1895 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

10 i f i L

H

L]

Y

überschritten wird wiederum der Titel für Manöverkosten, Ankauf von Remontepferden, und für Reise- und Tagegelder. Dagegen ergiebt \fih bei dem Naturalbedarf eine Minderauëgabe von Millionen, und auch die Ausgaben des allgemeinen Pensionsfonds werden mindestens 1} Millionen weniger betragen, weil die Leistungen aus der Militair - Pensionsnovelle vom 22. Mai 1893 erbeblich hinter den Anschlägen zurückbleiben.

Die Reichs\{uld ergiebt eine Ersparniß von voraussichtlih 2 Millionen. Von dem Kredit, der uns aus dem Etat 1895/96 zur Verfügung teht , ist bis jeßt noch nichts realisiert. :

Ich gehe nun über zu den vorausfihtlihen Einnahmen für die eigene Rehnung des Reichs. Den Herren ift aus früheren Etatsdebatten wahrscheinlich noch erinnerlich, daß diese Schäßung rein fkalfulatorisch aufgestellt wird in der Weise, daß man die sieben bekannten Monate des laufenden Jahres nimmt und dazu

den Ertrag von den leßten fünf Monaten des Vorjahres hinzu- rechnet, dabei aber berücksichtigt den Minder- oder Mehrbetrag an im Laufe des Nechnungsjahres fälligen Krediten. Wir haben den Versuch gemacht , ein korrekteres Schäßungsverfahren der Einnahmen «zu finden, in. der Weise, taß man zu den Einnahmen des laufenden Jahres diejenigen der fünf Monate des Vorjahres hinzunimmt und zu Ießteren noch einen Prozentsatz hinzufügt, der den Mehreinnahmen der ersten sieben Monate des laufenden Rehnungsjahres entspricht, oder indem man berüdcksichtigt, daß in gewissen Monaten aus gewissen Zollartikeln und gewissen Verbrauchsabgaben die Einnahmen größer sind als in anderen Monaten. All diese künstlihen Berechnungen haben aber nit zu besseren Resultaten geführt, und wir sind des- balb zu dem alten, mehr shematishen Verfahren zurückgekehrt.

Bei der Zuckersteuer rechnen wir auf eine Mehreinnahme von 14/5 Millionen. Meine Herren, zunächst wirkt ja auf den Ertrag der Zuckersteuer kediglih der Konsum; die Produktion is aber deshalb mafgebend, weil \fich mit der erhöhten Produktion auch die Summe der Ausfuhrzushüsse selbstverständlih erhöht. Wir werden für das Jahr 1895/96 wahrscheinlich die gleih starke Ausfuhr haben wie im Jahre 1894/95, dem Jahre der großen Ueberproduktion, weil im Iaufenden Rechnungéejahre noch die Uebershüsse des Jahres 1894/95 exportiert werden müssen. Dagegen werden wahrsceinlich die Zah- Tungen an Ausfuhrzushüssen größer sein wie im Jahre 1894/95, weil infolge des Kreditsystems das Jahr 1895/96 mit der Ausfuhr des Jahres 1894/95 zum theil noch belastet is, während auf dem Jahre 1894/95 nur die wesentlich geringere Ausfuhr des Jahres 1893/94 kreditiv lastete. Der Minderbetrag der Zuckersteuer im ersten Semester des laufenden Jahres dürfte durch die hohen Beträge an Ausfuhrzuschüssen zu erklären sein indem ein Theil des ausgeführten Zuckers vorauésihtlich auf Zushußlager gebracht is und infolge dessen die Ausfuhrzushüfse {on vor Ablauf von sechs Monaten nah erfolgter Ausfuhr fällig sind.

Aus der Salz- und Brausteuer, aus ¡iden dem Reich ver- bleibenden Stempeleinnahmen und aus „verschiedenen Einnahmen“ rechnen wir auf eine Mehreinnahme von 34 Millionen.

Die Kanalgebühren werden unter den verschiedenen Einnahmen einen Ausfall von F Millionen voraus\ihtlich ergeben ; indessen zeigen dieselben eine steigende Tendenz: sie waren im Monat Oktober fast doppelt fo hoh’ wie lim Monat Juli, und der Herr Staatssekretär des NReichsamts des Innern hofft, daß diese steigende Bewegung an- balten wird.

Aus der Post- und Telegraphenverwaltung bofen wir auf einen Mehrertrag von 7 Millionen und aus den Reihs-Eisenbahnen auf einen folhen von 1 Million.

Ih komme nun zu den Mindereinnahmen. Unter diesen figuriert die Maischbottiß- und Branntweinmaterial- steuer, die voraussihtlich einen Minderbetrag von 2 Millionen ergeben wird. Der Etatsansay if auf Grund des 24 monatlichen Ist-Dur(hschnitts genommen. Bekanntlih war aber die Periode von September 1892 bis August 1894 eine Periode der Ueberproduktion, die auch wiederholt zur Ueberschreitung der Etatsansäße geführt hat. Normal wäre ein Etatsansaß von etwa 18 Millionen ge- wesen. Ein Ausfall von 1 Million würde somit einen ledigli Talfulatorishen Charakter haben. Ferner muß aber auf einen Ausfall von einer weiteren Million gerechnet werden, weil im Betriebsjahr 1894/95 eine Einschränkung des maischbottihsteuer- pflichtigen Betriebes stattgefunden hat, die infolge des Kreditsystems erst im erften Halbjahr des Rechnungsjahres 1895/96 in finanzielle Erscheinung tritt.

Machen wir fo den Abschluß, so würden wir, Mehr- und Minderausgaben mit einander beglihen, zu einer Minderausgabe von # Million kommen, und Mehr- und Mindereinnahmen mit einander beglihen, zu einer Mehreinnahme von 114 Millionen ge- langen. Das Reih würde also aus dem laufenden Rehnungsjahr auf einen Mehrübershuß für seine eigene Wirthshaft von etwa 113 Millionen renen können, der in den Etat des Jahres 1897/98 seiner Zeit einzustellen wäre.

