1895 / 295 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Personal-Veränderungen.

Königlich Prenfische Armee.

Portepee- Fähnrihe 2x., Abshiedsbe- willigungen. Im aktiven Heere. Neues Palais, 27. No- vember. v. Conring, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 61. Inf. Brig., der Charakter als Gen. Lt. verliehen.

Neues Palais, 28. November. v. Nordeck, Oberst z. D., zuleßt Kommandeur des damal. Schles. Füs. Regts. Nr. 38, der Charakter als Gen. Major, Bahmann, Hauptm. a. D., zuleyt Battr. Chef vom 1. Bad. Feld-Art. Regt. Nr. 14, der Charakter als Major, verliehen.

Neues Palais, 30. November. Frhr. Grote, Hauptm. a. D., zuleßt Komp. Chef im damal. 1. Thüring. Inf. Regt. Nr. 31, der Charakter als Major verliehen. /

Neues Palais, 2. Dezember. Baron v. Kottwiß, Gen. Lt. ¿. D., zuleßt Kommandeur der 1. Div., v. Strempel, Gen. Lt. 3. D., zuleßt Kommandeur der 2. Div., der Charakter als Gen. der Inf., Laurin, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der H. Inf. Brig., v. Haeseler, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 8. Kov. Brig, der Charakter als Gen. Lt., v. Schon, Dberst z. D., zuleßt Kommandeur des damal. 4. Rhein. Inf. Regts. Nr. 30, der Charakter als Gen. Major, Graf v. Kielmansegg, Oberst-Lt. a. D., zuleßt Major und etatêmäß. Stabsoffizier des 1. Bad. Leib-Drag. Negts. Nr. 20, der Charakter als Oberst,

verlieben. Graf v. Ballestrem, Frhr. v.

Breslau, 2. Dezember. Tr. Falkenhausen, Rittmeister a. D., zuleßt Eskadr. Chefs im

damal. Leib-Kür. Regt. (Schles.) Nr. 1, der Charakter als Major verliehen. S

Breslau, 3. Dezember. Graf v. Shlippenbach, Gen. Lt. 3. D., zuleßt Gouverneur von Mainz, der Charakter als Gen. der Inf., v. Kossel, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 4. Feld- Art. Brig., der Charakter als Gen. Lt., Reiche, Oberst-Lt. a. D., zuleßt Kommandeur des damal. Oftpreuß. Feld-Art. Regts. Nr. 1, der Charakter als Oberst, verliehen.

Neues Palais, 4. Dezember. Frhr. v. Salmuth, Gen. Lt. ¿. D., zuleßt Kommandeur der 7. Div., der Charakter als Gen. der Kav., Krüger, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 31. Inf. Brig., der Charakter als Gen. Lt., Graf v. Wartensleben, Rittm. a. D., zuleßt Eskadr. Chef im Huf. Regt. Kaiser Franz Josevh von Oesterrei, König von Ungarn (Schleswig-Holstein.) Nr. 16, der Charafter als Major, verliehen. |

Im Beurlaubtenstande. Neues Palais, 2. Dezember. Graf zu Eulenburg, Rittm. a. D., zuleßt Pr. Lt. von der Ref. des damal. Leib-Kür. Negts. (Schles.) Nr. 1, der Charakter als Major verliehen. ;

Neues Palais, 5. Dezember. wv. Arnim, Pr. Lt. a. D., zuleßt von der Kav. des damal. 2. Bats. (Prenzlau) 8. Brandenburg. Landw. Regts. Nr. 64, die Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Res. Offiziere des 1. Brandenburg. Drag. Regts. Nr. 2 ertbeilt.

XTTI. (Königlih Württembergisches) Armee-Korps.

Im Sanitäts-Korps. 6. Dezember. Dr. Schoffer, Stabsarzt im 8. Inf. Regt. Nr. 126 Großherzog Friedrih von Baden, unter Enthebung von dem Kommando zum Kaiserlichen Ge- sundbeitëamt in Berlin, behufs Uebertritts in Königl. preuß. Dienste der Abschied bewilligt.

Offiziere,

Nichtamtliches.

Deutsches Reid.

Preußen. Berlin, 11. Dezember.

Seine Majestät der Kaiser und König empfingen im Neuen Palais heute Vormittag um 9 Uhr den Chef des Zivilkabinets zum Vortrage.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für das Landheer und die Festungen, für das Seewesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungêwesen, sowie der Auss{huß für JZustizwesen hielten heute Sitzungen.

Die „Saale-Zeitung“ vom 10. d. M. bringt über eine angebliche Unterredung eines ihrer Korrespondenten mit Herrn Staats-Minister von Köller nahstehenden Bericht :

„Was die positiven Gründe des Demissionsgesuhs anlangt, so deutete mir Herr von Köller an, es seien fortgesegte, aus prin- zipiellen politishen Meinungéverschiedenheiten entstandene Reibungen zwischen ihm und den Herren von - Boetticher und Marschall hierfür beftimmend gewesen, die sich scließlich so zugespigt bätten, daß ein Entweder Oder sich nit mebr umgeben ließ. „Man habe gewußt, daß er sih niht sch{lecht behandeln lafse, und man babe ihn fortgraulen wollen !* Herr von Köller fühlte sich infolgedessen unbebhaglich und gedrückt und wurde schließlich durch die fortgesetzten Widersprüche der Herren von Boetticher und von Marschall fo nervös gereizt, daß er vielleiht im Glauben, er stände zu sier sih zu persönlichen Angriffen binreißen ließ, die der Reichskanzler {wer übel nahm, und die auh jedes weitere Zusammenwirken unmöglih madhten. Das hat der Kaiser, der sih nur schwer von Herrn Köller trennte, eingesehen. Also einziges Motiv: Unverträglichkeit! Herr von Köller gebrauhte mir gegenüber das bezeichnende Bild von einem Wagen, an dem zwei vorn (Boetticher und Marschall) und zwei hinten ziehen (er und Schönstedt) und sagte: Das konnte doch nicht gehen und wird auch künftighin nit even! Er ift also der Ansicht, daß konservative (lies : reaktionäre)

