1896 / 21 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

gläubiger do so weit sicher gestellt werden, daß sie im ordentlichen Rechtswege ihren Spruch verlangen können.

Meine Herren, wenn die Sache aber \o liegt, daß Sie bei jedem Um- und Neubau im ganzen Land, in kleinen und großen Städten denn dahin geht der Antrag zunähst doch cine doppelte Taxe mit den. daran sich knüpfenden Auseinandersezungen der Parteien, mit den daraus sih ergebenden Prozessen haben wollen was dazu das Land sagen würde, darüber bin ih nit zweifelhaft.

Also, meine Herren, meine ih, stehen dem Antrag Bassermann in seinem zweiten Theil so erhebliche Bedenken gegenüber, daß das Haus gut thun würde, wenn es im Sinne des Unterantrags des Herrn Freiherrn von Stumm diesen Theil des Antrags ablehnen wollte. Das Haus behält sich die freie Hand vor, es verpflichtet sich zu nichts und kann in der Kommission vollständig objektiv erwägen, ob man auf den Weg zurückkommen will.

Was den ersten Theil des Antrags betrifft, so ersucht er ganz im allgemeinen die verbündeten Regierungen, eine Geseßesvorlage zur Abhilfe der den Bauhandwerkern drohenden und auch zu theil gewordenen Schäden einzubringen. Meine Herren, ih hoffe, Ihre Kommission wird den Antrag in dieser Allgemeinheit niht annehmen und wird die Verpflichtung fühlen, wenn sie den Weg der Reichsgeseßtz- gebung den Regierungen empfehlen will, auch im Großen und Ganzen den Negierungen anzudeuten, wie der Weg, der eingeschlagen werden foll, beschaffen is. Denn nachdem, wie der Herr Antragsteller selbst gesagt, 20 bis 30 Vorschläge vorliegen, wie hier zu helfen fei, bis dahin aber kein Vorschlag die überwiegende Anerkennung gefunden hat; nachdem die ernsten Erwägungen, die im Schoße der Negierungen statt- gefunden haben, bisher auch noch zu keinem brauchbaren Resultat geführt haben; nahdem der preußische Justiz-Minister das Abgeordneten- haus in die Lage verseßt hat, alle Vorarbeiten, die auf diesem Ge- biete ausgeführt worden sind, zu würdigen , und das Abgeordneten- haus in Uebereinstimmung mit dem Justiz-Minister sich dahin aus- gesprochen hat, daß die Mittel, die in Vorschlag gebraht worden, nicht die geeigneten sind: so wird, meine ih, der Reichstag sih nicht darauf beschränken können, mit einem Vorschlage an die verbündeten Regierungen zu treten, der sahlich überhaupt noch nichts enthält. Fch hoffe also, daß Jhre Kommission sich bemühen wird, nah dieser Richtung hin den Antrag zu ergänzen und mit dem realen Inhalt zu versehen. Geschieht das, dann können die verbündeten Negie- rungen für die Hilfe, die ihnen durch die Arbeit der Kommission gewährt ist, nur dankbar sein. Bei einer so s{wierigen und so weit- tragenden Aufgabe, wie die hier in Rede stehende zweifellos ift, Fönnen die Regierungen sich nur freuen, daß fie hon im Vorstadium der geseßgeberishen Arbeit die Unterstüßung des Hauses finden. In diesem Sinne begrüße ih den ersten Theil des Antrags Bassermann freudigst. (Bravo !)

Abg. Freiherr vonStumm (Rp.): Zur Begründung meines -An- trags hat schon der Staatssekretär einige Momente angeführt. Das französishe Recht ist in seinem auf die Obligationen bezüglichen Theile geradezu miserabel, und mit Freuden hat man in der Rhein- provinz seine Aufhebung und die Einführung des Grundbuchs be- rüßt. Der ganze Hypothekenkredit würde, wenn man die Be- fien des Antrags Bassermann wieder aufsleben ließe, am Rhein wieder in die Hände von Geschäftsleuten übergehen und die Er- lIangung von Hypotheken für den kleinen Mann aufs äußerste er- Que werden. Es wird viel zu. sehr davon ausgegangen, daß der

aushwindel in großen Städten die Regel sei; so s{chlimm ist es doch noch lange niht, und in kleinen Städten und auf dem Lande is doch noch meistens das Baugeschäft in soliden Händen. Jeden Bauherrn, also au den Arbeiter oder den- Bauer, der si ein Häuschen baut, als Kaufmann hinzustellen, das geht mir zu weit; ob die Bausperre viel Zweck hat, kann ich nicht beurtheilen. Es soll und muß etwas geschehen, um den Bauhandwerker zu \{chüßen, und warten wollen wir damit auch niht bis zur Emanation des Bürgerlichen Geseßbuchs; weiter aber sollten wir in unserem späteren

eschluß den verbündeten ernen nichts erklären.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.): Wir haben schon im vorigen Jahre in unserem Antrage zur Abänderung der Konkursordnung einen dem Antrage Bafsermann ganz ähnlihen Antrag gestellt. Das Zentrum hat aljo ebenfalls längst den entseßlihen fozial-politishen Schäden abhelfen wollen, welche durch die Unredlihkeiten gewisser Bauunter- nehmer den Metern zugefügt werden. Wir haben damals von der weiteren Verfolgung der Anregung Abstand genommen, nachdem uns der preußische Justiz-Minister erklärt hatte, es sei die Absicht der Justizverwaltung, die Sache durch die Reichs- oder Landesgesehz- ebung zu regeln. Nachher sind wir aber auf das Bürgerliche Gesetz- Ld vertröstet worden, und die Sicherheitshypothek, die dieses vor- \chlägt, genügt Herrn Bassermann niht und uns auh nicht. Die Belastung von Grundstücken über ihren Werth hinaus ift ein reines Spekulations- und Schwindelgeschäft. Die Bauhandwerker müssen ein Risiko bestehen bei der übergroßen Konkurrenz, wenn Fe überhaupt nur Arbeit haben wollen; warum soll ihnen denn also nicht das Gesecy zu Hilfe kommen zum Nachtheil der Schwindler, die diese Leute ausbeuten? Wo der Baushwindel niht vorkommt, da kann das Gesey doch auch niht schaden, da bleibt es eben ohne alle Wirkung. iht bloß Preußen, auch Baden und Bayern haben ein starkes Bedürfniß nah dem Geseß; weshalb soll also ein folhes niht von Reichswegen erlassen werden ? Das Privilegium der Bau- handwerker liegt so sehr in der Natur der Sache, daß jeder E Einwand zurücktreten muß. Wir haben es hier mit einer ozialen Forderung allerersten Ranges zu thun, und wir hoffen, daß der Antrag Bassermann womöglich in seiner jeßigen Form zur Annahme gelangt.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Rath Nieberding:

Nur zwei Bemerkungen auf die Ausführungen des Herrn Abg. Rintelen. Der Herr Abgeordnete hat gegenüber meiner Mittheilung, daß ein großer Theil der deutshen Staaten das Bedürfniß nach einer Gesetzgebung, wie hier in Anregung gebraht, niht anerkannt habe, weil ein Bauschwindel, der den Handwerkern und Arbeitern gefährlich wird, bei ihnen niht bestehe, damit zu beseitigen gesuht, daß er einzelne Staaten vorführte, in denen dieses Bedürfniß zweifellos hervorgetreten sei, unter anderen Baden und Bayern.

Nun, meine Herren, was Baden anbetrifft, so muß ih dem Herrn Abgeordneten erwidern, daß die badishe Regierung im Gegensaß zu seiner Aeußerung ein Bedürfniß niht anerkannt, und ich muß doch davon ausgehen, daß die badische Regierung im stande ift, die Verhältnisse ihres Landes völlig zu übersehen, daß sie au den Willen hat, die Interefsen ihrer Bauhandwerker, soweit nöthig, zu {ühen, und daß, wenn in der That Uebelstände da sein follten, ‘fle sih nitt gegenüber einer geseßgeberishen Aktion indifferent ver- halten würde. Was Bayern betrifft, so liegt die Erklärung der bayerischen Regierung uns noch nit vor; ich kann also über dieses “Land mi bejahend oder verneinend nicht aus\sprehen. Württemberg

dagegen und Hessen haben ih in demselben Sinne ausgesprochen wie Baten, und es läßt das erkennen, daß die Verhältnisse dort gziemlih übereinstimmend liegen. Dies kann nach meiner Ansicht

die Auffafsung der badishen Regierung gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Rintelen nur bekräftigen.

Der Herr Abgeordnete hat zweitens gesagt, es {hade ja gar- nichts, wenn man das Geseß allgemein einführe; denn dort, wo kein Bauschwindel sei, komme es nicht zur Anwendung, und da sei es gleihgültig, ob das Gese bestehe oder nicht. Nein, meine Herren, das ist niht rihtig; das Geseß schadet unter allen Umständen da- dur, daß die Sicherheit des Hypothekenverkehrs beeinträchtigt wird auch dort, wo kein Bauschwindel vorkommt. Denn überall fällt ja die Sicherheit für den Hypothekengläubiger weg, die er jeßt hat, daß kein ihm unsihtbarer Gläubiger später kommt, der ihm vorgeht. In der Möglichkeit, daß ein solher Gläubiger kommt, in der Gefahr, die darin ruht, liegt eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Grundkredits, auß für diejenigen Landestheile, in denen kein Bau- \{chwindel herrscht. Ein Gese, wie er es sih denkt, würde in den verhältnißmäßig doch kleinen Bezirken, wo Bauschwindel vorliegt, zweifellos den Handwerkern nüßen in den großen Landesgebieten, wo der Schwindel glückliher Weise fehlt, werden zweifellos die Grund- eigenthümer und die Gläubiger Schaden dadurch erleiden.

Abg. Pachnicke (freis. Vg.): Das Bedürfniß ist in der That kein allgemeines, wie es hier dargestellt wird; die Uebelstände sind niht nur nicht überall, fondern auch nit überall gleich \chwer vor- handen. Es ist der Verlust von 45 Millionen in einem Jahr ge- nannt worden: die Zahl ist ungeheuerlih übertrieben, wenn man die

ahl der Neubauten in Rechnung stellt. In Wirklichkeit handelt es ih wohl um 4 bis 5 Millionen, eine Summe, immer noch T: enug, um ein Einschreiten in Erwägung zu ziehen. Unzählige Male it es auch der Mangel an Umsicht und Vorsicht, wie sie jeder ordent- lihe Hausbpater üben muß, der zu diesem beklagenswerthen Verlust der Bauhandwerker geführt hat. Mit dem Antrage der deutsch-sozialen NReformpartei wird ein fest verankertes Schiff losgelö# und den Wellen preisgegeben: es wird der öffentlihe Glaube des Grundbuchs vernichtet und die Bauthätigkeit in die Suite gewisser Baugesellschaften gegeben, welche mit nodh größerer Sfrupellosigkeit die Bauhand- werker ausbeuten würden. Dem Antrag Bassermann raubt die doppelte Taxe von vornherein die Möglichkeit praktisher Durhführung. Die Berliner Bauplaßsteuer hat auch die Tare des Mehrwerths zur Grundlage; mehr als Dreiviertel aller Betheiligten haben refklamiert ; das spricht genügend für die unüberwindliche Schwierigkeit, die sich einer solhen Lösung entgegenstellt. Eine Kommissionsberathung hätte keinen sonderlichen Zweck, aber es kann ja auch auf dem Wege der Unter- haltung über die Anregung informatorisch manches gewonnen werden. Es handelt sich um nichts Alltägliches, sondern um etwas Außer- gewöhnliches; mit demselben Rechte, wie hier die Bauhandwerker, könnten die Arbeiter Sicherung durch Geseß dagegen verlangen, daß ihnen der Unternehmer nicht mit dem Lohn durchgeht. Daher ist arößte Vorsicht bei der weiteren Erwägung der Anträge geboten. Man verpflichte den Bauunternehmer für fremde Rechnung auf das Handelsgeseßbuh; damit wird sicher relativ mehr erreiht, als auf dem Wege angebliher Nadikalmittel.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Ich beantrage, nur den ersten Theil des Antrags Bassermann, und zwar ohne kommissarische Berathung, sofort im Plenum anzunehmen, da mir eine Meinungs- verschiedenheit über diesen bei der Mehrheit nicht vorhanden zu sein scheint. Es find doch so schwere Uebelstände in so vielen ver- schiedenen Theilen Deutschlands hervorgetreten, daß es von Werth ist, daß sih der Reichstag im. Sinne des ersten Theils des Antrags Bassermann an die verbündeten Regierungen wendet. Hoffentlich wird uns dann in der nächsten Session eine Vorlage gemacht werden, zumal große statistishe Erhebungen auf diesem Gebiet niht für nothwendig erachtet worden sind.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Rath Nieberding:

Meine Herren! Wenn der Herr Abg. von Bennigsen jeßt vor- chlägt, den Antrag Bassermann sofort durch Beschluß des Hauses zu erledigen, damit die verbündeten Regterungen baldmöglichst ernsthaft an die geseßgeberische Arbeit auf diesem Gebiet heran- treten, so hat er, glaube ih, nit das gehört, was ih vorhin die Ehre hatte dem Hause auszuführen, daß nämlich die Reichsverwaltung und die preußishe Verwaltung seit längerer Zeit mit dieser ernst- haften geseßgeberishen® Arbeit beschäftigt sind und daß uns nur die Schwierigkeit der Materie bis jeßt abgehalten hat, zum Ab- {luß auf diesem Gebiete zu kommen. Daß wir in dieser Session, die an und für sh {hon nit nur für das Haus, sondern auch für die Regierungen s{chwer belastet ist, die Sache niht zum Beschluß bringen können, das steht außer allem Zweifel; ob das bis zum nächsten Jahre möglih sein wird, lasse ich dahingestellt. Jch kann nicht übersehen, ob bis dahin alle Bedenken, die in dec Sache liegen, überwunden werden können.

Ich habe aber auch die Ehre gehabt, hier auszuführen, daß in Preußen verschiedene Vorschläge parlamentarisch diskutiert worden sind und nicht praktikabel befunden wurden und daß es mir für den Reichstag doch bedenklih zu sein \{heint, wenn er ih mit einem Ersuchen an die Regierung wendet, welches nur ein ganz allgemeines Programm enthält, ein fernes Ziel, ohne jenen Weg anzugeben, der zu ihm geleiten kann. Wenn sich der Reichstag in der That so für die Frage interessiert, daß er ein formelles Ersuchen an die Regierung für nöthig hält, obwohl ich die Ehre hatte zu erklären, daß die Regierung mit der Frage beschäftigt sei: dann, meine ih, is es wünschenswerth, daß uns der Reichstag dabei hilft, die Wege, die zum Ziele führen können, ausfindig zu machen. Der jeßt empfohlene Beschluß wird nach meiner Meinung sehr wenig sein. Die Re- gierungen werden ihre Arbeiten, dadurch nicht gehindert, aber auch nicht unterstüßt, weiter führen und so gut und bald es geht, zum Abschluß zu führen suhen. Wenn Sie dagegen geneigt sind, uns durch die Arbeiten einer Kommission zu fördern, so würden wir das

viel willkommener heißen.

Abg. Dr. von Buchka (d. konf.): Wir sind mit den Antrag- stellern der Meinung, daß der Mißstand des Bauschwindels zu den bedenklihsten Folgen zu führen droht und daß das uns gestellte Problem gebieterisch eine Lösung verlangt. Da wir aber in beiden Anträgen die richtige Lösung nicht finden können, stimmen wir zunächst für Kommissionsberathung, können also der Anregung des Abg. von Bennigsen niht Folge geben. j

Abg. Stadthagen (Soz.): Das wirthschaftlihe Leben hat ih nicht nah juristishen Prinzipien zu richten, sondern umgekehrt.

ie kann man an dem zum Himmel \{reienden Mißstande, der hier zur Erörterung steht, dadurch vorbeizukommen suchen, daß man si über die Verleßung eines juristishen Prinzips entrüstet? Das Ber- liner Gewerbegeriht ist im Anfang seiner Thätigkeit mit Erfolg gegen die Bauschwindler vorgegangen und ‘hat namentlich die alleinige Haftbarkeit der Strohmänner abgelehnt und auch die heran- gezogen, die den wirthschaftlihen Nußen der betreffenden s{chwindel- haften Manipulation gehabt haben. Leider hat aber diese er- sprießliche Wirksamkeit des Maa durch die zugelassene Berufung an ein gelehrtes Geriht ihre Schranken gefunden; das Berufungsgericht hat ausgesprochen, die Arbeiter hätten sich die Folgen eines Abschlusses mit bloßen Subunternehmern und Scheinunternehmern n zu Mgr, as neu die {önften Gele e, wenn Sie

ihter ha en, die mit einer solhen Verständnißlofigkeit für die Ver- hältnisse des wirthschaftlichen Lebens ausgestattet find! Keineswegs

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handelt es sih hier um etwas ganz Neues; nah dem im vorigen Jahre ergangenen Binnenschiffahr gele haftet Schiff und Fracht für den Arbeitslohn' des Schiffsmanns. Wenn das bestehende Vertrags- ret verhindert, den Schwindel und den Schwindler zu fassen, obwohl der Thatbestand klar vor Augen liegt, fo is eben das Recht und l Rechtsprehung krank und bedarf der Abänderung. Der Abg. Pachnike kennt die Menschen und die Verhältnisse niht, wenn er die Arbeiter an Vorsicht und Umsicht mahnt und sich jeder Maßregel widerseßt, die dem Bauschwindel in etwas entgegentreten will.

Abg. Bassermann (nl.) verzichtet auf èen zweiten Theil seines Antrages und auf Kommissionsberathung.