Ich gehe nun zu den den Bundesstaaten zufließenden Ueber- weisungen über. Hier nehmen wir an, daß die Zölle einen Mehr- ertrag von 254 Millionen ergeben werden (Hört, hört! links), wobei ih bereits berüdsihtige, daß die Abrehnungëquoten für Müblenkonten von sieben auf vier Monate ermäßigt sind.

Die Börsensteuer läßt, wenn niht eine unerwartete Stockung im Börsenverkehr eintritt, eine Mehreinnabme von 8 Millionen erwarten. Ich bemerke dabei, daß hier der Ertrag der leßten zwölf Monate zu Grunde gelegt ift, und daß dieser Betrag noch um über 1 Million erhöht ist, weil bekanntlich infolge der Uebergangsbestim- mungen der Stempelsteuernovelle einzelne Klassen der Staatslotterien noch nicht mit dem vollen Stempel der Novelle, sondern mit dem geringeren Stempel des alten Gesetzes belegt sind.

Die Branntweinverbrauchs8abgabe läßt dagegen eine Minder- einnahme von 34 Millionen befürhten. Diesem Ausfall liegen zwei Ursachen zu Grunde. Einerseits hatte man bei Aufstellung des Etats für 1895/96 darauf gerehnet, daß das Kontingent, welches für das Betriebsjahr 1893/94 einbehalten war, im Betriebsjahr 1894/95 voll- Tommen zur Erledigung kommen würde. Ich habe allerdings an der Richtigkeit dieser Vorausfeßzung bereits früher meine Zweifel geäußert. Aus der Vergleichung des Materials, der ausgestellten und der wirklih eingelösten Berebtigungs\heine ergiebt sih aber, daß nech mindestens

die Hälfte dieses im Betriebsjahre 1893/94 zurückbehaltenen Kontin- gents erst nah dem 1. April 1895 zur Erledigung gelangte. Daraus ergiebt sih für die Verbrauhsabgabe wiederum ein Ausfall von 1 bis 15 Million. Der Rest des Ausfalls erklärt si{ aus dem Rück-

gang des Branntweinverbraußs um etwa 45 000 h1 im Betriebs- jahr 1894/95, der infolge des Kreditsystems sih theilweise erst im lauferden Rechnungsjahre rechnung8mäßig geltend mat.

Meine Herren, im Ganzen würde hiernach auf Mehrüberweisungen aus Zöll-n, der Tabacksteuer und der Stempelsteuer in Höhe von 33# Millionen zu renen sein; hiervon die Mindereinnahme aus der Branntweinverbrauchsabgabe mit 31/5 Millionen, würden die Bundes- staaten für das laufende Rechnungéjahr auf eine außeretatsmäßige Mehrüberweisung von rund 30 Millionen rechnen können (Hört, bört! links), wenn Alles eintrifft, was ich wünsche. Da die Spannung im laufenden Rehnungéjahre etwa 104 Millionen beträgt, so würden die Bundesstaaten vom Reih noch einen baaren Zuschuß von 20 Millionen erhalten. (Hört! hört! links.) Meine Herren, ih verpflihte mih, da jeßt die Betriebêverwaltungen auf Grund des Dezemberergebnifses nochmals einen Abschluß aufstellen, im Laufe des Monats Januar oder Anfang Februar in der Budgetkommission cine nochmalige und dann wahrscheinli korrektere Shäßung des voraus- sichtlihen finanziellen Ergebnisses des laufenden Rechnungsjahres zu geben.

Ich gestatte mir jeßt zum vorliegenden Etatsentwurf für 1896/97 überzugehen. Die Herren werden aus der Denkschrift ersehen haben, daß wir in zwei Fällen gesuht haben, die Härten, die sich aus der Durchführung des Dienstalterstufen-Systems ergeben, durch Gehalts- erböhungen zu mildern; in einer Anzahl anderer Fälle hat man eine Ausgleihung durch Kürzung der Aufrückungszeit versuht. Ich bitte, sih versichert zu halten, daß wir hierbei fo weit gegangen sind, wie es möglich war, wenn wir nit eine allgemeine Erhöhung der Beamtenbesoldungen inaugurieren wollten. Dazu fehlen uns aber zur Zeit leider noch die etatsmäßigen Mittel.

Unter den fortdauernden Ausgaben figurieren zunähst das Reichs- amt des Innern mit einem Plus von etwa 4 Millionen, was sich vorwiegend ergiebt aus den erhöhten Anforderungen an Reichs- zushüssen für die Invaliditäts- und Altersversiherung. Die Militär- verwaltung weist eine Mehrforderung von 7 Millionen auf. Ich halte mih verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß bei der Etatsver- anschlagung des Jahres 1895/96, einerseits durch Anwendung eines anderen Veranschlagungsverfahrens8, andererseits dur die niedrigen Naturalpreise, eine Ersparniß erzielt wurde gegen das Vorjahr von etwa 15} Millionen; im Jahre 1896/97 i} dieser Titel aber gegen das Vorjahr nur um F Millionen höher, mit anderen Worten : es ift immer noch aus der Naturalverpflegung der Heeresver- waltung eine Minderausgabe von 15 Millionen gegen 1894/95 vorhanden, die allerdings auch im vorliegenden Etat durch andere Ausgaben der Heeresverwaltung aufgefüllt ist. Jh weise auf diesen Punkt hin, weil eine Steigerung der Getreidepreise und ih werde das nachher im einzelnen nahweisen unseren finanziellen Bedarf einmal sehr wesentlih erhöhen fann.

Aus dem Reichs-Invalidenfonds soll wiederum ein Betrag von 300 000 M entnommen werden, um in einem größeren Umfang wie biëher die nicht anerkannten Invaliden zu unterstüßen. (Bravo! rechts.) Es bleibt damit im Invalidenfonds noch ein verfügbarer Kapitalbestand von 34 bis 35 Millionen, aber dieser wird noth- wendig sein, um mit dem wachsenden Alter der Kriegstheilnehmer, das heißt sowohl der anerkannten Militärinvaliden, wie derjenigen Kriegs- theilnehmer, die anerkannt hilfsbedürftig sind, dieselben in reiherem Maße wie bisher zu unterstüßen; die verbündeten Regierungen halten es deshalb für ausgeschlossen, daß bei diesen Verhältnissen aus dem Reichs-Invalidenfonds noch irgend welche vollkommen neue For- derungen erfüllt werden können. Jh theile jene Zahlen hier ab- sihtlih mit, weil über die Bestände des Reichs-Invalidenfonds in den Kreisen der Interessenten zum theil vollkommen irrige Auf- fafsungen berrshten.

