1895 / 300 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Ï die Bemerkung nicht unterlassen, daß cs auffallen ies wenn eine größere Anzahl von Geistlihen Lemberg in dem Augenblicke verlasse, in welhem der neuernarnte Kardinal dajelbst seinen Einzug halte; denn die Verleihung der Kardinalswürde an den ishof Sembratowicz gelte als ein Zeichen des hohen es, welches sowohl der Papft, als auch der Kaiser an dem Aufblühen der ruthenishen Kirche nähmen. Auch müsse er mißfällig bemerken, daß die Entsendung dieser übergroßen Anzahl von Deputations-Mitgliedern eine ebenso fostspielige als ungehörige Demonstration sei, welche fich keineswegs als ein geeignetes Mittel zur Förderung des angestrebten Zwecks darstelle.

Der beabsichtigte Massenaufzug der Ruthenen durch die Stadt nah der Hofburg war von der Polizei untersagt worden. Es fanden infolgedessen keinerlei Ansammlungen auf

Straßen statt. E 3 E B ciGishe Abgeordnetenhaus berieth gestern, nahdem die Regierung die Vorlage, betreffend die Errihtung von landwirthschaftlihen Berufs- S enossen sckGa} ian und von Rentengütern, zurückgezogen hatte, über -den Dispositionsfonds. An der Debatte be- theiligten sih die Abgg. Nosfke, Graf Dubsfky und Hagen- hofer, welche dafür, Pernerstorffer, Dr. Lueger und Lorsey, welche dagegen sprachen. Leßterer erklärte, die katho- lische Volkspartei, welhe sonst eine zuwartende Haltung ein- nehme, stimme nur angesichts der Haltung der offiziösen Presse gegen diesen Posten. Der Minister - Präsident Graf Badeni

lärte, er erblicke in der Bewilligung des Poftens „Dispo- sitionsfonds“ feine Vertrauensfrage. Ueber die Raten- verwendung werde er in einem Jahre jeder sachlichen Kritik Nede stehen fönnen. Hierauf wurde die Debatte geshlossen und die Sizung unterbrohen. Jn der Abendsißzung wurde der Dis- positionsfonds mit großer Mehrheit genehmigt; ferner wurde das Geseh über das Urheberrecht mit einigen es in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung in allen Lesungen angenommen. Der Justiz-Minister Graf Gleisbach trat auf das wärmste für die beantragten Aenderungen, be- sonders für die Ausdehnung der Ueberseßungsfrist auf drei Jahre, ein und betonte, das Geseß bilde einen Markstein in der Entwickelung des Urheberrechts in den europäischen Staaten.

Der Budget-Ausschuß genehmigte das Budget- Provisorium bis Ende März 1896. i

Ftalien. :

Die Kommission des Senats genehmigte gestern, dem Regierungsentwurfe entsprehend, die Verlängerung der Gültigkeit der Ausnahmegeseße gegen die An- archisten bis zum 31. Dezember 1896. - :

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung der Jnterpellationen über Afrika fort. Der Deputirte Attillio Luzzati (regierungsfreundlih) begründete eine Interpellation, worin er die Frage stellte, ob sich die Re- ierung nicht augenblicklich entsheiden müsse, entweder jeden Gedanken an eine Kolonialexpedition - aufzugeben oder endgültige Anstrengungen zu machen, um die Schwierig- keiten zu beseitigen und jeden Widerstand, der si der Oberherrschaft Jtaliens in Erythraca und dem Ein- fluß Jtaliens in Acthiopicn enigegenstelle, zu brehen. Die Deputirten di San Giuliano (Opposition), Antonio Gaetani (radikal) und Costa (Soz) brachten eine Jnter- pellation ein, in welcher fie die afrifanishe Politik der Regierung bekämpften. Der Minister - Präsident Crispi ergriff darauf unter allgemeiner Aufmerksamkeit des Hauses das Wort und führte, dem „W. T. B.“ zufolge, aus, daß nichts geschehen sei, was begründeter Weise das Ver- irauen des Parlaments in die afrikanishe Politik der Regierung ershüttern könnte. Die ruhmreihe Episode von Amba-Aladji gehöre zu jenen, welche in allen Kolonial- Friegen unvermeidlih seien. Die Regierung könne nicht der Unvorsichtigkeit geziehen werden. Der eral Baratieri habe das verlangt, was er für nothwendig gehalten habe, und die Regierung habe mehr gegeben, als er verlangt habe. Die ersten Nachrichten von der Bewegung des Feindes ftammten vom 2. Dezember. Er wolle damit nicht sagen, daß der General Baratieri gefehlt habe. Dies sei so wenig wahr, daß nah dem Vorfall von Amba-Aladji die Regierung den General Baratieri benaqrihtigt habe, daß sie ihm ihr volles Vertrauen bewahre. Er weise die Beschuldigung zurück, daß die Regierung gegen das der Kammer gemachte Versprechen verstoßen habe. Die italienishe Flagge sei seit Juli in Makalle gehißt, und man sei niht nah Amba-Aladji gegangen, um das Gebiet Dalbos zu occupieren, sondern einfa, um eine ftrategishe Bewegung auszuführen. Der Minister - Präsident seßte sodann die Gründe auseinander, welche es seit Dezember 1893 hätten räth!ih ersheinen lassen, die Bewegung gegen Tigre zu unter- n, Alles, was seit Juli d. J. geschehen, sei die logische und nothwendige Entwicklung der Ereignisse und der Verfolg eines Krieges, der von Jtalien nit gesucht sei, und in welhem es sih in der Vertheidigung befinde. Es sei unmöglich, daß das Parlament in einem Augenblick, in welchem ganz Jtalien die Regierung auffordere, ihre Pfliht zu thun (stürmische Unterbrehungen auf der äußersten“ Linken und lebhafter Bei- fall auf der Rechten), es ablehne, das Wirken der Regierung zu würdigen. Der Minister-Präfident \{loß damit: Die Regierung wolle den occupierten Pro- vinzen den Frieden bringen, die italienishen Grenzen befestigen und in Zukunft derartige bedauernswerthe Ereignisse unmöglich machen. Die Regierung beschränke sh r jeßt darauf, zu erklären, daß sie entgegen den An- E u en ihrer Gegner wisse, was ihre De sci, und daß ste dieselbe erfüllen werde. Der Deputirte Antonio Gaëtani erwiderte auf die Rede des Minister- Präsidenten und erklärte im Verlauf seiner Ausführung, daß er Republikaner sei. Diese Erklärung verursachte einen lebhaften Zwischenfall. Der Präsident rief Gaëtani zur Ordnung und hob, als Gaëtani zu sprehen fortfuhr, die Sizung auf. Nachdem die Sißung wieder “aufgenommen worden war, führte der Präsident aus, Gaëtani habe, als er sih dem Ordnunasruf nicht gefügt habe, die A verleßt. Der Deputirte Bovio bemerkte, Mazzini sei au Republikaner gewesen. Der Präsident erwiderte hierauf, Mazzini habe auch nicht den Eid auf die Verfassung geleistet. (Lang anhaltender, lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses, ausgenommen die äußerfte Linke.) Der Minister des Auswärtigen Baron Blanc erklärte, er behalte si vor, bei der Berathung der Vorlage über die in Afrika zu treffenden Maßregeln zu sprechen. Mehrere Deputirte brachten hierauf Anträge ein. Der Minister-Präsident Crispi {lug vór, diese Anträge an demselben Tage zu berathen, an dem die Vorlage über die Maßnahmen in Afrika, welche die Re-