Abg. Bech (fr. Vp.): Mit der Lösung der Aufgabe, wie sie das Bürgerliche Geseßbuch bringt, sind wir speziell in Bayern durchaus einverstanden. Der Vorschlag des Abg. Bassermann würde bei jeder, auch der kleinsten Forderung in Anwendung gebracht werden und nur den Realkredit erschweren. Dennoch sind auch wir für noch weiter- gehende Schußmittel, wenn solche gefunden werden könnten. Big jeßt scheint das niht der Fall zu fein. Nach den heutigen Erklärungen des Staatsseïretärs der Justiz brauchen wir überhaupt keinen Antrag mehr anzunehmen; sollte der Reichstag aber cinen materiellen

Beschluß fassen wollen, so nimmt er am besten den Antrag Stumm- Bennigsen an. i

Abg. Freiherr von Stumm (Np.) tritt nohmals für seinen Antrag ein und führt rij den Abg. Rintelen aus, daß die Befriedigung

des Kreditbedürfnisses des kleinen Mannes und die Bekämpfung des Bauschwindels do zwei ganz verschiedene Dinge seien.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) ist erfreut, daß der Abg. Bassermann

e Antrag auf Kommissionsberathung und den zweiten Theil seines

ntrags zurückgezogen habe. Der Abg. Dr. von Buchka, fährt Redner fort, hat die Einladung des Staatssekretärs zu gemeinsamer Komnmissions- berathung, damit man erfahre, wie ungefähr die Ausführung des angeregten Gedankens aussehe, mit einer Harmlosi-keit aufgenommen, die ih nicht mehr besie. Es hat mich diese Einladung ein wenig an den alten Reichskanzler Fürsten Bismarck erinnert, der uns (das Zentrum) seiner Zeit aufforderte, do selbs ausgearbeitete Geseßentwürfe über den Arbeiterschuß und zwar in aht Tagen ein- zubringen. Mit dem Eingehen auf Kommissionsberathung würden wir die Sache nicht förtern, sondern vershleppen. Ich fann nur hoffen, daß die Sache heute zur Entscheidung und der darin angeregte Gesetz- entwurf recht bald an das Haus kommt.

Damit schließt die Debatte. zunächst

Abg. Bassermann (nl.): Die Eintragung der Bauunternehmer in das Handeléregister wird den Schäden, wel§ße die Bauhand- werker erleiden, nicht abhelfen, die Einsicht in das Grundbuch für die Bauhandwerker ebenso wenig. Die wichtigen Gründe, welche für eine reihêgescßlihe Regelung der Angelegenheit sprechen, sind dur die Anführungen von der Gegenseite niht ershüttert worden. Der Bauschwindel schreitet von Provinz zu Provinz fort. Wenn Herr Pachnicke die Bauhandwerker auf ihre eigene Vorsiht verweist, so widerspriht das den thatsählihen wirthschaftlichen Verhältnissen und allen Aeußerungen der sachverständigen Interessentenkreise. Wenn ih au den zweiten Theil des Antrages zurückgezogen habe, so sehe ih voraus, daß man si s{ließlich darauf wird vereinigen müssen, an den Mehrwerth anzuknüpfen, den die Arbeiten und Lieferungen der i eiern und Arbeiter geshaffen haben. Bekommen wir keine

orlage, so wird in der nächsten Session mein Antrag als Jnitiativ- antrag wiederkehren.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (deutsh-soz. Refp.) : Die deutsch-soziale Neformpartei kann den Torfo des Antrags Basser- mann nicht annehmen, weil er ganz überflüssig ist. Es muß eine materielle Beschlußfassung erfolgen, nahdem die Sache fünf Jahre {hon im Flusse is. Ich nehme den leßten Theil des Antrags Bassermann wieder auf und auh den Antrag auf Kommissions- berathunz. Will man den Bauhandwerkern nicht helfen, dann mag man es ihnen direkt sagen.

E Vr. von Bennigsen bemerkt, daß die Wiederaufnahme eines Antrags oder eines Theils desfelben nur bis zum Schluß der Diskussion zulässig set.

Der Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt, desgleichen gegen die Stimmen der Antisemiten, Sozial- demokraten und der Abgg. Schall, Jacobskötter, Sachsse (dk.) der Antrag der deutsch-sozialen Reformpartei. Der Antrag Bassermann wird gegen die Stimmen der deutsch-sozialen Reformpartei angenommen.

Darauf wird die Sitzung vertagt.

Schluß 5 Uhr. - Nächste Sißung Donnerstag 1 Uhr. (Fortseßung der Etatsberathung : Pojt-Etat.)

Das Sqg@lußwort erhält

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

4, Sißung vom 22. Januar 1896.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsezung der ersten Berathung des Staatshaushalts-Etats für das Zahr 1896/97.

Nach der gestern mitgetheilten Rede des Abg. Dr. Bachem nimmt das Wort der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich bedauere, daß ich den Herrn Kultus-Minister wegen seiner Abwesenheit entshuldigen muß, weil er heute zu einem Vortrage bei Seiner Majestät befohlen ist und daher hier nicht erscheinen konnte. Wohl auch hat der Herr Minister niht erwarten können, daß jeßt hier bei dieser Generaldebatte diese speziellen konfessionellen Fragen in den Vordergrund gestellt würden. Er hat wahrscheinlich geglaubt, soweit diese Fragen zur Diskussion überhaupt kämen, daß sie zurück- gestellt würden bis zum Kultus-Etat. Jch bedauere daher, daß i nicht in der Lage bin, auf alle diese Beshwerden, welche der Herr Vor- redner in dieser Richtung vorgetragen hat, zu antworten. Nur auf Einiges kann ih aus eigener Kenntniß mich äußern.

Zuerst hat der Redner sih darüber beklagt und als Mangel an Parität angesehen, daß den Staatsbeamten nicht erlaubt sei, an der Beiseßung des Kardinals Melchers sih zu betheiligen, während bei der Beiseßung des Bischofs Neinkens der Herr Ober-Präsident er- schienen sei. Nun, meine Herren, das is} sehr einfa. Offiziell be- theiligen sih die Staatsbeamten nur bei der Beiseßzung von Bischöfen, welhe im Amt gestorben sind. Der eine ist im Amt gestorben, der andere niht. Selbstverständlih hat es der Königlichen Staatsregierung ganz fern gelegen, dem altkatholishen Bischof irgend einen Vorzug durch die Betheiligung des Ober-Präsidenten bei der Beiseßzung desselben zusprechen zu wollen. Es ist natürlich auch den Staatsbeamten in keiner Weise irgendwie verwehrt, privatim, als Menschen, als Katholiken bei der Beiseßung des Kardinals Melchers sich zu betheiligen; aber eine offizielle Betheiligung konnte aus dem vorbezeihneten Grunde nicht stattfinden. Hier is also von einer imparitätischen Behandlung in keiner Weise die Rede. Würde die Sache umgekehrt gelegen haben in Bezng auf das Verbleiben des Verftorbenen bis zu seinem Tode im Amt, so würde auch umgekehrt verfahren worden sein.

