1896 / 20 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

stehen. Sie beruhen darauf, daß cs unsererseits nit - anerkannt ® werden kann, es enthalte die Nichtzulassung der Assistenten zum Sekretär - Examen eine Zurücksezung oder gar, wie man mehrfah in der Diskussion gesagt hat, ein Unrecht. Man kann beide Be- zeichnungen meines Dafürhaltens auf einen Zustand nicht anwenden, der sich auf bestehendes Ret gründet, und zwar auf ein Recht, welches festgeseßt worden ift -erst im Jahre 1871 nach eingehenden Erörterungen der ganzen Situation unserer Beamtenschaft und unter Zustimmung des Reichstags, Wenn wir nicht glauben, daß jeßt der Moment gekommen ist, an diesem Zustande etwas zu ändern, dann kann man das meines Er- ahtens weder als eine Zurükseßzung der betreffenden Beamten, noch als ein Unrecht bezeihnen, dessen ih die Verwaltung shuldig macht. “Nun steht die Sache aber so, daß die Zulassung der Beamten in dem Umfange, wie der Antragsteller beantragt, zu dem Sekretär- examen unausführbar ift, ohne eine erheblide Aenderung der Orga- nisation der gesammten Beamtenschaft. Nach der Auffassung der Postverwaltung, die bei den Berathungen im Bundesrath von den Vertretern der verbündeten Regierungen getheilt wurde, liegen für die Postverwaltung dringendere Aufgaben vor als sich z. Z. mit einer Aenderung der Organisation dieser Beamtenschaft zu beschäftigen. Seitens der Vertreter des Reichs-Postamts wird als solche dringendere Aufgabe vor allen Dingen empfunden die Wiederaufnahme der Ge- haltsverbesserung an der Stelle, wo sie im Jahre 1890 zum Be- dauern der Reichs-Postverwaltung abgebrochen wurde, um den Klagen gerecht zu wecden, die in nicht unberechtigter Weise von den damals zurückgeseßten Beamten erhoben werden. Als zweite dringendere Aufgabe wird von den Vertretern der Reichs-Postverwaltung angesehen die Einpassung des Dienstaltersstufensystems in unsere Beamten- verhältnisse. Meine Herren, es ist ja vorhin hier Zeugniß davon ab- gelegt worden, daß die Postverwaltung sich zur Einführung des Dienstalters\tufensystems erst nach \chwereren Bedenken entschlossen hat, und Sie sind ja Alle Zeugen davon gewesen, zu wie lebhaften Erörterungen in der vorigen Session diese Sache geführt hat. In der jeßigen Session stehen diese Erörterungen noch bevor. Jh nehme an, sie werden demnächst, wenn die Sache in der Budgetkommission erledigt ist, auch das Plenum des hohen Hauses beschäftigen. Sie werden daraus entnehmen, daß noch immer eine ganze Anzahl von Punkten bestehen, in denen die Beamten sich beschwert glauben dur die Einführung der Dienstalters\tufen. Die Verwaltung seßt ihre Kraft darein, diesen Beschwerden soviel als möglich und foviel sie nach ihrer Stellung im ganzen Reichsorgani8mus es vermag, abzuhelfen. Sie würden in die Erfüllung dieser Aufgabe eingreifen, wenn Sie uns noch die Aufgabe stellten, in eine neue Organisation unserer Beamtenschaft einzutreten. Das sind die Gründe, aus denen wir Sie bitten, der Resolution Werner nicht beizustimmen.

Was die Resolution anlangt, die der Herr Abg. Dr. Schädler beantragt hat, so stellt sie für den Fall, daß die frühere Refolution, jeßt also die Resolution Werner, von den verbündeten Regierungen für niht ausführbar erahtet werden sollte, eine theil- weise Erfüllung dadur in Aussicht, daß für diejenigen Zivilanwärter, welche die Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligendienst besitzen, die Zulaffung zum Sekretär-Examen gewährt werden soll. Meine Herren, wir können in dieser Milderung der Resolution nihts erblicken, was die Annahme wünschenswerth machen könnte. Die verschiedenartige Behandlung von Beamten derselben Klasse, die unter gleichen Ansprüchen in den Dienst getreten sind, ist gerade der Grund gewesen zu den Unzufriedenheiten, die im Jahre 1871 zu der veränderten Organisation führten, und wir können nicht dazu rathen, das Experiment, welches sih damals als auf die Dauer unausführbar erwiesen hat, jeßt von neuem aufzunehmen.

Ich habe also um Ablehnung beider Resolutionen zu bitten.

Abg. Gröber (Zentr.) weist die Berufung auf den bestehenden Rechtêszustand als nicht stichhaltig zurück, denn au die Beschlüsse zur Gehaltsfrage der Ober-Postsekretäre von 1890 seien bestehendes Recht. Man habe hier nah der Entwicklung der Verhältnisse zu entscheiden. Die in der Organisationsfrage liegenden Schwierigkeiten würden zu überwinden sein. Das bestehende sei niht gleihes Ret für Alle. Man wolle niht das Ganze, und jeßt wolle man auch nicht den Theil; das fei kein Entgegenkommen. Das Haus würde am besten thun, beide Anträge anzunehmen, dann könne die Verwaltung wählen.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Der geehrte Herr Vorredner hat einen Punkt übersehen, und das ist gerade der wichtigste in dieser Sache, nämlich, daß mit dem, was er anstrebt, ‘einfa die Rückkehr zu den Zuständen ftattfinden würde, die sih bis zum Jahre 1869 und 1870 herausgebildet hatten. Da befland genau das System, was Sie mit Jhrem Antrage wollen, und das wurde fo unerträglih, so unvereinbar mit der ganzen Organisa- tion der Postverwaltung, daß damals nah sehr langen Kommissions- berathungen es war eine besondere Kommission für den Post-Etat eingeseßt, und der Herr Abg. Richter war Berichterstatter; er hat alle diese Uebelstände, die aus dem damaligen System hervor- gingen, in einem ausführlihen schriftlihen Bericht behandelt und klargelegt festgestellt wurde, daß das System, was die Herren jeßt wieder einführen wollen, ein völlig ungeeignetes sei und zu großen Unzuträglichkeiten geführt hätte. Darauf hin wurde vom Reichstag beschlossen, dem Verlangen der Postverwaltung die Genehmigung zu ertheilen. Und dieses System hat recht gut gewirkt, sons würden wir diese ganzen Leistungen, von denen gestern und heute die Rede gewesen ist, nicht haben ausführen können, wenn die Organisation nicht eine gesunde und gute wäre; die Postverwaltung würde nit auf dem Punkte stehen, auf dem sie sich glückliherweise befindet.

