1896 / 49 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

26. Sizung vom 24. Februar 1896. , Ueber den Beginn der Sißung is gestern berichtet"

worden. | Das Haus seßt die zweite Berathung des Etats der E emeiinta bei- dem Titel „Einnahmen aus dem Güterverkehr 680 300 000 #“ fort.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Jch habe leider von den Ausführungen des Herrn Abg. Freiherrn von- Los nur sehr wenig verstehen können, aber ih

nehme an, daß diese Ausführungen sih im allgemeinen decken mit den

Ausführungen der Petition des landwirthschaftlichen Provinzialvereins für Westfalen. Verstanden habe ih den Schlußsag, der anknüpft an die Aeußerungen, die ih im Laufe der vorgestrigen Debatte gemacht habe, und an die Hoffnungen, die ih ausgesprohen habe, daß die Landwirthschaft bald wieder in gedeihlihe, blühendere Zustände ge- langen möge. Meine Herren, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Landwirthschafts-Minister halte ih die Herstellung der Viehstaffel- tarife für ein geeignetes Mittel dazu. (Sehr richtig!) Meine Herren, die Petition gegen diese Viehstaffeltarife hat im Großen und Ganzen eine außerordentlihe Aehnlichkeit mit dem Ansturm, der seiner Zeit gegen die Getreidestaffeltarife erhoben wurde (sehr richtig!), eine große Aehnlichkeit au insofern, als weder bei den Getreidestaffeltarifen, noch viel weniger aber bei den Viehstaffeltarifen ein Beweis hat hergestellt werden fönnen, daß diese Staffeltarife der Landwirthschaft der westlichen Provinzen \{chädlich gewesen sind. Meine Herren, es ist kein Beweis dafür erbraht worden, daß das Sinken der Getreidepreise im Westen und Süden mit den Staffeltarifen zusammenhängt; einen folchen Be- weis für die Viehstaffeltarife zu bringen, hat auch selbst die Petition des Westfälischen Provinzialvereins nit einmal versucht. Es ist keine einzige Thatsache angeführt worden, aus der dieser Schluß zu ziehen wäre; es sind nur allgemein theoretishe Erörte- rungen angestellt worden vornehmlich über den Nothftand der Land- wirthschaft in Bezug auch auf den Zweig der Viehproduktion und daß dieser Nothstand \ih gleihermaßen in West- wie in Mittel- deutshland und im Osten kund gebe. Aber der Beweis für den Zusammenhang mit der Herstellung der Viehstaffeltarife ist nicht ver- sucht worden. Jch habe leider nicht hören können, ob der Herr Abg. Freiherr von Los diesen Beweis in seinen Ausführungen gebracht hat, ih möhte es aber wirkli bezweifeln, denn ih halte das zur Zeit für absolut unmöglich.

Meine Herren, es if, wie Sie wissen werden, im vorigen Jahre bereits in diesem hohen Hause und auch im Herrenhause der Antrag gestellt worden, die Viehstaffeltarife, wie sie bisher von S(hlesien und überbaupt von den östlihen Provinzen nach Berlin bestanden, aus zudehnen auf das ganze Staatseisenbahnney. Diese Petition ist nach langen eingehenden Erörterungen seitens des boben Hau}es der Staats- regierung zur Erwägung überwiesen worden. Meine Herren, das Herrenhaus is weitergegangen und hat die Petition der Staats- regierung zur Berücksichtigung überwiesen, der Staatsrath hat ih ebenfalls damit einverstanden erklärt. Der Landeseisenbahnrath, den wir gehört haben, hat allerdings mit 16 gegen 15 Stimmen si da- gegen ausgesprochen. (Abg. Freiherr von Loë : Hört! hört!) Wenn der Herr Abg. Freiherr von Los sagt: Hört! hört! so möchte ih ihm darauf bemerken, daß die Landwirthe in der Mehrzahl \ich dafür ausgesprochen haben, (hört! hört!) und die Majorität nur her- gestellt ist durch ein gewisses Kompromiß der westlichen Fndustrie mit der westlichen Landwirthschaft.

Meine Herren, es ist nun“niht- zu leugnen, daß die Viehpreise-in diesem Herbst und Winter sinkend sind mit Ausnahme der Preise für Zuchtvieh, die steigend find au im Westen, das wird Herr Freiherr von Loë ebenso gut wissen wie ich. Am \{ärfsten sind die Rückgänge bei den Schweinen. Die Erklärung dafür ist aber so flar, daß es mich sehr wundert, daß der Wesifälishe Provinzialverein, der die Verhältnisse so genau übersehen kann, das nicht erwähnt. Diese Erscheinung tritt in jedem Jahre auf, wenn das Futter reihlih gerathen is und infolge dessen die junge Aufzuht bedeutend vermehrt worden ist. Vermehre ich die Aufzucht, so vermehre ih das Angebot ; vermehrt sch das Angebot, so sinken ‘die Preise. Das trifft in be- sonders hohem Maße bei den Schweinen zu und wird übereinstimmend von allen Behörden, die darüber gehört worden sind, bestätigt. Es ist nit etwa der Westen, der dadurch besonders geschädigt worden ist, der Rückgang vollzieht fich ebenso im Osten und in Mittel- deutshland.

Dann ist behauptet worden in der Petition —- und ih glaube, soviel wenigstens gehört zu háben, daß au) Herr Abg. Freiherr von Los dieselbe Behauptung aufgestellt hat daß dieser Viehstaffeltarif im großen Maße dem Auskande zu statten käme. Meine: Herren, nun muß ih mich sehr darüber wundern, daß der Westfälische Provinzialverein ‘an- \cheinend noch nicht weiß, in welchem Maß unsere Grenzen gegen das ausländis{e Vieh abgesperrt find. Verstanden habe ih, daß Herr Abg. Freiherr von Loë gesagt hat, dem dänishen Vieh würden ‘ganz besondere Begünstigungen zu theil. Meine Herren, eine der Haupt- begünstigungen ift die, daß das dänische Vieh Quarantäne halten muß, welche die Regierung auf drei Wochen bestimmen, aber auf zehn Tage abkürzen fann. Was aus diefer Quarantäne nah dem Inland herausgekommen ift, wissen wir, und das it bis jet vershwindend. Meine Herren, ih darf vielleicht, da das dem Westfälischen Provinzialverein unbekannt zu sein scheint, hier mittheilen, daß Belgien und Holland gesperrt sind gegen die Einfuhr von Rindvieh, Schafen, S@weinen und Ziegen, daß Rußland gesperrt ist für die Einfuhr von Rindvieh, Schafen und Ziegen ; Schweine dürfen nur in einigen S({lachthäusern von Oberschlesien eingeführt werden; in Oesterrcih bestehen für Rindvieh bestimmte Sperrgebiete; im übrigen is die Einfuhr nah verschiedenen Schlacbt- häusern zugelaffen. Dänemark und ganz Skandinavien sind gesperrt für die Landeinfuhr, zugelassen i} nur die Sceciufuhr in bestimmte Secquarantäne - Anstalten. Ih habe \{chon mitgetheilt, daß die Quarantäne auf drei Wochen befiimmt ist und auf zehn Tage nach

Bestimmung des Negierungé-Präsidenten ermäßigt wird. Aus diesen

Anstalten zu Altona, Hamburg, Kiel und Flensburg ift in den Monaten Oktober bis eins{ließlih Dezember 1895 nach Rheinland und Westfalen befördert worden die Zahl von 236 Stü Rindvieh, (Heiterkeit) das is die große Einfuhr von Rindvieh aus Dänemark, die den Westen schädigen foll.