Meine Herren, wenn der Herr Abgeordnete nun si beshwert hat, daß bis jeyt Niederlassungen der Redemptoriften noch nicht bewilligt seien, so kenne ich nicht die geschäftliche Lage der einzelnen Anträge,

die in dieser Beziehung gestellt sind; aber er hat recht vermuthet, daß die preußisdche Staatsregierung für die Zulassung der Redemptoristen geftimmt hat, weil eine nochmalige eingehende Erwägung das Staats-Ministerium zu der rechtlihen Ueberzeugung geführt hat, daß dieselben allerdings nit als Affiliierte des Jesuitenordens unter das betreffende Geseß fielen. (Lahen im Zentrum.) Ih glaube nicht, daß die Absicht besteht, diese Zulassung nur rein als eine theoretische zu behandeln und thatsählich solhe Zulassung in Preußen überhaupt niht zu genehmigen. Aber, wie gesagt, spezieller kann ih über die Lage der cinzelnen Fälle keine Auskunft geben; das muß ih dem Herrn Kultus-Minister vorbehalten; er wird gewiß Gelegenheit nehmen, bei Gelegenheit der Berathung seines Etats fich darüber zu äußern.

Nun beschwert sich der Herr Abgeordnete weiter über die un- gleihe Behandlung der Staatszuschüsse für Zwecke der evangelischen und katholischen Kirche, und er nennt uns da eine Reihe Zahlen aus den verschiedenen Jahren zum Beweis der größeren, wohlwollenderen Dotation für protestantishe als für katholishe Zwecke. Meine Herren, das ist doch nun wirklich etwas Mechanishes. (Sehr richtig ! rechts. Widerspru und Lachen im Zentrum.) Sie lachen, meine Herren ; der Herr Abgeordnete vergißt, daß gewissermaßen ein Staats- vertrag über die Dotation der katholishen Kirche vorhanden ist, welche nach Maßgabe der Bulle de salute animarum die Dotation der katholischen Kirhe als solche ein für alle Mal fixiert, während die fortlaufenden Bedürfnisse der evangelishen Kirche, da sie eine solche Dotation, wie die katholische Kirche, niemals erbalten hat (sehr rihtig !) naturgemäß zur Befriedigung gelangen müssen. Deswegen, glaube ich, war es nicht zum Lachen, wenn ih sage: die Aufzählung der Zahlen ist etwas reht Mechanisches; daraus kann man irgendeine Imparität garnicht herleiten. Wir prüfen in jedem einzelnen Falle die Bedürfnisse und die Stellung des Staats zu diescn Bedürfnissen und dana wird der Etat auch aufgestellt. Gerade au für die katholische Kirche sind fortlaufend steigende Ausgaben des Staats. Ich will nur an die Pfarrstellen im Rheinland erinnern, welhe fortdauernd und in der auêgiektigsten Weise dur den Etat befriedigt find.

Meine Herren, auf die Frage der Anstellung der Beamten gehe ih nicht näher ein. Jch kann versichern, daß die preußische Staats- regierung, ohne Rücksicht darauf, ob der betreffende Kandidat katholisch oder protestantisch ist, die Beamtenanstellungen nah Maßgabe der Tüchtigkeit, der Vorbildung, der Befähigung für die betreffende Amts- stelle regelt, und ich glaube, man fann da unmöglih das geht aus den eigenen Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Bachem hervor verlangen, daß gerade ein Drittel der Anstellungen auf Katholishe und zwet Drittel auf Evangelische kommen. (Widerspru im Zentrum.) Es kann auch einmal um- gekehrt sein und ist in manchen Behörden au umgekehrt gewesen ; folhe Fälle könnte man auch anführen. (Sehr richtig! rechts und bei ten Nationalliberalen.)

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Bachem selbst hat gesagt, daß die katholische Bevölkerung nah der Kopfzahl gerehnet über- haupt hier ein sehr bedenkliher Maßstab nicht fo viele junge Kandidaten präsentiert habe, und er hoffe, daß, wenn dies in Zukunft der Fall würde, dann eine gleihe Behandlung dieser neu eintretenden Kandidaten aus der katholischen Bevölkerung stattfinden werde. Jch glaube, er kann sich darauf verlassen, daß, wenn dieser Fall eintritt, diese Hoffnung sih auch in vollem Maße erfüllen werde. Das gegenwärtige Staats-Ministerium hat doch auch in neuester Zeit bewiesen, daß auch nah dieser Richtung hin keine Einseitigkeit herrsht; ja, ih freue mi darüber, daß auch bei dem gleih von mir zu erwähnenden Fall eine einseitige Auffassung auch bei der protestantischen Bevölkerung garnicht hervorgetreten ist. Jch nenne z. B. den früheren Führer und angesehenen Volksvertreter aus dem Zentrum, den jeßigen Präsidenten Freiherrn von Huene. Meine Herren, wir haben ihm die Stelle angeboten, weil wir ihn für den geeignetsten Mann für diese Stelle hielten, und ih habe niht gefunden, in keinem Blatte, auch nit in dem engherzigsten protestantishen Blatte, daß darüber irgend eine Beschwerde sih erhob. (Sehr wahr!) Meine Herren, in diefem Augenbli ift beispieleweise au noch die erste Stelle des Reichs- anwalts einem Katholiken übertragen. So könnte man viele Beispiele anführen, wo an die wichtigsten Stellen katholishe Männer gestellt sind. Ich glaube daher, hier ist das Mißtrauen, welches in den Worten des Herrn Abg. Bachem lag, doch gänzlih unbegründet.

