1895 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Amd E R E E

o e E a A T

Der Vertrieb erfolgt dur die Verlagsbuhhandlung von R. Ei fen- \chmidt hierselbst, Neustädtische Kirchstraße Nr. 4/5. Der Preis eines jeden Blattes beträgt 1 Berlin, den 12. Dezember 1895. : ; Königliche Landes-Aufnahme. Kartographische Abtheilung. von Usedom, General - Major.

Jn der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staats - Anzeigers“ wird eine Bekanntmachung des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegenheiten ver- offenilicht, betreffend die Seminare und Termine für Abhaltung des sechs8wöchigen Seminarkursus jeitens der Kandidaten des evangelischen Predigt- amts, die Termine für die Prüfungen an denSchul- lehrer- und Lehrerinnen-Seminaren, die Termitt ür die Prüfungen an den staatlihen Präparanden- aren die Orte und Termine für die Prüfungen der Lehrer an Mittelshulen sowie der Rektoren, die Orte. Und TU&tmine für die Prüfungen der Lehrerinnen, der Sprachlehrerinnen und der Schul- vorsteherinnen, dieOrte und Termine fürPrüfungen der Lehrerinnen für weiblihe Handarbeiten, die Orte und Termine für die Prüfungen als Vor- steher und als Lehrer für Taubstummen-Anstalten, die Orte und Termine für die Prüfungen der Turn- lehrer und Turnlehrerinnen, den Termin für Er- öffnung des Kursus in der Königlichen Turnlehrec- Bildungsanstalt, sowie den Termin für Eröffnung des Kursus zur Ausbildung von Turnlehrerinnen im Jahre 1896.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. Dezember.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen im Neuen Palais heute Vormittag die Vorträge des Kriegs- Ministers und des Chefs des Militärkabinets entgegen, empfingen um 12 Uhr in besonderer Audienz den neu _er- nannten großbritannishen Botschafter am hiesigen Hofe Sir Frank Lascelles behufs Entgegennahme dessen Beglaubigungs- shreibens, und sodann den Minister des Königlichen Hauses von Wedel sowie den Ober-Stallmeister Grafen von Wedel

und den Hof-Baurath Jhne.

Der Bundesrath versammelte sih heute Nachmittag u einer Plenarsizung. Am Vormittag hielt der Aus\s{huß für Justizwesen eine Sigung. °

Das Staats-Ministerium trat heute Nachmittag 4 Uhr im Reichstags8gebäude unter dem Vorsiß des Minister- Präsidenten Fürsten zu Hohenlohe zu einer Sizung zu- sammen.

Das „Marine-Verordnungsblatt“ vom 9. Dezember ver- öffentliht nachstehende Allerhöchste Ordre:

Ich bestimme: An Stelle der Direktion des Bildungêwesens der Marine wird die Inspektion des VBildungswesens der Marine ein- eseßt. Der Direktor des Bildungswesens hat fortab den Titel: Inspekteur des Bildungswesens der Marine zu führen. Gleichzeitig genehmige Jh die Mir vorgelegten Organisatorischen Bestimmungen für diese Behörde. Sie haben das Weitere zu veranlassen.

Neues Palais, den 26. November 1895,

W ilhelm.

An den Reichskanzler (Neihs-Marine- Amt).

Die Allerhöchst genehmigten Organisatorishen Be- stimmungen für die neu errichtete Inspektion des Bil- dungswesens der Marine lauten, wie folgt:

1) Der Inspektion des Bildung8wesens der Marine sind unter- stellt : a. die Marine-Akademie und die Marineschule, b. die Deck- offiziershule, c. die Kadetten-Anuahme-Kommission, 4. die Kadetten-, Seekadetten- und Schifféjungen-Schulschiffe in Betreff der Erziehungs- und Persfonalangelegenheiten der Kadetten und Seekadetten.

2) An der Spitze steht ein Flaggoffizier. Derselbe hat die allge- meinen dienftlihen Befugnisse und Pflichten eines Brigade-Komman- deurs der Armee.

3) Der Inspekteur is der direkte Vorgeseßte der unter 1 a und b genannten Anstalten. Er leitet im Rahmen der besonderen Bestimmungen den Dienstbetrieb beziehungsweise die wissenschaftliche Ausbildung daselbst. / i:

4) Der Inspekteur is in persönlichen und Kommando-Angelegen- heiten dem Kommando der Marinestation der Ostsee, in Unterrichts- und Ausbildungs-Angelegenheiten im allgemeinen dem Oberkommando der Marine und in Bezug auf Organisations- und Verwaltungs- Angelegenheiten dem Reichs - Marineamt unmittelbar unterstellt. N R Kommando der Marinestation der Nordsee verkehrt derselbe

ireft.

5) Die Kadetten und Seekadetten stehen unter der Inspektion des BVildungswesens vom Diensteintritt bis nah bestandener See- offizieréprüfung. Die Inspektion ist demgemäß in allen die Kadetten und Seekadetten betreffenden persönlichen und Kommando-Angelegen- heiten Instanz zwischen den Schiffskommandos 2c. und dem Kommando der Marinestation der Ostsee, in allen Ausbildungs- Angelegenheiten puticen den Schiffékommandos 2. und dem Oberkommando der

arine.

6) Die Zivillehrer an den unter 1 genannten Lehranstalten und auf den Kadetten-Schulschiffen stehen unter der Inspektion.

7) Der Inspekteur besihtigt die ihm unterstellten wissenschaft- lichen Anstalten (siehe unter 1 a und b) fo oft, wie ibm erforderlich erscheint. Nach seinen Anordnungen wird die praktishe Prüfung der en und Seekadetten in der 1. und 2. Seekadetten-Prüfung ab- gehalten.

