1914 / 268 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Nov 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Wie „W. T. B.“ mitteilt, wird demgegenüber darauf hin- gewiesen, daß die Gewässer der nördlichen Nordsee, einschließ- lih der Linien Hebriden—Far Oer—Jsland, die Gewässer an der norwegischen Küste und des Skagerraks durchweg Wasser- tiefen haben, auf denen jedes Minenlegen ausgeschlossen ist. Dagegen ist bekannt, daß in der südlichen Nordsee und im englischen Kanal zahlreihe Minen, und zwar, wie festgestellt ist, englishen und französischen Ursprungs umhertreiben, die nicht entshärft sind, und daß an vielen Stellen des von Eng- land empfohlenen Weges längs der englischen Ostküste Minen gelegt sind, von denen in leßter Zeit ebenfalls einzelne treibend angetroffen wurden.

Für die Schiffahrt bildet der von England empfohlene Weg durch den Kanal, durch die Downs und längs der eng- lischen Ostküste daher eine s{chwere Befahr, während der O die nördliche Nordsee minenfrei und daher gefahr- los ist.

Jn einzelnen Landesteilen sind, wie „W. L B. meldet, deutshe Militärflieger wiederholt durh Schüsse und Steinwürfe gefährdet worden. Jn einem Erlaß des Ministers des Jnnern wird vor solchen Ausschreitungen ge- warnt und auf die Strafbarkeit einer derartigen unbe- sonnenen Handlungsweise hingewiesen.

Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden, mit welchen verwerflihen Müuteln man englischerseits versucht, die deutsche Kriegführung vor aller Welt zu verdächtigen und zu verleumden und dadurch zugleich die eigenen Uebergriffe zu ver- \chleiern. Ein besonders frasser Fall ist der des deutschen Lazarett\chiffes „Ophelia“, das ausgeschickt war, um nah Ueberlebenden von den am 17. v. Mts. in den Grund geschossenen deutschen Torpedobooten zu suchen. Die Beschlag- nahme dieses Schiffes dur die Engländer stellt sich als Völker- rechtsbruch s{hwerster Art dar, zu dessen Begründung verdäch- tiges Benehmen, das Fehlen eines Arztes, das Vorhanden- sein einer funkentelegraphishen Einrichtung, das Legen von Minen und schließlich die mcht erfolgte Anmeldung als Lazaretk- \{hiff angeführt wurden. Nachdem alle diese Beschuldigungen, wie „W. T. B.“ müteilt, der Reine nah widerlegt oder als niht stihhaltig nachgewiesen worden find, gibt sich jeßt die englishe Presse dazu her zu verbreiten, daß an Bord der „Ophelia“ beträchtliche Mengen von Sprengstoffen vorgefunden worden seien. Es wird hiermit festgestellt, daß diese Behauptung eine neue unerhörte Verleumdung ist, die sich würdig den un- zähligen andern anreiht.

Wer seinen in Rußland krieg8gefangenen An- gehörigen Geld shicken will, kann dazu nach einer Meldung des „W. T. B.“ die Vermittlung des „Deutschen Hilfsvereins in Stockholm“’ gegenüber dem Zentralbahnhof oder auch des „Amerikanischen Konsulats in Petrograd‘“ in Anspruch nehmen. An eine dieser Adressen ist das Geld mit der Bitte um Weiterbeförderung an die möglihst genau zu bezeichnende Adresse- des Kriegsgefangenen zu übersenden. Es empfiehlt sih, gleichzeitig dem Gefangenen durch Postkarten mehr als einmal von der für ihn abgegangenen Geldsendung Mitteilung zu machen.

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Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers liegen die Ausgaben 194 und 195 der Deutschen Verlust- listen bei. Sie enthalten die 76. Verlustliste der preußischen Armee sowie die 49, und 50. Verlustliste der bayerischen Armee.

Königsberg, 13. November. Eine Uebersicht über die im Kriege zerstörten Gebäude weist, wie W. D, B.“ meldet, im Regierungsbezirke Königsberg nah Mitteilung von zuständiger Stelle zahlreiche schwere Schäden nah. Ganz oder größtenteils zerstört sind 2142 Gebäude; am schwersten betroffen ist der Kreis Gerdauen mit 675 Gebäudeverwüstungen; stark gelitten haben auch die Kreise Wehlau, Friedland, Preußish Eylau, Rastenburg und Labiau.

Oesterreich-Ungarn.

Jn den von dem Wiener Bürgermeister herausgegebenen, zur Versendung an die neutralen Staaten bestimmten Mit- teilungen über die wahre wirtschaftlihe Lage Wiens wird laut Meldung des „W. T. B.“ festgestellt, daß die Geschäftslage befriedigend ist. Der Geschäftsverkehr hebt sich von Tag zu Tag. Die Lebensmittelzufuhr ist völlig ausreichend. Eine namhaftere Preiserhöhung ijt nur bei wenigen Lebensmitteln, darunter allerdings bei Mehl und Brot, zu verzeihnen. Die Verhandlungen wegen Festseßung von Höchstpreisen für Getreide sind noh nichl abgeschlossen. Der Herbstanbau von Getreide ist im ganzen Reiche bei s{hönem Wetter günstig verlaufen. Von außergewöhnlicher Arbeitslosigkeit in Wien ist nichts zu bemerken, im (Gegenteil, es herrscht vielfah Arbeitermangel. Ein günstiges Zeichen für die wirtschaftliche Lage der ärmeren Bevölkerung ijt auch der Umstand, daß von der unentgeltlichen Speisung, die die Gemeinde für den Notfall in großem Umfange vorbereitete, bisher nicht viel mehr Gebrauch gemacht wird als sonst um diese Jahreszeit. Für unbemittelte Flüchtlinge aus Galizien wird vom Staate gesorgt. Die Gesundheitsverhältnisse sind vollfommen zufriedenstellend. Choleraerfranfungen sind unter der Zivilbevölkerung bisher überhaupt nicht vorgekommen.

Großbritannien und Jrland.

Nach formeller Eröffnung des Parlaments durch den König wurden in beiden Häusern Adressen zur Bé- antwortung der Thronrede eingebracht.

