1896 / 26 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Der Herr Vorredner hat in feinèn Ausführungen daran- erinnert, in der Presse der Kommission ein Vorwurf gemaht worden sei,

rath, | daß sie si niht darauf beschränkt habe, zu- berichten über ihre Er-

hâbe. Der Gedanke ällein thut daß’ man ihn ausspricht, thut es auch nicht, sondern es if nöthig, daß man die Vorbereitung für die Maßregeln trifft, die eben erforderli sind, um den Miß- ständen zu begegnen. ta lf ai

Nun hat der Herr Vorredner gemeint: die Kommission für Ar- beiterstatistik babe nit so viel an Aufgaben erledigt, als ihr im Interesse einer fortschreitenden Besserung unserer gewerblichen Ver- hältnisse zugemuthet werden könnte. Wenn ih mir das Verzeichniß der Arbeiten ansehe, mit denen die Kommission befaßt worden ift, so kann ih nicht finden, daß die Beschäftigung keine. ausgiebige ge- wesen ist. Und wenn nicht so viele Sißungen in der Kommission ge- halten worden sind, wie es der Herr Vorredner wünscht, fo bitte ih ihn, das dem Umstand zuzuschreiben, daß eben der hochverdiente Vorsißende der Kommission, der Unter - Staats- sekretär Dr. von Rottenburg, dur fein förperlihes Be- finden abgehalten gewesen is, die Arbeiten so zu fördern und Sihungén so zahlrei abzuhalten, wie das dem Interesse der Sache entsprochen haben würde. Herr von Rottenburg, der übrigens in diesem Augenblick noch nit in den Ruhestand übergetreten ist, ift feineswegs, wie ih gleih hier bemerken will, von irgenb einer Seite herausgegrault. Seine Vorgeseßten, und ih niht zum wenigsten, beklagen es außerordentli, daß dieser treffliche und für fein Amt, insbesondere für die Förderung der sozialpolitishen Aufgaben vorzugs- weise geeignete Mann allerdings, durh seinen Gesundheitszustand ge- nöthigt, seinen Dienst wird aufgeben müssen.

Die Kommission hat im übrigen fleißig gearbeitet, und die Be- richte, die sie erstattet hat, sind dem Reichstag zugängig gemacht worden. Wenn der Herr Vorredner gleih im Anfang seiner Aus- führungen mit der Klage hervortrat, daß die Arbeiten der Kommission, soweit sie bis jeßt überhaupt an den Reichstag gelangt sind, nicht in ausreichender Zahl mitgetheilt sind, so glaube ih kaum, daß dieser untergeordnete Punkt ihm billigerweise hätte Veranlassung geben sollen zu einer besonderen Anklage. Hätte sich der Herr Vorredner an mich ge- wendet, und gesagt: ih bitte mir noch einige Exemplare der Drucksachen aus, so hätte er sie sofort erhalten. Und wenn der Herr Vorredner im allgemeinen den Wunsch ausgesprochen hat, daß der Reichstag nicht, wie er \ih geschmackvoll ausdrückte, mit Knikrigkeit, sondern in ausgiebiger Zahl die Drucksachen erhalte, so kann ih ihn nur auf meine im vorigen Jahre über diesen Punkt gemahte Bemerkung verweisen. Ich sagte: „Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Drucksachen, die dem Reichstage zugehen, niht alle ausgegeben werden, und des- halb ist ihre Zahl in einer gewissen Beschränkung gehalten. Wenn aber der Reichstag mehr wünscht, das spielt bei uns keine Nolle; einige 50 oder 100 Exemplare mehr stehen gern zur Dis- position.“

Was nun, meine Herren, die Arbeiten der Kommission anlangt, so befindet sih die Erhebung über die Zustände im Bâckergewerbe bereits beim Reichstag; die Drucksache is} vertheilt, der Bericht der Kommission ist ausgegeben, und wenn auch zwischen dem Zeitpunkt, in welchem dieser Bericht der Kommission erstattet ist, und dem, in welchem er fruktifiziert ist, allerdings eine längere Periode verstrichen ift, fo werden Sie do diese Verzögerung nit ciner amtlichen Stelle, am wenigsten dem Reichsamt des Innern zuschreiben dürfen, sondern Sie werden daraus den Schluß zu ziehen haben, daß über die Behandlung der Materie in den berufenen Instanzen Meinungêverschiedenheiten vorgekommen sind, und daß es erst des Austrages diefer Meinungs- vershiedenheiten bedurft hat, bevor man der Sache hat Fortgang geben können. Dieser Zustand ist in der That rüdcksihtlich der Er- hebung im Bäckergewerbe eingetreten. Erst unter dem 15. Dezember des vergangenen Jahres hat die Königlih preußische Regierung im Bundesrath den Antrag auf Erlaß einer Verordnung gestellt, die darauf abzielt, die Mißstände im Bäergewerbe zu beseitigen und insbesondere rücksihtlich der Festseßung der Arbeitszeit in diesem Gewerbe be- stimmte Vorschriften zu treffen. Diese Vorlage ist, wie gesagt, unterm 16. Dezember v. J. ergangen. Der Bundesrath hat darauf beshlofsen, sie den zuständigen Ausschüssen zu überweisen. Diese Ueberweisung is erfolgt, und wenn bisher das Plenum des Bundes- raths über die Materie noch nicht Beschluß gefaßt hat, so werden Sie zugeben, daß in einer so wihtigen Angelegenheit, die die Inter- essen so zahlreicher Kreise berührt, in denen auch innerhalb des Ge- werbes keineswegs die Auffassungen übereinstimmen, es sehr natürli ist, wenn diése Zeit vom 16. Dezember v. J. bis zum 2. Januar d. J. niht hingereiht hat, um diese Vorlage zu verabschieden. Dies wird indessen demnächst geschehen und, wie ih hoffe, werden dann die berechtigten Klagen über die Be- handlung der Gehilfen und Arbeiter im Bäckergewerbe ihre definitive Abstellung finden.