8) Der Inspekteur ist Vorsitzender der Kadetten-Annahme- Kommission.

9) Die Vertretung des Inspekteurs erfolgt für die Dauer bis zu 14 Tagen durch den ältesten in Kiel Aivelenben Seeoffizier seines Befeblsbereihs. Bei nothwendig werdenden längeren Vertretungen ist die Kommandierung eines Vertreters bei dem kommandierenden Admiral auf dem Dienstwege nachzusuchen.

10) Zum Stabe der Inspektion gehören: 1 Adjutant, 1 Ober- arzt (gleichzeitig Oberarzt bei der Marine-Akademie und -Schule und bei der Deoffiziershule), 1 Zahlmeister (gleihzeitig Vorstand der Verwaltung der Marine-Akademie und -Schule), 1 etatsmäßiger Schreiber, 1 Hilfs\{hreiber und 1 Ordonnanz.

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Im Monat November d. J. haben 1344 Schiffe mit einem Netto-Raumgehalt von 157172 Reg.-Tonnen den Kaiser C E Na | benußt und an Kanalabgaben

und Schleppge

ühren zusammen 106729 M entrichtet.

Der Kaiserlihe Gesandte in Bukarest Graf von Leyden ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der mit der kommissarischen Verwaltung des Landraths- amts im Kreise Löwenberg i. Schl. beauftragte Regierungs- Assessor aus dem Win@el ist von pw des Jahres 1896 ab der Königlihen=Regierung in Merseburg zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Köln, 11. Dezember. Der Kardinal-Erzbischof Melchers ist an einer Lungenentzündung erkrankt. Der „Kölnischen Volkszeitung“ zufolge sei wenig Hoffnung auf Genesung vorhanden.

VBayern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz - Regent hat be- stimmt, daß das 8. und das 14. Jnfanterie-Regiment aus Anlaß der 25jährigen Erinnerungsfeier des Feldzugs von 1870/71 die hon früher geführte Benennung „Pranckh“ beziehungsweise „Hartmann“ bis auf weiteres wieder annehmen. Seine Königliche Hoheit der Berao Karl Theodor in Bayern ist zum Jnhaber des 3. Chevauxlegers-Regiments ernannt worden. Das Regiment führt in Zukunft den Namen „Chevauxlegers-Regiment Herzog Karl Theodor“. E

Der Legations-Sekretär bei der bayerischen Gesandtschaft beim Quirinal, Legations-Rath Freiherr von und zu Gutten- berg ist zur bayerishen Gesandtschaft in Berlin verseßt und der interimistische bayerishe Geschäftsträger in Bern, Legations- Sekrctär Freiherr von Riederer der bayerishen Gesandt- schaft in Wien zugetheilt worden.

Die Kammer der Reichsräthe nahm gestern den Gesehentwurf, betreffenddie provisorische Steuererhebung), und weiterhin den Militär-Etat an. Eine längere Debatte knüpfte fich an den Ausshußantrag: die Kammer möge der Resolution der Kammer der Abgeordneten auf thunlichste Herabminderung der Pensionierung von Offizieren zustimmen. Mehrere Redner erklärten sih ausdrücklih mit dem Prinzip der Verjüngung der Armee einverstanden und bekämpften den Ausshußantrag. Der Kriegs-Minister Freiherr von As ch er- klärte: die in der Resolution zum Ausdruck kommenden Wünsche konnten nur in fehr geringem Maß erfüllt werden. Nur wenige Offiziere würden gegen ihren Willen pensioniert. Möge der Antrag angenommen oder abgelehnt-werden er, der Kriegs- Minister, werde sich stets nur von der Rücfsiht auf die Schlagfertigkeit und Tüchtigkeit der Armee leiten lassen. Schließlich wurde der Ausschußantrag mit 38 gegen 17 Stim- men abgelehnt. Die Kammer der Abgeordneten nahm den Gesegentwurf über die Viehversiherung in der vom Ausschuß vorgeschlageneu Form mit 111 gegen 4 Stimmen an. Sodann wurde folgende Resolution ohne Debatte genehmigt :

„Es sei an die Regierung die Bitte zu stellen, sie wolle dem Landtag einen Geseßentwurf über eine staatlih geleitete Pferde- versicherung thunlihst bald dann vorlegen, wenn die Bildung von lokälen Verbänden zu diesem Zweck in ârößerer Anzahl erfolgt ist.“

Die Kammer trat hierauf in die Berathung des Entwurfs eines Normalstatuts für die Orts-Viehversicherungs-Vereine ein. Das Normalstatut soll durch den Landtag erstmalig fest-

geseßt werden; spätere Abänderungen bleiben der Zuständigkeit .

der Anstaltsleitung vorbehalten.

Sachsen.