Fm Unterhause betonte Bonar Law im Laufe der Debatte laut Bericht des „W. T. B.“ das vollkommene Verschwinden der Parteipolitik und sagte: Deutschlands einzige Aussicht auf Steg sei ge\chwunden. Die Bundesgenossen nähmen eine bessere Stellung ein als bei Ausbruch des Krieges. Der Premiecminister Asquith jagte, der Krieg habe die Solitarität aller Parteten, beispiellofe Sympathie- kundgebungen in allen Teilen des Neichs unter allen Himmelöstrichen und bei den Angehörigen aller Religionen herbetgeführt. Die Truppen der Verbündeten hätten das erste Ziel des Kaisers vollitändig vereitelt. Das britishe Reich sei auf die Probe gestellt worden. Die Erfahrung der leuten drei Monate flôße die zuye-sichtlihe Hoffnung ein, daß je länger die Prüfung dauere, Eng- land als Kämptjer für eine gerechte Sache um so mehr als Sieger hervorgehen werde, Asquith kündigte an, Lloyd George werde dem

Hause am 16. November Finanzvorschläge einshließltch der Frage der Kriegsan!eihe vorlegen. Der Premierminister {lug für den 17. No- vember eine große Kreditvorlage und ein Ergänzungsvotum für die Verstä: kung des Heeres vor. Bisher seien nur 1 186 000 Mann für die rezuláre Armee bewilligt. Die Armee zähle beretts 1086 000 Mann Asquith erkannte die aktive Mitwirkung dec Opposition an der s{chxe:cn Auf,abe der Regierung an.

Hierauf wurde die Debatte vertagt.

Im Oberhaus teilte Lord Craw'ord mit, daß Uatertanen feindlicher Staaten troß des Vecbots tn der Grafsh1ft Fife wohnten. Es wü-den foctwähr: nd Nachts Lichtsiznale gegeben Auch set ein Sonderposbdien|t zvish:a Fire uad Deatsh'and entdeckdt worden Wegen der in den legten 14 Tagen troß des Verbots erfolgten Aus3- fuhr von Benzin sagte Lord Haldane eine Untersuchung zu.

Frankreich.

Die französishe Landwirtschaft befindet sich zurzeit in einer shwierigen Lage. Dem Berner „Bund“ zufolge fehlen besonders Pferde und Menschenkräfte zur Sicherung der nächst- jährigen. Ernte. Ein Rundschreiben des Ministers betont, daß die Aussaat der verbreiteten Getreidearten noch den ganzen November bis zum Anfang Dezember erfolgreih ausführbar sei. Die Eisenbahngesellshaften erhalten besondere Weisung über die Beförderung von Saatgut.

Belgien.

Das Generalgouvernement hat zur Regelung des Paß- wesens Grundsäße erlassen, die in Uebereinstimmung mit den Anordnungen des Kriegsministers vom 22. Oktober laut Meldung des „W. T. B.“ unter anderem anordnen:

Für den Cin1aß aus Deutichland und die Durchreise turch Belgien baben dienstlih reisende Militär- und Zioilbeamte einen be- hör dlichen Pe/ fonalauswets, Priva!personen etnen Neifeauswe1s des stell- v-rt: etenden Generalfcemmandes bei sich zu führen, das für ihren Helimat- oder Aufenthaltso't zuständig i}, für die Nückre ile aus Belgten nach Deut\ch and genügt der genannte Neiseausweis. Reiseausweise in das Operations- oder Etappengebiet einer deutschen Armee können nur von den tür dieses Gebiet zustä1 digen Dienststellen erteilt werden. Als \solbes Gebiet fommt zurzeit im wesentlichen das Gebiet westlih der Eisenbabnltnie A: twe p-r—Brüssel— Pons sowie das Gebiet südli der Linte Arlon—Chiny—Floreaville in Betracht. Von Deutschland her- einkfommende private Krafttahr¿euge müssen sih so reichlid mi! Betriebs\toff und Bereifung veriehen, daß sie nicht gezwungen werden, die Depots des Generalgouvernements in An- spruch zu nehmen. Empfangsberehtigt sind private Kraft- fahrzeuge in Belgien 1m allgemeinen nur, wenn für sie ein Fahrer!aubnis\chein ausgestellt worden ist. Fahrerla 1bnis\hetne sind für Belgien unter allen Umständen erforderlich und können von den Mili!ärgouverneuren und Kretéchefs zu einmaliger Fahrt bis zum Sitze des nächsten Milttärgouverneurs oder Kreischefs ausgestellt werden. Lediglih das Generalgouvernement stellt in besonders dringlihen, im militäri\hen oder öffentlihen Interesse ltegenden Fällen Scheine für das ganze Gebiet des Generalgouvernements aus.

Türkei.

Einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge verkündet eine Proklamation des Sultans an das Heer den Heiligen Krieg für alle Muselmane : L i

Die Pforte veröffentlicht den Text eines Kaiserlichen Jrade, das die Kriegserklärung enthält. Das Jrade besagt obiger Quelle zufolge: i :

Am 29. Oktober hat in dem Avgenblicke, wo ein Teil der otto mantschen Flotte im Schwarzen Meec ein Manöver yornahm, cin Teil der ru}sishen Flotte, der, wie |pätcr bekannt wurde, in Be weaung ge)eßt worden war, um ain Eingang des Bosporus Minen zu \treuen, das Manöver gestört und ist unter Verübung tines Akies von Feindseligkeit gegen die Meerenge vorgerückt. Die Kaiser- lihe Flotte hat den Kampf angenommen. Die ottomanische Ves» gierung hat sich jedoch ang:sihts dieses bedaueilihen (r- eignisses an die rufssishe Regierung gewandt und dite Einleitung einer Untersuhung wvorge|chlagen, um die Urs sahen des Erelgnisses fklarzustellen und auf diese Weise die Neutralität zu erhaiten. Die russishe Regierung hat jedo, ohne auf dieses Ersuchen eine Antwort zu erteilen, ihren Bot- ihafier abberufen und die Feindseltgkeiten begonnen, indem sie ihren bewaffneten Streitkrätten den Befehl erteilte, die Grenze von Erzerum an vershiedenen Punkten zu üher'chreien. Während dieser Zeit be- riefen die englishe und französishe Regterung ihre Botschafter ab und begannen effeftive Feind)eligkeiten, indem fie die englische und die französische Flotte gegen die Dardanellen und englische Kreuzer gegen Ataba feuern ließ-n. Da diese Mächte sodann erklärt haben, daß fie ih mit der ottomanischen Regierung im Kriegszustande befinden, o1dne ih im Vertrauen auf der Beistand des Allmächtigen die Kriegs8er- klärung an die genannten Staaten an. A

Das Jrade ist vom Sultan und sämtlichen Ministern gezeichnet. :

Die „Agence Ottomane“ veröffentliht in Er- widerung auf das von England vers fentlichte Manifest, in dem die Tatsachen, die dem Bruche mit der Türkei voraufgingen, entstellt werden und die muselmanische Welt irregeführt wird, ein Communiqué, um die wahren Tat- sachen darzulegen und zu beweisen, in welchem Grade England der Feind des Jslams sei.

