1896 / 26 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Aa N N L S R E E S ENLO

A.

hierüber {on seit längerer Zeit Berathungen statt, die aber noch nit zu einem Ergebniß geführt haben. Ich theile persönli die Ansicht des Herrn Vorredners, daß die Verwaltungsbeamten in ausgiebiger Weise staats-, finanz-, volkswirthschaftliche und finanzpolitishe Studien zu treiben haben, und es vielleiht sehr erwünshenswerth wäre, wenn die Vorbereitung auf dieses Gebiet mehr Gewicht legte als bisher. Es wird sich ja finden, was aus dieser sehr shwierigen Frage wird. Die Frage greift sehr tief; und ih kann natürlih niht sagen, wann diese Frage zu einer endgültigen Erledigung kommt; aber die ganze Ten- denz der Staatsregierung geht nah derselben Richtung hin, wie der Herr Vorredner es gewünscht hat.

Meine Herren, ih glaube, daß ih in meinen Aeußerungen über den Antrag des Herrn Abg. Bartels nicht so weit gegangen bin wie der Herr Vorredner. Jh bin persönlih der Meinung, daß es erwünscht wäre aus sahlihen Gründen, keineswegs allein des Avancements der Affsessoren wegen, auch die Stellen der Regierungs-Räthe zu vermehren. Es kann ja nit zweifelhaft sein, wenn Sie die Summe der Gesetze aus den leßten 10 Jahren, welche auf die Arbeiten der Regierung einwirken, sih mal vergegenwärtigen, in welch außerordentlicher Weise sih die Geschäfte der Regierung vermehrt haben. Es kann nicht be- stritten werden, daß wir durch die Gesammtentwickelung unserer Ver- hältnisse genöthigt sind, viel intensiver zu verwalten, als es früher der Fall war. Wir müssen auf vielen Gebieten viel tiefer in die Sachen eindringen, als daß in älterer Zeit nothwendig war, wenigstens als es geschah und das kostet überall Arbeitskräfte.

Nun, meine Herren, bin ih ganz damit einverstanden, daß der außerordentlihen Vermehrung des Beamtenthums ein anderes Streben entgegengeseßt werden müsse in der gesammten preußischen Verwaltung : die möglichste Vereinfahung der Formen und das Sparen an Arbeits- kräften da, wo es irgend möglich ist. Wenn ih daran denke, daß wir seit meiner Arbeitsthätigkeit wenn ih die Zahl recht im Kopfe habe über 45000 Beamte mehr angestellt haben, so muß man sich allerdings sagen, es ist die Pflicht aller Ressorts, darauf Bedacht zu nehmen mit möglich\ wenig Beamtenkräften auszu- kommen. (Zuruf.) Ja, die Eisenbahnverwaltung ist in der genannten Zahl einbegriffen. Man muß daher jedenfalls energish darauf Be- dacht nehmen, alle unnöthigen Verweitläufigungen, Formen, welche zu einer Vergeudung der Arbeitskräfte führen, möglichst abzuschneiden. Wir bemühen uns jeßt in allen Ressorts nah dieser Richtung unter dem Titel: „Verminderung der Schreiberei.“ Die Eisenbahn- verwaltung hat in dieser Beziehung den Vortritt genommen und hat darin das wird bei der Berathung des Eisenbahn-Etats noch näher hervortreten viel geleistet. Wir im Finanz-Ministerium beschäf- tigen uns jeßt im Einvernehmen mit dem Herrn Minister des Innern mit der Frage; und wenn man in einer so greßen Staatsverwaltung auch nur kleine Vereinfachungen eintreten läßt, z. B. die Kurialien beseitigt, so bedeutet das im großen Ganzen oft hon sehr viel. Die Herren können überzeugt sein, daß die Regierung bemüht sein wird, dem Wachsen des Beamtenstands auch auf anderen Gebieten entgegenzuarbeiten, und es können sich daraus auch sehr erhebliche Ersparungen in der ganzen Verwaltung ergeben.

20 Bartels (kons.): Die Vermehrung der Negierungsraths- stellen habe ich angeregt, weil drei Viertel der Dezernate von Hilfsarbeitern wahrgenommen werden. Wenn die Regierung meinen Wünschen nachkommt, so werde ih der Regierung meinen Dank nicht aussprechen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Es kann dem Einzelnen nicht yershränkt werden, seine Wünsche vorzubringen; es ift au niht mögli, daß jemand bei der Darlegung eines folchen Wunsches gleih die allgemeine Finanzlage berücksihtigt und prüft, ob der Wunsch so dringend ist, daß er erfüllt werden muß. Man kann es denn auch der Regierung nicht verdenken, daß sie diesen oder jenen Wunsch nicht erfüllt; fie hat die Auswahl unter .den verschiedenen Wünschen. Die leßte, ent- scheidende Instanz is daher immer der Finanz-Minister, und für die Beschaffung der Mittel liegt die Entscheidung in der Reichsinstanz. n Rickert gehört im Reichstag zu denjenigen, welche keine Mittel üssig machen wollen; er hindert also die Erfüllungen der hier ausgesprohenen Wünsche. Hoffentlih geht er nah Anhörung der Wünsche als ein anderer Mann ins Reichshaus.

Abg. R ickert (fr. Vgg.): Der Erziehungsversuch, den der Vor- redner gemacht hat, wird ein unglückliher werden. Ih bin der Meinung, daß Reich und Staat jeder für sich selber forgen foll. Sie schreien jeßt nach Mitteln vom Reih. Man will hier Aus- gaben ershließen, und das Reich soll die Einnabmen schafen. Die Reichsverfassung hat festgestellt, daß, fofern keine Neichssteuern bestehen, Matrikularbeiträge ausgeschrieben werden. So lange man keine beweglihen Reichsfteuern {hafft, werden wir uns dem wider- seßen, daß die Sache so gemacht wird, wie Sie (rechts) wollen. Vebershüsse vom Reich sollen die Einzelstaaten nicht beziehen, Wenn jeder Steuerzahler die Vermehrung der Ausgaben merkt dur Zu- s{läge, dann is die Verantwortlichkeit für die Abgeordaeten auch vorhanden. Es is merkwürdig, daß gerade die Finanz-Minister fich einer beweglichen Steuer widerseßen, entgegen ihrem eigenen Interesse. Die Grundsäße nah Vereinfahung der Verwaltung hat auch Fürst Bismarck son ausgesprochen, er hat aber mit diesem Nattenkönig von Bureaukratenthum den Kampf nicht siegreih führen können. Ich gratuliere dem Finanz-Minister, wenn er diesen Kampf aufnehmen will. Den Minister des Innern möchte ih bitten, den Herrn Finanz- Minister recht sehr zu unterstüßen; denn es ist sehr vieles zu thun, das zeigt die Schrift des Herrn von Massow, eines streng konferva- tiven Mannes. Wir müssen weniger, aber besser bezahlte Beamte haben. Die Landräthe haben ja mit dem Formenkram {on vielfach anfgram, Möge es dem Finanz-Minister gelingen, bald Erfolge zu erzielen !