Die Zweite Kammer überwies in ihrer vorgestrigen Sigzung die Vorlage über den Ankauf der preußischen Eisen- bahnstrede Zittau—Nikrish und der Altenburg - Zeitzer Privateisenbahn an die Finanzdeputation B. Darauf folgte die allgemeine Vorberathung über den Antrag der Abgg. Fräßdorf und Genossen auf Einführung des allgemeinen Wahlrehts bei den Land- tagswahlen und Aufhebung des Landtagswahl- gejeßes. Der Antrag wurde von dem Abg. Stolle-Gesau begründet. Der Abg. Dr. Mehnert sprach namens der ton- servativen Partei gegen den sozialdemokratischen Antrag und brachte am Schluß seiner mit lautem Beifall aufgenommenen Rede folgenden, von sämmtlichen Abgeordneten der konserva- tiven, nationalliberalen - und Fortschrittspartei unterzeichneten Antrag ein:

In der Erwägung, daß das allgemeine gleiche, direkte und ger heime Wablrecht den Verbältnissen und Interessen des Landes nicht entspriht; in der Erwägung, daß diesen Interessen eine Aenderung des Wahlrechts nur dient in der Richtung. daß das Wahlsystem auf dem Prinzip des Verhältnisses der Leislungen der einzelnen Staats- bürger an direkten Staatssteuern aufgebaut wird unter ausdrüdlicher Wahrung des Grundsaßzes, daß eine Entziehung des Wahlrechts der- jenigen, die dasselbe jetzt besißen nicht eintritt wolle die Kammer be- schließen: über den Antrag Fräßdorf zur Tagesordnung überzugehen.

Nach längerer Debatte wurde der Antrag Mehnert gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen.

Württeuberg.

Jn der Kammer der Abgeordneten hat am Dienstag die Generaldebatte über die Steuerreform ihren Anfang genommen.

Oefterreich-Ungarn.

Das österreihishe Abgeordnetenhaus seßte gestern die Debatte über das Budget fort. Der Abg. Fournier (deutsh-liberal) erklärte, die Deutshen böten auf realer Basis den Czechen gern die Hand zum Frieden. Der Abg. Pacak (Jungczeche) betonte der Regierung gegenüber, das Ge Volk werde wegen etwaiger wirthshaftliher Konzessionen den Kampf um seine Prinzipien nit aufgeben: der Linken gegen- über hob er die Geneigtheit der Czehen zum Frieden auf der Basis sprachlicher Gleichberehtigung und Autonomie hervor.

In einer gestern abgehaltenen Konferenz der Klub- Obmänner, welher auch der Minister - Präsident Graf Badeni beiwohnte, wurde, dem „W. T. B.“ ufolge, be- \hlossen, die Spezialdebatte über das Budget bis Meihncchten fortzusezgen und wshrend derselben kleinere Geseße einzuschalten, darunter das Budgetprovisorium und das Gejeß wegen Aus-

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dehnung der Wohlthaten der Militär-Wittwen- und Waisen- versorgung auf die bisher hiervon Ausgeschlossenen, welhes dem- nächst eingebraht werden wird. Der Vorschlag der Jungczechen, die Budgetdebatite abzubrehen und das Heimathsgeseß auf die Tagesordnung zu segen, wurde abgelehnt.

Großbritannien und Frland.

Eine Deputation der „Landwirthschaftlihen Ver- einigung“ besuchte gestern Lord Salisbury und den Schaz- kanzler Sir M. Hicks-Beach, um eine t der Biersteuer, welche das Brauen von Bier aus englischer Gerste, englishem Malz und Hopfen fördern würde, zu be rworten. Lord Salisbury versicherte der Deputation, die Re- gierung sei sorgsam darauf bedacht, ein passendes Heil- mittel für die Schwierigkeiten der Landwirtbschaft an- zuwenden. Troßdem er immer Gegenseitigkeit befürwortete, habe er nie Schhuzzollpolitik vorgeshlagen. Jeder - Minister sei zu tadeln, der die Lg auf. iedereinführung einer Schutzollpolitik unterstüße. Sir M. Hicks-Bea ch ersuchte die Deputation, ihre Vorschläge schriftlih zu unterbreiten, betonte jedoch nahdrücklich die in der Praxis vorliegende Schwierig- keit bei der Unterscheidung zwischen englischer und ausländischer Gerste und Hopfen. Welcher Art au immer ein Vorschlag sei, er dürfe niht einen masfierten Schußzoll enthalten. Der Hauptvorshlag der Deputation ging DeI die Steuer auf Bier, welches aus englishen Produkten A neneltt wird, um einen Schilling per Barrel zu vermindern und die Steuer auf Bier aus ausländischen Produkten um denselben Betrag zu

erhöhen. Frankreich.

Der Präsident Faure überreichte gestern im Elysée die Baretts an die neu ernannten Kardinäle. Jn seiner Ansprache gab er seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß die Kardinäle den Geist der Versöhnlichkeit und das Verständniß für die Bedürfnisse und die Bestrebungen der demekratischen Sal ronng Frankreihs in die Kirche hineintragen würden.

Der Forschungsreisende Mizon ist zum Residenten in Majunga (Madagaskar) ernannt worden. S

Das Dekret, wonach Madagaskar dem Ressort des Ministeriums der Kolonien unterstellt werden soll, ist von dem Präsidenten Faure unterzeihnet worden.

Die Deputirtenkammer jeßte gestern die Berathung des Armeebudgets fort und nahm einen Antrag an, wonach, abgesehen von außerordentlihen Umständen, Fleishkonserven für die Armee vom -1. Januar 1897 ab nur durch Kon- serven erseßt werden können, welhe in Frankreih oder den franzöfishen Kolonien hergestellt find. Bei dem Kapitel „Be- fleidung und Ausrüstung“ ersuhte der Deputirte Gérault Richard die Regierung, die Urheber und Theilhaber des Lederrings zu erforschen und zu bestrafen. Der Kriegs- Minister Cavaignac erklärte, das Syndikat dieser Spekulation habe fich in Amerika gebildet, es sei kein Anzeichen dieses Ringes in Frankreich entdeck worden. Der Antrag Gérault Richarb's wurde indessen angenommen. Die Kammer genehmigte hierauf das Armeebudget und trat in die Be- rathung des Marinebudgets ein, dessen Artikel sämmtlich genehmigt wurden. Der Berichterstatter Pelletan erklärte, es werde der Bau von Kreuzern in Angriff genommen werden, weil dieselben den gegenwärtigen Gefechläbedingungen besser

entsprächen. Rußland.