Nun könnte do nur die Frage sein: haben wir erfüllt, was das Reglement von 1871, das noch bestehende, den Anwärtern verspricht, Ich erwähne, daß das Reglement jedem, der die Absicht äußert, ein- treten zu wollen, vorgelegt wird; es wird ihm auf seinen Wunsch er- läutert; es steht alles ganz klar gedruckt da; er kann sich viele Tage in Ruhe überlegen, ob er daraufhin in die Verwaltung eintreten will oder nicht.

Nun hat die Verwaltung nit allein dieses Reglement erfüllt, sondern es ist diesen jungen Leuten, die eintreten, an die keine großen Anforderungen gestellt werden, im Laufe der Zeiten viel mehr gewährt worden. Sie kommen zu einem höheren Gehalt ; die diätarische Zeit ist ganz erheblih abgekürzt; die ganze Stellung ist, soweit es möglich war, ohne das Wesen der Organisation zu ändern, ganz wesentli verbessert worden. i

Nun könnte es \{einen, als wenn ein Unrecht oder eine Zurück- seßung vorläge, und zwar in dem von dem Herrn Vorredner ange- führten Umstande, daß die Militäranwärter zum Examen zugelassen

werden. Das ist allerdings der Fall; es is dies eben ein bestehendes Recht dieser alten gedienten Sergeanten, Feldwebel u. #. w. Das mußte in die neue Organisation mit hinübergenommen werden. Wenn Sie das nun auh für diese jungen Leute einführen wollten, die ein- treten, ohne dem Staat 12 Jahre in der Armee gedient zu haben, so würden Sie nah meiner Ansicht ein entshiedenes Unrecht begehen, wenigstens eine Unrichtigkeit; denn es wäre keine richtige Organi- fation, diese beiden ganz verschiedenen Klassen von Menschen überein- stimmend zu behandeln.

Wenn Sle dann niht die Gleichstellung mit den Militär- anwärtern wollen, sondern, wie der Herr Abg. Schädler vorschlägt, eine zweite Kategorie schaffen wollen aus denen, vie das Einjährig- Freiwilligen - Examen gemacht haben, dann machen Sie etwas noch Sclimmeres; dann werfen Sie in diese ganze Klasse von Beamten den Erisapfel hinein; dann kommt die Zwietracht von allen Seiten zum Vorschein, während sie jeßt beruhigt sein Fôönnen bei dem, was ihnen über das Reglement hinaus gewährt worden ift.

Was liegt vor? Es ‘ist immer von Zurückseßzung und Unrecht die Rede. Ich muß darin meinem Herrn Kollegen, der vorhin sprach, durchaus beipflihten, daß von beiden, wie Sie aus meiner ganz objektiven, nur historischen Darstellung ersehen werden, niht die Rede sein kann. Diesen jungen Leuten gegenüber, unter denen \ich viele treffliche, brave Menschen befinden, und denen ih fehr wohl will, kann man von Unreht und Zurückseßzung niht \prehen. Was liegt aber vor? Eine Anzahl von Beamten ich will niht sagen zufrieden oder unzufrieden, das is mir gleih- gültig bei der objektiven Behandlung der Sahe hat den Wunsch, . ein höheres Amt, eine höhere Stellung zu bekommen, als in ihrem Rahmen liegt. Sie treten zusammen und suchen im Rahmen eines Verbandes oder durch Mittheilungen an die geehrten Mitglieder des Reichstags oder durch die Presse Propaganda zu machen für dieses über die bestehende Organisation hinausgehende Bestreben, mehr Gehalt und eine höhere Stellung zu haben. Das wünschen am Ende alle Beamten, und wenn das glücken sollte auf diesem Wege und ih glaube, daß das eine Erwägung is, die die ver- bündeten Negierungen bei dieser Sache geleitet hat —, so durhbrehen fie die ganze Ordnung im Staate. Dann fangen übermorgen die unteren Steuerbehörden in Preußen an; Forstbeamte, Volksschullehrer u. \. w., kurz alle Beamten könnten das- selbe Manöver machen, wenn es diesen Beamten glücken sollte, auf diese Art sich in eine höhere Stellung hineinzubringen, die ihnen nicht zusteht.

Das sind Gründe wirklich sehr ernster Natur. Bitte, überlegen Sie es sich mehrfach! Mit der Resolution if ja die Entscheidung noch nit ergangen, es fehlt noch der andere Faktor, der Bundesrath. Es sind das nur ungerechtfertigte Ansprühe anders kann i es nicht bezeihnen. So sehr wir bereit sind, diesen jungen Beamten alle Wohlthaten zu theil werden zu lassen, höheres Gehalt, bessere Regelung der Dienstaltersstufen ih glaube, wir haben im Laufe der Jahre bewiesen, daß uns das wirklich am Herzen liegt so wenig können wir den ganzen Rahmen der Organisation, die sich seit 1871 in jeder Beziehung bewährt hat, dur solche Agitationen irgend wie durchbreen lassen.

