1914 / 270 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 16 Nov 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Kunst und Wissenschaft.

Das Kunstgewerbemuseum hat jüngst eine Anzahl von mittelalterlihen Bronze- und Messinggeräten erworben, die in anna ster Beziehung von Interesse sind. Man kann unter den Gteßgefäßen, die im Mittelalter zu Handwaschungen im häuslihen und firchlihen Gebrau dienten, Gefäße in Tterform und solche, die menshlide Köpfe und Brustbilder darstellen, unterscheiden. Jene gehen nahweisbar auf orientali\he Vorbilder zurück, während diese eine retn abendländishe Form sind, bei der vtelleiht ein Nach- leben oder Wiederautleben antiker Bronegefäße vorliegt. Deutsche Kopfgefäße wurden {hon im 12. Jahrhundert angefertigt, a!s die Tierkannen noch deutlich unter islamishem Einfluß standen. Wahr- scheinlich hat die in jenem Jahrhundert zunehmende Beliebtbeit der Reliquiengchäuse aus Bronze in Kopfform am meisten dazu bei- getragen, daß die Erzgießer die Kopfrorm auch für Gießgefäße ver- wendeten, obwohl fie für den Gebrau als Handwaschkannen weder besonders jwedmäkiq noch sonst begründet war. Die Kopfkannen sind im Verhältnis zu den häufigen Tiergefäßen auch recht selten ge- blieben, Unter den Neuerwerbungen des Kunstgewerbemuseums befindet sich, wie im Novemberheft der „Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen* mitgetetit wird, ein 17 cm hohes Kopfge/äß, das aus der Kirche von Riethnordhausen am Kyff- häuser stammt und die freie Bearbeitung eines im Museum von Hermannstadt befindlihen Mannskopfes ist. Der Kopf erhebt si aus einer runden, auf dret Füßen stehenden Schale, deren Rand mit dem Hinterhaupt durch den Handgriff verbunden ist; aus der Stirn ragt das Gießrohr des Gefäßes. Freie Wiederholungen solcher Gefäße find häufig; ja es mögen mandhe Modelle durch Geschlechter in einer Gieße:familie fh erhalten haven. Da die Gefäße aber durch Wachëguß herge"tellt wurden, wurde jede Wiederholung immer wieder von neuem freihändig modelliert, sodaß ih wirkithe genaue Nachgüsse nit finden. Alle unveränderten genauen Wiederholungen tefanüter Modelle, die im Kunsthandel häufiz umgehen, sind Fälshungen aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Nach Form und Aus)übrung ist das Niethnordhausener Stü etwa in den Anfang des 13. Jahrhunderts zu seßen. Viel seltener als für Gießgefäße sind die Tierformen in der Erzgteßerei für Leuchter verwendet worden, vermutlih, weil eine zweckmäßige Verbindung des Kerzenträgers mit dem Tterkörper nicht leiht zu finden war. Zu den Neuerw?rbungen des Kunstgewerbe- museums gehören zwet derartige Leuchter: ein Löwe von ziemlih romaniscer Haltung und ein Hund in der Stilisierung der mittleren Gotik des 14. Jahrhunderts. Der Kerzenträger wächst bet den Tieren aus dem Nüccken empor. Die Tierleuhter sind der Standfestigkeit halber massiv gegossen; im übrigen ist thre stilistishe Durchbildung von derjenigen der Wafjergefäße niht vershieden. Beide Sorten Ge- fäße scheinen aus den glelhen Gießwerkstätten hervorgegangen zu sein, denn dasselbe Modell ift zuweilen )owohl als Leuchter wie als Gießgefäß erhalten. Die Heimatsfrage dieser Bronze- und Messfingg: fäße, die echte Meister- oder Ortsbezeihnungen nicht tragen hat man bisher nit genau untersucht; man hat fi vielmehr meist mit dem allgemeinen Hinweis auf die im Mittelalter bedeutende und, fünstlerisch boch“ebhende Messingindusir e im mittleren Maaegebiet begnügt, deren Erzeugn!sse nach dem Namen eines Hauptbetriebsorts als Sin@nderien zusammengefaßt werden. Einige feine romanische Stüccke mêgen auch in Dinant hergestellt sein, die große Mehr- zahl der T'ergefäße des 14. und 15. Jahrhunderts zeigt aber mit den gleichzeitigen Messinggußstücken der Maas und Flanderns keine Verwandtschaft. Sie seben meistens viel altertümlicher aus und {chetnen unter romanishem Einfluß zu stehen, während die flandrishen Gelbgußwerke dem Zeitstil folgen und gotishe Züge aufweisen. Ist e: festgestellt, daß diese Handgefäße mit der höher stehenden zeitgenössichen Erzgießeret der Niederlande nih!8 zu schaffen haben, so kann als ihre Heimat nur Deutschland in Frage kommen, wo ja au die große Mehrzahl der Meessingbeckten entstanden ist, die ursprünglich zu den Gießzefäßen ge- hörten. Als engere Heimat weisen mehrere Umstände nah Nord- deutschland. Die größte Sammlung von Handwassergefäßen im Dänischen Nationalmuseum z. B. stammt aus \{!eëwig-holtneinishen und ffandinavisben Kirchen; auch in Meckienburg und in nieder- elbisden Gotteéhäufern hat man folde Gefäße vielfa gefunden. Das sind dieselben Gebiete, die vom 13. Jahrhundert an eine sehr reibe Zabl von Erztaufbeden und Kirchenleuhtern aus Messing von einbeimts{er Arbeit aufzuweisen haben.

Die Königlih Bayerische Akademie der Wissen- \Gaften hat in ibrer am Sonnabend abgehaltenen Jahressitzung, der auch Seine Vtaj-ftät der König beiwohnte, die Professoren Will - stätter, Nubner, Hinze und Troeltsch von der Berliner Unt- versität zu Torrespondierenden Mitgliedern g?wähßlt.

Verkehrswesen.