Dem „Tschern. Westn.“ zufolge ist der Dampfer der freiwilligen Flotte „St. Petersburg“ in Batum ein- getroffen und wird dort zur Verfügung des Großfürsten- Thronfolgers für dessen Reise nah einem klimatish günstiger gelegenen Ort in Bereitschaft gehalten. Der Groß- fürst-Thronfolger wird in den nächsten Tagen in Batum er- wartet. Wie nah einer Meldung des „W. T. B.“ gerücht- weise in St. Petersburg verlautet, würde die Kaiserin- Wittwe sih direkt nah dem Reiseziel des Großfürsten- Thronfolgers, als welhes Nizza genannt wird, begeben.

Jtalien.

Die Deputirtenkammer genehmigte gestern die Vor- lage, nah welcher die Prämien zu Gunfien der Handels- marine bis zum 31. Dezember 1897 verlängert wcrden. Bei der zweiten Berathung über die Militärdekrete wurde über die Trr ng Sanguinetti des Jnhalts, daß von den Erklärungen des Kriegs-Ministers Kenntniß genommen werde, durch Aufstehen und Sizenbleiben abgestimmt. Die Kammer nahm die Tagesordnung mit großer Majorität an. Dagegen stimmten die Deputirten di Nudini, Zanardelli, Brin, Cavallotti und deren Freunde. Am Schluß der Sizung erflärte der Kriegs-Minister General Mocenni, es gebe feine anderen Telegramme aus Afrika, auch keine privaten, als diejenigen der „Agenzia Stefani“, und fügte s{ließlih hinzu, die Situation habe fich infolge der Vereinigung General Baratieri's mit General Avimondi gebessert.

Das Kriegsschiff „Piemont“ is gestern Abend von Neapel nach der Levante abgegangen.

Die „Opinione“ theilt mit, die Befehle zur eifrigen Ueberwachung der Küsten des Rothen Meeres zur Verhinderung der Einfuhr von Waffen für Schoa seien erneuert worden.

Nach einem sehr ausführlichen Bericht der „Agenzia Stefani“ über das Gefecht bei Amba-Aladji begann das- selbe am 7. d. gegen 61/2 Uhr Morgens. Die Truppe des Majors Toselli bestandaus 1040 eingeborenen Soldaten und einer Batterie. Ras Olie eröffnete mit 7000 Tirailleurs den E gegen welchen die Jtaliener sich tapfer vertheidigten. ittlerweile debouchierte eine von Ras Micael und Ras Makonen geführte shoanische Kolonne von 15000 Mann zum Angriff auf das Zentrum der -italienishen Stellung. Der linke ita- lienishe Flügel, obwohl sehr ausgedehnt, hielt durch eine glänzende Gegenattacke die zwanzigfah überlegenen Streit- kräfte im Schah. Die Lieutenants Molinari und Baralle waren bereits unter den Todten, Lieutenant Mazzai war verwundet. Major Toselli suchte die Stellung zu be- haupten, welche - die Straße nach Antalo \hüßte, von wo, wie er hoffte, General Arimondi ein- treffen würde. Um 9 Uhr schickte Major Toselli die Kom- pagnie Ricci zum Angriff vor. Während die italienische Batterie große Lücken in die starke Kolonne der Schoaner riß, traf um 9% Uhr die Nathricht ein, daß eine Kolonne des- Ras Alula- und des Nas Mangascha die italienische Stellung zu umgehen suhe. Major Toselli konzentrierte seine Truppen zur Vertheidigung, indem er Amba-Aladji als S Ns benußte. Um 11 Uhr ertheilte Major Toselli Ricci, Canovetti und

„u nehmen.

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Zsel den Befehl, einen legten Angriff zu machen und sich sodann auf Amba-Aladji zurückzuziehen. Der glänzend ge- füzrte Widerstand dauerte bis 12 Uhr 40 Minuten, um welche Zit Major Toselli, nahdem er jede Hoffnung auf Succurs azfgegeben, den Rückzug anbefahl. Als die vorsichtig

hranrückdenden Schoaner das Einstellen des Batkteriefeuers

gwahr wurden, drangen fie in Masse vor. Dieser Augen- bick war ein ernster, man kämpfte Mann gegen Mann: die mter den Befehlen des Lieutenants Scala stehenden Suda- sen stürzten, um die Batterie nicht aufgeben zu nüssen, lieber die Tragstiere, die Geshüge und die Nunition in eine Bodenvertiefung. Lieutenant Man- fedini gab noh auf 50 Schritt Kartätshenshüsse ab, allein de furchtbar überlegene Zahl der Schoaner mate jede weitere Zertheidigung unmöglih. Es begann nunmehr der Abstieg iber den coupierten Abhang, um die Richtung auf Makalle Der Leßte im Zuge war Major Toselli, velher, seine heitere Ruhe und Energie bewahrend, die 1ôthigen Weisungen gab, um die erlittenen Schäden zu mildern. Nur wenige Offiziere waren noch mit ihm, und zwar Angbera, Pérsico, Bodrero und Bagella. Sie bildeten mit den tapferen, óllig ershöpften Soldaten eine kleine Phalanx, welche alle zehn Schritte Schüsse wehselte. Doch verminderte fich die- elbe in dem Maße, als sie den Abstieg fortsegte. Auf der Straße nah Antalo angekommen, ertheilte Major Toselli Bodrero den Befehl, die Ueberlebenden zu sammeln und sie nah Makalle zu führen, während Toselli se:bst auf dem Plate verblieb, sich Jegen den Feind wandte und si seinen Schüssen zum Ziele 3ot. Er fiel und mit ihm alle seine Begleiter. Bodrero for- mierte seine Kolonne von neuem, zog die Zerstreuten an si und führte sie nah Adera, wo sih General Arimondi befand, der von den soeben stattgehabten Gefehten noch nichts wußte. Bagella und Bazzani befinden sich unter den Geretteten, General Arimondi, welcher den Feind aufhielt, blieb bis in die Nacht in Adera, wo er die Verwundeten und Zerstreuten sammelte, und kehrte zu vorgerückter Nachtstunde nah Makalle zurü.

