1896 / 44 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

rung über die Landesgrenzen kein Verlust entstanden, sondern ein Gewinn; insbesondere dürften die nah Nachbarländern und anderen europäishen Staaten Weggezogenen und die von dort nah Baden Zugezogenen der Zahl na d ausgleichen. /

Die Veränderung des L Mer a andes ist keineswegs gleih- mäßig im Lande; vielmehr treten erheblihe Verschiedenheiten hervor. Von den 11 Kreisen haben 9 an Bevölkerung zu und 2 abgenommen, von den 52 Amtsbezirken 37 zu- und 15 abgenommen: und zwar bewegen sich die Zunahmen der Amtsbezirke zwischen 0,28 9% (Wolfah) und 13,51% (Mannheim) und die Abnahmen zwischen 0,14%) (Pfullendorf) {und 3,46 9/9 (Engen). Nach, threr geographischen Lage bilden die Amtsbezirke mit Abnahme zwei L lere zusammenhängende Gebiete: Theile der Donau- egend und des fsüdlihen Schwarzwaldes einerseits, das Bau- an und die östlihen Abhänge des Odenwaldes andererseits; außerdem weist noch ein Theil der Nheinebene südlih und nördlih vom Kaiser- D: (die Amtsbezirke Müllheim und Staufen sowie der Bezirk

ttenheim) eine Bevölkerungsabnahme ie Dagegen bilden, die See- g end einerseits, der mittlere und nördliche S@bwarzwald, die ganze

E inebene (mit Ausnahme der oben erwähnten drei Amtsbezirke) von Säckingen und Lörrach bis Weinheim mit dem be- leitenden Hügellande (ein\{chließlich Pforzheim) und der west- fiche Odenwald andererseits zwei zusammenhängende Gebiete der Zunahme. Im Ganzen haben hiernach mit Ausnahme von Me und Ettenheim Bezirke ohne erheblichere industrielle Thätigkeit ab-, diejenigen mit solher zugenommen. Leßtere (z. B. Weinheim, S m ingen, Säckingen, Durlach, Lörrach) übten zum theil verhältnißmä ig eine stärkere Anziehungékraft aus als die Be- zirke mit E tädten, unter denen Mannheim und Karlsruhe den größten, Baden und Freiburg den geringsten, aber immer noh er- heblih ‘über die durchschnittlihe Landeszunahme hinausgehenden Zu- wachs hatten.

Von den Gemeinden sind 805 an Einwohnerzahl gewachsen, 775 gefallen, 26 unverändert geblieben. Unter den Gemeinden ver- halten sih wie gewöhnlich Stadt und Land hinsihtlich der Verände- rung des Bevölkerungsstandes recht verschieden von einander. Die Einwohnerzahl der zur Zeit vorhandenen 116 Städte ift 1890/95 von 590 786 auf 642 788 oder um 52002 bezw. 8,80 °/ gestiegen (dar- unter die der 9 Städte der Städteordnung sämmtlih mit mehr als 10000 Einwohnern um 37 265 Personen oder 11,78 9/0), diejenige der 1490 Landgemeinden und abgesonderten Gemarkungen mit eigener L Verwaltung dagegen nur von 1 067 081 auf 1 082 682 oder um 15 601 bezw. 1,46 9%. Nimmt man nit die öffentlih rechtlihe Stellung der Gemeinden, sondern ihre Volkszahl zum Eintheilungsmaßstab, so ergiebt si Folgendes: Es betrug

die ortsanwesenyge - die Zu- (+) oder für die Größen- Bevölkerung Abnahme (—) klasse von am2.Dz.1895 am 1.Dz.1890 absolut 20 000 u. mehr Einw. 296 232 263378 +32 854 10 000—20000 ,„ 70 520 64390 —+ 6130 5 000—10000 , 92 018 68484 4-23 534 2000— 5000 ,„ 318 743 309870 + 8873 unter 2000 , 947 957 951745 3788 überhaupt 17294700 1657867 +67 603 iernah weisen die Gemeinden von 5000 bis 10 000 Einwohnern im Verhältniß zu ihrer Volkszahl am Beginn der leßten Zählungs- periode die stärkste Zunahme auf, was hauptsählich darauf zurück- zuführen sein dürfte, daß der größte Theil derselben (die Städte Weinheim, Durlach, Ettlingen, Schweßingen und Hokenheim, die Landgemeinden Neckarau, Käferthal und Brößiugen, nen acht Gemeinden) als Vororte der Städte Mannheim, Karlsruhe und Pforz- heim von der infolge des wirthschaftlihen Aufschwungs bei den leßteren eingetretenen Bevölkerungszunahme zum theil einen rößeren Nußen gehabt haben als jene. Aber auch die elbständigen kleineren gewerblihen Mittelpunkte unter ihnen (Offenburg, Lörrah und Emmendingen) haben fehr erhebliche Volkszunahmen erfahren. Von sämmtlichen 23 Gemeinden mit über 5000 Einwohnern im Großherzogthum blieben nur Lahr und Eberbach hinter der durhschnittlichen Bevölkerungszunahme des Landes zurü, während die Landgemeinde Neckarau und die Stadt Emmen- dingen am weitesten darüber hinausgehen; eine Abnahme der Volks- zahl hat keine dieser 23 Gemeinden aufzuweisen. Auch die Gemeinden mit 2000 bis 5000 Einwohnern haben im Ganzen noh eine, wenn au hinter dem Landesdurhschnitt zurückbleibende Bevölkerungs- zunahme erfahren, sodaß nur die kleineren und kleinsten Gemeinden von unter 2000 Bewohnern innerhalb des legten Jahrfünfts im Ganzen an Bevölkerung verloren haben. Aber diese Abnahme ist ganz unbedeutend ; fie beläuft sich insgesammt nur auf 3788 Personen oder 0,40 %/%, eine so niedrige Verhältnißzahl, wie sie seit lange nicht beobachtet wurde. afen wir die vorstehend erörterten Ergebnisse kurz zusammen, so darf behauptet werden, daß in Baden in der leßten Zählperiode der Abzug vom Lande in die größeren Städte (die „Landflucht*) erheblich geringer E ist, als in den vorhergegangenen Zeiträumen, daß aber nihtsdeftoweniger doh fast die Hälfte der gesammten Bevölke- rungszunahme des Landes (32854 oder 486% von 67 603) auf die fünf größeren Städte mit über 20000 Einwohnern entfällt. An jenem Ergebniß mag neben der {on . erwähnten geringen über- seeishen Auswanderung auh das Darniederliegen von Industrie und Gewerbe in den ersten Jahren der Zählperiode 1890/95, das dem bekannten Zuge der Landbevölkerung in die Städte niht günstig war, einen nicht unerbeblihen Antheil haben.