Durch Vermittlung der Postbehörden können den Kriegs - gefangenen mit dem Umweg über neutrale Länder Fünf- ktilopaïtete übersandt werden. Es wird auf diese Gelegenheit im Hinblick auf Weihnachten aufmerksam gemacht. Nähere Auskunft erteilen die Postbehörden.

Die Briefsbestellung in Brüssel muß vorläufig dur deuties Personal auêgefübhrt werden. Ste wird fehr ershwert da- dur, daß auf zablreihen Sendung-n die nähere Adresse nit oter nur mangelhaft angegeben ist. Es liezt im Vorteil der Absender und Empfänger, wun bet allen Bricf endungen nach Brüssel, arch bei Sendungen an große Firmen, stets der Stadtteil, die Straße und die Hausnummer angegeben werden.

Theater. Königliche Schauspiele. Dienstag: Opernhaus. 174. AbonnementEvorstellung. : Bioletta. (La Traviata.) Oper | blâtter! in vier Akten von Giuseppe Verdi. Tert von Piave. Musikalishe Leitung: Herr Kapellmeister vou Strauß. Ncgie: Herr Oterregifseur Droesher. Anfang 74 Übr. | Straße.

und Willy Bredfchneider. Mittwoch: Geschlofsen.

fpiel in fünf Aufzügen von Paul Heyfe. | Schering. E Herr Oberregisseur Patry. Anfang | Mittwooch: Geschlofsen. 0 D _Mittwoch: Opernkbaus. Mittags 12 Uhr: Chorfouzertmatinee. Abends 7# Uhr: Konuzert des Königlichen Operuchors, Schauspielhaus. Geschlossen. -

Æreitag: Braud.

Bernauer und Schanzer.

Neinhardt.) Dienstag, Abends 7} Uhr: Mittwoch: Geschlossen.

ZBalleusteius Tod. Á Dees und Sonnabend: Wallea- einst im Mai. Freitag: Faust, L, Teil.

Kammerspie!e.

Kleinftädter. Garten.)

Donnerstag bis Sonnabend; Die | Der große uvd der kleine Klaus.

beutscheu Kleiustädter, Mittwoch: Geschlossen.

Berliner Theater. Dicnétag, Abends § Vhr: Extrablätter! Heitere Bilder | Afents: Der grofie und der kleine aus ernfier Zeit von Bernauer-S)avzer | Klaus,

Theater und Musik.

j Königliches Schauspielhaus.

„Kater Lampe“, eine Komödie in uter Akten des verstorbenen Neichstags8abgeordneten Emil Rosenow, die bereits im Jahre 1903 im Berliner Theater lhre Erstaufführung erlebt hatte, übte am Sonn- abend auch auf die Zuschauer des Königlichen Schauspielhauses ihre erheiternde Wirkung aus und fand lebha)ten Beifall. Die Fabel des Stückes hat Aehnlichkeit mit der des „Zerbrohenen Kruges" von Kleist, insofern, als es sich hier wie doit um Schadensersaß- an|prühe handelt, deren Beurteilung und Eintreibung von einer un- fähigen Dorfobrigkeit verlangt werden. Was aber Kleist in wunder- bar plastischer und gedrängter Form in einem Aufzug. vor unsern Augen entwickelt, das ist hier in vier, auch mehrfache Erinnerungen an Hauptmanns „Biberpelz“ erweckende Akte etwas breit auseinander- gezogen. Aber der ausgesprohene Sinn des Verfassers für Humor sowie für grotesk KFomisches sowie die gute Anlage und Durchführung der vershiedenen Charaktere hilft über Längen fiegreih fort und läßt die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht erlahmen. Gelungene Momente sind z. B. die Beschlagnahme des einem armen Drech|lergesellen- ge- hörigen Katers von Amts wegen, weil der Geselle für den dur das Tier verursahten Schaden nicht aufkommen fann, ferner die Tôtung und Verspeisung des Katers, der in amtlihen Gewahrsam gegeben worden war, durch den Amtsdiener und sein Weib sowie den Gendarmen und den Brkefträger, welhen leßteren vorgeredet wird, der leere Braten sei ein auf dem Felde vorgefundener Hase, und zum Schluß die \hneidige fuhrung der Untersuchung über den verschwundenen Kater dur den Gendarmen, bet der die ihn selbst belastende Wahrheit in drolligster Wetse an den Tag kommt. Die Regie, deren sich Herr t der selbst den s{hneidigen Gendarmen vortreffiih \pielte, mit Berständnis angenommen hatte, sowte die sämtiihen Darsteller hatten alles getan, um über Längen binwegzuhelfen und die Vorzüge der Komödie im hellsten Lichte leuchten zu lassen. Den beshränkten und wassersheuen Ortsyorsteher eines Dorfes im sächsishzn Erzgebirge zeichnete Herr Vallentin mit siheren Strichen. Als {Güchterner und von Gewissensbissen über den gemordeten Kater gequälter Gemeinde- diener bot Herr Vollmer wiederum etne Meisterletstung komtscher Charakteristik, und seine Ehefrau und Versucherin stattete Fräulein Arnstädt mit energ!shen Zügen aus. Unter den anderen Mit- wirkenden verdienen die Damen Conrad, Pategg, Ressel, Hoff und Heisler, die Herren Bruck, Mannstädt und Leffler nahdrücklich hervor- gehoben zu werden.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Dienstag, „Violetta“ („La Traviata“) aufgeführt. Die Violetta singt Fräuleiu Alfermann, die Flora: Fräulein Herwig, den Vater Geimont: Herr Hoffmann, den Alfred: Herr Jadlowker. Dirtgent ist der Kapell- meister von Strauß. In nächster Zelt werden NRoisinis „Tell“, mit Hermann Jadlowker als Arnold, und „Die sieben Raben“, Opern- dichtung nach dem gleihnamtgen Märchen von Hans Joachim Moser zur Musik von Webers „Emyanthe*, aufgeführt werden. :

Im Königlichen Schausptelhause wird morgen „Colberg“ gegeben. In den Hauptrollen wirken die Damen Pategg und Refsel sowie die Herren Kraußneck, Sommerstorfff, Werrack, Pohl und Vollmer mtt. Zurzeit find Calderons „Richter von Zalamea“ und Dietrih Elardts „Heinri der Hohenstauje“ in Vorberettung.