Das Auswärtige Amt weist wiederum für die Kolonien einen Mehrbedarf von 15 Millionen auf. Hier wird man aber 148 200 M4 abrechnen müssen, die bisher im Etat des Auswärtigen Amts standen und jeßt auf den Etat der Kolonien übertragen find.

In der Verwaltung des Reichsheeres werden für Uebungspläte, Schießpläßze, Schießstände und Garnisonübungspläte rund 10x Millionen angefordert. Es bleiben für diese Forderung vom Jahr 1897/98 ab, inklusive der bayerishen Quote, noch 15 Millionen rückständig. Für baulihe Einrichtungen und fonstige Beshaffungen der Militär- verwaltung find angefordert, inklusive der bayerishen Quote, 273 Millionen. Es bleiben hierfür noch von 1897/98 ab 644 Millionen anzufordern, sodaß das Ordinarium tes Militär-Etats von 1897/98 ab somit noch in Höhe von rund 79} Millionen belastet bleibt.

Die Herren finden ferner unter „Einmaligen Ausgaben* einen Posten zur Verstärkung der Reserven für den Naturalbedarf des Heeres; dieser Posten if eingestellt entsprehend einer Anregung Ihrer Kommission. Es wurde in der Budgetkommission moniert, daß die Militärverwaltung Beträge, welche etatsmäßig noch gar nicht zur Verfügung ständen, und über das Etatsjahr hinaus aus- gebe. Die Militärverwaltung kann indessen im Interesse der Schlag- fertigkeit der Armee diese Reserve niht entbehren, und ift infolge dessen ein entsprehender Theilbetrag hierfür unter die einmaligen Ausgaben eingestellt.

Sie finden weiter, daß das Ordinarium des Marine-Etats mit den 25 Millionen belastet is, um welhe im Jahre 1894/95 der Gesammtaufwand für Schiffsbauten hinter der Summe von fünf Prozent des Werthes der Flotte zurückgeblieben if. Dieses Manko des Jahres 1894/95 war {on in den Etatsentwurf des Jahres 1895/96 eingestellt, wurde indessen in der Budget- kommission bekanntlich auf die Hälfte reduziert und im Plenum des Hauses ganz gestrihen. Von dieser Streihung hing unter Um- ständen die Bewilligung der geforderten Schiffsbauten ab. Es wurde aber damals {on sowohl seitens des Herrn Referenten wie seitens einer Anzahl von Rednern des Hauses ausdrücklich anerkannt, daß dieses Verfahren der Reichs - Finanzverwaltung ein durchaus korreftes sei und die nahträglihe Einstellung dieses Fehlbetrages für das kommende Jahr vorbehalten bleiben müsse. Es wurde nament- lih darauf hingewiesen, daß der Betrag von 59/6 des Werthes der Flotte eine verhältnißmäßig geringe Abschreibung sei gegenüber der Abschreibung bei den großen Privatdampfergesellshaften, die von ihrer Flotte regelmäßig jährlih 10 9% abzuschreiben pflegten.

Im außerordentlichen Etat sind die Beträge, mit denen der Etat aus der Militärvorlage belastet war, ers{chöpft; es ist sogar noch eine kleine Ueberzahlung eingestellt, die daher fommt, daß ein Kasernement bei der Militärvorlage nur theilweise in Rehnung gestellt war. Der außerordentlihe Etat bleibt für militärishe Zwee, einsließ-

E

lih der bayerishen Quote vom Jahre 1897/98 ab, mit 233 Millionen belastet.

Ich werde nunmehr zu den Ei nnahmen für das Jahr 1896/97 übergehen. Meine Herren, die Zölle sind für das Jahr 1896/97 aller- dings 184 Millionen geringer veranschlagt, wie ich den Ertrag für das Jahr 1895/96 eben zu säßen die Ehre hatte. Es ist auf Grund der Zahlen des Zolletats, die ja bereits seit längerer Zeit bekannt sind, bereits der Einwand erhoben, die Schäßung wäre offenbar viek ¿u niedrig, man müsse diese Schäßung im Reichstage wesentli erhöhen. Ih muß aber doh darauf hinweisen, daß bei den Zoll- einnahmen den überwiegendsten Einfluß der Getreidezoll hat, daß im Jahre 1894/95 die Getreidezölle 224 % sämmtlicher Zoll- einnahmen betrugen und daß bis Oktober 1895 die Getreidezölle sogar 234 sämmtlicher Zolleinnahmen ausmachen, obgleich die Einfuhr des Jahres 1894/95 nur von der des Jahres 1891/92 noch übertroffen wird. Im Jahre 1893/94 betrug dagegen der Prozentsaß der Zolleinnahmen aus der Getreideeinfuhr nur 19%/. Da unsere Zolleinnahmen so wesentlich von der Getreideeinfuhr abhängen, können wir unmöglih nach den günstigeren Konjunkturen des laufenden Jahres die Zolleinnahmen eines kommenden Sahres veranschlagen; denn die Zolleinnahmen aus dem Getreide bängen niht nur von unserer eigenen Ernte, fondern auß von dem Ausfa der Ernte in anderen Ländern ab. i

Es ift vielfa die Frage aufgeworfen: wie stellen \sich nun die Zolleinnahmen gegenüber der Zollermäßigung, die für eine Reihe von Artikeln durch die Handelsverträge herbeigeführt if. Ich kann darauf antworten, daß die Zolleinnahme im Etatsjahr 1894/95 die- jenige des Jahres 1891/92 fast erreiht hat und sogar größer ist, wie die des Jahres 1889/90. Man würde also sagen können: rein arithmetisch ift der Zollausfall infolge der Handelsverträge begl:chen, und zwar ift der Zollausfall in den Einnahmen aus den zollermäßigten Artikeln ausgeglihen durch die Mehreinnahme für den Zoll auf Kaffee, Kakao, Thee, Petroleum und Taba.

