1896 / 52 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Posen, 27. Februar. Der Erzbischof Dr. von Sta- blewsfi ist heute Nachmittag nah Rom abgereist. Seine _Rüdckehr wird gegen Ende April erwartet. :

Bayern.

Dem Landtag ist ein Geseßentwurf über Abänderung ‘des Forstgeseßes zugegangen, ferner ein Gese entwurf über Abänderung des Forststrafgeseßes in der falz. Ueber den Jnhalt des ersteren Entwurfes berichtet die „Augsb. Abendztg.“: Der von der Kammer der Reichsräthe ab- gelehnte, aber prinzipiell ebilligte Antrag des Abg. Wagner bezüglih des Art. 30 Abs. 11 des Forst- eseßes (Beseitigung der Zwangsablösung der Forstrechte) soll n dem Geseßentwurf unveränderte Aufnahme gefunden aben. Serre soll eine nicht unwesentliche Milderung einzelner traf- stimmungen, namentlich auch der auf die Waldweide bezüg- lichen, sowie eine neue Regelung der Vorschriften über die Schußwaldungen vorgeschlagen sein. Endlich soll die Mit- wirkung bürgerlicher, von dem Distriktsausshusse aus dem Stande der Land- und Forstwirthe zu wählender Bei- sißer, und zwar mit voller Stimmberechtigung bei den Entscheidungen der orstpolizeibehörden über alle die Ausübung, Ermäßigung, Ümwandlung und Ablösung von orstberechtigungen betreffenden Streitigkeiten, sowie über die chugwald-Eigenschaft geplant sein. Der Geseßentwurf über die Revision des Forststrafgeseßes der Pfalz befaßt sih nur

mit einigen Strafbestimmungen.

Sachsen.

Die Zweite Kammer genehmigte gestern die Titel 48,

49, 50, 51 und 52 des außerordentlichen Etats, welche den Bau neuer Eisenbahnlinien betreffen.

Reuß ä. L.

Das Befinden Seiner Durchlaucht des Fürsten hat sich, wie die „Ger. Ztg.“ erfährt, wieder verschlechtert. Jnfolge dessen ist der Professor Curschmann aus Leipzig berufen worden.

Elsaß-Lothringen.

Bei der gestern im Landesaus\huß fortgeseßten Be- rathung des Etats brachten die Abgg. Spieß und Winterer Klagen darüber vor, daß im Lehrkörper der Straßburger Universität die Katholiken fast gar nicht vertreten seien. Der Staatssekretär von Puttkamer er- widerte, daß es bei der Gründung der Universität beabsichtigt ewesen sei, dieselbe nah dem Muster der Bonner, Velaver und Würzburger Hochshulen zu einer sogenannten paritätishen zu gestalten; aber die in Elsaß- Lothringen anders als im übrigen Deutschland geartete Erzichung des fatholishen Klerus habe den Plan vereitelt. Noch vor wenigen Jahren sei man dem Gedanken wieder näher getreten, in Straßburg eine katholische akultät zu errichten ; diesem Gedanken stehe auch der Bi hof von Straßburg sympathisch egenüber, doch sei die Ausführung an dem hef: tigen Widerstande von katholischer Seite gescheitert. Sobald eine solche Fakultät S sei, werde auch auf die Konfession der Lehrer entsprechende Rücksicht genommen werden, was aber unter den jeßigen Verhältnissen bei der in Deutschland ge- währten vollkommenen Freiheit der Wissenschaft nicht Mane

Oesterreich-Ungarn.

Der Erzherzog Alb recht Salvator, geboren am 99. November 1871, der dritte Sohn des verstorbenen Erz- herzogs Karl Salvator und der Erzherzogin Maria IJmma- culata Clementine, geborenen Prinzessin beider Sizilien, ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Bozen gestorben.

Jn der gestrigen Sißung des österreihishen Ab- geordnétenhauses brachte der Minister für Landwirthschaft Graf Ledebur einen Gesehentwurf, betreffend die Errichtung von Berufsgenossenschaften der Landwirthe, ein. Der Geseßentwurf wurde dem landwirthschaftlichen Ausschuß über- wiesen. Der Minister für Saug Graf Welsers- heimb beantwortete eine Reihe von Jnterpellationen und erwiderte auf eine Jnterpellation des Abg. Pacak über die verweigerte An- nahme einer in der Dienstisprahe des Heeres ausgefertigten Widmungskarte seitens eines früheren eserve- Offiziers: Er könne nah Kenntnißnahme des Sachverhalts das bezügliche Vorgehen der Militärbehörden als den Vorschriften ent- sprechend, die Weigerung der Annahme der Karte aber als unstatthaft bezeihnen. Eine solhe Weigerung müsse, im Qa es sich um die eventuelle Nichtbefolgung eines

