1896 / 29 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

A Jn der am 30. v. M. unter dem Vorsiß des Königlich bayerishen Bevollmächtigten, Gesandten 2c. Grafen von Lerchenfeld-Koefering abgehaltenen Plenarsizung des

Bundesraths wurde den Aus\hußanträgen, betreffend die

Entwürfe einer Anleitung zur Bestimmung des Baumwollen- gehalts in Wollengarn und einer Jnstruktion für die zoll- tehnishe Unterscheidung des Talgs und der s{hmalzartigen ette, sowie betreffend die Aenderung der Anweisung für die bfertigung harter Kammgarne, die Zustimmung ertheilt. Von der Nachweisung über die den Bundesstaaten bis Ende Dezember 1895 überwieseney Beträge an Reichs-, Silber-, Nickel- und Bn wurde Kenntniß genommen. Außer- dem wurde über die Verleihung von Korporationsrehten an die Siedelungsgesellshaft für Deutsh-Südwestafrika sowie über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt. i Der Bundesrath: versammelte sih: heute wiederum zu einer ins welcher eine Sißung der vereinigten Aus-. \hüsse für Justizwesen und für Elsaß-Lothringen vorausging.

In der Zeit vom 1. April 1895 bis zum Schluß des Monats Dezember 189 sind im Deutschen Reich folgende Einnahmen (einshließlih der kreditierten Beträge) an tig und gemeinschaftlihen Verbrauchssteuern

owie andere Einnahmen zur Anschreibung gelangt:

Zólle 311 543 729 M (gegen denselben Zeitraum des Vorjahrs -+ 15574 369 A6), Tabacfsteuer 8 331 369 M (+ 167 797 46), Maus 63 47043446 (—361 359,464), Salzsteuer 34930 480/4 -+ 697 089 6), Maischbottich- und Branntwein materialsteuer (036225 M (+ 130124 A), Verbrauhsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 89521786 M 3903108 M), Brennsteuer 257 305 M6 (4 257 305 M),

rausteuer 20 588 232 46 (+ 1 251 929 M6), Uecbergangsabgabe von Bier 2 761 741 4 (+ 56 061 6), Summe 538441 301 M (+ 183 870207 M). Stempelsteuer für: a. Werthpapiere 11 322687 M (+ 4873 969 M), b. Kauf- und sonstige An- schaffungsgeschäfte 15 810 515 M (+ 4660 678 M4), c. Loose Me Privatlotterien 2567 289 4 (+ 586 709 M), Staats- otterien 10028927 #4 (+ 4082279 M), Spielkarten- stempel 1 002024 M (-+ 21873 M), Wechselstempelsteuer 6442779 M (4+ 319596 MÆ), Post- und Telegraphen- Verwaltung 214 492952 A (+4 12582555 4), Reichs- Eisenbahn-Verwaltung 51 440 000 4 (+ 3 288 000 6).

Die zur Reichskasse gelangte Fs - Einnahme abzüglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten beträgt bei den nachbezeihneten Einnahmen bis Ende Dezember 1895:

ölle 275112476 M (+ 14335408 H), Tabasteuer

912235 M (— 339515 M), Budersteuer 59 014224 M L 1339 935 6), Salzsteuer 31 769 028 M (+ 669397 A6),

aishbottih- und Branntweinmaterialsteuer 9 830590 (— 743800 4), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 72 936 045 # (— 3 126514 M), Brennsteuer 154930 # (+ 154930 M), Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 19 841 295 6 (+ 1 111 835 M), Summe 477570823 # (+ 10721806 #4). Spiel- kartenstempel 922 631 M (+ 26200 A6).

Nah den im Reichs-Versicherungsamt gefertigten Zu- sammenstellungen, welhe auf den Angaben der Vorstände der Versicherungsanstalten und der zugelassenen Kasseneinrihtungen beruhen, betrug am 31. Dezember 1895 die Zahl der seit dem Inkrafttreten des Juvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes erhobenen Ansprüche auf Bewilligung von Altersrent e bei den 31 Versicherungsanstalten und den 9 vorhandenen Kassen- einrihtungen 339 687. Von diesen wurden 269 450 Renten- ansprüche anerkannt und 58 570 zurückgewiesen, 3360 blieben unerledigt, während die übrigen 8307 Anträge auf andere Weise ihre Erledigung gefunden haben.

Von den erhobenen Ansprüchen entfallen auf Schlesien 40 529, Ostpreußen 28828, Brandenburg 25 484, Rheinprovinz 22038, Sahsen-Anhalt 19551, Hannover 18 843, Posen 17 759, Schleswig-Holstein 12998, Westpreußen 12 263, West- falen 11 899, Pommern 10 932, Hessen-:Nassau 7324, Berlin 3941. Auf die aht Versicherungsanstalten des Königreichs Bayern kommen 33369 Rentenansprüche, auf das Königreich Sachsen 20 193, auf Württemberg 7385, Baden 6396, Gr.

essen 5014, beide Mecklenburg 7059, die thüringischen Staaten 213, Oldenburg 1219, Braunschweig 2357, Hansestädte 2597, Elsaß-Lothringen 9287 und auf die 9 zugelassenen Kassen- einrihtungen insgesammt 5209.

Die Zahl der während desselben Zeitraums erhobenen Ansprüche auf Jnvalidenrente betrug bei den 31 Ver- siherungsanstalten und den 9 Kasseneinrihtungen insgesamnit 219 095. Von diesen wurden 156 027 Rentenansprüche an- erkannt und 44 140 zurüdckgewiesen, 8620 blieben unerledigt, während die übrigen 10 308 Anträge auf andere Weise ihre Erledigung gefunden haben.

