1914 / 232 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Oct 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Großbritannien und JFrland.

Eine in der „London Gazette“ veröffentlihte Pro- flamation verbietet den Bewohnern der britischen Kolonien die Einfuhr und den Handel mit rohem und raffiniertem Quer, der in Feindesland hergestellt ist, sowie mit raffinierten

zeugnissen aus Rohzucker gleichen Ursprungs.

Die Staatseinkünfte der leßten drei Monate be- trugen, wie „W. T. B.“ meldet, 35 681 283 Pfd. Sterl., das bedeutet eine Verminderung um 6 750516 Pfd. Sterl. gegen den gleihen Zeitraum im Jahre 1913. Die Einkünfte der leßten neun Monate weisen nur eine Verminderung um 2730 731 Pfd. Sterl. auf.

Frankreich.

Ein Dekret untersagt einer Meldung des Wi Ti Bigus folge die Ausfuhr von Zuckerrüben.

Das Nationalamt für Auswärtigen Handel beginnt, wie der „Temps“ meldet, die Veröffentlihung der Er- gebnisse einer Untersuchung, die es in der ganzen Welt durchgeführt hat, um den französishen Handel darüber auf- zuklären, wie er den deutschen und österreihischen Er- zeugnissen wirksame Konkurrenz machen könne. Die bereits erschienenen Veröffentlihungen betreffen Aegypten, Jtalien und einen Teil Spaniens und Englands.

Der Generalrat des Departements Bouches-du-Rhône hatte in einem Schreiben die Regierung aufgefordert, den Rechts\hugz deutscher Patente und Fabrik- marken in Frankreich aufzuheben. Eine Anzahl Jndu- strieller Südostfrankreihs richtete daraufhin eine Mit- teilung an den „Temps“, in der erklärt wird, daß- ein derartiger Beschluß der Regierung zu ähnlihen Maß- nahmen seitens der deutschen Regierung französishen Patenten gegenüber führen könne. Dies habe große Bedeutung, da die von Deutschen und Oesterreichern in Frankreih erworbenen Patente nur den Wert besäßen, den Zeitpunkt der Einreichung festzustellen, und die Patente zumeist nicht aus- genügt würden. Die von Franzosen in Deutschland und Oesterreich erworbenen Patente besäßen hingegen großen Wert und würden von den Jndustriellen ausgenüßt, die durch den Berfall der Patente in Deutschland und Oesterreih in kurzer Beit zu Grunde gerichtet werden könnten. Eine Aenderung in der Patentshußgesezgebung müsse deshalb zuvor von fach- männischer Seite reiflihst erwogen werden.

Dänemark.

Die „Nationaltidende“ veröffentlicht, wie „W. T. B.“ meldet, folgende Aeußerungen des Staatssekretärs des deutschen Auswärtigen Amtes, Staatsministers von Jagow, die eine Antwort auf ein jüngst veröffentlihtes Jnterview mit dem englischen Unterstaatssekretär A cland darstellen:

Der Unterstaatssekretär Acland behauptet, das Eingreifen Eng- lands in den Krieg sei tarauf zurückzuführen, daß Deutschland die Neutralität Belgiens verleßt habe. Ich kann nicht annehmen, daß diesem bohen Beamten des Foreign Office- unbekannt setn follte, daß Sic E. Grey in seiner Rede im englischen Unterhaus arm 3. August érflärt bat, er babe dem französishen Botschafter bereits am Nach- mittag des vorhergehenden Tages, also am 2. August, die vollste Unterstützung der englis{ch-n Flotte für den Fall zu- gesichert, daß die deutsde Flotie gegen die französische Küste oder die französische Schiffahrt vorgehe Erst in der Nacht vom 3. auf den 4. August aber erfolgte die Verlegung der belgischen Neutralität dur deutshe Truppen. Ebensowenig kann der Unterstaatssekretär ver- gessen haben, daß Sir E. Grey tn seiner Unterredung mit dem Fürsten Lichnowsky am 1. August es ausdrücklich abgelehnt hat, Deutschland die Neutralität Englands für den Fall zuzusichern, daß Deutschland die Neutralität Belgiens respektiere. Cs handelt sich daher um einen, nicht einmal besonders geschickt erneuten Versuch, die Welt über die Motive irrezuführen, die der englischen Be- teiligung am Krtege zugrunde liegen. Ste beitehen nicht in einer altruistishen Fürsorge für die Unabhängigkeit und Integrität Belgiens. Diese war nicht bedroht. Wir hatten sie England ausdrüdlich zugesichert. Aber es is begreiflich, daß ein Land, das seine Kolonialherrshaft auf dea Trümmern anderer Staaten aufgebaut hat, ein Land, das \sch wie in jüngster Zeit noch in Aegypten so oft über gegebene Versprehen und inter- nationale Verträge hinweggeseßzt hat, dieser Zusicherung nicht traute. Ein deutsches Sprichwort sagt: Man vermutet niemand binter einem Busch, binter dem man nit selbst ges: ssen hat. So tauchte in der Phantasie der englishen Staat-männer das Schreckgespen11 einer Be- seßung Antwerpens dur deutsche Trvppen auf und, wie Sir E Grey rankrei die enalishe Hilfe hon für den Fall einer Bedrohung von Calats und Cherbourg durch die deutsche Flotte zugesichert hatte, so veranlaßte \{ließlich die Besorgnis, ein Teil der Südküite des Kanals könne den schwachen Händen Belgiens entrissen und zu etner Operationsbasis für die deutsche Flotte werden, England, nicht nur sich selbst am Kriege zu beteiligen, sondern auch zu dem furhtbaren Ver- brechen, ‘das bedauern8werte Belgien zum Widerstand gegen den deutschen Einmarsch zu ermutigen. Die Haltung Englands is} somit lediglich dur den rüdsihtslojen englishen Gigennuy bestimmt worden, der übeihäaupt für den ganzen furchtbaren Krieg verantwortli ist. Wenn heute auf den Schlaltfeldern des Festlandes die Söhne Deulshlands, Oesterreichs, Frankreichs und Rußlands für das Vat!er- sand verbluten müssen, so trifft die moralishe Verantwortung dafür mit in erster Linie die englische Politik, die unter der Formel der Er- haltung des europäishen Gleihgewichts andauernd die chauvinistishen Strömungen in Frankreih und Rußland gegen Deutschland ermutigte und damit einen Zustand der Spannung auf dem Kontinent hervorrief, der ch im gegenwärtigen Krieg entladen hat. Von jeher ist es die englishe Politik gewesen, die Völker des Kontinen1s gegen- einanter aufzureizen, um selbst ungestört vie Welt beherrschen zu können.

