals einfa und weiterer Aufflärung nicht bedürftig, sodaß die Erledigung der Sache durch Strafbefehl unbedenklich und im Interesse der Be- shleunigung wünsczenêwerth ersheint. § 496 Absah 2.

Die veränderte Fassung des zweiten Absa zu beseitigen, welhe in ter Praxis bezügli verfahrens hervorgetreten find. Die vorgeschlagene Regelung, welhe fh der von den Geridten vielfah hon jeßt befolgten Uebung ans{ließt, betrifft nur den Fall, daß dem Beschuldigten, dem Privatkläger oder dem Nebenkläger zufolge einer in Gemäßheit des ersten Absatzes des § 496 ergangenen Entscheidung ein Anspru auf Erstattung von Auslagen erwachsen ift.

Insoweit gegen den Ansaß von Gebühren und Auslagen der Gerichte Erinnerungen erhoben werden, ift der § 4 des Gerihtsfosten- geset:s vom 18. Juni 1878 (NReih2-Gesegbl. 1878 S. 141) maß-

gebend. Artikel Ill. Die in diesem Artikel vorgesehenen Uebergangsbestimmungen werden einer besonderen Rechtfertigung nicht bedürfen.

3 bezweckt, die Zweifel des Kostenerstattungs-

Anlage A. L E Der gegenwärtige Standpunkt der größeren europäischen Staaten hinsictlich der Berufung gegen dieUrtheile von

Strafgerichten. E

L. Oesterreich, dessen Strafprozeßordnung vom 23. Mai 1873 ledigli gegen erftinftanzlihe Urtheile der mit Einzelrihtern beseßten Bezirksgerichte im vollen Umfange eine ie zuläßt, leitet diejelbe an den höheren „Gerichtshof I. Instanz", das Landesgericht. Soweit hinsihtlich der Strafzumessung und privatrechtliher Ansprüche die Berufung gegen erstinstanzlihe Urtheile der Landes- und der Ge- \{chworenengerichte ftatthaft it geht auch fie an ein höôberes Geriht, das Ober-Landesgericht als „Gerichtshof 11. Instanz“.

Nah der Strafprozeßordnung vom 17. Januar 1850 hatte sih allerdings das Landesgeriht in der Berufungsinstanz mit erftinstanzj- lihen Gntsheidungen des Bezirks-Kollegialgerichts selbst in den Fällen befassen müssen, wo dieses Gericht aus einem besonderen Senate des Landesgerichts bestand. Do hat die Praxis diese Einrichtung {on damals als Ausnahme für kaum erträglih erahtet (vergl. Glafer: „Bemerkungen über einen neuen Vors g zur Regelung der Be-

a Strafsachen“, in den gesammelten fleineren Schriften Theil 1 S. ¿ In Ungarn ift es zur Kodifikation des gesammten Strafprozesses

noch nicht gekommen, do Umfang, hinsihtlih der uldfrage und der Strafzumessung, i elassen, und in II. Instanz entscheiden stets höhere Gerichte, die Königlichen Gerichtshöfe oder die Königlichen Tafeln. In diesem Zu- stande beabsichtigt auch der neueste Regierungs-Entwurf einer Strafe prozeßordnung von 1888 keine Aenderung. E

L. In Fraukreich gewährt der Code d’instruction criminelle von 1808 gleichfalls die Berufung im vollen Umfange und leitet sit ftets an böbere Gerichte, an die tribunaux correctionnels beziehung® weise von diefen als erster Instanz an die Cours d’appel, wovon & seit dem Gesege vom 13. Juni 1856 eine Ausnahme nit mehr giebt

Vor diesem Gesetze bestanden solche allerdings vielfa. Die Appellhöfe waren nämlich korrektionelle Berufungsinstanz nur für di Tribunale im Departement ihres Sitzes, während in den anderen ihrem Bezirke gehörenden Departements II. Instanz das sonft gle stehende Tribunal am jeweiligen Präfektursige war. Die Berutms gegen deren eigene Urtheile I. Instanz war an den Appellbof, weilen auch an das Tribunal am Prâäfektursiße des Nahbardepartemen® gewiesen. 1856 existierten in Franfreih 356 Tribunale: nur für s pon ihnen war infolge jener Bestimmungen der Appellhof, für 1 dagegen ein nebengeordnetes Tribunal II. Snstanz.

