1896 / 33 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Heute Abend um 11 Uhr gedenken Seine Ma estät Sich zu den Beisezungsfeierlichkeiten nach Oldenburg zu begeben.

Der Bundesrath versammelte sich heute ju einer Plenarsizung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse desselben für Handel und Verkehr und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen.

Die Nr. 2 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs- Versicherungsamts“ vom 1. Februar 1896 enthält an erster Stelle eine Meng dex gegenwärtigen Zu- sammenseßung des Reichs- Versi erungsamis.

Aus dem Gebiete der Unfallversicherung theilt die Nummer eine Bekanntmachung vom 30. Dezember 1895 mit, betreffend die Berufung von zwei Stellvertretern des ersten nihtständigen Mitgliedes des Reichs- Versicherungsamts aus dem Stande der land- wirthschaftlihen Arbeitnehmer für die bis zum 30. September 1897 laufende Wahlperiode, ein Rundschreiben vom 9. Januar 1896, betreffend die durh Uebernahme des Heilverfahrens während der Karenzzeit seitens der Berufs- genossenschaften erzielten weiteren Erfolge, ein weiteres Rundschreiben vom 11. Januar 1896 über das berufsgenossenshaftlihe Renten-Feststellungsver- fahren, einen Nachtrag zu den Unfallverhütungs- vorshriften der Nheinish-Westfälischen Textil- Berufsgenossenschaft, einen Nachtrag zu den Unfallverhütungsvorschriften der Süddeutschen Textil-Berufsgenossenschaft, sowie folgende Bescheide:

Von rückständigen Umlagebeiträgen können Ver- zugszinsen niht erhoben werden.

Es empfiehlt sih für die berufsgenossenschaftlichen Organe im Kosteninteresse, sich mit den Orts-Polizeibehörden in Ver- bindung zu seßen, daß die Schreibgebühren für Ab- schriften der A a UGP n gsverhandlungen niht in jedem einzelnen Falle, sondern rege mäßig erst am Schlusse jeden Jahres für das ganze Jahr in einer Summe erstattet werden können.

Aus dem Gebiete der Jnvaliditäts- und Alters- versiherung sind folgende Revisionsentscheidungen veröffentlicht :

Die Versicherungs pflicht eines württembergischen enero (Abdeckers) ist in einem Einzelfalle verneint worden.

Festangestellte Zeitungsberichterstatter (Re- porter) können unter Umständen als versicherungs- pflihtige Gehilfen angesehen werden, namentlich wenn solche Zeitungsunternehmen in Frage stehen, deren eigentlicher Zweck niht in der Belehrung der Leser in den Fächern der Politik, Wissenschaft und Kunst, sondern in der Veröffent- lihung amtlicher Bekanntmach ungen oder der Verbreitung von Annoncen liegt.

Weihnachtsgratifik ationen, die seit einer Reihe von Jahren thatsächlich gewährt werden, sind auf den regel- mäßigen Jahresarbeitsverdienst der Handlungs- gehilfen u. s. w. im Sinne des § 1 Ziffer 2 des Jnva- liditäts- und Altersversiherungsgeseßes an zurechnen.

Die im wesentlichen für den eigenen Bedarf von nicht gewerblihen Auftraggebern bestimmte Haus- weberei ist auch dann nicht versiherungspflihtig, wenn diese Auftraggeber einen geringen Theil der gewebten Stoffe, welcher für den eigenen Bedarf entbehrlih ist, an Händler veräußern.

Durch den Bundesrathsbeschluß vom 1. März 1894 hat nicht die Herstellung von Web- und Wirkwaaren einschließlich der in Absay 2 der Ziffer 1 erwähnten Vor- und Nacharbeiten an sich und untershiedslos für versiherungspflihtig erklärt werden sollen; es ist in g e die Versicherungspflicht dak diese Thätigkeiten nur unter der Vorausseßung erstreckt, daß sie von Hausgewerbe- treibenden, d. h. von Gewerbetreibenden, welche in eigenen Betriebsstätten im Auftrage und für Rehnung anderer Gewerbetreibenden beschäftigt werden, ausgeübt werden.

Die Versicherungspfliht einer Person, welche Ege I mit Spulen für eine die Maschinen- tickerei betreibende Tambourieranstalt beschäftigt war, ist verneint worden.

Der allgemeine Grundsaß des Prozeßrehts, wonach die Abänderung einer Entscheidung zu Ungunsten der sie allein anfechtenden Partei (reformatio in pejus), unzulässig ist, gilt auch für die Jnstanzen des Renten- ültell utagvectabterd.

Eine Krankheit, die theils in die Belt Vor, theils in die Zeit nach dem 1. Januar 1891 T, ift nur bis zur Dauer eines Jahres anrehnungs-

fähig.

Der hiesige Königlich rumänishe Gesandte Gregor J. Ghika is vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der E zum Bundesrath, Landes-Direklor des Fürstenthums Waldeck und Pyrmont von Saldern ist hier angekommen.