Die Maischbottichsteuer, meine Herren, ist etwas geringer ein- gestellt. Selbstverständlih hängt der endgültige Ertrag von der Kartoffelernte ab und davon, wieweit die Kartoffelernte wirklih ver- brannt wird. Im Etatsdurhschnitte finden Sie das Brennerei- betriebsjahr 1893/94 mit seinen hohen Beträgen ; vielleiht reiht die in Höhe von einer Million Mark mehr eingestellte Maischbottich- steuervergütung für den Export auch nit aus, da erfreulicherweise der Export sich zu heben s{eint.

Ich komme jeßt auf die Reichsstempelabgaben zu sprechen, die mit 637 Millionen höóber veranschlagt find. Selbstverständlich kommt da der Hauptantheil auf die Börsensteuer. Wenn sich die Herren erinnern, wie ungünstige Erwartungen bezüglich des Ertrages der Börsensteuer hier im hohen Hause und in einem großen Theile der Presse geltend gemaht wurden, fo könnten die verbündeten Regierungen über das jeßige Resultat eine gewisse Befriedigung empfinden. Inhalts der Motive des Gesetzes hatten wir einen Mehbrertrag, der aber nah unseren damaligen Annahmen erst in einigen Jahren zu erreichen sein würde, von 24 bis 25 Millionen geschägt. Schon im ersten Jahre 1894/95, in dem das Gefeß nur für 11 Monate wirkte, hat indessen die Ist-Einnahme gegen das Jahr 1893/94 18 Millionen und gegen- über dem Etatsansatß 145 Millionen mehr betragen. Ich war aber in der Lage, den voraussihtlihen Etatsbetrag für das laufende Jahr um 31 Millionen höher zu s{häßen, wie die Isteinnahme des Jahres 1893/94. Würde man an dem Gedanken festhalten, daß durch die Stempelsteuernovelle cine Verdoppelung der Börsensteuer wirkli zu erreichen wäre, #& könnten wir noch auf viel böhere Erträge rechnen. Denn wir haben im Jahre 1889/90 eine Ist-Einnahme von 337 Mil- lionen gehabt, und die Einnahme im Oktober 1895 aus dem Effekten- stempel hat 738% und aus dem Umsaßstempel 382% der Ein- nahme des gleihen Monats im Jahre 1893 betragen. (Hört! hört! rets.)

Meine Herren! Alfo alle die traurigen Voraus\agungen sind bis jeßt nicht eingetroffen. Jch glaube aber, troßdem thut man gut, mit dem Ertrage der Börsensteuer als einem unsicheren Faktor zu renen. (Sehr rihtig! rechts.) Die Börse, meine Herren, hat einen feinen Puls, und jede wirthschaftlihe Depression, der leichteste polilische Windhauch von außen ift im f\tande, ihre Zirkulation zu hemmen. Ih glaube also, wenn uns der Vorwurf gemacht wird, wir hätten die Einnahme für das kommende Jahr zu niedrig ver- anshlagt, fo wird man das jedenfalls von dem Ertrage der Börsen- steuer nicht sagen können, die nach dem Ertrage der leßten zwölf Monate eingestellt is; im Gegentheil, man könnte uns fast den Vorwurf machen, daß hier ein gewisser Optimismus den Griffel geführt hat.

Die Post rechnet mit einer Mehreinnah!1e von 4 Millionen. Eine Erhöhung der Eisenbahneinnahmen gegenüber dem veransch{lagten Etatsbetrage möchte sih nach den Erfahrungen vom Jahre 1894/95 wobl kaum empfehlen.

Bei den „Verschiedenen Einnahmen“ sind 64 Millionen eingestellt überwiegend aus dem größeren Verkauf von Militär-Grundstüten. Die Herren werden in diefem Etatsentwurf eine Neuerung finden, dahin gehend, daß die Militärverwaltung für große zu verkaufende Grundstücke, 3. B. für den Plaß vor dem Schönhauser Thor bei der einfamen Pappel, selb einen Bebauungêplan aufstellen, selbst die Straßen berstellen will, um den Kreis der Bieter für ihre Grund- stücke zu vergrößern und so höhere Erträge im einzelnen zu erzielen. Die Stettiner Festungswerke werden seitens der Reichs-Finanzverwal- tung veräußert, und dieses Verfahren hat \ih dort ganz außerordentlih bewährt.

Die sogenannte Spannung, d. h. der Betrag: der Matrikular- beiträge abzüglih der Aversen gegenüber der Gesammtsumme der UVeberweifungen, stellt fih in dem Etat des künftigen Jahres nach der Veranschlagung auf 125 Millionen. Meine Herren, daraus, daß unrichtige Zahlen in die Presse übergegangen fiyd, hat man sofort gefolgert, es fei nachträglich noch eine Aenderung im Bundesrath in der Weise vorgenommen worden, daß die Spannung erhöht sei. Diese Annahme ift thatsählich unrichtig; im Gegentheil, bei Ein- stellung der Oktoberpreise für den Naturalbedarf des Heeres und bet Regulierung des Verpflegungszus{chusses für die Marine, wo alte Bestände abgezogen wurden, hat im Bundesrath noch eine geringe Ermäßigung der Spannung stattgefunden ; dafür, daß derartige falsche Zablen in die Prefse übergegangen sind, wird man jedenfalls die NReichs-Finanzverwaltung nihcht verantwortlich maten können ; es ist vielmehr nur der“Beweis,* daß die Herren keinen offiziösen Telephon- anschluß haben.

Meine Herren, ich muß auc fragen: würde es denn politis Flug sein, die Einnahmen über ihren sicheren Betrag zu "erhöhen? Das Bestreben, die Einnahmen zu erhöhen, war verständlih, so- lange neue Steuern in unmittelbarer Sicht waren. Je günstiger man die Finanzverbältnisse darstellte, mit desto größerem Naddruck fonnte man behaupten, neue Steuern seien nit erforderlih. Aber Sie sehen, die schwarze Sorge sißt jeßt weder hinter den Taback- fabrikanten noch binter den Bier- und Weinbrauern. Also aus der Befürhtung neuer Steuern heraus brauen Sie die Einnahmen nicht zu erhöhen. Es ist aber ferner von einem Mitglied des Zentrums in der Kommission und wobl auch im Plenum der Ausdruck gebraucht worden, man müßte in einem großen Etat im Interesse der Finanzverwaltung \sih do gewisse stille Reserven vor- behalten; ih möte dringend bitten, diesen klugen Rath zu befolgen. Es if wirklih nit politis, zu empfehlen, unsere Einnahmen befser darzustellen, wie sie sich mit Sicherheit in Zukunft herauéstellen werden.