‘und

Aber, meine Herren, es liegt doch klar auf der Hand : jemehr aus veterinärpolizeilihen Gründen die Einfuhr gesperrt oder dur Quarantäne halten ershwert wird, was ja zur Fernhaltung der Seuchengefahr-im Interesse der Landwirthschaft durhaus nothwendig md vollkommen gerechtfertigt ist, desto nothwendiger und dringender wird das Erförderniß, do wenigstens das Inland zum Austausch seiner Viehbestände zu befähigen. (Sehr wahr!) Wohin foll es denn kommen, wenn wir däs Ausland gegen uns \sperren und dann au noch eine Sperre einrichten im Innern felbst? (Séhr richtig !) Gerade ‘dieser Grund ist für den Herrn Landwirthschafts?Minister, - der mit mir vollständig auf demselben Standpunkt in dieser Frage steht, maßgebend gewesen, für die Einführung der Viehstaffeltarife einzutreten.

Meine Herren, im allgemeinen haben die von mir eingezogenen Berichte, und zwar nicht nur die Berichte der Eisenbahubehörden, fondern au der allgemeinen Verwaltungsbehörden festgestellt, daß bis jeßt das Bezugsgebiet von Vieh sich nicht wesentlih geändert hat, daß aber erheblih zugenommen hat der Viehaustaush innerhalb der kurzen Entfernungen, innerhalb 100 km, auf die der Staffeltarif keinen Einfluß hat. Daß dieser Austausch auf kurze Entfernungen sehr erheblih zugenommen hat, liegt in der Natur der Sache: bei der gesteigerten Anzuht von Zuchtvieh, insbesondere von Schweinen, muß lebhafter Austaush stattfinden und hat zunächst der Austausch statt- gefunden auf kurze Entfernungen. Wir haben beispielsweise, wie Herr Abg. Freiherr von Los weiß, in Westfalen große industrielle Anstalten, die sich mit der Zubereitung von Schweinefleisch namentlich zum Export und zur Schiffsversorgung beschäftigen. Dahin sind große Mengen von Schweinen in diesem Jahre abgeführt worden. :

Sm übrigen is mir noch heute Morgen ein Bericht der Direktion Elberfeld zugegangen, welche ihrerseits sich mit den sämmtlihen Behörden ihres Bezirks in Verbindung geseßt und über die sämmtlichen Viehmärkte, die gerade in ihrem Bezirk sehr bedeutend sind, ih informiert hat. Dieser Bericht bestätigt durchaus, daß in den Bezugsquellen des Viehes sich große Verschiebungen bisher nicht gezeigt haben, wohl aber, wie ih vorhin {hon gesagt habe, der Austausch von Vieh auf kurze Distanzen ganz erheblich zugenommen hat.

Meine Herren, ih glaube daher, wenn ih mi resumieren darf, daß zunächst der Zeitraum des Bestehens der Viehstaffeltarife ein viel zu kurzer ist, um irgendwelche Sqlüsse aus den vorliegenden Er- fahrungen ziehen zu Töônnen. Die Petition des Westfälischen Pro- vinzialvereins giebt selber zu, daß sie keinerlei Zahlen beibringen könne, weil das Bestehen des Tarifs noh ein zu kurzes dazu wäre. Zweitens aber bin ih, {solange mir niht der Gegenbeweis erbracht wird, der Meinung, daß unter den obwaltenden Umständen die Ein- führung des Viehstaffeltarifs für das Land im allgemeinen eine Wohlthat gewesen ist. (Bravo!)

Abg. Freiherr von Plettenberg (kons.): Der Westen soll von der Abwendung der Arbeiter aus dem Osten besonders Vortheil haben; aber das bezieht sih nur auf die Industrie, niht auf die Landwirthschaft. Die Staffeltarife für die Industrie nügen dieser und den Verbrauchern ihrer Produkte. Im Westen zieht die ländliche Bevölkerung ebenfalls in die Industrieorte. Es besteht ein Arbeiter- mangel, der Aus\s{chuß aus Holland i} für uns genügend zu Groß- knehten. Die Viehpreise im Westen sind erheblih gefallen, und zwar gerade seit dem Oftober, seit der Einführung der Staffeltarife. Die Aufhebung der Staffeltarife für Getreide hat sih wohlthätig im Westen bemerkbar gemaht. Wenn die Viehpreise im ganzen Lande gefallen sind, so liegt das an den billigen Importtarifen. Die Ameri- kaner sind darin praktisher. Sie haben billige Tarife aus dem Binnen- lande zur See, aber umgekehrt recht hohe Frachtsäße. Die Quarantäne- frage können wir wohl bei anderer Gelegenheit besser erörtern. Gegen die Lungenseuche sind drei Wochen Quarantäne zu kurz; mindestens vier Wochen würden nöthig sein; Holland felbst hat sech8 Wochen. Der Bund der Landwirthe hat fich in der Frage der Staffeltarife voll- ständig neutral gestellt; ganz entsprechend der Aufgabe, welche er ih gestellt hat, die Landwirthschaft zu einigen in den nothwendigen Dingen; bei den zweifelhaften soll dagegen Freiheit herrschen. Staffel- tarife sind nothwendig für die Produkte, die nur in einem Landcs- theil produziert werden; aber warum die Produfte, die überall wachsen, im Lande- hin und herfahren und die landwirthschaftlichen Produkte des Auslandes daneben. Daß die Schulden im Osten weniger zunehmen als im Westen, mag darauf zurückzuführen fein, daß die Leute im Osten keine Shulden mehr machen können. Wenn der Export vom Osten nah dem Westen sehr gering war, so würde dadur bewiesen, daß der Staffeltarif dem Osten nicht viel nüt; da würde etn Staffel- tarif nah Berlin, den wir allenfalls bewilligen könnten, ausreichen.