Was die Erhebungen der Kommission für die Arbeiterstatistik über die Verhältnisse im Handelsgewerbe anlangt, fo ist der Bericht darüber erstattet, und in den nähsten Tagen wird dem Reichstage wie ih hoffe, in einer ausreihenden Anzahl der Bericht zugehen.

Mit den Erhebungen über das Müllergewerbe wird sih voraus- sihtlih die Kommission in der nähsten Sißung beschäftigen. Dabei wird es sich um die mündlihe Vernehmung von Auskunftspersonen handeln, und es wird, wenn diese Vernehmung stattgefunden hat, die Enquête an sih beendigt sein. Es wird dann der Kommission ob- liegen, dem Reichskanzler darüber einen Bericht zu erstatten. Jch bemerke, was die Klagen über die mangelnde Häufigkeit der Sitzungen anlangt, daß die legte Sißung der Kommission im Dezember vorigen Jahres stattgefunden hat und die nächste für Februar in Aussicht genommen is. Jch glaube daher, daß man ihr eine Säumigkeit nit wicd vorwerfen können.

Weiter wird sich die Kommission mit der Enquôte über das Gasftwirthsgewerbe zu beschäftigen haben. Da liegen die Erhebungen und die Antworten auf die \chriftlichen Umfragen bei den Organen der Wirthe und der Angestellten im Druck vor. Ueber das Ergebniß wird die Kommission in der nächsten Sihung zu beschließen und zu berihten haben. i

Nüdsichtlih des Verkehrsgewerbes is die Einleitung von Er- hebungen in Aussiht genommen, und außerdem if die Kommission mit der Enquête, die der Reichstag gewünscht hat, rücksihtlich der Sonntagsarbeit im Binnenschiffahrtsverkehr beschäftigt.

| hebungen, sondern daß sie, namentli was das Bäckergéwerbe anlangt,

‘einen formulietten Geseßentwurf vorgelegt ‘habe. Ich habe au von.

' zugeben,- daß die Fassung der Bestimmung über die Einsezung der Kommission: nicht gerade der Auffassung - widerspricht, welhe dahin geht, daß es nicht Aufgabe der Kommission sei, formulierte geseygeberishe Vorschläge zu: machen. Auf der anderen Seite ist aber’ ausdrücklih in diesen Bestimmungen ter Kommission das Recht, Anträge zu stellen, gewahrt, und es ist-über die Form, in der se ihr Gutachten bezüglih der von ihr vorgenommenen | Er- hebungen erstatten soll, keine bestimmte Vorschrift getroffen, sodaß ih mi nit ‘auf den Standpunkt derjenigen stellen kann, welche es- der Kommission verdacht haben, daß sie einen Gefeßentwurf vorgelegt hat. Jedenfalls und darauf kommt es do allein an ist ihr von seiten der Reichsverwaltung ein solher Vorwurf nicht gemacht worden.

Meine Herren, Sie sehen aus meinen Mittheilungen einmal, daß die Kommission bereits reihlich in Thätigkeit getreten ift, daß sie noh eine Reihe von Aufgaben zu erledigen hat, und ih zweifle garnicht daran, daß auh über den Kreis der von mir gestreiften Aufgaben hinaus die: Kommission ein weiteres reiches Feld der Thätigkeit finden wird. Daß alle diese Aufgaben Zeit erfordern, daß sie sich niht von heute auf morgen erledigen lassen, das werden mir die Herren bei objektiver Würdigung der Verhältnisse wohl zugeben.

Ih mödte damit meine Bemerkungen zu diesem Gegenstande {ließen und nur noch die Versicherung hinzufügen, daß es jedenfalls nicht an der Reichsverwaltung liegen wird, wenn- auf dem Gebiete der Sozialpolitik eine Verzögerung eintreten follte. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß, was den Arbeiterschuß anlangt und hier handelt es sih ja vorwiegend um ein Kapitel des Ar- beitershußes die Geseßgebung und die Verwaltung voranzu- reiten hat.

Abg. Bebel: Warum nur 100 Exemplare der Protokolle mehr ? Warum nicht für jeden Abgeordneten eins? Sie werden alle unter- gebraht werden; der Herr Staatssekretär kann ohne Sorge sein. Die einzige Rücksicht auf einen erkrankten Vorfißenden - reiht doch

nicht aus, die Ausseßung der Sipungen der Kommission auf 13 Monate zu motivieren. Warum hat der Bundesrath nicht hier und auf

In der Zigärrenfabrikation is durch eine folche erordnung das Sweatersystem zum völligen Verschwinden gebracht worden. Die heutige Ueberwahung des Zustandes der Bälereien auf Reinlichkeit und Hygiene ist völlig ungenügend; die Fabrikinspektion ist nicht zahlreich genug vertreten, und die Polizei hat dazu keine Zeit; wir rau: eine besondere Wohlfahrtspolizei. Was der Durchführung der Arbeitershußmaßregeln am meisten hinderlich ist, ist die liebe l auf die Kleinmeister, diese Stützen des Zunftzwanges, die Ln 10 hen Schußmaßregeln irgendwie finanzielle Einbuße erfahren önnten.

Abg. Dr. Pach nicke (fr. Vg.) erkennt sowohl das Verdienst des Vorredners, als auch die Berechtigung der Einwände der Gegner gegen eine einseitige Regelung der Frage im Bäkergewerbe auf dem P der Verordnung an. Wolle man etwas auf diesem Gebiete thun, so sollte man den Reichstag nicht unbefragt lassen.