Von den erhobenen Ansprüchen entfallen auf Schlesien 30 741, Rheinprovinz 17 389, Ostpreußen 15 266, Branden- burg 12252, Hannover 10512, Sachsen-Anhalt 9822, Pesen 9150, Westfalen 8026, Pommern 7867 Westpreußen 7281, Hessen-Nasjau 5272, Schleswig-Holstein 4220 und Berlin 3897, Auf die acht Versicherungsanstalten des Königreichs Bayern kommen 23 603 Ansprüche, auf das Königreih Sachsen 9315, auf Württemberg 5646, Baden 6043, Gr. Hessen 2819, beide Medcklenburg 2454, die thüringischen Staaten 4166, Olden- burg 605, Braunschweig 1506, Hansestädte 1927, Elsaß- Lothringen 4117 und auf die 9 Kasseneinrihtungen ins- gesammt 15 199. h

Unter den Personen, die in den Genuß der Jnvaliden- rente traten, befanden sich 2966, die bereits vorher eine Alte rente bezogen.

_ Anträge auf Beitragserstattung sind bisher von weiblichen Versicherten, die in die Ehe getreten sinck=-in 12 849 Fällen gestellt worden. Von dicsen wurden 8326 an- erfannt, 2074 abgelehnt und 330 anderweitig erledigt, während 2119 Anträge unerledigt blieben. Von Hinterbliebenen ver- storbener Versicherter wurden 4241 Anträge auf Beitrags- erstattung gestellt, von denen 2364 anerkannt, 1048 ab elehnt und 130 anderweitig erledigt wurden, während 699 Anträge unerledigt blieben.

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Der 68. Kommunal-Landtag der Kurmark beschloß in seiner 7. Plenarversammlung am 31. Januar über 1 Gui- achten des I. und 9 solche seines I. Ausschusses. Das erstere

verhandelten Rekurs in einer Brandentschädigungbsache, in welher inzwischen die vermißte Informatión eingeholt war; nah derselben mußte der Rekurs zurückgewiesen werden. Nach den Vorschlägen des 11. Ausschusses wurden 5 milden Stiftungen sehr namhafte Beträge aus dem ständischen Dispositionsfonds der Kurmärkischen Hilfskasse bewilligt, die Rechnungen der Kurmärkischen Hilfskasse für 1894 entlastet und über die Lage des Kriegsshuldenwesens die Mittheilungen des Ober-Präsidenten der Provinz und der ständischen Deputirten bei der Staatsshulden-:Verwaltung entgegengenommen. Danach hat die Kurmark mit Ablauf des Jahres 1895 thren Anthéil an der Kriegsshuld vollständig getilgt.

In der heutigen Schlußsizgung gab der Vorsißende, Ge- heime Regierungs- und Landrath von Winterfeld t-Menkin eine Uebersicht der in der 17 tägigen Session erledigten Ge-

schäfte. Darnach sind 82 Sachen zur Verhandlung gekommen,

von denen der I. Ausshuß 21 und der T1. Ausschuß 57 bearbeitet hat. Das Plenum hat diese in 8 Sizungen erledigt. Außerdem sind 4 Vorlagen von dem Ritterschaftlihen Konvent in einer Sigung des leßteren zur Berathung und Beschlußfassung ge- langt. Der Vorsißende {loß den 68. Kommunal : Landtag mit einem Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und König, in welches die Versammlung mit begeistertem drei- maligem Rufe einstimmte.

Der hiesige Großherzoglich hessishe Gesandte Dr. Nei d- hardt ist von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog

von Hessen und bei Rhein in den erblichen Adelsstand des Großherzogthums Hessen erhoben worden.

Der hiesige Königlih rumänische Gesandte Gregor J. Ghika hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Legations-Nath V. Cuciurano als interimistischer Geschäftsträger.

Halle, 31. Januar. Die neugebildete Landwirth- shaftskammer für die Provinz Sachsen ist gestern hier zu ihrer ersten Session zusammengetreten. Der Ober- Präsident von Pommer - Esche hielt vor Eintritt iv die Tagesordnung eine begrüßende Ansprahe, worin er zum Schluß den Wunsch aussprach, daß die Wirksam- keit der Kammer der heimishen Landwirthschaft reichen Segen bringen möge. Vei der darauf vorgenommenen Konstituierung der Kammer wurde der Rittergutsbesißer Major a. D. von Busse- Zschortau zum Präsidenten, der Landrath von der Schulenburg- Salzwedel zum Stellvertreter des- selben gewählt. Auf Vorschlag des Präsidenten von Busse wurde an Seine Majestät den Kaiser und König folgendes Telegramm abgesandt:

CGurer Majestät huldigt in treuer Hingebung die zu ibrer ersten Sitzung hier versammelte Landwirthschaftskammer.

Hierauf ist im Aufirage Seiner Majestät, wie „W. T. B.“ erfährt, dem Präsidenten von Busse folgendes Telegramm zugegangen:

Seine Majestät der Kaiser und König haben aus dem Huldigunas- Telegramm mit Freuden ersehen, daß die Landwirthschaftskammer der Provinz Sachsen thre Thätigkeit begonnen hat. Seine Majestät lassen für den Ausdruck reiner Hingebung herzlih danken und wünschen der Arbeit der Landwirthschaftskammer einen reihgefegneten Erfolg. Auf Allerhöchsten Befehl: von Lucanus, Geheimer Kabinets-Rath.

Bayern.