Hannover, 5. Februar. Der Provinzial-Landtag eo: gestern die erste l des Etats bis auf den Titel XVIIT der Ausgaben (für Chausseen, Landstraßen und Gemeindewege). Abänderung bewilli t. Ferner wurde folgender Antrag des Landes-Direktors üller bezüglih des Neubaues des Provinzial-Museums R genehmigt :

„Der Provinzial-Landtag wolle beschließen: 1) den Meevada Ausschuß zu ermächtigen, die für den Neubau des rovinzial- Museums erforderlihen Baukoften bis zum Höchstbetrage von 800 009 M4, unter Uebernahme einer jährlichen Verzinsung und Ab- tragung von 59%, bei der Hannoverschen Landes- Kreditanstalt oder einem anderen Ee anzuleihen und hierzu die Ge- nebmigung des Herrn Ministers des Fnnern einzuholen, 2) nah- träglich die für die Vorbereitungen des Museumsneubaues dur den Beschluß des achtundzwanzigslen Hannoverschen Provinzial-Land- tages vom 15. Februar vorigen ahres zur Verfügung gestellte Summe von 15 000 4 auf 20000 M zu erhöhen, und 3) dien Mehrbetrag von 5000 „4, sowie zur Verzinsung und nöthigenfalls Tilgung der im Tommenden a Aar anzuleihenden Baukosten fernere 5000 A aus den Uebershüssen der Vorjahre zu bewilligen,“

Die übrigen Titel wurden sämmtli que

Schließlich stimmte der Provinzial-Landtag der bean- tragten Aenderung der Verfassung der Landschaft des Fürsten-

1 thums Lüneburg zu.

Sachsen,

Jhre Majestäten der König und die Königin sind vor- geltern Abend zu mehrtägigem Aufenthalt in Leipzig ein- etroffen.

4 Der Entwurf eines Geseßes, betreffend die Wahlen für die Zweite Kammer der Ständeversammlung, ist nunmehr den Ständekammern zur verfassungsmäßigen Be- rathung und VBeschließung zugegangen. Nach diesem Entwurf hat der Kreis der Wahlberechtigten eine er- heblihe Erweiterung dadurh erfahren, daß das Wahl- recht auf alle diejenigen ausgedehnt wird, welche überhaupt staatlihe Grund- oder Einkommensteuer entrichten und, vom Tage des Abschlusses der sogenannten Urwählerliste zurü- gerechnet, seit mindestens sechs Monaten ihren Wohnsitz oder Aufenthalt am Orte der Wahl haben. Die Abgeordneten zur Zweiten Kammer werden in Wahlkreisen, deren Zahl und Mae keine Aenderung erfährt, gewählt, aber nicht mehr unmittelbar von den Wahlberechtigten, E von Wahlmännern. Auf je 500 Seelen der ortsanwesenden Zivil- bevölkerung entfällt ein Wahlmann. Die Wahlmänner werden in Wahlbezirken dur die Ürwähler gewählt. Orte von weniger als 150 Seelen werden mit einem oder mit mehreren benachbarten Orten zu einem Wahlbezirk ver- einigt. Orte von 1500 bis 3499 Seelen bilden eigene Wahl- bezirke. Orte von 3500 und mehr Seelen werden in mehrere Wahlbezirke getheilt. Jn einem Wahlbezirk können bis zu 6, in den Wahlbezirken der Städte mit 40000 und mehr Ein- wohnern bis zu 12 Wahlmänner gewählt werden. Die Urwähler werden nah Maßgabe der von ihnen zu entrichten: den staatlihen Grund- und Einkommensteuer in drei Ahb- theilungen getheilt. Jn die erste Abtheilung gehören diejenigen höchstbesteuerten Urwähler, welche zusammen das erste, oberste, Drittel der Gesamm!summe der Steuerbeträge des Orts bezw. des Wahlbezirks entrichten. Jn jedem Falle aber gehören in die erste. Abtheilung alle diejenigen Urwähler, welche an Grund- und Einkommensteuer zusammen den Betrag von wenigstens 300 # welcher Betrag einem Ein- kommen von 10000 M entspriht zu entrichten haben. Die zweite Abtheilung wird gebildet von den nächst niedriger besteuerten Urwählern, auf welche die Hälfte der nun noch verbliebenen Steuersumme entfällt. Jedenfalls aber gehören in die zweite Abtheilung alle diejenigen Urwähler, welche an Grund: und Einkommensteuer zusammen den Betrag von mindestens 50 46 der einem Einkommen von 2800 entspriht entrihten. Alle übrigen Urwähler bilden die dritte Abtheilung. Alle Steuerbeträge, welche 2000 6 übersteigen, dürfen nur mit diesem Betrage bei der Berechnung der Gesammisumme der Steuerbeträge in Ansaß kommen. Um den Fall auszuschließen, daß die erste oder zweite Abtheilung nur aus einem oder nur aus zwei Urwählern bestehe, ist die Bestimmung getroffen worden, daß in diesen Fällen die Abtheilung durch Nachrücken aus der nächstfolgenden Abtheilung bis auf mindestens 3 Urwähler ergänzt wird.

Braunschweig.

Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Albrecht von Preußen begiebt sh heute Nachmittag nach Oldenburg, um dort der feierlihen Beisezung Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin beizuwohnen, und wird am Sonnabend früh wieder nah Braunschweig zurückehren.

Sachsen-Altenburg. Seine Hoheit der Lrdog wird bei den Beiseßungsfeier- lichkeiten in Oldenburg dur Seine Durchlaucht den Prinzen Ernst von Sachsen-Altenburg vertreten werden.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Der neu ernannte österreichish-ungarishe Gesandte am Herzoglichen Hofe, Graf von Lüßow wurde gestern in Gotha behufs Ueberreihung seines Beglaubigungsschreibens von Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog in feierlicher Audienz empfangen. Graf von Lüßow wurde später auch von Jhrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Herzogin empfangen und dann zur Tafel gezogen.