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich möchte doch die ersten Aeußerungen des verehrten Herrn Vor- redners nicht ganz unwidersprohen lassen. Es hat sih mehrfach auf meine eigene Mitwirkung als Abgeordneter bei der Finanzordnung be- zogen. Namentlih hat er darauf hingewiesen, das ih mitgewirkt hätte, daß im Reih die Matrikularumlagen nur dann aufgehoben werden sollten, wenn sie durch gleichwerth ige andere Steuern erseßt würden. Meine Herren, wie ist nun die Sache in That und Wahr- heit? Als wir die Verfassung des norddeutschen Bundes beriethen, da war eine große Summe von Ausgaben und Ausgabezweigen auf das Reich übertragen. Aber da im Zollverein, der vorher bestand, die Verbrauchsabgaben gar nicht entwickelt waren und au nicht entwickelt werden konnten, und man also auf bisher erhobene Zölle angewiesen roar, so war klar, daß die Einnahmen des Reichs für die Ausgaben, die dem Reich auferlegt waren, niht ausreihten. Da griff man naturgemäß zu dem provisorishen Auskunftsmittel der Matrikularumlagen. Die Einzelstaaten waren stark entlastet dur die Ausgaben, die sie auf das Reich überwiesen hatten; sie hatten die nöthigen Einnahmen nicht mitgebracht, folzlich mußte das Neich Matrikularumlagen erheben zur Deckung des Restes. Und was war nun meine Rede damals? Ich habe gesagt: eine kläglihere Art von Steuern als Matrikularumlagen

giebt es kaum; denn sie is eine harte und ungerechte Kopfsteuer. Jh erinnere mich noch, daß ich damals das Beispiel gebrauchte: wenn einige Hunderttaufend Einwohner des reihen Hamburg pro Kopf eben- soviel zahlen wie die armen Bewohner des Fürstenthums Waldeck oder irgénd eines anderen Gebirgslandes, so ist das eine Kopfsteuer, die auf die Dauer gar nicht bleiben kann, die man nur provisorisch acceptieren kann, weil es niht anders geht, und die man sobald als möglich dur Steuern erseßt durh Steuern, ih habe nit gesagt durch gleich- werthige, aber das wäre au sehr leiGt gewesen; denn wie gesagt, eine mangelhaftere Art von Steuern, wie die Matrikularumlagen, als Kopfsteuern giebt es kaum. Jy hätte daher leicht gleihwerthige Steuern fiaden können, und diejenigen Steuern, die seitdem bewilligt worden sind, sind mehr als gleihwerthig gegen die Matrikular- umlagen. Nun fagt der Herr Abg. Rickert, mit dem ich mich darüber noch einige Momente unterhalten will, weil ih überzeugt. bin, daß er überzeugt auh seiner Ueberzeugung gemäß stimmt er sagt: ih will beweglihe Steuern, und solange ich sie nit bekomme in Preußen und im Reich, solange kann ich nicht für die Vermehrung von Steuern stimmen. Ja, meine Herren, dann wird er aber auch zugeben : solange dies nicht gelingt, läßt er das Reich und uns in Mangel, und er wird zugeben müssen, daß wir dann niht in der Lage. sind, voll die Bedürfnisse des Staats zu befriedigen. Aber das Ganze stimmt garniht. Denn die Vorlage, die dem Reich zur Reform der Reichsfinanzen vorgelegt“ war, enthielt bewegliche Steuern. Vergleiche § 5 des Gesetzes! Da war ausdrücklih gesagt : es können beweglihe Zuschläge zu den Verbrauhsabgaben vom Reichs- tag beschlossen und demgemäß erhoben werden. Der Einwand stimmt also überhaupt nicht.

Aber, meine Herren, nun komme ih auf seine Lieblingsidee mit der Quotisierung der Steuern in Preußen. Jh habe hon das vorige Mal ausgeführt und der Abg. Rikert hat anscheinend darauf nicht geantwortet: was will eine beweglihe Steuer bedeuten gegenüber den Schwankungen in unserem Etat dur die Betriebsverwaltungen (sehr rihtig! bei den Nationalliberalen) und durch die Uebergriffe des Reichs, dur die Differenzen zwischen Ueberweisungen und Matrikular- umlagen? Können wir denn, Herr Abg. Nickert, von einem Jahr zum andern die Steuern um 509% oder 1909/% erhöhen oder er- niedrigen? Das ist vollkommen unmögli. Daher gerade lade ih den Herrn Abg. Rickert ein, dem Finanzplan, den ih hier entwickelt habe, zu folgen und ihn zu unterstüßen, das heißt diese Schwankungen zu bekämpfen, die Vorbedingungen erst zu einer Quotisierung der Steuern zu schaffen, die heut gar nicht existiert, die Shwankungen dem Reich gegenüber und die Schwankungen in den Betriebsverwaltungen zu beseitigen. Hätten wir das mal erreicht, dann könnte man allerdings daran denken, bis auf eine gewisse Grenze Zuschläge zu den bestehenden Steuern zu beschließen, zu erhöhen, zn vermindern. Ehe das aber nit der Fall ist, ist das alles Theorie und keine Praxis und würde, wenn eingeführt, gar keine Bedeutung haben. Jch möchte daher den ver- ehrten Herrn Abgeordneten bitten, daß er niht auf diesen Einwand hin sih der Vermehrung der Reichseinnahmen widerseßt. Der Herr Abg. Rickert thut immer fo, als wenn wir vom Reich etwas haben wollten, was wir bisher niht bekommen haben, daß wir hier die Aus- gaben beschließen wollen und das Reich die Einnahmen beschließen solle. So liegt aber die Sache gar niht. Auf Grund der großen Ver- mehrung der Reichseinnahmen dur die Gesetzgebung von 1879 ab haben konstant in den leßten Jahren die Einzelstaaten bedeutende Ueberweisungen bekommen, sie haben fie ausdrücklich bekommen, um drüdende Steuern in den Einzelstaaten zu erlassen, Kommunalverbände zu dotieren u. st. w. ; mit anderen Worten, wir haben sie bekommen mit der Ermächtigung seitens des Neichs, wenn ih den Ausdruck gebrauchen tarf um diese Ueberweisungen zu verwenden zu dauernden Ausgaben in den einzelnen Staaten, und wir haben in Preußen davon ausgiebigen Gebrauch gemaht. Das habe ih hier oft entwickelt, ich will darauf nit weiter zurücktkommen. Jeßt haben wir die Ausgabenvermehrung auf Grund der Geseßgebung bes Reichs, und auf einmal entzieht das Reih uns mindestens 60 Millionen, die wir vorher gehabt haben. So ist die Lage! Daß da allerdings die ein- zelnen Staaten sih zu beklagen beginnen, daß ihre Lage sehr bedeutend verschlechtert ist, und ihr Bedauern ausdrücken soweit dürfen sie doch wohl gehen —, daß der Reichstag diesen Verhältnissen zu wenig Rechnung trägt, ist do wohl fehr natürlich.