zur Berathung komme. er Vorschlag wurde angenommen und darauf die Sißzung

„Fanfulla“ meldet, daß das Kriegsschiff „Aetna von Ancona aus nah Fall 0Da ) angen sei; an Bord des- selben befinde sih der Kontre-Admiral Turi, welcher das nah dem Rothen Meer entsandte Geschwader befehligen werde. Außer dem „Aeina“ umfasse das Geschwader die Kriegsschiffe „Cur- tatone“, „Scilla“, „Citta“, „Milano“, welche bereits vor Massowah angelangt seien, „Etruria“, das auf der Fahrt sei, und „Caprera“, das unverzüglih von Spezia abgehen werde. : : .

Die „Jtalia militare“ berichtei aus gut beglaubigter Quelle, wenn auch mit äußerstem Vorbehalt, daß Ras Makonen dem General Baratieri einen Brief überfandt habe, worin er ihn bitte, einen Friedensunterhändler zu senden. Ras Makonen habe selbst die Friedensbedingungen aufgestellt. Der „Fanfulla“ verzeichnet ein gleiches Gerücht. Die „Opinione“ erflârt das Gerücht von einer Unterzeihnung des Friedens zwischen Jtalien und Schoa auf Basis des Status quo nah der Schlaht von Amba-Aladji für völlig unbegründet. Nach der „Tribuna“ würde die Regierung einen Kredit von 15 Millionen, nach der „Jtalie“ und nah der „Ztalia militare“ einen solhen von 20 Millionen für die Expedition nah Afrika verlangen. Der „Jtalie“ zufolge werde man 10—12 000 Mann dahin entsenden. 5

Wie der „Ofservatore Romano“ erfährt, hat der Papst außer der an den Patriarchen Azarian zur Unterstüßung der Armenier gesendeten Summe von 50 000 Frcs. noch weitere 20 000 Frs. zu Gunsten der anderen christlihen Riten ange- hörigen Opfer der leßten Ereignisse bestimmt.

Türkei,

Der russishe Botschafter von Nelidow wurde, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonntag von dem Sultan in Audienz empfangen und spra dabei im Namen des Kaisers von Rußland den Dank dafür aus, daß der Sultan das gemeinsame Verlangen der Mäthte hinsichtlih der zweiten Stationsschiffe erfüllt habe. Der Kaiser hoffe, die Pforte werde alles aufbieten, um weitere Unruhen zu verhindern. Von rusfisher Seite seien Schritte eingeleitet worden, um die Repatriierung von einigen Tausend dd Rußland geflüchteten Armeniern zu veranlassen. _

Costaki Autopoulos, der neuernannte türkische Bot- schafter in London, hat sich auf sein-n Posten begeben. Reschid Bey, bisher Mitglied des Kassationshofes, is zum Justiz-Jnspektor in Konstantinopel ernannt worden. Kiamil Pascha, welchem in Smyrna nahegelegt worden war, es be- stehe die Absicht, ihn zurücfzuberufen, hat es, unter Bexufung auf seine Gesundheit, abgelehnt, solhem Rufe Folge zu leisten.

Die Lage in den Provinzen erscheint, wie „W. T. B.“ aus Konfstantinopet erfährt, entshieden gebessert, da keine neuen Gemwaltthätigkeiten gemeldet worden sind. Heute werden die Botschafter neuerlih zu Besprehungen zusammen- treten.

Die „Times“ meldet aus Konstantinopel unter dem 15. d. M.: Es sei eine Spezialkommission eingeseßt worden, um das Budget und einen Entwurf zur Verbesserung der Finanzverwaltung vorzubereiten. Der Minister der öffentlihen Arbeiten führe den Vorsiß in dieser Kommission.

Das „Reuter he Bureau“ berihtet aus Kreta, daß drei türkishe Bataillone am 9. d. M. die Aufständischen in Apokorona angegriffen hätten. Der Kampf habe si auf die Dörfer Prosnero, Vryse und Alicampo erstreckt ; dabei seien fünf Christen getödtet und aht verwundet worden. Die türkishen Truppen, welhe auf Vampos zurückgegangen seien, hätten 24 Todte und 32 Ver- wundete gehabt; unter den Todten befänden sih ein Major, zwei Hauptleute und ein Lieutenant. Jn Alicampo seien von den türkischen Soldaten drei Greise, zwei Frauen und fünf Kinder getödtet worden. Die Lage sei sehr ernst; -300 Mann würden zur Verstärkung der türkishen Garnison nah

Canea abgehen. Rumänien.