Abga. Sieg (nl.): Man hat den Landwirthen des Ostens die Selbsthilfe angerathen. Diesen Rath hat man befolgt. Man hat sih auf den Bau der Gerste geworfen, die schlanken Absay fand. Aber mit der Aufhebung der Staffeltarife hat sich die Situation ganz ver- ändert. Größere Güter produzierten 5000—6000 Ztr. Gerste, die mindestens. um 1 46 für den Zentner entwerthet ist durch die Auf- hebung der Staffeltarife; alfo für ein einziges Gut ein Schaden von 5000—6000 A Dafür bietet die Aufhebung des Jdentitätsnachweises feinen Ersaß; denn diese Maßregel fommt hauptsächlich dem Handel der Seepläße zu gute. Der Verkauf der Gerste ist aber nicht an andere deutsche Distrikte gefallen, sondern Böhmen hat den Vortheil davon gehabt. An den Staffeltarifen für Vieh muß festgehalten werden, damit später das“ gefordert werden kann, was die Landwirth- schaft braucht: eine Herabfezung der Tarife für alle Produkte. Man spricht jeßt davon, daß der Wind für den Osten günstig weht, natürlih im Finanz-Ministerium. Der Wind sollte zum Sturm anwachsen. Jn Westpreußen braucht man neun Eisenbahnen. Diese Forderung wird nachdrücklich vertreten werden. MNedner spricht fich für den Antrag der Budgetkommission aus.

Abg. von Ploeb (konf.): Die Stellung des Bundes der Land» wicthe zu den Staffeltarifen ist bekannt durch die Presse und die Versaimlungen; der Bund hält sich vollständig neutral; er tritt ein für alle gemeinsamen Fragen, aber bei“entgegengeseßten Intereffen bält sih der Bund, namentlich der Zentralvorstand, neutral. Der Qwiespalt in sollen Punkten wird ja von unseren Gegnern, be- sonders Herrn Nickert gewünscht; aber wir büten uns vor folhen Spaltungen. “Redner verweist auf ein Schreiben ciner Cisenbahn- Direktion bezüglich der Einführung direkter Tarife im Verkebr mit Rußland; eine Ermäßigung der deutschen Tarife soll nit eintreten, es soll aber nur die halbe Expeditionsgebühr erhoben werden, „Für die deutschen Landwirthe ist au der kleinste Vortheil von Wichtigkeit. Wir vertrauen dem Minister, daß er für die Landwirthschaft eintreten wird. Wir haben überall nicht prinzipiell Mißtrauen gegen die Minister. Wenn das gefolgert worten ist aus einer Ausla}sung auf der Generalversammlung des Bundes der Lantwirthe, so ist das nicht richtig. Wir können folhe NRedewendungen nur vollkommen billigen, pardon, mißbilligen natürli. Wir haben cs ja {on in unserem Bundesorgan gemißbillitzt. Die Versammlungen sind ja dazu da, daß jeder frei von der Leber weg spricht. Der Landwirths{chafsts- Minister hat unsern Wunsch, daß die Kriegöverwaltung nur aus deutschem Flachs hergestelltes Leinen kaufen möge , erfüllt. Die Fabrikanten haben aber dem Kriegs-Minister erklärt, daß sie den russischen Flachs billiger beziehen als den deutshen Flachs. Jch bitte den Minister, darüber Auskunft zu geben, ob das in Wirklichkeit der

Fall ist. Die Frage der Steinkchlentarife beschäftigt auch die Land- wirths{haft; mehrere Bezugsgenossenschaften verlangen einen billigeren

stattgegeben werden, weil. noh

Frachtpreise des Thomasmehls vom Westen nah dem Osten.

Geheimer Ober - Regierungs-Rath Möllhausen: Das vom Vorredner angeführte Schreiben einer Eisenbahn-Direktion wird wohl rihtia sein. Rußland hat direkte Tarife nah Inlandsstationen ge- 1A ért, und zwar aüf Grund des Handelsverträgs, derihm dazu das

echt giebt. Diese Tarife bietén k ne Ermäßigung, sondern ‘es werden die Tarife, wie sie bestehen für das inländische Getreide, einfa an- gewendet. Die halben Expeditionsgebühren fallen allerdings weg, weil nur die Arbeit der Empfangéstation in Betracht kotnmt. Der Einrethung des Thomasmehls in die Tarife für Kabi“ konnte nicht nicht klar war, ob der zwischen den

roduzenten abges{lossene Ring aufgehoben werden würde. as ift inzwischen gesehen. Es ist auch für weitere Entfernungen eine Vergütung der eal eingetreten, und der Bezirks-Eisenbahnrath Köln hat von der Berathung der Larifermäßigung Abstand genommen,

weil die Frachtvergütung immer noch eine größere Verbill gung mit

sih brachte, als die Tarife für Kalifalze darstellen. Die Frage, ob die obershlesishen Steinkohlen billiger gefahren werden können, ist jeßt in Cg Dea 7 Die Tarife für Flahs sind ermäßigt, soweit der Flahs nah Belgien und Frankreih geht, und au für die Fracht nach dem Westen und nah Oberschlesien. Aber dieselben Ermäßi- gungen bestehen au für den deutschen Flahs. Der Vorredner befand ih also in dieser Beziehung in einem Irrthum.

Abg. Klofe (Zentr.) tritt für die Aufrechterhaltung der Staffel- tarife ein und wünscht, daß für Düngemittel eine Frahtermäßigung auf kürzere Stredcken eintreten möge, wie man denn überhaupt die Staffeltarife auf alle Artikel erstrecken follte.

Abg. von Czarlinski (Pole) wendet sih gegen die Aus- führungen des Abg. von Los. Der Osten produziert einen Uebershuß an Getreide. Wenn im Westen die Preise niedriger waren als im Osten, so bezieht sih das auf Waaren verschiedener Qualität. Will der Westen sih_ gegen die Vieheinfuhr aus dem Osten wehren, dann muß er seine Einwohner zu Vegetariern erziehen ; denn er roduziert nicht so viel Fleis, wie seine Einwohner gebrauchen. enn die Schulden im Osten niht so zunehmen, so liegt das daran, daß immer mehr Grund und Bodeù in die Hände des Fiskus übergeht und da- dur die Gelegenheit vermindert wird, Schulden zu machen. Die Noth ist auch eine so große, daß niemand mehr Geld borgen will.