Elsaß-Lothringen.

Dem Landesaus\chuß ist vorgestern der Etat für 1896/97 vorgelegt worden. Derselbe weist eine günstige Finanzlage auf und verspricht mit einem Uebershuß von 1500000 abzuschließen. Jm Ganzen balanciert der Etat mit 55 Mil- lionen Mark. Der Ueberschuß rührt, wie der Unter-Staats- sekretär von Schraut hervorhob, theils von über Erwarten großen Ueberweisungen des Reichs, theils von eigenen Mehreinnahmen des Landes her. Der Unter-Staatssekretär betonte aber die Nothwendigkeit ciner festen Basis der Finanzlage im Verhältniß zum eih, um Schwankungen von der Größe der leßten Jahre in Zukunft abzuwenden, und kündigte alsdann Verbesserungen auf wirthschaftlihem Gebiet in Bezug auf die Kanalisation und die Die Ce an. Der Abg. Jeanty verlangte, daß man die Elsaß-Lothringer 25 Jahre nah der Annexion ebenso behandle, wie die übrigen deutshen Völker, und befürwortete die Verwirklihung des Grundsazes: Elsaß-Lothringen den Elsaß-Lothringern. Noch aber könne man in gewissen Zeitungen lesen, daß der Deutsche hier viel zu gutmüthig und zu zahm auftrete, und es werde nur zu oft ein Elsaß-Lothringer, selbst wenn er gedient und seine Pflicht gethan habe, vom deutschen Chauvinismus ein Franzose, also ein Reichsfeind, genannt. Der Abg. Höffel wünschte eine Verbesserung der Gewerbe- steuer-Vorlage in dem Sinne einer größeren Entlastung des Kleingewerbes und prbPerer Belastung der Großinodustrie. Er erklärte sih gleichfalls für Abschaffung der Diktatur und der Alugnubmegeseba, Der Abg. Winterer sprach sih deen die Reichs-Finanzreform, sowie as die genossenschaftlihe Örgani- sation der Landwirthe unter Aus\{luß staatlicher Bevormundung der landwirthschaftlichen Vereine aus und {loß seine Rede mit einem Protest gegen die Diktatur. Der Abg. Ditsch wünschte die FMON einer Budget-Spezialkommission von 21 Mitgliedern. Der Abg. Dr. Petri gab einen Ueberblick über die s T U und staatsrehtliche Entwickelung Elsaß- Lothringens seit der Annexion, befürwortete eine Kapital- Rentensteuer, die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, sowie die baldige Einführung des deutschen Bürgerlichen Geseßbuhs in den Reichslanden. Er wünschte ferner, unter Hinweis auf die ruhige, loyale und friedliebende Haltung der reichsländishen Bevölkerung, die Erhebung Elsaß-

Lothringens zum gleihberehtigien deutschen Bundesstaat u Beseitigung der Ausnahmegeseye. Der Staatssekretär Ï Á Puttkamer bestritt, daß die Beamtenstellen den elsaß- lothringishen Landeskindern bei gleiher Qualifikation vor- enthalten blieben. Es unterliege seit geraumer Zeit der Erwägung, an Stelle des französischen Preßgeseßes die deutshe Preßgeseßgebun “zu seßen, mit der Modi kation daß die bisherigen Bestimmungen gegen die ausländische Presse beibehalten würden. Schließlich wies der Staatssekretär eine Aeußerung des Abg. Jeanty zurück, der vor dem Chaus- vinismus im Lande gewarnt und damit denjenigen der einge- wanderten Kreise gemeint habe. Wie man in den Wald rufe so shalle es wieder heraus. Es möchten ja einzelne Kreise der Eingewanderten chauvinistish sein, hervorgerufen und ge- nährt werde dies jedo durch den viel größeren und feindlichen Chauvinismus in gewissen Kreisen der einheimischen Be- völkerung. Jn der gestrigen Sißung beendigte der Landesaus\huß die erste Lesung des États. Die Abgg. Spieß und Ge- nossen beantragten eine Resolution, worin die reichsländische Regierung aufgefordert wird, bei den demnächstigen Verhandlungen im Bundesrath und Reichstage den von Elsaß-Lothringern eingebrahten Antrag auf Beseitigung der Ausnahmegeseßze zu unterstüßen. Die Debatte über diesen Antrag wurde verschoben. Das Haus vertagte sih alsdann auf unbestimmte Zeit.

Oesterreich-Ungarn.

Die Verhandlungen über die Ausgleichsangelegen- heit sind gestern in Budapest zu einem vorläufigen Abschluß gelangt; die Fortsezung derselben wird in Wien Ende Februar erfolgen. Ueber die noch unerledigt gebliebenen Theile der Ausgleichsfragen werden, wie „W. T. B.“ berichtet, die beiden Regierungen inzwischen riftli verhandeln. Nach dem Zu- sammentritt des österreichishen Reichsraths werden beide Re- gieruugen ihren betreffenden Parlamenten Vorschläge zur Wahl 15 gliedriger Quotenausshüsse machen. Erst diese Aus- schüsse werden auf Grund statistisher Daten über die Quoten- frage verhandeln. Die österreichischen Minister sind gestern von Budapest nach Wien abgereist.