Eine weitere Depesche der „Agenzia Stefani“ aus Massowah berichtet über den tiefen Eindruck, welchen der Widerstand der italienishen Truppen auf die Schoaner hervor- brachte, die sih der Meinung hingegeben hatten, einen raschen Sieg davontragen zu können. Die Schoaner hatten unter den von ihnen sofort vom Kampffelde Getragenen allein 600 Todte. Ras Micael soll sich unter den Todten befinden, Ras Alula schwer, Ras Mangascha leiht verwundet sein.

Schweiz.

Die Bundesversammlung hat zum Bundes- Präsidenten für das Jahr 1896 Lachenal- Genf (radifal) und as Vize-Präsidenten Deucher- Thurgau (radikal) gewählt

Der Ständerath hat sich mit 27 gegen 15 Stimmen Dr die Einrichtung der künftigen Noten-Monopol- Bank als einer rein staatlihen Bank ausgesprochen und trat sodann in die Berathung des vom Nationalrath angenommenen Geseßentwurfs , betreffend die Schaffung einer Bundes- bank, ein.

Die Kommission des Ständeraths zur Prüfung des Rechnungswesens bcendigte gestern die Berathung der Vorlage des Bundesraths. Die Anträge der Kommission werden am Freitag zur Veröffentlihung kommen. Dem Vernehmen nach hat die Vorlage verschiedene Abänderungen erfahren.

Türkei,

Das Jrade, welches den Austritt von der Goltz Pascha’s aus türkischen Diensten genehmigt, ist, wie „W. T. B.“ berichtet, nunmehr erschienen. Von der Golg Pascha, der am Freitag von Konstantinopel abzureisen gedenkt, gab am Dienstag Abend ein Abschiedsdiner, welchem der deutshe Bot- schafter Frciherr von Saurma-Jelt\ch sowie die Mitglieder der dentlichen Botschaft beiwohnten.

Nach einer Meldung des „Reuter’shen Bureaus“ aus Konstantinopel von gestern ist das britische Kriegs\chiff „Cockatrice“ zur Vereinigung mit dem Geschwader nah Salonichi abgegangen. Der „Dryad“ soll heute in Kon- stantinopel eintreffen.

Die Rückkehr Said Pascha’s in seine Wohnung geschah, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel erfährt, erst, nahdem er ein eigenhändiges Schreiben des Sultans empfangen hatte. Bevor er die britishe Botschaft verließ, rihtete Said Pascha ein Schreiben an Sir Ph. Currie, worin er diesem mittheilte, daß er -nur eine Naht in der Botschaft zuzubringen und dann zur Wiederherstellung seiner Gesundheit mit seiner Familie ins Ausland zu gehen be- absihtigt habe. Es sei ihm unmöglich gewesen, das vom Sultan ihm wieder angebotene Großvezirat abermals zu über- nehmen. Während seines Aufenthaltes in der Botschaft habe er den Sultan wiederholt um die Erlaubniß gebeten, die Türkei zu verlassen. Endlich habe er, infolge der wieder- holten Freundschaftsversiherungen, die ihm der Sultan shriftlich gemaht und auch den Botschaftern gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, sich entschlossen, nah seiner Wohnung zurüczukehren. Der Brief schließt mit der Danksagung für die von Sir Ph. Currie gewährte Gastfreundshaft. Der Sultan genehmigte die Bitte Said Pascha's, ihn in keinerlei amtlicher E zu verwenden und ihm zu gestatten, in Freiheit weiter zu leben.

Der Sultan hat dem erge Großvezier und gegen- wärtigen General-Gouverneur von Smyrna Kiamil Pas cha ein sehr kostbares Geschenk gesandt und gleichzeitig dessen Gehalt erhöht.

Serbien.

Art. 5 der Budgetvorlage ermächtigt den Finanz- Minister zur Ausgabe von Kassabons bis zu 5 Mil- lionen Francs im Laufe des Budgetjahres ; diese Bons sind aber vor Abshluß des Rechnungsjahres einzulösen. Art. 6 ordnet - für den Fall, daß das Plus mit dem Zahresabschluß 500000 Fr. oder mehr ausmachen sollte, an, daß dieser Betrag dem Kriegs-Minister als außerordentliher Kredit für 1896 zur Verfügung ju stellen sei. Die mit dem Budget zuglei vorgelegte Schl u rechnung pro 1894 weist von den vorgesehenen 63810 820 Ls innahmen als thatsählich eingegangen 59 220 236 örancs nach gegenüber 64 057 882 Francs Ausgaben. Somit ergiebt sih ein Defizit von 4 837 646 Francs.

Bulgarien.