Abg. Molkenbuhr (Soz.) suht Material für die Beurtheilung der Frage der Arbeitszeit in den Bäckereien zu geben. Von der Verkür- zung würden nur die größeren und größten Bäckereien betroffen, und diese könnten fie am ersten ertragen. Die von den Bäkermeistern erhobenen Einwände hätten die Kommission niht überzeugen können. Vor dem Polizeisozialisèmus brauhe man sich nicht zu fürchten. Es wäre eine nüßlihere Beschäftigung für die Polizei, wenn sie hier für die Abstellung von s{limmen Uebelständen thätig wäre, fie fönnte sih damit sehr viel Popularität erwerben.

Die Ausgaben werden bewilligt, ebenso diejenigen für das Bundesamt für das Heimathwesen, das Schiffsver- messungsamt und die entscheidenden Disziplinar- behörden.

Um 51/4 Uhr wird die weitere Berathung 3A Nächste Sizung Mittwoch 1 Uhr. (Anträge, betr. das Wahlgeseß zum Reichstage und das Vereins- und Versammlungsrecht.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

6. Sißung vom 28. Januar 1896.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1896/97, und zwar zu- nächst des Etats des Finanz-Ministeriums.

Nah der gestern mitgetheilten Rede des Abg. Grafen von Hoensbroech (Zentr.) nimmt das Wort der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ih möchte dem hohen Hause vorschlagen, eine ausführlihe, eingehende Diskussion über die Ausführung des Kom- munalabgabengeseßes zu vertagen bis zu dem Augenblick, wo wir was sehr bald der Fall sein wird dem Hause eine Denkschrift mit zahlenmäßigen Nachweisungen über die DurWführung des Kommunal- abgabengesetes in der Monarchie vorlegen. Das Haus wird dann erft in der Lage sein, über die Frage zahlenmäßiges Material zu haben, um die Sache nah allen Richtungen hin zu prüfen. Es wird sich dabei zeigen, wie vollständig unbegründet gerade die Klage des Grund- besites is, wie bisher noch entgegen den Bestimmungen des Geseges, vielfach jedenfalls gegen den Geist und die Absicht des Geseges, der wesentlihe Vortheil, der Erlaß der gesammten Realsteuern den Grundbesitern zu gute gekommen ist, namentlich auf dem Lände. Aber ih will zur Zeit weiter auf die Sache nicht eingehen ; wir werden das zahlenmäßige Material, soweit wir es besißen, dem Hause voll- ständig vorlegen, und das Haus wird dann selbst prüfen können, ob die Ausführung in Sinn und Geist des Kommunäalabgabengesetzes und der Anschauung der Mehrheit dieses Hauses geschehen ist oder nicht, oder ob wir vielleiht im anderen Falle nah dieser Richtung noch viel nachzuholen haben. j

Der Herr Vorredner hat wenn ih ihn ret verstanden habe, ih habe nit alles verstehen können von dem Kreise Geldern. ge- \sprohen. Ja, wie ‘liegt nun im Kreise Geldern die Sache? Jch habe hier zufällig eine Aufstellung über den Kreis Geldern; danach wurden infolge des Kommunalabgabengeseßzes an Realsteuern mehr

belastet um 1 bis 50% 18 Gemeinden. Ziehen Sie von diesen

anderen Gebieten von seinem Verordnungêreht E gemacht ?

1 é j

é

Î

Wir haben hiér eine

Mehrbelaftungen von L- bis 50% die erlassenen 100 %/ Staatssteuern ab, meine Herten, so sehen Sie glei, daß eine ganz außerordentliche Entlastung dêr Gemeinden stattgefunden hat. Zwischen 51" bis 100 % wurden mehr belastet 4 Gémeindéa ; aber au hier find die 100 °/5

Gebäude-, Grund-, Gewerbesteuer abzuziehen, ‘und - kommt daher ein

diesen Vorwürfen in der Presse Kenntniß genommen und muß | sehr erheblicher Erlaß «an Grund- und Gebäudesteuer zum Vorschein.

Sie können das auch noch auf eine andere Weise sehen, Herk Graf. Aufstellung über diejenige Zahl von Gemeinden, wie sie belastet gewesen sind früher mit Grundsieuer und wie heute. Da haben wir früher 14 Ge- meindèn, welche belastet waren mit 1 bis 100 9/% Grundsteuer, jeßt 6 ; wir haben 12 Gemeinden, welche belastet waren früher mit 101 bis 1509/0, jeßt sind das 15 Gemeinden. Wir haben eine Gemeinde, die belastet war mit 151 bis 2009/6, jeyt sind es 5. Aber, meine Herren, in allen diesen Fragen müssen Sie die gesammten erlassenen Staatssteuern abziehen, und dann kommt in allen diefen Fällen eine erhebliche Entlastung heraus.