Meine Herren, im übrigen kann ih ja gar nicht bestreiten, daß eine Reihe von Bedürfnissen in den leßten Jahren niht voll be- friedigt worden is. Wenn Sie aber die Vermehrung der dauernden Ausgaben, die wir felbst in diesen leßten ungünstigen fünf Jahren gehabt haben, mal durhgehen ih werde in der Budgetkommission in dieser Beziehung mal eine genaue Darstellung geben —, so werden Sie finden, daß es fo s{limm mit der Nichtbefriedigung dringender Bedürfnisse doch wirklich nicht is, wie manche es sich vorstellen. Das werden Sie aber immer dem Finanz-Minister lassen müssen: wenn knappe Zeiten sind, kann er allein, meine Herren ih spreche nit von mir, sondern vom Finanz-Minister dann die ausgleichende Gerechtigkeit unter den verschiedenen si herandrängenden Bedürfnissen üben. Jedem Einzelnen scheint sein Wunsch, das Bedürfniß, das ihm nahe liegt, am allerdringendsten; aber jedem Einzelnen erscheint es fo. Nun kommen hundert vershiedene Wünsche an die Finanzverwaltung heran. Wenn die Lage der Finanzen eine gedrükte ist, wird der Finanz- Minister natürlih erwägen müssen: was ist im Staatsinteresse und im allgemeinen Interesse das Allerdringlihste, was ist das weniger Dringliche? und dana wird er verfahren. S{ließlih entscheidet ja hierüber das Staats-Ministerium; aber es wird kaum einem ein- zelnen Abgeordneten möglih fein ih bekenne es wenigstens und habe das auch als Abgeordneter s{hon ausgesprohen —, immer in dieser Beziehung eine Uebersicht über die Gesammtlage zu haben und dann demgemäß dabei auëgleihende Gerechtigkeit zu üben, wie das naturgemäß ein Finanz-Minister können muß und nah den gesammten Materialien, die ihm zur Hand sind, auch wirklich kann. (Bravo! rets.)

Bei den Ausgaben zur Vergütung für Porto- und Ge- bührenbeträge an die Reichspost 6 000 000 A weist

Abg. Graf von Strachwiy (Zentr.) darauf hin, daß von dieser Aversionierung ausgeschlossen sind die Vertreter der Polizei- verwaltung in den Städten und die Amtsvorsteher, trotzdem dieselben vielfach durch die Staatsanwaltschaft und das Statistische Amt zu Berichten u. #. w. aufgefordert werden. Diese Beamten haben nit nur. die Schreibereien zu leisten, sondern die Bezirke, -die ihnen unterstellt sind, müssen auch noch das Porto dafür zahlen. Der

Minister sollte sih mit der Reichs - Postverwaltung in Verbindung segen, um festzustellen, wie groß die Mehrabfindung fein würde, wenn

die bezeihneten Amtsstellen einbezogen werden. Daß die Summe

überhaupt an die Reichspost gezahlt wird, is seltsam, da doh die preußischen Staatseisenbahnen erhebliche unentgeltlide Leistungen für die Def übernehmen müssen.

Minister des Junern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! J wollte nur mit einigen Worten dem Herrn Abg. Grafen Strahwiß auf seine Anregung erwidern: Die Frage, ob die von ihm vorhin genannten Behörden zu \tark seitens der Justizbehörden oder anderer Behörden in Anspru genommen werden, liegt ja auf einem ganz anderen Gebiet und darf hier wohl aus der Erörterung ausscheiden. Jch glaube, daß der von dem Herrn Grafen Strachwiyß hier in Anregung gebrahte Weg, es möchte der Herr Finanz-Minister sich mit der Reihs-Postverwaltung in Verbindung seßen wegen anderweiter Aversionierung, niht gangbar is, und zwar aus dem einfahen Grunde, weil dieser Aversionierung zunächst nur solhe Ausgaben unterliegen, die zweifellos vom Staat zu tragen sind. Hier handelt es sih aber zweifellos nicht um solche Ausgaben, sondern um Ausgaben, die geseßlich den Gemeinden zufallen und zwar als fählihe Kosten der Polizei. Bevor also überhaupt daran gedacht werden kann, dem Antrage des Herrn Abg. Grafen Strahwiz Folge zu geben, würde es einer geseßlihen Aenderung dahin bedürfen, daß diese Kosten niht mehr als sählihe Kosten der Polizei von den Ge- meinden getragen werden.

Abg. von Eynern (nl.): Der Staat zahlt hier der Post 6 Millionen Mark, während die Staatseisenbahnen für die Post eine Aufwendung von 284 Millionen zu machen haben, wofür nur 6 Millionen Mark vergütet werden. Preußen subventioniert also die Post mit einem Betrage von 224 Millionen Mark. Die Post kann deshalb auf günstige Finanzergebnisse stolz sein und prachtvolle Bauten errihten. Wenn eine Auseinandersetzung zwischen der Post und der Eisenbahnverwaltung vorgenommen wird, muß eine Aenderung ein- treten. Wir können die Reichspost nicht dauernd in dieser Weise subventionieren. Die Verpflichtung der Privatbahnen zur unentgelt- lichen Beförderung der Post ist auf die Staatsbahnen in besseren Zeiten übergegangen; aber die Frage muß einer Aenderung entgegen- geführt werden.