Abg. Bue ck (nl.): Wenn alle Leinwand für die Kriegöverwaltung nur aus deutschem Flachs hergestellt werden soll, so werden dadur die Fabrikanten begünstigt, welhe noch, wie in Schlesien, einen Flachsbau in der Nähe haben. Eine Kontrolle, ob wirkli) nur deutscher Flachs verwendet wird, ist {wer durchführbar; es wird dadurch nur der unlautere Wettbewerb derjenigen begünstigt, - welche ein weiteres Gewissen haben und, obgleih sie deutshen Flachs nicht beschaffen können, dessen Verwendung zu thren Fabrikaten versichern. Der Flachsbau in Deutschland erfordert höhere Kosten als in Ruß- land. Der deutsche Flahsbau müßte, um einen Gewinn zu erzielen, möglichst feinen und theueren Flachs ziehen. Mit dem Herrn von Mendel bin ih vollständig einverstanden darüber, daß die deutschen Viehbestände ge[chüßt werden müssen gegen jede Ansteckung. Wenn die vorhandenen Maßregeln nicht genügen, fo müssen Ee verstärkt werden, aber sie follen niht benußt werden, um eine Vertheuerung der Fleischpreise herbeizuführen. Es sind heute verschiedene Tarif- ermäßigungen verlangt: für Vieh, Getreide, Kohlen, Düngemittel u. \. w. Der Minister wird diese Wünsche nicht mit einem Schlage befriedigen können. Wenn der Minister den einen CTarif ermäßigen will, dann kommt cine Interessentengruppe und \chreit über Interefssen- vershiebung. Dadurch wird die Arbeit der Eisenbahnverwaltung ershwert. Schließlich bringt doch jede Chaussee, jede Telegraphen- leitung eine Interessenvershiebung mit sich. Wenn diejenigen, die vorübergehend ges{ädigt werden, sich allen Neuerungen widerfeßten, dann müßten wir stechen bleiben auf dem alten Standpunkt, dann fämen wir \chließlih auf den Postkutschenstandpunkt zurück. Ich werde deshalb gegen die Aufhebung der Staffeltarife stimmen.

Abg. Gerl ich (frkons.): Die Vertreter des Ostens und Westens sollten sich dech nicht immer streiten und etwa gar den Osten ma- jorisieren, denn westlich von Berlin liegt ja der größere Theil der Monarchie. Landwirthschaftlihe Bezirke giebt es" in der nä(sten tähe Berlins, in Mecklenburg und Sachsen, während die Entfernung von Berlin nach Saarbrücken sehr groß ist. Hier muß durch die Staffeltarife eine Ausgleichung herbeigeführt werden. Berlin würde vom Viehangebot überschwemmt; da ist es doch besser, das Angebot zu vertheilen auf das ganze Staatsgebiet. Durch das starke Angebot wird au. der Westen in feinen Biehpreisen benachtheiligt. (Ebenso geht es mit Getreide. Die Staffeltarife dafür gelten nur für Berlin ; das Getreide wird wenigstens bis nach Berlin gebracht und drückt auf die Preise. Den billigen Wafserweg kann das im Osten produzierte Getreide niht benußen, weil es zu naß ist, um den Woassertransport zu vertragen. Redner wendet sich dann gegen die Behauptung des Abg. Herold, welcher von einer künstlihen Verschiebung sprath; im Gegentbeil, die Staffeltarife sind die naturgemäßen, und unsere anze Tarifbildunz sollte dana eingerichtet werden. Eine folche Tarifbildung würde den ganzen Rattenkönig von Spezial- und Diffe- rentialtarifen beseitigen. Wenn der Minister eine solche Tarifbildung vornehmen will, dann möge er sich nicht dreinredenlafsen von Leuten, welche gar niht uns angehören, dann möge er dafür sorgen, das wir Herren im Hause sind. j L

Auf eine Anregung des Abg. Mies (Zentr.) erklärt der Minister ber öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Im allgemeinen wird die Anlage von Haltestellen auf den im Betricb stehenden Strecken feitens der Staats-Gisenbahn- verwaltung mit thunlihstem Entgegenkommen und fördernd behandelt. Es sind eine ganze Reihe von Haltestellen wenn ih nit irre, 73 im vorigen Jahre errihtet worden. Es geht aus dieser Zahl {on hervor, daß übertriebene Ansprüche seitens der Staats-Eisenbahn- verwaltung nicht gemacht verden. Allein, meine Herren, es ift meines Erachtens durhaus gerechtfertigt, daß die Interessenten, die den Wunsch haben, daß eine neue Haltestelle auf den in Betrieb stehenden Linien einges(oben wird, sih au an den Kosten einigermaßen betheiligen. Diese Kosten entstehen für die Sitaats-Eisenbahnverwaltung nicht nur durch den Bau der Haltestelle, sondern auch dadurch, daß auch in Zukunft folce- Haltestellen mit Personal beseßt werden müssen. Für die ersten Jahre ist meistentheils eine Rentabilität dieser neuen Haltestellen nicht zu erwarten; es wird uns zwar schr häufig eine solche Bereh- nung vorgelegt, allein diefe Berehnung hat meist ein erhebliches Loch, wenn man bedenkt, daß die Transporte, die uns für neue Halte- stellen in Aut sicht gestellt werden, au bisher {on gefahren sind, nur nit von der Haltestelle X, sondern von den danebenliegenden Stationen A und B.

Meine Herren, was nun speziell Helenabrunn anbetrifft, so muß ich dem Herrn Vorredner darin Necht geben: es ist hon ret lange über die Einfügung diefer Haltestelle Helenabrunn verbandelt worden. Es liegt dies aber daran, daß nach der Auffassung der Staats-Gifenbahnverwaltung die Opferwilligkeit der betreffenden Interessenten nicht im Verhältniß stand zu den Kosten, welche die Haltestelle verursaht. Neuerdings sind wir nun einig geworden bis auf die 3000 4, welche der Herr Rorredner moniert, weil sie noch nachträglih gefordert werden. Dieje 3000 M. repräsentieren die fapitalisierten Unterhaltungékosten für eine Straße, die erst geLaut werden muß, um an die Haltestelle von dem benahbarten Wege herankommen. zu können. Ich bin nicht der Meinung, daß das eine, übertriebene Forderung ist, werde mir aber auf Grund der Anregung des Herrn Vorredners die Akten noch ein- mal vorlegen lassen und sehen, ob ih eine Ermäßigung dieser Forde-

rung vom Standpunkt der Eisenbahnverwaltung aus rechtfertigen läßt.