Im Deutschen Künstlertheater findet am Donnerstag der erste „Deutsche Abend", mit Vorträgen von Tilla Durieux und Friedrih Kayßler, statt. Am Mittwoch (Buptag) bleibt das Theater ge\hlossen, die Tageskasse ist an diesem Tage von 10 bis 1 Uhr Vor- mittags geöffnet.

Elena Gerhardt veranstaltet am 28. November in der Philharmonie einen Volksliederabend zu ermäßigten Preisen. Das Konzert findet zum Besten dex notleidenden Oit- preußen statt.

Mannigfaltiges. Berlin, den 16. November 1914.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfing am Sonnabendvormittag zu einer Beratung über Angelegenheiten der freiwilligen Krankenpflege den stellvertretenden Kommissar Bettos zu Trachenberg, den General der Kavallerie von Pfuel, den

eneralarit Dr. Paalzow, den Oberpräsidenten von Watidow- Stettin und den Oberpräfidenten von Moltke-Schleswig. Nachmittags begab sich Allerhöchstdiefelbe nah Potadam zu einem Besuche des Laza- retts in der Drangerte. Gestern vormittag nahm Jhre Majestät an dem Gottesdienst in der Kaiser Friedrih-Gedächtnis- kirche teil.

Das Zentralnachweisebureau des Kriegsministeriums in Berlin bleibt am Bußtag und Totensonntag den ganzen Tag

geschlossen. A

Die fünsle „Deutsche Rede: in schwerer Zeit" an der Technischen Hochschuie in Charlottenburg wird am 20. d. M., 6 Uhr Abends, von dem Protefsor Dr. Karl Koehne tn threr Aula ge- balten werden. Sie4witd das Thema „DieSoztalver)icherung und der Kr&eg * behandeln, und zwar unter Bezugnahme auf die am 4. August 1914- eingeführten Nechtsvorschristen und auf die Stetgerun der Kriegétücttigkeit durch die einshlägige Geseßgebung. Der Eintritt zu dem Vortrage ein|chließlich der Kleideraufbewahrung ist frei für jedermann.

Dum-Dum-Geschosse bei der englishen Arme e. Ver- schiedentlih ft, sogar von amtlihen Stellen, die Verwendung der

und Gordon. Musik von Walter Kollo Donnerstag bis Sonnabend: Extra- | Hasemauns Töchter.

Theater in der Königgrüßer | Tögter. Dienstag, Abends 8 Uhr:

Schauspielhaus. 194. Abonnementsvor- | Rausch. Schauspiel in vier Akten von A stellung. Colberg. Historishes Schau- | August Stundberg. Uebersezt von Émil

Komödienhaus. Dienstag, Abends |' s Uhr: Wie einst im Mai. Posse mit | Rhein.

Deutshes Theater. (Dicektion: Max Sesang und Tanz in vier Bildern von

Donnerstag bis Sonnabend: Wie |in drei Akten von Hugo Lubliner.

Deutsches Künstlertheater (Nürn-

»ienétag, Abends § Ubr: Die deutschen | bergerstr. 70/71, gegenüber dem Zoologischen Ri - A Dienstao, Abends 8 Uhr: lottenburg, Bismarck - Straße 34—37.

Donnerstag: L, deutscher Abeud. Freitag: Glaube unb Heimat. Sonnabend, Nachmittags 4 Uhr unh

völkerrechtswidrigen Dum-Dum-Geschosse seitens unserer Gegner fesk« geftellt worden. Einen„weiteren Beitrag liefert D-. Walter Pöppel- mann vom Vereinelazarett in Coelsfeld (Westfalen), der in_der «Deutschen Medizinishen Wochenschrift“ vom 5 November drei Fälle von Verwundungen durch englis{che Janfanteriegeshosse behandelt, die, wte auch die Abbildungen deutlih zeigen, offenbar auf Dum-Dum- Kugeln zurückzuführen sind. In dem einen Fall war die rechte Hand des betreffenden Soldaten aus etner Entfernung von 300 Metern getroffen worden, doch hätte man hier immerhin einen sogenannten „Querschläger* annehmen fönnen. Entscheidend ist aber der zweite Fall, bei dem ein ganz in der Nähe des vorigen be- findliher Soldat einen Schuß in den Rüen erhielt. Hier konnte man an der Spige des etwa 25 cm langen Schußkanals der mit vielen Zacken versehene Geshoßmantel entfernt werden, und am Gnde des“ Shußkanals fand man den aus dem Mant?l aus- getretenen, am Borderteil breit pilzförmig aufgewulsfteten Bleikern. Im dritten Fall war der Daumen eines Soldaten getroffen worden und die Wunde war so charakieristisch, daß P. sagt: „Diese Verwundung erschien auch anderen Kollegen, die fich noch sfeptisch verhalten hatten, als absolut 1ypisch und beweisend für eine Dum-Dum-Verleßung“. Die Verwundungen stammten sämtlich aus derselben Gegend des welt ausgedehnten Schlachtfeldes in der Nähe von Yeims, wo die Verroundeten englischer Infanterie gegen- über gelegen hatten. Auch versicherten sie übereinstimmend, sie hätten Dum-Dum-Ge|chosse sowohl auf dem Schlachtseide als in den Ta|chen verwandeter und gefallener Feinde gefunden. Jnwieweit die englishe Regierung für diese barbarishe Art der Kriegführung un- mittelbar eine Verantwortung trifft, 1äßt sich natürlich aus diesen Dnbent nit entscheiden, zum mindesten aber hat sie sie niht ver- indert.

