1896 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

i bedenklih, sondern finanziell auch gar nicht durchführbar. f

: angenommen, es würde nur ein Ehrensold von 120 M jährlich gewährt, so ergeben allein die Pie der noch lebenden Kriegstheilnehmer aus den es großen Kriegen eine Belastung der Reichskasse von ungefähr 100 Millionen Mark jährlich! Von wem und wie soll in heutiger Zeit diese aufgebracht werden?

: Bei der zweiten Frage wird fast immer übersehen, daß, wenn die Versorgungsgeseße allein niht ausreihen sei es, daß deren Versorgungëgrenze nicht weit genug gesteckt oder daß die Höhe der Entschädigungssäße unter den veränderten it- und Geldverhältnissen unzulänglih i} —, in solchen llen eines weitergehenden Bedürfnisses die großen tüßungsfonds eintreten niht allein für die Kriegstheilnehmer selbst, sondern auch für deren Hinter- bliebene. Es ist in weiten Kreisen noch viel zu wenig bekannt, welche großen Summen für diese Zwecke einer Milderung der Kriegsshäden alljährlih aufgewendet werden; sonst würde man die Fürsorge des Reichs dankbarer anerkennen und bei höheren Anforderungen an die Mittel der Reichskasse, d. h. an dic Kräste der Steuerzahler, vorsichtiger und bescheidener sein. ail

Einige Zahlen mögen die Berechtigung und Nothwendigkeit dieser Mahnung hier begründen: :

1) Der Allerhöchste Dispositionsfonds bei der Reichs- Hauptkasse (Kap. 68 Tit. 1 des Reichshaushalts-Etats), bestimmt zu Gnadenbewilligungen aller Art, ist mit 3 Millionen Mark jährli dotiert, von denen aber fast die ganze Summe ledig li ch im Interesse der Veteranen und ihrer Hinter- bliebenen in einer so humanen und ausgiebigen Weise Ver- wendung findet, daß die den einzelnen Betheiligten zugewiesenen Abfindungen, je nah der Größe des Bedürfnisses, oft bis zur höchsten geseßlich zulässigen Grenze gehen.

2) Zur Verstärkung dieses Fonds und um noh mehr als bisher begründeten Anforderungen genügen zu können, sind auf Grund des Geseßes vom 22. Mai 1895 im Kap. 83 Tit. 2

des RNeichshaushalts-Etats für 1896,97 weitere 700 000

Jährlih eingestellt worden. i :

3) Als Beihilfen (Ehrenfold) für hilfsbedürftige Kriegs- iheilnehmer sind 1 800 000 4/6 (Kap. 83 Tit. 4) vorgesehen, sodaß zur Zeit 15 000 hilfsbedürftige Veteranen einen Ehren- Jold von jährlih 120 44 erhalten können.

4) Ferner kommt der im Kap. 83 Tit. 1 ebenda aus- geworfene Jahresbetrag von 350 000 A jährlich in Betracht, welcher bestimmt ist und verwendet wird zu Unterstüßungen und Erziehungsbeihilfen für Wittwen und Kinder von Kriegs- theilnehmern. j i

5) Endlih wird aus dem Kap. 74 Tit. 6 des Reichs- haushalts-Etats zu Unterstüßungen für Kriegstheilnehmer und deren Hinterbliebene cine Summe von 30- bis 40000 zährlih verausgabt. :

Im Ganzen also ergeben diese 5 Ziffern eine Jahressumme von ungefähr 6 Millionen Mark, die lediglich bestimmt ist, den Kriegsveteranen und deren Hinterbliebenen, welche keine ge \eß- lichen Ansprüche haben, im Fall ihrer Bedürftigkeit und Würdigkeit mit angemessenen Unterstüßungen aus Reichsfonds zu Hilfe zu kommen. : i :

Diese Thatsache allein, ohne alle weiteren Ausführungen, dürfte genügen, die beregten Zeitungsartikel und Massen- agitationen auf ihren wahren Werth zurückzuführen. Vielleicht trägt auch eine weitere Kenntnißnahme der bisherigen Be- Sihungen der Regierung um das Wohl der Kriegstheilnehmer und deren Wittwen und Waisen dazu bei, daß diese hier kurz erörterte Frage fortan mit mehr Sachlichkeit, Unbefangenheit und patriotishem Anstande beurtheilt und behandelt wird.

Daß für die als kriegsinvalide anerkannten Mann- schaften und deren Angehörige, sowie für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen an Pensionen bezw. geseßlichen Bei- __ hülfen aus dem Reichshaushalts-Etat jährlih eine Summe _von über 15 Millionen Mark verausgabt wird, möchte allge- ‘meiner bekannt sein.

Die „Kölnische Zeitung“ bringt in ihrer Nummer 80 vom 26. Januar 1896 eine Korrespondenz aus Baltimore, betreffend „die Kriegsbrauchbarkeit der neuen amerikanischen Kleinkaliber-Gewehre“, in welcher aus dem Bericht eines fremdländishen Generals über die Wirkung solcher Gewehre u. a. nachstehendes Beispiel angeführt wird:

„Jn Deutishland machte man jüngst eine ähnlihe Erfahrung. Ein Soldat, der seinen Sergeanten in Magdeburg beraubt und er- mordet hatte, war zum Tode verurtheilt worden. Fast jede Kugel der zur Vollstreckung befohlenen Abtheilung traf, und denno versuchte der Verwundete zu entfliehen. Der komman- dierende Sergeant {oß ihm noch eine Kugel durch den Kopf, aber der Tod erfolgte auch dann noch nicht. Der Sergeant lud wieder, und erft eine G die dicht hinter dem Ohr eindrang, führte den Tod herbei. Er hatte neun Schußwunden erhalten. Kein Wunder, daß die Geschichte dieser Urtheilsvollstreckung von den Behörden unter- drückt wurde. : i

Diese Mittheilung is völlig erfunden. Bereits seit langer Zeit jedenfalls seit Anfang der 1850 er Jahre hat im

rieden die Vollstreckung der Todesstrafe an einem preußischen oldaten durch Erschießen nicht mehr stattgefunden.