Abg. Dr. Schädler: Wo gleiche Arbeit ist, muß auch gleicher An- spruch auf Aváncemcnt sein. Auch für die Unteroffiziere ift seit 1871 sehr viel geschehen, und man kann zweifelhaft sein, ob eine folche Unterscheidung heute überhaupt noch angebracht ist. Wie der Antrag Zwietracht in die Reihen der Assistenten tragen kann, ist mir mit Rücksicht auf den Schluß unseres Antrags zu tief.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Gerade im leßten Saß Ihres Antrags \teckt dieser Erisapfel, wo gesagt ift: fie können ja den Beweis erweiterter Schulkenntniß nachher erbringen. Abgesehen von der ungeheuren Prüfungslast für die Verwaltung, kann vielleiht die überwiegende Zahl der Beamten einen solchen Beweis nicht beibringen, und die würden gegen die anderen aufgeheßt. Dieser Zustand bestand vor 1871; den {aften wir im Verein mit dem Reichstag aus guten Gründen ab. Jett {hon theilt man \ih: jedesmal, wenn die Sache in einem Blatt an- geregt wird, erheben sich Assistentenstimmen gegen diese zweiklassige Organisation. Machen Sie nicht zwei Klassen! Das taugt in keiner Weise.

Abg. Werner: Der innere Trieb zu eifriger Arbeit muß fehlen, wenn der Beamte weiß, daß er mit 27 Jahren {on am Ende feiner Carriòre angekommen ist. Wenn das Einem ret ist, ist es dem Andern billig.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Die Logik des Herrn Vorredners war doch nicht rihtig, wenn er sagt: die beiden Klassen sind egal. Sie leisten dieselbe Arbeit und müssen deshalb gleich behandelt werden. Die beiden Klassen sind nicht egal, die einen sind zivilversorgungsberehtigt, haben 12 Jahre als Unteroffiziere oder Feldwebel gedient, und die anderen treten als junge Leute unmittelbar aus der Dorfschule in die Postverwaltung ein. Dié Klassen And. also nit egal, die Leistungen sind auch nicht egal, denn die Sekretär- stellung soll eine Durchgangsóstellung scin, wie die der Assessoren, für die höhere Stellung. Das trifft also auch nicht zu.

Dann haben Sie sich wohl auch nicht überlegt: wenn nun diese jungen Leute alle zum Examen zugelassen werden, wo sollen sie die Stellen hernehmen? Haben Sie die tausende von Sekretärstellen im Etat? Wollen Sie die einrihten, ohne / daß dazu ein dienstliches Bedürfniß vorliegt, bloß um den Anforderungen, die ih in etwas lärmender Weise in der Presse geltend machen, zu entsprechen? Wie is das mit der gesunden wirthschaftlichen Entwickelung der Staatsverwaltung zu vereinigen, wenn Sie Stellen machen, die garniht für den eigentlihen Zweck nöthig sind, und diese bezahlen ? ;

Endlich möchte ih noch bemerken: wenn der Herr Abgeordnete gesagt hat: mit 27 Jahren ist die Carriòre abgeschlossen, dann kommen sie nicht mehr weiter und dadurch s{chwindet die Arbeitslust ja, verehrter Herr Abgcordneter, jede Carrière muß doch einmal ab- ges{chlofsen werden, und wenn die Carrière dieser Beamten mit 27 Jahren abschließt, dann känn man doch nur sagen, daß sie sehr gut daran sind, daß sie so früh auf den höchsten Punkt kommen, auf den fie überhaupt kommen können. Das is doch ein großer Vorzug.

Abg. Gröber: Wenn der zwölfjährige Dienst einen Unter- {ied begründen soll, dann müßte do wenigstens nah zwölf Jahren auch der Zivilanwärter zum Examen zugelassen werden. Diese

Konsequenz wird aber der Staatssekretär wohl niht ziehen wollen. Die Militärverwaltung hat uns in eine Zwangslage gebracht ;

machen wir den Versuch, die Schwierigkeiten, die daraus bervorgchene B s größt,

zu beseitigen, so finden wir geräte bei Herrn von Stephan da

Damit {ließt die Diskussion.

Die Abstimmung über die Anträge wird ausgesegt. Beim Titel „Unterbeamte“ ertheilt der Präsident Abg. Bebel das Wort. Da jedoch es ist nahezu 6 Uhr eworden Rufe: „Vertagung!“ laut werden, verzichtet Abg

ebel vorläufig aufs Wort. N Die Vertagung wird beschlossen. Schluß 6 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch träge, betr. den abs der Bau des Reichstagswahlgejeßes.)

1 Uhr. Z andwerker und Abände

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

3. Sißung vom 21. Januar 1896.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung dez Dana EA für aide i chb d a er gestern mitgetheilten Rede des . Ri nimmt das Wort der G E Finanz-Minister Dr. Miquel: Meine Herren! Auf die leßten Aeußerungen des Herrn Abg,

Richter in Betreff des Schulgeseßes und auf die Kritik einer Reihe

bon Verwaltungsmaßregeln, welche in mein Ressort nicht fallen, will ih nicht eingehen; ih werde die Beantwortung meinen Herren Kollegen, soweit sie dieselbe für nothwendig halten, überlassen und werde mi bloß halten . an den Finanzmann Richter, nicht au den Gesetzgeber und Verwaltungsmann. (Heiterkeit.)