Gegenüber den in bulgarischen und ausländischen Blättern fortgeseßt gebrahten neuen Verfionen über die Frage der

eligion des Prinzen Boris stellt die „Agence

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Balcanique“ fest, daß ernste politishe Kreise diese Frage an- esfihts der Erklärung des Prinzen rdinand, aas Fiberlei uslegung gestatte, außer allcr Diskussion ließen. Von den-

selben Dispo itionen sei die Regierungsmehrheit in der Sobranje

erfüllt gewesen, als siein der vorleßten Sißung sich geweigert habe, den Antrag auf Abänderung des Art. 38 der Verfassung zu be- rathen, welher vor 14 Tagen eingebraht worden sei und

S Unterschriften - von Radoslawowist:n getragen habe.

In derselben Absicht habe die Kammer den Antrag Takiew

zurückgewiesen, welcher verlange, daß die Amnestierung der

Offiziere in russishen Diensten, welche in die Amnestie von

1894 nicht inbegriffen seien, auf die Tagesordnung der nähsten

Sizung gestellt werde. /

In der gestrigen Sißung der Sobranje wurde das

Budget vorgelegt. Die Gesammteinnahmen betragen,

wie bereits gemeldet, 91670000 Fr. Das Gleichgewicht

wird hergestelt mittels außerordentliher Kredite im

Betrage von 929 468 Fr., von denen mehr als 700 000 Fr.

zur Deckung der _ budgetären Bedürfnisse der früheren

Regierung nothwendig sind. Das Kriegsbudget ist nur um

128 000 Fr. erhöht. Jn feinem Exposé hob der Finanz-

Minister hervor, daß das Budget seit dem Jahre 1887

infolge der Mißbräuhe mit den außerordentlihen

Krediten stark angewachsen sei, was seit dem Jahre 1894

aufgehört habe. Die für die öffentlihen Arbeiten ver-

langten Kredite seien zum großen Theil für die Wiederinstand- teßung der Eisenbahnlinie Rusishuk - Varna bestimmt, welche infolge des shlechten Materials in Verfall gerieth.

Amerika. Zahlreihe Banden Aufständisher haben, wie aus )avanna gemeldet wird, die Stadt Rodrigo in der Provinz atanzas angegriffen, 11 Gebäude in Brand gesteckt und geplündert, mußten aber vor den Truppen zurückweichen und erlitten sehr bedeutende Verluste. Eine starke Jnsurgenten- Abtheilung, welche au Artillerie mitführte, griff das Fort Remanganagua an. Der Ausgang des Angriffs ift noch unbekannt. In Havanna ist das Gerücht verbreitet, daß eine Flibustier-Expedition bei Kap Maysi gelandet sei.

Die argentinische Regierung hat, dem „W. T. B.“ zufolge, dem Kongreß eine Vorlage zugehen lassen, wonach eine Zuckerausfuhrprämie gewährt werden soll. Man glaube in Buenos Aires, daß der Kongreß der Vorlage zu- stimmen werde. E

Asien.

Im Haag ist die amtliche Nachricht eingetroffen, daß bei der Verhaftung eines Santrie (Lehrers an einer Priester- shule) auf der Jnsel Madura in Niederländish-JIndien die Bevölkerung einen Widerstand geleistet habe, gegen den die Polizeimacht unzulänglih gewesen sei. Tags darauf sei es einer Kompagnie Soldaten gelungen, 150 bewaffnete Aufrührer zu zerstreuen, welhe 29 Todte und 12 Verwundete auf dem Plate gelassen hätten. Der Santrie und ses seiner Anhänger jeien verhaftet worden. Die Nuhe sei wiederhergestellt.

Afrika.

Wie der „Agenzia Stefani“ aus Tanger von gestern mitgetheilt wird, ließ der Sultan von Marokko der italienishen Gesandtschaft die Summe von 76 545 Pe- setas zur Verfügung stellen, um damit einen Theil der von den italienishen Staatsangehörigen erhobenen Ansprüche auf Entschädigung zu befriedigen. s

Aus Kairo erfährt das „Reuter sche Bureau“. daß am Dienstag Abend ein Detachement Kameel-Reiter der Der wise unvermuthet ein Dorf im Norden von Wadyhalfa über- fallen habe. Nach Plünderung des Dorfes und Verbrennung der Einfriedigungen für das Vieh seien die Derwische in die Wüste zurückgekehrt. Berittene Detachements seien zur Ver- folgung der Räuber aufgebrochen.

Die „Agenzia Stefani“ berichtet aus Massowah, der General Arimondi habe sih mit dem General Baratieri vereinigt. Leßterer habe die vorgeschobene Stellung bei Adaghamu besucht und einen Tagesbefehl zum Lobe der in heldenmüthigem Kampfe Gefallenen erlassen, worin es heiße: Alle hätten in dem Kampfe bei Amba-Aladji eine bewunderungs- würdige Haltung beobahtet. Der Kampf habe stattgefunden, weil der Major Tosfelli den ihm von dem General Arimondi in Uebereinstimmung mit dem General Barätieri gesandten Befehl, fih zurückzuziehen, nicht erhalten habe. Es habe sih bei niemandem Unentschlofsenheit gezeigt, und unter den shwierigsten Umständen auch während des siebenstündigen Kampfes sei keiner abtrünnig geworden. Nur Schehthala sei vershwunden. Die Haltung der Offiziere und Mannschaften sei vorzüglih gewesen; die mobile Miliz habe wie immer voll- fommen den Erwartungen entsprohen. Nach den zuleht eingetroffenen Nachrichten würden die Schoaner von Mafkale aus noch nit gesehen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißgung des Reichstags befindet sih in der Zweiten Beilage.