Das Communiqué stellt obiger Quelle zufolge fest, daß England der Türkei den Ankauf zweter deutscher Krtiegs|chitffe zum Vorwurf mache, aber kein Wort über die Gründe verliere, die die Tínfket zu diesem Kazufe bewogen habe, nämlih die lange vor dem Kriege erfolgte Beschlagnahme von zwei auf 1einen Werften erbauten Panzerschiffen, darunter des „Sultan Osman“, der etne halbe Stunde vorher die türkishe Flagge gehißt hatte. Die Tür ket, der in so grautiamer Weise diese beiden Schiff einheiten genommen worden waren, beeilte sich, fie durch zwei Schiffe zu er- seßen, die thr von Deutschiand in so freundsha1tl her Weise zur Ver- fügung geitellt wurden. Was die Klage über die Schließung der Dardanellen betr fffflt, so habe sich England troy der Neutrali1ätserklärung der Türkei unter dem Vorwande, daß deutsche Offiziere im Dienste der Türkei stehen, erlaubt, offiziell zu erklären, daß die türkischen Kriegsschiffe von seiner am Cingange der Meerenge verankerten Flotte als feindlihe Schiffe betrahtet und an- gegriffen werdea würden. Angesichts einer solchen feindseligen Erklärung sei die Türkei genötigt gewesen, die Dardanellen zu schließen, um die BVerteidigung der Hauptstadt zu sichern. Cs stehe außer Zweifel, daß dae Engagement deutscher Offiztere für türkische Dienste eine innere Angelegenheit der Türkei fei und von etner auswärtigen Macht nicht zum Anlaß eines Einspruhs gemacht werden könne. „Was die Versicherung anlange, dite England, betreffend die territoriale Unversehrtheit der Türkei, abgeaeben zu haben erklärt, wissen wir fehr gut“, heißt es im Communtqué, „wieviel diese Versicherungen in Wirklichkeit wert find. Hat nicht England zuerst die im Berliner Vertrag feterlih versicherte Integrität der Türkei durch die Beseßung Aegyptens verleßt? Gebeten, der Türkei während des Balkankrieges beizustehen, hat England im Gegenteil alles getan, um den Untergang der Türkei herbeizuführen. England bereitete mit Hilfe der Brüder Buxton und anderer dem Jslam feindlih gesinnter Leute die Vereinigung der Balkanstaaten vor und entfaltete nah Beendigung des Krieges allen Eifer, um die Abtretung aller Gebiete der europätschen Tiünket an die Balkanstaaten zu sicheun, Damals wie vor dem Kriege erklärte England,

d.

daß, wie immer der Ausgang des Krieges sein möge, die territorfale Ur versehrth-it der T ufkei geachtet werden würde. Gelegentlich der Wiedereinnahme Adrianopels durch die türkischen Truppen trug Asquith keine Bedenken, die Türkei mit europäishem Pulver zu bedrohen wenn die türkfischen Truppen diese Stadt niht räumen

' würden.“ Das Communiqué weist auf die engli\chen Machen -

schaften im Perstihen Golf hin, die den Zweck verfolgt hätten, die türkiide Souveränität in diesem Solf zu beeinträchtigen und ih ein Einfallstor in Arabien zu s{hzffen, nah dem es England schon seit langer Zeit gelüstet habe. Aber alle dieje Versuche seien gescheitert. Heute erböben fch alle Führer der Araber, die England zu gewinnen suchte, wie ein Véann, um die ob sten Jateressen des Islam unter dem Banner des Sultan Khalifen zu vertetdigen. Setner feindseligen Politik stte1s getreu, habe England alle Neformbemühungen der Türkei durch- freut. Der Deutsche Kaijer all-in, der diesen übelwollenden M chen- chatten keine Nehnung getragen bätte, habe Liman Pascha mit der Neorganiiation der Armee beau'tragt, die heute den briii\chen Streit- fräften die Stirn biete. Um den antimuselmaniichen Charakter der englishen Poliif zu erhärten, verweist das Communiqus auf die englische Politik in Marokko und Persien und erinnert an die im Unterhause gefallenen Worte Gladstones gegen den Koran, daß nämli, so lange dieses verfluhte Buch auf Erden ertitieren werde, die Welt keinen Frieden kennen werde. Seit einem Fahrhundert habe England alle Mittel angewendet, um alle musel- manishen Staaten aus der Liste der freien Länder zu streichen, um tür feine gierigen Kaufleute Ausbeutungsfelder zu \schaffen. _Das Communiqué \{chließt mit den Worten: „Danken wir dem Herrn, deß er uns Gelegenheit gegeben hat, die höchsten Interessen des Fflams siegreich zu verteidigen gegen seine unversöhnlichen Feinde, gegen England, Frankrei, Rußland.“

Bulgarien.

Die offizióse „Narodni Prawa“ bespricht die Strömungen unter den Parteien für eine der friegführenden Gruppen und betont, daß in einem Punkte unter allen Parteien vollste Ein- mütigkeit herrsche, nämlich, daß die Hauptbedingung für die aktive Parteinahme Bulgariens zugunsten einer Der Gruppen sei, daß die vollste Bürgschaft für Erfüllung der nationalèn Jdeale Bulgariens geboten werde. Alle Parteien seien sich darüber einig, daß, wenn nah Erschöpfung aller fried- lichen Mittel Bulgarien zu einer Aftion gedrängt würde, dies nur im Einvernehmen mit jener Mächtegruppe geschehen tönnte, die mit der tatsächlichen Verwirklichung der nationalen Jdeale des bulgarischen Volkes im voraus einverstanden sei.

Amerika.