änner überhaupt nicht mit den Herren von Boetticher und von Marschall (die ibm zu liberal sind) ¡usammen wirth\{aften können.“

Wir sind ermächtigt, zu erklären:

1) daß die in obigem Bericht enthaltenen Angaben über die Ursachen des Rücktriits des Herrn Staats-Ministers von Köller ihrem ganzen Jnhalt nah unzutreffend sind,

2) daß dem Staats-Ministerium von persönlichen Angriffen, ‘die von Herrn Staats-Minifter von Köller ausgegangen sein sollen, nichts bekannt ift, n A

3) daß die Behauptung : zwischen dem Minister don Köller und den Ministern von Boetticher und Freiherr von Marschall hätten aus politishen Meinungsverschiedenheiten herrührende Reibungen bestanden, jeder Begründung entbehrt, daß vielmehr

4) in der Beurtheilung der Vorgänge, welhe den Rüt- tritt des Staats-Ministers von Köller herbeigeführt haben, unter allen Ministern volle Uebereinstimmung bestanden hat.

Reisende . .

im Dienst

in Berlin Erfurt

beschädigt.

Kiel,

\hüsse. sofort

wurde

versicherun Redner aller

die hessis die ‘Lübe

sonstige Betriebsunfälle.

Dabei wurden:

Bahnbeamte und Bahnarbeiter im Dienst E Post-, Steuer-, Telegraphen-, Polizei-Beamte 2c. emde Personen, einshließlich der niht im E. E es Beamten und Arbeiter, aber aus\chließlich der Selbstmörder . . .| 24

Die den Reisenden zugestoßenen Unfälle sind auf folgenden Bahnen vorgekommen : Reichs: Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen. . Verwaltungsbezirk der Königlich preußischen Eisenbahn-Direktionen

Bromberg

Essen a. Nuhr. . Frankfurt a. M. . Hannover KOUOWE Königsberg i. Pr. Mage St. Johann-Saarbrücken ..

Königlich sächsishe Staatseisenbahnen . Großherzoglich oldenburgische Staatseisenbahnen

La

in Stationen . . 27

Zusammenstöße auf freier Bahn . 2

in Stationen . . 28 . 164

zusammen 224 ge- todtet +4 26

| |

zusammen

wie vor .

Bei den Betriebsunfällen wurden l Eisenbahnfahrzeuge erheblich,

y unerheblich

Von den Betriebsunfällen ereigneten si: auf den Staatsbahnen bei einer Betriebslänge von J auf den Privatbahnen bei einer Betriebslänge E Je ein Unfall kommt auf

2s

Kilometer Betriebslänge

Nah der im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellten Na ch- weisung der auf deutshen Eisenbahnen aus- \shliezlich Bayerns im Monat Oktober d. J.

gekommenen Betriebsunfälle waren zu verzeichnen : Entgleisungen auf freier Bahn . 3

VOr-

ver- r

91 6

Fälle,

u

Tausend Zugkilometer

bei den Staatsbahnen . . 169 | 122

bei den Privatbahnen . . 293 138

Wenn die Verwaltungen nah dem geometrishen Mittel

aus den Betriebslängen und den geleisteten Zugkilometern ge-

ordnet werden, so treten an die ungünstigste Stelle: bei den Staatsbahnen

die Main-Neckar-Eisenbahn und die Verwaltungsbezirke

der Königlichen Eisenbahn-Direktionen in Berlin und

rf

10. Dezember. Die

Durch eine Verfügung Seiner Königlichen Prinz-Regenten ist der bayerishe Gesandte in Bray auf sein Ansuchen in den Ruhestand versezt und auf diesen Posten der Gesandte am italienischen Podemwils berufen worden. ist der Geschäftsträger ernannt und auf den Geschäftsträgerposten in Paris der Legations-Rath bei von der Tann berufen worden. in Bern wurde Graf Montgelas, bisher Legations-Rath bei der Gesandtschaft in Wien, ernannt.

Die Kammer der Reichsräthe überwies in ihrer gestrigen Sitzung die von der Kammer der Abgeordneten an-

leiteten Mobiliarbrandversicherung Schuß gegen Auswüchse im Plenum Freiherr von trat sodann in die Berathung des Etats der Gewerbe und Oekonomien ein. geordneten begann gestern die Berathung des Gesczentwurfs, betreffend die Errichtung

in Elberfeld, bei den Privatbahnen Fe Ludwigs-Eisenbahn und

üchener Eisenbahn.

Bayern.

ofe Freiher in Paris

der Gesandtschaft in Berlin / Zum Minister-R

Cy

werden. bestell. Die K

verhandelt Hertling

Die

einer ftaatlichen

Der General der Jnfanterie von Keßler, General- Inspekteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, hat Berlin verlaffen.