(Fortsezung in der Dritten Beilage.)

noch am Leben befindet, eine Freisprechung ohne Erneuerung der tverhandlung zu. Die Bestimmung hat in der Praris mehrfach

des EntichädigungsbereWtigten entspriht, dem dad vielfach die Weitläufizgkeit des Vorne Verfahrens erspart bleiben wird,

4 enyfiebli | ros es émpfieb Del |

in Schwyz, Wallis, Luzern, Thurgau, Unterwalden ob dem Wald,

ist gegenwärtig eine Berufung im vollen

: mins die Berufung in vollem Umfange und leitet sie an die

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und König

M 279.

(Fortsezung aus der Zweiten Beilage.)

Das Prinziv, die Berufung in korrektionellen Sachen vor die Appellhöfe zu ieisen, war in der Gesetzgebung von 1808 und 1810 in der Annabme durhbrohen worden, daß eine Anfechtung der Tri- bunalsurtheile in sehr erböhtem Maße stattfinden und zugleich eine Wiederholung der Zeugenvernehmung in I. Inftanz häufig nothwendig werden würde: bei der damaligen Unzulänglichkeit der Verkehrsmittel und -Wege befürtete man daher im De der Verweisung- aller Be- rufungen vor die Appellböfe zu große Kosten und Schwierigkeiten.

‘ie Erfadruag zeigte indessen, taß jzne Annahmen ungenaue und jene Befürchtungea übertriebene waren. Nicht mehr als 5 2/6 der erstinftanzlihen Tribunalsurtheile fam in die Berufungéinftanz, und deren Abneigung gegen eine Wiederholung der in I. Instanz statt-

bten Zeugenvernehmung ließ eine solhe aur in 3 9% der Be- rafungssacen erfolgen.

Fiel somit der oben angeführte Grund für die weitere Bei- behaltung jener Anomalie fort, so fam noch die ungeahnte Entwickelung der Verkebrsmittel und mit ihr die Verringerung der Entferkungen hinzu, so daß man 1856 die für Zivilsachen längst durchgeführte ein- heitliche Gericht8organisation auf die forreftionellen Strafsachen aus- dehnen zu dürfen giaubte.

Man verglih mit den Nachtbeilen des bieherigen Systems die Vortheile der Verweisung sämmtlicher Appelle vor die Appellhöfe. Venn leßteres durchgeführt wurde, war es niht mehr möglich, daß ein Verleßter fih je nachdem den Appellbof oder ein Tribunal als Gericht 11. Instanz dadur sicherte, daß er entweder mit einer felbst- ständigen Zivilklage vorging oder seine Zivilansprü&e nur accefsorish im Strafverfahren geltend machte.

Andererseits waren Regierung und geseßgebender Körper darin einig, daß die Berufung mit ernstlichen Garantien nur dann umgeben sei, wenn das mit der erneuten Prüfung betraute Gericht gegenüber der I. Instanz einen böberen Rang einnehme. Die Tribunale an den Präfektursiten waren zwar mit einer größeren Zabl von Richtern be- jeyt und bildetcu Let sich die A|sisenbofe: wenn jie aber aufbörten, I. Jaftanz für die Arrondifssementétribunale zu sein, so waren sie den lezteren und ihren Richtern in keiner Beziehung mehr übergeordnet. Zwischen den hauptfstädtishen und den Arrondijsementstribunalen be- ftand eben nur ein zufälliges and au nur zeitweises Vertältniß von Veber- und Unterordnung, was befürhten Ließ, daß, wenn die ge- nügende Nachgiebigkeit auf der einen, die nöthige Mäßigung auf der anderen Seite feblte, ein gewisser passivec Widerstand odrr obbositionelle Tendenzen der Rechtépflege Abbruch thun könnten.