Nun, meine Herren, der Finanzmann Richter wirft sid in die Bruft (Heiterkeit); er fagt: ih bin doch Elüger ges wesen als die Finanz-Minister; ich habe vorhergesehen, welde embarras de richesses dem Staate wieder zufließen; id babe das Verdienst, verhindert zu haben, daß im Reichstag und \onstwo Steuern auf Vorrath bewilligt wurden, lediglich, um sie zu amassicren,

Meeine Herren, gehen wir etwas weiter zurück, sehen wir mal die Finanjz- geschäfte des Herrn Abg. Richter uns etwas näher an. Ich habe die par- lamentarishe Thätigkeit des Herrn Abg. Richter, weil er ja unzweifelhaft einer der kundigsten Parlamentarier auf dem Gebiet unserer Finanzen ist, seit Jahren aufmerksam verfolgt, meistens bekämpft, wenn ih im Parlament war, wenigstens genau beobachtet, wenn ih nit darin war. Jch kann mi nicht erinnern, daß der Herr Abg. Richter in seiner langen parlamentarischen Thätigkeit" jemals für ein Gefeß oder eine Maßregel gestimmt hat, welhe die Einnahmen des Neichs oder des preußishen Staats vermehren sollte, (Sehr richtig! rechts.) Jch erinnere mi, daß er gestimmt hat in den Jahren 1879 und 80 gegen alle die Gesetze, welche die Vermehrung der Reichs- Einnahmen mit einem größeren Schuß der heimischen Arbeit und der Industrie verbanden. Ich erinnere mi, daß er noch in der leßten Session sogar gegen die Börsensteuer ges stimmt hat, immer mit der Behauptung: wir brauchen kein Geld; ihr bewilligt Steuern lediglih auf Verrath, ih bin der, der das Volk vor übermäßiger Belastung {ütt immer mit der Bekqup- tung, daß er s{ließliG Recht behalten würde. (Heiterkeit rechts,) Ich erinnere mich vor allem, daß der Herr Abg. Richter der heftigste Gegner der Verstaatlihung der Eisenbahnen war (sehr richtig! rechts) und auch heute noch auf diesem Stand- punkt steht. Nun haben diefe Eisenbahnen allein während meiner Amtszeit die Einnahmen des Staats um etwa 100 Millionen erhöht. (Hört! hört! rets.) Ich frage nun, wenn die finanzielle Weisheit des Herrn Abg. Richter (große Heiterkeit) seit 20 Jahren fo viel Jünger gefunden hätte, daß er bei allen seinen Abstimmungen im Reichstag und im Landtag die Mehrheit gefunden hätte, was würde wohl aus dem Deutschen Reih, was aus Preußen ge- worden sein?! (Lebhafter Beifall rechts.) Wo wäre unsere Landesvertheidigung geblieben, wo unsere Sicherheit nah außen (fehr gut! rechts), wo wäre die Möglichkeit der Erfüllung der wachsenden Kulturaufgaben des Reic;s und des preußischen Staats geblieben? Wo wären unsere Beamtengehalte, wo wäre unsere Schuldentilgung, wo wäre die Entwickelung unserer Schulen, wo wären all die großen Fortschritte, die wir im Reich und in Preußen seit diesen 20 Jahren gemacht haben, geblieben? (Lebhafte Zustim- mung rechts.) Man kann sih diesen Wahnsinn, der daraus hervor gegangen sein würde (große Heiterkeit), garniht ausdenken. (Leb- hafter Beifall rechts.) Jch glaube nun, daß, wenn der Mann, der diese Art von Finanzpolitik uns angerathen hat, mit vielem Wissen, hohem Geschick - und dialektisher und parla- mentarischer Kunst heute auftritt und sagt: ih habe richtig prophezeit, ih bin der einzige, der die Sachlage rihtig erkannt hat, und die sämmtlichen deutschen Regierungen, insonderheit der Finanz- Minister Miquel, haben die Sache niht verstanden und begriffen —, so verdient das an und für sih schon nah dieser Geschichte wenig Vertrauen. (Heitérkeit und sehr gut! rechts.) Meine Herren, der Herr Abg. Richter meint, wir hätten bei Beurtheilung unserer Finanzlage, bei Beurtheilung der Finanzlage des Reichs, bei dem Be- streben, die- bisherige finanzielle Verquickung des Reichs und der Einzelstaaten zu trennen, uns völlig über die wahre Sachlage geirrt. Er spricht davon, wie sih die Zölle mächtig gehoben haben in den leßten Jahren. Er hat jedo nit hervorgehoben vielleicht in Er- innerung seiner früheren Abstimmungen —, daß in noch höherem Maße die Eisenbahnüberschüsse sih in Preußen gehoben haben; er meint, das hätte man ja vorhersehen können, neue Steuern wären über- haupt nicht erforderlich gewesen. Nun, was haben denn die deutschen Regierungen vom Reichstag gefordert? Sie forderten im Reichstag so viel, daß der Etat des Reichs solider aufgestellt werden könnte nah der Richtung hin, daß man Ausgaben, die in den laufenden Etat gehören, nicht mehr durch Anleihen dee ; sie forderten zweitens, daß dic Mehrausgaben, die durch die Militärorganisation und durch den Ver ziht auf einträglihe Zölle entstanden waren, gedeckt werden, und wollten zugleih erreihen, daß den Einzelstaaten eine sichere, beschränkte, fixierte Ueberweisungssumme, wie das bisher der Fall gewesen war, aus dem Reich zuflösse. Nun, meine Herren, diese 40 Millionen haben wir nit bekommen, wir haben uns mit Rücksicht auf diese Anschauungen derMehrheit des Reichstags, darein \hicken müssen, wir haben verzichtet auf alle Mehrüberweisungen; die Einzelstaaten wollten nur sicher sein ge0eß zukünftige Mehrforderungen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Veilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 20.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Nun sagt der Herr Abg. Richter: Wie kann ein Finanz-Minister solche Maßregeln anrathen, denn heute noch in diesem laufenden Jahre werden die Ueberwêisungen des Reichs an Preußen größer sein als die Zahlungen, die Preußen zu leisten hat? Wie kommt ein preußischer