inberufungsbefehls handele, strengste Ahndung nach fich ziehen. Es heiße unmögliche Zune herbei- führen, sowie den Fortbestand und die Wirkungsfähigkeit der ganzen Armee-Einrihtung in Frage stellen, wenn der DoLIug militärisher Anordnungen von dem Belieben eines jeden dazu Verpflichteten abhängig gemacht werde. Das aus wählte pecant die Mitglieder der Quoten- deputation und sehte sodann die Berathung des Unter- rihtsbudgets fort. Der Unterrichts - Minister Freiherr von Gautsch sprach sich gegenüber dem Abg. Süß gegen die Rückkehr zum früheren System des Unter- richts der Philosophie an den Gymnasien aus. Bezüglich der Frauenfrage verwies der Minister auf seine Aus- O im Budgetausschuß, in denen er erklärt habe, daß ie Unterrichtsverwaltung nicht gewillt sei, Frauen-Gymnasien

u errihten. Er halte es wohl für möglich, daß eis

rauen die für die Männer vorgeschriebenen Studien er reih absolvierten, die Unterrichtsverwaltung dürfe aber niht überschen, daß die Frage der Frauenbildun cine volkswirthschaftlihe Gefahr in sich schließe, weil dur eine zu weitgehende weiblihe Konkurrenz zweifellos der männliche Lohn herabgedrückt werden müsse. Die Unter- richtsverwaltung beschäftige sih mit der Fürsorge für einen öheren weiblihen Unterricht, der niht so sehr eine be- timmte Berufsbildung als eine bestimmte Vorbildung für en eigentlichen Beruf der

in sh schließe. Die Töchterschulen sei in “erster Linie anzustreben. Die Uilerei@tevertwalung werde die Errichtun solcher Schulen mit allen Mitteln fördern. Er werde dafür sorgen, daß auch den weiblichen Kandidaten die Möglichkeit zur Ab: legung der Maturitätsprüfung in jedem Lande und in jeder Sprache an einem Staats-Gymnasium unter den gleichen Bedingungen wie für den männlichen Kandidaten geboten werde. Die Möglichkeit des Hochschulbesuchs stehe den Frauen schon jeßt

olg-

Ntutter höheren

Frau als Gattin und Errichtung solcher

i, allerdings nur in der Ei Ae von Hospitantinnen. Die Interrichtsverwaltung fe bestrebt, eine andere Form zu finden, um den Frauen die wissenschaftliche Ausbildung an den Universitäten zu erschließen. Der- Minister erklärte sodann, er werde es versuchen, als Gegengewicht für die geistigen An- strengungen in den Mittelschulen die körperlichen Uebungen noch mehr zu fördern als bisher. : E m Gebühren-Aus\schuß erklärte der 7 inanz-Minister Dr. von Bilinski bei der Spezialdebatte über die Regie- rungsvorlagen, betreffend die _Effektenumsaßsteuer: Er sei, da die Enquêtekommission sich entschieden gegen etne Aenderung des Systems ausgesprochen habe, ge- zwungen gewesen, auf das rationelle System der VBe- messun er Steuer nah dem Kurse zu ver ichten und mit dem Steuersaße stark hinaufzugehen. Einem Antrag auf eine weitere Erhöhung des Steuctsaßes müsse die Re- gierung entschieden entgegentreten. Die in der Vorlage fest- gestellte Erhöhung sei einer allmählichen O vorgezogen worden, weil die Regierung wünsche, die Börse hinsichtlich der Besteuerung in Ruhe zu lassen. Ueber den angekündigten Antrag a Gewährung einer Erleichterung für die Kulisse könne er sih erst äußern, wenn dieser Antrag vorliegen werde. Doch müsse man sich, da besonders die Schwäche der Wiener Kulisse betont worden sei, fragen, ob es geboten sei, diese wirthschaftlih schwachen Existenzen, welche sonst keinen normalen Erwerb hätten, zu s{honen. Der Standpunkt der Humanität sei niht ausshlaggebend, sondern nur der der volkswirthschaft- lichen Nüplichkeit. h i i i /

Unter starker Des, sind gestern in Wien die Wahlen des dritten Wahlkörpers für den Gemeinde- rath. vorgenommen worden. Alle antisemitischen Kandi- daten wurden mit großer Majorität gewählt. Den sozial- demokratischen Kandidaten fielen in sämmtlichen Bezirken nur geringe Stimmzahlen zu. i