Die Königliche Familie if gestern zum Winter- aufenthalt in Bukarest eingetroffen und am Bahnhof von den äußerst zahlreih Anwesenden begeistert begrüßt worden.

Serbien. a i

In der gestrigen Sißzung der Skupschtina wurde ein- stimmig beschlossen, an dem Empfang der Königin Natalie in corpore theilzunehmen. Der Beshluß wurde mit stürmishen Hochrufen auf die Königin aufgenommen.

Bulgarien.

Die Konferenz von Delegirten des macedonischen Comités hat die angeseßte Berathung, da noch viele Mitglieder fehlten, vertagt. Wie in den Kreisen der Dele- girten versichert wird, handele es sich um die Wahl eines neuen Präsidenten.

gierung heute einbringen werde, aufg

Amerika.

Der Jahresberiht des Schaßsekretärs Carlisle weist, wie dem „W. T. B.“ aus Washington berichtet wird, folgende Zahlen auf: Die Einnahmen betrugen im leßten Etatsjahr 390 373 203, die Ausgaben 433178 426 Dollars. Die Einnahmen des Jahres 189% überstiegen die des Jahres 1894 um 17570705 Dollars. Die Ein- nahmen bis Ende des laufenden Etatsjahres werden auf 431 907 407, die Ausgaben auf 448 907 407 Dollars ge- shäßt. Die Einnahmen des nächsten, am 30. Juni 1897 endigenden Etatsjahres werden auf 464 793 120, die Ausgaben auf 457 884 193 Dollars geschäßt. Der Baarabshluß am 1. Dezember 1895 betrug 177 406 386 Dollars ; es liege da kein Grund vor, daran zu Es daß die Regierung in Lage sei, allen laufenden Verpflichtungen gerecht zu werden. Am Ende des laufenden Etatsjahres werde die Regierung, ohne Erhebung einer Zusaßsteuer, einen bedeutenden Baarübershuß haben. Der Schaßsekretär Carlisle dringt troßdem darauf, daß der Schaßsekretär immer ermächtigt sein solle, Bonds mit kurzem Fälligkeitstermin und mit niedrigem Zins- fuß auszugeben, um einem etwaigen Defizit in den Einnahmen egegnen zu können. Er verurtheilt das gegenwärtige System, wonach die geseßlihen Zahlungsmittel ausgegeben, wieder eingezogen und wieder ausgegeben würden, und hlägt als Heilmittel vor, die Noten, welche die . Zurück- ziehungen von Gold erleihterten, einzuziehen und zu an- nullieren und den Schaßsekretär zur Ausgabe von lang- sichtigen, in Gold zahlbaren Bonds zu ermächtigen, deren Zinsfuß 3 Proz. nicht übersteigen solle. Diese Bonds sollen gegen Vereinigte Staaten- und Schaßnoten Rg Ean oder im Auslande gegen Gold verkauft werden. Schaßsekretär

ferner , die Notenausgabe der neren, bié Texe anf deren i Upclanf bete

herabzuseßen, und verlangt, der Kongreß solle verbieten,

bei ünftigen von gten Staaten-, Se oder Banknoten die Noten auf Beträge unter 10 Do lauteten. :

Aus Havanna wird gemeldet, der Oberst Arizon mik 500 Mann spanischer Truppen habe bei Malliempo in der Nähe von Las Cruces 6000 Aufständige unter Gomez

urüdckgeschlagen. Die Verluste der Aufständischen seien sehr beträch ih; die Spanier hätten zwei Offiziere und 30 Mann an Todten, vier Offiziere und 40 Mann an Verwundeten:

verloren. Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ erfährt aus Massowah, der Major Gelliano habe aus Makalle vom 14. d. M. be- richtet, daß der Feind noch nicht weiter vorgerückt sei. Diese Nachricht werde durh die lezten Jnformationen bestätigt. Ras Mangascha solle durch Sireifzüge der Schoaner sehr LAMURE F Aus Kassala berihte Major Hildalgo, daß am Atbara alles ruhig sei.

Eine bei der Regierung des „Unabhängigen Congostaats“ vom Conge eingegangene Depesche besagt, daß der Lieutenant Lothaire in einem Gefecht, welhes am 18. Oktober auf den rechten Ufer des Lomami ftattgefunden habe, die Auf- ständischen vom Lualaba, denen sih die bedeutenderen Häuptlinge der auffständishen Eingeborenen ange- schlossen hätten, geshlagen und zerstreut habe. Der

ufftand gelte als endgültig unterdrückt. Die Aufständischen E bedeutende Verluste erlitten, Lothaire habe eine große nzahl Gefangene gemacht. Vor der Schlacht hätten zwei Abtheilungen der Truppen des Congostaats, die eine unter dem Befehl Michans’, die andere, unter dem Swenson’s, am 9. Oktober Zusammensftöße mit den Aufständischen gehabt, bei Les ersterer geshlagen worden, leßterer aber Sieger ge- ieben sei.

Parlamentarische Nachriéhten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sizung des- Nei chstags befindet sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (10.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister : von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs-Schaßz- amis Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, stand zunächst die einmalige Berathung der Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleihegese e auf der Tagesordnung. Das Wort nahm zuerst der