Nach dem Geschlecht seßt sih die ortsanwesende Bevölkerung des Landes aus 847 334 männlichen und aus 878 136 weiblihen Per- sonen zusammen ; erstere machen demna 49,1 9/6, leßtere 50,9 9/9 der Gefammtbevölkerung aus, und auf 100 männliche kommen 103,6 weibliche Personen. Gegenüber den betreffenden Zahlen vom 1. De- zember 1890 hat die männlihe Bevölkerung um 36752 over 4,9390, die weiblide um 30851 oder 3,64%, erstere also nicht unerheblich stärker zugenommen als leßtere, eine Er- scheinung, welche nunmehr {hon seit 1880 regelmäßig in Baden beobahtet wird. Damit stimmt es vollkommen überein, wenn der Antheil des männlichen Geschlehts an der Gesammtbevölkerung des Großherzogthums bei jeder der vier leßten Zählungen gestiegen, der des weiblichen ebenfo regelmäßig gefallen ist und dementsprehend der Vebershuß der weiblichen Personen über die männlihen immer geringer und das in Zahlen ausgedrückte Verhältniß der bei- den Geschlehter zu einander für die weiblihen Personen immer ungünstiger geworden is. Diese Entwickelung, welhe bis zum Dae 1900 in Baden stets den umgekehrten Verlauf genommen, d. h. zu einem immer stärkeren Ueberwiegen des weiblichen Geschlechts geführt hatte, ist um fo auffälliger, als die industrielle Entwickelung des Landes, wie die neuerdings regelmäßig jährli ver- anftalteten ftobererhebungen über die Arbeiterverhältnisse in den der Aufsicht der Fabrifinspektion unterstehenden Gewerbebetrieben im Vergleich zu den Ergebnissen der Gewerbestatistik von 1882 dargethan haben, eine immer stärkere Verwerthung weiblicher Arbeitskräfte zur Folge S hat und auth sonst innerhalb der leßten Jahrzehnte das weibliche Geschlecht dem männlichen auf immer weiteren Erwerbs-

gebieten bekanntlih erfolgreihe Konkurrenz macht.

Die vorläufig festgestellte Zahl der Haushaltungen beläuft h auf 359 833 gegen #45 149 im Jahre 1890, also auf 14 684 oder 4,25 °/o mehr, sie is mithin in etwas stärkerem Maße als die Be- völkerung (4,08 9/6) gewachsen, weswegen au die durchschnittliche rtDe Maar O UnL, etwas E erve ist: auf eine Haus-

altung famen 4, erjonen gegen 4,80 im Jahre 1890, 4,84 i

Jahte 1885 und 4,87 im Jahre 1880. e tg o

e am leßten Zahlungstage ermittelten Haushaltungen waren Än 227 978 bewohnten Wohnhäusern und 1922 sonstigen be- wohnten Baulichkeiten (Baracken, Buden, nicht eigentli zu Wohn- zwecken bestimmten, aber bewohnten Gebäuden, Wohnwagen, Schiffen 2c.) Mga, während am 1. Dezember 1890 nur 218 138 bewohnte Wohnhäuser und 1281 sonstige bewohnte Baulich-

keiten gezählt wurden, Es hat mithin ¡eine Zunahme von

f .

9840 bewohnten ned P und 641 sonstigen bewohnten Baulich- keiten, zusammen also eine erme A der sämmt- lichen Aufenthalts\stätten um 10441 oder 4,76 9/% stattgefunden. R ergiebt sich eine allerdings nit bedeutende Veränderung der ohnungsverhältnisse für das ganze Land, indem 1895 durchschnittlich auf ein bewohntes Gebäude 2c. 1,56 Haushaltungen: mit 7,51 Be- wohnern gegen 1,57 Haushaltungen mit 7,56 Bewohnern im Jahre 1890 kommen. Da die llten Volkszählungen indessen in dieser Beziehung günstigere Verhältnißzahlen aufweisen, so ist die kleine Verbesserung in der leßten Zählperiode von geringem Belang.

Zur Arbeiterbewegung.

In Dresden fand am Montag eine Versammlung der Schneider und Schneiderinnen statt, in welcher, wie wir dem „Dr. J.“ entnehmen, berihtet wurde, daß der Ausstand in der E und Knabenkonfektion so gut wie beendet sei. Die meisten

irmen hätten die Lohnforderungen bewilligt. Wo dies noch nicht geschehen, sei die Bewilligung noh zu erwarten. Dagegen sei der für die Damenkonfektion von den Arbeitnehmern ausgearbeitete Lohn- tarif fast nirgends angenommen worden. Die Geschäftsinhaber bätten zum theil Gegentarife ausgearbeitet, jedo mit so geringen Auf- besserungen, daß die Arbeiter niht darauf hätten eingehen können. Es wurde beschlossen, daß die Arbeitnehmer der Damenkonfektion von geen ab in den allgemeinen Ausstand eintreten und nit nur die

nnahme des E Lohntarifs, sondern au die Einführung der Betriebswerkstätten fordern sollten. gde - a

In Lübeck haben, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, die in den Konfektionszweigen beschäftigten Personen beschlossen, nicht in die Lohnbewegung einzutreten; die auswärts Ausständigen sollen aber unterstüßt werden.