Der englische Botschafter Spring Rice hat dem „Reuter- schen Bureau“ zufolge dem Staatssekretär Bryan mitgeteilt, daß Jtalien, als es den Kupferexport verbot, die Durch- fuhr durch italienishes Gebiet nicht aufgehoben habe. Groß- britannien fühle sich infolgedessen gezwungen, Schiffsfrachten von Kupfer nah Jtalien aufzuhalten, wenn es keine Sicherheit habe, daß sie für den Verbrauch in Jtalien oder die Durchsuhr nach der Schweiz bestimmt seien.

Asien. :

Den Fetwas der Ulemas von Neds\chef wird große Bedeutung zugeschrieben, denn nach diesen Fetwas mujjen alle Schiiten, also die Perser und alle übrigen Muselmanen in Asien, an dem Kriege teilnehmen. E

Die deutsche Kolonie von Täbris, die sih auf dem Wege nah Teheran befand, ist, wie „W. T. B.“ meldet, von russishen Streitkräften angegriffen und mit Frauen und Kindern aufgehoben worden, um na chch Nu ß land in die Gefangenschaft vershleppt zu werden. Ver suche von deutscher Seite, die persische Regierung zur Befreiung der Gefangenen zu veranlassen, wurden durch die Furcht der Perser vor den Russen vereitelt. Hilfe, die von dem Emir von Sendjan erbeten wurde, traf zu spät ein. Bei der persischen Negierung und dem amerikanishen Gesandten in Teheran wurde energisch Einspruch gegen den durch die Vershleppung der Frauen und Kinder begangenen erneuten Bruch des Völkerrechts eingelegt. Der deutsche Konsul wurde mit seinem Archiv durch das recht zeitige Eingreifen der amerikanischen Gesandtschaft vor den Rufen gerettet.

Afrika.

Das „Reutershe Bureau“ verbreitet aus Prätoria folgende

iche Meldung: L L E Kak es zu einem bißzigen Gefecht außerhalb von Kroonstad, wo die Buren sich jeit zwet Tagen in starker An- zahl angesammelt hatten, offenbar, um die Stadt anzugreti!en. Der Oberst Manie Botha griff die Buren zwölf englische ‘Meilen von der Stadt mit zweihundert Wann an Die Buren, 400 Mann stark, durchbrahen Bothas Stellung, zogen sich jedoch vor ankommenden Verstärkungen zurück. Ste verloren etnen Loten, sieben Verwundete und sieben Gefangene, Botha hatte zwei Verwundete. Am 10. d. M. bekam Botha 30 engli\che Meilen tütw \tlich von Kroonstad aber- mals Fühlung m t den Rebellen und machte 10 Gefangene, darunter Hendrick Serfontein, Mitglied der Geseßgebenden Verjammiung der HOranjefluß-Kolonie. ; :

Derselben Quelle zufolge hatte leihte Kavallerie aus Natal an der nordwestlihen Grenze der Kapkolonie bei Maraisvlei ein Scharmüßel mit einer kleinen Abteilung Aufständischer unter Stadler, die sich vor ihr in der Rich- tung auf Schuitsdrift zurückzog.

Kriegsnachrihhten.

Westlicher Kriegsschaupla b. /

Großes Hauptquartier, 13. November, Vormittags. (W. T. B.) Am YMer-Abschnitt bei Nieuport brachten unsere Marinetruppen dem Feinde \hwerste Ver- luste bei und nahmen 700 Franzosen gefangen. Bei den gut fortschreitenden Angriffen bei Ypern wurden weitere 1100 Mann gefangen genommen. A S

Hestige französische Angriffe west li h und östlich Soissons wurden S C ebn Verlusten für ie Franzosen zurückge]chlagen. s j A E Oberste Heeresleitung.

Oestlicher Kriegsschauplaß. / Großes Hauptquartier, 13. November, Vormittags. (W. T. B An der ostpreußischen Grenze bei Eydtkuhnen und südlich davon, östlih des Seenabschnittes, haben sich erneute Kämpfe entwielt; eine Entscheidung ist n o ch nicht gefallen. Oberste Heeresleitung.

Wien, 12. November. (W. T. B.) Amtlich wird bez fannt gegeben: Außer dem siegreichen Reiterka mpf bei

| Kosminek gegen ein russishes Kavalleriekorps fanden gesteru

auf dem nordöstlichen Kriegsschauplaße keine größeren Ge- fehte statt. Feindlihe Auffklärungsabteilungen, die unsere Bewegungen erkunden wollten, wurden abgewiesen. Bei Durch- führung ‘der jeßigen Operationen erweist sih neuerdings die be- währte Tüchtigkeit und Schlagkraft unserer Truppen. Der stellvertretende Chef des Generalstabes : von Hoefer, Generalmajor.

Südlicher Kriegsschauplaß.

Wien, 12. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge- meldet: Unter fortwährenden Gefechten mit feindlichen, in vor- bereiteten Stellungen eingenisteten Nachhuten wurde gestern die Verfolgung auf der ganzen Front fortgeseßt und im allgemeinen die Linie der. Höhen östlih Dsetschina—Nakut- \{hani—Novo-Selo an der Save erreicht. Der Gegner ist im vollen Rückzuge gegen Kotscheljeva und Valjevo, wo nach Meldungen unserer Flieger viele Tausende von Train- fuhrwerken alle Kommunikationen verlegen. Außer der gestern gemeldeten Kriegsbeute wurden neuerdings vier Geschüße, vierzehn Munitionswagen, eine Munitionskolonne, mehrere Munitions- und Verpflegsdepots, Trains, Zelte und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet. Zahlreiche Gefangene, deren Anzahl noch nicht bekannt is, wurden gemacht.

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 12. November. (W. T. B) Nach Mitteilung des Hauptquartiers gelang der türkischen Armee der Angriff auf die russishen Stellungen, der gestern früh begann, vollkommen. Die Russen konnten sich in ihrer zweiten Linie kaum anderthalb Tage halten. Die eingelaufenen Nachrichten besagen wörtlih: „Der Feind wurde mit Gottes Hilfe gezwungen, seine Stellungen zu räumen. Er weicht auf der ganzen. Front zurück und wird von allen Seiten verfolgt.“

Konstantinopel, 12. November. (W. T. B.) Wie „Terdschuman-i- Hakikat“ meldet, hat ein türkishes Motor- boot bei Abadan in der Nähe der Mündung des Schatt-el- Arab ein englishes Kanonenboot beschädigt und dabei vier Mann der Besazung getötet. Ein anderes türkisches Motorboot, das vor dem Hause des Scheiks von Kuweit, Mubarek el Sabach, auf Beobachtungsposten lag, hatte mit einem englishen Kanonenboot einen Kampf, in dem dieses ernstlich beschädigt wurde und später sank. Nach ergänzenden authentishen Nachrichten über die Einnahme des Forts El Arish haben Angehörige der eingeborenen Stämme mit eigener Hand die englishe Fahne entfernt und der von den fiegreihen Truppen aufgepflanzten ottomanischen Fahne die Ehrenbezeigung geleistet, indem sie ih zu Boden warfen. Die Stämme gingen dann nach allen Richtungen auseinander und riefen: „Möge Gott unserem Sultan den Sieg verleihen!“

Parlamentarische Nachrichten.