Bad Homburg, 15. November. (W. T. B.) Seine Königliche Hoheit der Prinz Oskar von Preußen und seine Gemahlin verließen nah fast siebenwöhigem Aufenthalt Bad Homburg, um sich über Frankfurt a. M. nah Schloß Lieser an der Mosel zu begeben. Der Prinz wird morgen in das Große Hauptquartier zurückkehren.

Halle (Saale), 14. November. (W T. B.) Amtlich wird ge- meldet: Auf dem Bahnhof Schkeudiß sind durch Ueber'ahren des auf „Halt“ stehenden Einfahrtssignals die Güterzüge 6031 und 8460 gegen 1 Uhr Mittags zusammengestoßen. Das Gleis Halle—Leipzig war bis 47 Uhr gesperrt. Der Bahnmetister Seipke ist tot; der Zugführer Michaelis aus Buckau \chwer verlegt; etne Privatper])on Otto Heindrihs anscketnend leiht ver- leßt. Die Lokomotiven und mehrere Wagen find beschädigt.

Met, 16. November (W. T. B.) Das Gouvzrnement er- öffnete auf Befehi des Gouverneu:s die Untersuchung gegen den Ehren-Domherrn Abbs Collin aus Met, zurzeit unbekannten Aufenthalts, wegen Landesverrats und Majestätsbelei- digung, begangen dur einen Artikel in der französi chen Zeitung „La Croir“.

Wien, 14. November. (W. T. B.) Die Zentralstelle des Nathauses hat die Weisung ausgegeben, daß die Arbeits- vermittlungsstellen- und - Anstalten und jene Organisationen, die sih mit der Betöstigung und Unterstüßung notleidender Arbeits- loser befassen, die Angehörigen des Deutschen Reichs der gleihen Fürsorge, wie die österreichishen Staatsangehörigen, teil- haftig werden lassen.

Wien, 15. November. (W. T. B.) Nach Berichten von Zivilpersonen beiderlei Ge\chlechts, die aus französischer Gefangen\chaft jeßt zurückzekehrt sind, waren die dur den Kriegs- ausbruh überraschten fetndlihen Staatsangehörigen auf dem Wege zu den Gefangenenlagern und während der Gefangenschaft rohester Behandlung ausgeseßzt. Das nach vertrauenswürdigen Schilderungen aufgenommene Protokoll wunde gestern der amerifanishen Botschaft zur Weitergabe an die amerikanische Botschaft in Frankreich übergeben, damit das Los der Ge- fangenen dort nach Möglichkeit erleihtert werde. In dem Protokoll heißt es unter anderem: „Cinige hundert Personen, und zwar Frauen, Männer und Kinder, haben die Fahrt von Lyon nah Chartreuje unter Bewachung von Soloaten und begleitet von johlendem Pöbel mit- aemacht. Hierbei wurde ein etwa 70 jähriger Mann buchstäblih vom Pöbel zu Tode getreten. Vor den Augen der übrigen Gefangenen wurden jungen Mädchen die Kleider vom Leibe gerissen bezw. abgeschnitten, sodaß fie betnahe nackt den Leidensrwoeg bis zu dem Bestimmungsorte threr Internterung antreten mußten. Wöchnerinnen wurden auf das unmenschlihste behazndelt. Weder ärztliche Hilfe, noch ein Tropfen Milch, noch sonst eine Erleichterung wurde ihnen gewährt. Ste wurden ebenso wie alle anderen Ge- fangenen rohen und gemeinen Soldaten zur Obhut übergeben. Die Nahrung bestand aus altbackenem Brot, schlechtem Wasser und Fleisch von adgestandenem Vieh. Andere Einzelheiten über die Frauen und Mädchen zugefügten Beleidigungen lassen fich kaum wtedergeben.“

Valparaiso, 15. November. (W. T. B.) Dete deutschen Kreuzer stachen gestern bei Vorgengrauen in See.

(Fortsezung des Amtlichen und Nichtamtlichen in der

Ersten Beilage.)

Brücke. Dienstag, Abends 8 Uhr: MEEE

Kriegstaten. (Prof. Hans Delbrü.)

Donnerstag und Freitag: Hasemauus Sonnabend, Nachmittags 4 Uhr: Väter Cesar. zicht ins Feld. L

Schillertheate? ©. (Wallner -| Theater

zügen von D OiA Lee. Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Anu der Spree und am

Charlottenburg. Dienstag, Abends s Uhr: Die glückliche Hand. Lustspiel

Mittwoh: Geschlossen. Donnerstag: Die glückliche Hand.

Deutshes Opernhaus. (Char-

Direktion: Georg Hartmann ) Dienstag, | eiter. Abends 8 Uhr: Die Jüdiu, Große Dper in fünf Akten von F. F. Halóyy. Mittwoch: Bußtagskonzert. Donnerstaq: Figaros Dothzeit. Creifag: Die Walküre. onnabend: Der Waffeuschmied.

Schönfeld.)

iee old ordiie l What estens. (Station: | Kren und Georg Okonkowski. Musik von Theater on der Weidendammer| Theater Ns Ren, (Station M uter (en Bilberg, ienstag, Abends 8 Uhr: Polenblut.

Mittwoch, 7 Uhr: Von deutschen a E H R ROLS Donnerstag bis Sonnabend: Kam”rad

Orchesterfauteuil 4 3,—. Donnerstag

Freitag: Polenblut.

Thaliatheater. (Direktion: Kren und

Dienstag, Abends 8 Uhr: Kam’rad Mönne. Volképosse in dret oto die 199,, 200. und 201. Akten mit Gesang und Tanz von Jean

Kantstraße 12.) [sang8terte von Alfred Schönjteld. Mittwoch: Geschlossen.