Finanz-Minister dazu, auf diese Wohlthaten, die das Reich den Einzelstaaten erweist, verzihten zu wollen? Nun, meine Herren, ih bin so unweise, ih verzihte mit dem - größten Vergnügen im Interesse der preußishen Finanzen und ihrer soliden Verwaltung auf alle Ueberweisungen seitens des Reichs, wenn das Reich uns sicherstellt, in - Zukunft niht mehr- Matrikularumlagen zu fordern, als die Ueberweisungen betragen. (Bravo!) Heute kennt allerdings jedermann, der die wirthschaftliße Bewegung seit den legten 50 Jahren nur mit einem halben Auge angesehen hat, das Auf und Nieder, die permanenten Schwankungen zwischen Hausse und Baisse, die Perioden der wiederkehrenden Krisen, den Rückgang und den Aufschwung der Industrie und natürlich auch die Einwirkung, die das auf die Zölle und alle

großen Betriebsverwaltungen hat. Daß ein Wiederaufshwung einmal fommt, das vorauszusehen, dazu gehörte nicht viel, dazu bedurfte es nur ciner sehr geringen Weisheit, daran haben wir nie gezweifelt! Jch habe bei der Einbringung des Etats gesagt: diese Shwankungen, die in einem Jahre Uebershüfsse, in dem anderen Defizits ergeben, find gefährlich sowohl in den Jahren des Uebershusses, wie in den Sahren des Mankos. Der Herr Abg. Richter steht auf einem ganz anderen Standpunkt. Seine ganze Finanzweisheit besteht darin, aus der Hand in den Mund zu leben; er nennt das automatisch, wenn man die Finanzen dur dauernde Einrichtungen regelt, er nennt das Mechanismus, er sagt: ih will solche dauernden Formen nit, ih will jedes einzelne Jahr behandeln nah sciner besonderen Natur, und diese Finanzpolitik ift die einzig richtige. Hier, meine Herren, ist der kardinale Gegen- say! Jch spreche augenblicklih niht von der durch diesen Gegensay garniht berührten Aufgabe, zwei neben einander bestehende Staats- Fförper finanziell niht zu verquiden das ift eine Frage für sich —, sondern ih will nur von inneren preußishen Fragen sprechen, nament- von den großen Schwankungen unserer Betriebsverwaltungen.

Nun hat der Herr Abg. Richter fo unendlih großen Respekt vor der privaten Initiative, der finanziellen und industriellen Klugheit, die sih in der Privatindustrie überall zeige. Jch- frage, wie macht man es denn nun im Privatleben, in dem industriellen Leben? Da wird man in guten Jahren abschreiben, man wird sihch in solchen Jahren für {lechte Jahre rüsten, und jeder gute Industrielle, je

größer der Betrieb ist, wird desto stärker dazu neigen. Dort ist das Bestreben vorhanden und durhaus berechtigt z. B. bei den großen

. Aktiengésellschaften möglichs gleichmäßige Dividenden zu geben,

- nit heute alles zu vertheilen, was verdient ift, sondern für \{lechte Jahxe zurückzulegen, die man voraussieht. Ist das nun hon im Privatleben rihtig, wie viel richtiger is das in der großen Staats-Finanz-

wirthschaft! Denn, das Interesse des Einzelnen an dem dauernden Wohlergehen des Staats nah der finanziellen Seite hin wir können das ja nit leugnen i viel geringer, als das Interesse des Einzelnen an seinen eigenen Finanzen. Die Gefahr also, daß in guten Jahren alles, was vorhanden is, sofort konsumiert wird für bestimmte Interessen und bestimmte Zwecke, ist im Staatsleben bedeutend größer. Da also organishe Einrichtungen zu treffen, die mittleren Durchschnitte ziehen, die dieses ewige Auf und Ab, die Störungen und Verwirrungen, welhe dadurch in die ganze Staatsverwaltung kommen, vermindern, das ist niht Mechanismus, sondern organische Behandlung der Staats- finanzen.

Meine Herren, der Herr Abg. Richter betont, daß meine Be- merkungen über die Folgen der Verquikung der Finanzen des Reiches mit denen der Einzelstaaten, welhe ih bei der Einführung des Etats dem Hause illustrierte, durch die Hinweisung darauf, daß wir bei der Berathung des preußischen Etats sowohl in den Vorsftadien als hier in dem Hause unser Defizit, unser Manko gänzlich irrig aufgefaßt hätten, daß wir niht ein Defizit von 34 Millionen, sondern nur “ein solhes von 20 Millionen gehabt hätten diesen Hinweis sucht der Herr Abg. Nichter damit zu widerlegen, daß er sagt, wir hätten wohl noch im legten Angenblick, ehe der Etat im Herrenhause abgeschlossen worden wäre, das berihtigen können. Wenn das wirklich der Fall war es war aber niht der Fall, denn unser Etat wurde früher abgeschlossen; der Etat wird abgeschlossen durh die Beschlüsse dieses Hauses, nit dur die Beschlüsse des Herrenhauses, welches nur in der Lage ist, den Etat im Ganzen anzunehmen oder zu verwerfen wenn es richtig gewesen wäre, was hätte das bedeutet? Während der ganzen Zeit der Berathung hier im Hause und während der ganzen Vorberathung waren wir in dem Glauben, ein Defizit von 34 Millionen zu haben, während wir nur cin solches von 204 Millionen gehabt haben. Daß dies auf die Beschlüsse des Hauses, auf die Stellung der Regierung zu den einzelnen Anforderungen natürli einwirken und ein ganz \chiefes Bild geben muß in denjenigen Faktoren, die den Etat berathen und abschließen, das kann doch niemand bestreiten angesihts so vieler Männer im Hause, die an si selber die Erfahrung machen. Nun sagt der Herr Abg. Richter, ih fürchtete mich offenbar vor einem embarras de richesse, ih sollte do dankbar sein den Herren im Reichstag, die tüchtig abstrißen an den Ausgaben des Reichs, die Matrikularumlagen verminderten, die Zölle höher etatisierten und uns diese {önen Zuwendungen machten. Ja, meine Herren, ich bin ja garniht in der Lage zu kritisieren, ob die Finanzpolitik des Herrn Alg. Richter im Reichstag richtig ist ih würde mich dessen au garnicht “Unterfangen, ob nit die Ausgaben, die dort abgeseßt werden, in ver- stärktem Maße in den nächsten Jahren wiederkehren. Ih weiß auhch nit, ob es richtig ist, die Zölle noch nach einem kürzeren Durchschnitt als nah zwei Jahren, wie es jeßt im Reichstag vorgeschlagen ist, zu etatisieren, fondern sie lediglih auf den Glauben hin, wele Zölle wohl im nächsten Jahre eingehen werden, zu veranshlagen. Jch will das garnicht kritisiecen. Ich kann mir denken, daß der Abg. Nichter