Schweden.

Die Wahlen zur Zweiten Kammer sind gestern be- endet worden. Wie „W. T. B.“ meldet, wurden 97 Sozia- listen, 86 Mitglieder der Verteidigungspartei, 57 Liberale ge- wählt. Die Sozialisten werden also zum ersten Male die stärkste Partei in der neuen Kammer sein, in der fich bis jeßt 73 Sozialisten, 86 Mitglieder der Verteidigungspartei und 71 Liberale befanden.

Türkei.

Dex Finanzminister hat an die Behörden des ed ein Rundschreiben gerichtet mit genauen Weisungen bezüglich der Gewerbesteuer der Ausländer, die gestern in Kraft treten sollte. Jn dem Rundschreiben werden auch Ratschläge über die Ausländern gegenüber zu beobachtende Haltung erteilt. Es heißt darin, man dürfe nicht vergessen, daß die Handel und Gewerbe treibenden Ausländer zur wirtschaftlichen Entwicklung der Lürkei im großen Maße beitragen, jodaß man Ausländern Vertrauen zu den Gesezen des Landes einflößen müsse.

Griechenland.

In der Deputiertenkammer warf der Ministerpräsident Venizel os gestern einen Rückblick auf dieEreignisse seit der Unter- brechung der Arbeiten der Kammer, wie das griechisch-türkische Ab- fommen über die Ansiedlung der Flüchtlinge und den Austausch ihres Eigentums sowie den niht zustande gekommenen Plan einer Zusammenkunft in Brüssel, die eine Verständigung in der Jnselfrage bezweckte.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ versicherte Venizelos bezüglich der Inseln, daß die Negierung die Frage als vom internationalen Stanztpunkt endgültig geregelt betrahie nicht- nur dur die Verträge von London und Athen, sondern auch durch den Schtedsspruch der (Großmächte, der auf den erwähnten WBerträgen beruhe. Die Negterung habe nihtstesloweniger ihre Geneigtheit erklärt, der Türkei eine gewisse Genugtuung zuzugestehen unter der ausdrücklihen Be- dingung, daß die von thr angefohtenen Inseln auch in Zukunft tin genau derseiben Weise bejeßt, regiert und verwaitet werden würden wie die übrigen Provinzen des Königreichs.

Venizelos sprach darauf von der in Bukarest abgehaltenen Konferenz, deren Vertagung die Türkei gefordert habe unter Berufung auf - die europäi\|he Lage und auf die innere Lage des Reichs. Auf den gegenwärtigen Krieg kommend, erinnerte Venizelos an die Erklärung der Regierung, daß Griechen- land neutral bleiben würde, verheimlihte aber niht, daß Griechenland Bündnisverpflihtungen mit Serbien eingegangen fei. Griechenland wünsche in der Tat, daß der Europa verheérende Brand nicht auch auf die Balkanhalbinsel übergreife, deren Völker nah den jüngsten Kriegen das Be- dürfnis nah Ruhe hätten. Jedenfalls könne man sicher sein, daß der Brand nicht auf Veranlassung Griechenlands sich aus- dehnen werde.

Rumänien.

Nach. Blättermeldungen haben die Sozialisten in Bukarest in einer großen Protestversammlung einen Beschluß angenommen, in dem sie jede Möglichkeit eines Krieges ver- dammen, da ein solcher die Jnteressen der arbeitenden Klassen schädigen müsse. Der Beschluß fordert loyale und entschiedene Neutralität.

Bulgarien.

Die Regierung beabsichtigt der „Agence Bulgare“ zufolgé, gewisse Kontingente, die gegenwärtig untér den Fahnen stehen, auf unbestimmte Zeit zu beurlauben und gleichzeitig einige Jahrgänge der Reserve zu Waffenübungen einzuberufen, um die für den Garnisondienst sowie für die Aufrechterhaltung der Nuhe und Ordnung im Lande notwendigen Truppenbestände zu ergänzen.

Amerika.

Der amerikanische Senat hat gestern eine Resolution an- genommen, in der der Staatssekretär Bryan aufgefordert wird, zu untersuchen, ob England sich betreffs der Verschiffung von Kupfer von Amerika nah Rotterdam eingemischt hat, und Bericht darüber zu erstatten.

Asien.

Ein Konstantinopeler Blatt gibt die Meldung des offiziösen afghanischen Organs „Aradjutah Barulafghan“ wieder, wonach der Emir von Afghanistan, eine Streitmacht von etwa vierhunderttausend (?) Mann regulärer Truppen unter dem Oberbefehl seines Bruders Nasr-Ullah Khan mit dem Austrage entsandt habe, die Stadt Peschawar, den Schlüssel Jndiens, zu beseßen. Eine andere aus dreihundert- tausend Mann (?) bestehende afghanishe Streitmacht unter dem Befehl des Thronfolgers marschiere gegen Rußland.

Australien.

Der australishe Premierminister hat nah einer Meldung des „Reutershen Bureaus“ in der Zweiten Kammer von Neusüdwales einen Geseßentwurf, betreffend die Herab- seßung der Beamtengehälter um zehn Prozent, infolge der O der Staatseinkünfte durh den Krieg ange- ündigt.

Kriegsnagrihten.

Westlicher Kriegs8schauplaßg.

Großes Hauptquartier, 1. Oktober, Abends. (W. T. B.) Am 30. September wurden die Höhen von Roye und Fresnoy (nordwestlich von Noyon) den Franzosen ent- rissen. Südöstlih von St. Mihiel wurden am 1. Oktober Angriffe von Toul her zurückgewiesen:; die Franzosen hatten dabei \{chwere Verluste. Der Angriff auf Ant- werpen schreitet erfolgreich fort.