Abg. Graf Kanißtz (d. kons.): Die Ausgaben des Reichs sind in neuerer Zeit foloffal gestiegen, ohne daß die Einnahmen damit Schritt gehalten baben. Die Handelsverträge haben durch die Verminderung der Zolleinnahmen dazu beigetragen. 1894 wurden rund 43 Millionen Doppelzentner Eetreide, ungerechnet die Müblenfabrifate, eingeführt. Nehme ich als Zollauéfali durchs{nitilih 1.4 pro Doppelzentner an, fo bat sfih unsere Einnahme dadurch um 43 Millionen Mark verntindert. Mit diefer Einnahme hätten wir nicht zu einer Vermehrung der Reichs- s{uld zu greifen brauen. Ich will darauf nicht eingeben, fondern nur auf eine Bemerkung des Abg. Barth in der Generaldebatte über den Etat. Er hat in meiner Abwesenheit behauptet, ih babe in einer Wahlversammlung gesagt, daß fämmtlihe Handelékammerberichte sih ungünitig über die Wirkung der Handeléverträge ausgesprochen hätten. Das ift absolut unrichtig. Herr Barth hat seine Kenntniß vermuthlih aus der „Freisinnigen Korrespondenz“ geschöpft. Jch habe deren Artikel bereits am 3. Oktober in der Presse berichtigt. Ih bedauere, daß Herr Barth von dieser Berichtigung keine Notiz genommen hat. Herr Barth hat ferner am leßten Mittwoch gesagt, es wäre bedauerlih, taÿß ernîte Männer mit einer folhen bodenlosen Unkenntni an die Oeffentlichkeit träten. Das ift eine Ausdrucksweise, deren i mich in diefem Hause niht zu bedienen pflege. Jch bitte Herrn Barth, ehe er derartige Vorwürfe gegen Mitglieder des Hauses erhebt, fih etwas genauer zu informieren. Dann möge er fich auch einer milderen Auédruckéweise bedienen. l .

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Wenn mein Freund Barth hier wäre, würde er sicherlich erflären, daß er, wenn er gewußt hätte, daß Graf Kaniß diese allerdings unerhörte Behauptung nicht ge=- than hat, keinen Gebrauch davon gemaht ha würde. Graf Kaniß hat aber übertrieben, indem er sagte, daß eiw großer Theil der Handelskammerberihte dahin lauten. Wenn Graf Kanitz diese Gelegenheit wieder benußt hat, um auf die bekannten 43 Millionen hinzuweisen, die wir jeßt hätten, wenn die Dinge niht so gekommen wären, fo wäre er zunächst verpflichtet, die 43 Millionen zu detaillieren. - Dazu wird er niht im ftande sein; ih bestreite das auf das positivfte. E

Abg. Graf Kanittz: - Herr Rickert scheint vorauszuseßzen, dase wenn wir die Handelév-rträge nicht geschlossen hätten, vermuthlich ni 43 Millionen Doppel-Zentner eingefübrt worden wären; damit wider- spricht er den früheren Behauptungen seiner Partei, daß die Handels- verträge die Einfuhr nach Deutschland nicht fteigern würden. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß ih nicht gesagt hate, daß die meisten Handelsfkammerberihte sich über die Handelëverträge un-

ünftig ausgesprochen haben, dazu kenne ih die Handelskammer- berichte viel ¿u genau; fondern ich habe gesagt, daß nah fast sämmtlichen Handelskammerberichten die allgemeine Geschäfts- lage ungünstig ersheint; und daraus habe ich für mich den Shluß gezogen, daß die erhofften Segnungen der Handelëverträge und der oße kommerzielle Aufshwung nit eingetreten seien. Jch bitte Herrn Riert, seinen Fraftionsgencffen davon M zu maden. :

Abg. Nickert: Weil die meisten Handelekammerberite die Geschäftélage ungünstig darstellen, meint Graf Kaniß, können die

delsverträge feinen glufüigen Erfolg gekabt haben. (Abg. Graf

anigz: Sehr rihtig!) Wer eine solche Logik hat, mit dem können wir eine wirthshaftêpolitishe Diskussion mit irgendwelhem Erfolge nicht führen. z j .

Die Denkschrift wurde darnach durch Kenntnißnahme für erledigt erflärt. j : L

Auch die Uebersicht der Reihsausgaben und -Einnahmen für 1894/95 wurde zur Kenntniß genommen; die in derselben zu- same A e Mee Tan ges und außeretatsmäßigen Ausgaben wurden genehmigt.

Die endgültige Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Schußgebiete von Kamerun und Togo, sowie des f west- afrikanischen Schußgebiets für 1892/93 und für 1893/94, die vorläufige ebersiht für 1893,94, die vorläufige Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der sämmtlichen afrifanishen Schußgebiete für 1894/95 und die allgemeinen Rechnungen über den Reichshaushalt für 1884/85 bis 1891/92 wurden der MSUE Ano zur Prüfung überwiesen.

Bei Schluß des Blattes wurde die gehery abgebrochene erste Berathung des Geseßentwurfs, reffend die Er- rihiung von Handwerkskammern, fortgeseßt.

Der Vorstand des Reichstags hat beschlossen, am 21. März, als am Tage der Eröffnung des ersten Deutschen Reichs- iagê, im Reichstag8gebâude eine Feier zu veranstalten,

Der dem Reichstag zugegangene Gesetzentwurf, be- E Ser tenr e Mao Nur Car x und eren Grsaßmitteln, Pprber in . Bl. ver- ¿fentlihten Wortlaut eini änderungen erfahren. Zunächst ift nicht bloß den Beamten der Polizei, sondern auch -den vonder Polizei- bebörde beauftragten Sachverständigen die Befugniß verlieben, in den Räumen, in weichzn Margarine, Margarinekäse und Kunftspeisefett ge- rertEmäßig hergestellt, aufbewahrt, feilgehalten und verpackt werten, jeder- zeit Mevisionen vorzunehmen. Sodann hat der §& 9 infofern eine neue Faffung erbalten, als der Bandesrath ermächtigt ift, das gewerbs- mäñige Berkaufen und Feilhalten von Butter, deren Fettgebalt nit eine bestimmie Grenze erreiht oder deren Wasßser- oder Salzgehalt eine bestimmie Grenze übzrihreitet, zu verbieten. Die dritte Abänderuag bezieht fih gleihfalls auf eine Ermächtigung des Bundesraths, und zwar auf diejenige, Grundsäße aufzustellen, nah welchen die zur Durführung dieses Gesches sowie des Gesetzes über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln erforderlichen Unter- suhungen von Fetten und Käsen vorzunehmen sind. Die leßte Abänderung betrifft eine Strafbestimmung. Nach der neuen Fassung derselben wird mit Geldstrafe bis 150 # oder mit Haft bis zu vier Wochen bestraft: 1) wer den Vorschriften des § 3 zuwiderhandelt ; 2) wer bei der nah § 5 von ihm erforderten Ausfunfteertheilung aus Fahrläfsigkeit unwahre Angaben macht.