Als unbestreitbar nahm man dagegen die Ueberlegenbeit der Appellhöfe an; ihre Ba pealchang gewährleistete eine beffere Recht- sprechung wegen der Zahl und Vorzüge ihrer Richter, die: vorber an den Tribunalen mitgewirkt batten und deren Befö: derung zu Avpell- ridtern gerade ein Beweis ihrer Dienste und Verdienste, vor allem aber einer größeren Erfahrung zu sein schien. Gegenüber solchen Berufungsri tern meinte man, werde bei den Rich:ern I. Instanz fein Gefühl von Rivalität und kein Gedanke an Widerstand auf- iommen; die Berufungsurtheile in fkorrektionellen Sahen würden, gleich denen in Zivilsachen, im ganzen Bezirk eine unbestrittene Autorität gentegen und dadur die so dringend erwünschte Einheit der Recht- sprechung sichern.

Nebenbei versprach män sich von dem Eingreifen -der General- profuratoren bei den Appellhöfen in den Gang des Berufungsver- fahrevs eine shnellere und sichere Repression des Verbrechens.

Bon diesen Erwägungen war die Verweisung aller Berufungen dor die Appellhöfe getragen, und es 1 niht bekannt geworden, daß tie Erwartungen hinsichtlih des guten Einflusses der Neuerung ge- täusht worden wären.

_TITL. In BVelgieu, wo der französishe Code d’instruction criminelle gilt, ift die Berufung ebenfalls in vollem Umfang zulässig. Aehnlihe Erwägungen wie in Frankrei führten bier {on im Ge- ege vom 1. Mai 1849 dazu, die Berufung gegen die Urtheile der forrektionellen Tribunale in allen Fällen an die Appellhöfe zu bringen. _ TV. Die Niederlande haben die früher abgeshafte Berufung 10/4 wieder eingeführt, und auch das neueste Wetboek Yan Straf- ing um 1886 hat sie in vollem Umfang aufre{t erhalten. Sie ist gleichfalls ftets vor ein höberes Gericht verwiesen, indem vom kanton-regter an die arrondissements-regtbank, vor dieser als ter Instanz an den geregtshof appelliert wird. „a. Ÿe Jtaliens Codice di procedura penale vom 26} November 1865 führte die Berufung in weitestem Umfange dur. Auch dieses Seseßbuh bestellt zu Gerichtsböfen II. Instanz nur höhere Gerichte, Xe tribunali correzionali gegenüber den pretori, und den erfteren als Gerichten I. Inftanz gegenüber die corti d’appello.

„VL. Von den Kantonen der Schweiz kennen Waadt, St. Gallen, Freiburg, Bieuhâtel und Graubünden eine Berufung nicht, während Ne, fei es gegen sämmtlihe Strafurtheile T. Instanz, sei es bei einer Xwisten Höhe der Strafandrobung oder Straffestseßzung, gewährt wird