Das ungarische Unterhaus sehte gestern die Be- rathung des Handelsbudgets fort. Koloman Tisza erklärte, daß in Ungarn die Freunde der Aufrechterhaltung des gemeinsamen Zollgebiets im Nachtheile seien denen gegen- über, die hierauf kein großes Gewicht legten, denn die leßteren wiesen die Nachtheile des Zollbündnisses für Ungarn durch Daten nach, während die ersteren das Gegentheil ni t beweisen könnten. Jm Ganzen genommen, könne niemand behaupten, daß das Zoll- und Handelsbündniß für beide Staaten der Monarchie \chädlich gewesen sei; denn niemand könne die hohe volkswirthschaftlihe Entwickelung in Abrede stellen, welche beide Staaten in den leßten dreißig Jahren genommen hätten. Er glaube nicht mißverstanden zu werden, wenn er die Herren in Oesterreih davor warne, sih der Zllusion hin- ugeben, als könnten sie Ungarn durch Angriffe ein- léchlern oder durch übertriebene Forderungen erweichen; er hoffe, die österreihishe Regierung und Geseßgebung würden ihre Forderungen auf ein billiges Maß beschränken. Sollte er sih aber täuschen, so würde er, wenn auch mit Be- dauern, zu dem Ungarn geseßlih gewährleisteten Rechte greifen ; mit Bedauern, weil die Errichtung selbständiger Zollgebiete für beide Staaten zur Störung der Wohlfahrt und der Ent- widelung der Staatswirthschaft führen würde. Der Redner sprach kd sodann gegen den Antrag des Grafen Apponyi aus. Der Abg. Julius Horváth trat für den Antrag Apponyi ein.

Jn einer gestern in Budapest abgehaltenen Konferenz der ungarischen Bischöfe sprachen sich diese billigend über die Abhaltung des katholischen Lehrerkongresses aus. Der Epi- skopat beshloß ferner, an der Millenniumsfeier korporativ theilzunehmen. Jn der Konferenz gelangte die Zuschrift des Minister-Präsidenten Barons Banffy zur Verlesung, worin derselbe den Kardinal - Fürstprimas Vas zary auffordert, dieser möge den Papst ersuchen, sih bei der Millenniumsfeier vertreten zu lassen. Die Konferenz betraute den Kardinal-Fürstprimas damit, eine spezielle Vertretung des Papstes in Anregung zu bringen.

Großbritannien und Jrland.

_ Der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Curzon er- klärte gestcrn im Unterhause : es sei keine Beseßung Söuls oder eines anderen Ortes in Korea seitens Rußlands vor- gekommen, auch werde keine Besezung, soweit es der englischen Regierung bekannt sei, erwartet. 160 russishe Matrojen be- wachten die russishe Gesandtschaft in Söul, wojelbst der König sih noch als Flüchtling aufhalte, da sein Leben infolge des aus- gebrohenen Aufstandes in Gefahr sei; auch seien 500 japanische Soldaten in der Prie Cu Koreas. Jn Beantwortung einer anderen Anfrage führte Curzon aus, man glaube, daß das russishe Geschwader in den chinesishen Gewässern während des leßten Jahres um fünf Schiffe vermehrt worden sei. Sir E. Ashmead-Bartlett fragte an, ob die türkishe Regierung oder irgend eine der europäischen Großmächte der britishen Regierung in jüngster Zeit Vorschläge gemacht habe, welhe die Räumung Egyptens in sch \chlössen. Curzon erwiderte, seine Antwort sei „Nein“. Moon fragte an, ob es wahr sei, daß durch einen vor kurzem zwischen Rußland und China abgeschlossenen Vertrag Rußland das Recht erhalten habe, zwischen Nertschinsk- Tsitsikar und Wladiwostok und ferner zwischen Tsitsikar und Qr Arthur Eisenbahnen zu bauen und unter russischer

Buen und Verwaltung zu betreiben; ob ferner Rußland andere Handelsvortheile von China bewilligt erhalten habe, auf welche der Artikel bezüglich der meistbegünstigten Nation nicht an- wendbar. sei. Curzon erklärte, die Regierung sei von der russischen Regierung unterrichlet worden, daß die Nachricht jeder Begründung entbehre. Der Erste Lord des Schaßes Balfour erklärte, der Erste Lord der Admiralität G oschen werde am Montag dem Hause das Flottenprogramm entwickeln. Pease [rage die Regierung, ob sie es kür wünschenswerth halte,

ie Jnitiative zu ergreifen, um die Zustimmung der Unter- zeichner des Berliner Vertrags zu einer Besegung jener Pro- vinzen der asiatischen Türkei von seiten Rußlands zu erlangen, in welchen die jüngsten Niedermegelungen vorgekommen seicn. Balfour erwiderte, die Negierung habe nicht die Ab- sicht, irgend etwas derartiges zu thun. Jm weiteren Verlauf der Sißung wurde dann der Antrag Balfour's auf Re- form der Geschäftsordnung mit 202 gegen 65 Stimmen an- genommen. Alle von der Regierung bekämpften Amendements wurden mit großer Mehrheit verworfen. :