Die Abgg. Ancker und Genossen haben im Reichstag folgenten Antrag eingebracht: Reibstag wolle bes{ließen : die verbündeten Regierungen zu ersuhen, angesihts der Ergebnisse der neuen Volfszäblung dem ihstag in der näbften Session das in 6 des Reicéwahl- gefcißes vom 31. Mai 186Levorgesehene Reichëgesey über die Ab- grenzung der Wahlkreise vorzulegen und bei der Neueintheilung der Waklkreise die seit 1867 veränderten Bevölkerungéverhältnife in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Die VI. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Entwurfs eines Geseges zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hat sih konstituiert und den Abg. de Witt zum Vorfißenden den Abg. Bassermann zum Stellvertreter des Vor- sizenden, und die Abgg. Fusangel, Kraemer und von Werdeck- Schorbus zu Schriftführern gewählt.

Die VII. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Ge- seßes über die Erwerbs- und Wirthshaftsgenossen- schaften, hat fich gleihfalls konftituiert und den Aba. Freiherrn von Stumm-Halberg zum Vorsißenden, den Abz. Dr. Schneider zum Stellvertreter des Vorsitzenden und die Abgg. Wattendorff und Wurm zu Schriftführern gewählt. G

Nr. 50 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“,

herausgegeben im Minifterium der öffentlichen Arbeiten, vom 14. De-

zeinber, bat folgenden Inkalt: Amtliches: Dienst- Nachrichten. Nichtamtliches: Das neue Reichëgerichtëgebäude in Leipzig. (Schluß) Das Schiffshebewerk bei Henrichenburg am Kanal von Dortmund nah den Emshäfen. (Fortsegung.) Spannungstverhältnifse in Doppeldrahtzügen. (Schluß) Vom Bau der Oberbaumbrücke in Berlin. Vermischtes: bewerb für das Gewerbtemuseum in Reichenberg i. B. Wettbewerb für Entwürfe zum Neubau eines Rathhauses in Duisburg. Preisbewerbung um Entwürfe für Thür- und Fensterbeschlags-Garnituren. Staumauer von Bouzey bei Epinal. Neue Patente.

Nr. 61 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts*, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 14. Dezember, hat folgenden Inhalt: Erlafie des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 4. Dezember 1895, betr. Frachtbegünftigung für die Kaninchen- Auéstellung îin Chemniß; vom 6. Dezember 1895, betr. Prüfungs- vorschrifien für Lokomotivführer; vom 9. Dezember 1895, betr. Wiedereinziebung überzahlter Unfallrente; vom 9. Dezember 1895, betr. Frahtbegünftigung für die Kaninchen-Ausftellung in Dresden ; vom 10. Dezember 1895, betr. Verhütung von Unfällen beim -Aus- steigen aus den Personenwagen außerhalb der Bahnfsteige; vom 11. Dezember 1895, betr. Bestellung von Amtskautionen. Nachrichten.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts,

Nach §F 49, 50 des Feld- und Forftpelizeigeseßes vom 1. April 1880 kat der Waldeigenth ümer niht nur das Recht, gegen den ibm befannt zu machenden Antrag eines Anderen auf Ertheilung einer polizeilicen Genebmigung zur Errichtung einer Feuer- ftelle in der Umgebung einer Waldung gemäß § 47 des Ge- seßes Einspruch bei der Behörde zu erheben, sondern auh das Recht der Klage im Verwaltungsftreitverfabren gegen den Antragsteller und die Be- hörde, wenn der Bescheid den Einspruch zurückweist. Jn Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober - Verwaltungsgeriht, 1V. Senat, durch Urtheil vom 23. Oktober 1895 Anfgeiptain : Ift der Bescheid der Bebôörde dem Einspruhe des Waldeigen- thümers entsprehend ergangen, so muß die Klage des Antragstellets niht nur gegen die Behörde, sondern auch gegen den Wald- eigenthümer gerihtet werden, und das caläubige Verwaltungs- n hat den Waldbesitzer als Mitbeklagten neben der den

ntrag versagenden Behörde, als Streitgenofsen der leßteren, zu be- tbeiligen. Ist dies unterblieben, so fteht dem Waldeigenthümer die eas ¿u, im Wege der Ginlegung des Rechtsmittels gegen die ibm ungünstige erstinftanzliche Entscheidung als Streitgenofsse der beklagten Bebörde in den Rechtsstreit einzutreten. „Ein Dritter, der bei analoger Sah- und Rechtslage im Zivilprozeß als Nebenintervenient gemäß § 66 der Zivilprozeßordnung mit der Wirkung, daß er als Streitgenosse der Hauptpartei zu gelten hat, eintreten fann, ist auch im Verwaltungéstreitverfabren zum Eintreten in einen zwischen anderen Personen anbängigen Verwaltungsrehtéstreit aus eigenem Recht wenigstens dann befugt, wenn er in leßterem Verfahren von vorn- berein als Partei hätte zugezogen werden follen. Daraus folgt, daß die vom Waldeigenthümer eingelegte Berufung gegen das Urtheil des Kreiéauéshufses zulässig war; denn die au für die Nebenintervention auf Grund des 2s -P.-O. geltende und analog anzuwendende Bestimmung des § 63 Abs. 2 daselbst gestattet die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung T a d in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittel s.“

Wenn bei der Versiherung von Gebäuden gegen Feuersgefahr der Versicherungénebmer gegenüber dem iherung8- geber und unter dessen mindestens ftillhweigendem Einverständniß auf die Rechte aus dem Versicherungévertrag in zulässiger und wirksamer Weise verzichtet hat, so darf für eine gleichzeitig genommene ander- weite das polizeilize Unbedenklichkeitsatte#t nicht ver- sagt werden, weldes nah der durch die höchste Kabinets- ordre vom 30. Mai 1841 auf Versi 1g von Immobilien bei in- und auéländishen Feuer - Versicherung2gesellshaften aus- edehuten Vorschrist im S 14 des Gesehes über das

obiliar-Feuerversiherungéwesen vom 8. Mai 1837 zur Aushändi- ung einer Police oder eines Prolongationssheins durch den Agenten erforderli ift. Dies gilt, wie für das Gebiet des Allgemeinen Land- rets, so _/ für das des Rheinischen Rehts. Insbesondere enthält auch das Geset, betreffend die Haftung der Versicherunggelder für die Ansprüche der Inhaber von Privilegien und Hypotheken im Bezirk des ehemaligen Appellationsgerihtshofes zu Köln, vom 17. Mai e R Pm endes (Urtheil des III. Senats vom