Die Kammer der Reichsräthe erledigte in ihrer vorgestrigen Sißung den Etat der Staats-Eisenbahn- verwaltung. Sämmtliche Etatsposten wurden, bis auf das Kapitel „Besoldungen und Gehalte“, unverändert nach den Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten angenommen. Bei diesem Kapitel wurde beschlossen, einen Theil der ge- strihenen höheren Stellen in der Hoffnung wieder ein- zuseßen, daß auch das andere Haus zustimmen werde: da- gegen wurden einige andere Stellen abgeseßt. Die Erhöhung der Ausgaben beträgt nur 5580 # Der Minister-Präsident Freiherr von Crailsheim dankte dem Hause in warmen Worten. :

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Jn der vorgestrigen Sißzung d:s Landtags gelangte der Entwurf eines neuen Landtagswahlgesches zur ersten Lesung. Nach dem Entwurf soll der rittershaftlihe Ver- treter wegfallen, die Zahl der Abgeordneten von 31 auf 33, die Einkommengrenze von 3000 auf 4000 A er- höht, den Höchstbesteuerten die Betheiligung an“ den all- gemeinen Wahlen zuerkannt und jede politishe Gemeinde ju einem Urwahlbezirk gemacht werden, bis auf die Städte Upolda, Eisenach, Jena und Weimar, die in vier Bezirke zer- legt werden sollen. Der Staats - Minister Dr. von Groß begründete den Entwurf. Jndem er, der „Magd. Ztg.“ zufolge, auf die Mängel des geltenden Wahl- geseßes und die Verbesserungen, die der Entwurf des neuen biete, hinwies, sprach er sih mit Entschiedenheit gegen das von freisinniger und sozialdemokratischer Seite geforderte allgemeine direkte und geheime Wahlrecht aus. Für den Reichstag sei cs da, und man habe mit ihm zu rechnen, aber für das Groß- herzogthum passe es nicht. Sympathish sei es vornehmlich der Jugend, aber je reifer seine Anhänger würden, desto mehr kämen sie zur Erkenntniß, des sie einer falshen Auffassung huldigten. Die Prinzipien des gleichen demokratishen Wahlrechts veralteten. Früher hätten es poli- tis ernste Männer aus ihrer Ueberzeugung heraus gefordert; _jegt gehe die Forderung zumeist von berufsmäßigen Agitatoren aus, welche die Leidenschaften erregen und Unzufriedenheit erwecken wollten. Nah längerer Debatte wurde die Vorlage cinem besonderen, aus 9 Mitgliedern bestehenden Ausschusse überwiesen.

Oldeuburg.

(H.) Nach dem gestern ausgegebenen Bulletin über das Befinden Zhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin war die Schwäche außerordentli groß.

Elsaß-Lothringen.

Die von dem Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu Hohen- lohe-Langenburg bei der Eröffnung des 4p aus\chusff es gehaltene Rede lautete nah der „Straßb. def wie S

eine Verren! Die diesjährige Tagung des Landesaus ; zu deren Eröffnung ih Sie At bete wird a Jhre Thou

betraf einen vom Landtag in ciner früheren Sißung bereits

keit niht unerhebliche Anforderungen stellen.

Der Laudeébaushalts-Etat für 1896/97, welher Jhnen alsbald zugehen wird, läßt erkennen, daß die Finanzlage des Landes infolge der besseren Geslaltung unserer finanziellen Beziehungen zum Reich und dank der günstigen Entwicklung unserer eigenen Landeseinnahmen andauernd befriedigend ist. Das Etatsjahr 1894/95 hat mit einem Ueberschuß abgeschlossen und auch das laufende Etatsjahr wird voraus- sichtlich einen Uebershuß aufweisen. Die erheblihen Abweichungen, welhe sich in beiden Etatsjahren bei der Abrechnung mit dem Reich gegenüber den Ansäßen unferes Etats ergeben, lassen jedoh auch vom Standpunkt der Landesverwaltung den Wunsch berechtigt erscheinen, daß für das Finanzverhältniß zum Reich eine feste und dauernde Grundlage ge|haffen werde.

Bei der günstigen Lage der Finanzen konnte in dem Entwurfe des Landeshaushalts-Etats die Ausführung zahlreicher nüßliher Unter- néhmungen, namentlich im Interesse der Landwirthschaft und der Landeskultur, in Antrag gebracht werden.

Unter diesen Vorschlägen kommt dem Projekte der Hardt- bewässerung eine besondere Bedeutung zu. Die Borarbeiten hierfür sind soweit gefördert, daß nunäéhr die endgültige Entscheidung über dieses für eiten großen Theil des Bezirks Ober-Elsaß hochwihtige Ünternehmen getroffen werden kann. :

Zur Förderung der Hagel- und Biehversiherung sind, entsprehend dem Vorgehen ter Nachbarstaaten, besondere Beträge in den Etats- entwurf eingestellt worden, mit deren Hilfe die {hon bestehenden, ihrem Umfange nah aber noch niht genügenden Einrichtungen aus- gebaut werden sollen. :

Die Errichtung eines Weinbauinftituts in Elsaß-Lothringen kommt einem längst ausgesprochenen Wunsche der weinbautreibenden Bevölke- rung entgegen. /

Ist die Regierung hiernah bestrebt, zur Hebung der Landwirth- schaft, soviel an ihr liegt, * beizutragen, so ist sie sich doch wohl be- wußt, daß der Haupthebel zur Förderung des landwirthschaftlichen Wohlstands in der Selbsthilfe und dem genossenshaftlihen Zusammens- wirken der Landwirthe besteht. Deshalb ist durch die Allerhöchste Verordnung vom 6. November 1895, betreffend die landwirthschaft- lihen Vereine und den Landwirthschaftsrath, für die landwirthschaft- lihen Vertretungen, namentlich burt die Verleihung der Rechte der juristishen Persönlichkeit an die Kreiévereine, die Voraussetzung einer freien, nußbringenderen Thätigkeit geschaffen worden. Hand in Hand hiermit llen erhöhte Zuschüsse aus Landesfonds den Vereinen praktishe Maßnahmen, insbesondere zur Hebung der inländischen Viehzucht, ermöglichen.

Die im Jahre 1892 beshlossene Verbesserung des Kanalnegtes ift vollendet. : ;

In Bezug auf den Hüninger Kanal i} die Negierung bemüht gewesen, die Entwürfe den in Ihrer leßten Tagung geäußerten Wünschen entsprehend umzuarbeiten. Inzwischen hat auc die Re- gierung der Stadt Basel ihr Juteresse an der Verbesserung der Schiffahrtêverhältnisse dieses Kanals kund gegeben, und es darf somit erwartet werden, daß auch diese Frage nunmehr eine befriedigende Lösung finden werde.