Der „Budapester Korcespondenz“ zufolge dürfe als Er- gebniß der Konferenzen der beiderseitigen Finanz-Minister die Vereinbarung mehrerer auf die Bankfrage und auf die Valutaregulierung bezüglicher Geseßentwürfe angesehen werden, welche seiner Zeit den Parlamenten zugehen würden.

In der Kurienkommission des böhmischen Land- tags erklärte gestern der Vize-Präsident der Statthalterei Stummer, der Kuriecnantrag Schlesinger sei geeignet, der Gerechtigkeit und Billigkeit darin Rechnung zu tragen, daß jeder der beiden hochentwickelten Volksstämme Böhmens eine seiner Bedeutung zukommende Vertretung in den Ausschüssen und Instituten des Landes zu beanspruchen berechtigt se. Zndem sich die Regierung warm für die prinzipielle Seite des Antrags aussprehe, erkläre sie ih bereit, an der Verathung theilzunehmen. Die Regierung wünsche lebhaft, daß die Berathungen in der Kommission cin geseß- geberish durchführbares Ergebniß liefern möchten, und lege den größten Werth auf eine Vertretung des deutschen Volks\tamms, welche seiner Bedeutung und seiner Stellung entsprehe. Sie empfehle dieses bedeutungsvolle Moment der geläuterten Einsicht des Landesausschusses, appelliere an seinen Patriotismus und seine Vaterlandsliebe und hege die be- stimmte Erwartung, der Landesauss{huß werde sih besireben, für die Wahrung der Rechte beider Volksstämme, ohne Beeinträchtigung der Rechte eines derselben, entsprehende Für- sorge zu treffen. Der Berichterstatter Abg. Nuß konstatierte anerkfennend das warm zum Ausdruck gebrachte volle und grundsäßlihe Einverständniß der Regierung mit der Tendenz des Gesetzentwurfs und beantragte die Annahme des Artikels 1 in der Fassung des Antrags, dessen Jnhalt durch die General- debatte erschöpft sei. Der Abg. Herold erklärte, seine Partei nehme a priori eine ablehnende Haltung gegenüber dem An- trage der Deutschen ein. Der Abg. Schlesinger sprach si hochbefriedigt über die Erklärung der Regierung aus und sa te, es werde sih also nur darum handeln, einzelne Bedenken des Großgrundbesißes, welcher sich im Prinzip S den Antrag erklärt habe, zu beseitigen. Die jetzige Stellung der Deutschen im Landtag sei für die Dauer unhaltbar, da sich die Deutschen nicht damit begnügen könnten, ihr Recht für die Wahl in die Kommissionen, in den Landesausshuß und in die Verwaltung der Landesanstalten für ein Entgegenkommen der einen oder der anderen Partei hinzugeben. Schließlich erklärte der Redner, ein Entgegenkommen der Czechen könnte eine starke Annäherung der leider so weit von einander entfernten Volksstämme an- bahnen. Die Artikel 1 und 2 des Geseßentwurfs wurden \0- dann mit den Stimmen der Deutshen und des Großgrund- besißes angenommen.

Das ungarische Unterhaus erledigte gestern das Budget des Ministeriums des Jnnern und begann die Be- rathung des Kultus-Etats. Der Kultus-Minister Wlassics erklärte mit Bezug auf die Frage der Autonomie der Katholiken: Die allernächste Zukunft sei für die Abhaltung eines Katholikenkongresses niht geeignet. Er habe dem König eingehenden Bericht über leßtere Frage er- stattet; hierauf habe der König entiicden daß die Abhaltung des Kongresses zu einer späterhin zu be- stimmenden Zeit, und zwar auf Grundlage des alten Wahl- systems gestattet sein solle. Das Elaborat von 1870/71 solle dabei als Grundlage der Berathungen dienen. Jm weiteren Verlaufe der Sißung brachte der Abg. Varady eine Jnter- pellation ein: ob der Direktor der Landes-Bildergalerie Tat über die ihm von der Regierung zum Ankauf der für das Museum der schönen Künste bestimmten Kunstgegenstände an- gewiesenen mehreren hunderttausend Gulden Rechnung gelegt habe. Der Kultus-Minister Wlassics erklärte, die Interpellation lofati beantworten zu wollen. Der Minister legte die Ent- tehung der durch Pulsczky bewerkstelligten Bilderkäufe an der Hand der Daten dar und wies nach, daß er in dieser An- gelegenheit mit der größten Vorsiht vorgegangen sei und sofort cine Untersuhung angeordnet habe, als er erfahren, daß Pulsczky seine Befugnisse überschritten habe. Er sei sogar so vorsichtig atten, die von dem früheren Mi- nisterium bereits angewiesenen 204846 Fl. nicht aus- zahlen zu lassen, bevor nicht eine von ihm eingeseßte Kom- mission 265 der Kunstobjekte geprüft und gefunden hatte, daß die Preise mäßig seien. Erst dann habe er Pulsczky angewiesen, das Geschäft abzuwickeln, wobei er das Geld jedoch nicht Pulsczky übergeben, sondern den Sefktions-Rat Szmrecsanyi beauftragt habe, das Geld von Fall zu Fa gegen Quittung auszufolgen. Pulsczky habe dies auch über-