Man könnte ja diese sogenannte Spannung vielleiht auch dur Streichung von Ausgaben herbeiführen. Jch kann nicht leugnen, daß, wenn der Reichstag mit den Streihungen von Ausgaben zu {arf ift, dies do eine gewisse Shwäcung der Finanzverwaltung bedeutet. Zunächst muß dafür, [daß der Etat nah der volksrirtb schaftlichen Kraft, den eigenen Einnahmen entsprechend, aufgestellt wird, die Finanz- verwaltung verantwortlich sein. Wenn man aber die Ausgaben zu sehr beschneidet, so liegt der Ausweg zu nahe, daß von Anfang an, wenn ih fo sagen darf, der Kuchen so groß gebacken wird, daß, nach- dem der Reichs-Schaßsekretär und der Reichstag sich satt gegessen haben, noch immer genug für die Betheiligten übrig bleibt. Ich glaube also, im Interesse einer starken Finanzverwaltung lieat es, nit parti pris an die Beurtheilung des Etats heranzugehen: hier muß unter allen Umständen noch so viel gestrichen werden, daß die Spannung ganz beseitigt wird.

Man wird dem vorliegenden Etatsentwurf- auch nit den Vor- wurf machen können, daß die einmaligen Ausgaben des Ordinariums zu stark belastet sind. Für das Jahr 1896/97 sind die einmaligen Ausgaben nur 7,71 % höher als im Vorjahre, während seit 1879/80 die regelmäßige Steigerung der einmaligen Ausgaben gegen das Vorjahr durhschnittlih 163 9/5 betragen hat.

Ich habe \{chließlich noch in der öffentlichen Diskussion den Vorwurf gefunden, wie tendenziöss doch von den Finanzleitern der verbündeten Regierungen die gesammte Finanzlage dargestellt sei; jeßt wäre eine Spannung im Etat für 1896/97 von nur 125 Millionen, und bei Vertheidigung der zweiten Taback- steuervorlage im Februar d. J. hätte ich für 1896/97 eine Spannung von vorauésihtliÞ 70 Millionen herausgerechnet:; das wäre do eine kolossale, unerklärlihe Differenz. JIch werde mich be- mühen, diese Verschiedenartigkeit der damaligen Schätzung und des jeßigen Etatsentwurfs, ih glaube, auf die einfaGste und natürlichste Weise von der Welt zu erklären. L

Als ih im Februar die fraglihe Berehnung bei Einbringung der Tabacksteuervorlage aufmahte, war zunächst der Etat von Ihrer Kommission nicht auf eine Spannung von 102 Millionen, sondern erst auf eine solche von 19 Millionen reduziert; die Spannung aber im Etatsentwurf betrug 33 Millionen. Jch mußte dech nun bei der Schäßung des Finanzbedarfs der Zukunft von der Spannung ausgehen, die im Etatsentwurf aufgemachßt war, oder minde- stens von derjenigen, auf die Ihre Kommission sich s{lüssig gemacht hatte. Ferner kommt hinzu, daß schon zwei Nachtrags-Etats mit einem Bedarf von 24 Millionen unterwegs waren; dann erinnere ih daran, daß infolge der niedrigen Getreidepreise bei Bemessung der Etatstitel für den Naturalbedarf des Heeres im Etatsentwurf für 1895/96 9} Millionen infolge der niedrigen Oktoberpreise erspart sind. Diese Verhältnisse können sih doch aber jeden Tag wieder ändern, ih konnte mit diesen Preisen für die Zukunft nicht dauernd renen. Wenn ih den Bedarf zu Grunde lege, wie er in diesem Etat für die Heeresverwaltung gefordert ift, für die Veranschlagung aber das jeßige Verfahren und die Oktoberpreise der Vorjabre, so würde im Jahre 1894/95 der Titel um 164, 1892/93 um 251, 1891/92 um 154 und im Jahre 1881/82 um 204 Millionen höher gewesen sein. Daraus folgt, cin wie unsiherer Ausgabetitel - hier vorliegt, und daß ich durchaus berechtigt war, hier auch mit höheren Aus- gaben zu rechnen. Ih habe auch mit einem Minderübexrshuß, der in den Etat von 1896/97 eingestellt werden könnte, von 94 Millionen gerechnet. Der Minderüberschuß hat thatsählich nur 74 Millionen betragen aus den Gründen, die ja bei Erörterung der Finanz- entwickelung des Jahres 1894/95 näher dargelegt sind. Ferner ist aber im Etatsentwurf des Jahres 1896/97 die Börsensteuer nah dem höchstmöglihen Anschlage, das heißt nah den leßten 12 Monaten, mit 30 Millionen mehr eingestellt als die Îst-Einnahme des Jahres 1893/94, die leßt abgeschlofsene Ist-Einnahme, die mir im Februar 1895 vorlag. Aber selbst, wenn ih die in dem Etat 1896/97 eingestellte Einnahme aus der Börsensteuer vergleihe mit dem Er- trage, den ih im Februar des Jahres \chägzen konnte, so ift jeßt die Börsensteuer noch immer um rund 12 Millionen böber eingestellt worden. Daß sich die Börsensteuer so günstig entwickeln würde, haben Sie am allerwenigsten angenommen, und auch i, ge- stehe ih ofen, habeZselbs niht geglaubt, daß ein so flottes Steigen dieser Einnahme eintreten würde.

Meine Herren, ih bitte auch zu berücksihtigen, daß im Jahre 1895 an fortdauernden Auêgaben aus der Militärvorlage noch 84 Mil- lionen rüdckständig waren, und daß es vollkommen berechtigt war, im Februar dieses Jahres für 1896/97 diese rückständige Ausgabe ganz einzustellen. Thatsächlih hat aber die Militärverwaltung nur 224 Mil- lionen eingestellt. Endlich ist die etatsmäßige Steigerung, welche bisher die Ausgaben gegenüber den Verjahren auswies, wesentlih ge- ringer im Etatsentwurf von 1896/97 wie im Etat für 1895/96. Die bisherige Steigerung der, Auëgaben des Ordinariums betrug in der Regel durhschnittlih 4 %/9 gegen das Vorjahr. Das wäte also für das Jahr 1896/97 eine Mehrausgabe von 32 Millionen. Thatsächlich beträgt aber die Mehrausgabe nur 23 Millionen.