Die Entwicklung des Schiffahrtsverkehrs auf dem Rhein entsprah im verflossenen Jahre den auf diese Wasserstraße geseßten Hcffnungen. Der Verkehr erreihte die Höhe von 153 800 t gegenüber 83 500 t im Vorjahre. Derselbe würde noch wesertlih höher gestiegen sein, wenn die Wasserstandsverhältnisse in den Herbstmonaten nicht so ungünstig gewesen wären. Die Regierung hat denn auch der Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse auf dem Nhein fortgeseßt besondere Sorgfalt gewidmet. Dank dem Entgegenkommen der Großherzoglich badischen Regierung ist anzunehmen, daß es möglih sein wird, dem Landes- ausshuß baldigst einen Rheinregulierungsentwurf vorzulegen.

Mit dem Entwurf des Landeshaushalts-Etats für 1896/97 werden Ihnen die Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben der Landes- verwaltung für das Etatsjahr 1894/95 und die aligemeine Rechnung über den Landeshaushalt füc das Etatsjahr 1891/92 nebst den dazu gehöri [en Spezialrehnungen und den Bemerkungen des Nechnungshofs vorgelegt werden.

Auch auf dèm Gebiet der Gescgebung wird Jhre Thätigkeit mechrfah in Anspruch genecmmen werden.

Die Einschäßung der Gewerbe behufs Neuregelung der Gewerbe- steuer ist in Gemäßheit des Gescßes vom 6. Mai 1893 unter der bereitwilligen und umsihtigen Mitwirkung der Shäßtzungskommissionen durchgeführt. Auf Grund der Ergebnisse soll nunmehr zur Neuord- nung der Gewerbesteuer geschritten werden und zwar in dem Sinne, daß obne Erhöhung des bisherigen Gesammtaufkommens eine gerechtere, der Leistungsfähigkeit entsprehende Vertheilung dieser Steuer auf die Steuerpflichtigen staftfinden wird. Der Gesetzentwurf, welcher Ihnen nebst einem die Besteuerung der Wandergewerbe besonders regelnden Gejeßentwurfe zugehen wird, fut dieser Aufgabe namentli auch dadurch gerecht zu werden, daß behufs einer dur{greifenden Entlastung der weniger leistungsfähigen Betriebe ein geringerer Steuersaß für die unteren Stufen Platz greifen soll. Ich darf der Ueberzeugung Aus- druck geben, daß diese für die gewerbetreibeade Bevölkerung des Landes bedeutungsvolle Angelegenheit den dringend erwünschten, befriedigenden Abschluß finden wird.

Außerdem wird Ihnen voraussihtlich der Entwurf eines Gesetzes über das Stempelwesen und die Gebühren in Verwaltungsangelegen- heiten vorgelegt werden. Derselbe bezweckt, die zahlreihen Einzel- geseße über den Stempel zusammenzufassen und die zum großen Theil veralteten Bestimmungen unter Beibehaltung des Systems, soweit es sih bewährt hat, den jeßigen Verkehrsverhältnissen entsprehend neu zu regeln.

In Vorbereitung sind weiter der Entwurf cines Gesetzes, wonach Gerichtsvollzieher, die in den Ruhestand treten, sowie die Wittwen und Waisen von Gerichtsvollziehern Anspruch auf eine in mäßiger Höhe bestimmte Pension aus der Landeskafse erhalten ; ;

ferner ein durh die Gemeindeordnung veranlaßter Gefeßentwurf, betreffend das Vermögen der Ortschaften, sowie die Bermögens- und anderen Angelegenheiten, bei denen mehrere Gemeinden und Ortschaften betheiligt find;

sowie endlich ein der von Ihnen am 30. Mai 1894 angenommenen Nefolution entsprechender Geseßentwurf, betreffend die Wablen der Mitglieder der Bezirksvertretungen und der Kreisvertretungen, dessen Zweck es ift, die nah tem bisherigen Necht bestandene Ueberein- stimmung der Wahllisten für die genannten Körperschaften mit denen für die Geineinderäthe auf der Grundlage des V abliystems der Gemeindeordnung aufrecht zu erhalten.

Ich darf annehmen, daß alle diese Entwürfe Ihnen so rechtzeitig vorgelegt werden können, daß es gelingen wird, dieselben noch in der gegenwärtigen Session zur Verabschiedung zu bringen.

__Es ift ein Jahr darüber hingegangen, daß Seine Majestät der

Kaiser die Gnade gehabt hat, mir die Verwaltung des Landes zu übertragen. Von allen Seiten ist mir die Bevölkerung des Landes auf das liebenswürdigste entgegengekommen. Ein Herzensbedürfniß ist es mir, Ihnen, meine Herren, als den Vertretern des Landes meinen wärmsten Dank dafür auszusprehen und die Versicherung zu geben, daß ih mich glücklich s{chäßen werde, wenn es mir gelingt, nah dem Willen Seiner Majestät des Kaisers immer im wohlverstandenen Interesse des Landes thätig sein zu können. Ich bitte Sie, meine Sten: mir in meinen eifrigsten Bestrebungen, für das Wohl des andés zu wirken, mit vollstem Vertrauen zur Seite zu stehen.

So hoffe ih, daß Ihre Arbeiten dem Lande zum Segen gereichen, und erkläre die XX111. Session des Landesausschusses für eröffnet mit dem Ruf: Seine Majestät der Kaiser lebe bo!

Mit Begeisterung stimmten die fast vollzählig erschienenen Abgeordneten in das Hoch ein.