In Lichfield wurde gestern der Radikale Warner mit 4483 Stimmen gegen den Unionisten Darwin, der 3955 Stimmen erhielt, e Mitglied des Unterhauses ge- wählt. Warner tritt an Stelle des Radikalen Fulford, dessen Wahl, welhe im vorigen Jahre nur eine Mehrheit von

44 Stimmen erzielte, für ungültig erklärt wurde.

| Frankreich. M / | n der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer brachte der Broatae Graf Pontbriand über einen im „Figaro“ veröffentlihten Brief des Unterrichts-Ministers Combes, in welchem dieser, der damals noch ni t Minister war, den Direktor der Staatsbahnen um eine Stellung im Verwaltungs- rath gebeten hatte, eine Jnterpellation ein. Der Unterrichts- Minister Combes erwiderte: seine Bitte, in den Verwaltungs- rath aufgenommen zu werden, habe kein persönliches Interesse verfolgt. Er habe diesen Posten als unbesoldeten Ehrenposten gewünsht im Interesse. des Landestheils, welchen er vertrete. Die einfache, von der Regierung gebilligie Tagesordnung wurde mit 382 gegen 99 Stimmen an- genommen, worauf die Kammer die Berathung über die N bezüglih Siams fortseßte. Der eputirte Develle erklärte, er halte es nicht für angemessen, jeßt die egyptishe Frage f erörtern. Redner billigte das mit Siam getroffene Abkommen, gab einen historischen Ueberblick über die siamesishe Angelegenheit und legte den Antheil dar, welchen die früheren Regierungen an esem Abkommen gehabt hätten, damit Frankreich gestattet werde, den Lohn für seine in Jndochina gebrachten Opfer zu ernten, Der Deputirte Destournelles sprach ebenfalls sein Einverständniß mit dem siamesishen Abkommen aus, hielt es aber nicht für nüßlih, über die ae Frage Stillschweigen zu beobachten, da Frankreih nicht den Glauben aufkommen lassen dürfe, daß diese Frage ihm kein Interesse mehr einflöße. Er hoffe, England werde einwilligen, Egypten zu räumen. Der Deputirte Flourens sprach fh über das Abkommen mit Siam tadelnd aus; das- selbe binde Frankreih die Hände. Der Minister des Aus- wärtigen Berthelot erwiderte, Frankreich habe einen Vertrag und werde dafür sorgen, daß er vollständig ausgeführt werde. Hierauf wurde eine Tagesordnung angenommen, worin die Erklärungen der Regierung gebilligt werden.

Ftalien. :

Der König wird sih, dem „W. T. B.“ zufolge, morgen früh in Begleitung des Kriegs-Ministers und der oberen Hof- argen von Rom nah Neapel begeben und noch an dem- selben Tage die nah Afrika abgehenden Truppen besichtigen.

Der Herzog von Aosta isst, wie aus Turin berichtet wird, an den Masern leicht erkrankt.

Der Pap empfing gestern anläßlih der demnächst bevor- stehenden Jahresfeier seiner Krönung die Glückwünsche des diplomatishen Korps, darunter diejenigen des russischen Minister-Residenten Jswolsky.

Niederlande.

Der Staatssekretär der Südafrikanishen Republik Dr. Leyds trifft, nah einer Meldung des „W. T. B.“, heute Diedét im Haag ein.

Türkei.

Jn Wien istaus Konstantinopel die Meldung eingegannen, daß die Botschafter vorgestern zur Berathung über die Lage in Zeitun zusammengetreten seien. Die nah Zeitun entsandten Konsuln würden, nachdem ihre Mission der Haupt- sache nah beendet sei, in dieser Woche die Rück reise antreten. Jn Zeitun herrshe noch immer Elend. Die Pforte habe versprochen, für die Verpflegung derjenigen noch in Zeitun verbliebenen Flüchtlinge zu sorgen, welhe niht heimkehren wollten. Die Sterblichkeit dauere an ; täglich würden 50 Sterbefälle konstatiert. Ein Spital sei errihtet worden, doh fehle es an Aerzten und an Medikamenten, für deren Entsendung gesorgt werden solle.

Die „Politishe Korrespondenz“ erfährt aus Konstan: tinopel: der Oberkommissar in Anatolien, Marschall Schakir habe in einem seiner jüngsten Berichte an die Pforte die Noth- wendigkeit einer größeren Expedition zur Bezwingung der Kurden in der Landschaft Dersin dargelegt.

Die britishe Regierung wird ein neues Konsulat in Maras\ch errihten, wo der Vize-Konsul von Aleppo in jedem Jahre einige Monate residieren soll.

Serbien.

Der chemalige Oberbefehlshaber der serbischen Armee, General Leschjanin is gestorben. Der König hat der Familie des Verstorbenen persönli sein Beileid ausgedrüt.

Amerika.