Der zur Zeit als Hilfsarbeiter im Ministerium für Land- wirthschaft, Domänen und Forsten beschäftigte Regierungs- Assessor Singelmann aus Breslau ist mit der kommissarischen Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Glogau, Regierungs- bezirks Liegniß, vom 1. Januar 1896 ab beauftragt worden.

Laut telegraphischer Meldung an das Ober-Kommando der Marine ist S. M. S: „Arcona“, Kommandant Kapitän zur See Sarnow, gestern in Hongkong angekommen.

: zweite Division des Manöver-Geschwaders ist heute aus den skandinavischen Gewässern hierher zurückgekehrt; die erste Divison ist direkt nach Wilhelmshaven gegangen.

Hoveil des

ien Graf

r von

Zum Gesandten am Quirinal Freiherr von Tucher

reiherr denten

enommenen Anträge bezüglih des Forstgeseßes an Aus-

Ueber die Anträge auf Einführung einer staatlich ge- und über den im Gewerbewesen soll Als Referent

ammer

Kammer der Ab-

Vieh-

der Generaldiskussion begrüßten

arteien den Entwurf mit

sanstalt.

p euden als ein weiteres Mittel, die Jnteressen der Landwirthschaft zu

Der Minister des Jnnern Freiherr von Feilißsch

ördern. etonte :

Ld

fein Land könne die Viehverficherung leichter einführen als :

Bayern, weil hier die erforderlihen Grundlagen bereits egeben seien. Andere Staaten, wie Sachsen und Hessen, ätten bereits den Wunsch ausgesproh-n, dem bayerischen Vorgehen zu folgen. Nah Erledigung der gegenwärtigen Vorlage werde auch die Pferdeversicherung in Angriff ge- nommen werden. Jn der Spezialdiskussion wurde dann nah längerer Debatte der grundlegende Art. 1 in der Fassung des Ausschusses angenommen. :

In der gestrigen Nachmittagsfizung des Finanz- ausshusses kam bei der Berathung des Etats der Staatsschuld die Frage der Konvertierung der bayerischen Staatspapiere zur eingehenden Erörterung. Verschiedene Redner bekämpften den Gedanken einer Konvertierung mit dem Hinweis darauf, daß ein großer Theil der Papiere im Besiß von Gemeinden und Stiftungen oder als Mündel- gelder angelegt sei. Der Finanz - Minister Dr. Freiherr von Riedel betonte den gleichen Gesichtspunkt, bezeichnete die Konvertierung als fraglich und meinte, wenn man fih auch vielleiht auf die Dauer einer Konvertierung niht werde widersezgen können, so müsse man mit der Einleitung einer solhen Maßnahme do warten, bis eine geeignetere Zeit, be- sonders eine politisch vollkommen ruhige, gekommen sein werde. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt.

Melenburg-Schwerin.

__ Den „Meckl. Nachr.“ wird aus Cannes gemeldet, daß das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs si in erfreulicher Weise gehoben habe ; die besorgnißerregenden Erscheinungen seien geschwunden, die asthmatishen Beschwerden leichter geworden.

Braunschweig.

Seine Königliche Hoheit ‘der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, empfing gestern Abend in besonderer Audienz den Königlich preußischen außerordentlihen Gesandten und bevollmächtigten Minister von Bülow, welcher seine Accreditive überreihte. Der Ge- sandte wurde darauf auch von Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Albreht empfangen. Später fand Galatafel statt, zu der auch der Gesandte von Bülow geladen war.

Oesterreich-Ungarn.

Die „Wiener Zeitung“ von heute veröffentlicht die Ent- hebung des österreihisch-ungarishen Gesandten in Dresden Grafen Chotef von seinem Posten unter gleichzeitiger Ver- seßung in den bleibenden Ruhestand mit dem Ausdruck der Allerhöchften Anerkennung für vieljährige, eifrige, pflihtgetreue Dienstleistung, sowie ferner die Ernennung des Legations-Raths Grafen Heinrich von Lüßow zum Gesandten in Dresden,