men und au alle Beträge bis auf 7000 Fl. verrechnet. Mas den Ankauf eines angeblihen Rafael anbetreffe, so habe Pulsczky den Auftrag gehabt, sich erst von der Echtheit des Bildes zu “überzeugen und dasselbe dann in der öffentlihen Versteigerung _anzukaufen, den Kredit von 115 000 Fl. aber nicht zu überschreiten. Da Pulszky sih aber nicht an diese Weisung gehalten habe, so habe exr der Minister eine Untersuchung eingeleitet, deren Resultat er dem Hause mittheilen werde. Die Rechte nahm von der Antwort des Ministers unter Zustimmung Kenntniß. Der Abg. Varady wünschte eine meritorische Perhandlung dieser Angelegenheit. Schließlih wurde die Antwort des Ministers mit 88 gegen 77 Stimmen zur Kenntniß genommen. Mit der Opposition, welche geschlossen gegen die Murkenntnißnahme eintrat, stimmten auch Graf Julius Szapary und dessen Anhänger. Großbritannien und Frland.

Das feierlihe Leichenbegängniß des Prinzen zeinrih von Battenberg hat gestern bei trübem, bedecktem Fetter stattgefunden. Die Finn Beatrice mit ihren Kindern, der Herzog von Connaught und die Prinzessin Christian zu Schleswig-Holstein begaben sih in Cowes an Bord der König- lihen Yacht „Alberta“ mit einem Kranz, welchen ‘die Kinder auf den Sarg des Vaters niederlegten. Die Leiche wurde sodann in Cowes gelandet und auf einer von 6 Pferden ezogenen Lafette mit großen militärischen Ehren nah Mhippingham übergeführt. Die Prinzen Ludwig und Franz Joseph von Battenberg gingen als Hauptleidtragende vor dem Wagen der Königin, in welhem Jhre Majestät, die Prinzessin Beatrice und zwei Kinder der Leßteren saßen; hierauf folgten die Wagen mit den Prinzessinnen des Königlichen Hauses. Sämmtliche Prinzen, unter ihnen auch der Prinz Albrecht von Preußen, gingen im Trauerzuge. Bei Schluß der Trauer- zeremonie in der Kirhe zu Whippingham wurden drei Salven abgegeben. S

Jn der Westminster-Abtei in London wurde gestern Vor- mittag ein Trauergottesdienst abgehalten, welchem der Premier-Minister Marquis von Salisbury mit den übrigen Ministern sowie Mitglieder des diplomatischen Korps, darunter der deutshe Botschafter Graf von Haßfeld-Wildenburg, der ósterreichish-ungarishe Botschafter Graf Deym und der russische Botschafter von Staal, beiwohnten. E ;

Die Handelsliga des Vereinigten Königreichs hat an den Premier-Minister Lord Salisbury eine Denk- hrift gerichtet, worin dieser ersuht wird, die geeigneten Schritte zu thun, um eine Befreiung von denjenigen Artikeln in den Handelsverträgen mit Belgien und dem deutschen Zoll- verein zu verlangen, welche verhinderten, daß britische Waaren in britishen Kolonien eine bevorzugte Behandlung genössen. Die Denkschrift erinnert Lord Salisbury an seine im Jahre 1891 abgegebenen Versicherungen, daß die Regierung jede Gelegenheit ergreifen werde, um Großbritannien von \iliben Erschwerungen zu befreien.

Frankreich.

Die Budget-Kommission hat gestern einstimmig den Bericht des Deputirten Raiberti über die Bewilligung eines Kredits für die Theilnahme Frankreihs an den Krönungs- feierlihkeiten in Moskau angenommen. Der Bericht stellt fest, daß dieser Kredit zur Entsendung der außerordent- lihen Gesandtschaft und zu den Ausgaben für die französische Votschaft in St. Petersburg dienen werde.

Ftalien.

Der Prinz und die Prinzessin a von Preußen statteten, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern Nahmittag dem König und der Königin im Quirinal einen Besuch ab, welchen Allerhöchstdieselben kurz nahher im Hotel Bristol erwiderten.

Die „Riforma“ schreibt, daß, wenn die ihr zugekommenen Informationen richtig seien, sih heute in Neapel eine kleine Abtheilung unter dem Befehl des Obersten Pittaluga nah Asfab einschiffen werde, um, falls es nothwendig werden sollte, einen treu gebliebenen Haussastamm zu beshüßen.

Belgien.

In der gestrigen Sißung der Repräsentantenkammer interpellierte, wie „W. T. B.“berichtet, der Sozialist Defnet den Minister des Innern de Bruyn über die Ernen nung der Bürgermeister, indem er darauf hinwies, daß mehr als 2000 Bürgermeister ernannt worden seien, von denen kein einziger Sozialist sei, und sodann an den Minister die Frage richtete, ob er gegen dieSozialisten die Maßregel des Ostracismus zur Geltung bringen wolle. Der Minister de Bruyn erwiderte: da er für die offentlihe Ordnung verantwortlich sei, midi er sih solcher amtlihen Organe versichern, welhe ihm ausreichende Garantien böten. Wenn im Gemeinderath keine Mitglieder säßen, welche diese Gewähr leisteten, so könne der Bürger- meister auch außerhalb des Gemeinderaths gewählt werden. Für jeßt werde er keinen sozialistischen Bürgermeister ernennen.

Türkei.

Der bulgarishe Minister-Präsident Stoilow is, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern in Konstantinopel einge- troffen und hat sich sofort in den Yildiz-Palast begeben.