Berlin, Mittwoch, den 22. Januar

überzeugt ist, er könne die Ernte des nähsten Jahres au vorher- sehen, denn davon wesentlich hängt die Höhe der Zölle ab —, daß er wissen könnte, ob man gute oder s{chlechte Ernten hat. Das alles kritisiere ih nit, das überlasse ih den Herren im Reih. Aber auf solhe Ueberweisungen, auf solhe schwankende vorübergehende Zus wendungen nun dauernde Ausgaben hier in Preußen zu fundieren, das glaube i, kann selbst der Abg. Richter niht fordern. Wir haben in Preußen nah meiner Ueberzeugung, namentlich gegenüber der That- sache, daß das Reich keine Schulden tilgt, eine Verstärkung unserer Schuldentilgung nöthig ih werde darauf gleih noch zurückommen eine Erhöhung unserer Beamtengehalte is unbedingt nothwendig. Wir haben eine Reihe von Kulturaufgaben unerfüllt lassen müssen, die offenbar vorhanden sind. Wir müssen für Landesmeliorationen, für Flußkorrektionen u. \. w. viel mehr thun als bisher. Wir müssen auch für die Schule mehr thun können, als wir gegenwärtig in der Lage sind zu thun.

Nun, wenn die Finanzpolitik der Regierungen und Preußens Wahrheit geworden wäre, wenn wir uns sier wären vor weiteren demnächstigen Zugriffen der Reichsfinanzen, dann würden wir aller- dings auf diesen Gebieten viel mehr wagen können, dann würden wir nur auf einem Gebiet im Schwanken sein, ‘das wir auch vermindern könnten, und wir würden uns viel sicherer fühlen, im preußischen Etat eine dauernde Ausgabevermehrung zu mahen. Wenn die Beamten klagen, daß ihre Gehälter zu niedrig seien, so mögen sie si an die Herren, welche die Finanzpolitik des Herrn Abg. Richter vertreten und ihr folgen, wenden. Wenn die Lehrer klagen, daß die Gehalte zu niedrig bleiben, so verweise ih fie an dieselbe Quelle. (Sehr rihtig!l) Meine Herren, niht der böse Finanzminister, niht der Widerwillen, die vorhandenen Bedürfnisse zu befriedigen, ift es, sondern wir sind eben dur die Lage und Vershlehterung der Reichs- finanzen außer stande geseßt, uns fo frei zu bewegen, wie wir es unfererseits wünschen.

Meine Herren, nun noch zum Schluß eine per} önlihe Bemerkung. Herr Abg. Richter meint, ih litte an einem zu großen Gedankenrei- thum und an einer zu lebhaften Phantasie, an einer zu starken Hinneigung zu fozialpolitischen Ideen. Er weiß für leßteres nur anzuführen die An- leihe von 5 Millionen für die Verbesserung der Wohnungen unserer ständigen Arbeiter. Jh überlasse diesen Punkt einfa der öffentlichen Meinung und der Meinung dieses hohen Hauses.

Er hat sich dann darüber beshwert, daß wir die Zentral-Ge- nossenshaftsbank mit 5 Millionen zur Belebung des Genossenschafts- * wesens gegründet haben. Ich habe allerdings seit langer Zeit aus der Presse entnommen, wie wehe der politis chen Auffassung des Herrn Abg. Richter diese Maßregel gethan hat, obwohl ih glaube, daß er sih da vor einem Gespenst fürchtet. Diese Genossenschafts- bank soll alle Genossenschaften, welher Partei sie auch angehören, fördern, und wir können nur bedauern, wenn Genossenschaften gewisser Richtung sih niht auch der Genossenschaftsbank bedienen, und hoffen, daß sie das später doch nicht werden umgehen können, weil fih schon jeßt gezeigt hat, daß die Genossenschaftsbank billigeren, fichereren Kredit geben kann als irgend eine Privatbank, ohne daß damit irgendwie die Finanzen des Staats verleßt werden.

Meine Herren, der Herr Abg. Nichter hat dann gemeint, für agrarische Zwecke wäre ich immer bereit alles zu thun. Nun sehen Sie sich einmal die Entwickelung des Ausgaben- Etats des Staats für Förderung des Schulwesens und der Kunst selbst in der Zeit von 1887/88 bis 1896/97 an, so werden Sie finden, daß diese Ausgaben gestiegen sind seit 1887/88 von 58 auf 109 Millionen, Sehen Sie sich mal das Landwirth- . shafts-Ministerium an innerhalb dieser Zeit, so haben wir hier nur eine Steigerung von 3 Millionen. (Hört! hört! rets.)