Das österreihische Abgeordnetenhaus seßte gestern die Generaldebatte über das Budget fort. Der Abg. Kramarz (Jungczeche) erklärte, die Jungczehen verlangten feine Begünstigung des böhmischen Volks, sondern Gerechtig- keit. Der Abg. Freiherr von Dipauli (katholishe Volks- partei) legte die Gründe der Sezession aus dem Hohenwart- kflub dar und erklärte, es liege seiner Partei fern, den Kon- servativen gegenüber eine feindlihe Gruppe bilden zu wollen, doch wollten sie sih volle Selbständiakeit nach oben und nach unten wahren. Der Minister-Präsident Graf Badeni führte aus, er ergreife das Wort, weil die Regierung vermöge ihres nicht- parlamentarischen Ursprungs feine Gelegenheit vorübergehen lassen wolle, um zu betonen, daß sie sih der Bedeutung des Hauses bewußt bi Nachdem der Minister-Präfident die rasche Erledigung des Budgets im Budgetausschusse dankend hervorgehoben hatte, widmete er den Verdiensten des Grafen Taaffe einen warmen Nachruf. Graf Taaffe habe zeit- lebens kaum seinesgleihen gefunden in grenzenloser Treue und Hingebung für Thron und Staat und in selbstloser Aufopferung in seinem Beamtenberufe. Hinsichtlih der Erneuerung des Ausgleihs mit Ungarn erklärte der Minister-Präsident, daß die diesseitigen wirthschaftlichen Jnter- essen in den Vordergrund gestellt werden müßten. Die Regie- rung werde dieselben entschieden wahrnehmen, könne jedo andererseits niemals einen prinzipiell ablehnenden oder gar feindseligen Standpunkt in dieser eine eminente Staatsnoth- wendigkeit bedeutenden Angelegenheit aufkommen laffen. „Die äußersten Flügel hüben und drüben“, fuhr der Minister-Präsident fort, „vereinigen sich in einem an dem geseßlihen Staatsgefüge rüttelnden Gedanken, welhem die Regierung energish entgegentreten muß.“ Betreffs der an- geblihen Verhandlungen zwishen der Regierung und den Jungczechen erklärte Graf Badeni, von solchen könne nur dann gesprochen werden, wenn ein Substrat oder eine Basis dafür vorhanden sei: „Verhandlungen dieser oder ähnlicher Art haben bestimmt nicht stattgefunden. Wenn jedoch Mitglieder der Regierung mit den jungczehishen Abgeordneten sowie mit Vertretern anderer Parteien in Verhandlung getreten find, so erfüllten fie niht nur ihre Pflicht, sondern handelten dem Programm der Regierung gemäß, welches ein verträgliches Zusammenleben der Nationen Oesterreichs zu schaffen bemüht ilt und friedlihe Zustände im Königreih Böhmen anstrebt. Die Regierung erwartet,. daß die Vertreter des böhmischen Volks hilfreihe Hand zu einer für den Staat und die Völker gedeihlihen Entwicklung der Verhältnisse des Landes bieten werden. Die Regierung wird mit offenen, loyalen Mitteln eine Annäherung der Nationalitäten speziel in Böhmen an- streben.“ Bezüglih des Statthalters von Böhmen er- klärte der Minister-Präsident, daß der Statthalter, dessen große Verdienste unzweifelhaft seien, ih jederzeit im vollsten Ein- verständniß mit der Regierung befunden habe und auch künftig wie bisher vorgehen werde. Für die in Böhmen zu ver- folgende Politik trage die Regierung allein die volle Verant- wortung. Betreffs der südtiroler Frage wolle die Regierung freundlih entgegenkommen und den Vertretern dieses Theiles des Landes die Moglichkeit des Wiedereintritts in den Landtag geben, do unter der Bedingung, daß die Einheit des Landes unbedingt aufrechterhalten bleibe. Was die Ansprüche des südslavischen Volksstammes angehe, so sei die Regierung ver- pflichtet, den aftuellen, nationalen und fulturellen Bedürfnissen aller Volfsstämme wohlwollend entgegenzukommen. Die Regierung behalte sich jedoch vor, die in Betracht kommenden Mittel zu unter-

uchen und in den Grenzen der verfassungsmäßig allen Völkern ren Rechte Mde zu gewähren, was aufeiner ruhigen

asis realisiert werden fönne; somit handele es sich nicht um eine Konzession infolge einer Provokation, sondern um ein that- sächliches T auf Grund weiser, realisierbarer Forderungen. Der Minister-Präsident kündigte sodann die Vor-

lage eines Geseßes, betreffend die elung der Pensionen der Wittwen und isen von Beamten, fowie die Regelung der Beamtengehälter, an. S der Grundsäße der Regierung in religiösen Fragen wies der Minister-Präsident auf die seiner Zeit von ihm abgegebenen programmatischen Erklärungen hin; alle Unparteiischen müßten zugeben, daß die Handlungen des Ministeriums stets mit Tia Worten harmonierten. Die Regierung werde sih dur keine noch so stürmische Opposition von defn rihtigen Wege abbringen lassen. - Sie sei der Ansichi, daß der fkatholishe Glaube vor Allem auf Befolgung und Ausübung der durch Gott und die Kirche diktierten Geseze beruhe. Bezüglih der Wahlreform erklärte der Minister-Präsident, der Geseßentwurf sei seit einiger Zeit fertiggestellt und gedruckt. Er könnte ihn fofort ein- bringen, da er die Allerhöchste Zustimmung erhalten habe; gegenwärtig könne man sih jedoch weder im Hause noch im Ausschusse damit befassen, und da die Regierung diese Vorlage nicht nur einbringen, sondern auch durchbringen wolle, so sei sie im Jnteresse des Zustandekommens der Wahl- reform nicht geneigt, dieselbe in diesem Augenblick einzu- bringen; fie werde sie in der ersten Sizung nah dem Zu- sammentreten des Hauses im Februar vorlegen. Der Redner wurde beglückwünsht. Nachdem noch mehrere Redner das Wort ergriffen hatten, wurde die Debatte abgebrochen.

Frankreich.