Doch nun wieder von dieser Abschweifung auf das geistliche Gebiet, das ich nur nothgedrungen betreten habe, auf die finanzielle Frage zurückd! Jh bin erfreut, aussprehen zu Tôönnen, daß die Stellung des Zentrums zu diesen großen Finanz- reformfragen, obwohl vorläufig sie zu demselben Resultat geführt hat, wie der Herr Abg. Richter die Frage behandelt hat, doch in wesentlihen Dingen von der Auffassung der freisinnigen Volkspartei abweicht. Denn erstens hat das Zentrum bisher wenigstens immer anerkannt, daß eine angemessene fortlaufende Schuldentilgung durchaus erwünscht, ja nothwendig sei, und zweitens geben die Herren vom Zentrum zu, daß eine Ausgleichung der {chwankenden Verhältnisse der Finanzen des Reichs und der Einzel- ftaaten und gegenüber den Betriebsverwaltungen in den einzelnen Staaten sehr angebraht und zweckmäßig sei. Meine Herren, ih will auf die Frage, ob der Vorschlag der Herren vom Zentrum, solche Reservefonds gegenüber den s{chwankenden Spannungen zwischen Matrikularumlagen und UVeberweisungen zu basfieren, innerhalb der Einzelstaaten mögli ist, vorläufig nicht tiefer eingehen. Es genügt mir vorerst, wenn die Herren im Zentrum mein Bestreben, die kolossalen Schwankungen in unseren inneren Etatsverhältnissen durch Neservestellungen gegenüber den Schwan- kungen der Betriebsverwaltung auszugleichen, unterstüßen. Jch habe die fefte Ueberzeugung : wenn wir die andere Frage demnächst gründlih diskutieren, nahdem zugegeben is, daß solche Ausgleichungen erfor- derlich sind, so werden die Herren vom Zentrum sih überzeugen, daß es durhaus unmöglih ift und jedenfalls nicht richtig, die Aus- gleihungen gegen die Shwankungen des Finanzverhältnisses des Reichs und der Einzelstaaten innerhalb der leßteren zu suchen, sondern daß die einzig richtige Stelle das Reich selbst ist. Derartige Ausgleihungs- fonds kann nur der vernünftig verwalten, der die ganze Verwaltung, aus der sie hervorgehen, führt, niht aber ein Dritter, der auf die Finanzgebarung. eines andern Staats keinen Einfluß üben kann. Aber, wie gesagt, das soll uns vorläufig hier nicht beshweren. Ich hoffe, daß es wenigstens in dieser Session noch gelingen wird, die großen Schwankungen innerhalb der Betriebsverwaltungen in Preußen einigermaßen auszugleichen.

Meine Herren, ih halte es für Ste vielleiht doch von Interesse, wenn ih mal die Schwankungen, welche sich aus den Nettoeinnahmen der Eisenbahnen in der Rehnung gegen den Etat ergeben, kurz hier mittheile. Ich - will niht weiter zurückgehen als auf 10 Jahre. Da haben wir 1886/87 in der Rechnung der Eisenbahnverwaltung gegen den Etat ein Mehr von 12483000 Æ, im folgenden Jahre 51 365 000 Æ, im weiter folgenden Jahre 1888/89 52 Millionen Mark, dann 42 Millionen. Dann kommt auf einmal im Jahre 1890/91 ein Minus von 19 Millionen, im Jahre 1891/92 ein Minus von 59 Millionen, dann 1892/93 ein Minus von 30 Millionen, im Jahre 1893/94 ein Plus von 40 Millionen und im Jahre 1894/95 ein solches von 14 Millionen. Da können Sie sehen, welche kolossalen Schwankungen im Etat der Eisenbahnverwaltung \ih ergeben in der Wirklichkeit gegen die Ver- anshlagung. Daraus können Sie au ersehen, daß es vollständig unhaltbar ist, wenn der Abg. Richter gestern mir besonders Jrrthümer in dieser Beziehung vorwirft. Jm Gegentheil, die Schwankungen in den leßten Jahren sind gegen den Etat geringer geworden. In frü- heren Jahren, wo ih noch nicht im Amt war, waren die Schwan- kungen noch größer.

Und wie stellte sich nun das Verhältniß in jener Zeit dem Reich gegenüber? Da stellt sich das Verhältniß der Ueberweisungen gegen die Matrikularumlagen nah der Rechnung seit dem Jahre 1885/86 folgendermaßen: im ersten Jahre ein Plus der Ueberweisungen von 7 Millionen Mark, im zweiten von 11 Millionen, im dritten von 5 Millionen ih nenne nur runde Zahlen —, 1888/89 von 41 Mil- lionen , 1889/90 von 80 Millionen, 1890/91 von 46 Millionen, 1891/92 von 41 Millionen, 1892/93 von 25 Millonen, und nun springt es von dem Plus von 25 Millionen im Jahre 1893/94 vlôöglich auf ein Minus, d. h. ein Mehr an Matrikular- umlagen gegen die Ueberweisung von 20 Millionen. Wir haben also hier eine Differenz in einem einzigen Jahre von 45 Millionen. Dann fällt es wieder auf ein Minus von 2 Millionen, steigt wieder auf ein soles von 6 Millionen und ist jetzt etatisiert auf ein Mehr an Matrikularumlagen gegen die Ueberweisungen von 8 Millionen.

Hier ergiebt sih nun weiter, daß meistens die Rückgänge in den Veberschüssen der Eisenbahnen zusammenfallen mit der Verschlehterung unserer finanziellen Situation dem Reich gegenüber, also die Wirkung eine doppelte ist. Das ergiebt si au aus der fortlaufenden Reihen- folge der Uebershüsse und der Fehlbeträge im Gesammt-Etat. Ieder, der unbefangen über diese Dinge nachdenkt, muß ih doch sagen: Eine verständige Finanzverwaltung, die planmäßig operiert und nicht wie ein unverantwortliher Abgeordneter (Heiterkeit) von der Hand in den Mund leben will, muß suchen, hier Wandel zu schaffen und soviel wie mögli diesen unsern ganzen Etat von Jahr zu Jahr ershütternden Zustand zu beseitigen, soviel wie möglich diese kolossalen Differenzen auszugleichen.

Es follte dies nur eine vorläufige Mittheilung sein; wir werden ja hoffentlih noch in dieser Session ein Gesetz hier berathen können, welches na dieser Richtung den erforderlichen Versuch macht.