Den Vorsiß übernahm hierauf der Abg. Krafft als Alterê-Präsident, der sodann die Wahl des Präsidiums veranlaßte. ird; Vorschlag d-s Abg. Dr. Gunzert wurde der langjährige Präsident des Hauses Dr. von Schlumberger, ebenso de” Abg. Jaunez als Erster Vize-Präsident, der Abg. L Atl als Zweiter Vize-Präsident durh Zuruf wieder- gewählt. : y

Oesterreich-Ungarm.

Der Minister-Präsident Graf Badeni und der Finanz- Minister Dr. von Bilinski find gestern von Lemberg nah Wien zurügekehrt. C i

g der: gestrigen Sißung des böhmischen Landtags begründete der Abg. Vasati einen Antrag auf Auf-

ebung der Ministerialverordnung vom 3. Februar 1890 Lea der Theilung des Ober-Landesgerichts in Prag in einen deutshen und einen böhmischen Senat. Nachdem die deutshen Abgeordneten Funke und Bar euther sih gegen den Antrag aus Dan hatten, wurde derselbe der Kurien- femitsion Überwiesen.

Großbritannien und Frland.

Jn einer gestern im Nonkonformistenklub zu London ge- haltenen Rede äußerte ih, dem „W. T. B.“ zufolge Lord Salisbury über die Transvaalfrage dahin, daß das Verhältniß Transvaals zu England ein bezeichnender Fall von Homerule sei. Transvaal habe die Kontrole Über seine eigenen inneren Angelegenheiten, und was die Kontrole über die auswärtigen Angelegenheiten be- treffe, die in der That ernstlih beschränkt sei, so sei jeßt zu- gegeben, daß Transvaal sih an die auswärtigen Mächte um Unterstüßung gewandt habe. Wenn Jrland Homerule be- willigt worden wäre und dann irgend jemand in England sich erkühnt hätte, in irishe Dinge sich einzumischen, so würden auch Verhandlungen mit auswärtigen Mächten stattgefunden haben, und der Minister des Aus- wärtigen hätte vor einem sehr ernsten Problem gestanden. Lord Salisbury verglih die Uitlanders in Transvaal mit dem Volke von Ulster, dessen Beschwerden ähnliche gewesen sein würden. Was die Venezuela-F rage betreffe, so sei England durchaus ein Anhänger der Monroe - Doctrin, wie sie vom Präsidenten Monroe aufgefaßt worden sei. Lord Salisbury brachte hierauf seine Sympathie mit den Armeniern zum Ausdruck und jagte: Er wünsche den Eindruck u berichtigen, daß die Regierung sih verpflichtet habe, die Armenier zu unterstüßen. Den Sultan zu zwingen, die Armenier gut zu regieren, würde heißen, mit dem Sultan einen Krieg anfangen. Jn dem Berliner Vertrage hätten die Mächte nicht einer außenstehenden Person, sondern sih gegenseitig das Recht zugestanden, über die Ausführung der Reformen zu wachen, wenn der Sultan gewisse Reformen einführen sollte, Auh die Konvention von Cypern verpflichte England niht, zu Gunsten der unterdrückten Unter- thanen des Sultans zu intervenieren. Das Volk habe die shrecklihen Verfolgungen, denen die Armenier im November und Dezember ausgeseßt gewesen seien, und die seit den Zeiten Dschinghis Khan's und Tamerlan's ihres gleichen niht gehabt hätten, verkannt. Die Grausamkeiten seien das Werk fanatischer Türken gewesen, cs sei aber ein Jrrthum, zu glauben, sie scien vom Sultan befohlen worden. England habesic in den fanatishen Aufstand der Bevölkerung nicht einmischen und eine militärishe Beseßung Kleinasiens nicht selbst auf sich nehmen können. Lord Salisbury erwähnte \chließlich die Meldungen, daß die Massacres in den leßten 14 Tagen auf- gehört hätten; das sei eine Ermuthigung, obgleih er nicht recht daran glaube.

Eine amtliche Mittheilung des Kolonialamts besagt, daß während der lezten Tage in verschiedenen Kreisen Tele- gramme britisher Einwohner von Johannesburg cein- getroffen seien, welche die dortige Lage als beunruhigend dar- stellten. Dicse Telegramme seien beinahe alle ohne Namens- unterschrift, rührten aber augenscheinlich von einer einzigen kleinen Gruppe von Personen her. Der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain glaube nicht, daß diese Depeschen ein wahres Bild der Lage gäben, und habe den britischen Agenten in Prätoria telegraphisch angewiesen, sich nach Johannesburg zu begeben, um über die dortige Lage zu berihten. Wenn derselbe unmittelbare Beschwerden finde, deren Abstellung möglich sei, solle er auf dieselben die Aufmerksamkeit der Re- gierung der Südafrikanischen Republik lenken, welche, wie der Staatssekretär vertraue, im stande und willens sei, die erforderlihen Maßnahmen zu ergreifen. Es könne im Rand eine kleine Minderheit finanziell interessierter Personen geben, ivelhe Neigung besäßen, die Unruhen wieder aufleben zu lassen, und dics sei eine Angelegenheit, "welhe der Staats- sekretär der Aufmerksamkeit der Aftionäre und anderer Jnter- essenten empfehle.

Jtalien.

Die „Agenzia Stefani“ veröffentliht den Wortlaut einer Depesche des Königs an dcn General Baratieri, worin Allerhöchstderselbe dem General und seinen Soldaten sein Ver- trauen ausspricht und ihn ersucht, dem Oberst - Lieutenant Galliano eine Depesche zu übermitteln, in welcher diesem und seinen Begleitern die lebhafteste Anerkennung des Königs ausgedrückt wird.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Berlin: Seine Meajesiät der Kaiser begab Sich gestern nach der italienischen Botschaft, um dem Botschafter, General Grafen Lanza Seine Genugthuung über die Wiedervereinigung der Kolonne des Vberst - Lieutenants Galliano mit- der italienischen Armce vor Ada-Hagamus auszusprehen. Seine Majestät der Kaiscr beauftragte den Botschafter, sich bei dem König Humbert und der italicnishen Regierung zum Dolmetscher der lebhaften Glücckwünshe Seiner Majestät sowie Seiner Wünsche für eine baldige glückliche Beendigung des Krieges zu machen,

Portugal.