JFch will, wie gesagt, auf die sehr bedeutenden Fragen, die hier erörtert sind und die ja auch dur Petitionen angeregt sind, nicht näher eingehen. Jh glaube, es wird das Haus richtig handeln in seinem eigenen Interesse und in dem Interesse der vollständigen Klar- heit aller Verhältnisse, wenn es die Denkschrift vor si hat, die wir dem Hause sobald als thunlih mittheilen werden. Dann erst wird eine gründlihe und erschöpfende Diskussion möglich sein.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons. ): Die Privatnotenbanken haben zum großen Theile aufgehört, nur der E Bank ijt ein zeitweiliges D mit Rücksicht auf ihre süddeutschen Beziehungen zuge- tanden worden. Ih möchte die Hoffnung aussprechen, daß auch diese Privatbank cin Ende nehmen möge. Dann wird Preußen dahin wirken können, daß die anderen süddeutshen Banken ihr Privileg verlieren im Interesse der Einheit des Notenwesens. Das Bankgeseß hat Gelegenheit gegeben, daß alle zehn Jahre der Bundesrath sich mit dem Privileg der Privatbanken befassen kann. Ich hoffe, daß, wenn der Termin wieder herankommt, die Gründe, welhe män früher ins Gefecht führte, sich niht mehr als wirksam erweisen, namentlich weil Preußen mit cinem guten Beispiel vorangegangen ist, seinen Privatbanken das Notenprivileg zu entziehen. Was diefe Banken für den Kredit leisten, fönnen fie auch ohne Notenprivileg leisten, oder es: kann von der Reichsbank geleistet werden. Wenn der Finanz - Minister mit seinen Anschauungen noch an der Stelle stehen wird, an der er jeßt steht, fo wird er sih vielleiht nicht die Gelegenheit entgehen lassen, eine Aufkündigung der Reichsbankantheile ergehen zu lassen und die Reichsbank zu erwerben, die ja heute hon vom Reiche verwaltet wird. Wenn die Privatnotenbanken sämmtlich beseitigt sein werden, dann werden auch die Mißstände aushören, daß eine deutsche Bank- note an öffentlichen Kassen nicht angenommen wird. Ich möchte ferner den Finanz-Minister bitten, auf den Erlaß eines deutshen Checkgesezes hinzuwirken. Die Ausbreitung des Checkwesens ift volkêwirthschaftlih außerordentli nüßlich; es liegt aber bei uns voll- ständig im Argen, weil es einer geseßlihen Grundlage entbehrt. Durch Erleichterung des Checkverkehrs würde \ih der Bedarf an baarem Geld vermindern. Ich habe zu meiner Freude gesehen , daß die preußische Zentral-Genossenschaftskasse das Checkwesen fördern will.

Unter-Staatssekretär Meinecke: Die preußisckce Regierung hat von jeher den Standpunkt im Bundesrath vertreten, daß es wünschenswerth sei, die Privatbanknoten gänzli aus der Welt zu schaffen, sie hat den preußischen Privatbanken das Privilegium ge- nommen. Das Gleiche zu thun bezüglih det Frankfurter Bank, mußte die Regierung Abftand nehmen, fo lange die anderen Banken, z. B. die Mannheimer, das Notenprivilegium behielten und die badische Regierung darauf bestand, daß es ihr niht genommen wird. Wir hoffen, daß, wenn das Notenprivilegium abläuft, die Regierung dieses Privilegium aufheben wird unter der Bedingung, daß die anderen Privatbanken au ihr Privilegium verlieren, damit die Aufbebung ledigli der Reichsbank zu gute kommt. Die Frage eines Checkgesezes ist vielfah erörtert worden; es haben sih aber auch vielfa entgegenstchende Auffassungen kundgegeben. Man will nit allzu fehr das baare Geld durch Geldzeichen erseßen, die Kredit dar- stellen; aber die Sache ist noch nicht abgeschlossen. Es wird dahin gestrebt, daß der Checkverkehr zwishen den preußischen Staatskassen und der Reichsbank gefördert wird.

Abg. von Eynern (nl.): Die beiden angeregten Fragen gehören eigentli in den Reichstag. Ihre unvorbereitete Erörterung dürfte kaum einen Eindruck machen. Herr Arendt hätte seine Anregung

legien der Privatnotenbanken berührt nicht Preußen allein, sondern kleinere Einzelstaaten, die auf die Srhauung ihrer Privatbanken ein größeres Gewicht legen. Bezüglih des Checksystems stehe ih mit meinen Wünschen auf seiten des Herrn Arendt. Aber das größere Publikum gewöhnt sich niht recht an den Checkverkehr. Weshalb Herr Areidt gerade für das Checksystem eintritt, weiß ih nicht. Es wird dadur das baare Geld im Verkehr unnöthiger, also auch das eliebte Silber des Herrn Arendt entbehrlicher. Die Bug rung des Staat nalabaabénteete liegt in erster Linie in der Hand des Ministers des Innern. Wir glauben dem neuen Minister Gelegenheit geben zu follen, sich darüber autzusprehen. Der neue Minister ist ja bekannt mit den Klagen, welche namentlich aus dem Westen kommen, weil man dort das Zuschlagssystem zur Gebäudesteuer niht gekannt hat. Da iegt Zuschläge zur Gebäudesteuer erhoben werden müssen, ist die Unzufriedenheit im Westen sehr groß. Wenn die Agitation der Haus- und Grundbesißervereine dahin geht, gegen die unberechtigte Anwendung des Gesetzes und gegen die geseßwidrigen Erlasse der Minister anzukämpfen, so hat sich das Haus damit zu be- schäftigen ; denn es ist doch nihts Kleines, wenn einem Minister vor- geworfen wird, daß seine Erlasse gesezwidrig sind. Ich hâtte daneben ewünscht, daß wir die Petitionen im vorigen Jahre hier hätten im

lenum besprechen können. Das ist leider nicht geshehen. Ich möchte die Mitglieder der Gemeindekommission bitten, da die Petitionen schon wieder eingelaufen sind, so fleißig zu arbeiten, daß wir binnen kürzester Frist die Angelegenheiten besprechen können. ie Denkschrift ist ja nothwendig zur Beurtheilung des Verhaltens des Ministeriums, Die Näthe des Finanz-Ministers und des Ministers des Innern haben ja hon im vorigen Jahre scharf Stellung gegen die Petitionen ge- nommen. Die Bestimmungen des Kommunalabgabengefeßes find augensheinlich hôchst unklar ; es ist jegt gestattet, Ver|chiedenes heraut- zulesen aus dem Gesetz.