Einer Depesche aus Cuba zufolge verfügte General Weyler die Konfiskation des Eigenthums aller der- jenigen, deren Abwesenheit nicht gerechtfertigt werden fönne; diejenigen Cubaner, welhe innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen in ihre Besißungen zurückehrten, sollten begnadigt sein. Alle spanishen Beamten müßten si, bei Strafe der Abseßung, bei ihrer vorgeseßten Behörde melden. Die spanischen Truppen verhinderten die Vereinigung von Maximo Gomez mit Maceo. Von den gefangenen ührern der Aufständischen sei Betancourt zum Tode durch Er chießen, Jnglesito zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurtheilt worden.

Nach einem in New-York Engeirolents Telegramm aus Managua (Nicaragua) hätten die Regierungstruppen die Stadt Nagarote eingenommen.

Der New - Yorker „World“ wird aus Carácas tele-

raphiert, der venezolanishe Kongreß habe eine Danke s- Fine na an die Vereinigten Staaten beschlossen.

Afrika.

Aus Massowah berichtet die „Agenzia Stefani“: Vom Col Tzala eingetroffene Nachrichten besagten, daß die Schoaner am Mittwoh Abend ohne Gepäck eine E gemacht hätten, als ob sie beabsichtigten, die italienischen Stellungen anzugreifen; während der Nacht aber hätten sie sich hinter Mariam Sciaitu zurückgezogen und ihre Stellungen rückwärts in den Thalkessel von Adua verlegt. Die Depesche gebe ferner die Namen der P Soldaten des Bersaglieri - Bataillons an, welche im Kampfe der Kolonne Stevani gegen die Scharen Ras Sebat's am 25. d. M. gefallen seien. Jn diesem Kampfe sei Kapitän Musso ver- wundet worden. Lieutenant Caputo sei am 25. d. M. zu T infolge der am Col Alequa erhaltenen Wunden ge torben.

Wie die „Times“ aus Kapstadt erfährt, erklärte der Premier-Minister Sprigg in einer in Worcester gehaltenen Rede: Kein Mitglied des vorigen Ministeriums, mil Ausnahme von Cecil Rhodes, habe irgend eine Kenntniß von den Umständen gehabt, welhe der Transvaal-

krisis vorhergegangen seien. Ueber die Frage der

an

e erun und Transvaal wolle er si nicht weiter auslassen ; er habe Grund zu der Hoffnung, daß Natal und Transvaal an der im nächsten Monat stattfindenden ZoUkonferenz mit dem Oranse-Freistaat theilnehmen würden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißzungen des Herrenhauses und des Hauses der P A befinden sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (5.) Sißung des Herrenhauses, welcher der Finanz-Minister De tiquel, der r es öffentlichen Arbeiten Thielen, der Minister für Landwirth- haft 2c. Freiherr von Hammerstein und der Justiz- Minister Schönstedt beiwohnten, wurden zunächst die Berichte über dic Ergebnisse der Verhandlungen des Landes - Eisenbahnraths im Jahre 18%, über die Betriebsergebnisse der Staatseisenbahnen im Jahre 1894/95, über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahn- verwaltung während des Jahres vom 1. Oktober 1894/95 und über die Ausführung von Bestimmungen verschiedener Gesetze, betreffend den Erwerb von Eisenbahnen für den Staat, ohne Debatte: durh Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Darauf seßte das Haus die zweite Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern, fort.

8 17 enthält Bestimmungen über die Festseßung des An- rechnungswerthes des Anerbengutes, welher nah dem jähr- lichen Reinertrag bemessen werden foll.

| Ober-Bürgermeister Struckmann beantragte eine Ab- änderung dahin, daß zur Wohnung und Bewirthschaftung nicht benußte Gebäude und Anlagen nah dem Nugzen, welcher durch Vermiethung oder auf andere Weise daraus gezogen werden kann, zu veranschlagen und mit dem 25 fachen Kapital- betrage dem außer dem Anerbengut vorhandenen Vermögen hinzuzurechnen sind.

5 Der Antragsteller begründete seinen Antrag damit, daß der Anerbe bezüglich des Allodialvermögens nit ebenfalls ein Voraus haben dürfe. Recht und Billigkeit verlange, daß das für das Gut nicht be- nußte Allodialvermögen im Interesse der Miterben ebenso be- handelt werde“ wie das außer dem Anerbengute vorhandene Kapitalvermögen. Ferner beantragte Nedner, daß wegen der das An- erbengut belastenden Hypotheken, Grundschulden und dauernden Renten ein Abzug nur insoweit stattfindet, als sie auf Grund der Ablösungs- gese? an die Stelle von Lasten und Abgaben getreten sind oder aus Meliorationéanleihen herrühren.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Hermes bat, diese Anträge abzulehnen ; die Vorlage stehe auf dem Boden des geltenden Rechts. Die Anträge entsprähen auch nicht dem hannöverschen Höferecht, wie der Vorredner meine. Fen Struckmann wolle den Anerben chlechter stellen, das widerspreche aber der Tendenz der Vorlage, den nerben leistungsfähig zu erhalten. praktis unausführbar.