Das Militär-Strafgeseßbbuch vom 20. Juni 1872 bedroht mit der militärischen Todesstrafe (durch Erschießen) überhaupt uur solhe militärishen Verbrechen, welhe im Felde be- gangen sind ; begeht ein Soldat im Frieden ein nihtmilitärishes Verbrechen, welches mit dem Tode bedroht ist, so wird die Tovesstrafe durch Enthaupten vollzogen.

Der Verfasser der en an, er sei selbst geneigt, an der Richtigkeit seiner Mittheilung zu E

wäre dann wohl besser gewesen, er hätte sie überhaupt nicht verbreitet.

Der 68. Kommunal-Landtag der Kurmark beschloß in seiner 5. Plenarversammlung am 28. d. M. über ö Gut- achten des I. und 17 des I]. Ausschusses. Die ersteren be- trafen in 3 Fällen Beihilfen zur Beschaffung von Feuerlösch- geräthen oder Erbauung von Sprizenhäusern, in zwei Fällen Rekurse | der General - Direktion der Land - Feuersozietät gegen Kreistagsentscheidungen, von denen einem statt-

egeben, der andere aber abgewiesen wurde. Die utahten des Il. Ausschusses betrafen, bis auf drei, uche um Bewilligungen aus dem sländigen Dispositions- fonds der Kurmärkischen Hilfskasse zu milden Zweckcn ; nur vier derselben konnten mangels Nachweises der Bedürftigkeit oder Wiüksamkeit nicht bewilligt werden, alle übrigen führten zu zum theil namhaften Spenden. Die drei anderen Gut- achten hatten Rechnung, Kassenrevision und Bezahlung von Botendiensten zum Gegenstande.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Herzoalih anhal- tischer Staats-Minister Dr. von Koseriß und Fürstlich E Kabinets-Minister von Oerßen find von hier abgereist.

Der Nen erungs Birctar Hermes in Posen ist der König- lichen Regierung zu Merseburg zur weiteren dienstlihen Ver- wendung als Justitiarius überwiesen worden.

Bayern.

Dem L Ita, ist eine Nachtragsforderung von 240000 4/4 für die Herstellungskosten einer Telephonverbindung zwischen Frankfurt a. M. und Wien auf bayerishem Gebiet zugegangen.

Die gestrige S Rees der Kammer der Reichsräthe eröffnete der Erste Präsdent Graf von Lerchenfeld mit einem Hinweis auf den in Deutschland mit Jubel gefeierten 18. Januar : „Mit Stolz und Freude gedenken wir der glorreichen Zeit, in welcher König Wilhelm von Preußen die deutschen Truppen bis vor die Thore der feindlichen Hauptstadt geführt hat. Mit Stolz und Freude er- innern wir uns, daß es Bayerns König war, der dem fieg- reihen Feldherrn die Kaiserkrone angeboten hat. In Treue fest steht Bayern zu Kaiser und Reich.“ Der Präsident \{chloy mit den Worten König Ludwig's I.: „Das vereinigte Deuschland wird niht überwunden“. Im Verlauf der Sißzung kam der in der vorigen Session von der Kämmer der Abgeordneten gefaßte Beschluß zur Berathung: „Die Regierung möge die Frage der Ein- führung einer allgemeinen, direkten, progressiven Einkommensteuer, verbunden mit einer Verm ögens- steuer, prüfen und dem Landtag in thunlichster Bälde eine Ddiesbezüglihe Vorlage machen.“ Die Kammer der Reichsräthe beschloß B Uebergang zur Tages- ordnung, sprach sich jedoch für eine: Reform der Kapital-Rentensteuer, der zeßigen Einkommensteuec und der Gewerbesteuer aus. Der Finanz - Minister Dr. Freiherr von Riedel erklärte, daß die Reformpläne in Ausarbeitung seien und daß eventuell noch in dieser Session cine bezügliche Vorlage möglich sei.

Sachsen.

Jhre Majestäten der König und die Königin von Württemberg trafen gestern Nachmittag von Berlin in Dresden ein und wurden am Leipziger Bahnhof, woselbst eine Kompagnie des 1. (Leib-) Grenadier-Regiments Nr. 100 Auf- stellung genommen hatte, von Jhren Majestäten dem König und der Königin, Jhren Königlichen Hoheiten den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, den Staats-Ministern, der Generalität und den Stabsoffizieren der Garnison empfangen. Nach herzlicher Begrüßung begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften nah dem Residenz- \hlosse, wo eine Kompagnie des 2. Grenadier - Regiments Nr. 101 Ehrenwache hielt. Während der Fahrt vom Bahnhof nah dem Schlosse bildete eine Eskadron des Garde- Reiter-Regiments die Eskorte. Nachmittags 6 Uhr fand im Bankettsaale des Schlosses Galatafel und Abends Gala-Vor- stellung im Hoftheater statt.

Oldenburg.

(H.) Gestern ist folgendes Bulletin über das Befinden Zhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin ausgegeben worden :

Die Leiden f\teigerten \sih abermals, kürzen den Schlaf und ershöpfen die Kräfte.

Oesterreich-Ungarn.