Der Herr Abgeordnete hat nun gemeint, es sei ja schon einiges geschehen nah der Richtung des Ausgleihs, und er hat in dieser Be- ziehung namentlich die Erhöhung des Betriebsfonds der General- Staatskasse angeführt. Ja, meine Herren, der Betriebsfonds kann doch nit als Ausgleichsfonds dienen ; der muß ja arbeiten in der Eisenbahnverwaltung und in den übrigen Staatsverwaltungen. Den kann man niht beliebig herausziehen, um Aus- gaben zu decken. Außerdem wäre das verfassungsmäßig gar nicht zulässig. Also glaube ih nicht, daß hier bereits nach dieser Seite ein einziger Schritt geschehen ist. Allerdings wird eine verständige Be- handlung des Verhältnisses des Extraordinariums ¿zum Ordinarium hon manches auszugleichen vermögen, und ih bin sehr erfreut, daß der Herr Abg. Dr. Bachem dies auch seinerseits anerkannte. Aber nun möchte ih ihn darauf hinweisen, daß, wenn er dies anerkennt, er damit von selbst zugiebt, daß das Programm, welches er als ein Pro- gramm des Zentrums andeutete, die Ausgleihung gegen die Schwan- kungen in den Finanzen des Reichs innerhalb der Einzelstaaten zu bewirken, shon nah dieser Richtung hin als unzweckmäßig ih erweist ; denn nur der kann dur eine rihtige Stellung des Extraordinariums zum Ordinarium ausgleihend mitwirken, der die Verwaltung selbst führt. Das thun ja wir aber nicht, die Einzelstaaten im Reich, das thun die Reichsregierungen, das thut der Reichstag.

Ich glaube daher die Hoffnung nit aufgeben zu dürfen, daß es doch s{chließlich gelingen wird, mit Zustimmung der Herren vom Zentrum denn die haben die Entscheidung gegenwärtig in der Hand im Reichstag zu einer gedeihliheren Ordnung des Finanzwesens zu kommen. Meine Herren, man hat den ursprünglich von mir vorge- \chlagenen Entwurf einer Reichsfinanzreform in manchen Einzelheiten getadelt. Jh habe aber immer erklärt : wer etwas Besseres bieten könne, um den Zweck zu erreichen, der soll mir willkommen sein. Das Wesen der Sache besteht in der finanziellen Auseinanderseßung bei den staatlihen Körperschaften, und ih möchte das den Herren vom Zentrum nochmals ans Herz legen diese Finanzreform liegt nicht bloß im Interesse des Reichs, sondern vor allem im Interesse des dauernden Bestandes der Einzelstaaten. Wir in Preußen haben das große Vermögen, die großen Betriebêverwaltungen, sodaß der Beitrag zu den Staatslasten durh die Steuern \o verhältnißmäßig gering ift, wir können die jeßigen Verhältnisse noch eher ertragen; die große Menge der kleineren Staaten, die keine Eisenbahnen besitzen, geringe Forsten, keine Bergwerke, die allein auf die Steuern angewiesen sind, die lônnen die Schwankungen niht aushalten. Wer die föderative Natur unseres Deutschen Reichs erhalten will, darf auf diese Seite der Sache nit verzihten. (Bravo!)

Justiz-Minister S{hönstedt:

Meine Herren! Bezüglih der Betheiligung der Behörden an der Beisehungsfeierlihkeit des verstorbenen Kardinals Melchers in Köln möchte ih mir gestatten, den Bemerkungen des Herrn Finanz- Ministers noch einige erläuternde Worte hinzuzufügen, in der Hoff- nung, daß damit die Angelegenheit aus den Erörterungen dieses Hauses endgültig vershwindet.

Herr Dr. Bachem hat der Auffassung Ausdruck gegeben, daß den Justizbeamten in Köln die Betheiligung an dieser Feierlichkeit aus- drüdcklih untersagt sei, und hat si dafür berufen auf eine Verfügung der Vorstandsbeamten des Ober-Landesgerichts, die als vertraulih er- lassen war und die dur irgend eine grobe Indiskretion, deren Urheber | niht ermittelt ift, in die „Kölnishe Volkszeitung“ gelangt ift.