us Berlin berichtet die „Post“: Jn der Berliner Kon- fektion ist der Ausftand gestern auf der ganzen Linie ausgebrochen. Es wird weder in den Werkstätten der Damen- noch der Herren- Konfektions\hneider gearbeitet. Die Ablieferungen der Zwischenmeister O so gering, daß sie überhaupt kaum in Betracht kommen. Es fanden erhandlungen sowohl der Damen- als der Herren-Konfektionäre während des ganzen Tages mit den Zwischenmeistern und der Fünferkommission der Arbeiter statt, um eine Einigung zu erzielen. Der „Voss. Ztg.“ zufolge haben die Schneidermeister der Herren- und Knabenkonfektion sich ihren Kollegen in der Damen- und Mäntelbranche, die in den Aus- stand eingetreten sind, nihcht angeschlossen. Sie befürhten, daß die Berliner Herrenkönfektion, deren Bedeutung weit hinter der Ber- liner Damenkonfektion zurücksteht, einen dauernden Schaden durch die Bewegung erleidet und sich nah der Provinz, wo die Herrenkonfektion eine größere Bedeutung hat, wendet. Der Ausstand der Arbeiter an Holzbearbeitungsmaschinen umfaßt gegenwärtig, wie die „Post“ mittheilt, 900 Personen mit 1112 Kindern; 28 Firmen haben die Forderungen bewilligt. Im Ausstand der Holzarbeiter haben 482 Betriebe mit 4722 Beschäftigten die Forderungen der Arbeiter bewilligt. Die Forderungen der Msöbel- polierer sind in 96 Werkstellen mit 238 Beschäftigten anerkannt worden. Der Ausstand der Vergolder bei der Firma Oskar Scholz (vgl. Nr. 32 d. Bl.) ist, einer Mittheilung des „Vorwärts“ ufolge, auf Grund einer Vereinbarung für beendet erklärt worden. n dem Streit eines Theils der Brauere iarbeiter der Aktien- gesellschaft Münchener Brauhaus mit dem Direktor (vgl. Nr. 41 d. Bl.) sind die Forderungen der Ausständigen, wie die Berliner „Volksztg.“ berihtet, vom Gewerbegeriht als Einigungs8amt abgewiesen worden.

Handel und Gewerbe.

/ Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 17. Fe- bruar die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung: York- straße 36, dem Rentier W. Lindemann zu Schöneberg gehörig; Fläche 3,99 ha; Nuztungswerth 9350 A; mit dem Gebot von 137 000 Æ blieb der Schlossermeister K. L. Köppen zu Berlin Meistbietender. Freienwalderstraße 11, dem Kaufmann Gustav Schulß gehörig; Fläche 6,64 a; Nuzungswerth 6970 4; für das As A von 103500 A wurde der Eigenthümer Julius Krupke, Kastanien-Allee 95/96, Ersteher.

In der Aufsichtsrathsfißzung der Berliner Bank vom 17. d. M. wurde die Bilanz für 1895 vorgelegt. Dieselbe ergiebt einen Bruttogewinn von 966 564 4 (1894: 646 793 4M), d. i. etwa 15,46 9/6 des durdhshnittlich werbenden Aktienkapitals von 64 Millionen Mark und nach Abzug für Unkosten, Steuern, Utensilien 2c. im Betrage von 201 615 Æ (1894: 184 177 A) einen Reingewinn von 764949 ÆA (1894: 462615 46). Die Direktion {chlägt vor, auf das am 1. Juli 1895 um 24 Millionen Mark erhöhte Aktienkapital von 74 Millio- nen Mark eine Dividende von 7% (1894: 6 9%) zu ver- theilen und den nach Dotierung des ordentlichen Reservefonds mit 38 247 MÆ. (1894: 23130 4) und nah Zahlung der Tantièmen ver- bleibenden Gewinnrest von 156 049 4 (1894: 81860 4) dem Spezial- reservefonds zuzuführen, welhem ftatutengemäß die Abschreibungen mit 97 326 M (1894: 55 087 Æ) entnommen find. An dem Gewinn partizipieren: Zinsen-Konto mit 263 490 (1894: 240 775) A, Pro- visions-Konto 341 588 (1894: 241 245) 4, Devisen- und Kupons- Konto 30 042 (1894: 28 546) 4, Effekten-Konto, Betheiligungen und Wechselstuben 331 442 (1894: 136 226) M

In der gestrigen Sißung des Aufsichtsraths der Deutschen Genossenshaftsbank von Soergel, Parrisius u. Co. in Berlin wurde von den perfönlih haftenden Gesellschaftern der Ab- {luß für das Rechnungsjahr 1895 vorgelegt. -Das Gewinn- und Verlust-Konto zeigt folgende Ziffern : in der Einnahme : Zinsen-Konto 365 941 (1894 299333) 4, Diskonto - Konto 225 924 (1894 266 545) M, Effekten-Konto 257 365 (1894 212 572) 4, Provisions- Konto und Gewinne aus Betheiligungen 549 960 (1894 366 248) M, Devisen-Konto 13 974 (1894 17 554) Æ, Kupons- und Sorten-Konto 3326 (1894 3758) F, Hausertrags-Konto 7865 “(1894 7106) M, Reinertrag der Kommandite Frankfurt a. M. 447265 (1894 372744) Æ, zusammen 1 871 623 (1894 1 545 864) 4; in der Aus- gabe Unkosten-Konto 316 921 (1894 299 574) 6, Abschreibungen auf Utensilien 1000 (1894 1000) , Rückstellung auf Außenstände 150 000 (1894 80 000) M, zusammen 467 921 (1894 380574) A Es verbleibt demnach ein Gewinn von 1403702 4 gegen 1165 290 G im Jahre 1894. Der Aufsichtsrath beshloß, der zum 7. März d. J. einzuberufenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 6 9/6 gegen 5 9% im Vorjahre vorzuschlagen.

Die Generalversammlung der Berliner Hagel-Assecuranz- Gesellschaft von 1832 genehmigte die 64. Jahresrehnung nebst Bilanz und ertheilte dem Aufsichtsrath und Vorstand Entlastung für das vorige Jahr.