Jm übrigen werden die laufenden und einmaligen Aus- ads des Finanz-Ministeriums ohne weitere Debatte ewilligt.

Es folgt der Etat des Ministeriums des Fnnern. Bei den Einnahmen aus den Polizeikosten der Städte bittet Abg. von Eynern (nl.) um Spezialisierung des Titels, damit man erkennen könne, wieviel die Stadt Berlin dazu

beiträgt.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Lindig erklärt, daß der Beitrag Berlins auf 4 392 000 A festgestellt sei; definitiv sei dieser Betrag noch nicht, da die Bewohnerzahl noch nicht festgestellt sei.

Bei den Einnahmen aus den Strafanstalten spricht sih

Abg. von Czarlinski (Pole) gegen die Gefängnißarbeit aus, deren Einschränkung für die Handwerker wichtiger sei, als die Borlage über den unlauteren Wettbewerb; er verweist besonders auf das Ge- fängniß in Bromberg.

Geheimer Regierungs-Rath Kr ohne: Das Bromberger Ge- fängniß steht unter der Verwaltung der Justiz. Für die Gefäng- nisse, welhe dem Ministerium des Innern unterstehen, besteht die Vorschrift, daß möglich viel Gefangene für Staats- und Neichs- behörden beschäftigt werden. Das ist in immer ausgedehnterem Maße der Fall. Außerdem werden die Gefangenen für staatliche und private

J

Meliorationsarbeiten verwendet. Diese Versuhe werden fortgeseßt, und dadurch wird die Konkurrenz der freien gewerblihen Arbeit gegenüber vermindert. Uebrigens besteht die Vorschrift, daß an Orten des Gefängnisses die erzeugten Waaren nicht abgeseßt werden dürfen.

Abg. Dr. Gerlich (fr. konf.) hält diese Vorschriften noh nicht für enügend zur Befeitigung der Konkurrenz der billigen Gefängnißarbeit. Srfreulih ist die landwirthshaftlihe Beschäftigung der Gefangenen. Aber nicht zu billigen ift es, daß die Arbeitszeit der Strafgefangenen

eine kürzere ist, als die der freien Arbeiter in der Landwirthschaft. Geheimer Regierungs-Rath Krobne: Die Arbeit der Ge- fangenen wird wohl auch auf Moorkulturen ausgedehnt werden. Auf unsere Gefängnisse dürfte die Erklärung über die kurze Arbeitszeit sich niht beziehen; denn die Arbeitszeit dauert von 5 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends. Eine noch längere Ausdehnung der Arbeitszeit würde nur mögli sein durch Verdoppelung des Aufsichtspersonals.

Beim ersten Titel der Ausgaben: „Gehalt des Ministers“ ergreift das Wort

Minister des Jnnern Freiherr von der Ne cke:

Wenn ih, meine verehrten Herren, vielleiht den Traditionen in diesem hohen Hause zuwider gleich hier bei dem Ausgabe-Etat meines Ministeriums mir das Wort erbeten habe, so habe ih durchaus nicht die Absicht, hier ershöpfende programmatishe Erklärungen zu geben, sondern ih habe nur den Wunsch, über einige Umstände, die meiner Meinung nah augenblicklih in dem Vordergrunde des Interesses hin- sihtlih meines Ressorts stehen, einige Ausführungen zu machen.

Ih will mich heute angesihts der vorgerückten Zeit auf eine Sache beschränken, von der ih annehme, daß sie besonderes Interesse für Sie, meine Herren, hat, weil sie fas von sämmtlihen Rednern des hohen Hauses in der Generaldiékussion gestreift worden ist. Es ist dies die Frage der Wahlreform. Jh möchte mir erlauben, mit wenigen Strichen Ihnen hier zu skizzieren, wie meiner Meinung nah augenblicklich die Sache steht. Dabei bin ich mir bewußt, daß die- jenigen Herren, welche meinen, diese hohwichtige chwierige Sache in einer Art von Galopptempo lösen zu wollen, niht mit sehr großer Freude meine Ausführungen begrüßen werden. Der Ausgangs- und Angelpunkt in dieser Frage ist für die Königlihe Staateregierung die Erklärung des Herrn Minister-Präsidenten Grafen zu Eulenburg in der Sißung vom 5. März 1894. Jch will dieselbe hier niht in oxtenso wiedergeben, vielmehr mir nur erlauben, die Hauptpunkte daraus hervorzuheben, weil dadurch meine späteren Ausführungen am leichtesten verständlich sein werden.

Der Herr Minister-Präsident Graf zu Eulenburg erklärte damals, daß die Herstellung einer Statistik für die Wahlen zum Abgeordneten- hause und für die Gemeindewahlen bereits in Angriff genommen worden fei und daß das fertiggestellte Material bald dem Abgeord- netenhause vorgélegt werden würde; daß ferner hinsihtlich der Frage der Wahlreform die Regierung es als ihre Auf- gabe ansehe, die Verhältnisse, wie sie sich nach der Wahlgeseßznovelle von 18933 gestaltet Haben, sorgfältig zu beobahten und zu prüfen und damit die Grundlage zu gewinnen, ob in näherer oder fernerer Zeit die Nothwendigkeit vorliegt, weiter die bessernde Hand da anzulegen, wo es nothwendig ist; endli daß es sih noch nit übersehen lasse, ob sich {hon im Jahre 1895 oder 1896 ein abschließendes Urtheil über die Ergebnisse der Statistik und über die darauf zu gründende etwaige weitere Abänderung des Wahl- geseßes gewinnen lassen werde.