Meine Herren, das Landwirthschafts-Ministerium stand bereits im Jahre 1887/88 auf 9414000 # Zuwendungen aus Staats- mitteln und ift seit den Jahren 1887/88 bis 1896/97 nur auf 13 Millionen gekommen. Sehen Sie sich sämmtlihe Etats aller anderen Ministerien an, so werden Sie finden, daß das Landwirth- \chafts-Ministerium gewiß über einen embarras de richesse nidt klagen kann (sehr richtig! rechts), und umgekehrt, daß es in Zukunft mehr und mehr unsere Aufgabe sein wird, hier, soweit die Mittel reihen, die Verwendungen zu Gunsten der Landwirthschaft zu ver- stärken. (Bravo ! rechts.)

Meine Herren, ich mache mir daraus garnihts, wenn die Herren von der linken Seite in der Presse und sonst mi als einen ganz einseitigen Agrarier charakterisieren. (Heiterkeit.) Ih wüßte garnicht, wie ich nach meiner Vorgeschichte, und da ih auch kein Ar und keinen Halm habe (große Heiterkeit), dazu kommen sollte. Aber, wer nicht begreift, daß hier eine {were Aufgabe des Staats liegt, daß hier ein krankes Glied vorhanden ist, daß es im Interesse der Gerechtig- keit, der sozialen Ausgleichung, fondern selbst der politisGen Lage des Staats von der höchsten Bedeutung is (sehr richtig! rechts), daß der Staat hier thut, was er thun kann, wer das nit be- greift, der mag mih immer einen Agrarier {elten ; in diesem Sinne würde ih diese Bezeihnung als einen Ehrentitel ansehen. (Bravo! rets.)

Meine Herren, der Herr Abg. Richter wirft mir Ueberfluß an Gedanken vor; ich glaube, ih könnte mit dem gleihen Recht ihm Mangel an Gedanken vorwerfen. (Heiterkeit.) Während in der ganzen Welt, in der ganzen Kulturwelt, das Land des Mantesterthums niht ausgeschlossen, vielleiht allen voran, das Prinzip des laisser faire als ein System erkannt ift, welhes der modernen Ent- wicklung niht mehr entspricht, daß es Aufgabe des Staats ift, aller- dings auch seinerseits zum Schuß der Shwachen, Geringen und Be« drückten mit seiner Staatsgewalt und seinen finanziellen Mitteln einzugreifen, natürlich immer in bestimmten Grenzen und in be- stimmten Schranken, während, sage ih, die ganze Kulturwelt das begreift und danach handelt, während man sagen kann, daß das Prinzip der alten FreihandelssWule überall überwunden ist

und, heute festgehalten, Schiffbruch leidet steht -der Abg. Richter

1896.

da wie ein Fels im Meere, unentwegt und unverändert (große Heiter- keit). Da könnte ih vielleiht eher sagen: dies ist Gedankenarmuth.

Er wirft mir meine Beweglichkeit vor. Nun, meine Herren, wenn ein Politiker nihts lernt und nihts vergißt, so kann er eben- sowohl auf der äußersten Reaktion, als auf dem äußersten Fortschritt stehen, aber zu loben ift ein solher Politiker gewiß niht. Mit den veränderten Verhältniffen und den veränderten Dingen müssen auch andere Konsequenzen und andere Maßregeln gezogen werden. (Bravo!) Das ist die Politik, die ih mi bestrebt habe zu verfolgen, mi be- mühend, die Veränderungen der besteheaden Zustände und Verhält- nisse rihtig zu erkennen und meine Entscheidung danach zu treffen. (Lebhaftes Bravo!)

dab

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (frkons.):

will niht auf das Schulgeseß eingehen; ich meine aber Do

derjenige, der darüber \priht, das Geseß gelesen hat. - Herr ichter hat aber über den wihtigen Punkt der Älterszulagen den Inhalt dec Vorlage -falsch_ dargestellt. Das entspricht nicht meinem Gefühl. Die großen Städte werden anders behandelt als die kleinen Ge- meinden, weil in den ersteren fih die größeren Vermögen finden, die Städte also leistungsfähiger sind; es ist also ein vollständig gerehtes Verfahren, die kleinen Gemeinden zu entlasten. Daß die Vertretung der Städte im Landtag sih richten sol nah dem Aufkommen an Steuern, ist ein seltsames Verlangen. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, daß die Anrehnung der fingierten Steuersä e niht aus- reiht, um das Uebergewiht des Kapitals auszugleihen. Man wird nach Mitteln suhen müssen, um den gebildeten Theil der Bevölkerung, -der jept in der dritten Klasse wählt, in die anderen Klassen zu bringen. Die Ungleichheiten, die ih in Berlin gezeigt haben, sind fonst auß \chon überall vorgekommen. Aber wenn man das Wahlrecht ändern will, dann sollte man die bessernde Hand eher an tas Neichswahlrecht legen, damit den ge- bildeten Elementen mehr Einfluß zufällt. Bezüglih des Vereins- geseßes ist es berechtigt, Vereine, die eine umstürzende Tendenz haben, shärfer zu beaufsihtigen als diejenigen, die sich auf gesezlihem Boden bewegen. Ein vernünftiges Reihs-Vereinsgesez kann man wohl für abfehbare Zeit nicht erreihen; man würde dur Negelung einzelner Stücke des Vereinsrechts von Reichswegen in die Kompetenz der Einzelstaaten unberechtigt eingreifen. Ich bin

bereit, in eine Revision des preußischen Vereinsgeseßes einzutreten ; es en Misbr aber es