Meine Herren, wenn Sie diese Zahlen vergleichen, dann werden Sie zugestehen, daß das günstige Resultat des Etatsentwurfs für das Jahr 1896/97 theils darin liegt, daß bei Aufstellung des Etats wirklih strenge Sparsamkeit gewalte hat, andererseits darin, daß Einnahmesteigerungen und Minderausgaben vorgelegen haben, die wir garniht erwarten fonnten. Wir konnten niht voraussehen, daß die Börsensteuer \sih so wesentli steigern würde; wir konnten nit vor- ausfehen, daß von den rüdckständigen Ausgaben der Militärvorlage nur

ein verbältnißmäßig kleiner Betrag eingefordert werden würde; wir konnten endlih nit voraussebén, daß mit einem nur um 300 000 M4 böberen Betrag der Bedarf an Naturalien für die Heereëverwaltung bestritten werden könnte. Jh slaube also, die Behauptung, daß die Finanzleiter der verbündeten Negierungen bei Vertheidigung der Steuervorlage noch im Februar dieses Jahres absihtlih Schwarz- malerei getrieben hätten, ist niht gereht. Wir fonnten nur mit siheren Resultaten der Zukunft rechnen, wir mußten auch un- günstigere Konjunkturen mit in Berechnung ziehen, und, wenn diese eingetreten wären statt einer seltenen Verbindung von günstigen Chancen, dann wäre wahrscheinli ein Geldbedarf nöthig gewesen, wie wir ihn im Februar dieses Jahres als erforderli errechnet baben.

Meine Herren, wenn man aber bei der Berechnung der Ein- nahmen abgehen will ‘von dem bewährten Svstem der Durch- \chnittseinnahmen und die Einnahmen ledigli nah Konjunkturen veranf{lägt, dann, glaube ih, kommt man sehr leiht zu {weren Irrthümern. Wer die Prometkeutgabe besitzt, nur die günstigen Konjunkturen vorauszusehen, der wird au den Kafsandrablick haben müssen, ungünstige Konjunkturen in die Kalkulation zu ziehen. Sonst würden wir sehr bald Defizits erleben. Die Finanz- reform ist zum lebhaften Bedauern der verbündeten Regierungen nicht zu stande gekommen. Das Bedürfniß aber, gegenüber den Einzel- staaten eine feste Linie für die Anforderungen zu finden, die das Reich an sie stellt, irgend eine Demarkationslinie— das hat dazu ge- führt, einen anderen Auêweg vorläufig zu suchen. Der Betrag, der den Einzelstaaten aus dem Rechnungsjahr 1894/95 unerwartet zugeflofsenen Mehrüberweisungen beträgt 274 Millionen Mark. Ich habe bereits vorhin die Chre gehabt, auszuführen, daß man den aus den erhöhten Stempel- steuern originierenden Mehrbetrag nit als unerwartet bezeichnen kann; denn auf diese Einnahme mußten die verbündeten Regierungen rechnen. Zieht man diesen Betrag ab, fo würde nur von einer unerwarteten Mehrüberweisung von 125 Millionen die Nede sein- Diese Summe deckt sih mit der Spannung des vorliegenden Etats- entwurfs. Man hat si dabei gesagt, daß, wenn auch im Hinblick auf die Bestimmung der Clausula Franckerstein niht die Rede davon sein konnte, den Einzelstaaten in dem einen Jahre etwa das wiederzunehmen, was sie in dem vorbergehenden Jahre an Mehbr- überweisungen erhalten baben, man doch fingieren fann, daß in den Kassen der Einzelstaaten diese Mehrüberweisungen vielleiht noch ver- fügbar sind, und daß es deshalb den einzelstaatlihen Finanz-Ministern [eihter sein würde, den Etat des kommenden Jahres, soweit ein Defizit aus den erhöhten Anforderungen des Reichs sich ergiebt, hiermit zu begleichen.

Meine Herren, es ist klar, daß die cinzelstaatlichen Herren Finanz- Minister es momentan vielleiht ganz angenehm empfinden, daß ihnen aus dem Jahre 1894/95 eine Mehrüberweisung von 274 Millionen und aus dem Jahre 1895/96 vielleiht eine Mehrüberweisung von 30 Millionen zufließt. Wenn aber das Finanzreformgesez, wie es das erste Mal vorgelegen hat, selbs nur nah den Grundsätzen der Balancierung, dur{chgegangen wäre, so hätten wir am Jahres\{luß in dem sogenannten Sicherheitsfonds Uebershüsse von 274 Millionen plus 30 Millionen, d. h. von 574 Millionen Mark. Bikanntlich sollte dann, wenn dieser Reservefonds die Höhe von 40 Millionen erreihte, der Ueberschuß verwendet werden zur Schuldentilgung, und wir würden {on im nähsten Jahre auf dem Standpunkt stehen, entweder 17# Millionen Schulden zu tilgen, oder um diesen Betrag das Extraordinarium zu entlasten, und vielleicht in Zukunft, mit Aus- nahme ganz unerwartet großer Anforderungen an die Neichs-Finanz- verwaltung, unser Shuldbuch ganz zu \chließen.

Meine Herren, die verbündeten Regierungen sind au heute noch der Ansicht, daß die staatspolitishen und finanzpolitischen Gründe, die sie zur Vorlage der Finanzreform veranlaßt haben, die richtigen sind, und halten deshalb an dem Gedanken der Finanzreform fest (Sehr gut! rets), wenn sie auch in dieser Session darauf verzichteten, einen entsprehenden Geseßentwurf dem hohen Hause wieder vorzulegen. (Bravo! rets.)