Oestlicher Kriegsschauplaß.

Großes Hauptquartier, 1. Oktober, Abends. (W. T.B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplaße keine Veränderungen.

Budapest, 30. September. („Budapester Korrespondenz. “) Unsere Offensive in Serbien schreitet erfolgreih vor- wärts. Ein Versuch der Serben, sie dur einen neuerlichen Einbruch über die Save zu stören, endete * mit einem voll- ständigen Mißerfolg, da unsere in der Nähe befindlichen Grenzschußtruppen die serbische Truppe, die von untergeordneter Beschaffenheit und minderer Anzahl war, sofort aus dem Lande vertrieben.

Prätoria, 1. Oktober. Das „Reutersche Bureau“ meldet amtlih: Südafrikanishe Truppenabteilungen über- raschten zwei deutsche Posten, den einen bei Grasplaß in der Nähe von Lüderißbucht, den zweiten bei Anichab, 25 Meilen nördlih Lüderißbucht. Fünf Deutsche sind gefangen genommen worden, davon ist einer tödlih verwundet.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die direkten Steuern der preußischen Landkreise in den Nechnungsjahren 1903, 1908, 1910 und 1911.

Jn der Kretésfinanzstatistik für 1903 und 1908, deren Ergebnisse in den Heften 205 und 226 der „Preußischen Statistik“ veröffentlicht worden, sind die berihtigten Sellbeträge dek direkten Kreisiteuern für die Rechnungtjahre 1903 und 1908 nachgewiesen und im 9. und 10. Fahrgange des „Statistishen Jahrbuæs für ten preußischen Staat" die entsprehenden Angaben für die ReGnungsjahte 1910 und 1911 enthalten. Nach diesen Veröffentlihungen stellten sh der be- rihtigte Sollbetrag und die durhscnittlihe jährliche Zunahme der

direkten Kreissteuern in den Landkreisen des preußischen Staates und seiner Provinzen, wie folgt : Y

Berichtigrer Sollbetrag der gesamten direkten Kreissteuern

Staat 1908 1908 1910 1911

—: über-| U! | über, | Wf | über-| AW | über-| Auf

haupt aa haupt i. haupt Fin- haupt Ei Mil |woh-] Mil. [woh-} Mil- \woh-! Mil- |wohs- lionen} ner Îlionen| ner |ltonen| ner |lionen| ner M M 4 M M b M

Provinzen

P / 64,74 2,50] 81,43] 3,03] 87,11| 3,16 90,10 ¿ rovinzen

Ostpreußen 5,92 3,45] G6,87| 4124 6,98 Westpreußen 4,76| 365) 5,20| 3 os] 5 68 Brandenburg 7,55 3,151 10 45! 412 1072| Pommern 4,19| 3,10) 4,78| 3 62f 9,12/ 3 oten 3,76) 215) 4,47 24] 4,86 9,99) 2,68 12,44/ 31sF 13,73| 6,05) 275). 6,83| 3,06 7,18] d Schleswig-Holstein .-. | 2,86| 2,85) 3,72| 3,561 4,06 Hannover 7,08| 3,381 8777| 4,02) 911 Westfalen 9,49| 2,07] T 96) 2,76 8,85) 8 2,86 Hessen-Nassau lea 111 2,35| 1e 2,78 184 3,00) 1,97 Rheinprovinz 5,38| Ls 7a Ls Tod 1,85] 8 46) 1 99 Hohenzollern 01! 1e O,16| 2331 017 2371 0,17| 2 39

E

pi

pi v0 R) K

bi C N =1 69 co C0

3 4 21

m do Cs 3 i O

D

-

Wo S S

Durchschnittlihe iährlihe Zunahme der direkten Kreisfteuern im Zeitraum Staat 1903 bis 1908 | 1908 bis 1910| 1910 bis 1911 __ Provinzen über- | über- über- | haupt 9/0 /o | haupt | °%/o W. | M

3 337 760) 5,16 3076 508| 3,53 Provinzen | | Ostpreußen . . . 189 849| 3,21 378929) 5,43 Westpreußen . . . 88 216| 1,86 118988| 2,11 Brandenburg. . . 578 564 7, 1: Z 905 709| 4,72 Poulmêti «c 130 892| 3,17 203; 468 813| 916 Posen 142 367) 3,79 | 238 866) 4,91 Schlesien 489 101/480] 636%552| 5,12| 133998| 0,98 Sachsen 154 150| 26| 178792| 2,621 172160| 2,40 Scbles8wig- | | | Holstein . .. . | 171 674| 6,00 4,62) 140778| 3,4 Hannover 337 326 4,76 180| 1,94] 357739| 3,98 Ble «o 492 524 8,97 636 5 63 170 988 |— 1,93 Hessen-Nafsau . 140 849, 868] 215565) 9,190) 218 719| 788 Rheinprovinz . - | 412 643| 7.er| 247097| 3,92] 510276| 6,43 Hohenzollern . . 9 604| 8,41 3947| 2,43 2 12 1,06.

Das berichtigte Soll der gesamten direkten Kreissteuern betrug demnach für das ganze Staatsgebiet 1903 64,74, 1908 81,43, 1910 87,11, 1911 9,19 Millionen Mark und 2,50 bezw. 3,03, 3,16, 3,20 auf den Kopf der Bevölkerung. Leßteren Berechnungen ist das Er- gebnis der Personenstandaaufnahme für die betreffenden Nechnungs- jahre zugrunde gelegt worden. Jn dem Zeitraum von 1903 bis 1911 hat fh das Soll der direkten Kreièsteuern also um 25,45 Mil- lionen Mark oder 39,31 v. H. vermehrt, desgleichen sein Koptbetrag um 79 4 oder 31,60 v. H. Dabei muß noch berúcksichtigt werden, daß den Landkreisen dur das Kreis- und Provinztalabgabenge!ey vom 23. April 1906 mehrere neue indirekte Steuerquellen ershlossen worden sind, deren Ausnuzung auch seitens der meisten Kreise erfolgt *). Während im Rechnungsjahre 1903 vom gesamten Kretssteuerauffommen nur 2,11 v. H. auf die Hundesteuer, die den Landkreisen damals zur Hebung überlassene einzige indirekte Steuer, entfielen, betrug der Anteilfaß der gesamten indirekten Kreisfteuern am Kreissteuerauffommen überhaupt in den Rechnungsjahren 1908, 1910 und 1911 {on 15,17 bezw. 18,76 und 19,77 v. H.