In der heutigen (6.) Sizung des Ra gs: welcher der Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Bevollmächtigte zum Bundesrath, preußishe Staats-Minister Bronsart von Schellendorff, der Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Graf von Posadowsky, sowie der Staatssekretär des Reichs-Marine- amts Hollmann beiwohnten, wurde die erste Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1896/97 fortgeseßt. Das Wort erhielt zunächst der 4 : : Abg. Zimmermann (Reformpartei) : Weder die Thronrede, noh der vorliegende Etat hat uns befondere Ueberrashungen gebracht. Gegenüber den Finanz-Ministern bat der Reichstag selbst Recht be- halten bei feiner Veranschlagung der Einnahmen. Im vorigen Jahre war der Wechsel im Reichékanzleramt ein Grund für die späte Einberufung des Reichstages. Ein folcher Anlaß lag aber in diesem Jahre nicht vor. Die Zeit des Reichstages ist durch die srâte Einberufung sehr beschränkt, und nach Schluß des Reichstages wird die offizióse Presse loëgelassen und behauptet dann, daß der Reichstag nichts geleistet habe. Unter den Vorlagen befinden sich diejenigen, betreffend die Handwerkerkammern und betreffend die Margarine; beide werden niht ausreichen, der Noth des Mittelstandes avzubelfen. Und das Börsengeseß wird, wie Herr Barth {hon be- hauptet, der Börse keine großen Schmerzen machen. Wenn jeßt an die Zeit vor 25 Jahren -erinnert wird, dann muß man sih dessen erinnern, was in der Zeit für den Mittelstand geschehen ist. Für das Großkapital ist viel geshehen. Für die Arbeiter etwas unter dem Druck der Verhältnisse, für die produktiven Stände ist nichts gesehen, und die Handwerkerkammern sind au nur eine leere Shüfsel,