Der bisherige türkishe Botschafter Ghalib Bey über- reichte gestern Mittag dem Kaiser in feierliher Audienz sein Abberufungsschreiben. j

Jn der gestrigen Sißung des böhmischen Landtags begründete der Landesausshuß - Beisizker Werunsky den Antrag der Deutschen, betreffend die geseßliche Sicherstelung des Gebrauchs beider Landessprachen in der Bezeichnung der Straßen und Pläße der Stadt Prag. Er beantragte die Ueberweisung des Antrags an eine Kommission. Der Vize - Bürgermeister von Prag Podlipny erblickte in dem Antrag eine Germanisierungstendenz und sprah gegen die Ueberweisung. Der Abg. Graf Buquoy erklärte sih namens der Großgrundbesißer für die Ueberweisung an eine Kommission, worauf diese mit allen gegen die czehishen Stimmen beschlossen wurde. S

Ein von der Stadt Lemberg zu Ehren des Minister- Präsidenten Grafen Badeni veranstaltetes a im Rathhaussaale nahm einen glänzenden Verlauf. Ver- treter der Geistlichkeit, der Generalität, des Adels, die Spißen der Behörden u. st. w. hatten sich dazu ein- gefunden. Graf Badeni, welcher in Begleitung des Finanz-Ministers Dr. von Bilinski, des Statthalters und des Landmarschalls von Galizien erschienen war, wurde von S Gemeindevertretung empfangen und verweilte über eine

tunde.

Die italienischen Abgeordneten zum Tiroler Landtag sind wegen ihrer Weigerung, an den Verhand- lungen des Landtags theilzunehmen , ihrer Mandate für verlustig erklärt worden.

Im ungarischen Unterhause brachte gestern bei der fortgeseßten Debatte über den Titel „Obergespane“ der Abg. Nikolaus Kun den Antrag ein: die Regierung aufzufordern, über die den Obergespanen gewährten Zulagen Bericht zu erstatten. Der Abg. Buschba ch (liberal) sprah gegen den Antrag des Grafen Csaky und hob hervor: wenn Mißbräuche vorhanden seien, so sei es die Pflicht der Regierung, energische Maßregeln zu treffen. Nicht jeder Abgeordnete, welcher sich mit Eisenbahnen beschäftige, sei zu verdächtigen; er protestiere gegen eine derartige Auffassung. Der Handels-Minister Daniel erklärte: Er übernehme die Verantwortung für jeden einzelnen Theil der Vizinalbahn- Konzessionen. Was die Boldvathaler Vizinalbahn und den Fall Miklos anbetreffe, d sei aus den Akten ersihtlih, daß nicht alle Wünsche der Konzessionare erfüllt worden seien. Die staatliche Unterstüßung sei nicht erhöht worden, wie ein Konzessionar dies verlangt habe; der Konzessionar habe niht mehr erreicht, als jedem anderen Konzessionar gewährt worden sei; es sei auch absolut niht erwiesen, daß in dem vorliegenden Fall ein un- erlaubter Nußen gezogen worden sei. Der Minister erklärte

\hließlih, er könne nur den Beshluß-Antrag des Grafen Csaky E Der Abg. Hermann zog hierauf seinen Antrag zurü.

Großbritannien und Jrland.

Bei der geslrigen Ersaßwahl zum Unterhause im Londoner Stadtviertel St. Ee für den veritorbenen Sir Julian Goldsmid (Unionist) wurde Jessel (Unionist) mit p -% S gegen Harris (radikal) gewählt, der 1375 Stimmen erhielt.

Ueber die Vorkommnisse in Armenien is ein um- fangreihes Blaubuch erschienen; dasselbe enthält, wie „W. T. B.“ berichtet, die Depeshen vom 24. Juli 1894 bis zum 16. Oktober 1895 und den Bericht der gemeinsamen Kommission zur Untersuhung über das Massacre in Safsun. Nachdem in diesem Bericht festgestellt ist, daß die Feind- seligkeit zwishen Kurden und Armeniern von Jahr zu Jahr gewachsen war, wird das Auftreten des Agitators Ham- parsum Boyadjan, welcher sich Murad nannte, in dem Distrikt geschildert; von diefem Mann aufgereizt, begingen die Armenier Ua Ausschreitungen gegen die Kurden, welche ihrerseits zu Repressalien schritten. Die Armenier verließen ihre Dörfer, und die Streitigkeiten begannen ; die Armenier wurden jeßt als im Aufstande befindlich betrachtet, und die Truppen rückten von Musch aus, um die Bewegung zu unterdrücken und Murad zu fangen. Die Thatsache der Ermordung von Armeniern ist fest- gestellt, aber die Einzelheiten sind sehr übertrieben worden. Das größte Massacre war das des Priesters Johannes und der Armenier im Lager bei Ghelie Guzan, wo die Zahl der Opfer 40 oder 50 betrug. Die Dörfer Kavar, Schimik, Semal und Ghelie Guzan im Distrikt Talori wurden zer- stôrt, und die Bevölkerung, ungefähr 5009 Köpfe, war gezwungen, sih nah Diarbekr oder nach anderen Orten zu begeben. Das Blaubuh s\chließt mit einem Memo- randum des britischen Delegirten Shipley, welher ausführt, die Zahl der armenischen Opfer sei von der britishen und ausländischen Presse sehr übershäßt worden. Wenn man die Zahl der in jedem von den 23 Dörfern Getödteten auf 40 annehme, so ergebe sih einfchließlich der an Nahrungs- mangel Gestorbenen eine Totalsumme von ungefähr 900; Unbestätigt geblieben seien die Behauptungen von Hinschlahtungen armenischer Frauen durch türkishe Sol- daten. Gleichzeitig führt Shipley aus, die Agitation gegen die türkishen Behörden sei jahrelang von den aus- wärtigen armenishen Comités in den Distrikten von Musch und Talori unter den Armeniern betrieben worden, und der Mißerfolg in den Bestrebungen, dieser Bewegung Herr zu werden, habe zur Erbitterung der türkishen Behörden geführt. Auf der anderen Seite werde diese Darstellung durch die Thatsache gekennzeichnet, daß die türkishe Regierung ihrer ersten Pslicht nicht nahgekommen sei, und zwar der Pflicht, allen Klassen ihrer Unterthanen Schuß zu gewähren.