. i :

Nach dem Urtheil des II1I. Senats vom 27. Juni 1895 ift es unzulässig, bei einer Betriebs- Parr T INeantentalse die bis dahin auf 39/5 des durchschnittlihen Tagelohns bemessenen, zur

Sihe aue fis UE An hoc 1. uar Ii Gade More ae f E von 42 % (eins{ließlih des Antheils des Unternehmers) die Zeit vom 1. September bis Gnde Dezember jeden Jabres zu

Im Sinne des § a. Abs. 2 Ziff. 2 des Krankenversiche- rungêgeseßes vom 15. Juni 1883/10.- April 1892 seßt die Trunfk- fälligkeit ein gewohnheitsmäßiges Trinken voraus, liegt also nit son bei einmaliger oder gelegentlicher Trunkenheit vor. Ale Schlä- erei oder Raufktandel läßt sih der einem Beamten geleiftcte Wider-

and und die auf die Ueberwindung dieses Widerftand3 gerichtete Thätigkeit eines Polizeibeamten nicht beurtheilen. (Urtbeil des T1. Senats vem 26. September 1895.) ck

Kunft und Wissenschaft.

44 Aus ihrem reihen Besiß hat die Königlihe National- Galerie aus Anlaß des achtzigjährigen Geburtstages Adolf Menzel’s eine ftattli&@e Anzabl von Lithographien, Radierungen, Holzschnitten, En, Aquarellen und Gouachen des gefeierten Meisters zu einer Festausstellung vereinigt. Das Genie Menzel’'s spiegeln die graphischen Erzeugrifse faft noch vielseitiger und glänzender wider als seine ODelbilder; der Einblick, den wir hier in die Werk- ftatt des raftlosen Beobachters, des ftets an sich und der Vervoll- kommnung feiner Kunft arbeitenden Malers thun, gewährt einen intimen Reiz und eine Bereicherung unseres Wissens vom künstlerishen Schaffen, die kein noch so eingeßendes Studium seiner vollendeten Werke ersetzen fann. Die Bedeutung seines Wirkens für die Entwicklung des Holz- s{nitts führen uns Menzel's Zeichnungen zu den verschiedenen Fridericianis@en Publikationen deutlich vor Augen. Er hat die Holzfchneidershule der beiden Unger, der Unzelmann und Gubiß, der Brüder Vogel zu einer technishen Gewandtheit erzogen, die neh heute, wo die Xylographie mit weit komplizierteren Mitteln arbeitet, dem Beschauer Bewunderung abnöthigt. Die hoben Anforderungen, die er an die auëführenden Holzshneider stellte, die Sorgfalt, mit der er jedes Stadium der Ausführung überwahte, das feine Gefühl für das, was die Formschniittehnik willig bergiebt, wirkten zusammen, um eine Reform des Reprodukticnsverfahrens anzubahnen. Eigen- bändig versuchte sich Menzel auf dem Gebiet des Steindrucks und der Radierung. Seine Lithographienfolge „Künstlers Erdenwallen“ (1834) und zablreihe frühe Gelegenbeitêarbeiten, Adressen, Ein- ladungen, Tishkarten 2c. zeigen no die {lihte Federzeihnung auf Stein übertragen; in den „Denkwürdigkeiten aus der brandenburgisch- preußishen Geschichte“ (Berlin 1836 bis 1837) benußt er neben der Feder bereits die Kreide zur Vorzeihnung und gelangt damit zu breiterer malerisher Haiïtuna. Interefsant sind die neben den Druen ausgestellten, forgfältig in Blei, Feder und Tusche ausgcführten Ent- würfe zu dieser Lithographienfolge. Auf französishe Anregurg geben dann die „Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen* (1851) zurück, die: Menzel zum Virtuosen auf dem Gebiet der Steindruck- tehnik ftempeln. Sein Einzelblatt „Christus als Knabe im Tempel“ überrascht nit minder durch seinen keŒen Naturalismus als dur die feine malerische Durchführung in Schabmanier. Auch das ,Armeewerk Friedrich’s des Großen“ (1851—57) muß zu den namhbaftesten litho- graphischen Leifiungen der Zzit gezählt werden.

Menzel’s Radierungen, von denen er bereits 1844 ein Heft von 6 Blättern berausgab, zeidnen sich durch ungemein feinfühlige Führung der Radiernadel aus. Ncch im letzten Jahre steuerte der Achtzigjährige für die Publikation des Berliner Vereins für Original- radierung ein Blatt bei, dessen Titel „Das Lebte“ hoffentlih fein Omen für die Zukunft bedeutet.