Pit Ausnahme von Westfalen, bei welcher Provinz im Jahre 1911 etn Rückgang zu verzeihnen war, zeigt der absolute Sollbetrag der direkten Kreissteuern in sämtlihen Provinzen von einem Er- hebungsjahr zum andern eine Zunahme, und bei den Kopfbeträgen war es mit wenigen Ausnahmen ebenso; in Brandenburg betrug das auf 1 Einwohner entfallende Kreis\teuersoll 1908 4,13, 1910 dagegen nur 3,96 46, und in Westfalen zeigten die Rehnunasjahre 1910 und 1911 gleih hohe Kopfbeträge. Jn dem Zeitraum von 1903 bis 1911 haben sich die auf 1 Einwohner entfallenden direkten Kreissteuern vermehrt

in den Provinzen um 9% Ostpreußen 29,16 Westpreußen

nod: in den Provinzen um °%/% Schleswig-Holstein . . 34,74 Hannover 24,56 Brandenburg Westfalen 38 16 Pommern | Hessen-Nassau . . . . 71,30 Posen 2% | Rheinprovinz 51,91 Schlesien ¿ Hohenzollernshe Lande , 43.11. Sachsen

Fn den vier Beobachtungsjahren ist die auf 1 Einwohner entfallende Belastung durch direkte Kreissteuern stets in Hessen-Nassau und demnächst tn der Rheinprovinz und den Hobenzollernschen Landen am niedrigsten gewesen, während Ostpreußen, Westpreußen, Branden- burg und Hannover die höchsten Kopfbeträge aufwiesen. Doch welselte bei leßteren die Reihenfolge mehrfah. Im Rechnungs» jabre 1911 stand Ostpreußen mit 4,43 #4 an erster und Hannover

mit 4,21 (6 an zwetter Stelle, und dann folgten mit je 4,19 West- ,

preußen und Brandenburg.

Die durscnittlihe Jahreszunahme der direkten Kreiésteuern betrug im Jabrfünft 1903/08 3,34 Millionen Mark oder 9,16 /0, desgleichen im Zeitraum 1908/10 2,84 Millionen Mark oder 3,49 °/o und 1910/11 30s Millionen Mak odec 3,53 9/0. In den f rovinzen treten sehr bedeutende Verschiedenheiten hervor: Im Fahrfünst 1903/08 war die Jahreszunabme mit 1,86 v. H. 1n Westpreußen weitaus am geringsten, demnächst mit 2,56 v. H. in Sachsen, während sie umgekehrt in Schleswig-Holstein (6,00), Brandenburg _(7,66), der Rheinprovinz (7,67), den Ho! ;ollernschen Landen (8,41), in Hcssen- Nassau (8,58) -und Westfalen (3,97 9/0) den hon beträhtlihen Stauts- durh\{nittssaß von 5,16 v. H. noch erheblih übertraf. Im Zeitraum 1908/10 betrug die entsprehende Zunahme nur bei dret, desgleichen im Zeitraum 1910/11 bei vier Provinzen mehr als 5 v. D nämli in Schlesien (5,12), Westfalen (5,63) und der. Rheinprovinz (9,19 9/0) bezw. in Ostpreußen (5,43), Pommern (9 16), Hessen-Nassau (7,85) und der Nhetnprovinz (6,43 %/0). Am geringsten war sie für den Zeitraum 1908/10 mit 19, 1,30 und 0,88 v. 9P- bei Hannover, Brandenburg sowie Ostpreußen, desgleichen für 1910/11 mit 211, 1,25, 0,98 v. H. bet Wesipreußen, den Hohenzollernschen Landen, Schlefien und mit einer Abnahme um 1,93 v. H. bei Westfalen. Eine etnigermaßen gleihmäßige Entwicklung zeigen nur wenige Provinzen. Fn Sachsen und Hessen-Nassau ist die prozentuale Zunahme in den drei Beobachtungszeiträumen sich ziemlich gleich geblieben, in Posen ist etne regelmäßige Zunahme und in Schleswig-Holstein ein regelmäßiges Nachlajjen in der Steigerung zu beobachten.

*) Vergl. den Artikel „Die indirekten Steuern der preußischen Landkreise in den Rechnungsjahren 1908, 1910 und 1911“ in Nr. 221 O und Staatsanzeigers“ vorn 19. September d. J. (Erste Beilage).

CiDE E E T

Wohlfahrtspflege.

Von dem Z'vilkabinett Seiner Majestät des Kaisers und Königs ging, M tem „W. T. B.“ betihtet wird, dem Ober- pârgermeister der Stadt Cöln ein Danktelegramimn Seiner Majestät für die angekündigte Hilfsspende von 950 000 J für die Geschädigten in Elsaß-Lothringen zu. y

Nach einer weiteren Meldung des genannten Bureaus aus Cöln hat der Geheime Kommerzienrat Theodor Guilleaume der Stadt C3ln 500000 4. für die Zwedke der vereinigten Vereine

des Noten Kreuzes überwie)en.

Der Nattonalstiftung für die Hinterbliebenen der im ese Gefallenen sind aus allen Teilen Deu1shlands wertvolle silberne Gegenstände und vielfa auch Auszeichnungen feind- lier Staaten überwiesen worden. Die Nationalstiftung t bérelît, weitere folhe Gegenstände, Medaillen, Orden und Chrenzeichen ent» gegenzunéehmen, da sie gute Verwendung für diese hat, die den Hinter- bliebenen der Gefallenen zugute kommen wird. Es werden au gute Staarspapiere und Obligationen entgegengenommen. Die Geschäjls- stelle befindet sih in Berlin NW. 40, Alsenstraße 11.