Meine Herren, gestatten Sie mir zum Shluß noch eine Bitte : Seien Sie überzeugt und wollen Sie aus dem Etat erseben, daß die verbündeten Regierungen den ernsten Willen gehabt haben, den Etat zu entwerfen nah Maßgabe der vorhandenen Steuerkraft, daß sie bemüht gewesen find, den Steuerzahlern und insbesondere den Einzelstaaten nicht wesentlich höhere Opfer aufzuerlegen wie im Vor- jahre, und daß sie den einmal vorhandenen Verhältnissen Nechnung getragen haben. Ich bitte Sie, von diesem Gesichtepunkte aus den Etatsentwurf einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. (Bravo! rets.)

Ahg. Frizen (Zentr.): Die Anerkennung, daß der Etat knapp aufgestellt ist, kann ich dem Staatssekretär gewähren. Daß die Regierung die Einnahmen absihtlih zu knapp bemessen hat, ift ihr vom Zentrum nit vorgeworfen worden. In vielen Punkten bin ih mit dem Staatsjekretär einverstanden. Vorsichtig muß die Finanz- verwaltung bei der Veranschlagung der Einnahmen sein; aber sie darf auch nit empfindlih fein, wenn der Reichstag einmal hinaus- geht über die Vorschläge. Die Anleibe ist auf 277 Millionen Mark bemessen; darin fstecken noch 10 Millionen Mark Aus- gaben für produktive Zwecke. Eine so niedrige Anleihe baben wir niemals in den leßten Jabren gehabt. Jh fkann das nur mit Freude begrüßen, und der Staatssekretär wird ih ein großes Verdienst erwerben, wenn er die Anleihewirthschaft beseitigt; denn das ist der erste Schritt zur Schuldentilgung. Die reine Spannung beträgt 12—13 Millionen, gegenüber 33 Millionen im vorigen Jahre. Was die Börsensteuer betrifft, so kann ih mit dem Herrn Staatssekretär nur zur Vorsicht bei der Verarsh!agung der Einnahmen daraus mahnen; es ist doch fraglich, ob es überhaupt mög- lich sein wird, die veranshlagte Summe zu erreihen. Jede politishe Beunruhigung führt zur Verminderung der Börsen- geschäfte. Die Berehnung der Zolleinnabhmen erscheint mir au sehr angreifbar; wenn die Budgetkommission diese Frage prüfen wird, wird das Ergebniß des Jahres 1895 vorliegen, man wird die Sache dann besser beurtheilen können. Redner geht dann auf die einzelnen Etats ein: Die Mehrausgaben des Reihsamts des Innern ent- springen namentli der Invalidenversiherung. Diese Versicherung wirkt nit nur an ih unsympathis, fondern hat auch einen bedenk- lihen Schatten auf die anderen an sich fo segensreihen Versicherungs- geseße geworfen. In Bezug auf den Nord-Ostsee-Kanal liegt eine finanzielle Täuschung vor; denn die Erwartung, daß er eine mäßige Verzinsung ergeben würde, is nit erfüllt, aber seine Bedeutung wird dadur nit beeinträchtigt. Wer die Feierlihkeiten in Kiel mit- gemacht und die Fahrt um Kap Skagen zurückgelegt hat, wird es angenehm empfinden, daß die Fahrt durch den Kanal gemaht werden kann. Dabei kann ih nicht unterlassen, dem Norddeutschen Lloyd für die gastlide Aufnahme des Reichstags ausdrücklih zu danken. Bezüglich der Schulden des Reichs sollte man in Erwägung ziehen, ob es sih niht empfiehlt, kündbare Obligationen auszugeben. Ruß- land, Oesterreich, ja sogar’ das kleine Holland haben vorwiegend amorti- sable Schulden. Angesichts dessen, daß der Zinsfuß sich wieder ge-