Was aber der Ausstellung ihren Hauptwerth verleiht, sind die ¿ablreichen Zeichnungen in Blei, Kreide und Feder, sowie die Aguarelle und Gouachen. Die Porträt- und Kostümstudien für die verschiedenen großen Jllustrationswerke, sowie zu den Oelbildern des Flötenkonzerts, des Eifenwalzwerks und der Krönung König Wilhelm?s I. in Königs- berg, die entzüdend frischen Gouahen und Aguarelle zu dem Kinder- album, sowie die Entwürfe zum Schmuck des Tafelgeschirrs, das zur filbernen Hochzeit des Kronprinzen, nahmaligen Kaisers Friedrich im Jahre 1883 in der Königlihen Porzellanmanufaktur hierselbst bergeftelt wurde, zählen zu den foftbarsten Schäßen der National-Galerie. Welch ein Fleiß und Ernst pbysiognomischen Charafterftudiums, welche liebevolle Intimität der Beobachtung, welch shalfhafter Kinderhumer, welhe Bewezlichkeit der ornamentalen Phantasie kommt hier zum Ausdruck! Besonders glücklih handhabt der Meister au den farbigen Kreideftift, wie seine Paftelle (Nr. 477, 486, 494 und 506 des Katalogs) beweisen ; fie find mit einer Sicher- beit des Farbengeschmads und einer geiftreihen Flottheit auf das Papier gezaubert, die in sheinbarem Widerspruch mit der peinlihen Ge- wissenbaftigkeit steht, die alle Einzelstudien Menzel's auszeichnet. Von der leßteren geben dagegen die zahlreihen Zeichnungen von Köpfen, Glied- maßen, Kostümen, Geräthen, Baulichkeiten einen erstaunlichen Begriff ; fie find theils, wie der Künstler selbs es nennt, „Erinnerungen“, die von einem fabelbaften Gedächtniß zeugen, theils vor dem Modell bis ins Teste durchgearbeitet. an erfennt aus ibnen, wie die Gewifsen- baftigleit des Beobachters sih niemals genug tbun fann, wie jede Einzelbeit wieder neue Probleme bietet und der Schaffenseifer niht erlahmt, bis das fünstlerishe Motiv völlig ausgeshöpft ist. Als fulturgeshihtlide Schilderungen des Lebens unseres SJahr- bunder!s haben insbesondere Menzel's Govachen einen Werth, den erst die Zukunft ganz schäßen lehren kann. Seine Defarbenbilder aus Kissingen und Gastein, seine Veduten * von Berliner Straßen 2c. sind so häufig als vollendete Meister- werke und Kabinetstücke gerühmt, daß es überflüssig erscheint, auf ihre Vorzüge von neuem binzuweisen. nn man bedenkt, daß die in der Ausftellung vereinigten Stücke nur einen Bruchtheil dessen darftellen, was allein die Königlihe Sammlung von Menzel besißt, daß auch die Ausftellung in der Akademie e ihrer Reichhaltigkeit die Fülle des von ihm Geschaffenen keineswegs ershöpft, so begreift man, wel eine Energie des Willens fich in diesem Mann mit dem E thum der von der Natur verliehenen Gaben paaren mußte, um ein fo überreihes Schaffen zu ermöglichen.

Die Anthropologische Gesellschaft beschäftigte sich, wie die „Nat.-Ztg." berichtet, in ihrer Sißung am Sonnabend mit der schon vielfach erörterten und umftrittenen Frage des Dartwin'- schen „missing link“. Der holländishe Militärarzt Dr. Dubois aus Leyden, der Entdecker der vielbesprohenen Sfkeletreste aus Java, die zu dem fogenannten Pithecanthropus erectus gebören follen, hatte selbst das Referat übernommen. Der Vortragende, der deutsch, wenn auch mit fremdländishem Accent, sprach, fesselte durch sein flares und sahgemäßes Referat das Interesse der zablreihen Zuhörer. An der Hand einer großen Reihe von aus- iten Modellen, Bildern, Zeihnungen sowie der von ihm gefundenen

este selbst suchte er den Beweis für seine Ueberzeugung zu erbringen, daß ein Mittelglied zwischen Mens und Affen erxistiere. Er zog alle au nur einigermaßen in Betracht kommenden Momente in Erwägung und verbreitete sich mit eingehender Feet über die einzelnen Theile seines Fundes: über die Knochen, den Oberschenkel, den Schädel und die Zähne des Pithecanthropus. Am Shlufse führte er einen von ihm aufgestellten Stammbaum vor, der den allmählihen Uebergang vom niederen Affen durch den Pithecanthropus hindurch zum Menschen erläutern follte. In der sih anschließenden Diéfkussion, die wegen der vorgerückten Zeit sehr beschränkt werden mußte, sprach zuerst Professor Nehring von der Landwirthschaftlihen Hochschule. Derselbe erklärte, durchaus auf dem Dubois’s{en Standpunkt zu stehen; besonders die Fundverhält- nisse der Skeletreste und die Beschaffenheit der Zähne bätten ihn zu dieser Meinung gebraht. Der folgende Redner, Professor Koll- mann - Basel, bekannte \sich ebenfalls als einen eifrigen Anhänger der Lehre von dem Pithecanthropus, glaubte aber auf Grund seiner eigenen Focsungen zu der Annahme berehtigt zu fein, daß das Geshleht der Pithecanthropus ein Pygmäen-

geihle{t gewesen sei. G:heimer Medizinal-Rath, Professor Virchow verwies auf seinen son öfters betonten, von dem Dubois"schen abweichenden Standpunkt. An einigen Schädeldemonftrationen suchte er klar zu_ machen, daß der Schädelrest auf feinen Fall von folch einem „Affenmenshen“ berräbren fönne. Er könne fih der Ueber- ¿eugung von der Unzulänglichkeit der Dubois"schen Hypothese so lange niht verschließen, bis man ibm vollgültige Beweise erbraht habe, und diese fehlten noch. Nach einer kurzen Schlußbemerkung des Dr. Dubois, die âegen Professor Kollmann gerichtet war, {loß Professor Virchow die Sißung, indem er dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen den Dank der Gesellichaft aasvrach.

Sesundheit8wesen, Thi eiten und Ab S E fsperrung

Ergebnisse der Sammelforshung über das Diphtherie - Heilserum für das zweite Quartal (April—Juli) 1895.