Das Mitglied des Herrenhauses von Buch-Stolpe, Schloßhauptmann von Schwedt, Ritterschaftsdirektor und Fideikommißbesißer, ist am 11, d. M. in Stolpe a. d. Oder gestorben.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Statistik der allgemeinen Heilanstalten Preußens Ur das Jahr 1952;

Nach einer in der „Stat. Korr." gegebenen Uebersicht umfaßte die preußische Krankenhaussta!istik im Jahre 1912 2352 allgemeine Heil- anstalten. Während die Zahl der Betten und Verpflegten gegen das Vorjahr wieder eine Zunahme erfahren hat, ist die der Anstalten un- verändert geblieben, wobei indes zu berücksichtigen ist, daß es ch nicht genau um die gleihen Anstalten handelt, da im Laute des Jahres stets Anstalten eingehen und neue hinzukommen. Die ort\chritte der modernen Hygtene, das Inkrafttreten der fozialen Geseßgebung, der Wettetfer der Kommunen, das wachsende Zutrauen der Bevölkerung zu der Aprstaltsbehandlung bewirkten insbesondere die Steigerung der Zahl der Anstalten, die 1877 nur 888 betrug, auf ihren heutigen beachtens8werten Stand.

Die Zahl der im Jahr behandelten Personen ist im Zeit- raume von 1877 bis 1912 von 206 718 auf 1 457 516 oestiecen, denen im Berichtsjahre 171 402 Betten = 41 73 auf 10000 Einwohrver zur Verfügung standen (im Jahre 1911 41 06). Ueber den Staats- durhichnitt girg diese Ve hävniszahl in 12 N-gierungöbezirken und dem Stadtkreise Berlin hinaus, unter ihm blbb sie in 24 Re- gterungsbezirken Wie im Vo'jahre war auch 1912 das Verhältnis am günstigsten in Cöln mit 79 59 (80,15), dem sih Münster mit 72,86 (74,67) anreibt. Dann folgen Arnsbera, Breslau, Berlin, Düsseldorf, Hildezeheim, Minden, Koblenz, Osnabrück, Wiesbaden mit 58,37 bs 50 69, Aacben und Trier mit 44,63 bezw. 43,71, Potedam, Königsberg, Aurich, Danz!g, Liegn'ß, Sigmaringen, Hannover, Magdebura, Cassel, Stet1in, Schieswig, Stral]}und, Erfurt mit 39,37 bis 31,01, Oppeln, Merseburg, Frankfurt, Lüneburg, Pojen, Köslin, Marienwerder mit 26,68 bts 22,00, während die Anstalten der übrigen Bezirke nur 19,85 (Allenstein) bis 1712 (Stade) Betten auf 10 000 Einwohrer besaßen.

Für \ämtliche Arstalten im Staate kamen im Jahre 1912 auf 1 Bett 8,50 Verpflegte. Die Verpflegungsdauer der Kranken in den allgemeinen Heilanstalten betrug im Staatsdurch!chnitt 28 3 (im Jahre 1911 286) Tage. Von je 1000 Behandelten litten an Insektions- und parafitären Krankheiten 206,09 (21459 im Vorjahre), an K'ankheiten des Verdauungsapparates 136 37 (136,17), an Verleßungen 12416 (120,52), an Krankheiten der äußeren Bedeckungen 97,00 (104,89), an jolhen der Atmungsoraane 76,33 (7274), an solhen der Bewegungsorgane 6914 (65,18), an allgemeinen Krankheiten 64,2 (6489), an Krankheiten der Harn- und Geshlechtsorgane 63,90 (61 69), an folhen des Nerven- systema 52 96 (53,31), an folhen der Kreislauforgane 35 34 (34,01), an Gntwicklungskrankheiten 33 45 (31 50), an Krankheiten der Augen 17,37 (17,00), an solchen der Ohren 12,15 (11,74), an anderen sowte unbe- stimmten Krankheiten 11,33 (11,69).

Die Zahl der 1912 in den allgemeinen Hellanstalten Gef or- benen betrug 83 686 (46 327 männlihe vnd 37 359 weibliche) Per- sonen, während sie sh im Staate überhaupt auf 636 303 (328 807 männliche und 307 496 weibliche) stellte. Es sind demna von je 1000 in der Bevölkerung überhaupt Gestorbenen 131,52 (140 89 männ- lihe und 121,49 weibliche) in den Heilanstalten der Krankheit erlegen.

Wohlfahrtspflege.

Am Donnerstag, den 3. Dezember, Nachmittags 6 Uhr, findet eine Haup!1vorstandsstzung des „Neichsverbandes zur Untero üßung deutscher Veteranen“ (E, V ) in der Geschäf \6- stelle: Potédamer Straße 126, 11, statt. Die Mitgiieder des Haupt- vorstands werden hiermit zur Teilnahme elnge!aden,

G-V e eva

Vormundschaft und Iugendgerihtshilfe.