Abg. Graf von Hoensbroech (Zentr.): Wir müssen allerdings die weitere Diskussion zurücksezen bis zum Erscheinen der Denkschrift. Aber das kann ih dcch nicht unwidersprochen hingehen lassen, daß immer die 100 % erlassener Staatsgrundfteuer abgezogen werden müssen. Das beweist nur, daß die Realsteuern nah wie vor stark belastet L Redner bleibt dabei, daß in 19 Gemeinden des Kreises Geldern, die er aufzählt, die Realsteuer um 40 9% zu- genommen hat.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

in die Form von Anträgen kleiden sollen. Denn die Frage der Privi- .

M 26.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich bin dem Herrn Grafen sehr dankbar, daß er mir diese Liste zur Verfügung ftellt. Unsere Angaben beruhten auf den Berichten der Behörden, wahrscheinlih dem Bericht des Landraths. Man kann das ja nit so schnell, die Zahlen des Herrn Vorredners, genau über- sehen, ih bitte sie aber genau nahzusehen, dann wird si finden, daß die Gesammtbelastung des Grundbesißes in den Ge reinden unter Berücksichtigung des Erlasses von 1009/6 Grund- und Gebäudesteuer seitens des Staats in allen den Fällen, die der Herr Vorredner mit- getheilt hat, jeßt ein bedeutend geringerer ist als vor dem Erlaß des Kommunalgeseßes. Wir haben keineswegs, indem der Staat auf die Hebung der Grund- und Gebäudesteuer verzichtete, einfach den Grund- eigenthümern diese bisherigen Belastungen schenken wollen. Das ift eben der Grundirrthum ; sondern wir haben diese staatliche Besteuerung in eine kommunale verwandeln wollen und mehr als bisher die Besteuerung der Gemeinden auf Objekten basieren wollen, welhe mit der Gemeinde auf Gedeih und Verderben verbunden sind. Meine Herren, das fiskalische Interesse tritt hier zurück, das tritt jedenfalls niht wesent- lid in den Vordergrund; denn wir bekommen ja von den Steuern in die Staatskasse überhaupt nihts, es sind rein kommunale Steuern; sondern es tritt in den Vordergrund die richtige Form der Kommunal- besteuerung und der Vertheilung der Kommunallasten, und diese zu erreichen, war der wesentlihe Zweck des Kommunalabgabengesctes.

Abg. Dr. Arendt (fr. konf ): Bisher sind die Dinge, die zum Etat vorgebraht werden, immer vorgebraht ohne vorherige Ankündigung. Das Privilegium der deutschen Notenbank ist eine rein preußiscbe Angelegenheit, niht eine Sache des Reichs. Die preußische Regierung kann zur Beseitigung der weiteren bestehenden Privatnotenbanken ihren Einfluß im Bundesrath benutzen, und das i auch der Fall zur Schaffung eines Checkgeseßzes. Das Silber kommt für den Ver- kehr mit Checks nicht in Betracht. Wir wollen den Verkehr aber durchaus nicht mit Silber belasten.

Abg. von Eynern (nl.): Wenn folche Dinge hier vorge- bracht werden follen, dann entspriht es den Gepflogenheiten unter den Parteien, as anzukündigen, weil fonst alle Anderen außer dem Redner, der sich vorbereitet hat, in Verlegenheit gesezt werden: das sieht dann aus, als wenn die einzelne Rede unwider\prochen geblieben ist. Das wird nachher publizistisch verwerthet. Darüber habe ih meine Meinung geäußert, und dieses Neht möchte ih mir vorbehalten. Wir haben au niemals einen Minister überfallen, sondern ihm

immer vorher Mittheilung gemacht, daß wir biese oder jene Frage an- regen wollen.

_ Abg. Dr. Arendt (fr. kous.): Die Ausführungen des Vorr widersprehen dem Gebrauch bes Hauses. A eiten N niemals als Parteisache betrahtet worden. Was die Verständigung mit dem Minister betrifft, so geht das Herrn von Eynern nichts an.

Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.

Vei den Ausgaben für Ober-Präsidenten, Re- gierungs-Präsidenten u. \. w. klagt Abg. Damink Cob) über die belästigenden, bevormundenden Polizei- verordnungen, welche den Landwirth in der Verwer dung seiner roduktiven Kräfte beschränken, so z. B. bezüglih der Auf- tellung der Stroh- und Getreidemieten in gehöriger Entferuung von dem Wohngebäude. Das sei besonders da unbequem, wo Wohn- und Stallgebäude unter einem Dache seien.

. Auf eine Anregung des Abg. Br ös e (kons.) bezüglich der Möglichkeit, daß mehrere Kreis-Sekretäre auf einem Landraths- amt vorhanden seien, von denen doch nur einer die Stell- vertretung des Landraths führen kann, erklärt der

Minister des Jnnern Freiherr von der Nee: | Meine Herren! Die von dem Herrn Vorredner angeregte Frage ist bereits in der Budgetkommission zur Verhandlung gekommen. Ich habe mich in derselben bereits dahin ausgesprochen, daß ih die reht- lichen Bedenken des Herrn Vorredners und desjenigen Herrn, der sie in der Kommission zur Sprache brachte, niht theile. Jh bin nicht der Meinung, daß der Wortlaut des Geseßes einer der- artigen Einrichtung entgegensteht. JIch glaube aber nicht, daß es auf diese Frage erheblih ankommen wird, denn die ganze Maß- regel harakterisiert fich als eine reine Uebergangsmaßregel. Diese zweiten Kreissekretäre, wenn ich mich so ausdrücken darf, werden sehr bald von der Bildfläche verschwinden, indem fie an andere Landraths- ämter verseßt werden. Thatsächlih haben auch, wie bereits hervor- gehoben ist, die zweiten Kreissekretäre keinen Uebelstand ergeben. Ich bin übrigens gern bereit, der Anregung des Herrn Vorredners ent- sprechend in Erwägung zu ziehen, ob es nicht behufs Hebung sämmt- licher Zweifel zweckmöäßig scin wird, den zweiten Kreissekretär nicht als selbständigen hinzustellen, fondern ihm unter Beilegung eines ent- sprechenden Titels etwa „Zweiter Kreissekretär“ eine gleihe Stellung zu geben, wie den bisherigen Assistenten.