Der portugiesishen Gesandtschaft in Berlin is, wie W. T. B.“ berichtet, die Nachricht zugegangen, daß der Mann, welcher in Lissabon Steine gegen den Wagen des Königs warf, geistesgestört sei; derselbe jei in eine Irrenanstalt gebraht worden.

Türkei,

Nach einer in Wien eingetroffenen Meldnng aus Kon- stantinopel hätten die in Zeitun eingetroffenen Konsuln dort cine äußerst ernste Lage vorgefunden. Der Hungertyphus und Skorbut D täglih durhschnittlich 140 Opfer. Der Gesundheitszustand der türkishen Truppen sei S der Fin von

unter ihnen ia Dysenterie ein besserer. den Aufständischen kürzlih unternommener Durhbruchsversuch sei gescheitert. Die Konsuln hätten ihre Verhandlungen zur Vermittelung einer friedlihen Uebergabe bereits eröffnet. Inzwischen seien eine Anzahl nah Zeitun Geflüchteter, Lars Katholiken und 4 Priester, nah Marasch expediert w0 ,

Serbien,

Der Klub der oe berieth gestern in Gegenwart aller Minister über die Budgetvorlage. Nach lebhaften Auseinandersezungen wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, g ranz das Budget für Montag auf die Tagesordnung zu seßen.

Bulgarien.

Die Sobranje hat gestern endgültig den Geseßentwurf angenommen, worin die Bebinaunten für die Amortisierung der Geldsummen, welhe aus der Ablösung von ehemals Türken gehörenden Gütern stammen, geregelt werden. Ferner wurde ein Geseßentwurf angenommen, durh welchen die Re- gierungsbeamten verpflichtet werden, sih für ihre Bekleidung

c

inländischer Stoffe zu bedienen.

Amerika.

Nach einer Meldung aus Havanna fahren die Banden der Jusurgenten von Camagney und Lassillas fort, zu plündern. General Marin sei aufgebrohen, um das Gros der Auf- ständischen anzugreifen.

Asrika.

Ein der „Tribuna“ aus Ada-Hagamus von gestern zugegangenes Telegramm wiederholt die Meldung der „Agenzia Stefani“ vom Eintreffen des Bataillons Galliano’'s und fügt hinzu, daß die Garnison von Makalle hauptsählich dur Wassermangel gelitten habe; das wenige Wasser habe auch noch zum Soihen dienen müssen. Der Oberst-Lieutenant Galliano habe alle Vorkchrungen getroffen gehabt, um im äußersten Falle das Be in die Luft zu sprengen. Bezüglich der leßten Schwierigkeiten wegen des rien Abzugs der Be- saßung meldet die „Tribuna“, daß der Negus am 29. v. M. noch entschlossen gewesen sei, das Bataillon erst nach Abschluß des Friedens frei zu lassen, daß es aber dem Lieutenant Felter, den Ras Makonen hierin unterstüßt habe, gelungen sei, den Widerstand Menelik's zu überwinden.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Ada-Hagamus von

gestern: der Oberst - Lieutenant Galliano berichte, daß die Haktung der Offiziere und der Soldaien, sowohl der Weißen als auch der Neger, welche die Garnison von Makalle gebildet hätten, eine ganz außerordentlihe gewesen sei. Alle Offiziere hätten an Muth, Entsagung und Disciplin gewetteifert. Der Hauptmann Benaxi habe unermüdlih für die Vertheilung von Wasser gesorgt, der Zahlmeister Giusti habe mehrere kühne Ausfälle unternommen, um für Mundvorräthe und Fourage zu sorgen. Die Lieutenants Moltedo ünd Franconi hätten le Artillerie bewunderungswürdig geführt. Alle hätten die Anstrengungen heldenmüthig ertragen, indem ‘sie 14 Nächte hindur troß der strengen Kälte auf den Wällen geschlafen hätten. - Auch die Haltung der italienishen Soldaten, welche lebhaft an den Vertheidigungswerken gearbeitet und ihre ganze Tapferkeit im Kampfe sowie Ausdauer bei den Entbehrungen gezeigt hätten, sei bewunderungswerth gewesen. Der Oberst - Lieutenant Galliano nenne in dieser Beziehung namentlich den Fourier Unteroffizier Coronet, welcher außerhalb des Forts nüßliche Rekognoscierungen vor- genommen habe, den Brigadier der Karabiniers Arca, dem es mit großer Gefahr gelungen sei, Briefe nah außen zu bringen, sowie den Karabinier Bianchi, welcher unter dem heftigen Feuer des Feindes eine Gebirgskanone auf seinen Schultern bis in den oberen Theil des Forts gebracht habe. Nicht minder bewunderungswürdig sei die Haltung der Ein- geborenen gewesen, welhe stets verähtlich die dringende Aufforderung der Schoaner zurücgewiesen hätten, ihr Hel vet hnen zu suchen: Die der italienischen Armee angehörenden Askaris hätten stets angesihts des Feindes die Reichlichkeit ihrer Lebensmittel gerühmt und er- tlärt, kein Bedürfniß nah Wasser zu haben. Unter den Askaris sei keine Desertion vorgekommen. Die eingeborenen Frauen, von denen_\ih etwa hundert in dem Fort befunden, hätten ebenfalls cine anerkennenswerthe Haltung gezeigt. Der Feind habe das Fort mit zwölf Geschüßen angegriffen : die Angriffe seien stets sehr kühn gewesen, doch sei es nicht ge- lungen, auch nur einen Theil der Mauern niederzulegen. Die italienischen Soldaten hätten außerhalb des Forts 78 Ge- wehre erbeutet. Die Verluste des Feindes seien sehr bedeutend gewesen, namentlih unter den Führern. Auf italienischer Seite seien 2 Unteroffiziere und 4 italienishe Soldaten und 33 Eingeborene gefallen. Verwundet seien 6 Jtaliener und 75 Eingeborene. Zlloyalerweise habe Menelik im leßten Augen- blick 10 italienishe Offiziere, nämlih 7 Lieutenants und 2 Uxter-Lieutenants sowie einen Fourier-Sergeanten bei sich zurückbehalten. Mit Galliano leión 11 Vffiziere, ferner 107 weiße und 1081 eingeborene Soldaten zurückgekehrt, sowie die Verwundeten, die auf Tragbahren transportiert worden seien. Das Bataillon habe alle Waffen, die übrig gebliebene Munition und die Geschüße, mit je 59 Geschossen für jedes Geschüß, zurückgebracht.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sißung des Nei chchs- tags und der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (29.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichs - Justizamts Nieber- ding beiwohnte, wurde zunächst in erster und zweiter Verathung die am 20. September in Bern - ver- einbarte Zusaßerklärung zu dem internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oîtober 1890 erledigt. Jn dem Uebereinkommen ist der Beitritt weiterer Staaten nicht vorgesehen. Da si das Fürstenthum Monaco gemeldet hat (behufs Eintragung der im Fürstenthum belegenen Theiisirecke der M Yone Mittelmeer-Eisenbahn), haben die Vertragsstaaten Deutschland, Oesterreich, Frankreich, Jtalien, Luxemburg, Niederlande, Nuß- land und die Schweiz fih über die generelle Regelung dieser Frage. geeinigt. y