Mäunue.,

und Sonnabend: Don On Naqhmittags4 Uhr: Häusel

Konzerte.

am Nollendorfplaß.| Beethoven-Saal. Dienstag, Abends

Donnerstag und Sonnabend: Rausch. |theater.) Dienstag, Abends 8 Uhr: | Dienstag, Abends 8 Uhr: Jmmer feste |71 uhr: Shumann-Abend zum Besten

s Grüne Ostern. Schauspiel in fünf Anf: au e ob Vill der unter dem E Kaiser-

ch e r J c H t

Wolf. Musik von Walter Kollo. en uny A E et Ara: Mittwoch: Kriegsoratorium. Donn«rstag bis Sonnabend: Jmmer

feste druff!

e ——-

Kronprinzessin stehenden „Cüäcilienhilfe“, veranstaltet von Wilhelm Backhaus.

Pirkus Schumann. Dienstag, Abends 7} Uhr: Große Galavorftellung mit

Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) | bedeutend ermäßig1èn Preisen. Dienstag, Abends 8} Uhr: Weolken- reiter. Fliegerlustspiel in dret Akten P R E von Leo Walther Stein und Eduard Eugen Mitter.

Mittwoch: Gesch! ofsev.

Donnerstag bis Sonnabend: Wolkenu-

Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol inCharlottenburg.

Verlag der Expedition (K o y e)

in Be rlin, (21204)

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32,

Fünf Beilagen

usgabe der Deutscheu Verlusilifteu.

R R T R R R RS R Doe E E Me

Erste Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

M 270.

Berlin, Montag, den 16. November

1914,

E E E —_—————

Amlslichßes.

Königreich Preußen.

Ber oronuna

über die Bildung von Genossenschaften zur Boden- verbesserung von Moor-, Heide- und ähnlichen Ländereien.

Vom 7. November- 1914.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c.,

verordnen auf Grund des Artikel 63 der Verfassungzurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 (Geseß- samml. S. 17) und auf den Antrag Unseres Staatministeriums, was folgt:

S L.

Die Eigentümer von Moor-, Hetde- und ähnlichen Ländereien tönnen nah den Vorschriften dteser Verordnung zu einer Genofsen- schaft vereinigt werden, die den Zweck hat, diese Ländereien nach einem einbeitliden Piane unter Beschaffung déèr Vorflut und gleichzeitiger Herstellung der erforderlihen Wege und Gräben in Acker, Wiese und Werde umzuwandeln und nah Bedarf zu bewirtshaften und zu nugzen.

Das Genossenschafts8gebiet kann in mäßigem Umfang auf andere Ländereten ausgedehnt werden, soweit deren Zuziebung zur Herstellung besserer Grenzen oder zu einer erheblih besseren Bewirtscha\tung erforderlich ersheint. Solche Ländereien nehmen an den Kosten der

Bodenverbesserung nicht teil. s

_ Die Satzung der Genossenschaft wird von dem Minister für Landwirtschafr, Domänen und Forsten erlassen. Mit dem Erlasse der Saßzurg entsteht die Genoffenschaft.

S3.

Die Genossenshaft muß einen Vorstand haben. Dieser kann aus einer oder aus mehreren Personen bestehen, von denen eine den Vo1siß führt. Der Vorstand wird von den Genossen gewählt. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Vorstand von der Aufsichtsbebörde (8 4) bestellt wtrd.

Die Aufsichtsbehörde ist befugt, Mitglieder des Vorstands, die si etner Pflichtverleßung {chuldig machen oder zur Führung der Ge- shäfte der Genossenschaft ungeeignet sind, ihres Am1s zu entsetzen. Ste kann die Geschäfte des Vorstands dem Vorstand etner Gemeinde oder dem Kreisaus)chuß etnes Kreises übertragen, zu deren Bezirke das Genossenschaftagebiet ganz oder teilweise gehört. Diese sind zur Uebernohme und Führung der Vorstandsgeshäfte verpflihtet. Die Aufsichtsbehörde kann dafür eine angemessene Entschädigung festsezen.

Gegen die Verfügung der Aufsichtsbehörde ist nur die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zulässig.

8 4.

Die Genossenschaft steht unter der Aufsicht des Staates. Die Aufsicht wird von dem Negierungspräsidenten, in dessen Beztrke die Genossenshaft thren S!8 hat, in zweiter Instanz von dem Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten geführt.

Die Aufsichtsbehörde ist berehtigt, ihre Anordnungen unmittelbar durchzusetzen. s

I 9.

Die Genossenschaft ist berechtigt, auf den zu ihr gehörenden Grundstücken die zur Erfüllung des Genossenshaftszwecks erforderiichen Arbeiten auszuführen und die a e R oen Anlagen zu erhalten.

Im Streitfalle beschließt die Aufsichtsbehörde, ob eine Arbeit zur

Erfüllung des Genofsenschastszwecks erforderli ist. Gegen den Be- \{chluß ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zulässig. __ Die Genossen können von der Genofsen|chaft Ersaß verlangen für den Schaden, der für sie aus der Bildung der Genossenschaft unter Berücksichtigung der ihnen daraus erwathsendena Vorteile ent- steht. Beträ..t die Crsaßsumme mehr als einhundert Mark, fo sind der Artikel 52 und der Artikel 53 Abs. 1 des Einführungsgeseßes zum Bürgerlichen Geseßbuche sowie der § 47 des Enteignungsgeseßes vom 11, Juni 1874 (Geseßsamml. S. 221) anzuwenden.

8 6.

Ist bei Bildung der Genossenschaft ein zu ihr gehörendes Grund- stück verpachtet oder vermietet, jo kann der Pächter oder Mieter jeder- zeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen ; der Pächter hat während der Dauer des Pachtverhältnisses an Stelle der Ausübung des Pachtrehtes Anspruch auf die dem Verpähter nah der Satzung zustehenden Nußungen und ist diesem gegenüber verpflihtet, die Ge- nossenschaftslasten zu tragen.

Ist der Vertrag vor dem Inkrafttreten diefer Verordnung ge- \{lofen, jo kann der Pächter oder Mieter, wenn er von dem Kündi- Ee aus Abs. 1 Saß 1 Gebrauh mat, von der Genossenschaft Srsaß des Schadens verlangen, der ihm dur die vorzeitige Auflösung des Pachht- oder Mietverhältnifses entsteht.