Abg. Gothein (fr. Vag.) bedauert, daß seine Anregung, die Stellung der Polizei-Bureaubcamten, die hinter den anderen Beamten zurückstehen, zu verbessern, niht Frucht getragen habe. Dadurch werde veranlaßt, daß die besseren Elemente sih den anderen Stellen zu- wenden, zumal diese Polizeibeamten durch die sozialpolitishe Gesetz- fung sehr erheblih mehr belastet feien. Stimmenfang sei mit

einer Anregung nicht verbunden, denn die Polizeibeamten stimmten do nicht für ihn und feine Freunde,

_ Geheimer Ober-Finanz-Rath Le hnert: Die Regierung will auh eine Gehaltserhöhung herbeiführen; es würde sih dann um die ge- sammten mittleren Beamten handeln ; aber die Negieruog hält es für unmöglich, bei einer einzelnen Kategorie allein vorzugehen. Die Beamten müssen si gedulden, bis die allgemeine Befoldungs- verbesserung durchgeführt werden kann. Wir wollen hier nur zwei lassen zu einer Klasse vereinigen; dabei eine Gehaltsänderung ein- treten zu lassen, lag kein Anlaß vor.

; Abg. Ridcert (fr. Vag.): Es i} schwierig, von dem Finanz- Minister etwas zu erreichen. Die Polizei-Sekretäre sind vollständig gleih beschättigt mit den Kreis-Sekretären ; sie sollten au in Bezug auf das Gehalt gleichgestellt werden. Das kann doch keine großen Konsequenzen zur Folge haben.

Geheimer Ober-Finan,-Rath Lehnert: Die Konsequenzen commen in jeder Session; es wird dann immer auf die früheren Bewilligungen für andere Beamte hingewiesen, die gleih beschäftigt sind. Den Gymnasiallehrern folgen die Bibliotheksbeamten und diesen die Archivbeamten. j i L Abg. Wallbrecht (nl.): Die Polizeibeamten in Charlottenburg bekommen \chon ein höheres Gehalt; warum follen die Polizeibeamten in den Provinzen nicht ebenfalls berucksihtigt werden? Die Ver-

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 29. Januar

tröstung auf die allgemeine Gehaltsaufbesserung is eine sehr mißliche.

Abg. Wetekamp (fr. Vp ): Auf die allgemeine Gehalts- erhöhung können wir nicht warten; eine Gehaltsregulierung der einzelnen Beamten is eine Vorbedingung dafür.

j Abg. von Puttkamer - Ohlau (kons.): Die Vereinigung der beiden Klassen der Bureaubeamten is eine Nothwendigkeit und bëingt au eine erhebliche Vereinfahung des Etats mit sich. Bezüglich der Befoldung der Polizei-Sekretäre der Provinzialbehörden und der E Polizei besteht eine große Verschiedenheit, die beseitigt werden

e.

_ Vei den Ausgaben für Remunerierung der Hilfsarbeiter

bei den Regierungen und Ober-Präsidien weist

Abg. Barte1s (kons.) darauf hin, daß auf 248 etatsmäßige Arbeiter 329 Hilfskräfte entfallen. Die Regierungs-Assessoren erhalten erst drei Jahre nah ihrem Examen die erste Remuneration, die aber völlig unzureihend bleibt. Es handelt \sich dabei niht um einen UVebergangszustand, die Arbeit bleibt und muß bewältigt werden. Deshalb müssen die etatsmäßigen Stellen vermehrt werden. Auch bei der Justiz bestehen in dieser Beziehung Mißstände; aber die De e t sih durch Kommissorien u. \. w. einen

} a e . j 4 P Nssefe R E n auch eher Richter als ein Regierungs

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Jh freue mich, hier erklären zu können, daß die Königlihe Staatsregierung der von dem Herrn Vorredner gemachten Anregung \ympathish gegenübersteht. Es ließe sich ja der Uebel- stand, daß an manchen Regierungen fast gar keine Regierungs-Räthe find, während andere Regierungen solche in größerer Anzahl besigen, dadurh aus der Welt schaffen, daß Verseßungen ins Werk geseßt würden von den wit Regierungs-Räthen \tark beseßten nah anderen schwa bedahten Regierungen. Dieses Mittel würde ih aber doch nur im Nothfall empfehlen können ; außerdem würden auch dem Staat dadur sehr erheblihe Kosten entstehen. Die Staatsregierung muß aber anerkennen, daß zwischen der Zahl der nichtetatsmäßig angestellten und der etatsmäßig angestellten Mitglieder ein gewisses Mißverhältniß besteht, was übrigens erst in den legten Jahren si besonders geltend gemacht hat. Sie wird daher eine mäßige Vermehrung der etats- mäßigen Stellen in Erwägung ziehen. „,

Finanz-Minister Dr. Miquel:]

Meine Herrea! Wir haben jeßt 360 besoldete Assessoren und 190 nicht remunerierte Assessoren. Das is} allerdings zur Zeit ein ungünstiges Verhältniß; übrigens muß man bedenken, daß dieses Ver- hältniß im Laufe der Zeit immer ein sehr \{wankendes gewesen ift. Es kommen Perioden, wo das Avancement viel günstiger ist; es kommen aber auch Perioden, wo das Avancement erheblih ungünstiger ist. Wir haben in den leßten Jahren den Fonds für die Remune- rierung der Assessoren erheblich erhöht; es hat der Minister des Innern bereits nah der Richtung für den nächsten Etat mit seinen Ansprüchen und Wünschen sih angemeldet.