Darauf wurde die zweite Berathung des Rei s- haushalts-Etats für 1896/97 mit dem Etat der Reichs- Justizverwaltung fortgeseßt. Ee

Bei den Ausgaben für das Reihs-Justizamt, Tit. 1, „Staatssekretär 24000 4“, brachte

Abg. Bassermann (nl.) die bevorstehende Revision des deutschen Pandettgele buchs zur Sprache, um dem Reichs-Jufstizamt seine Wünsche bezüglih der anderweiten Gestaltung der Vorschriften Über die Kündigungsfrist und die Konkurrenzklausel für die Handlungs- gehilfen vörzutragen.

(Schluß des Blattes.)

_— Jn der heutigen es Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein beiwohnte, wurde die erste Berathung des Etats der landwirthschaftlihen Mana a8 bei dem Titel „Gehalt des Minister 8“ ortge}eßt. x

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein: Ih möchte mir eine Bemerkung erlauben in Bezug auf eine Be- hauptung des Abg. Ring über die Quarantänedauer in Amerika, die ih bestritten habe. Für Pferde besteht keine Quarantäne, für Rind- vieh und andere Wiederkäuer eine Quarantäne und da hat der Abg. Ring Recht von 90 Tagen (Hört! rets), für Schweine cine Quarantäne von 15 Tagen.

Abg. Graf von Hoensbroech (Zentr:): Die Regierun wn natürlich auf alle anderen Interessen auch Rücksicht nehmen, és b der Bedeutung der Landwirthschaft muß sie diese in erster Linie be- rücksihtigen. An der großen Verschuldung der Landwirthe sind nit die Grundbesiger felbst s{uld, sondern unsere kapitalistishe Geseßz- gebung, das Erbrecht und Hypothekenreht, die Freizügigke und die Gewerbefreiheit, welhe das Grab des gesammten Mittelstands geworden is; ferner die Goldwährung. Nach der Grklärung des Ministers cheint die Reichsregierung anzu- nehmen, daß für eine internationale i ev die Unterlage fehlt. Sie hat sich {hon oft geirrt, und die Entwickelung der Dinge wird vielleicht auch einmal zeigen, daß fie ih geirrt hat. Die Reichs- regierung hat ausgeführt, was fie zugesagt, bemerkte der Minister: allerdings, was sie zugesagt; aber das war herzlich wenig, und wir werden ernstlih prüfen müssen, wie die preußische Regierung ihren Einfluß auf die Reichéregierung geltend gemacht hat. Von der Entwickelung des Verkehrs durch den Ausbau der Eisen- bahnen hat die Landwirthschaft etwas Vortheil gehabt, aber %/10 des Vortheils fielen der Industrie zu, für die man ja immzr neue Leistungen verlangt, wie z. B. den Bau von Kanälen. Wir Land- wirthe des Westens stehen dem Bau des Rhein-Dortmund- Kanals ablehnend gegenüber, fo lange niht die Garantien gegeben werden, daß die Landwirthschaft. dadurch nicht geshädigt wird. Wem zu Liebe sind die Handelsverträge gemaht worden? Der Reichstag hat allerdings die Handelsverträge mitgemacht; aber die Majorität, der auch ih an- gehört habe, wurde beeinflußt durch die Behauptung, daß der Vertrag nothwendig sei, um den- Dreibund aufreht zu erhalten. Einen Noth- stand, wie den heutigen, hat dieses ganze Jahrhundert nicht erlebt. (Zuruf: 1820.) Der Nothstand war damals dur kriegerishe Katastrophen herbeigeführt, heute durch die Gesetzgebung. Da fkann man der Landwirthschaft nicht zu- muthen, daß sie sich durch ein Linsengeriht abfinden läßt. Geschädigt ist die Landwirthschaft des Westens durch die Aufhebung des Identitätsnachweises, dur die Staffeltarife für Getreide und für Vieh. Von den Vieh-Staffeltarifen hat niht der Landwirth des Ostens den Vortheil, sondern zunächst nur der Händler und auch das Ausland. Wenn man jetzt die Produktionskosten als zu hoh anerkennt, dann hätte man früher daran denken und die Landwirthschaft niht immer mit neuen Lasten belegen follen ; denn die ganze soziale Geseßgebung war für die Landwirthschaft nicht noth- wendig, namentlich das fog. Klebegeseß belastet die Landwirthschaft ohne jeglihes Bedürfniß. Ich würde das ganze Gesetz sofort beseitigen, wenn es möglih wäre. Die Erkenntniß, daß Preußen kein Industrie» staat sei und auch keiner werden foll, ist mit Freuden zu begrüßen. Herr Gothein wollte die Konsumenten an die Produktionsstätten bringen, also den Osten mit der Industrie überschwemmen. Aber wo bleibt die gesteigerie Produktion ? Die Landwirthschaft muß an erster Stelle bleiben; Gott bewahre uns vor solhen Freunden, die uns zu einem Industriestaat machen wollen. i :