Freiherr von Durant führte gegen die Anträge aus, daß im Interesse der Erhaltung des Gutes die Miterben sich gewisse Be- \hränkungen gefallen lassen müßten, weil man fonst das große Ziel der Vorlage nicht erreihe. Die Borlage habe rihtige Grenzen ge- zogen, die man nicht wieder verrücken dürfe.

Nach einer kurzen Erwiderung des Ober-Bürgermeisters Struckmann wurden dessen Anträge abgelehnt und Se unverändert angenommen.

(Schluß des Blattes.)

Der zweite Antrag fei auch

Jn der heutigen (30.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlihen 2c. An- gelegenheiten D. Dr. Bosse beiwohnte, wurde die zweite Be- rathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal - Angelegenheiten fortgeseßt.

Abg. von Jazdzewski (Pole): Die Ausführungen des Ministers beruhen zum großen Theil auf einer ganz unrichtigen Basis; wenn er die Beétauptung aufgestellt, daß die Orden sih gegen den Staat vergangen haben, dann müßte er auch den Beweis erbringen. Wir werden den Beweis abwarten, ih bin aber überzeugt, s er überhaupt nicht ebracht werden kann, und deshal verlangen wir, daß der Staat dasselbe Recht, welches er Anderen gewährt, auh diesen gewährt. . Insbesondere bedauern wir, daß der Kultus-Minister eine Haltung gegen die Kranken- pflege-Orden eingenommen hat, die noch kein Minister, selbst nicht der Minister Goßler, der do für die Orden fehr wenig Sym- pathie hatte, eingenommen hat. Der Abg. Motiy hat sich be- sonders darüber beshwert, daß der Religionsunterricht in deutscher Sprache ertheilt wird; der Minister hat erklärt, davon könne gar keine Rede sein, und wenn man den Polen den kleinen Finger reie, dann nehmen sie nit bloß eine Hand, sondern gleich alle beide. Wir verlangen niht einen Finger, nicht eine Hand und nicht zwei Hände, sondern unser gutes Reht. Wenn roße Parteien des Hauses dem Minister Beifall bezeugt haben, o berührt uns das nit; denn scine Ausführungen, die noch vom Grafen Fg unterstüßt wurden, entbehren jeder Berechtigung. Wir sind mit der Staatsregierung vollständig einverstanden, wenn sie verlangt, daß die Kinder eine vollständige Kenntniß der deutschen Sprache erhalten, aber mit den Mitteln hierzu sind wir nicht einver- standen. Der Sprachenerlaß des Ministers vom 16. März 1894 bezieht sich nur auf die Provinz Posen, aber nit auf Westpreußen und Schlesien. Der Minister meinte, er habe ihn erlassen, um keinen Gewissenszwang auszuüben; warum bleibt er dann auf die Provinz Posen beshränkt ? Warum gewährt man nicht meinen andsleuten in Westpreußen und Schlesien dasselbe Recht? Jch sprehe hier nicht bloß im Namen meiner Partei, sondern im Namen der Tausende und Abertausende draußen im Lande. Es giebt nur ein Mittel, die Klagen aus der Welt zu schaffen, nämli die Forderungen der Eltern endlih zu erfüllen. Redner tadelte dann den Mangel an katholishen Lehrern. Die evangelishen Schulen hätten genügend Lehrer, ja fogar einen Ueber- fluß. Aber an katholischen Lehrern mangele es fo sehr, daß noch vielfach 150—200 Kinder von einem Lehrer unterrichtet werden müßten. Wenn diesem Mangel abgeholfen werden solle, dann müsse ein neues Se- minar eingerihtet werden. Die Verfassung gebe der katholischen Kirche ein Necht auf die Lina des Religionsunterrichts, da könne dieses Recht do nicht von der Genehmigung der Regierung abhängig gemacht werden, da könne es den Geistlihen doch überhaupt nicht entzogen werden! Der Minister solle gerade in Posen den Erlaß von 1876 einer gründlihen Revision unterziehen. Der Minister werde sagen: Es ist bei euch alles in Ordnung. Der Minister möge sagen, was er wolle; auf dem Gebiet des Volksshulwesens herrsche bei uns eine gewisse Unordnung. Wenn dies beseitigt werde, so würden die Rechte der deutschen Bevölkerung dabei in keiner Weise pngetasiet. Würden die Wünsche der polnishen Bevölkerung erfüllt, ann werde auch Frieden herrschen.

(Schluß des Blattes.)

eigenartigen Unterhandlungen zwischen der englischen :

“zu dem Einkommen geführt hat, und nur das

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesees, be-

‘Feseni die Aufhebung der im Gebiete der Monarchie be-

stehenden Taxordnungen für approbierte Aerzte und Zahnärzte, zugegangen.