Frankreich.

Der gestern abgehaltene Ministerrath beshloß, im Parlament ein Gelbbuch über den neuen Vertrag mit Madagaskar zu vertheilen, fobald von dort die vollständigen Nachrichten eingetroffen sein würden. Die Neg:erung wird zu gleicher Zeit den auswärtigen Mächten Mittheilung über die Besißergreifung Madagaskars durch S machen.

Der frühere Krieas-Minister General Zurlinden i| zum Kommandeur des XV. Armec-Korps ernannt worden.

Ein Kredit von 975 000 Fr. wird behufs Vertretung Frankreichs bei der Krönung des Kaisers von Ruß- land, am 12. Mai, verlangt werden. Die Zusammenseßung der außerordentlichen Mission, welche der Krönung beiwohnen wird, ist noch nicht bestimmt.

Italien.

Der Prinz Ferdinand von Sachhsen-Coburg hat Rom gestern Abend wieder verlassen. Der „Agenzia Stefani“ zufolge hätte der Papst in der vorgestrigen Audienz dem Prinzen Ferdinand erklärt, daß der Uebertritt des Prinzen Bori1s nicht gestattet werden könne. /

Jn Neapel fand gestern in der San Lorenzo- Kirche cine Trauerfeier für die bei Amba-Aladji Gefallenen statt. An derselben nahmen auch die höheren Offiziere des deutschen Kriegsschiffs „Moltke“ theil. Der Prinz Heinrich von Preußen war dur den persönlichen Adjutanten, Kor- vetten-Kapitän Müller vertreten.

Spanien.

Zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Deutschen Kaisers fand in Madrid am Montag Vormittag in der deutschen Kapelle ein Festgottesdien s statt, welchem die Mitglieder der deutschen Botschaft und des deutshen Kon- sulats beiwohnten. Abends fand in den Räumen der Gesell- schaft „Germania“ unter dem Vorsiß des Botschafters von Ra- dowiß cin Festmahl statt. Der Botschafter hielt nah einem Toast auf die Königin-Regentin die Festrede, worin er zur Erhaltung des vollen Deutshthums gerade im Aus- lande mahnte. Der Redner s{chloß mit einem begeistert auf- genommenen Hoh auf Seine Majestät den Kaiser. An Allerhöchstdenselben wurde folgendes Telegramm gesandt : „Eurer Kaiserlihen Majestät legen die mit dem Botschafter in Madrid vereinigten Landsleute das erneute Gelöbniß der Treue zu Füßen, in begeisterten Dank für das, was Eure Majestät an uns Deutschen im Auslande gethan haben. Die deutsche Kolonie.“ Ein glänzender Ball, an dem 120 Personen theilnahmen, beschloß die ' Feier.

Schweiz.

Die Geseßentwürfe des Bundesraths, betreffend die Einführung der obligatorishen Unfall- und Krankén- versicherung, würden eine jährliche Ausgabe von 7 333 000 Fr. zur Folge haben. Der Bundesrath erklärte, daß hierfür die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichten; es müßten neue Ein- nahmen gesucht werden, Das Beste sei die Einführung des Tabacmonopols.

Belgien.

Die Königin is, wie „W. T. B.“ aus Brüssel erfährt, wieder völlig hergestellt.

Türkei.

Der bisherige Gesandte in Bukarest Neschid Bei ist bei der italienischen Regierung als Botschafter in Rom accre- ditiert worden.

: Serbien.

Der Geburtstag Seiner Majestät des Deutschen Kaisers wurde am Montag in Belgrad festlih begangen. Vormittags fand Empfang bei dem deutschen Gesandten Freiherrn

\

vonWaecker-Gotter statt. Glückwünsche siatteten im Namen des Königs von Serbien der Frlerarsha u, im Namen der ser- bischen Regierung der Minister-Präsident, ferner die Diplomaten, die Vertreter der Behörden und die höheren Beamten ab. In der evangelischen Kirhe war Festgottesdienst. Bei dem Feît- bankett, welches Abends veranstaltet wurde, brachte der deutsche Gesandte Freiherr von Waecker-Gotter ein Hoh auf den König von Serbien, der deutshe Konsul Dr. Oberg ein Hoch auf den Deutschen Kaiser aus.

Die Skupschtina ja! einen Antrag angenommen, wonah die Gemeinde-Vorsteher mittels Königlihen Ukases ernannt werden sollen.

Bulggrien.

DieSobran je beendigte in ihrer vorgestrigen, bis Mitter- nacht dauernden Sißung die Debatte über den Strafgeseßz- entwurf, der nunmehr in dritter Lesung angenommen worden # Die Opposition versuchte einige Amendements einzubringen, darunter eines zu dem Artikel üver die Bildung von bewaffneten Banden zu aufrührerischen Zwecken. Die Redner begründeten das Amendement damit, daß dieser Artikel bei Nieder- werfung der macedonishen Bewegung angewendet werden kfónne. Nach einer wirkungsvollen Rede des Minister- Präsidenten Stoilow nahm die Sobranje den Text der Vor- lage an. Ferner wurde die Aufnahme einer inneren An- leihe von vier Millionen zu Gunsten der Munizipalität von Sofia genehmigt.