Die Veranstaltungen für körperlihe Stählung sowie für Unter- richt, Ausbildung und Unterhaltung der s{hulentlassenen Jugendlihhen vermehren si andauernd, ja gerade die Kriegszeit hat eine noch plan- mäßigere Betätigung auf diesem Fürsorgegebiet hervorgerufen. Der Erwach'enen Beispiel von Hingabe und Mitarbeit für die nationale Verteitigung bewegt auch die jugendlichen Herzen und stäukt in ihnen den Betät'gung: trieb. Die Zahl der unbeaufsichtigten und der un- beschäftigten Jugendlihen wird daher immer geringer. JInfolgedessen dinfte auvch die Zahl jugendliher Verbrecher herabsinken. Aver wer die Zukunft im günstigen Licht erblickt, darf für die Verhältnisse der Gegenwart nicht gieihgüllig jein. Noch haben leider die Gerichte vielfah über Untaten Jugendlicher zu entschei-en, und es darf daher die Mitbilfe auf dem Gtbiete der Jugendgerichtsbilfe nit erlahmen. Namentlich an die Vormünder jugendlicher Personen tritt gegen- wärtig diese Pflicht \härfer heran als vor dem Kriege, denn der große Viehrbedarf an Helfern und Helferlnnen für alle Zweige der Kriegs- fürsorge kat den Bestand an Helfern für aligemeine Fürforgezwecke erheblich vermindert. Worauf es in der Jugendgerichtshilfe und bei der Schußtzauisicht für jugendlihe Mündel besonders ankommt, sagt der Amtsger'chtép1äsident Dr. Be cker in einem Rundschreiben des „Verbandes für Jugendbilfe*“, tas im Oktoberheft 1914 des Ver- Ban „Jugendhilfe“ abgedruckt ist. Hier wird u. a. aus- geführt :

„Die Tätigkeit der Jugendger|ichtshelfer findet ihre hauptsächlichste Bedeutung in dem Gutachten, das für die weitere Sachbehandlung die Unterlage abgeben soll. Diescs Gutachten hat ein Doppeltes zur unbedingten Voraussezung. Einmal muß der Helfer der Haupt- vérhandlung mitbeiwohnen, um ihr Ergebvis in richtiger Weise beurteilen und wiedergeben zu können. Zum andern muß aber eine Erfundung der persönlichen Verhältnisse und der vorhandenen Er- ziehungsbedürsfnisse und -möglihke'ten in der Familie des Jugendlichen vorangegangen sein. Dazu bietet die den Helfern ron der König lihen Staateanwaltschaft und dem Jugendr-chter gern gestattete vo: herige Akteneinsicht die jahlihe Vorbereitung. Indessen hieran hat fich die eigene Orientierung im Kreise und in der Umzebung des Jugendlichen anzus(ließen. Fehlt leytere, |o mangelt zugleih dem Gutachten die wertvollite Unterlage zu einer sachlich zutreffenden Be- urteilung. Es ift daher dringend zu bitten, daz die Jugendgerichts- helter diese vorbereitente Tätigkett niemals außer acht lassen und auf ihr Ergebnis besonders verweisen. Sofern dies im Einzelfalle nicht möglich gewesen sein sollte, muß das Fehlen persönlich:r Erkundung bejonders bemeikt werden.“

Kunft und Wissenschaft.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 5. November cine Gesamtsißung unter dem Vorsiß ihres Se- kretars Herrn Planck. Herr Schwarzschild legte durch Herrn Cinstetn etne Üntersuhung über Diffusion und Absorption in der Sonnenatmosphäre vor. Es wird berechnet, wie sich die Intensitätsverhäitnisse im Sonnen|\pektrum vbvn der Mitte nach dem Nand der Sornenscheibe ändern, menn die Sonnenatmo}|phäre das Licht st1eut, ohne es zu absobieren. Die Ergebnisse werden mit Messungen an den Kalziumlinien H und K verglihen; ferner eine zweite Un*ersuhung: Ueber die Verschiebungen der Bande bei 3883 À im Sonnenspektrum, Die Wellenlängen von Linien der Stickitoffbande bei 3883 A, die im Sonnenspektrum auftritt, wurden für ver\hiedene Punkte der Sonnen|cheibe mit den entsprehenden irdishen Wellenlängen verglihen. Es ergab sich etne kleine No1vershiebung der Sonnenlinien, die in der Hauptsache dur etne abstetgende Bewegung des die Fraunhoferschen Linten erzeugenden Stick\toffes von 03 km/sec erklärt werden kann. Diese und die sonst bieher vcröffentlihten M: fungen an nien anderer Stoffe geben eine gewisse Wahrschetnlichkcit gegea die Eristenz der von Herrn Einsteins Gravitationstheorie geforderten allge- meinen Notverschtebung der Linien im Sonnenrspektiuum. Herr Hellmann sprach über die Verteiiung der Nieder- \chläge in Norddeutschland. Auf &rund 20 jähriger Beobach- tungen von 2647 Stationen sind Jahres- und Monatsregenkarten der preußtschen Provinzen entwor en worden, welhe zum ersten Male ge- statten, die räumliche und zeitlihe Verteilung der Niederschläge in Norddeu!shland eingehender zu st dieren. Als mittlere jährliche Nieder- \chlaasböhe ergibt fih für ganz Norddeutschland 638 mm. Posen ist mit 509 mm die ticdckenste, Westfalen mit 807 mm die reg nreihste Provinz. Die größte Ntiederschlagsmenge (1700 mm) fällt auf dem Gipfel d:s Brocken und im obersten Tal der Steber (Harz), die kleinste (420 mm) im Kreise Hobhensalza und im Kulmer Land. Die tahreszeitlibe Verteilung der Nieder)|chläge führt zur Aufstellung ver- \chiedenec Typen und wird durch eine Karte erläutert; die Jahres- amplitude wird er\tmalig durch Linien gleiher Schwankung detailliert dargestellt. Vorgelegt wurde der neu erschienene 26. Band der Politischen Korre)poudenz Friedrichs des Großen (Berlin 1914).

Um der Zeitstimmung gerecht zu werden, veranstaltet das Königliche Kupferstichkabinett eine Ausstellung von deutschen