Nr. 9 der „Veröffentlichungen des KaiserlihenGesund- heitsamts“, vom 26. Februar, hat folgenden Jnhalt: Gesund- heits\sttand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera 2c. Desgl. gegen Pest. Desgl. gegen Gelb- fieber. Geburten und Sterbefälle in München, 1894. Geseh- gebung u. s. w. (Preußen. Berlin.) ODroschken - Fußdcecken. (Reg. - Bez. Schleswig.) Seequarantäneanstalten. (Elsaß- Lothringen). Anzeigepflicht der Aerzte und ansteckende Krankheiten. (Oesterreich). Arzneien 2c. (Frankreich). Seesanitätspolizei- Reglement (Schluß). (Belgien). Arbeitsamt. (Spanien). Kunstwein. (Vereinigte Staaten von Amerika). Vieh- und Fleisch- beshau. Gang der Thierseuchen in der Schweiz, 1895. Zeitweilige Maßregeln aegen Thierseuhen. (Deutsches Reich, Preuß. MNeg.-Bez. Gumbinnen, Bayer. Reg.-Bez. Oberpfalz, Schweden.) Vermischtes. (Belgien). Bevölkerungsbewegung, 1893. (Nuß- land). Ansteckende Krankheiten, 1894. (Vereinigte Staaten von Amerika). Bevölkerungsbewegung in Massachusetts, 1893. Wochen- tabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40 000 und mehr a hp chd E e be G efi E Er-

ngen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung. y

Entscheidungen des Reichsgerichts.

_Die Kosten, welche von einem Angeklagten für die in dem früheren Verfahren ohne Erfolg eingelegte Revision erhoben worden waren, sind, nah einem Beschluß des Reichs8gerichts, T. Strafsenats, vom 17, Oktober 1595, an den im Wiecderaufnahmeverfahren freigesprochenen Angeklagten zurückzuzahlen, wenn im Wiederaufnahmeverfahren die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt sind. „Richtet sich der Antrag auf Wiederaufnahme gegen ein Urtheil erster Instanz und wird dies aufgehoben, fo ver- liert demnach nicht bloß dieses selbst seine “Bedeutung, sondern das ganze demselben nachfolgende Verfahren , fo auch das in der Rechtsmittelinstanz und das in dieser erlassene Urtheil, und zwar in seinem ganzen Umfang, daher au bezügli der Entscheidung über die Kosten. Das Gericht muß deshalb in dem neuen Verfahren über die sämmtlichen Kosten des Verfahrens ent- scheiden. Hat er diese infolge der Freisprehung des Angeklagten der Staatskasse auferlegt, so müssen demselben auch die in dem früheren Verfahren von ihm erhobenen Kosten, selbst wenn sie ihm wegen eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels auf Grund des § 505 Str.-Pr.-Ordu. zur Last gelegt waren, erstattet werden, da eben jene frühere Entscheidung über die Kosten nicht mehr existiert, diese Kosten ebenfalls zu den Kosten des Verfahrens gehören, über welche in dem späteren Urtheil erkannt ift." (4724/95.)

War in einem Waarenkaufvertrage bedungen, daß die Waaren gemäß der Disposition des Käufers auf einmal oder in mehreren Theillieferungen geliefert werden sollen, so ift, nach einem Urtheil des NReichsgerichts, 1. Zivilsenats, vom 11. Januar 1896, der Käufer infolge des Verzuges des Verkäufers bei einer der Theil- lieferungen bercchtigt, sowohl von diefer als auch von den folgenden Lieferungen zurückzutreten. Der Dampfmühlen- besiger M. stand mit dem Kaufmann R. in L. (Schlesien) in Ge- \{äftsverbindung, wobei M. dem R. einen Kredit für drei Waggons Mehl eingeräumt hatte. Am 1./2. Juli 1892 kaufte R. von dem Ver- treter des M. drei Waggons “Mebl zum Preise von 14,25 # pro Zentner, wovon ein Waggon Weizenmehl 00 und zwei Waggons Roggen- mehl Nr. 0 fein sollten, mit der Maßgabe, daß die Mehle prompt geliefert werden müßten, sobald Käufer sie verlangen werde. Acht Tage darauf verlangte Käufer die Absendung eines Waggons Roggen- mehl. Verkäufer verweigerte aber die Absendung mittels Schreibens vom 11. Juli, weil Käufer zunächst sein am 20. Juli fällig werdendes Accept über 3026 A für früher gekauftes Mehl einlösen müßte. Darauf erklärte am 13. Juli der Käufer, daß er sich an den Kauf von drei Waggons nicht mebr gebunden erahte; er lehnte dann auch die Abnahme der ihm nah Einlösung jenes Accepts angebotenen drei Waggons Mehl ab, Verkäufer {ritt zu einem Selbsthilfeverkauf der drei Waggons und erhob Klage gegen den Käufer auf Zahlung der Differenz, Das Landgericht legte dem Käufer über seine Behauptung, daß vereinbart gewesen, die Mehle müßtèn prompt geliefert werden , sobald Käufer sie verlangen werde, cinen Cid auf und wies im Schwörungsfalle die Klage ab. Die Berufung und fodann die Revision des Klägers wurde zurück- ewiesen. „Daß es sich hier um einen Vertrag handelt, haben die