In Trier werden im März die von Jahr zu Jahr größere

Bedeutung gewinnenden großen Versteigerungen der besten Gewächse aus den Mosel- und Saarweinbergen vor sih gehen. Die Ergebnisse der leßten Versteigerungen haben großes Aufsehen erregt, weil bei ihnen ein Durwschnittspreis bei rund 900 zum Verkauf gekommenen Fudern in der ab von 3100 M erreiht wurde. Es handelte sih freilih um den hervorragenden 1893er Jahrgang, welhen Kenner für den besten dieses Jahrhunderts erklären. Von der 93er Crescenz kommen jeßt noch 570 Fuder in den Tagen vom 16. bis 21. März zur Versteigerung. __ Der Rechnungsabschluß der Deutshen Hypothekenbank in Meiningen für das Jahr 1895 d dag! pi s: neben der Verthei- lung einer Dividende ven 6 9/6 (wie in den Vorjahren), die gesammten, durch die Konvertierung vierprozentiger Pfandbriefe entstandenen Kosten im Betrage von rund 400 000 aus dem Jahreserträgniß zu decken und dem Spezial-Reservefonds abermals 100 000 Æ zuzuweisen.

Der Aufsichtsrath der Bremer Wollkämmerei (Blumen- thal) hat beshlossen, der Generalversammlung die A Hana einer Dividende von 20 9% nah reihlihen Abschreibungen und Rückstellungen für 1895 in Vorschlag zu bringen.

Königsberg, 18. Februar. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen weichend. Roggen matt, pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 109.

Gerste ruhig. fer träge,

ewicht 105.

Spir tus pr. 100 Liter 10090%/9 loko 33,00, 33,00, do. pr. Frühjahr 33,00.

Danzig, 18. Februar. (W: T. D Getreidemarkt. W [loko niedriger, Umsaß 200 t, do. inländ. hochbunt und wei 151 do. inländ. hellbunt 147—148, do. Transit hohbunt und weis E do. hellbunt 112, do. Termin zu freiem Verkehr pr. April-Máj 151,50, do. Transit pr. April-Mai 116,50, Re ulierungspreig zu freiem Verkehr 149. Roggen loko matter, do. inländischer 112—114 do. russischer und polnischer zum Transit 79, do: Termin pr. April-Maj 115,60, do. Termin Transit pr. April - Mai 81,00, do. Regu Fes zum freien Verkehr 113. Gerste, große (660—700 Gramm) 110. Gerste, kleine (625—660 Gramm) 103. Hafer, inländischer 109 Erbsen, inländische 107,00. Spiritus loko kontingentiert 52,50, nit kontingentiert 32,50.

reslau, 18. Februar. (W. T. B.) Getreide- und Pro, duktenmarkt. Spiritüs pr. 100 1 1009/6 exkl. 50 Verbrauhs, abgaben pr. Februar 50,70, do. do. 70 M Verbrauhsabgaben pr. Fe, bruar 31,20.

Magdeburg, 18. Februar. (W. L. B.) Zuckerberi@t Kornzucker exkl, von 92% 13,20—13,45, Kornzuder exkl. 88), Rendement 12,60—13,00, Nachprodukte erfl., 75 9/0 Rendement 9,50 10,50. Fest. Brotraffin. 1 25,00. Brotraffin. 11 24,75. Gem Raffinade mit Faß 24,50. Melis 1 mit Faß 24,25. Sehr fest. Robzucker I. Produkt Tranf. f. a, B. Hamburg pr. Februar 12,424 Gd., 12,454 Br., pr. März 12,50 Gd., 12,524 Br., pr. April 12,60 Gd., 12,623 Br., pr. Mai 12,70 bez. 12,724 Br., pr. Oktober Dezember 11,774 Gd., 11,80 Br. Stetig.

Ls, 18, Februar. (W. T. B.) Kammzug-Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Februar 3,374 K, pr, März 3,375 F, pr. April 3,40 4, pr. Mai 3,40 4, pr. Juni 3,425 A, pr. Iuli 3,45 #4, pr. August 3,475 #, pr. September 3,472 4, pr. Oktober 3,50 46, pr. November 3,52} #4, pr. Dezember 3,925 M, pr. Januar 3,524 # Umsay 35 000 kg. Ruhig.

Bremen, 18. Februar. (W. L. B.) Börsen-Schlußbericht, Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum. Börse.) Ruhig. Loko 6,05 bez. Russisches Petroleum, Loko 6,05 Br. Schmalz. Ruhig. Wilcox 30} Z, Armour shield 293 , Cudahy 303 S, Choice Grocery 31 §, White label 31 4, Fairbanks 26 A. Speck. Ruhig. Short clear middling loko 272 S. Reis fest, Kaffee ruhig. Baum- wolle. Stetig. Upland middl. loko 41} §4. Wolle. Umsaß 231 Ballen. Taback. Umsay: 300 Seronen Carmen.

Haniburg, 18. Ferrer (W. T. B.) Getreidemarkt, Weizen loko sehr ruhig, holsteinisher loko neuèr 154—158. Roggen loko sehr ruhig, hiesiger —,—, mecklenburger loko neuer 142—145, russis loko matt, 88—90. Hafer sehr ruhig. Gerste fehr ruhig. Rüböl (unverzollt) ruhig, loko 48. Spiritus ruhig, pr. Februar-März 16# Br, März-April 16F Br., pr. April-Mai 165 Br., pr. Mai-Juni 17 Br, Kaffee ruhig. Umsay 1500 Sack. Petroleum ruhig. Standard white loko 5,95.

(W. T. B.) Kaffee. (Nachmittagsbericht.) Good average Santos pr. März 652, pr. Mai 65}, pr. September 613, pr. Dezember 58, Schleppend. Zuckermarkt. (Schlußbericht.) Rüben-Rohbzuder I. Produkt Basis 8809/9 Rendement neue Usance, frei an Bord Ham- burg pr. Februar 12,45, pr. März 12,50, per Mai ae pr. August 13,00, per Oktober 11,824, per Dezember 11,80. Stetig.

London, 18. Februar. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen- ladungen angeboten.