Nun, me'ne Herren, dieses selbe non liquet, welches der da- maligen Erklärung zu Grunde lag, is meines Erachtens au jeßt noch* vorhanden. Wenn ih zuerst mir erlauben darf, auf die Wahlen zum Abgeordnetenhause zu kommen, so ist es ja richtig, daß sich die

lezten Wahlen vollzozen haben unter der Geltung der neuen Wahlgeseßnovelle. Es i Ihnen darüber im vorigen Jahre cine sehr umfangreihe Statistik vorgelegt worden, und diese Statistik hat das nit ergeben, was man erwartete, daß eine erhebliche Verschiebung zu Ungunsten der dritten Klasse eintreten würde. Im Gegentheil, es hat si herausgestellt, daß bei den Wahlen im Zahre 1893 die Ausficht, in eine der beiden ersten Klassen zu ge- langen, größer gewesen ist, als z. B. bei den Wahlen im Jahre 1888. Wollte man daher feine Entschließung lediglih nah diesem Material treffen, fo könnte die Entscheidung nur dahin ausfallen, daß man es beim Alten ließe. Es ist nun aber in Betracht zu ziehen, daß bei diesen Abgeordnetenhauêwahlen und infolgedessen auch bei der Ihnen vor- gelegten Statistik die ganze Reform der Steuergeseßgebung, die in ihrem wesentlihen Theil erst vom 1. April 1895 in Kraft getreten ist, überhaupt niht berücksihtigt sein konnte. Es haben ja allecdings nah Inkrafttretung dieses wesentlihen Theils der Reformgesetzgebung, insbesondere also auch des Ergänzungösteuergesezes und der Ueber- weisung der Realsteuer, einige Nahwahlen zum Abgeordnetenhause stattgefunden; diefe Nahwahlen aber irgendwie zum Ausgangs- punkt zu machen für die Beurtheilung, ob es erforderlich sei, an das Wahlrecht für die Landtagswahlen die bessernde Hand zu legen, halte ich für gänzlih unzulässig. Ebensowenig is meines Er- ahtens ein Rücks{hluß gestattet von den Gemeindewahlen auf die Wahlen zum Abgeordnetenhause, weil dieselben von vollständig ver- shiedenen Vorausseßungen ausgehen. Ih will das hier niht näher ausführen ; es ist dies in sehr erschöpfender Weise in der Ihnen vor- gelegten Statistik erfolgt, auf die ih zu verweisen mir erlaube. Es finden übrigens au jeßt nah der Richtung hin wieder statiflishe Er- hebungen statt, die wie ih hoffe vielleiht im Laufe dieses Jahres zum Abschluß gelangen werden.

Wenn ich nun zu den Wahlen in den Gemeinden komme, fo teht die Sache allerdings dort etwas anders. Es haben si hierbei laut der Ihnen, meine Herren, im Jahre 1895 vorgelegten Statistik Resultate ergeben, die, wenn man nur die damaligen Verhältnisse in Betracht zieht, allerdings zu der Meinung führen könuten, es sei hier jeßt eine Aenderung nothwendig. Aber auch bezüglih der Gemeinde- wahlen trifft das vollständig zu, was ich vorhin bezügli der Land- tagswahlen auseinanderzuseßen mir gestattet habe, daß nämli die eigentlihe Wirkung der Reformsteuergeseggebung auch bei diesen durhaus noch niht zu übersehen is. Es haben allerdings in der Zeit vom 1. April 1895, also dem Stichpunkte des Jnkraft- treiens der Neformsteuergeseßgebung, ‘eine ganze Reihe Ergänzungs- wahlen stattgefunden, bei denen also das Ergebniß der Reformsteuer- Geseßgebung schon zum Ausdruck gekommen ist. Es ist au {on hinsihtlih einer Anzahl größerer Städte eine Statistik ih weiß nicht, ob sie den verehrten Herren zugänglich geworden ist in der „Statistishen Korrespondenz" veröffentlicht worden ; diese Wahlen zeigen eine so große Unregelmäßigkeit der Verhältnisse, daß man darauf irgendwelhe siheren Schlüsse niht gründen kann. Es find die erforderlihen Anordnungen getroffen, um vollständiges Material zu erhalten, und ih hoffe, daß es bis zu Ende dieses Jahres möglih sein wird, die Statistik fertig zu stellen.

Meine Herren, ih bitte nun, aus meinen Worten nicht ent- nehmen zu wollen, daß es etwa die Absicht der Königlichen Staats- regierung sei, die Sache hinzuziehen. Jm Gegentheil, fie ist voll- ständig bereit, das damals gegebene Versprechen zu erfüllen und so \chnell wie möglih sich das Material zu vershaffen, welch{es nach ihrer Meinung nöthig ist, um diese hohwichtige Frage zur Lösung zu bringen. Ich bitte Sie daher ferner, meine Herren, die Staats- regierung nicht zu drängen. Denn es ift für dieselbe völlig unmöglich, in ciner derartigen wichtigen Frage einen Sprung ins Dunkle zu thun. Wenn sie wirklih geeignetenfalls die bessernde Hand an das Wahlrecht legen will, so kann sie das nur wenn sie das Gegentheil thäte, würde fie pflihtwidrig handeln auf Grund vollständig sicheren Materials. (Bravo!) °

Abg. von Czarlinski beklagt, daß die Polen noch immer Gegenstand ciner befonderen Aufmerksamkeit der Polizei seien, daß sie aus Deutschland ausgewiefen würden. Darüber klagen nicht bloß die Polen, fondern auch andere Leute, die an die ÎInferiorität der polnischen Rasse nicht glauben. Redner führt mehrere Fälle von Aus- weisungen an, in denen Leute betroffen seien, die seit ibrer Iugend in Deutschland gewesen seien, und bemängelt die Handhabung des Vereins- und Versammlungsrehts, die namentlih gegen die polnischen Volks- vereine geübt werde. Die Kreiéblätter bringen noch immer politische Artikel urd au perfönlihe Angriffe. Zuleßt noch einige Worte segen, den Abg. Sattler. Die Angriffe gegen uns sind ein Ausfluß des

ernihtungésystems; wenn es nah Ihnen (zu den Nationalliberalen) ginge, dann müßten wir {on Donnerstag vershwinden. Herr Sattler bestritt, daß gegen die Polen zum Kampfe gerufen worden. Das sei geschehen zu Varzin, wo nicht bloß gepfiffen, fondern auch geblasen wurde zum Kampf gegen die Polen, gerade als der Kaiser zur Einigkeit mahnte in dem Kampf gegen den Umsturz. Aber wir denken, Unrecht leiden ist besser als Unrecht thun.