Gegen den flüchtigen, in Egypten weilenden Kommissar der Dette publique Murad Bey ist ein Ha ftbefehl erlassen worden. Wie dem „Standard“aus Kairo berichtet wird, hätte der Sultan die egyptishe Regierung ersuht, Murad Bey nach Kon- stantinopel zurüclzuschicken. Die egyptische Regierung habe De nahdem Lord Cromer dem Gedanken der Auslie erung Murad Bey's keinen Raum gegeben, dessen Verantwortlichkeit vorgeshügt und das Ansuchen der Türkei abgelehnt.

Griechenland.

__ Die Deputirtenkammer wählte estern mit

122 Stimmen Zaimis (ministeriell) zum Präsidenten

gegen Argerinos (Opposition), welcher 39 Stimmen erhiclt. Serbien.

Die Skupschtina nahm gestern bei der Spezial- berathung des Budgets die Positionen : Allgemeine Kredite, Sustiz, Kultus, Ministerium des Aeußeren und des Innern, owie ferner alle mit der Regierung vereinbarten Budget- ausshuß- Anträge an. Die Regierung unterbreitete sodann der

fupschtina eine Novelle zum Zollwesen.

Schweden und Norwegen. _ Der s{wedishe Justiz-Minister Dr. A. Oestergren que scine Entlassung genommen; zu seinem Nachfolger wurde der Präsident des Kammergerichts Dr. Annerstedt ernannt.

nom

, „Stocholms Dagblad“ meldet: innerhalb der Regierung sei Einigkeit über das neue Wahlgesey für die zweite Kammer erzielt worden. Es verlaute, das ct seße fest, daß man, um das Wahlrecht zu erlangen, eine bestimmte Reihe von Jahren hindur einen bestimmten Steuerbetrag be- zahlt haben müsse.

Amerika.

Das Comité des Senats für auswärtige An- gelegenheiten berichtete, wie „W. T. B.“ aus Wa hington erfährt, Über eine Resolution, welche an die Stelle der rüheren Resolution getreten ist, über welche am 29. Januar berichtet wurde (siche Nr. 26 d. Bl.). Diese neue Resolution erklärt, daß zwishen Spanien und der von der Bevölkerung durch Waffengewalt erklärten und aufrecht gehaltenen Regierung in Cuba ein Kriegszustand bestehe, und daß die Ver- einigten Staaten von Amerika strenge Neutralität beob- achten und beiden im Streit liegenden“ Parteien die Recht e einer kriegführenden Macht in den Häfen und- Terri- torien der Vereinigten Staaten zugestehen sollten.

Aus Washington ist in New-York die Nachricht ein- getroffen, der Minister des Aeußern der Republik Ecuador Carbo habe cin Rundschreiben an die Mitglieder der Diplo- matie von Mittel- und Süd-Amerika und an den Staats- sekretär Olney erlassen, worin die Einberufung eines amerikanishen internationa len Kongresses befür- wortet werde, behufs genauer Feststellung und Be - Aug der Monroe- Doctrin und Begründung engerer Tommerzieller und politischer Beziehungen.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet, der General Baratieri habe auf eine Anfrage der Regierung erwidert, daß die Aucetidballitg der Geiseln durh den Negus Menelik eine Verlegung des Vertrags gewesen sei. Die Verhandlungen ïiber die Räumung Mafalle’s dur Vermittlung des Lieutenants *Felter und auf Jnitiative Menelik’s seien von Baratieri und von Galliano geführt worden, welcher Leßtere einen Ver- U arats einberufen habe, der dazu seine Zustimmung er-

eilte.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sizungen des N ei ch s - tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (33.) Sihung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichs-Justizamts Nieberding und einige Kommissare beiwohnten, wurde zunächst der Antrag der deutsch-sozialen Reformpartei wegen Einstellung des gegen den Abg. Hirschel hwebenden Strafverfahrens genehmigt.

Darauf seßte das Haus die erste Berathung des En t- wurfs eines Bürgerlichen Geseßbuhs fort. Das Wort ergriff zunächst der Abg. Dr. Enneccerus (nl.), dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauert.

Die Abgg. Dr. Paashe und Genossen haben im Neichstag folgenden Antrag eingebraht: Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regterungen zu ersuchen, dahin wirken zu wollen, daß bei der Einfuhr von Weizen, Noggen, Hafer, Hülsen- frühten, Gerste, Naps und Nübsaat, soweit fie niht aus\hließlich zum Transitverkehr bestimmt sind, eine Kreditierung des Eingangszolls niht mehr stattfindet.

Von den Abgg. Colbus und Genossen ist im Reichstag ein Antrag eingebraht worden, den § 2 des Geseßes vom 2. Juli 1875, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens, in [np Weise abzuändern:

„Auf den Statthalter gehen zugleih die durch Geseße und Ver- ordnungen dem Reichskanzler in elsaß-lothringisczen Landesangelegen- heiten überwiesenen Befugnisse über.