96% Javazucker 13} fes, Rüben-Rohzucker loko 12/u fest. Chile- Kupfer 453/16, pr. 3 Monat 45/16.

__ London, 19. Februar. Nach einer Meldung der „Times“ aus Konstantinopel hätte der Sultan gestern Nachmittag feine Ge- nehmigung für die Anleihe ertheilt.

Liverpool, 18. Februar. (W, L. B) Baumwolle, Umsay 8000 Ballen, davon für Spekulation und Erport 500 B, Stetig. Middl. amerikanishe Lieferungen: Stetig. Februar-Mär 411/32 Verkäuferpreis, März-April 45/16 —421/64 Käuferpreis, April: Mai 419/64 Verkäuferpreis, Mai-Juni 4°/33—41%/64 do., Juni-Juli 417/64— 4°/322 Käuferpreis, Juli-August 4/64 do., August-Septembe 47/32— 41/64 Verkäuferpreis, September-Oktober 47/64—4{ do., Ok tober-November 43/644—41/16 do., November-Dezember 43/54 d. do.

Manchester, 18. Februar. (W. T. B.) 12r Water Taylor 5, 30r Water Taylor 7}, 20r Water Leigh 68, 30r Water Clayton 7 32r Mock Brooke 7, 40r Mayoll 74, 40r Medio Wilkinson 8, 32r Warpcops Lees 63, 36r Warpcops Rowland 7, 36x Warpcopt Wellington 7}, 40r Double Weston 8#, 60r Double courante Qua lität 117, 32“ 116 yards 16 K 16 grey Printers aus 32r/46r 161,

Nuhig. (W. T. B.) rodukten

St. Petersburg, 18. Februar. markt. Weizen loko 8,70. Roggen loko 5,00. Hafer loko 3,40, Talg loko 48,00, per

Leinsaat loko 10,70, Hanf loko —,—. August —. Bern, 18. Februar. (W. T. B.) Die Einnahmen der Jura- Simplon-Bahn betrugen im Januar 1896 1 820 000 Fr. gegen 1 546 000 Fr. im Januar 1895. Die Ausgaben betrugen 1 140 000 Fr, gegen 1 123 900 Fr. im Vorjahre. Einnahme-Uebershuß vom Januar 1896 betrug 680000 Fr. gegen 422 600 Fr. im Januar 1895.

Amsterdam, 18. Februar. (‘W. T. B.) Java-Kaffee aood ordinary 504. Bancazinn 37.

__— 19. Februar. (W. T. B.) Die Gesammteinnahmen der Niederländish-Südafrikanischen Eisenbahngesellschaft betrugen im Januar 1896 nah vorläufiger Feststellung 2 065 200

(+ 1039 200) F.

ew YOLT/ 18, Geeruas. (W. T. B.) Die Börse eröffnete mit höheren Kursen. pâter trat gedrüdte Stimmung ein. Der Der Umsaß in Aktien

Schluß war unregelmäßig. 157 000 Stü.

Weizen eröffnete fest und behielt auch noch eine Zeit lang die Festigkeit bei, da sowohl die auf der Ozeanfahrt begriffenen Zufubren, als auch die sonstigen Eingänge eine Abnahme aufwiesen. Wesentlich trugen zur Befestigung der Haltung die zur Erfüllung von Verträgen stattgehabten Käufe bei. ie zur Kenntniß gelangten Bradstreett- Berichte führten jedoch s{chließlich einen Umschwung der Stimmung herbei und ließen den Markt träge shließen. Ma is, infolge der egte des Weizens anfangs steigend, fiel später auf Zunahme der Ankünfte.

Waarenberihcht. Baumwolle-Preis in New-York 75, do. do. in New-Orleans 7/16, Petroleum Stand. white in New-York 7,36, do. do. in Philadelphia 7,30, do. rohes (in Cases) 8,25, do. Pie line Certific. pr. März 137, Schmalz estern steam 95,75, do, Nohe u. Brothers 6,00. Mais per Februar 36, do. per Ma 36,00, do. per Juli 37, Rother Winterweizen 813, Weizen per Fe bruar 72}, pr. März 73, per Mai 712, per Juli 71. Getreide fraht nah Liverpool 2. Kaffee fair Rio Nr. 7 134, do, Rio Nr. 7 per März 12,80, do. do. per Mai 12,20. Mehl, Spring-Wheat clears 2,75, Zucer 38, Zinn 13,35, Kupfer 10,60. :

Der Werth der in der vergangenen Woche ausgeführten Me betrug 4433 817 Doll. gegen ‘8 127 242 Doll. in der

orwoche.

Weizen -Verschiffun gen der leßten Woche von den atlantl-

betrug

sen Häfen der Vereinigten Staaten nah Großbritannien 54000,

do. nah Frankreih —, do. nah anderen Häfen des Kontinents 2200, do. von Kalifornien und Oregon nah Großbritannien 18 000, do nach Chiren E geh “n B G folge s@wädherer aus L cago . Februar. ¿ D, O: nfolge {hw er al ländisher Märkte gab Weizen glei bei Eröffnung des Marks! etwas nah und konnte sich auh später nicht erholen, da au hier d Bradstreets-Berichte verstimmend wirkten. Mais infolge lebhafter Verkäufe durhweg fallend.

Weizen pr. Februar 628, pr. Mai 643, Mais Mig 274, Schmalz per Februar 5,42, do. per Mai 5,57. Speck short clear 5,30, Pork per Februar 9,85. / Rid ce Ca”

4

do. loko pr. 2000 / E Weiße Erbsen pr. 2000 P. Sollgewktt 10Z dl Ÿ do. pr, Febru, |

} Baden und Elsaß-Lothringen L

Dritte Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staals-Anzeiger.

M 44.

Berlin, Mittwoch, den 19. Februar

1896.

Deutsches Neid. Rüben-Verarbeitung sowie Einfuhr und Ausfuhr von Zucker im deutschen Zollgebiet

im Monat Zanuar 1896.