boben hat, ift die Konvertierung jeßt nicht angebraht, auch aus anderen wirthshaftlihen Gründen nicht erwünscht. Aber wenn der Zinsfuß dauernd niedrig bleibt, dann sollte man erwägen, ob man nicht die ersparten Zinsen zur Schuldentilgung verwenden könnte. Vielleicht fann man zu einer Schuldentilaung kommen auf dem Wege einer zweckmäßigen Finanzreform. Die von der Regierung vorgelegte Reform war nicht zweckmäßig. Denn die Franckenstein’sche Klausel darf nicht beseitigt werden; die Finanzreform darf niht durh- geführt werden auf Kosten der Ueberweisungen an die Einzelstaaten. Unsere wirthshaftlihen Verbältnisse können leiht beeinflußt werden durch die Drohungen, welche in der Botschaft des Präsidenten Cleveland enthalten sind. Es würde erfreulich sein, wenn ein Vertreter des Auswärtigen Amts uns darüber Aufklärungen geben könnte. Bei den einmaligen Ausgaben können doch vielleiht noch Abstrie gemaht werden; denn sie sind immer noch zu ho. Die Presse hat in den leßten Wochen vielfah die Frage der vierten Bataillone beschäftigt; ich hofe, daß der Kriegs-Minister, wenn nit beute, so doch in der Kommission darüber \ich äußern wird, wie sich die mit {weren Opfern erkaufte Reorganisation des Heeres bewährt hat. Ferner muß ih verweisen auf die Reform der Militär-Strafprözeß -rdnung; es liegt ja bereits ein nationalliberaler Antrag vor, welcher Oeffentlichkeit des Militär-Strafverfahrens fordert. Veber diese Frage können wir uns ganz objektiv und rubig unter- halten. Ih muß sagen, daß das Militärstrafverfabhren besser ist als sein Ruf; es wird gründlich untersucht, und es wird buman bestraft. Aber daß das Verfabren hinter vers{lofsenen Thüren statt- findet, giebt zu allerlei Verdächtigungen und Bermuthungen Anlaß. Die militärishe Disziplin wollen wir nicht untergraben. Aber wenn wir im Lande überall die Oeffentlichkeit des Verfahrens baben, ist es ni&t mehr angemessen, daß in Bezug auf 500 000 Männer die Oeffentlichkeit ausges{lossen ist, zumal in Bayerr für das Militär das öffentliche Ver- fahren besteht. Ih wollte eigentlich noch auf die Sonntagsruhe ein- geben, aber ich will niht in das Ressort des Herrn Lingens eingreifen. Im Marine-Etat werden fünf neue Schiffe verlangt; das ist nicht bloß eine einmalige Mehrausgabe, fondern erfordert au eine Er- böbung des Mannschaftsbestandes und eine Mehr-usgabe für die Indienststellung. Hier sind erbeblide Abstrihe wohl gerehtfertigt, und ih boffe, daß die Kommission fch auf einer Mittellinie der Ver- ständigung bewegen wird, daß sie das Nothwendige bewilligen, aber auch auf unsere Finanzverhältnisse gebührende Rücksicht nehmen wird. Daß die Flotte nur zur Vertheidigung der Küste dient, trifft nicht mehr ganz zu; denn unsere Kolonialvolitik erfordert die Mitwirkung von Kriegsschiffen. Die Kolonialverwaltung hat auc) ihre schwachen Seiten. Es sind erhebliche Mehrausgaben für die Scbutzgebiete vorgesehen, zusammen 14 Millionen mehr, insgesammt über 7 Millionen Mark. Hier wird die Kommission ernstlih prüfen müssen, ob nit ein Theil der Ausgaben in Wegfall kommen fann. Ein absolutes Nein wird nicht möglich sein. Die Kolonialpolitik wird dabin führen müssen, daß Gesittung verbreitet wird. Es haben \ich in den Kolonien Millionen angesiedelt, welche für die Förderung der Kultur eintreten. Darüber ift niht zu lahen. JIch mödte doch den sehen, der alle diese Dinge, für die se viele Millionen ihr Blut vergossen haben, mit einem Federstrih beseitigen möte. Erfreulich ift, daß das Reich die deutshen Missionen in China selbst unter seinen Schuß genommen bat. Dazu müfsen wir natürli die Mittel gewähren, wir müssen in Ost-Asien nit kleine {wache Kanonenboote baben, sondern gut ausgerüstete Kriegsschiffe. Es wäre bedauerlich, wenn ledigli der Geld- frage wegen den Missionen der Schuß versagt bleiben sollte. Das Reich hat jeßt auch Grundbesiß in Oft: Asien erworben ; ih wünsche, daß die Hoff- nungen, die darauf gefeßt werden, in Erfüllung gehen. Aber es wird au dabei große Vorsicht geboten sein. Wir sind damit auf einmal auf einen Schauplatz gestellt, auf welchem die großen Weltmächte zue jammenstoßen. Die Vertreter des Auswärtigen Amts werden alles aufbieten müssen, um uns vor unabsehbaren Konflikten zu be- hüten. Wir müssen unsere Kräfte niht zersplittern, sondern kon- ¡entrieren, da unsere geographische Lage uns dazu veranlaßt. Wir müssen auch unsere finanziellen Kräfte zusammenhalten, um den S, die uns von Oft oder West drohen töônnen, Stand zu alten.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:

Meine Herren! Der geehrte Herr Vorredner hat den Wunsch ausgesbrochen, unter Hinweis auf die jüngste Botschaft d-es Prâäsi- denten der Vereinigten Staaten, Aufklärung über die dort berührten Verhältnisse zu erhalten. Ich erachte diesen Wunsch für durchaus ge- rechtfertigt und komme ihm sofort um fo lieber nah, als ja weite Interessenkreise in Deutshland dur die angeregte Frage be- rührt werden.

Wenn ih über die handelspolitishen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland in diesem Augenblick spreche, so muß ih die Thatsahe voranstellen, daß bezüglih einer für Deutschland außerordentlih wicktigen Angelegenheit, nämlich bezügli der Behandlung des deutschen Zuckers die Sathlage beute noch fort- dauert wie vor einem Jahre. (Hört, hört!) Sie wissen, daß im vorigen Jahre der amerikanishe Kongreß eine Gesetesbestimmung an- genommen hat des Inhalts, daß der Zucker aus Prämien zahlenden Ländern einen Zollzushlag von 1/10 Zent pro amerikanisches Pfund zu zahlen habe. Von dieser Bestimmung ift neben anderen europäishen Ländern auch Deutschland be- troffen worden. Wir haben sofort entschiedenen Einspruch gegen diese Bestimmung erhoben, von der Ansicht ausgehend, daß sie im Widerspruch stehe mit unserem vertragsmäßigen Meist- begünstigungsreht. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat das erkenne ih gern an mit voller Loyalität alles getban, was in ihren Kräften stand, um unserer Bes{werde Geltung zu verschaffen. In seiner vorjährigen Botschaft hat der Präsident der Vereinigten Staaten ausdrücklich den Kongreß gebeten, diesen Zuschlag wieder aufzuheben; der Versuh if gescheitert an dem Widerstande des Senats, und so besteht bis zur beutigen Stunde die mit unserm Vertrag in Widerspruch stehende differentielle Vehandlung des deutschen Zuckers in Amerika fort.

Unter diesen Umständen mußte es allerdings überraschen, daß der Herr Präsident der Vereinigten Staaten in seiner jüngsten Botschaft gegen Deutschland: den Vorwurf erbebt, daß bier amerikanische Nahrungsmittel einer differentiellen Behandlung unterzogen würden und eine vexatorische Behandlung amerikanischer Versicherungsgesell- schaften stattfinde. Ich nehme keinen Anstand, diese Behauptung als der Begründung entbehrend zu bezeihnen. (Bravo !)

Wir haben vor einiger Zeit die Einfuhr amerikanishen Rindviehs und Rindfleishes in Deutshland verboten, nahdem in einem Trans- port sich die Symptome einer der gefährlihsten Viebkrankbeiten gezeigt baben, nämlih des Texasfiebers, und nachdem die Sachver- ständigen zu dem S&lusse gelangten, daß dtese gefäßrlihe Krankheit niht nur durch das lebende Vich, sondern auch dur das geschlachtete Fleisch übertragen werden könne. Wir haben glcihe Maßregeln gegenüber allen Staaten eintreten lassen, von denen die Einschleppung von Seuchen zu befürhten war. Es trifft also nit zu, daß diese Maßregel einen differentiellen Charakter gegenüber den Vereinigten Staaten habe. Wir haben diese Maßregel ergriffen in Ausübung dieser Pflicht, soweit möglih- für die Erhaltung des deutshen Viehbestandes zu sorgen (Bravo !), und wir find