Die Sammelforshung des Kaiserlihen Gesundheitsamts über die Beobachtungen, welhe während des zweiten Viertel- jahres 1895 mit dem Diphtherie-Heilserum in den verschiedenen Krankenanfstalten Deutschlands gemacht wurden, umfaßt im Ganzen 2130 Fälleaus 192 Krankenhäusern. Von diesen 2130 mit Serum Behandelten starben306 = 14 3 Proz. ;nahAbrechnung der hoffnungslos Eingelieferten, welhe innerhalb der ersten 12 Stunden nah der Aufnaÿme starben, betrug die Sterblich- feitsziffer sogar nur 13,3 Proz. Bei 1278 (60 Proz.) wurde durch die bafteriologishe Untersuchung die Diagnofe „Diphtherie“ sichergestellt ; davon ftarben 173 = 13,5 Proz. Die Gesammtzahl der als shmwer bezeichneten Fälle betrug 1021 = 47,9 Proz. ; davon genasen 731. Leichte Fälle waren-es 710 = 33,3 Proz. ; davon genasen 709. Auch in diesem Vierteljahre ift die Sterblichkeitsziffer der Kinder unter zwei Jahren insofern eine günstige, als von 259 Kindern nur 97 (37,5 Proz.) starben, troßdem die Mehrzahl der Fälle als shwer bezeihnet wird. 841 Franke zeißten bei der Aufnahme Diphtherie des Kehl- fopfes.. Davon mußten 588 trachheotomiert oder intubiert werden. Jn 253 Fällen konnte also ein operativer Eingriff umgangen werden. Die Sterblichkeitsziffer der 588 operierten Kranken betrug 29,9 Proz.

Je früher die Erkrankten Heilserum injiziert erhielten, um so geringer war das Sterblichkeitsverhältniß : so betrug z. B. E: ait P

ei den am 1. Krankheitstag injizierten 5,4 Proz. = c 6,7 Proz. 0-4 Proz. 100 Proz.

4 "” "r *

N " "r 3. 7A i A O L L 23,1 Proz.

Als Nachwirkungen des Serums wurden im wesentlichen nur Hautausshläge, Glieder- und Gelenkshmerzen sowie leichte Fieberbewegungen in einer Anzahl von Fällen beobachtet. Ernstere Schädlichkeiten, die mit Bestimmtheit auf die Wirkung des Mittels hätten zurückgeführt werden können, traten inner- halb der Zeit, während welcher die Kranken nach der Jnjektion noch in den Krankenhäusern verblieben, nicht hervor.

Auchdas Ergebniß der Sammelfo:shung des zweiten Quartals ist ein derart günstiges, sowohl was die Erfolge als was die Unschädlichkeit des Heilserums betrifft, daß die weitere An- wendung desselben empfohlen werden fann. Ein f\icheres Urtheil über den wirklihen Nußen der Serumbehandlung wird sih allerdings erst durch die Zusammenstellung des Materials von mindestens einem Jahr erzielen laßen.

Der Raum des Blattes gestatiet nicht, auf die Einzelheiten näher einzugehen ; doch hat sih das Kaijerliche Gesundüeitzauit bereit erklärt, solhen Fahmännern, welche sh für die Sache interesfieren, einen Abdruck zur Verfügung zu stellen, soweit der zu diesem Zweck reservierte Vorrath reicht.

Handel uud Gewerbe,

Die Wochenübersiht der Reihsbank vom 14. Dezember weist einen gesammten SRafsenbestand auf von 928 615 000 Æ, das ift der Vorwoche gegenüber weniger 378 000 #; der Metallbestand allein bat fih um 436 000 .% vermindert. Der Beftand an Wechseln zeigt mit 634 449 000 Æ eine Zunahme um 6 126 000 # während der Bestand an Lombardforderungen mit 81 530 900.4eine Abnahme um 2074000 zeigt. Diese beiden Anlagekonten zusammen haben also eine Vermehrung um 4052 000 Æ erfahren. Auf passiver Seite ersheint der Betrag der umlaufenden Noten mit 1086 877 000 A um 5 857 000 4 niedriger als in der Vorwoche, während die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten um 20145000 Æ# auf 459986 000 A an- gewachsen sind.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. d. M. gestellt 12 681, nicht reht- zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 14. d. M. geftellt 5260, nicht rechts- zeitig gestellt feine Wagen.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Shlachtviehmarkt vom 14. Dezember 18%. Marktpreise nah eBAL emt: nur Schweine werden nach Lebendgewicht ehandelt. inder. Auftrieb 3986 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg) I. Qualität 120—124 Æ, I[. Qualität 104 bis 114 , ILL Qualität 90—100 Æ, IV. Qualität 80—86 A Schweine. Auftrieb 7574 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Medcklenburger 90 Æ, Landshweine: a. gute 84—88 , b. geringere 76—82 Æ, Galizier —,— #, leihte Ungarn —,— # bei 20 °/9 Tara, Bakonyer M bei Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 952 Stück. (DurWbschnittspreis für 1 kg.) T. Qualität 1,10—1,20 , II. Qualität 0,96—1,08 4, III. Qualität 0,88— 0,94 6 Schafe. Auftrieb 5286 Stück. (Dur@schnittspreis für 1 kg.) I. Oualität 1,08—1,16 Æ, II. Qualität 0,96—1,04 Æ, ITI. alität —,— Æ

Die Einnahmen der Hessischen Ludwigs-Eisenbahn- Gesellschaft betrugen im November d. J. 1901771 (+ 92 800) c und vom 1. Januar bis Ende November 20 145 105 (4+ 749 882) M

Breslau, 16. Dezember. (W. T. B.) Getreide- und pr oN u renmar s, Spiritus pr. 100 1 100 9% erfl. 50 Æ Ver-

rauchSabgaben pr. Dezember 49,50, do do. 70 .4 Verbrauhsabgaben pr. Dezember 30,10, do. do. Rüböl pr. Dezember 45,00.

Verkehrs-Anstalten,

Infolge eugtreenen Witterungsumschlags wird von der Schließung der Wasserumschlagsstellen zu Pöpelwiy und am Oderhafen in Breslau, welhe laut Bekanntmachung der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Breslau vom 3. Dezember d. F. (vergl. Nr. 292 d. Bl.) vom 7. d. M. ab in Aussicht genommen war, bis auf weiteres abgesehen.

Bremen, 17. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs-Postdampfer „, Karlsruhe" ist am 15. Dezember Abends in Genua angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Darmstadt“ ift am 15. Dezember Morgens in Genua angekommen. Der Post« dampfer „Wittekind“ is am 16, Dezember Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Straßburg“ hat

am 16. Dezember Vormittags Prawle Point passiert. Der Post