Die durch § 10 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Ver- waltung, vom 30. Dezember 1871 dem Ober-Präfidenten über tragenen außerordentlihen Gewalten find aufgehoben.“

Nr. 6 der , Veröffentlihungen des KaiserlihenGesund- heitsamts*, vom 5. Februar, hat folgenden Inhalt: Arbeiten aus dem Kaiferlihen Gesundheitsamt, Bd. X Heft 3. Ankündigung. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Sterbefälle im Dezember. Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera 2c. Medizinalstatistishe Mittheilungen aus Bremen, 1894. Desgl. aus

aris, 1891. Todeëursachen in Paris, 1865/91. Aus dem Jahresbericht des Gesundheitsbeamten in Hongkong, 1894. Gesetz- gebung u. f. w. (Deutshes Reich.) Arzneitaxe. Diphtherieserum. Todeëursachenstatistik. (Preußen.) Gewerbliche Anlagen. (Schwarzburg-Rudolstadt.) Viehmärkte und Shlahthäuser. (Nu- mänien.) Nahrungsmittel und Getränke. ms. der Thierseuchen in Oesterreich, 4. Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierfeuchen. (reuß, Reg.-Bez. Posen, Merseburg, Aurich, Aachen, Trier, Bayern,

hweiz). Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich). Etat für das Kaiserliche Gesundheitsamt, 1896/97. Vermischtes. (Vereinigte Staaten von Amerika). Bevölkerungs- bewegung in den Neuenglandstaaten, 1892. Monatstabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern, Dezember. Desgl. in größeren Orten des Auslandes. Wodchen- tabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Er- krankungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gericht- liche En cetbungen zum Nahrungsmittelgesez. (Faules, himmeliges oder fonst verdorbenes Fleisch.)

Nr. 5 des „Zentralblatts der Bauverwaltun af herausgegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 1. Fe- bruar, hat folgenden Inhalt: Amtliches : Dienst: Nachrichten. Nichtamiliches : Eisenbahnbrücke mit Moniergewölbe. Die faro- lingishe Pfalz in Aachen. (Schluß.) Ueber die Baufortschritte der Sibirischen Eisenbahn. Wettbewerb für die Rhéin - Straßenbrüde bei Worms. II. Posegoung,) Dienstgebäud&Für das Landraths- amt in Witkowo (Posen). Vermischtes : Wettbêwerb für den Bau zweter evangelischer Kirchen in Groß-Lichterfelde. Preisausschreiben für den Entwurf zu einem Rathhaus in S Un Eiserne Wehr- nadeln. Inhalt von Heft 1 bis 111 der Zeitschrift für Bauwesen 1896. Bücherschau.

Nr. 5 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts*, heraus: egeben im Pn der öffentlihen Arbeiten, vom 3. Februar, bat folgenden Inhalt: Allerhöchster Erlaß vom 23. Dezember 1895, betr. Verleihung des Enteignungdrehts an die freie und Hansestadt

ura für die Ausführung des Anschlußgleises von dem Rangier- ahnhof Wilhelmsburg nah den geplanten Sammelbabnhöfen auf der

Veddel und der Peute, sowie für die Herstellung des Sammel- bahnhofs auf der Peute, soweit preußishes Staatsgebiet erforderli ist. Erlasse des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 26. „Ja- nuar 1896, betr. Reihenfolge der nihtversorgungsberechtigten Anwärter für Unterbeamtenstellen; vom 29. Januar 1896, betr. Anstellung von Inhabern des Forstversorgungsscheîns ; vom 30. Januar 1896, betr. Viehsendungen aus Oesterreich-Ungarn; vom 30. Januar 1896, betr. Schafsendungen nach Frankreih. Nachrichten.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Die Wegepolizeibehörde hat, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerihts, 1V. Senats, vom 30. Oktober 1895, neben den Interessen des öffentlihen Verkehrs auch als leihberehtigte die Interessen des Wegebaupflichtigen zu berücksihtigen. „Wenn es zutrâfe, daß die von der Wegebaupflihtigen vorgenommenen Wege- besserungen lediglich um deswillen nußlos gewesen sind, weil seitens eines Verkehréinteressenten zu Zeiten \{le{chter Witterung der Weg mit schwerem Fuhrwerk befahren wird, und wenn es ferner zuträfe, daß dieser Verkehrsinteressent ohne wesent- lihe Ershwerung seines Wirthschaftsbetriebes diese Folge durch sachgemäße Verminderung der einzelnen Fuhrwerkslasten abwenden könnte, fo kann zwar die Wegebaupflichtige damit nicht eine Ablehnung der gehörigen Aa Les des gegenwärtig für besserungs- bedürftig erahteten Weges der Wegepoltzeibehörde gegenüber recht- fertigen, wohl aber kann leßtere daraus Veranlassung nehmen, dur ch sachgemäße Anordnungen in Betreff des Lastverkehrs auf dem Wege einer vermeidbaren Erschwerung der Wegebaulast der Wegebaupflihtigen für die Zukunft vorzubeugen.“ (IV. 1498.)