In der gestrigen Sizung der Deputirtenkammer er- klärte bei der Berathung des Budgets der Minister der Kolonien Guieysse in seiner Erwiderung auf verschiedene Be- merkungen : die französishe Kolonialpolitik habe den offen- siven Charakter aufgegeben und seci eine fried- liche geworden. Frankrei werde fsich zwar durch seine Nachbarn nicht belästigen lassen, jedoch feine Be- sizungen nihti auszudehnen suhen. Die Kammer bewilligte sodann das Budget der Kolonien und begann die Berathung des Budgets des Kriegs-Ministeriums. Der Deputirte G uérin lenkte die Aufmerksamkeit der Regie- rung auf die Abnahme der Kapitulationen von Unteroffözieren. Der Kriegs-Minister Cavaignac erklärte, die Frage bilde eine Hauptsorge der Verwaltung: sie werde mit allen Mitteln die rückgängige Bewegung aufzuhalten suchen. Die ersten 24 Kapitel des Budgets wurden angenommen. Der Kriegs-Minister Cavaignac bekämpfte sodann einen Antrag, wonach die Mannschaftsbestände in Algerien um 5000 Mann erhöht werden sollen. Der Minister erklärte, nahdem der allgemeine Effektivstand aus finanziellen Gründen von 540 000 auf 535 000 Mann herabgeseßt worden sei, sei es am râth- lihsten, die Verminderung in Algier durhzuführen, wo übrigens für alle Dienstzweige sichere Vorsorge getroffen sei. ag wurde hierauf abgelehnt und die Sißung ge-

osen.

Die Regierung wird, dem „W. T. B.“ zufolge, einen Gesezentwurf vorlegen, welher das Protektorat Anam- Tongking zu einer Anleihe von 80 Millionen für die Regelung der finanziellen Lage und für die Ausführung von Arbeiten im öffentlihen Interesse ermächtigt.

Jtalien.

Am Schluß der gestrigen Sißung der Deputirten- fammer brachten die Abgg. Cafiero, Jmbriani, Bonin und Cavallotti Jnterpellationen über die Lage in Afrika ein. Der Arbeits - Minister Saracco beantragte (an Stelle des durch Unwohlsein verhinderten Minister - Präsidenten Crispi), die Jnterpellationen am Sonnabend zu berathen. Inzwischen erkläre die Regierung, daß sie von dem Recht und der Pflicht durchdrungen sei, den gegenwärtigen dringenden Bedürfnissen zu entsprehen, daß sie indessen keinen Beschluß ju fassen gedenke, der dem Lande Ausgaben auferlegen würde, ie niht durch das Parlament bewilligt seien. Der Antrag des Ministers Saracco wurde hierauf angenommen. ,

Die „Opinione“ behauptet, aus sicherer Quelle zu wissen, daß die italienischen Truppen auch Adua räumten und si in Adrigat konzentrierten, wo sie sich zum Widerstand gegen den Feind vorbereiteten. Die italienishe Regierung betreibe die schleunige Entsendung von 3000 Mann und zwei Batterien Gebirgs - Artillerie. Die Zahl der Schoaner betrage 30 000—40 000 Mann. Der „Tribuna“ zufolge verfüge General Baratieri über 11000 kampffähige Leute und sei voll Vertrauens in die Lage. Er habe niemals Ver- stärkungen außer in ganz geringem Maßstabe verlangt. Die „Zribuna“ fügt hinzu, es würden einige Kriegsschiffe nah dem Rothen Meer abgehen, um die Küsten zu überwachen und die weitere Ankunft von Waffen zu verhindern, wie solche in der leßten Zeit in reihlihem Maße an Menelik von den Wider- sahern der italienishen Kolonialpolitik geliefert worden seien. Die „Jtalia militare“ hebt hervor, daß man bis jetzt nur von dem Ausbleiben von Nachrichten über etwa 1000 Éin-

eborene und ungefähr 20 italienische Offiziere, die zum Bataillon Toselli gehört hätten, sprehen könne, daraus ergebe sich aber niht, daß dieselben gefallen seien; auch der Tod des Majors Toselli sei nicht gewiß. Demselben Blatt ee hat der Kriegs - Minister die Entsendung von drei ataillonen und einer Batterie nah Afrika verfügt.

Schweiz.

In der heutigen Sihung des Ständeraths verlangte der Bundesrath die e für den Geseßentwurf über das Rechnungswesen der Eisenbahnen. Der Präses der Kommisfionzur Vorberathungdieses Geseßentwurfs beantragte, die Behandlung der Angelezenüeit auf Dienstag oder Mittwoch der kommendèn Woche festzusegen. Nach kurzer Berathung erklärte der Vorsißende des Ständeraths, die Angelegenheit, wenn möglich, an einem der besagten Tage auf die Tages- ordnung R zu wollen.

Türkei.

Das FJrade des Sultans für die Durchfahrt der zweiten Stationsschiffe ist gestern erschienen.

Dem „W. T. B.“ zufolge verlautet in Konstantinopel, Said Pascha habe bisher den Gedanken nicht aufgegeben, nah dem Ausland zu reisen. Auf ein bezügliches Akfien sei seitens des Sultans noch keine Entscheidung ergangen. Die türkishen Blätter enthalten über den ganzen Zwischenfall nur die Meldung, Said Pasha habe sich am ittwoch in die britishe Botschaft begeben, um nah Europa zu reisen. Die Kaiserliche Ermächtigung sei nicht ertheilt worden; Said Pascha sei zurückgekehrt.

Der den amerikanishen Missionaren in Marasch durch das Niederbrennen ihrer Gebäude erwachsene Verlust wird auf 2400 türkishe Pfund veranschlagt.

Rumänien.

Bei den Wahlen zur Deputirtenkammer im zweiten Wakhlkollegium wurden in 70 Wahlbezirken 67 Liberale gewählt, darunter der Minister des Jnnern Fleva. Drei Stichwahlen haben stattzufinden. Von den konservativen Kan- didaten wurde keiner gewählt. Die Wahlen verlicefen in voller Ruhe und Ordnung.