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Zürich, Appenzell Fee Rhoden, Solothurn, Uri. Ueberall haben N bier Gerichte höherer Ordnung in der zweiten Instanz zu ent- n. _VIL. England fennt die Berufung im fontinentalen Sinne é Wortes nicht. Es besteht hier allerdings ein Court of Criminal Appeal, do hat er nur folhe Rechtsfragen zu entscheiden, die der Präsident der ‘Assisen nit selbst entscheiden will. Indessen macht fh gegenwärtig auch in England eine niht unerheblihe Strömung Gunsten der Einführung einer Berufung? geltend. So lag dem terhause vor wenigen Jahren ein Geseg-Entwurf mehrerer Ab- ordneten vor, wonach dem Angeklagten in jeder Strafsache die Be- fung, auch bier an ein höheres Gericht, eine Abtheilung des High urt, zustehen follte. a Ax. Norwegen giebt in der neuesten Strafprozeßordnung vom Sli 1887 die Berufung nur gegen Urtheile der unteren Gerihte | jagen und Verhörêgerichte im weitesten Umfange; gegen Ent- XÆldungen der Schwurgerite is zwar gleichfalls die Berufung zu- affsen, dach entspricht sie unserer Revision, da sie auf eine unritige nit Veidung der Schuldfrage nicht gestüßt werden darf. Das Rechts- pel, geht itets an das oberste Gericht des Landes, das „Höchstegericht“, Mies selbst oder in gewissen Fällen durch einen aus seiner Mitte Eildeten Beschwerdeauss{uß entscheidet. ti, Um die Zuständigkeit der Untergerichte erweitern und gleibzeitig Zahl ihrer Richter einshränken zu können, hat man noch ein der Lefung ähnliches Rehtêmittel gegen shöfen- und verhörsgerihtliche St e eingeführt. Wenn nämlih eine Partei, Angeklagter oder Berk, Sanwalt, das, was dort hinsihtlih der Schuldfrage angenommen ria ift, bestreitet, ohne ih dabei ledigli auf cine angebli un- ive Gesetzesanwendung zu neue, so fann die Sache zu erneuter ia De t vor das Shwurgericht, also au vor ein höheres Gericht en. Ix. Rußlands Kriminalpro i J zeßordnung (leßte amtlihe Ausgabe Lu 1876) gewährt gegen Urtheile der Friedenrichter als der untersten

©ensrichterversammlungen, zu denen in bestimmten Terminen alle seg eicster eines Friedensrihterbezirks im allgemeinen eines Di mit den darin liegenden Städten zusammentreten.

Dritte Beilage

Berlin, Freitag, den 22. November

während im [eßteren Falle ihre Entscheidungen allendlihe“ und als solche nur im Kafsationsverfahren anfechtbar sind. Immer aber gebt die Berufung nur an höhere Gerichte, die Avpellationsgerichte. Seen

Anlage B. uläfssigkeit des Kontumazialverfahrens in den größeren europäischen Staaten.

L. In Oesterreih rubt nach der Strafprozeßordnung vom 23. Mai 1873 das Verfahren gegen abwesende Beschuldigte, denen die* Ladung zur Hauptverhandlung niht zugestellt werden fonnte, bis ¿u ihrec Betretung, und es findet nur auf Antrag des Anfklägers ein „Ungeborsamverfahren“ ftatt. Das Gericht erläßt an den Angeklagten eine öffentliche Vorladung, si binnen bestimmter Frist an Gerichts- stelle zu verantworten, widrigenfalls ibm die Ausübung der ftaats- bürgerlihen Rechte untersagt werden würde. Im Falle der Stellung des Angeklagten findet das Verfabren seinen regelrechten Fortgang; fonst erfennt die Rathskammer auf Antrag des Anklägers gemäß der in der Vorladung enthalten gewesenen Androhung. _ It das Verfahren bis zur Hauptverhandlung gedieben und er- scheint in ihr der Angeklagte niht. so kann ihn vor dem Bezir fks- gericht der Richter zum perfönlihen Erscheinen auffordern oder, falls dies bereits gesch2h, vorführen lassen. Hält er aber seine persönliche Vernehmung nicht für erforderli, so tritt er in die Verhandlung ein, erledigt die Beweizaufnahme und verkündet s{ließlich das Urtheil, gegen welches nur die Berufung zugelassen ift.

_ Aut vor anderen Gerichten darf ohne Nüksicht auf den ab- wesenden Angeklagten verhandelt wetden, aber bei fonstiger Nichtigkeit nur, wenn

1) zur Anklage ein Vergehen oder ein mit böcbstens fünfiähri Freibeitsftrafe bedrohtes Verbrechen steht, 00 oan

2) der Angeklagte {hon in der Voruntersuchung vernommen und

2) zur Hauptverhandlung noch persönli geladen worden war. _… Das Urtbeil wird ihm dur einen dazu bestimmten Richter er- offnet oder absriftlich mitaetbeilt, eventuell veröffentliht und unter- Uegt dem Einspruch auf Grund nachgewiesenen unabweiébaren Vindernifjes.