Die wachsende: Fnansyruhnahme ihrer Beratungsstellen hat die Abteilung Berlin des Nattionalen Frauendienstés veranlaßt, einige ihrer Hilfskommissionen in- größere Räumlichkeiten zu verlegen. So ist Komnission 11, bisher Bellealltanczpläg 5, jeßt in das Kaiser- liche Patentamt, Gitshiner Straße 98/103, Zimmer 118/119, yer- zogen, und Kommission VIII A, bisher Georgenfirhplaß 35, arbeitet vom 2. Oktober ab in städtishen Räumen ‘in Georgenfktrch|traße 43. (73 woird an diesen Stellen in gleiher Weise wie bisher Nat und Auskunft an alle durch den Krieg tin Not Geratenen erteilt werden, Geldunterstüßungen werden nicht gegeben, doch können in Fällen be- sonderer augenblickltcher Hilfsbedürftigkeit Speisemarken und Lebens- miitelgutsheine zur Ausgabe gelangen.

Kunft und Wissenschaft.

Ein in Deutschland noch nirgends abgebildetes, kaum besprochenes Werk Michel Angel o3, auf das vor 7 Jahren ein französischer Gelehrter die Aufmerksamkeit lenkte, veröffentliht Victor Wallenstein in der „Zeitschrift für bildende Kunst“. Es handelt sich um eine Pietà- aus der NRosalienkap lle des Palazzo Barberini in Palestrina. us tem Felsen, an den der Palast und die Kapelle \ih lehnen, und der 700 m hoh oben ein Kastell trägt, ist das Werk herausgehauen, in cinem düsteren kahlen Raume. Obwohl ein örtlicher Schrift- steller im 18 Jahrhundert den Namen Michel Angelo dafür nannte, ist tro der Nähe des nur eine Stunde entfernten Nom die Pietà unbeachtet geblieben. Gerade Michel Angelo mußte die Möglichkeit, diesen in den Raum tragenden Felsen zu bewältigen, seltsam loŒen. Da meißelte er denn aus dem marmorähnlichen rötlihen Stein die überleben8großen Gestalten der Go'tesmutter, die den Leichnam thres Sohnes an der Brusi bält, und die der Magdalena. Der aufrehtgehaltene und dabei zus- sammensinkende Körper Christi nimmt fa\t die ganze Masse des Steins in Ansvruch, von Maria i nur der Kopf und die Hand, die den Zusammensinkenden unter der Achsel hält, gebildet, von Vtagdalena nur so viel, e die Bewegung der Knteenden deutlih wird, denn Michel Angelo hat auch dieje, wie die beiden anderen späten Marmor- bilder der Pietà, niht vollendet. Im Barolzeitalter wurde ein ent- \tellender Yearmorvorhang und etn Lendentuh über dem von Michel Angelo ganz nackt gebildeten Christus hinzugefügt. Nach 1555 scheint der Künstler aus dem Getriebe Noms nach Palefirina hinausgegangen zu sein, und dort ist ihm in der Stille, begünstigt von dem Material, der Plan gereift, den er dann niht zu Ende ausführte, man weiß nicht warum. :

Die sibirische Expedition von Lied ist „W. T. B.“. zufolge nah Hammerfeit zurückgekehrt. Sie {s bis zur Mündung des Ob über den Fenissei vorgedrungen. Lted ist der Ansicht, daß im Sommer in jenem Gebiet regelmäßige Schiffahrt möglich set.

Literatur.

Der Altmelster deuisher Malerei Hans Thoma kann in geistiger und fköôrperlier Frishe heute seinen 75. Geburts- tag begehen. Als wertvolle Festgabe, die dem deutschen Volk sicher hochwilllommen sein wird, hat der Verlag von E. A. Seemann in Leipzig eine geschmackvoll ausgestattete Mappe beraus- gegeben, die in autgezeihneter farbiger Wiedergabe als Fefst- kalender in Bildern LThomas Wandgemälde aus dem Thoma-Museum in Kar!sruhe enthält. Die Gemälde bieten ein treues Bild yon des Küustlers Eigenart und Wesenökern, sowohl ihrem Cn Inhalt, wie der Form nah, in der der Meister jenem Ausdruck verlieh. Auf Jugendeindrücken fußend, die in der Schwarzwaldheimat empfangen waren, wurden fie erst von dem ge- reifien Mann an der Schwelle des Alters ausgeführt; ein gereifter Künstlerentwurf, der mit gemütvoller, freundlicher Kraft zu dem Be- shauer spricht und der mit setnem rein men|\chlichen, \{chlicht- religiösem Gehalt gerade in den großen und ernsten Tagen, die das deutsche Volk jegt durchlebt, auf ein mit- fühlendes Verständnis und dankbares Nachempfinden rechnen darf. D2s ganze Werk seßt sich aus sl Bildern zusammen. Die 12 Monats- und die 8 P!aneteabilder, die die Eingangéwand zu dem Festraum des Karlsruher Museums s{hmüdcken, find na ihrèm symbolischen Gehalt und den dargestellten Fiauren der Ausdruck eines ausgeprägt deulshen Kunstempfindens: Wotan, Der Wanderer, Frau Holle, Die heiligen drei Köntge, Donar, St. Michael reiten hier als wohlbekinnte, im Volksempfinden wurzelnde Gestalten durch den Ning des Jahres, während die Planeten in ebenfalls uns von Sugend an bekannten allegorishen Ftauren dargestellt sind. Fast noch berzliher und noch inniger bewährt sih die dichterishe Kraft des Malers in den dann folgenden 11 Tafeln der Christuszyklus, der in Karlsruhe auf die Wände des eigentlichen Festraumes verteilt it. Das Leben des Heilands von seiner Kindheit bis zu seinem Kreuzestod und zu seiner Verklärung, als Lhrer und Helfer, als Neberwinder von Versuchung und Tod, wird in ihnen mit ergreifender S{hlich1heit aeshildert und wirkt als Ausdruck einer ehten Kunst, die einer geschlossenen, einheitlihen Persönlichkeit entitammt, der sie eine heilige Herzenssache bedeutet. Der Verlag hat sein Bestes getan tin der Wiedergabe der Bilder, wie in der würdigen Ausstattung der ganzen Mappe. Der billige Preis von 3,80 #4 ermögliht die An- \hafung des wertvollen Werkes weiteren Kreisen, deren Aufmerksamkeit es nahdrücklich empfohlen sei.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Nah den „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts*, Nr. 39 vom 30. September 1914.)