Serbien,

In dem der Skupschtina gestern vorgelegten Budget für 1896 sind die Einnahmen auf 66,7 Millionen Francs, die Ausgaben auf 66 Millionen berechnet. Thatsählich ift die im Budget berehnete Ausgabe gleich mit der von 1894 in Höhe von 64 Millionen Francs; denn die gegen- wärtig aufgestellte Mehrausgabe von 2700000 Fr. ift ur Anschaffung von Materialien für eingeführte neue Monopole bestimmi und balanciert mit den ver- größerten Monopolerträgnifsen. Die Neueinnahmen von rund 14 Millionen, welche durch einen 12 prozentigen Steuer- zushlag für die Vermehrung der Elementarshulen und durch Ersparnisse an den Annuitäten erzielt werden, sollen zur Deckung neuer Staatsausgaben verwendet werden. Die Ein- nahmeziffern des Budgets entsprehen überall den Schluß- rechnungen der leßten 5 Jahre.

Bulgarien.

Der Prinz und die Prinzessin Philipp von Sachsen-Coburg sind zum Besuh des Prinzen Ferdinand in Sofia eingetroffen.

Das diesjährige Budget balanciert mit 91 670 000 Fr. gegen 89 849 000 Fr. im Vorjahre.

Amerika.

Im Repräsentanten hause entstand gestern, nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Washington, eine De- batte über gewisse Reden, die der amerikanishe Botschafter Bayard in England gehalten hat. Unter anderem solle Bayard gesagt haben, das Schuzzollsystem sei Staats- sozialismus. Der Abg. Barrett (Republikaner) brachte eine Resolution ein, worin erklärt wird, derartige Aeuße- rungen seien Betrachtungen über die innere Politik, welche den nationalen Ruf der Vereinigten Staaten zu s{hädigen ge- eignet seien: ferner wird in der Resolution die Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten aufgefordert, die An- gelegenheit zu prüfen, ein Tadelsvotum gegen Bayard zu ertwerfen und dasselbe dem Hause vorzulegen. Das Haus lehnte einen Antrag des Abg. Crisp, wonach die von Barrett beantragte Resolution, betreffend den Botschafter Bayard, dem Justizausshuß überwiesen werden solle, mit 260 gegen 80 Stimmen ab und nahm shließlih die Resolution Barrett an, jedoch unter Weglafsung der Stelle, welche den Ausshuß für die auswärtigen Angelegenheiten auf- fordert, ein Tadelsvotum- vorzubereiten.

Nach einer telegraphishen Meldung, welhe der Madrider „Heraldo“ aus Havanna erhalten hat, set Gomez, der oberste Führer der Jnsurgenten, seine Vorwärtsbewegung fort und ist in Placetas im Zentrum der Provinz Santa Clara angelangt. Das Ziel der Jnsurgenten sei, die reihsten Gegenden Cubas zu verwüsten.

Asien.

Das „Reuter sche Bureau“ erfährt aus Shanghai, daß das russishe Geschwader des Stillen Ozeans in diesem Jahre in der Bai von Kiaotschou (Halbinsel Schantung) Uberwintere.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sizung des Reichstags befindet sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (5.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Graf von Posadowsky, der Staatssekretär des Reichs-Marineamts Hollmann und der preußische Justiz-Minister Schönstedt beiwohnten, wurde die erste Berathung des Reihshaus halts - Etats fortgeseßt. Das Wort nahm zunächst

Staatssekretär des Reichs - Schayamts Graf von Posa- dowsky: Ih will dem Abg. Richter niht in der Weise persönlicher Angriffe antworten, die er beliebt hat. Er warf mir vor, daß für 1895/96 ein Defizit von 33 Millionen veransch{lagt war, während die Einzelstaaten noch 20 Millionen herausgezahlt bekommen würden; er meinte: Welde Summe ersparter Steuern! Der Abg. Richter vergißt, daß es sich um eine Vermehrung der Einnahmen handelt, die die Regierung nicht voraus\eßben fonnte. Bei den Betriebtseinnahmen z. B. muß sich die Regierung verlassen auf die Schäßung der Sachverständigen. Ferner hat die Spannung sich vermindert infolge des Börsensteuerge]eßes. Ich kann nur an- nehmen, daß dem Abg. Richter die Erinnerung an die Vergangenheit verloren gegangen ist, und daß er dasselbe von den Mitgliedern des Hauses voraussezt. Der Abg. Richter sollte doch berücksihtigen, daß die Schwankungen vorkommen bei den Ueberweisungen, einem durhlau- fenden Posten, auf welchen dieReihs- Finanzverwaltung keinen Einfluß hat. Es ift überhaupt merkwürdig, daß die Neihs-Verwaltung ange„riffen wird, weil die Einnahmen \ich günstiger gestellt haben, wegen der vor- sichtigen Veranschlagung. Der Ab . Richter will keine Schablone bei der Veranschlagung verwendet wissen. Eine gewisse Schablone muß aber maßgebend sein. Der Abg. Richter will die Einnahmen einstellen, welche voraussihtlich eingehen können, die Reichs-Kinanzverwaltung aber nur die Einnahmen, die siher eingehen werden. Der Abg. Richter will bei der gesammten Etatsaufítellung von bewährten Grundsäßen abgehen und übergehen zu parteipolitishen Gesichtspunkten, er will aus parteipolitishen Gründen auch auf dem Gebiet der Pes die Politik der freien Hand führen; daher auch sein Wider- tand gegen die „Automaten“. Der Abg. Enneccerus hat. gestern treffend ausgeführt, daß eine solide Finanzverwaltung nit bestehen fann ohne eine feste Norm für die Ver- anschlagung. Es besteht ein Gegensaß zwishen dem Abg. Richter und dem Abg. Enneccerus. Leßterer will die Matrikularbeiträge ein- schränken, der Abg. Richter will die Einnahmen möglihst hoc ver- anshlagen. Wenn die Ausgaben durch Schulden gedeckt werden, dann könnte der Schaßzsekretär eine Zeit lang ein forgenloses Leben führen ; dann würden die Ansprüche der Ressorts leiht gedeck werden. Aber einer folhen Wirthschaft würden die Defizits auf dem Fuße folgen, und es würden neue Steuern erforderli fein. Je höher die Einnahmen sind, desto größer werden auch die Ausgaben; das kann kein Finanz - Minister verhindern. Nah der Methode des Abg. Richter müßten wir die Ergebnisse der Finanzverwaltung, wie sie sih im Januar für das abgelaufene Jahr ergeben, in den Etat einstellen; dafür würde sih aber wohl eine Mehrheit im Hause nicht finden. Bei dieser Gelegenheit muß ih noh entschieden dagegen