__Ift eine Hauptverhandlung obne den Angeklagten gefeßlich un- wlo oder vom Gericht für niht durchführbar erachtet, so wird die Vorführung veranlaßt. Erweist sih dieselbe als unausführbar, so kann der Ankläger auf Einleitung des Ungehorsamverfahrens (vergl. oben) antragen.

_LE. Ja Frankreich findet nah dem Code d'’instruction Ns von E Dor t R correctionnels und en tribunaux de police bei den juges de paix au beim Nichterscheinen des Angeklagten die Hauptverhandlung statt, Mort bei sonstiger Nichtigkeit zwischen Ladung und Termin mindestens 3 Tage beziehungsweise 24 Stunden liegen. Die Nichtigkeit kann nur im nächsten Termin, nah der gegen das Kontumazialurtheil eingelegten Opposition, geltend gemaht werden; erscheint der Angeklagte hier, so wird aufs neue verhandelt, bleibt er aus, fo gilt seine opposition comme non avenue und er fann fi der Vollstreckung des Urtbeils nicht mebr widerseßen.

Vor den cours d’assises fordert der Präsident den An- geklagten, der fich nach der Verseßung in den Änfklagezustand der Verhaftung entzieht und sich au nicht stellt, öffentlich auf, leßteres binnen 10 Tagen zu thun, widrigenfalls er als rebelle à la loi er- klärt, ihm die Ausübung der bürgerlichen Rechte entzogen und fein Vermögen besclagnahmt, jede geridtlihe Handlung untersagt, das Verfahren jedoch troßdem fortgeseßt werden würde. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist findet ohne Zuziehung von Geshworenen und ohne Zulaffung eines Vertheidigers die Hauptverhandlung und Urtheils- verkündung statt. Stellt sih der Angeklagte innerbalb der Straf- verjährungsfrist oder wird er festgenommen, so gilt das Urtheil als niht gesprohen und es findet eine neue Verhandlung in den gewöhn- lichen Formen ftatt.

TEE. Belgien bat mitdem französishen Code d’instruction criminelle au defsfen Gestaltung des Kontumazialverfabrens.

V. Nach dem in den Niederlanden geltenden Wetboek van Strafvordering von 1886 fann fich in der Hauptverhandlung vor dem Kanton-regter der Angetlagte einen Fall ausgenommen ftets vor der regtbank dur einen Advokaten oder procureur nur dann vertreten laffen, wenn die ibm zur Last gelegte Handlung niht mit Gefängniß bedroht ift. Wenn jedoch das Gericht das persönliche Erscheinen des Angeklagten für nothwendig bält, so fann es die Verbandlung ausseßen ; andernfalls wird, wenn weder der An- geklagte noch ein Vertheidiger erscheint, nah den Regeln des ordent- lihen Verfahrens in contumaciam verfahren. Gegen das Urtbeil ift ein Einspruch zugelaffen, worauf von Nechtêwegen in der nächsten ordentlichen Gerihtsfißung weiter verhandelt wird; erscheint der An- geflagte hier abermals nicht, fo wird sein Einsvruch als verfallen erklärt, und das angegriffene Urtheil vollftreckt

Wird der Angetlagte wegen Störung der Rube und Ordnung aus der Sizung hinausgewiesen, so wird ohne ibn weiter verhandelt, und nur die Urtheilsverkfündung muß erft wieder in seiner Gegenwart erfolgen.