R pt Z ——— —- Ep P I Zahl e MeLrwaltungs- DEIir Le MUAer briken, „Direktiv-Bezirke. die (Steuer-Direktiv-Bezirke.) Rüben verarbeitet haben.

Verarbeitete

Einfuhr von ausländishem Zuker in den freien Verkehr.

NRaffi- nierter Zudcker.

Ausfuhr von inländishem Zucker

Rüben- der Klasse :

mengen. L | b | Z

des Geseßes vom 31. Mai 1891.

Nohzucker.

reußen

Mestpreußen Brandenburg

ommern osen . - lesien

Sa sen E

Schleswig-Holstein nnover - Halen « « «

d en-Nassau .

einland

100 kg netto.

11 650 140 795

‘30 880

99 820 91 031

244 420 394 375 292 362 735 875 470 438 1 229 368

944 016

14 013 984 004

409 99

H E

Summe Preußen

Bayern Sachsen . MVürttember

gele A ecklenburg Thüringen . Oldenburg - Braunschweig Anhalt bed . Bremen . mburg

E Fealeoslail Hi

. . . «

p GI =I n

3 868 871 7531

336 317 56 600

195 165 7 325

E LSL H i Ss

201 4 8 061 9 201 712 4 128

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28 8 9

urxemburg S TLEDEE U e

4 471 809 934 326 672 278 221 5 932

[E

Hierzu in den Monaten August bis Dezember 189 .

112 249 429 1 431 1530820 | 1615 381 46 634

Zusammen August 1895 bis Januar 1896 .

Jn demselben Zeitraum des Vorjahres . . . . „« Berlin, den 19. Februar 1896.

92 966 66 639

1 893 602 1 667 516

T S57 499 3 454 72%

T16721 234 T 965 141 503 460 2 434

Kaiserliches Statistishes Amt.

von Scheel.

Deutscher Reichstag. 43. Sizung vom 18. Februar 1896, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Fortsezung der ersten Berathung der Anträge der Sozialdemokraten und Frei- sfinnigen, betreffend das Vereins- und Versammlungs-

recht und das Koalitionsrecht.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Nachdem Herr Bachem namens des Zentrums sih dafür entschieden hat, daß nur eine Resolution angenommen werden foll, fürchte ih, daß nichts zu stande kommen wird, troßdem bei der Lässigkeit der Regierung auf diefem Gebiet der Reichstag etwas thun müßte, denn es herrscht eine Fe Ver- virrung auf dem Gebiet des Vereinsrehts. Die Resolution würde nur besagen, was der Reichstag wiederholt gesagt hat, z. B, am s. Mai 1872. Ich werde beantragen, eine Kommission einzuseßen, welhe niht die Anträge begraben, fondern so ausgestalten foll, daß sie Gesetz werden könnten. Im Mai 1878 war es der Abg. von Bennigsen, welher ein Vereinsgeseß forderte. Unser öffentliches Leben wird geschädigt aas die Willkür des Vercinsrehts ; die verbündeten egierungen haben aber gar kein Verständniß für diese Frage. Man mahnt zum Kampf gegen die Sozialdemokratie, fördert sie aber dadur, daß gegen dieselbe in Bezug auf das Ver- einsreht ungerecht verfahren wird. 1892 wurde eine Petition aus Melenburg wegen des Vereinsrehts von der Kommission der Regierung ¿ur Erwägung empfohlen! Zur Erwägung, eine kategorishe Forde- rung der Verfassung! Die Regierungen haben erklärt, daß kein Anlaß zu Scvgebéciscén Maßregeln vorhanden fei. Da müssen wir Anlaß nehmen, das Vereinsrecht zu regeln. Unser Antrag wegen Sicherung des geheimen Wahlrechts wurde auch zuerst verspottet, aber s{ließlich is er mit großer Mehrheit angenommen worden. Wenn die verbündeten Regierungen auh im nächsten Jahre nicht auf den Antrag eingehen, is es doch erfreulih, daß man in Baden und Württemberg jeßt in ähnlihem Sinne vorgeht. Die Kommisfion hat Aussicht auf Erfolg, denn Herr Auer hat namens seiner Freunde erklärt, daß sie auf ihren Antrag verzihten könnten, wenn das württembergishe Vereinsgeseß Reichsgeseß würde. Das if kein radikaler Vorschlag. Herr Bachem hat auch die Möglichkeit hin- gestellt, daß ein Vereinsreht nah dem Muster .des württembergischen angenommen werden könnte. Ich bin empfindlich verleßt worden als Norddeutscher, als Herr Bachem meinte, das verhältnißmäßig ruhige Ländchen Württemberg könnte ein freiheitlihes Vereinsgefeß vertragen. Uns in Preußen also einshließlich des Herrn Bachem hält er noch nicht für reif genug. Wer hat denn in Württemberg die Oberhand? Erst kommen die Herren von der süddeutschen olkspartei, dann die Nationalliberalen und das Zentrum. Württem- berg hat das freieste Vereinsreht und die wenigsten Sozial- demokraten. Sachsen und Hamburg, die Musterstaaten in Bezug auf das Vereinsgeseß sind, haben die meisten Sozialdemokraten. Wenn das Zentrum sih auf eine Refolution beschränken will, dann müßte doh wenigstens hineingeshrieben werden, was man will, ob man das württembergishe Muster nahahmen will oder nicht; auch bezüglich der

tellung der Frauen im Vereinswesen müßte etwas gesagt werden, denn diese Frage ist niht mehr zu umgehen. Es ist do merkwürdig,

Frauen an politischea Versammlungen theilnehmen können, sogar als Rednerinnen; aber wenn ein Verein vorhanden ist, dürfen ie Frauen nit einmal an dem Vergnügen desselben theilnehmen.