Im Ganzen wird jeßt ein Diätenbezug, der bekanntlich von 1500 A bis 4200 Æ geht, gegen das Ende des dritten Assessoren- tiahres eintreten.

Das ist doch nihts Neues; denn feit Jahrzehnten haben die Assessoren stets einige Jahre dem Staat umsonst gedient, und das ist auh nicht bloß in Preußen, fondern mehr oder weniger in allen Staaten der Fall. Trotzdem erkennen wir auch unsererseits an, sowohl daß es erwünsht wäre, den Diätenbezug der Assessoren in einer kürzeren Periode eintreten zu lasen und also in dieser Beziehung noch ein Jahr zu gewinnen, als auch, daß es erwünscht wäre, die Zahl der etatämäßigen Stellen einigermaßen zu erhöhen. Wir werden mit dem Herrn Minister des Innern darüber weiter in Verbindung treten, und nah Maßgabe der Finanzlage werden wir auch diesen Gegenstand zur Lösung zu bringen suchen. Meine Herren, ih sehe schon jeßt, daß do hier niht im allgemeinen nah dem Grundsaß des englischen Parlaments verfahren wird, welches, wenn ih nit irre, im Jahre 1868 beschloß, zu verbieten, daß irgend ein Antrag in das Parlament gebraht würde, der Mehrkosten verursachte. (Heiterkeit.) Seit der Zeit hat das englische Parlament dieser Resolution geachtet. Wenn Sie Gelegenheit hätten, wie ih das pflihtgemäß thun mus, die Verhandlungen der französishen Kammer über das Budget zu lefen, so werden Sie finden, daß alle Nedner der Parteien ohne Aus- nahme darin einig sind, zu sagen: die Finanzlage is in Frankreich so, daß wir nit dulden werden, daß irgend ein Redner einen Antrag stellt oder eine Rede hält, welhe den Staat zu noch weiteren Aus- gaben drängt. (Heiterke. t.) Meine Herren, ih möchte doch wieder bier an etwas erinnern. (Abg. Ridert: Die Marine haben sie erhöht!) Das geschieht auf Antrag der Staatsregierung, geht aber nicht aus dem Parlament hervor. Ich werde Herrn Abg. Rickert gern die stenographischen Berichte zur Disposition stellen; dann werden Sie finden, mit welcher Sorgfalt, mit welcher Sachkenntniß die französishen Deputirten ihre Finanzlage behandeln. (Heiterkeit.) Meine Herren, ih glaube, wenn am Schluß unserer Berathungen irgend ein böser Geist die sämmt- lichen hier an die Staatsregierung gerihteten Forderungen auf allen Gebieten mal zusammenstellen würde, so würden das wohl \{chließlich mehrere Hundertmillionen werden. (Heiterkeit.) Aber nichtsdesto- weniger ih sage das nur im allgemeinen möchte ih die Be- merkungen des Herrn Abg. Bartels durhaus nicht für unbegründet erklären. Wir werden jehen, was sich thun läßt. Aber ich kann nur sagen: wir haben vier Defizits gehabt; das leßte Jahr {ließt auch noch mit einem Defizit ab; wir hoffen, daß das laufende Jahr nicht mehr mit einem Defizit abschließt. Da können wir uns doch nicht in die Meinung hineinreden, daß wir jeyt in so glänzenden Finanz- verhältnissen wären, daß wir uns alle Wünsche erlauben können und namentli Wiinsche erlauben, das kann man ja noch eher, aber nicht verlangen, vaß alle Wünsche befriedigt werden. Dies ist jeden- falls auch noch in den nächsten Jahren in keiner Weise möglich.

Abg. Jerusalem (Zentr.): Ih möchte doch dem entgegentreten, als ob die - Justiz: Assessoren besser ständen, sie erhalten Diäten bis zu 2400 Æ, während die Regierungs: Assessoren Diäten von 1500—

4500 M erhalten, während ein Richter ein so hohes Gehalt ers nah 10 bis 14 Jahren erhält. Stellen Sie Verwaltung und Justiz mit

1896.

Rücksicht auf die gleihe Vorbereitung vollständig gleich. Wir sind damit vollständig einverstanden.

-— Abg. Ri ckert (fr. Vgg.): Die Regierung verweist bei un- bequemen Anregungen immer auf das Ausland. Wenn die Stcllung des Parlaments bei uns so wäre wie in England, dann würden wir die Konsequenzen ziehen. Da das Parlament diese Stellung aber nit hat, können wir den grey nit anerkennen. Troßdem E wir sehr bescheiden mit unseren Anforderungen. In Pnrees at in der Budgetkommission ein Redner die Anregung zur Vermehrung der Flotte gegeben; der Minister hat die Anregung aufgenommen. Als ich mit dem Abg. Miquel in der Budget- fommission saß, zwangen Miquel, Lasker, Wehrenpfennig u. A. den Minister Camphausen, für die Schule mehr zu thun.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich glaube, diese Rede war eigentlich nicht nothwendig als Er- widerung auf dasjenige, was ich gesagt habe; denn ich habe ja an- erkannt, daß der Wunsch, des Abg. Bartels in vielen Beziehungen niht unberehtigt sei, daß wir, wenn die Finanzverhältnisse es ge- statten, in der einen oder andern Weise diesem Wunsche entgegen- tommen würden. Jch habe nur die Gelegenheit benußen wollen, um darauf aufmerksam machen zu wollen, daß doch der Strom der Wünsche wieder sehr lebendig zu fließen anfängt und daß wir \{ließ- lih an der Grenze ankommen, wo man sagen kann : alle diese Wünsche sind überhaupt nicht mit den Finanzmitteln zu befriedigen.