Bildnisjen aus vier Jahrhunderten. Den glänzenden Anfang bilden die Darstellungen groß-r Vlänner von der Hand großer Meister. Dürer ist mit dem markigen, tn Holz ge|chnitienen Selbstbildnis verireten, - dessen {arf umrissenes Piofil mit der ges{wungenen Adlernase die herbe Männlichkeit seines Wesens besser wider- \spiegelt als das berühmte idealisierte Selbstbildnis der Münchener Pinatothek Sein großer Holzshaitt des Kaisers Péaximilian vom Jahre 1519 und scine betden feinen gestohenen Bildnisse des funstfreundlihen Kardina!s Albreht von Brandenburg sowie der späte herrlihe Charakterkopf des Uirih Varnbüler schließen si an. Die Persönlichkeit des Humanisten Gratmus von Rotterdam findet man iu zwietaher Auffassung vor. Dürer schildert ihn in dem Stich vom Jahre 1526 in ih gekehrt beim Schieiben, Holbetn zeigt ihn stehend tn ganzer Figur von üppigem Benaissancezierwerk umrahmt. Künstlerisch und kunsthistorsch in gleiher Weise bedeutend ist der Stich Karls V. von Barthel Beham, von dem das Kupferslich- kabinett alle vier Zustände besißt. Betonders in dem feinen ersten Zustand kommt die wundervolle Durchbildung des durchgeistigten Antlizes gut zur Geltung. Ene Rithe sorgiam ausgetührter Bild- nisse von den sogenannten Kleinmetstern schließt fih an; meist sind es Fürsten und Kiiegshelden, die hier im Bilde wiedergegeben sind. Mit dem geschabten Blatte des Kaiseis Ferdtnand 111. von Ludwig von Siegen tit im 17. Jahrhundert eine neue Technik auf den Plan. Das Blatt tj in künstieri]her Beziehung recht \{chwach und cbenfo belanglos find die metsten anderen Bildnisse, die im 17. und zum Teil im 18. Jahrhundeit geschaffen werden. Es gibt keine großen deu1shen Künstler, die den bedeutenden Persfönlich- keiten dieser Zeit im Bilde gerecht werden könnten. Das Barolblatt des Stückgießers Johannes Jacobi von Joh. Georg Wolffgang ist in jeiner breit ausladenden wirkungsvollen Aufmachung eine vereinzelte gute Leistung. Das VBildnts des Gionen Kur- fürsten von Ph. Kilian und das geshabte Porträt Friedrichs des Großen von Friedrich Bo ck sind Werke, die über äußerltch wahrnehmbare Eigentümlichkeiten der Dargestellten niht hinaus- kommen und keire tiefer \chürfenden fkünstlerishen Schöpfungen. Eiwas befser wirken die Bildnisse Friedrichs des Großen von den Stechern Wille und Bause, wie überhaupt mit dem Auftreten von Joh. Georg Wille, Daniel Chodowieckt, Georg Friedrich Schmidt und Joh. Friedrich Bause die Kunst des Kupfer stiches wieder bessere Pflege findet. Die Bildnisse dieser Künstler, unter denen Bauses Christiane Regina Böhme he: vorragt, sind recht reizvolle Werke, die bei aller lä\sigen Anmut sih durch handwerklihe Tüchtig- keit auszeichnen. Jm 19. ahrhundert ist es vor allem Franz Krüger, der eine nette, gefällige Aufmahung mit gediegyener Gründ- lichkeit zu verbinden weiß. Der Steindruck wird j ut die herr)chente Technik. Der Wiener Joseph Kriehuber versteht es, mit dieser Technik vielfahz malerische Wirkungen zu erzielen, und seine weite,

gefällige Art, die das Süßlihe immer noch knapp | vermeidet,

macht ihn zum bevorwugten Darsteller weibliher Schönheiten, Aus der Fülle der Bildnisse des 19. Jahrhunderts seien noch der Steind'uck nah Stielers Goethe-Bild vom Jahre 1828, in dem das boheltêvolle Wesen seiner Persönlichkeit \o klar zutage tritt, sowie Franz Kuglers Steindruck „H-gel“ erwähnt, das den lehrenden Philosophen am Pult inmit'ien seiner Schüler ze‘gt. Wahrhaft be- deutend wirkt der Schelling-Kopf von Simon Kloß; Hosemann v-rieugnet sein bhumorvolles Wesen -auch bei ter Darstellung „Friedrich Wilhelm 111. in derx Loge“ nit, von dem er nur den Kopf zeigt, während der übrige Körper hinter dem Logenvorh 'ng verborgen bleibt. Fn der zweiten Hältte des 19. Fahr- hunderts fa- den nicht immer die groß-n Persön!lichle!it-n einen ent- sprehenden Darsteller. Das Richard Wagner Blatt, eine Radterung Hubert von Herfomers, tit zum Beisptie! eine unbedeutende äußerlihe Leistuna. Immerhin ist es eine glückliche Fügung, daß wertgstens dem hohbegabten Nadierer Stauffer-Bern ein paar große Männer saßen: Menzel, Konrad Ferdinand M. yer, Gustav Freytag und Gottfried Keller, dessen versonnenes Wesen in einem s{önen Bildnis festgehalten it. Unter den Arbeiten Véax Liebermanns fällt die RNadie: ung „Wilhelm von Bode“, eine frische, lebensprühende Schöpfung, angenehm auf. Die unverhältnismäßig große Radierung Fer dt- nand Shmußzers von Sr. Majestät dem Kaiser und König ist nicht nur in technischer Beziehung eine erstaunlihe Leistung, fie ist zugleich ein übèrzeugend wtifendes, eindruckeyolles Bildnis das dieser Ausstellung einen würdigen Schluß verleiht. E

Die Galerie Eduard Schulte hat eine neue Ausftellung er- öffnet, die außer einer großen Sammlung des zurzeit als Schlachten- maler im Felde steh-nden Professors Hans von Hay k-Dachau nohch eine Sammlung von Motiven aus Paris und Umgebung von Richard Bloos-Düsseldorf und etne Sammlung von Figurenbildern Bildnissen vnd Landschaften von Eugen Spiro- Berlin enthält. Ferner sind Werke von Walter Bertelsmann Worpswede, Emmt Frühling München, Alfied Hamacher - Berlin, Pretessor Fr. Klein-Chevalier. Berlin, Professor Heinr. Neiffersheid- Wannsee und Professor Heinr. von Zügel-München ausgestellt.

- Land- und Forftwiriszaft.

Die Weizenfrage in Krieg und Frieden.