Meine Herren, mit dieser Verfügung Hat es folgende Be- wandtniß. Es war dem Ober - Landesgericht zu Köln zu Händen seiner Vorstandsbeamten eine Einladung seitens der erzbishöflihen Behörde zugegangen zur Betheiligung an den Beiseßungsfeierlichkeiten, und in dem dieser Einladung beigefügten Programm war den Behörden ein bestimmter bevorzugter Plaß sowohl im Zuge wie in der Kirhe angewiesen. Die Vorstandsbeamten hatten Anlaß genommen, diese Einladung bei den Mitgliedern der Behörde in Umlauf zu seßen, und sie befand \sich noch.im Umlauf, als von hier aus eine auf die Anfrage eines höheren Beamten der Rheinprovinz ergangene Entscheidung telegraphisch dorthin gelangte, daß eine Be- theiligung der Behörden an der Beisezungsfeier nicht stattzufinden habe. Daraus nahmen die Herren Vorstandsbeamten des Ober- Landesgerichts Veranlassung, die demnächst in der „Volkszeitung* ver- öffentlihte Verfügung zu erlassen, der allerdings die Worte hinzugefügt waren: „zur Nachachtung“. Die Hinzufügung dieser Worte, die ja vielleicht besser unterblieben wäre, hatte aber feineswegs den Zweck, den Beamten die Privat-Betheiligung an dieser Feier- lichkeit irgendwie zu untersagen (Widerspruh im Zentrum), sondern nur der Auffassung entgegenzutreten, die durch den Umlauf hätte hervorgerufen werden können, daß seitens der Vorftandsbeamten eine Betheiligung der Behörde als solcher beabsichtigt sei. Eine solche Auffassung konnte berechtigt ersheinen, und nur in diesem Sinne war die Verfügung mit den Worten „zur Nachachtung“ zur Kenntniß der übrigen Beamten gebracht worden. Daß sie vielleiht von einzelnen Beamten mißverstanden ist, und daß in der öffentlichen Meinung das Mißverständniß entstanden ist, es habe der Privatbetheiligung der Beamten entgegengetreten werden follen eine Auffaffung, die an keiner Stelle au nur einen Augenblick bestanden hat —, das findet ja vielleicht in der Fassung der Verfügung eine Erklärung ; aber eine derartige Absicht hat, wie ih wiederhole, nie und nirgendwo bestanden.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Jh stimme mit dem Finanz-Minister darin überein, daß die Anstellung der Beamten erfolgt ohne Rücksicht auf die Konfession. Wir können do nichts dafür, daß Fürst Bismarck ein Protestant war; wir hätten auh nichts dagegen gehabt, wenn er Katholik gewesen und Reichskanzler geworden wäre. Der Herr Finanz-Minister hat ein freundlicheres Gesicht gezeigt ; das sehe ih lieber als ein düsteres Gesicht. Ih will auch die Schwankungen beseitigen, aber ih halte fest an den Vorbedingungen dafür, der Be- willigung eines beweglichen Faktors im Reiche. Die mechanische Trennung der Finanzen reiht niht aus. Wenn die kleinen Staaten ein größeres Interesse an der Finanzreform haben, so verstehe ih das nicht ret; denn was wir von den Finanzen der Einzelstaaten gehört haben, ift durhaus nit geeignet, zur Schwarzseherei zu verleiten. Jch will auf die Einzelheiten des Etats nicht eingehen. ch will nur er- klären, daß wir uns darüber freuen, daß vermehrte Ausgaben für die Landwirthschaft verwendet werden sollen. Wir werden alles unter- stüßen, was die Regierung bringt : Meliorationen, Kleinbahnen u. f. w. Das sind rationelle Unterstüßungen. Wir können uns freuen, daß die Thronrede mit vollem Necht von dem Aufshwung gesprochen hat. Dieser beginnende Aufshwung ist thatsählih vorhanden. Es macht sih schr eigenthümlih, wenn Graf Limburg-Stirum auch gestern wieder unternommen hat, von den Handelsverträgen zu sprechen, als ob sie dem Vaterland keinen Vortheil gebraht hätten. Darüber werden wir uns nicht einigen. Mein Freund Gothein, der darüber einen sehr instruktiven Vortrag gehalten hat, wird, vielleicht ver- geblih, sich bemühen, Sie zu überzeugen. Freilih, wir sprechen ja fast eine verschiedene Sprache. Wenn der Krieg Aller gegen Alle infolge des Ablaufs der Handelsverträge ausgebrochen wäre, würde die Thronrede von einem Aufschwung reden können? Wenn man den Domänen-Etat nicht von Jahr zu Jahr, sondern jür große Zeiträume mit einander vergleihen würde, würde man zu einem anderen Urtheil kommen. Jch bin einverstanden damit, daß das Extraordinarium beim Eisenbahn-Etat so ausgiebig estaltet ist. Aber das Volk wartet jeßt {on Jahre lang auf die in Aussicht gestellte Tarifreform, die leider durch den Widerspru des Finanz-Ministers aufgehalten wird. Wir werden bald im Rüdstande fein gegenüber der übrigen kultivierten Welt, denn selbs Rußland geht mit Tarifreform vor. Eine rationelle Tarifreform wird keine finanzielle Schädigung, sondern eine Vermehrung der Einnahmen her- beiführen. In Zeiten der finanziellen Knappheit ist eine Zurückhaltung zu verstehen, aber die Zeit des Aufschwunges is doch die geeignetste für eine Reform. Nicht aus der Opposition treten die Wünsche her- vor, sondern aus sfonft regierungsfreundlihen Kreisen, nament- lih im Westen; in der Industrie wird der Unmuth immer größer. In Abwesenheit des Kultus - Ministers widerftrebt es mir, die Beschwerden über die Schulen vorzubringen, welche ih vorbringen wollte; ih will aber ganz entschieden da- gegen protestieren, daß jeßt der Zeitpunkt günstiger geworden ist für ein Schulgeseß nah Zedliß’schem Muster. Wir sind heute noch bereit, einem solchen Geseß mit allen Mitteln entgegenzutreten, und wir sind sicher, daß die Bewegung im Lande dagegen eben fo stark wie früher sein würde. In Bezug auf die Behandlung der Lehrer sind wir „von anderen Staaten weit überholt, sogar von Mecklenburg. Das Dotationsgeseß wird lange nit die Wünsche der Lehrer erfüllen. Das Volk erstrebt die Fachaufsicht der Schule, der Kultus-Minister dagegen die geistliche Aufsicht. Für uns bringt das Dotationsgesetz R r pati herbei; denn wir wollen die Wünsche der Lehrer endli erfüllen. Wir hoffen, daß das Geseß verbessert wird, nament- lih dur Beseitigung der Benachtheiligung der Städte. Wir wollen die kleinen Gemeinden unterstüßen. Wer war es denn, der den Minister niht unterstüßt hat in Bezug auf die Beseitigung der jämmerlihen Schulbauten ? Ich hoffe, weil das G nothwendig ist, wird eine Verständigung herbeizuführen sein. ie Rede des Grafen Limburg-Stirum war eine Aeußerung auf die Rede des Landwirthschafts-Ministers im Hteichstage ; es scheint, als wenn ein gewisser Waffenstillstand eingetreten ift zwishen den beiden Kämpfern. Graf Limburg hat in der „Kreuz-Zeitung* das Zeugniß erhalten, da er milde gewesen sei, denn ein s{roffes Auftreten wäre Waffer au die Mühle der Demokraten gewesen, welche nihts sehnlicher wünschen, als daß das Tischtuch zershnitten würde zwischen der Regierung und den Konservativen. Täuschen Ste sih doch niht! Glauben Sie daß die konservative „Regierung den Kampf bis aufs Messer mit Ihnen aufnehmen wird. Diese Hoffnung haben wir leider nicht. Das allgemeine Wahlreht wird seine Schuldigkeit doch thun. Und Sie schaffen für das Volk dur den Antrag Kaniy die nöthige Auf- klärung; das haben die Wahlen gezeigt. Wir wollen Sie nicht mit der Regierung entzweien, aber wir wünschen, daß der Minister diesem Antrag Kaniß entgegentritt, und wir hoffen, das auh der Minister des Innern dagegen einschreiten wird, daß die offiziellen Organe für den Bund der Landwirthe arbeiten. Eine Regierung, die das duldet, kann sich niht wundern über die Früchte, wel eine solhe Agitation zeitigt. Graf Limburg war milde, a von Ploeh ist hon wieder draußen und arbeitet munter weiter. Er hat eine Protestbewegung eingeleitet gegen den Landwirth chafts- Minister wegen dessen hochfahrender Haltung im Reichstage. m werden die Landräthe niht angewiesen, an dieser Agitation nicht zu betheiligen? Allerdings die Konservativen leben ja allein davon! Ih möchte Ihnen einen Vorshlag machen: einigen einmal mit der Regierung darüber, da Wahlen unbetheiligt bleiben, kein Landrath, gten: wo werden Sie dann bleiben!

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