Amerika.

Der Dampfer „Hawkins“, dessen Verfolgung von der E der Vereinigten Staaten angeordnet worden war, ijt 75 Meilen südöstlih von Long Jsland wrack ge- worden. Von 80 Cubanern, die sich an Bord desselben be- fanden, wurden 70 gerettet. Die mitgeführten Kanonen und Schießvorräthe gingen verloren.

Afrikxa.

. Die „Tribuna“ veröffentlichte gestern in einer besonderen Ausgabe eine Depesche, welhe nachträgliche Einzelheiten über die Vorgänge bei Makalle enthält und die bereits gemeldeten Nachrichten im wesentlihen bestätigt. Die Depesche berichtet, daß der Feind bei dem leßten, am 18. d. M. unternommenen Angriffe mit Leitern in das Fort einzudringen versuht habe. Die Ftaliener hätten den Gegner ganz nahe herankommen lassen und Steine gegen ihn geschleudert, um den Glauben zu erwecken, daß Mangel an Munition eingetreten sei. Als der Feind sih an dem Fort gesammelt habe, hätten die Jtaliener plößlich Schnellfeuer aus den Repetiergewehren und Geschüßfeucr eröffnet. Die Schoaner hätten bei diesem Angriff 1500 Todte verloren.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Ada- Hagamus von gestern ist die Kolonne des Oberst- Lieutenants Galliano in der Nacht bei Aiba vorbei- ma1schiert. Die Marschordnung der schoanishen Armee war folgende: an der Spiße marschierten Soldaten unter dem Besehle Ras Mangascha’s, dann folgte die Kolonne Galliano’s, den Schluß bildete die Truppe Ras Mak onen'’s. In ciner Entfernung von drei Stunden marschierte der Negus Menelik mit seinen Truppen. Kundschafter berichteten, daß der Oberst-Lieutenant Galliano und seine Leute gut behandelt würden ; einige von den Kundschaftern hätten hinzugefügt, daß Galliano bald im italienischen Lager eintreffen werde; andere meldeten, daß Menelik den Abschluß des Friedens erwarte und dieses Ereigniß in Hauzen abwarten werbe.

Jn einem der „Times“ aus Johannesburg zugegan- genen Telegramm vom 27. d. M,, welches von englischen Einwohnern Johannesburgs unterzeihnet ist, wird gemeldet: „die Gefahr der gegenwärtigen Lage sei groß; die Boers seien anmaßend und widersezten sich den unumgänglih nothwendigen Reformen. Sie seien noch rings um Johannesburg konzentriert. Ein Ausbruch der Voltsleidenschaft stehe bevor, wenn die Engländer nicht aus ihrer jeßigen sklavenähnlihen Lage befreit würden.“

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden ih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (26.) Sihung des Neichstags stand die erste event. zweite Berathung des Antrags Barth-Rickert, betreffend die Abänderung des Wahlgeseßes für den Neichstag. Zunächst nahm das Wort der

_ Abg. Nickert (fr. Vg.): Redner beschränkt si angesichts der dünnen Beseyung des Haufes (es sind 17 Mitglieder im Saale) auf eine kurze Empfehlung des vom Reichstag hon am 17. April 1894 mit großer Mehrheit angenommenen Gesetzentwurfs, der sich in der Zwischenzeit immer allgemeinere Sympathien erworben hake. So sei im vorigen Jahre von der badifhen Regierung zum Zweck des besseren Schußes des Wahlgeheimnisses eine Vorlage gemacht worten, welche die Haupttheile des Antrags enthalte. 89 Abg. Bassermann (nl.): Auh wir werden dem Antrage zu- stimmen, da die Crfahrunoen in der Wahlprüfungskommission die Sicherung des Wahlgeheimnisses auf diefem Wege zur Nothwendig- keit machen, Der badishe Entwurf hat niht nur die Wahlkuverts, sondern auch die sogenannte Dunkelkawmer, den JIsolierraum für die Beförderuna des Stimmzettels in das Kuvert, adoptiert.

Abg. Schädler (Zentr.) giebt für die Zentrumépartei dieselbe Erklärung ab. Sicherung der geheimen Abstimmung habe sie ftets für alle politishen Wahlen . verlangt, desgleihen auch für die Kommunalwahlen, wenn au hier vielleiht diese oder jene Garantiernaßregel aus lokalen Rücksichten modifiziert oder ganz bei Seite gelassen werden könne. Der Abg. Windthorst habe Pf die Gründe* für diese Forderung auteinandergeseßzt und dabei auch die Grhaltoung des geltenden deutschen Reihswablrehts ausdrüd- lih mit angeführt. Redner zitiert die peuesten Aus!lassungen des früheren preußishen Ministers des , Innern Herrfurth über dieses Wahlrecht in zustimmendem Sinne.

(Schluß des Blattes.)

E In der heutigen (7.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer-

ein und der Minister des Jnnern Freiherr von der Recke beiwohnten, wurde zunächst an Stelle des früheren Ab . Hugo

ermes der Abg. Langerhans zum Mitgliede der Staat1s- huldenkommission gewählt. Derselbe nahm die Wahl an und erklärte sich durch den auf die Verfassung geleisteten Eid

auch für diese Thätigkeit für gebunden. Zum Schrififührer wählte das Haus an Stelle des Abg. Olzem den Abg. Jürgensen.