Pest.

Türkei. Am 22. August i 1 Erkränkung in Smyrna fest- gestellt worden.

Desgleichen laut Mitteilung vom 8. September 2 Erkrankungen.

î t Beirut wurde am 24. August ein neuer Pestfall fest- gestellt.

Griechenland. Zufolge Mitteilung vom 3. September ist auf e Snsel S yra ein tödlih verlaufener Pestfall zu verzeichnen gewelin

Aegypten. Vom 29. August bis 4. September. erkrankten (und ftarben) 4-(1) Personen, davon 2 (1) in Alexandrien und 2 (—) in oa! Said i

Cs ‘gelangten zur Anzeige aus

Cuba: in Santiago am 14. August 1 Erkrankung und 1 Todesfall, E Brasilien: in Bahia vom 12. bis 25. Juli 4 Erkrankungen und 2 Totesfälle. j Cholera.

Ungarn. Laut Mitteilung vom 25. September wurden 4 Er- krankungen im Dorfe Toko d (Kom. Cßtergom), 2 in Debrcezin (Kom. Hajdu) sowie je 1 Fall in Budapest und Gomonna fest- gestellt. Auch in den Kriegsgefangenenlagern in Eßtergom, in Dunaßerdahely und Somorja (Komm. Preßburg) wurden mehrere Cholerafälle ermittelt.

Venickstarre.

Preußen. In der Woche vom 13. bis 19. September sind 2 Ertranfungen (und 1 Todesfall) in folaenden Negierungs8- bezirken (und Kreisen) gemeldet worden: Ca|\sel 1 1) [Friglar], Münster 1 [Lüdinghausen] |

Oesterrei. Vom 23. bis 29. August in Krain 1 Todesfall,

Spinalkle Kinderlähmung. L Preußen. In der Woche vom 13. bis 19. September find 3 Erkrankungen in folgenden Regierungsbezirken [und Kreilen] angezeigt worden: Arnsberg 1 [Dortmund Stadt], Schleswig 1 [Kiel}, Wiesbaden 1 [Frankfurt a. M ]. Ï Oesterreich. Vom 23. bis 29. August in Oberösterreich 3, im Küstenland 1 Erkrankungen. s

Verschiedene Krankheiten in der Woche vom 13. bis 19. September 1914 (für die deutschen Orte).

Po den: Konstantinopel (vom 30. August bis 5. September) | Todesfall; Varizellen: New Vork 22 Erkrankungen; Milzbrand: Neg.-Bez. Lüneburg, Wien je 1 Erkrankung; Influenza: Berlin 2, New/York 1 Todesfälle; Genickstarre: New York 1 Todesfall, 5 Er- franfungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Scharlach (Durschnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/1904: 1,04 9/6) gestorben in Glei, Königshütte, Zabrze Erkrankungen worden ange;eigt im Lantedpolizeibezirke Berlin 173 (Stadt Berlin 127), in den Reg.-Bezirken Arnsberg 126, Königsberg 124, Oppeln 204, Potodam 104, in Stuttgart 25, Hamburg 52, Amste: dam (26. August bis 1. September) 29, Christiania 24, Kopenhagen 36, N-w York 68, Wien 62; an Diphtherie und Krupp (1895/1904: 1,62%) ge- storben in Rostock Erkrankungen wurden gemeldet tm Landes- polizeibezirke Berlin 214 (Stadt Berlin 152), in Hamburg 91, Christiania 32, Kopenhagan 22, New York 212, Wien 46. Ferner wurden Erkrankungen angezeigt an: Majern und Röteln in Kopen- hagen 33, New York 164; Keuchhusten in New York 74; Typhus in New York 71.

Verkehrswesen.

Die deutschen Postämter in Konstantinopel, Smyrna, Beirut, Jaffa und Jerusalem sind Ende Sep- tember geschlossen worden.

Pakete, die für im Felde stehende Angehörige bestimmt sind, werden nich t dur die Krtegsbetleidungsämtcr zur Weiterbesörs derung gegeben, sondern durch die Ersaßtruppenteile der be- treffenden Feldformationen. Die Pakete sind daher an die Ersay- trupventeile zu senden. Nach § 23 der Feldpost-D.-O. haben dieje die Pakete anzunehmen und als Militärgut weiterzubefördern.

Das Umrechnungsverhältnis für dke in der Frankenwährung auszustellenden Postanweisungen nah fremden Ländern (Italien, Schweiz usw.) ist auf 100 Fr. = 86 46 (nah Numänien auf 100 Lei = 86 1) neu festgeseßt worden.

Der Postanweisungsverkehr mit Argentinien und der Postanweisungs- und Nachnahmeverkehr mit der Türkei (türkische Postanstalten) wird wieder aufgenommen.

Offene Briefsendungen nah Persien werden von jeßt ab zur Postbeförderung angenommen.

Theater und Musik. Theater am Nollendorfplag.