rr Schall vertröstet die Frauen damit, daß sie in das Haus gehören. rr Schall, der si auf den Apostel Paulus beruft, welGey lagt: „Der ann ist des Weibes Haupt“, hätte weiter lesen follen die Stelle, wo paulus E „Wer heirathet, thut wohl; wer nicht heirathet, thut pesser. i nah würden also alle Hausfrauen aus der Welt ershwinden. ie Frauen wollen ihre materielle Stellung ver- ern und wollen eine Stellung im öffentlichen Leben einnehmen,

die man ihnen jeßt unter Schülern und Lehrlingen einräumt. Zu verahten sind die Frauen nicht, die ihre Petitionen hier eingereiht haben. Herr Schall meinte, die verständigen Frauen verlangen fo etwas garniht. Sehr höflich war das niht. Unter der Cingabe stehen aber auch die Namen sehr verständiger Frauen. Fürst Bismarck meinte in einer Ansprache an die Frauen, die ihn begrüßten: Halten die Das fest an der Politik, so ist diese gesichert für die Zeit der Kinder, welhe die Frauen erziehen. Was sagt Herr Schall dazu ? In Baden, Württemberg, Oldenburg u. \. w. haben die Frauen das Vereins- und Ver- fammlungsrecht, ohne daß dort große Schäden entstanden sind. Es wird unterschieden zwischen öffentlihen und politishen Angelegenheiten. Die gewandtesten Juristen sind do nicht im stande, aus den Ent- scheidungen der leßten Jahre darüber Klarheit zu verbreiten. Das Reichsgeriht hat auch alle wirthshaftlihen Angelegenheiten als poli- tishe bezeichnet, ebenso die sozialen Fragen. Das Kammergericht hat sogar entschieden, i: unter die Politik alles das gehört, was unter die Staatswissenschasten fällt oder fallen kann. ir sind also voll- kommen rechtlos und am s{limmsten ift die ungleihe Behandlung, welche die verschiedenen Bevölkerungsklassen erfahren. Selbst Vereine für Volksbildung sind als politische betrahtet worden. In Hannover hat die Polizei eine philosophishe Gesellschaft als politishen Verein betrahtet. Ich bedauere, daß Herr von Bennigsen nicht anwesend ift. Der Polizei-Präsident hat die Gesellschast troy des Wider- spruchs des Ober-Präsidenten unter Polizeiaufsicht gestelt. Wenn einige Leute sih, ohne einen Verein zu bilden, um einen Tisch feßen und von den Wahlen sprehen, so löft der Polizeibeamte die Ver- fammlung auf. Aber beim Bund der Landwirthe hören die Geseye auf; da sind die Amtsvorsteher bei der Agitation stark betheiligt. Eine Zeitung hatte einem Amtsvorsteher vorgeworfen, daß er mit einem Agitator Bauernfang treibe. Der Redakteur - wurde von der Klage der Beleidigung freigesprohen. Diese Agitatoren des Bundes der Landwirthe sind diejenigen, welhe das Geseß handhaben nicht ohne, sondern mit Ansehung der Person. Der Bund der Landwirthe steht in lebhaftem Widerspru zur Regierung, aber die Regierung, die sih so etwas gefallen läßt, verdient, von diesen Herren bevor- mundet zu werden. Versammlungen werden ohne weiteres aufgelöst, ohne jeden Grund. Soll- das so bleiben? Versammlungen kosten Geld! Wenn in Pommern Versammlungen von Liberalen angemeldet werden sollen, so ist der Amtsvorsteher niht zu Hause. Aber wenn der Bund der Landwirthe eine Versammlung hält, dann schreitet der Amtsvorsteher voran. Die verbündeten Regierungen sollten im Inter- esse der Erhaltung der Gesellshaftsordnung den bürgerlihen Parteien entgegenkommen. Den Sozialdemokraten wächst dur solche kleinen Hindernisse der Muth und die Kraft. Jeder Fabrikraum ist die natur- gemäße Versammlung der Arbeiter, dagegen kann man mit keinem Geseße ankommen. Der ru ige Bürger hat Furcht, mit der Polizei, dem Staatsanwalt und dem Richter in Berührung zu kommen. Die freiheitlihe Entwickelung und namentlich die Diskussion ift der beste Schutz der heutigen Staatsordnung. Nicht durch reaktionäre Maß- regeln, sondern durch die freie Entwickelung der ö entlihen Dis- Fusion und dur eine volksthümliche Politik werden Sie den besten Schu der s finden. Ich würde die Regierung bitten, sich nicht ablehnend zu verhalten, sondern endlich das Ver- einsrecht dem deutshen Volke zu geben.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Es is niht meine Absicht, materiell über die Anträge zu diskutieren, welhe Sie gegenwärtig beschäftigen. Ich habe nur das Wort erbeten, um einen Angriff abzuwehren, den der Herr Abg. Rickert gegen die verbündeten Regierungen unternommen * hat. Wenn der Herr Abg. Rickert am Eingang feiner Rede, wie

mir berichtet worden ist, es beklagt hat, daß kein Vertreter der ver- bündeten Regierungen am Bundesrathstisch anwesend gewesen ist, fo fann ih das Bedauern darüber theilen, und ih beklage das um so mehr, als ich nach den weiteren Ausführungen des Herrn Abg. Rickert der Ueberzeugung lebe, daß auch der erste Theil seiner Aus- führungen für mi manches Interessante geliefert haben würde. Aber der Herr Abg. Rickert wolle das entshuldigen. Es geht den Herren am Bundesrathstishe nicht anders, wie es augenscheinlih der sehr großen Mehrheit des Hauses geht. (Heiterkeit.) Wir haben mit- unter auch noch etwas Anderes zu thun, als den Berathungen des Neichstags beizuwohnen.

Nun, meine Herrea, hat der Herr Abg. Rickert unter Berufung auf den Art. 4 der Verfaffung den Vorwurf gegen die verbündeten Regierungen erhoben, daß fie lässig gewesen wären in der Ausführung dieses Artikels, soweit er sch auf die Gestaltung des Versammlungs- und Vereinsrechts bezieht. Ih möchte demgegenüber darauf hinweisen, daß der Art. 4 der Verfassung nicht so aufzufassen ist, als ob er eine Verpflichtung für die Regierung vorschriebe, die dort angezogenen Rechtsmaterien unverzüglich dec Ordnung durch die Reichsgeseßtz- gebung zu unterziehen. Der Art. 4 wird vielmehr rihtig nur dahin zu verstehen sein, daß er den Kreis derjenigen Gegenstände bezeichnet, auf welche sih die Kompetenz des Reichs bezieht, und die also von Reichswegen in Angriff genommen werden können ohne Aenderung der Verfassung. Auf einer Anzahl von Gebieten, die in Art. 4 aufgeführt sind, ist auch nah der Reichsverfassung die Landesgeseygebung noh thätig gewesen und wird es auch ferner sein, so lange eben das Reich sih nicht dazu herbeiläßt, die Materien mit in Angriff zu nehmen.