V. In Jtalien wird nah dem Codice di procedura Denale vom 26. November 1865, wenn der Angeklagte in der Hauptverhand- lung vor den tribunali correzionali und den pretori nit erscheint, ohne ein geseßlihes Hinderniß glaubhaft zu machen, nach den gewöhn- lichen Regeln in jeiner Abwesenheit verfahren, ein Vertheidiger jedo niht zugelafseu. Das Urtbeil unterliegt der Berufung oder, wo diese nit zulässig ift, der binnen 10 beziehungsweise 5 Tagen einzulegenden Opposition. Der Präsident beraumt auf dieselbe einen neuen Termin an: erscheint der Angeklagte hier, so gilt das Kontumazialurtheil als nit erlaffen, andernfalls wird durch nur der Kafsation unterworfenes Erkenntniß die Vollstreckung des erften Urtheils angeordnet.

Vor den corti d’assise erläßt, ähnli wie in Frankrei, der Prâsidênt gegen den Angeklagten, der sich nach Verseßung in Anklage- zustand nicht stellt, auch nicht ergriffen wird, einen öffentlihen Befehl zur Stellung binnen 10 Tagen, widrigenfalls gegen ihn in feiner Ab- wesenheit verfahren werden würde. Stellt er fih niht, so wird in öffentlicher Sißung jener Befehl binsichtlih seiner Formalien geprüft und nach Ver n fe des Protokolls, sonstiger Dokumente fowie der

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niedergeschriebenen Zeugenaussagen das Urtheil gefällt und verkündet. Hierbei wirken Geshworene n iht mit, wenn

1) der auf freiem Fuß befindlihe Angeklagte zwar innerhalb der m Mens gestellten Frist, aber niht zur Hauptverhandlung er- schienen ift,

2) wenn der Präfident den Angeklagten unter abschriftliher Mit- tletung des GefeßzeS8wortlauts direft hat laden laffen, ohne daß er erschiene.

Im ersten Fall wird in der Sißung der Ueberweisungsbes{luß und das Protokoll über die Bekanntmachung des Befehls, im leßteren die Beurkundung der Zuftellung verlefen. j : Wird der zu einer pena criminale verurtheilte Angeklagte inner- halb der Verjährungsfrist festgenommen, fo kann er seine Rechte fo geltend machen, als ob er gar nit kontumaziert worèza wäre, in welchem Fall das Urtheil als nit gefällt gilt und auf Grund des in Kraft bleibenden Ueberweisungsbes{lufses fowie der Anklage in ge- wöhnliher Form verhandelt wird. :

Gegen Korrektional- oder Polizeistrafen aussprehende Erkennt-

rihte 2vvere Gerichtsbarkeit in Strafsahen üben die Bezirks- Falle f Heils ohne Geschworene, theils mit folhen aus. Im ersteren

feht ‘gegen ihre Urtheile Berufung in weitem Ümfange zu,

lih Preußischen Staats-Anzeiger.

1895.

_VIL. Von den Kantonen der Schweiz lafsen das Kontumazial- verfabren in weitestem Umfange und vor Strafgerichten jeder Ordnung zu: Zürich, Luzern, Neuchütel, St. Gallen, Appenzell außer Rhoden, Solothurn, Schwyz, Unterwalden ob dem Wald. bei werden im Verfabren vor den Schwurgerichten in Züri, Solothurn, Neuchütek Geschworene nicht zugezogen. Schwyz, St. Gallen haben eine obliga- torishe Vertheidigung des in der Hauptverhandlung abwesenden An- geklagten. Vielfach ift ein freisprechendes Kontumazialurtbeit unstatt- baft, vielmehr bei nicht hinreihendem Schuldbeweise Vertagung der Verhandlung bis zur Betretung des Angeklagten vorges: ieben. In Verfahren vor den Amtsgerichten Solothurns besteh? die Be- sonderbeit, daß der niht geständige Angeklagte beim Ausbieit-a in der Hauvtverhandlung mit einer Ordnungsbuße belegt wird, o.ne daß das Verfahren selbst eine Unterbrehung erlitte. i