Darauf wurde die zweite Berathung des Staats- hanshalts-Etats für 1896/97 fortgeseßt und zwar beim Etat des Ministeriums des Jnnern. Unter den Raths- stellen des Ministeriums ist ein versicherungstechnischer Hilfs- arbeiter mit 6000 4 Gehalt neu eingestellt; die Budget- kommission empfiehlt die Genehmigung der Mehrforderung.

Abg. Lückh of f: Dieser Titel bietet mir willkommenen Anlaß, auf die jüngsten Verhandlungen im Reichstag bezüglich der amerikani- schen Lebensversicherungs-Gefellshaften und auf die in der Presse gegen den Minister des Innern wegen seiner den ausländischen Gesell- haften auferlezten Kontrolvorschriften erhobenen Vorwürfe zurück- zukommen. Die - getroffenen Maßregeln waren nöthig, die Vorwürfe unbegründet. Die erwähnten amerikanischen Gesellschaften haben das große Geschäft in Preußen hauptsählich dadurch erzielt, daß sie zur Versicherung anreizten durch das Ver- sprechen übertriebener und unerfüllbarer Gewinnvertbeilung, des Doppelten und Dreifachen unserer größten und sparsamen Gesellschaften, Dem Versicherungskandidaten wurde auf unverbindlichen Zetteln mit oder ohne Datum und Unterschrift vorgerehnet, daß er bei Fälligkeit ter Police außer der Versicherungssumme 80, 90, ja über 100 9/9 der gezogenen O an Gewinnantheilen erhalten werde. Dieses Ge- schäftsgebahren hört auf, nachdem sie genöthigt sind, ihren Geschäfts- bericht so zu gestalten, daß jeder Versiherte daraus entnehmen kanu, welher Gewinnantheil auf seine Police entfällt. Das if auch von allen in Preußen thätigen Gefellshaften vom Minister verlangt worden. Die deutschen haben sih ohne Murren gefügt, nicht die amerikanischen, wohl aus Furcht, daß sie ihc Geschäft nicht mit Erfolg betreiben können, wenn sie jedem Versicherten Klarheit über seinen Gewinnantheil geben müssen. Die Verpflichtung, die Hälfte ihrer C ne in deutschen Staatspapieren zu hinterlegen, is den außerdeutshen Gesell- schaften auferlegt worden zum Schutz der Versicherten. Es ist nicht ver- gessen, daß 1876 die Continental Life-Insurance of New York, welche die größte Gefellshaft der Welt zu sein vorgab, bei ihrem schmählichen Zufammenbruch nicht die Kosten der Liquidation deckte. Lebens- versicherung ift eine Form der Sparkasse. Die Anlage von solchen Spargeldern, bestimmt für Wittwen und Waisen, muß unantastbar sein. Die deutschen Gesellschaften unterliegen betreffs Anlage ihrer Weribe denselben Bestimmungen, welche für die Anlage von Mündel- geldern bestehen. Die amerikanishen Gesellschaften anders zu be- handeln, liegt kein Grund vor. Die Erlasse des Ministers verdienen niht Tadel, sondern Anerkennung.

Bei dem Titel „Statistisches Bureau“ kommt

Abg. von Tzschoppe (fr. kons.) auf die Klagen über die vielen Statistiken zurück. Die Statistiken über die großen wirthschaftlichen Fragen seien nothwendig. Aber entbehrlih seien die kleinen statisti- schen Aufstellungen, welhe die Dezernenten in den einzelnen Mini- sterien für diese cder jene Frage verlangen. Es wäre besser, wenn sie sfich mit solhen Umfragen lieber an das Statistische Bureau wenden würden. Redner bittet den Minister, für sein Nessort anordnen zu wollen, daß für befondere Fälle nothwendig werdende Statistiken erst der Begutachtung des Statistishen Bureaus unterworfen werden, ob nicht dieses das Material beschaffen kann, wenn cs avuch nicht allerneuesten Datums is. Dadurh würden die Statistiken sich um 75 %% vermindern, und die eigentli wissenschaft- lihe Statistik würde darunter nicht leiden.

Abg. Nickert schließt sich dem Vorredner an und kommt auf

den gestern von ihm vorgetragenen Fall eines Arztes in Stolp zurü, dessen Naturalifation abgelebnt wurde, troßdem sie ihm zugesichert war, wenn er aus dem russishen Staatsverband ausgeschieden fein würde. Vier Jahre lang habe sich derselbe um die Entlassung aus dem russishen Unterthanenverband bemüht, Troßdem wurde ihm nach vierjährigen Bemühungen die Naturalisation nicht ertheilt, weil der Magistrat von Stolp wider- sprochen hat. Der Magistrat bescheinigt ausdrücklih, daß Nach- theiliges über ihn niht bekannt geworden sei. Ytedner bittet den Minister, wenn der Mann sih nohmals an ihn wendet, die Sache untersuchen zu lassen und die Gründe zu prüfen, die den Magistrat zur Ablehnunz der Naturalifation haben veranlassen können. __ Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz: Es wird nicht im Interesse des Shüßlings des Herrn Rickert liegen, wenn ih die Gründe anführen wollte, die gegen die Naturalisation geltend gemaht wurden. Wenn der Magistrat seine ablehnende Haltung aufgegeben haben follte, so würde das von Bedeutung sein für die wiederholte Prüfung der ganzen Frage.

Im Kapitel Ober-Verwaltungsgericht sind 6 neue Rathsstellen mit je 7500 (4 neu eingestellt, Die Mehrausgabe wird ohne Debatte bewilligt.