protestieren, als ob Finanz-Minifter Steuer-Minister sind. Wir

Steuern fordern, um neue der Steuern selbs wegen. im vorigen Etat

müssen unter Umständen neue Ausgaben zu decken, aber nicht Der Abg. Richter meinte, die Spannung

sei auf die Tavasteuer zugeshnitten worden. Wenn i in der Lage wäre, fefretes amtlides Material herauszugeben, würde ih den Abg. Richter widerlegen können; am Bundesrathstishe stehen klassische Zeugen dafür, daß die Forderungen der einzelnen Refforts füc den laufenden Etat noch erbeblich böber waren, und erst nach langen Er- brterungen ift es gelungen, die Spannung so weit hberunterzubringen. Allerdings if es rihtia, s die einmaligen Ausgaben diesmal so bo sind wie selten. Aber beabsihtigt is es nit, es liegt in den Verkbältnifsen, und im Grunde genommen ist das Extraordinarium dies- mal schon eine Wendung zum Befsern. Der Entwurf der Zuckersteuer ist auf illegitime Weise in die Oeffentlichkeit gekommen, wie es gestern der Staatsfekretär von Boetticher ge!childert hat. Wenn der Entwurf in den östlihen Provinzen Widerspruh findet, so werden die verbündeten Regierungen bereit sein, über die Formen der Kontingentierung und des Steuerzushlags Erwägungen anzustellen, um diese Bedenken zu beseitigen. Dem Abg. Enneccerus bemerke ih, daß bezüglich der Unterstüßungen aus dem Reichs-Jnvalidenfonds Grundsätze mit der Finanzverwaltung vereinbart find; sollte der ausgeworfene Betrag von 300 000 Æ überschritten werden, so bofen wir dafür die Zustimmung des Reichstags zu finden. Aus den Reden, der Abgg. Friyen und Enneccerus habe ich eitnommen, daß sie bereit sind, ernft- haft an eine Schuldentilgung beranzutreten, und ih boffe, daß trog des Widerspruchs des Abg. Richter ein solhes Geseß im Hause An- nahme finden wird.

Abg. Bebel (Soz.) wundert sich darüber, daß der Abg. von Kardorff eine Beschleunigung der Etatsberathung empfohlen habe; man solle lieber den Reichstag niht fo spät berufen, fondern {hon im No- vember anfangen. Die späte Einberufung des Reichstags erwecke den Anschein, als ob man nah dem Ausspruch des Fürsten Bismarck den Parlamentarismus durch den Parlatnentariëêmus ruinieren wolle. Man will wobl, fährt Redner fort, unliebsame Erörterungen und namentlich die Beratbung der zahlreichen Jnitiativanträge dadur verbindern. Wer die Thronrede liest, ohne die Verbältnifse zu kennen, muß glauben, daß im Deutschen Reich alles in Ordnung sei, daß von Klassenkäwpfen u. \. w. nichts vorhanden sei, daß z. B. in Bezug auf die Siegesfeiern gar keine Meinungsverschiedenbeiter bestehen. Sie kennen das Wort von der Rotte von Menschen, die nit verdienen, Deutsche zu heißen. Davon bätte doch etwas in der Thronrede zu erkennen gewesen \cin müssen. Der Reichskanzler hat einen wohlwollenden Ton angeschlagen, aber er hat mir doch Veranlassung gegeben, zu untersuhen, ob die gegen uns gerihteten Angriffe berechtigt sind. Daß die Re-

ierung dasselbe Programm wie früher hat, bat niemand ezweifelt; Herr von Köller is gegangen, Herr von der Recke ist gekommen, aber es wird derselbe Faden weiter gesponnen. Die beftebenden Gefeße sind gegen uns angewendet worden; die Staats- anwalte baben die Gelegenbeit dazu niemals versäumt, ja sie sind manch- mal vorgegangen in einer Weise, die mit dem Gesetz nit in Einklang steht; man hat uns verfolgt wegen Thaten, die den übrigen Parteien nachgeseben waren. Der Auéëspruch, daß das Vaterland kulturwidrig ift, stammt nit aus unseren Reihen. DerAusf\pruch ift gefallen, sogar die Ebe und Familie sind als kulturfeindlih bezeichnet worden. und zwar von dem bekannten Russen Bakunin, der immer un*er beftigster Feind war. Den sfozialdemokratishen Staat hat der Reichskanzler als einen N bezeichnet. Ih möchte hier konstatieren, daß an gewissen I «a