Transport der obers{lesishen Steinkohlen. Das gleiche gilt für die :

; . Nickert (fr. Vag.): Es mat allerdings einen \{leckchten Eindruck, daß die Vertreter des Ostens und Westens hier ch über ven Nothstand streiten. Damit fördern Sie in keiner Weise die Landwirthschaft. Wer wird denn heute noch seine Söhne in diesen Beruf shicken, wer wird heute noch wagen, Güter zu pachten oder zu kaufen, wenn er Jhren Schilderungen Glauben \{chenkt. Neulich wurde in der „Kreuz-Zeitung" cin Gut ausgeboten, welches die vor- züglihste Rente geben follte. An ein folhes Geschäft kann man doch ar nit berangehen. Alle Annoncen werden ja ihre Zugkraft ver- fieren. Die Staffeltarife sollen Erbitterung und Leidenschaft im Westen erregt haben. ind das nicht übertriebene Behauptungen ? Die Reden, die hier gehalten werden, die rufen die Erbitterung und Leidenschaft hervor. Es ist doch wirklih eine Lappalie, um welche es sih handelt. Ih möchte einer Legende entgegentreten in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Tarife. Herr Herold hat die Behauptung aufgestellt, daß die Staffeltarife für Getreide niemals wieder eingeführt werden sollen. Das ist nit versprochen; weder die Reichs- noch die preußische Staatsregierung hat eine Ver- pflichtung für die Dauer übernommen. Herr von Boetticher antwortete damals auf den Versu der Festlegung der preußischen Regierung, daß es unmöglich sei, die Eisfenbahnpolitik Preußens überhaupt fest- zulegen oder die Tarife für Getreide- und Mühlenfabrifate für die Dauer festzulegen. Diese Erklärung wurde vom Grafen Caprivi bestätigt. Jh möchte au einmal den Eisenbahn-Minister sehen, der ein Gegner der Staffeltarife wäre. Es war damals ein Opfer, welches die Eisenbahnverwaltung bringen mußte. Eine generelle Einführung der Staffeltarife ist uns von der Eisenbahnverwaltung in Aussicht gestellt. Die Berliner Kaufmannschaft {wärmt nicht für die Ausdehnung der Staffeltarife; ih halte sie aber für wirth- shaftlich und finanziell nothwendig; deswegen werde ih stets dafür eintreten. Die Rede des Eisenbahn-Ministers über die Personentarife hat mih etwas abgekühlt; vor zwei Fahren nahm er einen anderen Standpunkt ein. amals hatte der Finanz-Minister noch nicht die fräftige Einwirkung wie jeßt. Nothwendiger ist die Reform aller- dings bezüglih der Gütertarife. Wenn man die Leute durch Vertheuerung der Personentarife an die Scholle binden wil, so sind das allerdings auch fkieine Mittel, aber sie sind erfolglos. Die Ermäßigung der Tarife i} ein roßes Mittel; es wirkt kräftiger, als man allgemein annimmt. Jch stimme diesem Wunsche zu, bin auch bereit, die Eisenbahn zu be- willigen, die Herr Sieg verlangt. Ich habe den Wunsch nicht, daß der Bund der Landwirthe sih fpaltet, daß er sich kompromittiert, aber bessern soll er sih! Herr von Plôg hat einen Ausdruck miß- billigt, aber welchen, weiß ih nicht; war es die Erinnerung an Göß von Berlichingen, das „schnuppe“, oder war es der Zuruf bei der Nennung des Namens Caprivi ? Wir nehmen solhe Ausdrücte nicht so tragish; aber sie wurden in der Versammlung mit lautem Hurrah aufgenommen. Es werden utopishe Hoffnungen erweckt, die nicht erfüllt werden können; dadurch wird Muthlosigkeit und Erbitterung hervorgerufen. Wean Sie den Muth der Landwirthe heben wollen, so werden wir Sie unterstüßen, denn die Landwirthschaft bedarf der Unterstüßung des Staats. Es ist eine große Neuigkeit! Maßregeln, die der Landwirthschaft nüßen und den Muth beleben, werden wir immer unterstüßen.

Abg. Schröder (Pole) spricht ih gegen die Aufhebung der Staffeltarife aus, weil dieselben das beste und finanziell rihtigste Mittel find, um die Absaßgebiete der Landwirth|chaft zu erweitern.

Abg. Jürgensen (nl.): Als Vertreter der Provinz Schleswig- Holstein halte ih die Staffeltarife für durhaus richtig. Von keiner Seite ist au nur ein einziger Grund für die Aufhebung der Staffel- tarife angeführt worden. Wenn die Konkurrenz allein einen- Grund abgeben sollte, dann müßte man ja die einzelnen Provinzen gegen einander abschließen, dadur kommen wir in das Mittelalter zurüd. Die Staats - Eisenbahnverwaltung hat dafür zu sorgen, daß keine NVerkehrshemmnisse eingeführt, daß sie vielmehr beseitigt werden. Wir haben Jahre lang gefühlt, daß wir hinter den östlihen Provinzen in Bezug auf die Staffeltarife zurückgeseßt werden. Das hat jeßt aufgehört, wir haben jeßt auh die Staffeltarife an Stelle der all- gemeinen Tarife. Daß die Staffeltarife allein dem Händler zu gute kommen, glauben wir nit. Herr von Loë hat von der Seuchen- verbreitung in Schleswig-Holstein gesprohen. Das ist unrichtig. Es E feine Provinz, welche so seuchenfrei ist, wie Schleswig-Holstein.

in Seuchezufall ist allerdings vorgekommen, aber niht durch ein- heimishes, sondern durch von Händlern importiertes Vieh, und es ift nit auégeschlossen , daß die Händler aus der Rheinprovinz gekommen sind. Jch bitte deshalb, die Staffeltarife aufrecht zu erhalten.

Abg. Herold (Zentr.) bleibt dabei, daß die Regierung versprochen habe, fo lange die Handelsverträge dauern, follten die Staffeltarife für Getreide niht wieder eingeführt werden oder höchstens als Aus- nahmezustand.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ih möchte mir nur gestatten, einen Irrthum des Herrn Abg. Herold richtig zu stellen. Alle die Erklärungen, die seiner Zeit ab- gegeben worden sind im Reichstag, beziehen ih lediglih auf die Getreidestaffeltarife. (Sehr richtig !)

Herr Herold {eint anzunehmen, daß sie sich auf die Staffel- tarife im allgemeinen beziehen. Ih kann Herrn Herold nur sagen: wir haben seit der Zeit fast jeden Tarif, den wir eingeführt haben, nah dem Staffel system aufgebaut und find uns dabei bewußt gewesen, daß wir durchaus nicht im Widerspruch mit den seitens der Staats- regierung abgegebenen Erklärungen bei Gelegenheit der Aufhebung des Identitätêsnachweises gerathen sind.