- Meine Herren, sehr oft werde ih perfönlih dafür verantwoortlih gemacht, daß der eine oder andere der aus dem Lande oder in der Presse oder hier geltend gemahten Wünsche nicht erfüllt wird, und ih scheue mich garnicht, diese Verantwortlichkeit zu übernehmen. Wenn ih wünschte, daß man mi vielfach mit freundliheren Augen ansähe, - ohne Rücksicht auf meine Pflichten als Finanz- Minister, so würde ih ja auch solches Gefühl der Verantwortlichkeit weniger haben und ih würde denken: du kannt nachher deinem Nach- folger überlassen, die Fehler, die du etwa gemacht hast, zu korrigieren. Das würde aber sehr pflihtvergessen sein.

Meine Herren, welche Finanzlage fanden wir vor fünf, sechs Jahren vor, und wie wurde dieselbe vershlechtert durch die Ver- \{chlimmerung der RNeichsfinanzen! Wenn wir jeßt in gesichertere Finanzverbältnisse gekommen find, so war das eben nur dadur möglich, daß sehr viele Wünsche nicht befriedigt, sondern zurückgestellt wurden mit Rücksiht auf die Gesammtlage unserer Finanzen. Das wird der Abg. Rickert nicht bestreiten. Daß es mir viel angenehmer wäre, alle Wünsche befriedigen zu können, ift ja selbstverständlich. Ich habe häufig mit innerer Trauer eine Reihe von Ansprüchen zurück- weisen müssen, weil fie sh eben mit unserer gesammten finanziellen Lage nicht vertrugen.

Nun is} hier mehrfach ausgesprohen i glaube, das wird nicht bestritten werden können und ih kann es ja wiederholen, weil bervor- ragende Abgeordnete selbs dies mehrfach ausgesprochen haben daß heutzutage viel weniger, wenigstens als früher, die Landtage Garanten guter Finanzen find, im Gegentheil, daß das fortwährende Drängen auf Steigerung der Ausgaben des Staats ohne die gleihe Geneigt- heit, die erforderlihen Einnahmen zu bewilligen (sehr richtig !), in den leßten Jahren immer größer geworden ist. Da wird die Verant- wortlihkeit des Finanz - Ministers doppelt groß. (Sehr richtig!) Jn meiner Jugend, als ih zuerst in die Parla- mente trat, war die Stellung derselben eine ganz andere, so ähnlich obgleih da auch kein verantwortlihes Ministerium war wie die Stellung, welche das englische Parlament nach der Resolution von 1868 eingenommen bat. Da war die Hauptaufgabe, zu ver- hindern, daß die Ausgaben zu stark wuhsen. Heut ist oft das gerade umgekehrt. Jch hätte nah meiner Gesammtanschauung nichts dagegen ; ih bin der Meinung, daß die Aufgabe des Staats eine viel größere ist, als er sie nah den heutigen Mitteln erfüllen kann. Das ist ja eben der fardinale Gegensaß, in dem ih zum Herrn Abg. Richter stehe. Ich sage: ich hätte nihts dagegen, wenn das Land nur bereit wäre, auch die erforderlihen Einnahmen zu bewilligen (Zuruf: Reichstag!) oder das Reich. (Heiterkeit.) Jch fasse das zusammen. Wenn nun aber das Reich das nicht thut, wenn wir das niht erzwingen können, dann müfsen wir uns eben hier nah der Decke \trecken. (Sehr richtig!) Jch bleibe dabei stehen, was ih am Schluß meiner Etats rede sagte: mehr als je beruht die Kraft des Staats auf gesicherten Finanzen. (Bravo!)

Abg. Friedberg (nl.): Der Anregung des Abg. Bartels stehe ih sehr sympathisch gegenüber; aber die Vermehrung der Stellen der Regierungs-Räthe, um das Aufsteigen der Assessoren zu beschleunigen, ist doch nicht rihtig. Stellen sollen nur geschaffen werden, wo sie nothwendig sind. Wir haben {on viel zu viel Bureaukratie. n Widerspruch steht mit der \{lechten Lage der Regierungs-Assessoren der folossale Andrang derselben zu einzelnen Regierungen. In der Verordnung über die Vorbildung der Regierungs-Assessoren steht die Vorschrift, daß die sih Meldenden nationalwirthschaftlihe Vor- lefungen gehört haben sollen. Sie belegen ein Kolleg, ohne es jemals zu besuchen. Diese indirekte Einführung eines Zwangskollegs ift unberechtigt. Man sollte lieber ein \ Zwischeneramen einführen. Dann würde der Andrang geringer werden. Die Anregungen des Finanz-Ministers möchte ih dahin erweitern, daß Herr Bartels, wenn der Minister seiner Anregung nachkommt, dem Minister nit

seinen Dank ausspricht dafür, daß er etwas auf Kosten der Steuer- zahler gethan hat.

Finanz-Minister Miquel:

Ich würde sehr dankbar sein, wenn bei jeder Mehrbewilligung jeder Abgeordnete das Bewußtsein hätte, daß er das auf Kosten der Steuerzahler thäte. Aber das vermisse ih bisweilen, und das liegt auch einigermaßen in unserer ganzen Finanzkonstruktion. Schließlich denkt wohl Einer: das wird wohl die Eisenbahn noh tragen können; nun kommen aber Andere, die wieder sagen: die Eisenbahnen zahlen dem Staat schon viel zu viel, die Eisenbahnen müssen den Gewerbe«- treibenden, müssen Handel und Verkehr zu gute kommen, und so fommen wir von einem circulus vitiosus in den andern.

Da ich einmal das Wort habe, so möchte ih noch dem Herrn Vorredner erwidern, daß auch die Staatsregierung ih sehr wohl bewußt ist, daß man aufs. neue erwägen muß, ob die Vor- bildung der Verwaltungsbeamten, wie sie si{ch heute auf Grund des

Geseyes vollzieht, in allen Punkten richtig is. Es finden

E

ene minen