Präsident Frhr. von Buol: Herr Abg. Bebel, Sie brauchen hon zum zweiten Mal eine Wendung, welche nur auf Seine Majestät den Kaiser zu deuten ist. Ich fordere Sie dringend auf. dem alten Brauch zu folgen und jede Hineinziehung der Person Seiner Majestät zu unterlafsen. :

Abg. Bebel: Ich habe geglaubt, daß ih hier dasselbe Recht habe wie in jeder Volksversammlung und als Redakteur.

Präsident Frhr. von Buol: Ih muß mir jede Kritik meiner Nüge verbitten.

Abg. Bebel: Nun, wir werden ja Gelegenheit haben, auf dies Frage zurückzukommen bei unserem Antrage wegen Aufhebung der Strafgeseßbestimmungen über Majestätsbeleidigungen. Wie wir diefen Antrag begründen sollen, ohne auf Persönlich- keiten einzugehen , darauf bin ih heute {on neugierig.

(Schluß des Blattes.)

_ Dem Reichstag ift die Uebersicht der Ergebnisse des Heeres-Ergänzungsgeshäfts für das Jahr 1894 zugegangen.

Von den Abgg. Auer und Genossen sind im Reichstag folgende e eingebracht worden:

1) ein Geseßentwurf, betreffend das Recht der Versammlung und Vereinigung und das Recht der Koalition:

2) ein Antrag auf Aufhebung der §8 95, 97, 99 und 101 des H I Io für das Deutsche Reich;

3) ein Antrag auf obligatorishe Errihtung von Ge-

werbegerihten, auf Ausdehnung der Theilnahme an den Wahlen und Berufung zu Mitgliedern eines Gewerbegerihts auf die in den genannten Berufen beschäftigten weiblihen Personen; auf Herab- seßung der Verleibung des Wahlrehts und der Wählbarkeit auf das vollendete zwanzigste Lebensjahr; _ 4) ein Antrag auf Festseßung der täglihen Arbeitszeit für alle im Lohn-, Arbeits- und Dienstverbältniß im Gewerbe-, Fn- ce, Handels- und Verkehrswesen beschäftigten Personen auf aht Stunden;

9) ein Antrag auf Aufhebung sämmtliher landesgeseßzlichen Sonderbestimmungen über die Nechtsverbältnisse der land- und forstwirthschaftlihen Arbeiter und des Gesindes zu ihren Arbeitgebern beziehungsweise zu ihrer Diensft- herrschaft; y

6) ein Antrag auf Vorlegung eines Reihs-Berggesetzes;

7) ein Antrag auf Vorlage eines Geseßentwurfs, durch welchen an Stelle der im § 139b. der Reihs-Gewerbeordnung bestimmten Beamten und Landespolizeibehörden Betriebsaufsihts-Bebörden nah folgenden Grundfägen errichtet werden sollen: „Die Aufsitht er- streckt sih auf alle Betriebe im Gewerbe, einscließlih der Heimarbeit, Handel, Verkehr, Bergbau, Land- und Forstwirthschaft, Fischerei und Schiffahrt. Sie wird einer Reichs - Zentral - Aufsichtsbehörde über- tragen, welche dieselbe nah Inspektionsbezirken zu organisieren hat. In den Inspektionsbezirken wird die Betriebsaufsiht von Reichs- beamten und Beigeordneten gemeinsam ausgeübt mit dem Ret, ihre Anordnungen zwangsweise durhzuführen. ie Beigeordneten sind auf Grund eines allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wablrechts von den Hilfspersonen aller Betriebe zu wählen. Weibliche Beamte und Beigeordnete sind entsprehend der Zahl der in den Betrieben Oen weiblichen Hilfspersonen anzuftellen beziehungsweise zu wählen“;

_8) ein Antrag auf Aufbebung der dem Statthalter von Sr L Ne BOFNNIRgEN übertragenen außerordentlihen Ge- walten;

9) ein Antrag auf Einführung des RNeichsgesetes für die Presse in Elsaß-Lothringen;

10) ein Antrag auf Einführung der Gewerbeordnung

in Elsaß-Lothringen; ____11) ein Geseßentwurf, nah welchem der Artikel 3 der Ver- fa]sung des Deutschen Reichs folgenden Zusaß erhalten soll: „In jedem Bundesstaat und in Elsaß-Lothringen muß eine auf Grund des allgemeinen, glei{hen, direkten und geheimen Wabhlrechts gewählte Vertretung bestehen. Das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, haben alle über 20 Jahre alten Reichsangebörigen ohne Unterschied des Geschlechts in dem Bundesftaat, in dem sie ihren Wohnsiß haben. Die Zustimmung _ dieser Vertretung is zu jedem Landesgesez und zur Feststellung des Staatshaushalts-Ftats erforderlih* ;

12) ein Antrag auf Abänderung des Artikels 31 des Ge- seßes, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs, vom 16. April 1871.