Beim Kapitel „Landräthlihe Behörden Aemter“ beklagt sich

Abg. Nudolphi (Zentr.) über die Unduldsamkeit eines Kreis- Res gegenüber der überwiegend fatholishen Bevölkerung diefes reises.

Abg. Brandenburg (Zentr.) weist darauf hin, daß die un- paritätische Behandlung der Katholiken auch bei Beseßung der Land- rathsämter sich zeige; es empfehle sih die Besezung der Landraths- stellen in katholishen Kreisen mit einem katholishen Landrath. Das ist au politisch s denn die fatbolishen Landräthe agitieren nicht fo viel, und die Wahlen werden dann vom Reichstage nicht für ungültig erklärt. Der Minister solle, wenn eine katholische Kreis- Era um einen katholishen Landrath bittet, diesem Wunsche willfahren.

(Schluß des Blattes.)

und

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Vinsichtlih der Zerlegung des Steuersaßes eines über mehrere Kommunalbezirke sich erstreckenden Gewerb es für die Zwecke der kommunalen Besteuerung in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Theilbeträge 38 des Gewerbesteuerge|eßes) hat das Ober-Verwaltungsgeriht, VI. Senat, 1. Kammer, durch Entscheidung vom 18. April 1895 folgende Sätze ausgesprochen :

1) Der Steuersayß mehrerer Gewerbebetriebe derselben Person, welhe nah § 17 Gew.-Steuerges. als ein steuerpflihtiges Gewerbe zur Steuer veranlagt werden, wird demgemäß nah dem gesammten Ertrage der sämmtlichen von derselben Person betriebenen Gewerbe in einem Betrage veranlagt. Die nah § 38 a. a. O. vorzu- nehmende Zerlegung hat sich demnach auf diesen einheitlichen Steuersay zu erstrecken. Betreibt beispielsweise eine Feuer- und Lebens- Versicherungsgefellscaft in einer Zweigniederlassungan einem vom Sitz der Gesell|haft verschiedenen Orte nur das Feuer - Veisiherungsgeschäft, so betreibt sie in dieser Zweigniederlassung ihr gesammtes Gewerbe, das Feuer- und Lebensver]icherungögeshäft, und der Ort der Zweig- niederlassung is Betriebsort füc den Gesammtbetrieb der Gesellschaft. „Die von dem Steuerausshuß beliebte und durch die Berufungs- entscheidung gebilligte Theilung des Steuersaßes zum Zwecke der Zer- legung in Steuerbeträge, die auf die einzelnen Gewerbebetrieb e entfallen sollen, wideripriht, abgesehen von ihrer Wilküclichkeit, den geseßlichen Vorschriften.“

___ 2) Betriebs ort im Sinne des § 38 des Gewerbesteuergeseßzes ist ebenso wie im Sinne des § 2 a. a. O., betreffend die Besteuerung gewerblicher Unternehmen, welche E Freubews ihren Sihz haben, jeder Ort, an welchem ein stehender Betrieb durch Er- rihtung einer Zweigniederlassung, Fabrikations-, Ein- oder Verkaufs ätte oder in sonstiger Weise unterhalten wird. „Da der § 38 über den Begriff und die Merkmale eines „Betriebsorts* keine Bestimmung trifft, fo ist anzunehmen, daß bei den sich über mehrere Kommunalbezirke erstreckenden Gewerbebetrieben unter „Betriebsort" ganz allgemein jeder

Ort verstanden wird, an welchem das Gewerbe betrieben (8 3 des Reichsgeseßes wegen Beseitigung der D g vom 13. Mai 1870) oder ein ftehender Betrieb unterhalten 2 Gewerbesteuergeseß) wird oder der Betrieb stattfindet 28 Kom- munalabgabengeseß vom 14. Juli 1893). Der Vorschrift der SS 38 bezw. 2 des Gewerbesteuergeseßzes sind die im § 2 des Gesenes vom 27. Juli 1885 für die Kommunalbesteuerung voraeschriebenen Vorausfeßungen fremd, und die Frage, ob an einem Ort ein Ge- werbebetrieb stattfindet, muß unabhängig von diesen leßteren Be- stimmungen entschieden werden.“ (Nep. VI. G. 186/95.)

Kunst und Wissenschaft.

Die Königliche Universität Greifswald beging am 27. Januar die Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs durch einen Festakt in der Aula, an welhem der akademische Lehrkörper, zahlreihe Ehren- gäste und die Studentenschaft theilnahmen. Die Festrede Zen der ordentliche Professor der Hygiene, Geheime Medizinal- ath Dr. Löffler; das Thema lautete: „Üeber die Fort- schritte der hygienischen Wissenschaften in den leßten 25 Jahren.“ Am Abend des 28. Januar fand ein großer s\tudentischer Kommers, zugleih in Erinnerung an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs, statt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln. Türkei.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gefundheitsraths in Konstantinopel vom 21. d. M. unterliegen Herkünfte von der egyp- tischen Küste einer fünftägigen Quarantäne nebst Desinfektion der ge- tragenen Kleidungsftüde und Effesten. Die Quarantäne soll in den Lazaretben von Beirut, Tripolis, Clazomene und Abou-Saad (bei Dijeddah) stattfinden. Schiffe, welhe bei ihrer Ankunft in Abou- apa choleraverdähtige Fälle aufweisen, haben fih nach Camaran zu

egeben.

Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom 12. bis 18. Januar ein günstiger und bie Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 17,4). Auch in dieser Woche waren unter den Todesursachen akute Entzün- dungen der Athmungsorgane vorherrshend, wenn auch die Zahl derselben eine etwas kleinere als in der Vorwoche war. Dagegen kamen Erkrankungen an Grippe zahlreiher zur Beobachtung und führten auch in 6 Fällen zum Tode. Etwas häufiger als in der Vorwoche traten auch akute Darmfkrankheiten unter kleinen Kindern zu Tage und endeten etwas häufiger tödtlich. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb eine fleine; von je 10000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 45 Säuglinge. Von den Infektionékrankbeiten kamen Grkrankungen an Masern, Scharlah und Diphtherie weniger zur An- zeige, und zeigten sih Erkrankungen an Diphtherie in der jenseitigen Louisenstadt, im Stralauer Viertel und in der Rofenthaler Vorstadt am zahlrei{sten, während Masern und Scharlach in keinem Stadt« theile in nennenswerther Zahl zum Vorschein kamen. Auch Er- krankungen an Typhus blieben selten. An Kinkbetifieber kam nur 1 Erkrankung zur Kenntniß. Etwas seltener gelangten rofenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut zur ärztlichen Beobachtung. Erkrankungen an Keuchhusten wurden etwas häufiger, während rheu- matishe Beschwerden aller Art seltener zur Behandlung gelangten.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 28. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Llovd. Der Postdampfer „Halle“ ist am 26. Januar Nachmittags auf der We ser angekommen. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 29. Januar Nachmittags von New-York nah der Weser abgegangen. Der Postdampfer „Hohenstaufen“ hat am 26. Januar Abends St. Vincent passiert. Der Reichs-Postdampfer „Darmstadt“ ist am 26. Januar Morgens in Genua angekommen.

Theater nud Musik.

Konzerte.

Der wohlbekannte Violinvirtuose Herr Waldemar Meyer veranstaltete am Sonnabend im Saal der Sing-Akademie ein Konzert mit dem vom Professor Mannstaedt ge- leiteten Philharmonischen Orchester, welhes die Reihe der Vorträge mit Cherubinis Ouvertüre zur Oper «Fanisfa* eröffnete. Der Konzertgeber spielte sodann ein wenig bekanntes Concertino in drei Theilen von Wilhelm Taubert (dessen leßtes Werk), zu welchem die Orchesterpartie von Herrn Hof- Kapellmeister Dr. Muck hinzugefügt worden is. Das Werk, voll von geistvollen Zügen, ist in allen Theilen zuglei eine sehr dankbare Violinpièce und wurde von dem Spieler in musterhafter Weise vorgetragen. Die weihe, zarte Ton- E, die geräushlose Bogenführung und vor allem der seelenvolle Vortrag erweckten bei den zahlreih erschienenen Hörern lebhaften Beifall. Den drei Solostückzn mit Klavier- begleitung von Bach, Saint-Saëns und Moszkowski, sowie dem großen Konzert von Rubinstein op. 40 (G-dur) wurde eine ebenso günstige Aufnahme zu theil. Das Orchester wie der Pianist W. Sacks leisteten in ihren Begleitungen sehr Lobenêwerthes.

Ein junger, hier noch nicht bekannter Komponist aus Moskau, Alexander Scriabin, ließ sich am Sonnabend im Saal Bech- stein hôren. Die Ursache dex geringen Betheiligung des Publikums lag wohl in der Wahl des Programms, das allein Klavierstücke des Kongzertgebers enthielt, die jedo von unbedeutendem Umfang waren. Der musikalishe Werth war aber auh nicht hervorragend; der Kom- ponist lehnt fih oft unverkennbar an den Stil Chopin's und an Moszkowski an. Das zeigte \sih_ sowohl in den Impromptus und Nocturnes, wie in den Etüden. Er trug alle Piècen felbst vor und erntete aufmunternden Beifall.

__ Seine Majestät der Kaiser ließ nach der Festvorstellun im Königlihen Opernhause am 27. d. M. dur den Seuctal Intendanten Grafen von Hochberg sämmtlichen Mitwirkenden Aller- böchstseine größte Zufriedenheit und Anerkennung aussprechen. Fräulein Rofa Poppe und Herr Stammer hatten die Ehre, nach Schluß des Festspiels „Barbarossa“ in die Kaiser- liche Loge befohlen zu werden, woselbst Scine Majestät dem Fräulein Poppe ein Brillantarmband und Herrn Stammer eine Busen- nadel mit dem Allerhöchsten Namenszug in Brillanten unter huld- vollen Worten überreichte. Durch den General-Intendanten Grafen von VoGTers erbielten der Königliche Kapellmeister Dr. Muck das Bildniß Seiner Majestät mit Namensunterschrift, die Herren Ober- Regisseur Teßlaff und Ober-Jnspektor Brandt Busennadeln mit dem Allerhöchsten Namenszuge in Brillanten und die Herren Dekorations- maler Moeitio und Kostümmaler Guthkneht Adlernadeln in Brillanten.

Im Berliner Theater wird als nächste Novität für Anfang T das vieraktige moderne Schauspiel „Maria Raymond* von

ora Duncker und Aloys Prasch vorbereitet.

Im Sthiller- Theater findet morgen die legte Wochentags- aufführung von „Der Widerspenstigen Zähmung" statt. Bürgersaale des Rathhauses wird am nächsten Sonntag ein „Chamisso- V Tee Unier ben U je Vorstellun

Im eater Unter den Linden werden die Vor der Ausftattungs-Operette eben Chilperih*“ am Eoactas l vier Tage unterbrochen werden. Von diesem Tage bis inkl. Dienstag gelangt Millöcker's Operette „Der Bettelstudent" zur Aufführung. Am Sonntag Nachmittag kommt bei halben Preisen das große Aus- stattungs-Ballet „Rund um Wien“ zur Darstellung.