Steht die Nußung des Grundstücks einem Dritten auf Grund eines Rechtes am Grundstücke zu, so finden die Vorschriften der Abs. 1, 2 über das Pachtverbältnis mit der Maßgabe entsprehende Anwendung, daß an die Stelle der Kündigung der Verzicht auf das Recht tritt.

D 1

Die Genossen nehmen an den Genossenshaftslasten und den Nußungen sowie am Stimmrechte nah Verhältnis der Fläche ihrer Genosjenschaft?grundstücte teil, wenn die Saßung nihts anderes bestimmt. Jeder beitragspflihtige Genosse muß mindestens eine Stimme haben.

88.

Das Verfahren zur Bildung der Genossenschaft wird durch den Negterungspräsidenten geleitet.

Dem Verfahren ist ein Plan zugrunde zu legen, der ent- halten muß:

1) die Bezeihnung der Grenzen des Genoffenschaftsgebiets ;

2) dte erforderlihen Zeihnungen und Erläuterungen;

3) etnen Kostenübershlag des Unternehmens;

4) die Bezeichnung der Grundflächen, die außerhalb des Ge- nossenschaftsgebiets zur Beschaffung von Vorflut oder zur Herstellung von Verbindungs8wegen mit der nächsten fahr. baren Straße erforderlich sind.

S 9.

Der Regtierung8präsident ernennt einen Kommissar zur Verhand- lung mit den Betoiligten. G Der Kommissar hat die Satzung zu entwerfen und die im § 8 Abs. 2 bezeichneten Unterlagen, soweit fe noch niht vorhanden sind, zu beschaffen. Er hat die Beteiligten über den Plan und die Satzung zu bôren und etwaige Einwendungen, erforderlihenfalls nach An- bôrung oder unter Zuziehung von Sachverständigen, mit den durch die Einwendungen Betroffenen zu erörtern.

Zur Vertretung von Kriegsteilnehmern find im Verfahren aud diejenigen zuzulaffen, welche nach Auskunft des Gemeindevorstebers deren Geschäfte wahrnehmen,

8 10.

Der Termin zur Anhörung der Beteiligten ist mindestens drei Tage vorher in den Kreiéblättern und in ortsübliher Weise in allen Gemeinden öffentli bekannt zu machen, auf die sich das genossen- schaftliche Unternehmen erstrecken soll. Eine Vorladung der etnzelnen Beteiligten ist niht erforderli.

Der Plan und der Saßungsentwurf sind vor dem Anhörungs- termin ofen zu legen; Ort und Zeit der Offenlegung sind in der öffentlihen Bekanntmachung mitzuteilen.

: S H.

Die Saßung ist kostenfrei in den Amtsblättern und nach dem Erm-fsen dea Regierungépräsidenten ganz oder auszugsweise auf Kosten der Genossenschaft in den Kreisblättern bekannt zu machen.

S 12

Saßungsänderungen können mangels anderweiter Bestimmungen der Saßung von der Mitgliederversammlung mit Stimmenmehrheit beshlossen werden. Sie bedürfen der Genehmigung des Ministers für Landwirtscha\t, Domänen und Forsten und sind nach & 11 befannt zu machen.

O18

Neben den S8 1 bis 12 dieser Verordnung \ind die 88 208, 209, der § 212 Abs. 2 bis 4, die §8 213 bis 216, 218 bis 221, 223, 224, 226 bis 228, der § 229 Abf. 1, die §8 230, 232 bis 235, 237, 9239 bis 243, der § 248 Say 2 und die §8 250, 261, 262, 271 bis 274, 278 bis 282 des Wassergeseßes vom 7. April 1913 (Geseßzsamml. S. 53) entsprehend anzuwenden.

8 14.

Der Genosse kann verlangen, daß ihm seine Ländereien, die von der Genossen) haft berirtshaftet werden, nach der Ecnte oder nah Aufhören des Weidebetri-bs ganz oder teilweise zur eigenen Bewirt- haftung und Nuzung überlassen werden, wenn dadurch die wirt- \haftliche Nußung der übrigen Genossenshaftegrundstücke nicht er- heblich beeinträhtigt wird. Hat die genossenschaftlihe Boden- verbesserung ‘Anlaß zur Einleitnng eines Verfahrens zur wirtschaft- lihen Um'egung der Grundstüce oder zur Aenderung der kommunalen Zugehörigkeit von Grundftücckten geboten, so fann der Antrag des Genossen auf Ueber!assung seiner Grundstücke zur eigenen Béwirt- [Band und Nuzung während der Dauer des Verfahrens abgelehnt werden.

Bei Streitigkeiten beschließt der Bezirksausschuß. Der Beschluß ist endgültig

An den Kosten, die durch die gemetnschaftliche Bewirtschaftung der den anderen Genoffen gehörenden Grundstüde entstehen, sowie an deren Nußungen ntmmt der Genosse nicht teil.

19, 9

Die Genossenschaft hat das Necht, die im § 8 Abf. 2 Nr. 4 be- zeichneten Grundflächen zu enteignen. Für das BVerf-hren gelten die Vorschriften der Verordnung vom 11. September 1914 (Geseusamml. S 159) mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Ministers der öffentlichen Arbeiten der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten tritt.

__ Bis zum Erlasse des Enteignungsbeschlusses können die Eigen- tümer verlangen, daß sie ohne Beteiligung an den Lasten und Nugzungen der Genossenschaft in diese als Genossen ausgenommen werden. S 16.

Gebören Ländereien der im § 1- bezeihneten Art ciner bereits bestehenden öffentlihen Genofsen|chaft zur Entwässerung oder Be- wässerung von-Gcundstücken an, so kann die Ausdehnung des Ge- nossen)haftszwecks auf die Zwedke des § 1 von der Mitglieder- verjammluna (dem Ausfsh1}e) mit Stimmenmehrheit beshlofezn oder von dem Minister für Landwirtshait, Domänen und Forsten nah Anbörung der Beteiligten gemäß §8 9, 10 angeordnct werden; zualeih kann in derselben Weise die Sagzung dahin geändert weroen, daß die SS 3, 4, 7, 12 Anwendung finden. Ist der Genofsenshaftszweck aus- gedehnt, jo gelten die §§ 5, 6, 11, 14 entsprechend.