VIL. Jn Norwegen kann nah der Strafprozeßor*n:ng vont 1. Juli 1887 das S{wurgericht, falls das betreffende D-likt vor- zugêweije mit C iuant oder einer geringeren Strafe bedrout if, und die Anwesenheit des Angeklagten nicht erforderlih erscheint, gegen den Ausgebliebenen verhandeln, wenn er hierein willigte ocker fein Grund vorliegt, eine geseßli&e Verhinderung am Erscheinen anzu- nebmen. Fand die Ladung im Azsëland oder öffentlich stait, so be- schränkt si die Zulässigkeit dieses Verfahrens, außer bei der Zuftim- mung des Angeklagten, auf Delik e, die mit feiner böberen Strafe als mit Buße bedroht sind.

Ist der Angeklagte erst nah ter an ihn geschehenen Verkündung des Anklagebeshlufses entwichen und auf seine Anwesenheit kein Gewicht zu legen, so ift eine Verhandlung in feiner Abwesenheit ganz allgemein zulässig. Ferner fann beim Ausbleiben des Angeklagten stets ein frei- sprehendes Urtbeil ergehen und die Verbandlung dann fortgeführt werden, wenn sie zweifellos zur Frei\prechung zu führen scheint. Auch wenn die Hauptverhandlung ausgesezt wird, können doc sofort alle Beweise aufgenommen werden, deren spätere Erhebung unmöglich fein oder weniger befriedigend ausfallen würde.

Das Schöffengericht kann, wenn der Angeklagte in der Haupt- verbandlung ohne anzunehmeude geieglihe Verhinderung ausbleibt, ohne Rücksicht auf die angedrohte Strafe in allen Fällen, von dem für nöthig gehaltenen perfönlihen Erscheinen des Angeklagten ab- geschen, in dessen Abwesenheit verhandeln. Bei Strafbefehlen und überhaupt in Polizeisahen fann sein Ausbleiben, obne Verhinderung oder Verweigerung einer Erklärung, mangels dagegen fprehender Momente als Zugeständniß angeseben werden.

VIIT. Sn Rufßlaud ift ein Kontumazialverfahren nur vor dem Friedensrichter statthaft, wenn die Strafe höchstens mit Arrest bedroht ist und der Angeklagte weder selbst, noch ein Bevoll- mächtigter für ihn ersheint, oder wenn er einen solchen schidckt, wo er persönlich erscheinen sollte. Die gegen dgs Kontumazialurtheil -ge- gebene Berufung führt zu erneuter Verhandlung vor cemselben Friedensrichter. Erscheint der Angeklagte hier wieder niht, so wird er in eine Geldbuße genommen, und das Urtheil bleibt in Kraft. Steht auf dem Delikt eie bärtere Strafe, so darf nur ein zivil- prozefsuales Kontumazialurtheil über den Schadensersaganspruh des Verletzten ergehen, während die Verbandlung der Strafsache bis zur Vorführung des Angeklagten auszusetzen ist.

_ Dies findet stets vor den anderen Gerichten ftatt; das Ver- mögen des nit erscheinenden Angeklagten wird unter Kuratel geftellt und, wenn er nah sechs Monaten noch nicht aufgefunden ift, nach den für die Güter Verschollener geltenden Bestimmungen behandelt.

Anlage C.

Die Bestimmungen des französishen, belgishen und englischen Rechtes über die beschleunigte Aburthbeilung der Délits flagrants.

S L. Frankreich. :