Abg. Herold (Zentr.) stellt fest, daß der Nothstand in allen Lanbéstbeilen ein großer ist, und freut sich, daß der Etat manche Positionen enthält, welhe der Landwirthschaft zu gute kommen. Aber die Regierung möge überall auf den Nothstand Rüksicht nehmen, namentli auch der Kultus-Minister, der troß der {lechten Lage der Landwirthschaft an die Gemeinden die hohe Anforderung stellt für die Schule, für Lehrer und Schulbauten. Die Meilitärver- waltung sollte während der Erntezeit mehr Urlaub ertheilen und nicht gerade zu dieser Zeit die Reservisten einziehen. Ferner müßte man für den Verkehr auf dem platten Lande Sorge tragen und niht dabet immer die Betheiligten heranziehen. Mit den Maßregeln des Ministers bin ich meist einverstanden, aber niht mit den Staffeltarifen, die den Westen \{chädigen. Zur Ver- hütung der Einschleppung von Viehseuhen genügt nicht eine Beschränkung der Einfuhr, es muß eine vollständige Sperre der Vieheinfuhr erfolgen, und namentlich muß die Fleisch» einfuhr streng kontroliert werden. “Mit Vieh und Viehprodukten kann Deutschland si selbst versorgen. Dem Antrag des Grafen Kanitz stehen wirthshaftlihe und soziale Bedenken entgegen, und wenn alle diese Bedenken beseitigt werden könnten, fo widerspricht er in leßter Linie den Handelsverträgen; jedes Verhandeln ist also ausfihtslos, da die Vertragsstaaten in eine Aenderung der Verträge niht einwilligen werden. Nah Ablauf der Verträge haben wir andere Mittel, um die Getreidepreise zu heben. Ich bin. ein Freund der Vereinigung der Landwirthe zu gemeinsamen Zwecken. Aber der Bund der Landwirthe ist dafür keine geeignete Organisation, denn er befolgt politische Nebenzwecke. Wenn darüber noh ein Zweifel bestände, so ist derselbe beseitigt worden durch die Erklärung des Grafen Limburg-Stirum, der die konservative Partei mit dem Bund der Landwirthe identifizierte. Graf Strachwiß wird also wohl einsehen, daß es nicht richtig ist, eine fremde Partei dur feinen Eintritt zu unterstüßen und die eigene Partei zu schädigen denn das Zentrum fördert die landwirthschaftlihen Interessen und i ein Hort für dieselben. Graf Strahwiß hat durch seine Unter- stüßung des Antrags Kaniß der Landwirthschaft großen Schaden zue gefügt; denn wenn die erweckten Hoffnungen nit erfüllt werden, so tritt Muth!osigkeit ein. Wenn der Bund der Landwirthe die Landwirth- {aft vertreten will, warum dringt er ein in folche Gegenden, wo die Landwirthschaft {on organisiert ist, wie in Rheinland und Westfalen in den Bauernvereinen? Macht das Zusammenwirken verschiedener Vereine niht mehr Eindruck, als wenn bloß Herr von Ploey alles allein maht? Ießt ift ein Zwiespalt in die Landwirthschaft hinein- getragen durch den Antrag Kaniß, statt die Einigung zu fördern, die doch hauptsählih nothwendig ist.

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) bittet den Minister, eine Uebersicht zu geben über die Zahlen der Margarinefabriken, ihr Anlage- kapital und ihre Gewinne, und verlangt eine \tändige polizeiliche Kon- trole des Verkehrs mit Butter zur Verhütung der Verfälschung derselben durch Margarine. Redner \priht ih ebenfalls gegen den Bund der Landwirthe aus, der für den Westen nicht passe und mit seinen politishen Tendenzen den Zielen des Zentrums widersprehe.

Abg. Pleß (Zentr.) ersfuht den Minister der Landwirths{haft, im Verein mit dem Justiz-Minister bald ein Wasserrecht im Inter- esse der Landwirthschaft zu schaffen, um eine Verunreinigung der Wasserläufe dur die Industrie zu verhüten.

(Schluß des Blattes.)

Die Abgg. Knebel und Gen. haben im Hause der Abgeord- neten den Antrag eingebraht: die Staatsregierung zu ers Eisenbvbahn-Ausnahmetarife für Obstlieferungen aus den wichtigsten Erzeugungsgebieten nah den aura sanornea Berlin und Hamburg, fowie nah den Industriegebieten einzuführen. '

Theater nud Musik,

Konzerte.

Der gestrige, \ech ste Spymphonlt-Abeub der Königlichen Kapelle unter Kapellmeister Weingartner?s Leitung brachte in den funf Nummern seines Programms neben Bekanntem auch “4 bis dahin an dieser Stätte niht aufgeführte Werke. lte eine von diefen, eine symphonishe Dihtung „Durch Böhmens Pain und Flur“, von Friedrich Smetana, dem leider rüh verstorbenen Komponisten der in - den Spielplan der - Königlihen Bühne aufgenommenen Oper „Die verkaufte