in der nihts Genießbares sih befindet. So lange nicht etwas Anderes vorgelegt wird, ift die Vorlage für uns unannehmbar, die Handwerker- kammern fönnen erst der Schlußstein des Gebäudes sein. Der Mittelstand führt laute Klagen über die Ausfchreitungen des Genofsenshaftswesens. Die Beamtenvereine dehnen sich în ibrer Thätigkeit immer weiter aus. Die kleine Vorlage über das Ge- nofsenschaftsgesetz bringt gar nich!s; sie füllt nur eine Lüdte aus, und von einer Beschneidung der Auswüchse des Genossenschafts- wesens, welhe der Reichskanzler versprochen hat, ift niht die Rede. Herr Barth Hat das Hobe Lied der Handelsverträge gesungen ; aber wo ist denn der Nugen der Verträge für die Industrie ? Fürst Bismarck hat auch oft zweifelbafte Gewalten zu Hilfe ge- nommen, aber er war auch der Zaubermann, der die Besen in die Ee bannte ; seine Nachfolger haben diese Zauberkraft nicht. Man wird den Eindruck nicht los, daß in den regierenden Kreisen Kräfte walten, die einen Fortschritt niht zulassen; es geht einen Schritt vorwärts und einen zurück. Warum werden den Handwerkern nicht Staatse- arbeiten übertragen, warum werden die Juden dabei berüdsichtigt ? In Sachsen ist das mögli, warum nicht überall sonst auch? Die Unterbeamten baben berechtigte Klagen, namentlich in der Post- verwaltung. Ih bin auch dafür, daß die Postverwaltung bei den Bauten spart, aber den von Herrn von Podbieléfi bemängelten Postbau in Dresden, der ein sehr nothwendiger ist, möchte ih doh nit ver- missen. Die Wünsche des Reichétags sind fast sämmtlich abgelebnt worden vom Bundesrath, fo z. B. bezüglich der Gleichstellung der Zivil- und Militäranwärter und bezüglich der Ausgleihung der Ungleichheiten, welche fich bei den Dienstaltersstufen für die Postbeamten ergeben haben. Meine Freunde haben vielfa darauf hingewiesen, daß eine Vereinfahung der Arbeiterversiherungs-Gesetgebung nothwendig ist. Es is bedauerlih, daß zur Konferenz nicht praktis erfahrene Leute aus dem Mittelstand und aus dem Ar- beiterstand eingeladen worden sind. Die öffentliche Meinung glaubt, daß Herr von Boetticher sozialen Fragen nit sehr geneigt ist; es soll uns freuen, wenn die öffentliche Meinung Unrecht behält. Bezüglih der Petroleumvertheuerung hat der Staatssekretär von Boetticher Ermittelungen versprochen; es is aber nichts von deren Ergebniß bekannt geworden. Es ift {limm, wenn ein Land abbängig wird von auswärtigen Börsenmännern. Wir kommen dadurch in die Lage des Delinquenten, welher den Strick {hon um den Hals hat. Wenn der Petroleumkönig Roefeller sich großen Grundb-\ig zugelegt, so fann uns das gleichgültig sein, aber wenn er seine Mußestunden benußt, um als Präsident des Lederrings durch Aufkauf des Leders dasfelbe um 40/0 zu vertheuern, so sollte man dagegen einschreiten. England mat jetzt den Versuch, seine Kolonien zollpolitish zusammen- zuscließen. Auch dieses Vorgehen verdient große Beachtung. In solchen Vorgängen liegen die vernihtendsten Kritiken für unsere ganze Handelspolitik; wir müssen uns endlich besinnen darauf, daß nur ein nationales Wirthschaftssystem uns vor Gefahren bewahrt. Wenn der Kampf gegen die Soziald-:mokratie den Mittelpunkt aller Aufs gaben bildet, dann muß man auf die Wurzeln zurückgehen: auf den Liberalièmus und seine Gesetzgebung, welhe die Sozial- demokratie gefördert haben. Man treibt eine nervöse Politik dem Sozialismus gegenüber. Alle Maßnahmen sind ges eignet, der Sozialdemokratie Wasser auf ibre Mühle zu leiten. Nah Erledigung des Umsturzgeseßes traten allerlef Streitigkeiten unter den Sozialdemokraten auf, die meisten Maßs- nabmen dagegen waren geeignet, die Partei wieder zusammenzuschließen. Die Schimpfereien über die nationalen Sedenkfeiern baben in den Reihen der Genossen durhaus nit den erwarteten Beifall ges funden. Wenn man die Sozialdemokratie nit verfolgt, dann wird sich eine ruhige sozialreformatorische Bewegung bhberausébilden. Wenn gegenüber den fozialpolitishen Bestrebungen von Geistlichen und Profefforen gesagt wird, das sei ein Spielen mit dem Feuer, so muß doch dagegen protestiert werden. Es ist ein tiefer, heiliger Ernst, welcher diese Männer zur Beschäftigung mit sozialen Fragen drängt. Die heutige großkapitalistishe Entwicklung kann doch nicht die leßte Stuse sein; es muß eine Fortbildung geben, und ich glaube niht, daß der soziale Zukunfts- staat die nächste Stufe sein wird. Gegenüber dem wadchsen- den Reichthum einer- und der Verarmung andererseits muß ein Ausgleich gefunden werden. Wir sehen, wie beute die Grundlage des Reichstags, das allgemeine gleihe Wablrecht bekämpft wird, vorläufig nur außerhalb des Hauses, nebenbei in Hamburg, wo man dem Volk einzureden suht, daß dur die Beseitigung dieses Wahl- rechts die Verhältnisse gebessert werden fönnten. Es wird si zeigen, ob innerhalb des Hauses Parteien vorhanden find, welche das Wahlrecht ändern wollen, wie ih das in Sadsen {on gezeigt hat, wo man eine Art Dreiklassenwablsystem {hafen will, ein System, welches vom Fürsten Bismarck für alle Zeiten als das elendeste aller Wablsysteme gebrandmarkt ift. Mit folchen kleinen Mitteln find die Abgründe nicht zu überbrücken, welhe jeßt vorhanden sind. Wenn man den Sozialdemokraten au den Mund verschließt, die sozialen Fragen bleiben. England ift beute sicherer vor der Revolution als jemals. In Italien kann Crispi nur durch die eiserne Faust die Nevolution niederhalten, bei uns genügt allerdings noch die Feuers wehr. Man scheint mit der Angst vor der Sozialdemokratie im Trüben fischen zu wollen. Es bleibt vor allen Dingen anzu- streben, daß die unbeshäftigten Hände Beschäftigung finden. Es muß Abfluß geshafft werden in die Kolonien dur eine ernst- hafte Kolonialpolitik, niht durch Kolonialspielereien. Wir müssen für unsere Arbeiter sorgen und, ebenso wie in anderen Ländern, die Einwanderung fremter Arbeiter verhindern. Groß ift vor allen Dingen die Unzufriedenheit mit den bestehenden Nechts- zuständen; die hohen Gerichtskosten, die willkürliche Behand- lung der Presse durh die Scrichte erregen Unwillen. Wir meinen, daß das neue Bürgerlihe Gesetzbuch, welhes nach dem Urtheil Sachverständiger keineswegs einen deutschen Charakter hat, in mehreren Stücken einer gründlichen Dur{sihht unterzogen werden muß. Wenn der Bundesrath auch leiht über diese Frage hinweggegangen ift, wir als Volksvertreter haben eine größere Aufgabe, wir müssen prüfen, ob der nationale Geist das Werk durhweht. Der Professor Gierke und der Professor Dernburg haben sich niht fehr zustimmend über das Geseßbuh geäußert. Wir befürchten, daß das neue Geseßbuh Unzufriedenheit erregen wird, deshalb wollen wir das Geseß zu einem möglichst deutshthümlihen und sozialen Werke ausgestalten.

(Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg. Hausmann das Wort.)

__— Dem Reichstag isst die vom Bundesrath getroffene Be- stimmung über Abänderung der Bekanntmachung vom S Februar 1895, betreffend Ausnahmen von dem Ver- bote der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe, zur Kennt- nißnahme zugegangen, ebenso die Uebersicht der vom Bundes- rath gefaßtenEntschließungen auf Beschlüsse des Neichs- +498 aus der III. Session der 9. Legislaturperiode.

Von den Abgg. Blos und Genossen ist im Reichstag der Antrag auf Aufhebüng des Impfgeseßes vom 8. April 1874 eingebracht worden.

Kunft und Wissenschaft.

# Artbur Kampf's Historienbilder wurden bei ibter Aus- stellung in Berlin \tets mit lebhafter Anerkennung und Achtung begrüßt; eines derselben, die „Rede Heinrich Steffen's zu Gunsten der Volkserhebung in Breélau 1813*, wurde vom preußishen Staat für die Natioual-Galerie erworben. Das Talent des so ausgezeichneten, erst einunddreißigjährigen Malers näher kennen zu lernen, bietet jeßt eine Ausstellung seiner Werke in Schulte's Kunstsalon willkommene Gelegenheit. Kampf giebt sich als ein, feine Aufgaben resolut anfassender Künstler, der für große, breit behandelte Historien offenbar mehr beanlagt ift als für die intime Kunst, wie sie