Abg. Reichard (nl.): Wenn die Regierung auch kontrolieren muß, ob die auêgewiesenen polnishen Arbeiter das Land verlassen, so kann do nicht gestattet werden, daß die Zählkarten bei der Volks- dählung zu dieser Kontrole benußt werden; denn deren Snhalt sollte ja nur von dem Statistishen Amt benußt werden. Hält der Minister eine solhe Benußung des Zählungsmaterials für zutreffend ?

Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz: Die Maß- regel hat feinen polizeilihen, sondern einen statistishen Zweck; es sollte festgestellt werden, ob fremde Arbeiter zurückgeblieben sind; es sollte nur eine allgemeine Uebersiht gewonnen werden. Es hat sich berausgestellt, daß sih die Annahme, daß eine übergroße Zahl fremder Arbeiter polnischer Nationalität vorhanden sei, niht bestätigt. Jn Posen sind 1760, ‘in Schlesien 3284, in Pommern 293, in Sles- wig-Holstein 212 und in Westfalen 197 solcher fremder Arbeiter ge- ¿ählt worden.

Abg. Seyffardt- Magdeburg (nl.) bedauert das Scheitern der Vorlage über die Verpflegungsstationen und richtet an den Minister des Innern die Bitte, dem Gegenstand erneut seine Aufmerksamkeit öUzuwenden; vielleiht gelinge es ihm, jeßt den Finanz-Minister zu élnem Zugeständniß zu bewegen oder wenigstens eine provinzielle

ereinbarung zu stande zu bringen.

Minister des Jnnern Freiherr von der Necke:

Meine Herren! Jch bin dem Herrn Abg. Seyffardt sehr dankbar, daß er mir durch seine Anfrage Gelegenheit gegeben hat, mich über die wihhtige Frage der Verpflegungsstationen hier mit einigen Worten zu äußern. Jch stehe dieser Sache sehr sympathisch gegenüber, weil ih in meiner längeren Verwaltungsthätigkeit die Erfahrung gemacht habe, daß diese Stationen fast durhgängig sehr wohlthätig gewirkt haben, Und obwohl ih garnicht verkenne, daß man dur die gesetz- lihe Bestimmung, deren Sanktionierung man im vorigen Jahre von dem hohen Hause wünschte, den Kreisen und auch den Provinzen recht erhebliche Opfer auferlegte, die für die Kreise deswegen sehr empfindlich waren, weil ihnen ziemli gleichzeitig sehr erhebliche Einnahmequellen

genommen wurden, so habe ich das Scheitern dieses Geseßes doch sehr bedauert. Jch habe mir nun in diesem Jahre die Frage vorgelegt, ob es etwa angezeigt ersheine, diesen Geseßentwurf von neuem vor das hohe Haus zu bringen, habe aber davon Abstand nehmen zu follen geglaubt nach Rücksprache mit Persönlichkeiten, die mit der Sache sehr vertraut find, weil ih glaubte, daß man der Sache mehr schaden wie nügen würde. Die Erwägungen, nach welcher Richtung man nun in dieser Angelegenheit vorgehen \oll, sind noch niht zum Abschluß gelangt; ih vertraue aber, daß die Kreise, welche biéher {hon fo viele Opfer für diese Sache gebraht haben, sih dadurch, daß die Angelegenheit noch etwas länger in der S{webe bleiben wird, nicht veranlaßt sehen werden, ihre rettende Hand zurüd- zuziehen, und ih versprehe dem Herrn Abg. Seyffardt, was an mir liegt, die Sache möglichst zu fördern. (Bravo!) i ;

Abg. von Tiedemann- Bomst (fr. kons.): Wir sind mit dem Minister vollständig einverstanden bezüglich des Wahlrechts; wir sind auch der Meinung, daß noch weitere Erfahrungen gemacht werden müssen. Die Selbstverwaltungsämter und auch die Landräthe leiden durh die Uebershwemmung mit schriftlichen Arbeiten, fodaß sie dem persönlichen Verkehr sich gar niht widmen können. Die Amtösvorsteher und die Bürgermeister sollen Statistik führen über alle möglichen Wahlen, Steuern u. |. w.; sie werden von der Staatsanwaltschaft übermäßig in Anspruch genommen. Man sollte die Statistik in den Bureaux der Regierung machen und die Arbeiten einschränken, sonst muß man besondere Beamten anstellen. Denn niemand will unter diesen Verhältnissen länger als die vorgeschriebene Zeit Ortsvorsteher sein. Wir müssen darauf stets zurückommen , bis die Regierung Wandel geschaffen hat.

Minister des Jnnern Freiherr von der Rede:

Meine Herren! Jch erkenne mit dem Herrn Abg. von Tiede- mann vollständig an, daß die Zahl der Geschäfte fast bei allen Be- hörden exorm zugenommen hat, und ih beklage es mit ihm, daß dadur namentlich die Herren Amtsvorsteher und Landräthe überaus in Anspruh genommen werden. Sie werden häufig hierdurch ver- hindert, ihren Dienst in einer Weise wahrzunehmen, die gerade die Thätigkeit dieser Beamten zu einer so segensreichen gemacht hat. Ich gebe auch zu, daß ein gewisser Prozentsatz dieser Mehrarbeiten vielleicht auf Schreibarbeit fällt, die man als unnöthig oder über- flüssig bezeihnen könnte. Darin stimme ih aber mit dem Herrn Abg. von Tiedemann niht überein, daß dieser Prozent- faß der weitaus größte sei; ih bin vielmehr der Meinung, daß die Zunahme dieser Arbeit zum theil auf ganz andere Verhältnisse zurück- zuführen ist, z. B. auf die Zunahme der Bevölkerung, die veränderten Verkehrsverhältnisse, auf die rasch arbeitende Gesetzgebung, auf das lebhafter pulsierende Leben, kurzum, ih möchte diesen Prozentsaß doch bezeichnen als den einer legitimen Vermehrung, und ih glaube, daß, so fehr ih es au bedaure, wenn die Selbstverwaltungsbeamten und auch die Herren Landräthe und fonstigen Behörden dadurch fehr in Anspru genommen werden, eben nihts Anderes übrig bleibt, als vorläufig noh die Zahl der Beamtenstellen dort zu vermehren.