Kunst und Wissenschaft,

Neue interessante Anwendungen des Phot ogravhierens mit Röntgen’schen Strahlen konnte Direktor Schulz-Hendcke als die Resultate seiner in den leßten aht N angestellten Versuche gestern Abend der in der Kriegs-Atademie versammelten „Deutschen Gesellschaft von Freunden derPhotographie“ vorlegen. Der Sißung wohnten der Staatssekretär des Innern, Staats- Minister Dr. von Boetticher, General - Lieutenant von Brauchits, viele andere Offiziere und Aerzte bei. Dem Direktor Schulz - Hendte ist es in Verbindung mit dem Professor Goldstein und Anderen gelungen, die Nöntgen’shen Strahlen als ein sicheres Mittel zur Unterscheidung echter von falshen Perlen zu erkennen. Er hat einen Shmuck photographiert, der theils aus echten, theils aus uneten, aber ganz vorzüglich nachgeahmten Perlen besteht. Nachdem der Shmuck 2 Stunden den Nöntgen'schen Strahlen ausgeseßt war, kam der Unterschied beider Arten evident zur Erscheinung. Die eten Perlen zeigten ih als dunkle undur(sihtige Massen, die unechten Perlen aber waren durchscheinend und ließen vor allem deutlich die Stange erkennen, mittels der sie am Schmuck befestigt sind. Recht interessant sind auch die Versuche, die Direktor Schulz-Hencke mit verschiedenen Holzarten gemacht hat. Die Versuche wurden angestellt zu dem praktishen Zweck, festzustellen, durch welche Holzarten die Röntgen’schen Strahlen am besten hindurchgehen; gewählt wurden dazu gewöhnliches Kienholz, Elsen-, Mahagoni- und Nußbaumholz. Die Aufnahme brachte das wichtige Ergebniß, daß auch die feine Maserung der Hölzer von den Strahlen wiedergegeben werde. Es berechtigt dies zu der Hoffnung, daß es bei weiterer Vervollkommnung des Verfahrens aub noch gelingen werde, die Gewebe des menschlichen und thierishen Körpers zu reproduzieren. Im Speziellen zeigte die Aufnahme, daß an sih das Kienholz die Strahlen am besten durch- läßt, daß beim Kienholz aber die dunkelbleibenden Harz streifen \örend wirken. Dem Elsenholz würde also der Vorzug zu geben sein für die Herstellung der Kassettenshieber. Mahagoniholz ift weniger durch- lässig, Nußbaumholz ganz erheblich dunkler. Daß auch die Knochen nit abfolut unüberwindlihen Widerftand den Strahlen darbieten, zeigte das Bild einer vor aht Tagen aufgenommenen Hand, deren einer Finger mit einem Kettenring geschmüdckt war. Auf dem Bilde kann man bei genauerer Betrachtung unter den Knochen die Ketten tes Ninges erkennen. Ganz wunderbare Bilder ergaben die Aufnahmen einer Schlange, eines Molches und einer Blinds(leiche : jeder einzelne winzige Knochen war deutlich und klar zu erkennen. Professor Goldstein wiederholte in derselben Sißung seine {hon vor aht Tagen gezeigten Experimente mit Kathodenstrahlen, erweiterte dieselben aber in interessanter Weise durch den Nachweis, daß die Kathodenstrahlen auch chemische Wirkungen hervorrufen; \o wird beispielsweise Kochsalz unter der Einwirkung der Kathodenfstrahlen violett gefärbt. Professor Goldstein zeigte ferner, daß es auch Kathodenstrahlen giebt, welhe dem Magneten nicht gehorhen. Auch gestern fand vor den Augen des Publikums die Aufnahme einer Hand nach Nöntgen’shem Verfahren statt.

Handel und Gewerbe,

Bereits früher, u. a. in der Nr. 3 des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ vom 4. Januar 1888, ist darauf hingewiesen worden, daß mehrere Firmen, die von den Niederlanden aus den in Deutshland, insbesondere in Preußen, verbotenen und strafbaren sogenannten Promessen- handel und den Verkauf von Antheilsheinen an Loospapieren betreiben, immer wieder von neuem zahl- reiche Personen in Deutschland, und zwar vorzugsweise aus den weniger bemittelten Klassen, durch verlockende Anpreisungen um ihr Geld zu bringen wissen.

Die häufigen Klagen geschädigter Reichsangehöriger, die ih auch neuerdings wieder, und zwar namentli gegen die

msterdamer Loos-Gesellschaften „Hollandsche Credietbank“ und „Bank Kommandit-Gesellshaft Mercur“ richten, lassen darauf schließen, daß dieser Looshandel noch immer in voller Blüthe steht.

Das Verfahren, wie die Opfer gefangen werden, ist bei den einzelnen Loos-Gesellschaften vetschiedes Die einen, wie die „Hollandsche Credietbank“, fuchen sih durch ihren hoch- tónenden Namen und s{hön gedruckte Prospekte einzu- führen. Den Abnehmern wird ein nichtssagendes Papier, etwa mit der Ueberschrift „Bezugsschein“, übergeben, auf dem ohne weitere Bezeihnung und namentlih ohne Lieferungs- versprechen die Serien und Nummern von Loospapieren ein- getragen sind. Jm Vertrauen auf diese Angaben glaubt der Käufer, daß er durch Entrichtung Seim Raten- zahlungen von oft erheblihem Betrage in den Besiß der vermerkten Loospapiere gelangen werde. Sobald er aber mit der eung einer Rate in Verzug kommt, erklärt die Gesell- schaft die ganze bisher gezahlte Summe für verfallen und si selbst jeder weiteren Verpflihtung für ledig. Oft wird au die Lieferung des Looses unter allerlei Vorwänden verweigert, obwohl sämmtliche Raten gezahlt sind.

lndere Gesellschaften verlocken unter ähnlichen Teuiqun en au meist unter Anwendung der Verfallsklausel, zum Ankau von Papieren, die entweder keinen oder einen weit geringeren Werth besißen, als der Preis beträgt, der râteitweie für sie gezahlt werden muß.

Die Geschädigten erbitten gewöhnlich erst, wenn es zu spät

ist, die Hilfe der deutshen Konsulate. Diesen bleibt dann, da