6 17.

Zu den durch die Ausführung des genossens{haftlihen Unter- nebmens entstehenden Kosten ist ein angemefener Beitrag aus öffent- lichen Mitteln ohne Auflage der Nückgewähr zu leisten.

S 18.

Die zur Ausführung dieser Verordnung notwendigen Be- stimmungen erläßt der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

S 19.

_ Dlese Verordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft. Sie tritt, soweit sie die Befugnis zur Bildung neuer 1) oder zur Aus- dehnung des Zweckes bestehender 16) Genossenshaftzn betrifft, mit dem 31. März 1915 außer Kraft; ist bis zu diesem Tage ein Termin zur Anhörung der Beteiligten öffentlih bekznnt gemacht 10), so A Verfahren nah den Vorschriften der Verordnung zu Ende zu sudren.

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Großes Hauptquartier, den 7. November 1914. (L 59.) Wilhelm.

h: von Bethmann Hollweg. Delbrück. _ Beseler. von Breitenbach. Sydow. von Trott zu Solz. sSreiherr von Schorlemer. Lenge. von Falkenhayn.

von Loebell. Kühn. von Jagow.

Wohlfahrtspflege.

Inbezug auf die Versendung von Weihnachtsliebe8gaben wird, wie „W. T. B.* berihtet, von der obersten Heeres: leitung folgendes bekanntgegeben : ;

Es darf angenommen werden, daß das Weibnacht3feft in Millionen von deutschen Herzen den Wunsch rege machen wird, den Ver- teidigern von Haus und Herd Zeichen der Liebe und Dankbarkeit zu- tommen zu lassen, sie für einen furzen Augenblick vergeffen zu machen, daß sie auf fremder Erde kämpfen, daß fie fern find von ihren Lieben in der Heimat. Der Wunsch, die einem treuen Gedenken ent- \prungenen Liebesgaben bestimmten Personen zuzutühren, bestimmte Truppenteile oder Heereéverbände bejonders zu bedenken, ift um die Weihnachtszeit so begreiflih, daß zu seiner Verwirklichung alles ge- schehen foll, was von militärisher Seite möglich ist, freilid in der bestimmten Hoffnung, daß die Opferfreudigkeit des deutschen Volkes auch die Verteidiger des gemeinsamen Vaterlandes nicht leer aus- geen lassen will, deren feine treue Mutter oder Gattin, fein orgender Vater oder Freund besonders gedenkt. De3halb muß den Militärbehörden da? Recht gewahrt bleiben, nach billigem Ermessen aus8zugleihen und Sendungen, deren Empfänger ih niht mebr beim Feldbeer befinden, zum Besten der Allgemeinheit zu verwenden. Für die Zuführung der Weihnach!8liebesgaben an die Front find folgende Bestimmungen in Aussicht genommen :

1) Liebe8gaben für einzelne.

8 Bis eins{lteßlih 250 Gramm kann die Zusendung in Briefen durch die Fèldpost jederzeit erfolgen; das Porto beträgt von 50 bis

250 g 10 „s. Brtefe von 250 bis 500 g orto 20 werden vorausfihtlich im Dezember eine Woche lang S2 Said

b. Für Paketsendungen bis einscließlich 5 kg ift nit die Feldpost zuständig, sondern sind militärische Vorkehrungen g’troffen. Die heimatliche Post nimmt in der Zeit vom 23. bis 30. November folhe Pakete an und befördert sie bis zu dem zuständigen militär:shen Paketdepot in der Hetmat. Das Porto beträgt 25 „3. Bei den militärishen Pafketdepots fann auch unmittelbar von Absendern portofrei aufgegeben werden. Die Namen der militärischen Paketdepots werden mit weiter erforderlihen Einzelbestimmungen über Annahme und Beförderung der Pakete öffentlich bekannt aemacht und in den nächsten Tagen bei sämtlichen Postanstalten des Deutschen Neiches ange!chlagen werden. Die Pakete „werden von den militärischen Paketdepots geordnet und über dte milt!ärischen Sammelstationen an die Etappenhauptorte gesandt. Hier werden sie von den Etappenbebhörden übernommen, verteilt und der Truppe zugeführt.

Vorbedingung für die rihtige Zustellung aller B riefe und Pakete ist die rtchtige Adresse. Alle Anzebörizen des Heeres find erneut angewiesen worden, ihre genaue Adresse nochmals thren Angehörigen in der Heimat mtitzuteilen. Es wird ih emp- fehlen. daß Spender von Liebesgaben, die in den nächsten Tagen feine derartiae Nachricht erhalten sollten, vor Absendung bei den nächsten Angehörig-n ihres Freundes Erkuadigungen einziehen.

2) Liebesgaben für bestimmte Truvppenteile und Heeresverbände sowie Liebesgaben für die Al[- gemeinheit. Die Zuführung dieser Liebesgaben erfolgt nur durch Mes der Organisation der freiwilligen Kranken-

ege.