Dagegen bin ih sehr gern bereit, etwaige Zöpfe, die hinsihtlih der Vermehrung des unnöthigen Schreibwerks etwa abzuschneiden find, abzuschneiden, und ih erlaube mir auch, hinsihtlich der Verminderung des Schreibwerks und der Maßregeln, die geplant werden, auf die Erklärung des Herrn Finanz - Ministers Bezug zu nehmen, die er vorhin die Gewogenheit gehabt hat, hier abzugeben.

Abg. Riert (fr. Vg.): Wir sollten dem Minister speziell

belegtes Material vorlegen, um zu zeigen, zu welhen Lächerlich- keiten das Schreibwerk führt. Es wird \chließlich kein anderes Mèittel geben als eine Verminderung der Instanzen, die Beseitigung der Bezirksregierung. Die Erklärung des Ministers über das Wahl- recht bat mi nicht angenehm berührt, fie ist nit so aussihtsvoll. Die Statistik der Ausländer bei der Volkszählung hat allgemein unan- genehm berührt; ih darf wohl annehmen, daß eine generelle Ver- fügung vom Minister niht erlassen is. Nachdem man si selbst überzeugt hat, daß keine Gefahr vorhanden ist. . .. (Zuruf des Abg. von Eynern: Westfalen !) Westfalen, 197 fremde Polen, haben Sie davor schon Angst (Heiterkeit) follte man aufhören mit den Aus- weisungen, bei denen man mit großer Härte verfahren is. Ein Arzt erhielt die Zusicherung, daß er, wenn er aus dem russischen Unter- thanenverband ausgeschieden sei, zur Niederlassung zugelassen werden folle Es blieb aber s{ließlich bei der Ausweisung. Das Vereins- ret wird ja wohl der Minister prüfen und feste Stellung dazu nehmen ; denn die unteren Behörden verfahren dabei ganz seltsam. Ist doch eine philofophishe Gefellshaft in Hannover troß des Widerspruchs des Ober-Präsidenten unter Polizeiaufsiht gestellt worden ! Schließlich kommt ja jede Vereinigung, auch die Volksbildungsvereine, unter die Polizei. Der Minister sollte fih hierin der Zustimmung des Staats- Ministeriums sichern, um diese Frage einheitli zu regeln. Die Kreis- blätter find aus öffentlihen Mitteln erhalten; sie sollten keine Politik treiben. Redner verweist auf das Ohlauer Kreisblatt, welches die agrarishe Rede des Grafen Strachwiy abgedruckt hat, und auf das Kreisblatt für Karthaus, welches die Versammlungen des Bundes der Landwirthe ankündigt im redaktionellen Theil, aber die Anzeigen [liberaler Versammlungen als politis ablehnte. Der Minister nimmt sich hoffentlich dieser Angelegenheit einmal an.

Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz: Dem be- treffenden, vom Vorredner angeführten Arzte is die Zusage der Naturalisation gemacht worden; er beantragte dieselbe in einem Alter, wo er zum aktiven Militärdienst nicht mehr herangezogen werden konnte; seinem Antrage wurde nicht entsprochen, weil seine Wohngemeinde dagegen Widerspruch erhob.

Abg. Irmer (d. konf.) spricht seine Befriedigung über die Stellung- nahme des Ministers zu dem Wahlrecht aus und erklärt, daß die Konservativen die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in den Einzelstaaten niht wollen. Die Mängel des Wahlrechts sind nicht so groß, daß man zu Aenderungen kommen müßte bezüglich der Land- tagswahlen, wohl aber müßte für die Kommunalwahlen eine Aende- rung eintreten. Denn wenn eine Gemeinde in der ersten Abtheilung beherrscht wird von Angehörigen derselben Firma oder den Trägern desfelben ominösen Namens, dann ist das nicht rihtig. Für die Ge- meinden follte man den Interessenverbänden das Wahlrecht geben, oder von Staatswegaen nur den allgemeinen Rahmen festseßen und das Wahlrecht durch Ortsstatut regeln lassen. Dann kann man für Berlin verhindern, daß die Großkapitalisten die beiden oberen Klassen beherrshen. Jedenfalls follte man bei den Gemeindewahlen die Fehler baldigst beseitigen, um das Wahlrecht an si zu erhalten.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Ich habe geglaubt vorhin {hon deutli zum Aus- druck gebracht zu haben, daß es durhaus nicht die Absicht der König- lihen Staatsregierung sei, die Sache hinzuzögern, wenigstens nicht länger hinzuzögern, als dur die Natur der Angelegenheit bedingt sei- Ich möchte das ausdrücklih hier nohmals feststellen. Wenn mir der Herr Abg. Dr. Irmer eben entgegnet hat, hinsihtlih des Gemeinde- wahlrechts träfen meine Ausführungen nicht ganz zu, so möchte ih doch demgegenüber erwidern, daß erst mit dem 1. April 1895 eine vollständige Neuregelung der Haushaltspläne der Gemeinden eingetreten ist. Erst von diesem Zeitpunkt ab fand die Ueberweisung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer an die Ge- meinden statt; erst von diesem Zeitpunkt datiert die theilweise voll- ständige Verschiebung in den Einkommensteuern und Realsteuern, und

der Beginn der Ermittelung der Einnahmen aus Gebühren, Bei- trägen und indirekten Gemeindeabgaben. Ich glaube, der Herr Abg. Dr. Irmer wird mir daher dârin Necht geben, daß diejenige Statistik, die sih nur auf die Zeit bis vor dem 1. April 1895 bezieht, auch für die Gemeindewesen, keineswegs sichere Ergebnisse aufzeigen kann. Was s\{chließlich die Ausführungen des Herrn Abg. Rickert angeht, ist es niht meine Absicht, heute in so vorgerückter Stunde mich noch über die Handhabung des Vereinsrechts und die sonstigen von dem Abg. Rickert hier gestreiften Punkte auszusprehen. Ich denke, dazu wird ih noch einmal eine andere Gelegenheit finden. Sollte die Angelegenheit mit den Kreisblättern hier nochmals wieder zur Sprache kommen, so würde es mir sehr erwünscht sein, zuvor zu wissen, um welche Art von Kreisblättern es \ich handelt: ob um Kreisblätter, die lediglich Veranstaltungen des Kreises sind, die also nur einen amtlihen Theil haben, oder etwa um Kreispublikations- organe, bei denen genau zu scheiden ist zwishen amtlihem und niht- amtlihem Theil.