Zu den Gelegenbeitsstücken, die der Krieg hervorgebracht hat, ge- bört auch das vaterländische Volksstük „Immer feste druff!“ von Hermann Haller und Willt Wolff, Musik von Walter Kollo, das gestern zum ersten Male auf der Bühne am Nollen- doriplay aufgeführt wurde. Die Bühnen, auf denen bisher Possen und Operetten gegeben wurden, sind in Verlegenheit ge- raten, weil es ihnen an Werken fehlte, die in die ernste Stimmung der Kriegszeit passen, und so mußten sie, um ihre Einnahmen nicht einzubüßen und thr Personal nicht in Not geraten zu lassen, zu folhen schnell zusammengezimmerten dramatischen Arbeiten greifen. Eine gewisse Nachsicht in der Beurteilung solcher Stücke is daher geboten. Die Verfasser dieses neuesten von ihnen haben ih nicht, wie ibre Vorgänger auf anderen Bühnen, damit begnügt, die Erregungen und Stimmungen vor Ausbruch des Krieges in lose zusammengesügten Bildern wiederzugeben, sondern haben die beiden leßten ihrer vier Bilder auf dn westlichen Krlegss{hauplay verlegt, wo wir die männlichen Hauptper}onen des Stückes, feldgrau gekleidet, vor dem Feinde wiedersehen. Von einer eigentlihen Handlung kann man kaum sprechen, aber ein Abglanz von der vaterländischen Be- geisterung der großen Tage, die wtr alle durhlebt haben, findet fich auch hier und läßt die freudige Erinnerung daran wieder wah werden. Das empfand gestern das zahlreihe Publikum und nahm es auch dankbar bin, daß neben dem Ernst auch der derbe Soldatenhumor, den die Zeit hervorgebracht hat, zu setnem Rechte kam. Das ganze wird durch Walter Kollos ansprehende und einschmeichelnde Musik, die dem Stil des Volks\tück3 gut angepaßt t, wirksam unterstüßt. Unter den Dar- stellern zeichnete sih der zum Nachfolger Giampietros am Metropol- theater ausersehene Karl Geßner in der Rolle eines Poitiers in Friedens- und Feldwebels in Kriegszetten besonders aus. Neben ibm boten die Damen Waldcff, Freund, Richter, Horska, die Herren Pasch, Hallendorf und andere anerkennenswerte Leistungen. So dürste denn der Erfolg des Stückes von längerer Dauer fein.

Morgen, Sonnabend, werden im Königlichen Opernhause „Die Meistersinger in Nürnberg“ gegeben. In den Hauptpartien sind die Damen Hafgren-Waag, von Scheele-Müller sowie die Herren Berger, Bischoff, Knüpfer, Habich, Bronsgeest und Henke beschäftigt. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister von Strauß.

Im Königlichen Schauspielhause findet morgen der 5. der von der Generalintendantur der Königlichen Schauspiele zum Besten der notleidenden Bühnenkünstler zu veranstaltenden „Bunten Abende“ statt.

_Im Deutschen Theater: findet die Erstaufführung des zweiten Stückes von Schillers „Wallenstein“-Trilogie „Die Piccolomini“ Ende nächster Woche statt. Die Nolle des- Wallenstein spielt Albert Bassermann.

„Unsere Feldgraüen“, Zeitbild in 3 Akten von Alfred Müller- Förster und Joseph Bendiner, Gesangstexie von Arthur Lockisch, Veusik von Robert Winterberg, heißt ' ein neues Stück, das demnächst im Friedri WilhelmstädtisWen Theater aufgeführt werden wird. Die Erstauffübrung ist auf den 9. Oktober angeseßt. Sptel- leiter ist der Oberiégisseur Franz Eroß.

In einem am: Sönntag, Abends 8 Uhr, in der Singakademie stattfindenden Konzert, dessen Neinertrag für den Samariterverein vom Roten Kreuz beslimmt ist, wird die Katserlie und Königliche Kammer-

sängerin Lula Mysz-Gmeiner, eine Reihe Wolfscher Lieder vor- tragen, Hermann Sudermann liest eigene Dichtungen. Außerdem wirken Hertha Stolzenberg, Mitglied des Daten Opernhauses, der Königl:he Opernjänger Cornelis Bronsgeest, der Königliche Ober: egisseur Georg Droescher, der Organist Professor Arthur Egidi, der Komponist Professor Hans Hermann, der Professor Georg Schu- mann und der Königliche Konzertmeister Nobert Zeiler in einem aus- erwählten Programm mit. Karten sind bei Bote u. Bock und Wert- heim zu haben.

Im Klindworth-Scharwenka-Saal findet am Sonnabend, den 10. Oktober, ein Konzert- und Vortragsabend zugunsten der notleidenden Bevölkerung von Masuren statt. Ihre Mitwirkung haben zugetagr: die Kgl. Preuß. Kammersängerin PVêarie Göôue, die Konzer1sängerin Annemarte Monti, der Kammervirtuose Karl Stabernack, der Violoncellist Felix Robert Metdelssohn und der Vortragskünstler Bruno Th. Satort. Neumann. Eintrittskarten zu 3, 2, 1 4 sind bei Bote und Bod, im Warenhaus A. Wertheim und an der Abendkasse zu haben.

Mannigfaltiges. Berlin, den 2. Oktober 1914.

JFhre Majestät die Kaiserin und Königin empfing, wie „W. T. B.“ meldet, gestern vormitiag im Schloß Bellevue Frau Staatsminister von Boetticher und den Ge- heimen Sanitätsrat Professor Dr. Pannwitz zum Vortrag über die Tätigkeit des „Kriegsausschusses für warmeUnter- kleidung“, der auf besondere Anregung Ihrer Majestät nach den Weisungen des Kriegsministeriums und Generalstabes regel- mäßige Warenzüge zu den Truppen eingerichtet hat. Die ersten drei Züge nah dem Westen, Nordosten und Südosten find beute abgefertigt worden; der nah Südojten ist tin der Hauptsache vom Roten Kreuz zusammengestellt, der nah Westen ist ein Sammel- zug, dem je 2—3 Waggons von den Prov'inzialdepots in Potsdam, Magdeburg, Neustreliv, Schwerin, Braunschrocig, Hannover, Altona, Hamburg, Cassel, Frankfurt. Koblenz, Cöln, Münster, Düfsel- dorf beigegeben werden. Diese vom „Kriegsauss{huß, Berlin, Neichstag" eingerihteten Warenzüge sollen von jegt ab regelmäßig verkehren in der Grwartung, daß die freiwilligen Gaben an Geld und Materialien für den Schuß der Tiuppen gegen die Winterkälte weiterhin reihlich fließen werden. Später begrüßte Ih1e Majej1ät Ihre Königliche Hoheit die Frau Herzogin von Braun- \{chweig bei ihrer Ankunft auf dem Potsdamer Bahnhof und geleitete fie nah dem Schlo); Bellevue.

Der unter der Schirmherrschaft Ihrer Majestät der Kaiserin ünd Königin stehende Verein der Berliner V olksküchen von 1866 eröffnet am nächsten Montag neben seinen btetherigen Küchen wteder eine Not standss\petsean stalt, und zwar im Konservatorium Klindworth-Scharwenka, Genthiner Straße 11, durch die freundliche Hergabe der Räume seitens des Besizers Di! ektor Robitschek. Die Speisezeit ist von 112 bis 2 Uhr. Die Speisen werden zu den hbe- kannten Preisen von 30, 20 und 10 4, in reichlichen Mengen und auf shmackhafte Ari gekocht, abaegebden Ein Verzeichnis der vor- handenen Speiseanstalten ijt in der Zentralstelle, Leipziger Str. 1053, zu haben.