Nun, meine Herren, is aber auch materiell der Vorwurf doch um deswillen unbegründet, weil gerade auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts man in verschiedenen Bundes8- staaten mit dem dort geltenden Recht durhaus zufrieden ift. Wenn ih sage „man“, so meine ih natürlich damit niht, daß jeder Staatsbürger mit dem geltenden Vereins- und Versammlungsreht zufrieden ist; aber es giebt eine ganze Reihe von deutshen Re- gierungen, welhe eine Verbesserung der in ihren Ländern geltenden Vorschriften über das Vereins- und Versammlungsreht nicht herbeisehnen.

Leider is auch anzuerkennen, daß die Besorgniß besteht und diese Besorgniß ist au hier bei Ihren Berathungen zum Ausdruck gekommen —, daß, wenn die Reichsregierung die Materie in Angriff nehmen sollte, eine Vereinbarung über das Maß und die Gestaltung der Festsezungen, die zu treffen sind, außerordentlih s{chwer zu erzielen sein werde. Ebenso berechtigt wie diese Besorgniß is auch der Zweifel, ob dur ein gemeinsames Reichsreht auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungswesens wirklich überall befseres Recht geschaffen werden wird. Der Gesichtspunkt, daß auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrehts die Nücksiht auf die Erhaltung der Staats- ordnung in den Vordergrund zu stellen ist, wird niht unbeachtet zu lassen sein; und es ist ganz klar auch Ihre Verhandlungen lafsen dies erkennen —, daß man auf der einen Seite in dem Bestreben- möglichst viel Freiheit zu erhalten, und auf der anderen Seite in dem Bestreben, einen möglich wirksamen Schuß für die Staatsordnung zu gewinnen, sich nicht leiht verständigen wird über die Ausgestaltung des Reichs-Vereins- und Versammlungsrechts.

Also, meine Herren, so einfa liegen die Dinge denn doh nit, wie der Herr Vorredner anzunehmen \c{eint. Wenn aber der Herr Abg. Rickert den Vorschlag gemacht hat, in einer Kommission den Versuch zu unternehmen, ob man nah dem Muster des Vereins- rechts in einem Bundes\taat au ein Reichsgeseß über Vereins- und Versammlungsrecht fertig bringt, so haben wir selbftverständlih dagegen garnihts zu erinnern, und wenn der Herr Abg. Rickert oder die anderen Herren, die si an dieser Aufgabe betheiligen werden, mit guten Gründen kommen und uns klar machen, daß das, worüber fie sich verständigen, auch wirklich ein brauhbares und nach allen Seiten hin genügendes Recht ist, so werden die verbündéten Regierungen gewiß gern die Hand dazu bieten, daß ein solhes als Gesey ver- fündet wird. Aber, wie gesagt, diefe Ueberzeugung muß den ver- bündeten Regierungen erst beigebraht werden (Zuruf von den Sozial- demokraten), und deshalb bitte ich: Lassen Sie ab mit Ihren Klagen ; schaffen Sie etwas is es gut und finden wir es auch gut, dana wird es Gesetz!

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Eine Vereinbarung über das Vereinsrecht zwishen Bundesrath und diesem Reichstag steht außer- halb der Möglichkeit. Das haben die Verhandlungen über die Um- \turzvorlage gezeigt. Denn ein Vereins- und Versammlungsreht kann niht radifal geschaffen werden, wie die Herren von der Linken es wünschen, sondern es müfsen auch die Kautelen gegen den Mißbrauch gefunden werden. Wenn beim Bürgerlichen Geseßbuch das Vereins- recht im Sinne der Antragsteller geregelt werden follte, dann würde für den Bundesrath und für viele Parteien die Annahme des Geseyz- buches unmöglich werden. Machen Sie, was Sie wollen! Wenn Sie einen Gesetzentwurf zu stande bringen, fo ist das eine Demon- stration, keine prafktishe Arbeit. Jch bin einverstanden damit, daß im preußishen Landtage die Vereinsgeseßgebung einer Revision unterzogen wird; aber so weit darf dieselbe nicht gehen, daß die Frauen und jungen Leute die Freiheit der Theilnahme bekommen. Die jungen“ Leute gehören in die Schule und in die Kirche, aber niht in die Oeffentlichkeit. Die Rechte der Apag will ich erweitert sehen, aber vollkommene Gleich-

eit der ves vg Rechte sür die Frauen will ih nicht. Die vernünftigste Petition der Frauen ist die aus München ein- gegangene. ie verlangt die größere Rechtsfähigkeit der Frauen. Dafür können die Frauen in Versammlungen eintreten, niht in Vereinen. Bedenklich ist allerdings die Bestimmung, daß politische Vereine nicht miteinander in Verbindung treten können, dadur werden die revolutionären und loyalen Bestrebungen gleichmäßig ge- troffen. Wenn wir diese Bestimmung beseitigen und gegen Miss brauch der Polizei Machtbefugnisse geben, so können wir wohl aus- kommen. Bei der Auflösung der sozialistischen Verei \spriht man immer davon, daß die Arbeiter anders behandelt werden als die Arbeitgeber. Man verwechselt dabei die Arbeiter und die Sa demokraten. Katholishe Gesellenvereine sind niht aufgelöst. Sind

denn alle Sozialdemokraten Arbeiter? Die Reichstagsfraktion enthält keinen Arbeiter, sondern lauter Unternehmer, Sournaliiiea u. \ w. Die

Koalitionsfreiheit besteht; was die Herren immer verwechseln, ist, daß