a. Liebesgaben in ganzen Wagenladungen sind bet der Abnahmestelle für freiwillige Gaben L. tür Verwundete und Kranke und Il. für Gesunde am Sitze des für den Wohnort des Spenders zuständigen stellvertretenden Seneralfommandos anzus- melden. Die Namen der Abnahmest-llen wecden in den nächten Tagen nohmals öffentlih befannt gemaht und bei säâmtlihen Post- anstalten des Deutschen Neich-s angeschlagen werden. Die Avnahmestellen geben dann den Armeldern Nachricht, an weiche militäriiche Sammelstation sie die Wagen zu fenden haben. Von der mititärisch-n Sammelstation werden die Wagen auf den für vex allgemeinzn Nach'chub bestimmten Bahnen den Etappyenbehörden zugeführt, die die Weiterführung der Liebesgaben an die Truppen bewirk-n. Es ist erwünscht, daß sich Perjonen zur Verfügung stellen, die diefe Eisenbahnzüge von der Sammelstation nah dem Etappenhaxuptort geleiten, um zur Sicher- heit der Zuführung beizutragen. Wenn es die Kriegslage erlaubt, kann thnen von den Etappenin|spektionen au die Eclazubnis zur Bes gleitung vom Etapp-nh upytort nah vorn gettattet werden. Die Aus- waht treffen die stellvertretenden Weneralkfommandos im Einvernehmen mit den örtlichen Territorialdelegierten aus der Zahl der Personen, die bei der Organisation der Lebesgabentätigkeit besonders verdient gemaht haben. Die stellvertretenden Generalfkfommandos stellen au die Geleitscheine von d-r Sammelstation bis zum Etappen- hauptort a1s. Grundiäßlih muß jedo die Fahrt in dem Ctjienbahnzug ertolgen, der die Liebesgaben führt, und grund- fäglih muß die Fahrt in der Sammelstation angetreten werden. Fahrten in Kraftwagen werden für Ueberbringer und Geleiter von Liebesgaben in keinem Fall gestattet.

b. Liebes8gaben in geringerer Menae als ganzen Wagenladungen find ausnahmêtlos bei den gieich:n Abnahmestellen der freiwilligen Krankenpflege abzuliefern. Von dort g‘-langen fie an die zuständigen Sammelstationen. Weiter wird mit ihnen, wie unter a angegeben, verfahren, auch bhinsihtlich der Begleitung

Vorbedingung für die Versendung aller Liebeëgaben ift, daß alle Absender sh genau an die Bestimmungen über Inhalt und BVerpackung halten, Begenstände, die raîhem Verderben oder Zerbrecen auégeseßt sind, keinesfalls absenden. Sie müsen fi ver- gegenwärtigen, daß vom Tag der Au1gabe bis zur Zuttellung etwa 4 Wochen vergehen, daß guter Will- und rührende Liebe sich hart stoßen an der rauhen Wirklichkeit des Krieges !

Inbezug auf Weibnachtspaketsendungen für unsere Verwundeten wird, um F-rtümern vorzubeugen, folgendes mit- geteilt: Es ift leider ausges{hlofsen, daß die Pakete der Angehörigen Kranke und Verwundete erreichen, die in den Lazaretten im Felde, also in Feld-, Kriegs- 1nd Etappenlazaretten uw. liegen. Die Pakete brauchen mehrere Wochen, um an ihr Ztel zu gelangen: die Kranken und Verwundeten sind aber oft nur einige Taze in diefen Laza- retten, da man unau?2geseßt bestrebt ift, fie in die Heimat zurücfzubefördern. Sobald die Verwundeten und Kranken den heimatlihen Boden er- reiht baben, fteht der Zusendung von Paketen durch die Poft natür- lich nichts im Wege. Portofreie Feldposipakete inn-rhalb des Otimatlandes gibt es aber nicht. Hier gelten dieselben Bestimmungen für Soidaterpostfendungen wie im Felde. Um au den Verwundeten und Kranken in Feindesland eine Weihnachtsfreude zu bereiten, hat der Vaterländische Frauenverein beschloffen, für diese Lazarette Weihnachtsfendungen zusammenzustellen, die in den Lazaretten zur Ver- teilung gelangen follen.

Die Liebesgabenabnahmestelle für die Marine im Reichs marineamt, Leiter Vizeadmiral z. D. Winkle t befannt, daß jeyt [hon eifrig mit dem Herstellen der We pakete für jeden Mann begonnen ist, und deghalb auzenbli als Liebesgaben in erster Linie folhe Sachen erwünst sind, fich zu Weihnatts- geshenten eignen. Gar rit genug fann an Rautbsachen, Zigarren, Tabak, Pfeifen, Tabaksbeutel, Lunten (mit Fezuerstein, nicht Benzin) gegeben werden, außerdem find erwünscht Taschentücher, Briefpapier, Notizbücher (als gebücher), Seite, Messer, Mundharmonikas, Schokolade, Pfeffernüfse usw. Sehr notwendig ist noch weiterer Gingang von Ge en zum BVeschaffen folcher Gegenstände, die niht in genügende [ eingegangen find. Geld» spenden find zu rihten : an die Abrahimefstelle für Lebesgaben für die Kaiserlide Marine, Reich2marineamt, Berlin W. 10, Königin- Augusta-Straße 38/42. Hierher sind ebenso zu richten Poît- und Frachtsendungen, legtere werden unter der Bezeichnung eLtebe2gaben für die Marine* frei befördert. Persönliche Entgegennahme von Liebesgaben ertolgt an allen Wochentagen im Reichêmaritieamt, Ein- gang Vaupiportal, in der Zeit von 10 bis 1 Uhr Vormittags.

Zur Spendung von Weihnachtsliebesgaben für

re Krieger in Heer und Flotte erläßt das Zentral. itee vom Roten Kreuz den folgenden Aufruf: „Deutsche rauen und Männer! Weibnacbten naht, seit langen Jahren das eft des friedlichen Familienglüds, jubelnder Kinder, froßer Eltern, ihtumfloffenen Waldeëgrüns. Und heute? Das Vaterland, im ‘ißen Kampfe gegen eine Welt von Feinden und Haßern, Millionen eut\her Krieger în treuer Wacht auf der von eifigen Winter- shauern gepeitsdhten Walftatt in West uvd Ost. den Veben, der Heimat so ferne! Sollen fie die deutsche Wei da draußen ganz entbehren? Nein, wir wollen und müssen es erreichen, daß Lin Krieger în der Weihnaht&zeit obne Feftaruß aus dem ene Mg es lande, odne Weihnachtsfpende bleibe. Zu jedem Truppenteil in Wesi