Die Trauerfeier für den Eh: enpräsidenten der Berliner Handels- kammer, Wirklichen Geheimen Nat Herz, fand gestern vormittag im Hause des Verstorbenen, Dorotheenstraße 2, statt. Der Sarg war in einem ernsten Shmuck au}wetisenden Raume des ersten Stocks auf- gebahrt, den bald na 10 Uhr cine ebenso zahlreiche wie auserlesene Gesell- \chaft, in dec die Vertreter der Staatsregierung, der städtishen Körpet- schaften und der ersten Bank- und Handeleinstitute bemerkt wurden, füllte. Es waren u. a. ershieren: der Justizminister Dr. Beseler, der Veinifter der öffentlihen Arbeiten Breitenbah, der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow, der Minister der petstlihen und Unterrichte- angelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz, der Finanzminiter Dr. Lente, der Minister des Innern von Loebell, der Staats)ekcetär des Neichepostan ts Kraetke, der ehemalige Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Studt, ferner der Präsident des Neichsbank- direktoriums von Havenstein, der Polizeipräfident von Jagow und der Oberbürgermeister Wermuth mit anderen Vertretern des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung von Berlin. Nachdem die Familienmit,lieder den Lrauerraum betreten hatten, intonierie unter leisem Harmoniumspiel der Chor der neuen Synagoge unter der Leitung des Kapellmeisters Kellermann den Gesang „Selig sind die Toten“. Dann nahm der Rabbiner Dr. Weiße das Wort zu der inhaltreihen Gedächtsnisrede, und abermaliger Chorgesang {loß darauf die ergreifende Feier. - Vor dem Trauerhause ordnete fi dann der Zug, der dem Leichen- wagen, in dessen unmittelbarem Gefolge sih zwei offene Wagen mit den Kranzspenden befanden, folgte. Der Weg ' führte hinaus zum alten jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee, wo dew Sarg in der Familiengruft beigeseßt wurde.

__ In seiner lesenswerten Schrift „Vulkane und Erdbeben“ („Natur- wissenichaftliße Bibliothek“ des Verlags von Quelle u. Meyer in Lelpzig*) behandelt der Geheime Bergrat Professor Dr. R. Brauns in etnem besonderen Abschnitt den Aetna. Seinen Ausführungen sei folgendes entnommen: Der Riese unter den europäischen Bulkanen, einer der höchsten überhaupt, ist der Aetna. Seit uralten Zeiten mit kurzen Unterbrechungen tätig, galt der Aetna als der große, einzige, alle anderen übe! dauernde ewtge Vulkan. Ihm allein von allen ist ein besonderes Werk ichon im Altertum gewidmet, dessen unbekannter Verfasser die Natur des vulkantsch:n Vorganges zu ergründen suchte in etner Zeit, in der der Vesuv noch nich! wieder zu neuer Tätigkeit erwacht war. „Singen will ih von der Kraft“, sagt der gelehrte Dichter, „die den glühenden Atna toben läßt und die dem Gterigen immer neue Gluten zuführt“. Und so schildert er einen Ausbruch und forst nah seiner Ursache: Klumpenweise wird ein Sandregen aus der Ttete ausgestoßen, glühende Massen sind in eiliger B-weaung, aus der Tiefe steigen die Bodenfundamente rollend auf ; jegt briht Getöse aus dem ganzen Bereich des Aetna hervor, fahl glimmen die Feuer, unterbrochen von dunkel erglühènden Sturzmafsen .…. GHewaltig bebt der. Berg, und die gan/e Gegend draußen bedeckt Stetn- und Aschengeröll . - Winde veranlassen mit ihrem Wühlen alle diefe Evolutiontersheinungen und wirbeln, was sie zu dihter Masse geballt, in dem entseplichen Gipfel- krater auf. Und fie eben bilden die Ursachen, die jene interessanten Flammenschauspiele des Berges hervorbringen. Wenn ste gespannt sind, heißen sie Gas.“ Bekannt war dem Dichter, daß nach längeren Ruhepausen besonders heftige Ausbrüche folgen: „Wenn sie eine Zeitlang geschwiegen haben, drängen sie, wie um den Verlust einzu- holen, um fo schneller an, stemmen sih gegen die Massen, sprengen sie und zerreißen ihre Bande.“ Und ebenso lebendig s{ildert er das Hervorbrehen von Lava: „Ganz plößlich krohen die mit dem mitgerissenen Gestein belasteten Glutmassen auf, entzündetes Material drängt nach, verstümmeltes Trümmer- gestein wälzt ch emvor, und Schauer \{chwarzen Sandes prasseln dazwi'chen . . . Jene Flü)sigkeit beginnt mehr und mehr zu kochen, \chließlich in Gestalt eines sanft fließenden Flusses hervor- zutreten und läßt ihre Wogen von den ersten Höhen niedergehen. Die Ströme bleiben zwischen den Ufern stechen und werden dur NAb- kühlung hart, allmäblich treten die Gluten nah innen zurück, und die Massen werden ihres feurigen Auésehens entkleidet. Sodann stoßen diè einzelnen Laven nah dem Grade der Erstarrung Dampf aus und wälzen e unter gewaltigem Getöse dahin, und wenn der Strom auf seinem Wege zur Tiefe von einem laut erdiöhnenden fesien Hindernis abgelenkt wtrd, läßt er die getroffenen Stoßstellen

erstieben und wo er si geöffnet hat, \trahlt wieder sein glänzender Kern hindurch.“ Vor bald 2000 Jahren ist dieses Lehrgediht e

schienen, dessen Erläuterung w!r Sudhaus verdanken, seitdem hat dek“ Aetna niemals völlig geruht; noh viel länger ist er in der Vorzeit“ tätig gewesen, und fo ijt er auch mehr mit Narben bededckt, als irgen