Die Fläche, die mit Weizen bestellt war, beltef fich auf der ganzen Erde auf rund 90 Millionen Hektar, von denen gegen 100 M'llionen Tonnen gewonnen werden. Von dieser Gesamtmenze wuchs etwas mebr als die Hälite in Europa, wo Rußland ter Haupt- erzeuger war, gefolgt von Frankreih, Ungarn und Italien. Jn Amerika wurde etwas metr als der vierte Teil der Gesamtmenge er- zeugt, und von diesem Biertel wieder fast drei Viertel in den Ver- einigten Staaten, der Nest zu zwet Dritteln in Ar. entinien und zu einem Drittel in Kanada. Auf Asien entfällt nur noch ein Achtel der Weizenerzeugung und dovon drei Viertel auf Indtey. Bezüglich der Erweiterung und Entwidcklung läßt sih das Gesetz erkennen, daß die Pflege des Weizenbaues in Ländern mit alter und hoch entwickeiter Landwirt)chast zurückgeht, in neuen Ländern dagegen und in alten, rüdckständig aebliebenen Gebieten, die jeyt erst mit einer Reform ihrer Booenwirt|haft beginnen, zunimmt. Der Weizen ift in gewissem Grade das, was man eine Pionterfrucht genannt hat, also eine Getretdeart, die man jungfräulidem Boden mit Vorliebe anvertraut. Daher kommt es, daß er in der trühen Entw!ctlung eines Landes eine verhälinismäßig größere Kolle spielt als später. Bet den älteren Kulturvölkern nimmt er dann einfach seinen durch die Erfahrungen vorge,eihneten Play in der Wechselwirtschaft mit anderen Feldfrühtien ein. In diefer Weise kann die Ent- wicklung notürlich nich! durch unbe\chränkte Zeiträume fortschrceiten, aber dem Weizenbau stehen noch recht bedeutende Flächen, die bisher ganz unbenußt geblieben find, zur Verfüguna. An klimatischen Be- dingungen verlangt er warme und sonnige Sommer und nicht zu viel Negen. (Es ist sogar geradezu erstaunlih, mit wie wenig Niedershlägen der Weizen auskommen ftann, wenn sein Anbau jonit in geeigneter Weise gepflegt wird. Bei günstigen Eigen\haften des Sommers bilden sogar strenge Winter fein besonderes Hindernis, obglei sie den Ectrag herabsetzen können. Vielleicht die wich igte rade beim Weizenbau ist die Züchtung und Festitellung geeigneter Rassen für die einzelnen Gebiete. Keine Feldfruht kann in großem Stil erfolgreih ge- baut werden, wenn sie nicht den örtlihen Bedingungen genügend angepaßt ist, ferner den in dem betreffenden Gebiet vor- handenen Krankheiten binrei@end widersteht und s{ließlich zu einem angemessenen Preis auf den Markt gebracht wird. Die Auêwabl der geeigneten Nassen geschieht gewöhnlih in der Weise, daß der Rethe nah eine Anzahl verschiedener versucht, und aus dtesen dann die den besten Erfolg versprehznde ausgesucht wird. Diese läßt ih dann meist noch weiter verbessern Von den Weizenkrankheiten is der Rost eine der s{chl'mmsten. Jn seiner Bekämpfung hat die biologische W senschaft Vorzügliches geleistet, und es scheint jeßt nur noch eine Frage der Zeit zu sein, daß man Vaietäten gezüchtet haben wird, die gegen den Rost gefeit sind. Die Verkäuflihkelt des Pro- dukts auf dem Markt endlih ist eine Frage, die selbstverständlih \hwer in allgemeingültiger Weise zu behandeln ist. Heute verlangen die Müller mehr einen „harten“ Wetzen, der ein „starkes“ Mehl gibt und zahlen auch mehr dafür, ohne daß ein Bewets dafur geliefert wäre, daß solcher Weizen mehr Nährw.rt besigzt. Der Grund ist, daß man damit größere Brote aus derselben Menge herstellen kann, weil dies Mehl besser aufgeht. Außerdem ist auch das Gewicht des fertigen Produkts größer, weil das Mehl mehr Fenchtigkeit zurückbehält als das sogenannte „\chwache* Mehl. Ehe nicht aus andern Gründen für \{chwaches Vehl eine besondere Verwendung gefunden sein wird, die fich eine Abnahme zu erzeingen vermag, muß sih der Landwirt mehr oder weniger nah der Art der Nachfrage rich'en. Die wissenschaftiihe Untersuhung, worin eigentlih bie Eigen\scha'ten' des ftarken Meh!s bestehen, ist merk- würd'gerwetse durchaus noch niht abges{hlossen. Soviel aber steht fest daß dieje Eigenschaften der Weizenpflanze erblih sind, und dadurch scheint auh die Möglichkeit gegeben, durch weitere Kreuzung Spiel- arten zu gewinnen, die außer dieser noch andere Tugenden besißen. Wie die Sachen heute \tehen, liefern die verschiedenen Länder sebr ver\shtedenartige Grzeugn!}e. So is es England noch nicht gelungen, ein genügend ftarkes Mehl zu erzielen, sodaß wenige Bäcker es wagen würden, Brot aus englis@an Weizen allein herzustellen. Aus dlteser Tatsache geht zur Genüge hervor, welch ungemeine Bedeutung diese Verhältnisse und ihre für die Zukunft zu erwartenden Ve!besserungen haben, denn die Weizeneinfubr, die England benötigt, wird abgesehen von der unzureih: nden Menge des eigenen Produkts zu einem Zwang auch durh dessen unzulänglihe Beschaffenheit. England deckt nur den fünften Teil seines Weizen- bedarfs aus eigener Erzeugung, sein Wei:enertrag ist soaar îm leßten Veerteljahrhundert nicht Ubt zurückaegangen. Während 1885 noch 10 Millionen Quarte1s (je etwa 3 Hektoliter) erzielt wurden, waren es 1912 nur noch 8 Millioven, wobei de Ernte von 1912 eine der besten seit vielen Jahren gewesen ist. Die gesamte Einfuhr an Weizen wird auf 274 Millionen Quarters an- gegeben, sie kam hauptsählio aus Indien, demnähst aus Kanada, dann erst aus den Vereini,ten Staaten, Argen- tinien, Austrälien und Rußland. Den Engländern gerethte die Tatsache, daß die Weizeneinfuhr aus Indien und Kanada sh in den lezten Jahren fo gehoben hat, daß fie die Vereinigten Siaaten und Argentinien aus der ersten Stelle verdrängt hat, zur großen Freude sien sie thnen doch die sichere Versorgung thres Landes mit Weizen auch tm Fall eines Krieges zu verbürgen. Doch haben die leyten Ereignisse wir nennen nur die Seeshlaht an der chilenishen Küste deutlih gezeigt, daß die unbestrittene Seeherr- \ckaft, die'e Vorbedingung der sicheren Einfuhr aus Indien und Kanada, keineswegs so unbedingt ist, wie England geglaubt hat.

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