Abg. Freiherr von Los (Zentr.) hält seine Ausführungen auf- recht; wenn allerdings nah dem Vorschlage des Herrn von Mendel- Steinfels alle Grenzen gesperrt würden, dann würden au wir mit einer allgemeinen Ecinäßiígung der Tarife einverstanden sein.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ih möchte nur ganz kurz mittheilen, daß der Landes-Eifenbahn- rath sih gegen die allgemeine Ermäßigung der Viehtarife ausgesprochen hat und daß, wenn sie wirklih wirksam werden würde, fih genau die- selben Berbältnisse wie bei den Staffeltarifen ergeben würden. Es fommt nicht auf die Bildung des Tarifs, sondern lediglich darauf an: um wieviel wird der Tarif zwischen A und B ermäßigt. Db das im Wege des Staffeltarifs oder im Wege der allgemeinen Ermäßigung geschicht, if für Versender und Empfänger vollständig glei, aber éine allgemeine Ermäßigung der Viehtarife würde eine ganze Reihe

von Relationen unnöthig ermäßigen und andererseits den Finanzen

des Staats große Opfer auferlegen.

Abg. Frenz (konf.) spricht sich als Vertreter von Swinemünde gegen die Ausdehnung der Ausnahmetarife für Kohlen von Ober- \hlesien nah Stettin auf dcn Lokalyerkehr aus. Dadurch würde die Einführung der englischen Kohlen beeinträchtigt, die hauptsächlich als Ballast eingeführt werden. Wenn biese Beziehungen mit England unterbrochen werden, so wird dadur die gesammte Schiffahrt nah Gngland geschädigt.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich komme allmählih in eine etw2s wunderbare Lage, Ich werde jeßt angegriffen, ein um das andere Mal, wegen Tarifermäßigungen; in früheren Zeiten war das anders. Die Tarif- ermäßigung, auf welche si die Ausführungen des Herrn Vorredners beziehen, wird bereits mit Genehmigung des Staats-Ministeriums, und zwar auf Anregungen, die hier im Abgeordnetenhause im vorigen und diesem Jahre erfolgt sind, am 1. März ins Leben treten. Es soll die Tarifermäßigung, die bisher nur für Kohlen gewährt wurde,

Lokalkonsum für Stettin und darüber hinaus gewährt werden. Es sind die Bedenken, welche der Herr Vorredner gegen eine derartige Ermäßigung angeführt hat, sowohl hier im Hause, wie im Staats- Ministerium und auch in der Budgetkommission dieses hohen Hauses auf das Eingehendste erwogen worden. Man ift aber doch {chließlich zu der Ueberzeugung gekommen, daß diejenigen Gründe, welche für eine Ermäßigung sprechen, wesentlich diejenigen überwiegen, die gegen dieselbe sprechen.

Dagegen bin ich in der Lage, den Herrn Vorredner nah einer

Nichtung zu beruhigen. Es handelt sich garniht um eine vollständige Beseitigung der englischen Kohle. Das wird nicht eintreten. Die englishe Kohle wird auch ferner noch nach Stettin und der Provinz Pommern importiert werden, nah meinen Anschauungen vielleicht sogar in größerem Umfange, als es nöthig ist. Also es wird dabei bleiben, daß die englishe Kohle in erheblihem Maße au in Zukunft noch über Swinemünde und Stettin der inländishen Konsumtion zugeführt wird. Die englische Kohle wird für gewisse Zweke und Verbrauchsstellen auchG in Zu- kunft noch billiger sein, vnd wird es der obershlesishen Kohle daher nur gelingen, einen gewissen Theil der englischen Kohle zu ver- drängen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die englishe Kohle zum theil wegen der ganz außergewöhnlihen Ermäßigung der Seetarife, zum theil auch wegen der zunehmenden Produktion in den englischen Kohlengruben die oberschlesishe Kohle in fteigendem Maße von der Küste aus bis ziemlich tief ins Land verdrängt hat. Infolge der Tarifermäßigungen, welche vom 1. März eintreten werden, hoffen wir, daß die obersclesishe Kohle das ihr naturgemäß zustehende Absaßz- gebiet wenigstens zum theil wieder gegen die englische Kohle zurüdck- erobern wird. __ Abg. von Heydebrandt und der Lasa Cou): Wir wünschen für die inländischen Industrie- und landwirt schaftlihen Produkte die gleihe Behandlung. Aber nah der Erklärung des Regierungs- Kommissars haben wir beinahe das Gefühl, als ob die deutschen Produkte s{hlechter behandelt würden als die ausländischen.

Damit schließt die Debatte. Der Antrag erold wird gegen die Stimmen der Abgeordneten aus dem Westen, zum theil einshlicßlich der Provinz Sachsen, mit Ausnahme der Nationalliberalen, abgelehnt und der Uebergang zur Taaes- ordnung über die Petition beschlossen.

Die Einnahmen aus der Ueberlassung von Bahnanlagen, Betriebsmitteln u. \. w. werden ohne Debatte genehmigt.

Bei den „verschiedenen Einnahmen“ wendet sih

Abg. Busch (kons.) gegen den Versuch der Eisenbahn, für ihr Gelände Theilnahme an den Jagdpachtgeldern zu verlangen. Die Fagdgebiete, welhe von der Eisenbahn durhshnitten werden, sind ohnehin meist minderwerthig geworden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der Wandel i} geschaffen. Jch Hoffe, daß èamit das Mißvergnügen aus den betreffenden Kreisen vershwinden wird. (Bravo!) Der Wandel konnte aber erst geschaffen werden, nachdem die Ermächtigung dafür eingeholt worden ist. Ein einzelnes Ressort kann nicht ohne weiteres auf Einnahmen verzihten, die ihm rechtlich zugestanden haben, und daß dics der Fall, darüber war ja kein Zweifel. Im übrigen möchte ih mir eine thatsählihe Bemerkung gestatten. Die Eisenbahnen sind nicht diejenigen, die die Jagdpacht heruntergebraht haben, sondern die Möglichkeit, mit der Eisenbahn auf die Jagd fahren zu können, hat die Jagdpachterträge fast überall so gesteigert, daß die Ausübung des Waidwerks allmählich ein kost- spieliges Vergnügen geworden ist. (Große Heiterkeit.)