__ Der code d’instruction criminelle von 1808 fannte eine Be- sonderbeit bezüglih der délits flagrantis nur in so weit, als für den ersten Zugriff der strafverfolgenden Behörden eine auf s{leunigfte Feststellung des ersten Eindrucks abzielende Ausnahmeprozedur zuge- laffen war; nah Beendigung derselben trat das gewöhnliche Verfahren ein. Durh das Geseg vom 20. Mai 1863 (Bulletin des Ilois, Tome XXI Jahrg. 1863, Bd. I S. 966) ift für den Fall, daß der Verüber einer kerreftionell ftrafbaren Handlung (mit Ausnahme einzelner bestimmter Delifte) auf frisher That ergriffen wird, ein summarishes Verfahren eingeführt worden. Der Festgenommene wird unverzüglih dem Staatsanwalt überliefert, der ihn vernimmt und sodann, wenn mögli, sofort in der Sißung des Gerichts vor- führt; findet feine Sißzung ftatt, so hat er ihn, geeignetenfalls unter Erlaß eines Haftbefebhls, zur Sißung des abbitsotgentèn Tages laden zu lassen, welche nöthigenfalls besonders berufen wird. Die Zeugen- ladungen erfolgen mündlich zur Vermeidung der gewöhnlihen Un- geborsamsstrafen. Wenn die Sace spruchreif ift, ergeht sofort das Urtheil ; andernfalls wird sie auf eine der nähsten Sitzungen vertagt; der Beschuldigte kann aber immer einen Aufs{ub von drei Tagen bebufs Vorbereitung seiner Vertheidigung verlangen. Das Gericht kann ibn jederzeit, geeignetenfalls gegen Kaution, entlassen; der Frei- gesprochene ift stets, auch wenn Berufung eingelêgt wird, in Freiheit

zu legen. Tx. Belgien.

Gegenwärtig findet, da lediglih der französishe code d’instruc- tion criminelle „ilt, ein besonderes Verfahren nicht ftatt. Der Ent- wurf einer revidierten Strafprozeßcerdnung von 1885 enthielt Be- stimmungen zur Regelung diejer Materie; derselbe ift aber noch nit Geseß geworden (vergl. Travaux préparatoires du code de pro- cédure pénale, rapports faits à la chambre des représentants au nom de la commission parlementaire par M. Thonissen, Bd. Il, S. 416). Um bereits vor Beendigung dieser Gesetzesrevision eine beshleunigte Aburtheilung der délits flagrants zu er:::öglihen, legte der Justiz-Minister am 14. April 1890 den Kammern einen Geseßentwurf vor, welher im wesentlihen die Bestimmungen des französishen Geseßes vom 20. Mai 1863 wiedergiebt. Abvweichend von demselben wird bestimmt, daß das beshleunigte Berfahren nach Ergreifung auf frisher That nur bei denjenigen der Juris- diftion der tribunaux correctionels unterliegenden Strafthaten statthaft is, welche ausfhließlich mit Freiheitsftrafen bedroht find. Jeder Beamte, selbt jeder Bürger kann den Ergriffenen dem Staatéëanwalt oder dem Friedenérihter vorführen; der Leßtere kann ihn dem Staatsanwalt zuführen laffen; der Stáats- anwalt vernimmt den Beschuldigten. Das weitere Verfahren ift das- selbe wie in Frankreih; nur muß, falls eine Vertagung ftattfindet, der Beschuldigte immer in Freiheit gefeßt werden, sofern nit einer der allgemeinen geseßlichen Haftgründe vorliegt. Nach Erlaß des Urtbeils ist der Freigesprochene oder in Abweichung von der ursprünglichen Be- shuldigung nur zu Geldstrafe Verurtheilte sofort freizulafsen ; der zu Aeeteate Verurtheilte kann, wenn Berufung eingelegt wird, gegen aution in Freiheit geseßt werden.

TTE. England. Durch die drei summary jurisdiction acts von 1848 (11 & 12 Vict. c. 43, ergänzt durch Gefeß von 1863, 26 & 27 Viet. c. 97), 1879 (42 & 43 Vict. c. 49) und 1884 (47 & 48 Vict. c. 43) in Verbindung mit der früheren Gesetzgebung ift für eine große Zahl einzeln bezeichneter Delifte eine beshleunigte Aburtbeilung vor den courts of summary jurisdiction ermöglicht. Dieselben bestehen meistentheils aus einem Einzelrihter und einem

nisse ist Opposition zugelassen.

Gerichtsschreiber; nur in gewissen Gerichtsbezirken find bei einzelnen