behindert manche Vereine ohne Noth in ihren enthält auch feine Bestimmungen, welche den Mißbrauch des Vereinsrechts treffen. offentlich ist Herr Richter zu Ergänzungen nah dieser Richtung hin bereit. Bei der Militärvorlage malte Herr Richter {warz, er stellte ungemefsene neue Steuern in Aussicht, um die Vorlage zu bekämpfen. Sobald es sich um die Börse handelt, um deren Kontrole, da befindet sich Herr Richter unter den Gegnern; er meinte auch, die Börsensteuer werde keine Mehrein- nahmen zur Folge haben, und nun rührt gerade aus der Börsenfteuer die Besserung der Reichsfinanzen her! Wer s\ih fo fundamental irrt, der sollte am wenigsten Andere belehren wollen. Gegen die finanzielle Abgrenzung zwischen dem Reih und den Einzelstaaten erheben aerade diejenigen den heftigsten Widerspru, die auch die Franckenstein*s{e Klaujsel, welche die Verquickung zwischen dem Reich und den Einzel- staaten herbeigeführt hat, bekämpft haben. Die zweijährige Dienstzeit stand auf dem fortshrittlichen Programm, und als die Regierung damit kam, bekämpfte Herr Richter die E Bei seiner Bilanz dem bekannten Finanzkunststück des Herrn Richter hat er die Momente, die eine Kapitalsvermehrung bedeuten, hervorgehoben, aber von den Abnußungen nihts in Gegenrechnung gestellt; die Bilanz ist vollständig unbrauhbar. Die Aufmerksamkeit wird darauf gelenkt, daß der Eisenbahn-Etat einen immer s Umfang in dem ganzen Etat einnimmt. Man wird dieses Verhältniß genau prüfen müssen. Solange die Eisenbahnübershüfse die Staatsausgaben mit decken müssen, muß man die Eisenbahnen pfleglih behandeln, die Mehr- einnahmen sind in den leßten Jahren hauptsählih aus mien en

entstanden. Man wird in dieser Weise weiter verfahren müssen, a nicht in der Weise, daß darunter der Verkehr leidet; es find aber {hon Klagen über ge an Wagen und Personal laut geworden. Wenn die Eisenbahnen Mehreinnahmen erzielen sollen, so muß man die Kanalbauten einshränken, wenn nit die Eisenbahnen Transporte einbüßen sollen. Bezüglih der Konversion hat man das Fell des Bären wohl {hon getheilt, ehe man ihn erlegt hatte. an wird erst die Wirkung des jeßt beginnenden Aufschwunges auf den Zins abwarten müssen. Aber 18 oder selbst 36 Millionen sind nicht hin- reihend, um Alles das zu deckden, was Herr Richter damit ma will. Das if eine ganz unsolide Finanzpolitik, die ohne feste Grundlage neue Ausgaben saft. Jedenfalls ift eine generelle Ermäßigung der Perfonentarife nicht nöthig. Auf dem Gebiete der Gütertarife liegt es anders, aber wir müssen vorsichtig verfahren, damit nicht {ließlich die Steuerzahler belastet werden. Wo ein Be- dürfniß nachgewiesen ist, kann man vorgehen, weil dann die vorüber- gehenden Ausfälle si leiht ausgleihen. Es werden niht mehr so sehr viel Jahre hingehen, wo dem französishen Staat die Eisenbahnen unentgeltlih infalten : dann kann A dur Tarifermäßigungen den Wettbewerb gegen uns fene erleihtern. Deshalb muß man Gedanken nahetreten, den der Finanz-Minister angeregt hat: zur Aus- gleihung der Schwankungen der Eisenbahneinnahmen einen Fonds zurückzulegen. Aber nit alle meine Freunde stimmen dem Gedanken bei. Jedenfalls muß man die Uebershüsse der Eisenbahnen in erster Linie zur Schuldentilgung verwenden, da im Reich doch eine Tilgung nicht stattfindet. Daß zu viel Aufwendungen für die Landwirthscha emacht werden, kann ich nicht zugeben. Der Staat, der die wirth- chaftlich Schwachen nicht imkeribitlen wollte, wäre werth, von den Sozialdemokraten vernichtet zu werden. Je weniger Aussicht vorhanden ift, durch die großen Mittel der Landwirthschaft zu helfen, d freudiger taeonen wir die Unterstüßung der Kornhäuser und empfehlen die schleunige Anwendung der kleinen Mittel. Bei der großen Wich- tigkeit der Landwirthschaft für die Struktur unseres Staats, für die Wehrkraft und die Haltung des ganzen Reichs sollte die Erhaltung der Landwirthschaft, des Esteins üierer Verhältnisse, die Haupt- aufgabe der Regierung und der Volksvertretung sein.

Abg. von Jazdzew ski (Pole): Jn meiner Heimath liegt die Landwirthschaft besonders darnieder; da die kleinen Mittel nicht helfen, follte die Regierung an die großen Mittel denken.

uns hilft man den Schwachen nit, fondern man drückt sie nieder. Bei der Vermehrung der Richterstellen ist meine Heimath leer aus- gegangen, es sie dort nothwendig ist wegen der Zweisprachigkeit. Dem Kultus-Ministerium bewilligen wir gern jede Summe für das Schulwesen, wenn wir sicher sind, daß unsere Wünsche erfüllt werden; aber dagegen verhält sich die Regierung immer ablehnend. Wir werden jedo troßdem unsere Wünsche und Beschwerden immer vertreten. Bei der Einrichtung von Wohlthätigkeitsanstalten, der Krankenpfl durch E 2c. werden uns Schwierigkeiten bereitet die eigentlih in einem Kulturstaat niht vorkommen sollten. Wir haben vor dem Wirken des neuen Vereins gewarnt, wir haben gemah von der heßenden Thätigkeit abzulassen. Man hat uns jedo # zurückgewtesen. Wenn die Sachen nun aber so weit g da

fich auf dem gewerblichen Gebiete bemerkbar machen, dann sollte die Regierung den Beamten die Theilnahme an dem Verein verbieten;