Abg. von Tiedemann bittet den Minister, Ernst zu machen mit der Beseitigung des Schreibwerks.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Wenn meine Erklärung wirklich nur die Deutung zuläßt, die ihr der Herr Abg. von Tiedemann giebt, so müßte sie zu meinem Be- dauern ziemli undeutlih gewesen sein. Ich habe die allerbeste Ab- sicht, in der Angelegenheit, die der Herr von Tiedemann hier vorzu- bringen die Gewogenheit gehabt hat, Wandel zu hafen. Ih muß nur gestehen und kann ih dies nur wiederholen, daß meiner Auffassung nah die Sache große Schwierigkeiten in sih trägt, und ich würde dem Herrn Abg. von Tiedemann sehr dankbar sein, wenn er mir Mittel und Wege angeben wollte, wie man am besten dem Uebelstand der Vielschreiberei abhelfen könnte.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ih möchte, an die Bemerkung meines verehrten Herrn Kollegen anknüpfend, noch mal wieder auf den Gedanken des Herrn Abg. Rickert zurückkommen. Die Herren können überzeugt sein, wir verfolgen genau denselben Zweck, wie das Haus, jede unnüte Arbeit zu vermeiden, das Schreibwerk zu beschränken auf allen Ge- bieten, finden aber auch unsererseits, daß das eine {were Aufgabe ift, aus vielen Gründen. Wenn nun Herr Abg. Rickert den Vorschlag gemacht hat, daß diejenigen Herren, die über das Zuviel der Schreiberei und die Belästigungen namentlih der unteren Organe ih beschweren, bestimmte konkrete Thatsachen und Vorschläge machen sollten, so werden wir so gewiß allmähliÞch am weitesten kommen. Ich wenigstens würde alle derartigen bestimmten Vorschläge, die aus dem Hause uns zugehen, mit dem größten Danke begrüßen.

Ich bin auch der Meinung, sehr vieles liegt das spreche ich geradezu aus an den Gewohnheiten der Behörden. Naturgemäß will jede Behörde vollständige Akten haben. Dies Streben der Behörden, alle Aktenstücke in Konzept und in Reinschrift anzufertigen, ist {hon etwas bedenklich und in vieler Beziehung unnöthig. Es giebt eine Masse von Verfügungen, die sch nur auf einen speziellen Fall beziehen, eine generelle Bedeutung gar nit haben; da wäre es allerdings, glaube ich, in vielen Fällen möglich, wenn unsere Behörden \sih gewöhnten, mehr brevi manu- Verfügungen zu erlassen. Das führt allerdings dazu, daß ein Bericht niht abgeschrieben wird, daß die betreffenden Dezernenten die Ver- fügungen selbst shreiben müssen, und daß niht die Akten überall so vollständig bei zwei oder drei Behörden liegen, daß also wohl Un- bequemlichkeiten in dem einzelnen Fall entstehen. Aber im großen Ganzen wird man so in sehr vielen Fällen sehr viel Arbeit und Schreiberei ersparen können.

Meine Herren, damit hängt zusammen die Neigung, die wir in unseren Behörden haben, daß wir alles viel zu sorgfältig, auch wenn es niht nöthig ist, journalisieren, sodaß eine doppelte Arbeit beim Journal und der Registratur eintreten muß. Das gilt z. B. bis auf den heutigen Tag noh in den Abtheilungen des Königlihen Finanz- Ministeriums, dessen Vorsißender ih zu sein die Ehre habe. (Heiter- keit.) Wenn jede Behörde sich fragt: in welchen Fällen ist das Zurück- schreiten zum Bericht wirklich nothwendig; wenn nidt mehr oder weniger in manchen Behörden eine naturgemäße Gewohnheit besteht, vorerst mal berichten zu lassen, sondern wenn man si genau fragt: was kann denn die untergeordnete Behörde eigentlich berichten, kannst du das nicht {hon selber wissen (Heiterkeit), dann würde schon damit sehr viel erspart werden- Mit anderen Worten: wenn jeder Chef einer Behörde, vom Amts- vorsteher ab, Landrath, Regierungs: Präsident, Provinzial-Steuer-Direktor u. \. w. stets darauf bedacht ist, die Schreiberei zu mindern, so wird dadur schon sehr viel erzielt werden.

Aber Sie werden auf der anderen Seite es niht so sehr übel nehmen dürfen, daß man hier si allmählich in dieser großen bureau- kratishen Maschine in feste Gewohnheiten \teuert, und werden be- greifen, daß sehr viel dazu gehört, solhe Gewohnheiten zu bekämpfen. Unsere Betriebsverwaltungen, beispielsweise die Inspektoren in den Eisenbahnverwaltungen nah den neuen Organisationen, haben das System des Abklatschens der Aktenstücke genau wie bei den Kaufleuten eingeführt, und die Personalakten existieren dort nicht mehr, sondern jeder Beamte hat nur einen einzigen Bogen, der seine ganzen Personalien enthält, und diese Bogen sind alle in einem Buch vereinigt. Wenn Sie in eine solche Registratur kommen, fo ift die Registratur im wesentl ihen ein chronologisch geordnetes Kopier- buch. Jch glaube, daß namentli bei unseren Betriebsverwaltungen darin mehr geschehen könnte. Noch ein großes Hinderniß ist da, und ih glaube, ih bin selbst von meiner Thätigkeit als Abgeordneter etwas mit s{uld, daß diese Zustände vorhanden sind. Das ift nämlich das Gesey über die Ober-Rehnungskammer. Ich muß vollkommen anerkennen, daß der Herr Präsident der Ober- Rechnungskammer geneigt is, überall dur ¿weckmäßige Ver- einfahungen und Erleichterungen in Beziehung auf die Rechnungslegung und die Belege entgegenzukommen, und es ist namentlih gegenüber der Eisenbahnverwaltung in dieser Be- ziehung {hon unendlih viel nah meiner Meinung zum Segen auch einer wirklih bedeutenden und das Sahliche ergreifenden Revision seitens der Ober-Rechnungskammer abgeändert worden, niht minder au zum Segen der Vereinfahung der Verwaltung unt Ersparung bedeutender Kosten. Was durch das neue Abkommen zwischen der Ober-Rechnungskammer und der Eisenbahnverwaltung erspart ift, das kann man vielleicht nah Millionen berechnen. Nun sind wir jetzt bemüht, auch auf anderen Gebieten das Verhältniß der Ober-