Abg. Weyerbusch (fr. kons.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß in den Durchgangszügen jeßt auh eine Frau ihres Amts walten und die Wagen blitblank halten soll, aber es beständen doch noch manche Uebelstände, die beseitigt werden könnten; denn es sei kein angenehmes Ding, wenn jemand in Gegenwart anderer Reisenden cin Beeffteak mit Zwiebeln oder einen überreifen Käse ißt. Die Wagen \chaukelnmuh manchmal, und zwar scheint das an den ausgefahrenen Gleisen zu liegen z. B. auf der Strecke von Münster nah Osnabrück, von Osnabrück nach Münster \chaukeln sie nicht. Von München bis Leipzig fährt man ohne Plaßkarte, erst in Leipzig muß man sie lösen, um nach Berlin zu kommen. Dadurch wird das erhebende Gefühl, daß die preußis@e Staatébahnverwaltung solhe Luxuszüge unterhält, sehr beeinträhtigt. Den Durchgangs8zügen follte der Charakter als Swnellzüge bewahrt bleiben. Der Zug von Köln über Hildesheim nach Berlin hält aber jeßt in Holzwickede und in Brandenburg. Dadurch werden allerdings nur einige Minuten verloren; aber es fönnten \{ließlich au andere Stationen auf ein Anhalten Anspruch machen, und dann würde die Verzögerung eine größere sein.

Abg. Gerlich (fr. kons.) hält es für bedenklich, daß die Durch- gangéówagen nur an den beiden Enden Ausgänge haben, sodaß es shwer sei, auf Stationen mit kurzem Aufenthalt mit seinem Gepädck aus dem Wagen zu kommen. Redner meint, daß in der Mitte eine Thür angebracht werden sollte, die nur zum Ausfteigen benußt wird.

Darauf werden die Einnahmen ohne weitere Debatte be-

n. | m 4 Uhr wird die weitere Berathung des Eisenba hn- Etats bis Dienstag 11 Uhr vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Deutschlands Roheisenproduktion.

Nach den ftatistishen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief ih die Roheisen- produktion des Deutschen Reichs (eins{l. Luxemburgs) im Monat SFanuar 1896 auf 517 988 t; darunter Puddelroheisen und Spiegel- eisen 142 622 t, Bessemerroheisen 31 345 t, Thomasroheisen 263 301 t, Gießereiroheisen 80720 t. Die Produktion im Januar 189% betrug 489575 t, im Dezember 1895 510 405 t.

Zur Statistik der Einkommenverhältnisse in Hamburg.

Zu der Frage, ob, wie vielfach behauptet wird, de N der Reichen und der Armen immer größer würde, während der Mittckstand mehr und mehr zurückginge, liefert im neuesten Heft Sri der „Statistik des Hamburgischen Staats“ der Vorstand des Statistishen Bureaus der Steuerdeputation Dr. G. Koch einen beahtenswerthen Beitrag. Fn cinem Aufsaß über „Die Einkommensteuer im Hamburgischen Staat în den Jahren 1883 bis 1892" zieht der genannte Statistiker zur bessexen Üebersichtlihkeit die 12 für die Besteuerung festgeseßten Ein- fommenklassen in fünf Gruppen zusammen und bezeichnet ein Ein- fommen von 600 bis 1009 Æ als „Ttleines*“, cin solhes von über 1090 bis 2000 A als , mäßiges“, von über 2000 bis 5000 M als „mittleres*, von über 5000 bis 10000 M als „gutes“ und endli ein Einkommen von über 10000 4 als „hohes“. Auf diese Gruppen vertheilten sh die Steuerzahler der Jahre 1883 und

1892, wie folgt: Steuerzahler

Höhe des Einkommens 1883 1892 Kleines . 56 336 71 838 24263 44 352

Mäßiges . Mittleres . 12 658 21 979 5 937

Zunahme Anzahl Prozent 15 502 27,50 20 089 82,80 9 321 73,64 1 979 50,00

die von Oberschlesien zur Ausfuhr bestimmt waren, jeßt au für den

E C0905 5 348

Hohes 3510 1 838 92,37

„Es folgt hieraus“ bemerkt Dr. Koh zu dies hler „ein ganz bedeutendes Anwachsen der ma) en und mittleren Einkommen, während die guten und A Einkommen nur wenig stärker als die Steuerzahler überhaupt zugenommen haben. Dagegen weisen die kleinen Einkommen eine viel schwächere Ver- mehrung auf, deren Prozentzahl nur ein Drittel von der für mäßiges Einkommen bildet. Obgleich in dem hier betrachteten Zeitraum ein außerordentli starker Zuzug nach Hamburg Ttattfand der natürlicher Weise zum allergrößten Theil aus „kleinen Leuten“ be- stand, so finden wir doch, daß in dieser Zeit das „Proletariat“, wenn wir unter diesem wenig geschmackvollen, aber von mancher Seite mit Vorliebe angewendeten Worte alle Personen mit weniger als 1000 46 Einkommen verstehen, relativ viel chwächer zugenommen hat als der Bie E cksichti

s ist dabei zu berüdsihtigen, daß auf 10000 Einwohner im Jahre 1883 noch 7905 solche mit einem Einkommen unter 600 entfielen, während leßtere Zahl im Jahre 1892 auf 7665 zurück- gegangen ist, und daß die Zahl der Einkommen von 600 bis 800 M entsprehend von 846 auf 662 sank, während alle übrigen 10 Ein- kommenflassen einen Zuwachs aufwiesen.

Die „hohen“ Cinkommen über 10000 A spielen _ in so fern eine bedeutsame Rolle, als auf diese kleine Anzahl von Steuers zahlern nahezu die Hälfte des Einkommens von sämmtlihen Steuer- ¿ahlern eatfiel, und zwar 1881: 44,3399, 1883: 45,57%, 1887: 41,71%, 1890: 47,25 o und 1892: 440709/,. Der Antheil dieser Einkommenklasse an dem Gefammisteuerauskommen war noh beträchtlich höher, entsprehend dem höheren Steuerfuß der höchsten Einkommenklasse. Er betrug in den genannten fünf Jahren 69,34, 70,45, 67,49, 72,05 und 69,36 % von der von allen physischen Steuerzahlern entrichteten Steuer. Die Zahl der Einkommen und der Steuerbetrag der nicht- physishen Steuerzahler, d. h. der steuerpflihtigen Aktiengesell- chasten, der Kommanditgesellshaften auf Aktien und der eingetragenen Men ol E MANTEN, stellte sich in den oben genannten fünf Fahren, wie folgt:

1881 1883 1887 1890 1892

276 278

/ Anzahl: 175 176 Ai

Einkommen: M M M S A M 15 187000 19526600 16406500 27873800 33413800

Steuerertrag : 526 066,20 678 322,10 568079,80 968 025,00 1 162 017,50

_Im Jahre 1891 belief sich das Einkommen auf 36 125 400 #, es ist also 1892 nicht unerheblih zurückgegangen. Das Einkommen der physischen Steuerzahler ging von 1891 zu 1892 von 419 096 300 4 auf 415 075 300 zurück. Die Cholera hat dabei jedenfalls eine bedeutende Rolle gespielt.

Von besonderem Interesse is es, daß Dr. Koch den Versuch ge- macht hat, die Einkommens verhältnisse in den verschiede- nen Beru fsarten statistisch flar- und gegenüberzustellen. Er hat dabei die Steuerstatistik von 1886 zu Grunde gelegt und bei der Aus- zählung 16 Berufsgruppen unterschieden, in denen theilweise no Unterabtheilungen besonders behandelt sind. Wir müssen uns hier darau beshränken, aus den umfangreichen Tabellen folgendes, auh vom Ver- fasser besonders hervorgehobene Ecgebniß kurz mitzutheilen. Es ist dies vor allem der Antheil, dende r Mittelstand, d. h. die Jnhaber von Einkommen von 2000 bis 5000 & nah dem für Hamburg an- genommenen Maßstab, ia den einzelnen Berufsgruppen hat. Es kamen von den Steuerzahlern auf den „Mittelstand*“: bei den „Berufslosen (Rentnern u. |. w.)“ 25,53 9/0, dann folgen die „Lehrer“ mit 2509/0, die „Handels- und Versicherungsgewerbe“ mit 21 9%/o, „Krankendienst und Gesundheitspflege e Cg Aerzte)“ mit 17,73 9%, „Beamte aller Art“ mit 17,26 °/o, die „freien Berufsarten (Künstler u. dergl.)“ mit 16,569/o, die „Gruppe der Nahrungs- und Genußs- mittel (vor allem Bäcker und Schlächter)“ mit 12,43 9/0, „polygraphif und künstlerishe Gewerbe“ mit 11,81%/0, „Beherbergung und Erguickung“ mit 9,71 9/9, „Verkehr“ mit 8,90 %/o, „übrige Industriezweige“ mit 7,33 9/0, „Landwirthschaft u. st. w.“ mit 6,97 9/0, „Baugewerbe“ mit 5,08 9/0, endli „Bekleidung und Reinigung“ mit 3,71%. In der Gruppe „häusliche Dienstleistungen“ und „Arbeiter ohne nähere Be- zeihnung“ ist natürlih der Mittelstand nur sehr s{wach vertreten. Man sieht auch hieraus, in welchem Maße erra: Handelstadt ist. Daß die Annahme des Einkommens für den „Mittelstand“ mit 2000 bis 5000 M eine, abgesehen vielleiht von den Hamburger Verhältnissen, verhältnißmäßig hohe ist, liegt auf der Hand und muß bei allgemeineren Schlüssen aus den mitgetheilten Zahlen wohl berückfihtigt werden. Zum Schluß sei noch, als zum Verständniß vorstehender Zahlen wichtig, angeführt, daß von 100 fteuerzahlenden Bürgern über- haupt kamen: auf die Gruppe Handels- und . Versicherungs- gewerbe 832,49, Baugewerbe 12,12, ohne Beruf 9,08, übrige Groß- und Kleinindustrie 7,17, Reichs-, Staats-, Gemeinde-, Kirchen- und Privatbeamte 6,42, Bekleidung und Reini- gung 5,34, Arbeiter ohne nähere Bezeichnung 4,76, Verkehrsgewerbe 4.64, Beherbergung und Erquickung 4,53, Landwirthschaft u. st. w. 4,37, Nahrungs- und Genußmittel 3,63, Lehrer 1,60, polygraphische und kfünstlerische Gewerbe 1,33, freie Berufsarten 1,28, Krankendienst und Gesundheitépflege 1,15, häusliche Dienstleistungen 0,09.

Zur Arbeiterbewegung.

In Stettin dauert der Swchneiderausstand fort. Die Arbeitgeber, welche zu der Vereinigung der Stettiner Konfektions- firmen zusammengetreten sind, erklären in der „Ostsee-Ztg.“ öffentlich, daß sie die jeßigen Löhne nicht erhöhen würden.

In Brandenburg a. H. sind die Hutarbeiter einer Woll- hutfabrik, wie der „Vorwärts“ mittheilt, wegen Lohnstreits ausständig.

Aus Königsee wird der „Geraer s berichtet, L in einer vor kurzer Zeit dort errichteten Weißgerberei die Gerber die Arbeit eingestellt haben, weil ibnen die geforderten Löhne nicht be- willigt wourden.

In Berlin haben der „Voss. Ztg.“ zufolge in der Angelegenheit des Zimmerer-Ausfstandes die Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Gewerbegericht als Einigungsamt angerufen.

__ Aus Zürich meldet .W. T. B.': Die 3. 6 die „Z. Post“ bringen aus Kreisen des Verwaltungsraths der Nord-Ost-Bahn die Mittheilung, daß der Verwaltungs- rath in der Sißung vom Sonnabend die im öffentlihen Bulletin wiedergegebenen und von der „Schw. Tel. A.“ weitergegebenen Be- {{chlüsse über die Kündigung des a aws und über die Weigerun E E der Eisenbahnen zu verhandeln, gar nicht gefaßt habe.

Literatur.

„Frauengesundheit Frauenleiden“. Aerztlicher Bes rather für gebildete Frauen und Mütter von Dr. med. R. Arnoldi, praktishem Arzt. Düsseldorf, Verlag von Ewald Blasius, 1896. (Pr. eleg. geb. 3 46) Dieses Buch möchte „der deutschen Frau gern die Kunst eines gesunden langen Lebens lehren, andererseits auh der deutschen Mutter helfen, ihre Kinder, besonders die Töchter so erziehen, daß fie selbst wieder echte deutshe Hausfrauen und # L Mütter einer zu einer höheren. Entwicklung aufstrebenden weiblichen Blüthe unseres Volkes werden mögen“. Der D steht bei seiner Mae eg, auf dem Grund der neuesten physiologishen Forshungen und ärztlichen Erfahrungen und weiß seine Lehren und Verhaltungëm regeln in so fesselnder, geist- und humorvoller Form vorzutragen, daß das Buch, so ernst au häufig der Gegenstand ist, eher Caterkaltens trockden belehrend liest. Jn der eleganten Ausstattung, die der Ver- leger dem Buche gegeben hat, eignet si dasselbe ganz besonders als mütterlihes Geschenk für erwachsene Töchter.

„Vor dem Strike“, das berühmte Jol Sittenbild von Munkacsy, bildet einen hervorragenden Schmuck der kürzlich erschienenen Nr. 11 R. Jahrgangs der „Modernen Kunst * (Verlag von Bong, Berlin; Preis pro Heft 60 Z). Der anier E. Alvarez

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ist dur eine eigenartige Scene aus dem spanischen Stierkämpferleben