orderrihter mit Recht angenommen . . . Indem der Käufer wegen des Verzuges des Verkäufers von dem ganzen Vertrage zurücktrat, wurde er in die Lage geseht, nun seinen Bedarf von drei Waggons Mehl, zwei Waggons Roggenmehl und einem Waggon Weizenmehl, auf einmal dur Ankauf bei einem Dritten zu decken. Und dies ent- spricht im Zweifel dem Handelsinteresse mehr, als wenn man den Käufer an den Kauf bezüglih der Restlieferung seines Gegenkontra- henten gebunden erahten wollte, um ihm den Rücktritt nur wegen der zunächst aufgerufenen Lieferung zu gestatten, mit welcher der Verkäufer in Verzug gekommen ift.“ (299/95.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungs8gerichts.

Der Miethsertrag aus verg G ryad bela Ene Na steuerpflihtigen Gewerbetreibenden ist, nah einem Urtheil des Ober- Verwaltungsgerichts, 11. Senats, vom 2. Oktober 1895, regelmäßig, au wenn er bestimmt ist, in dem Gewerbebetriebe angelegt zu werden, als Einkommen aus Grundvermögen und nicht als Einkommen aus Handel und Gewerbe zu versteuern. Insbesondere sind die Miethserträge aus Grundstücken einer Versicherungs- gesellschaft, a wenn sie zur Sicherung der Reserven dienen, regelmäßig als Einkommen aus Grundvermögen zu versteuern, und demna unterliegen, wenn die Versicherungêgesell\chaft ihr Gewerbe in einer Gemeinde betreibt, Miethsgrundstüde aber in mehreren Gemeinden besißt, jene Miethserträge den auf das Einkommen gelegten Abgaben derjenigen Gemeinden, in welchen die Grundstücke ih befinden. Eine Lebensversicherungsgefell schaft, welche in St. ihren Siß hat und ihr Versicherungsgewerbe betreibt und zue in St. auch in verschiedenen anderen Städten Grundstücke im Gesammtwerthe von etwa 84 Millionen Mark besißt, wurde von der Stadtgemeinde St., welche zu der Einkommensteuer einen Zuschlag von 150% erhob, mit ihrem Gesammteinkommen aus dem Gewerbe und den Miethserträgen der Grundstücke zu der Gemeinde- Einkommensteuer herangezogen, wogegen die Versicherungsgesellschaft Einspruch erhob, indem sie verlangte, daß ihr in den auswärtigen Be- legenheitsgemeinden aus den Grundstücken erwahsenes Miethseinfommen abgeseßt werde. Nach Zurückweisung des Einspruchs verfolgte die Ge- sellshaft ihren Anspruh im Verwaltungsstreitverfahren, wurde aber vom Bezirksaus\huß mit ihrer Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hob das Ober-Verwaltungsgeriht die Vorentscheidung auf, indem es begründend ausführte: „Zur Beurtheilung der Frage, welcher von den mehreren, im Geseß auseinander gehaltenen Quellen ein bestimmtes Einkommen entstammt, vermag offenbar die spätere Ver- wendung desselben nichts beizutragen ; es können beispielsweise Kapitals» zinsen im Grundbesiß, wie andererseits Dae rige im Handels- ewerbe angelegt werden, ohne daß eine solhe nahfolgende Disposition a edeutung für die Frage gewinnt, welhes Produktionsmittel

end eine roduktionsmittel

“ist die Quelle des Grundbesißes weit von derjenigen des

f es Grundbesig, Kapital oder Arbeit estimmt den teuerung entscheidenden Charakter des Einkommens. /

eine enge Verwandtschaft und Wechselwirkung E chen Kapital Gewerbe nebst Handel, und erscheint auch die Verzinsung des eig Kapitals eines Gewerbetreibenden als Theil des Je Ein- fommens (8 14 Nr. 1 Eink.-St.-G. v. 24. Juni 1891). Sage Gewerbe- betriebs verschieden und vermag nur unter ganz besonderen Umständen einen gewerblichen Charakter zu gewinnen. Im Gegensaß zum Grund- besitz is regelmäßig nur das Kapital in dem Sinne und mit dem Effekte beweglih, daß es jederzeit ohne Schwierigkeit flüssig gemacht und für gewerblihe Zwecke verwerthet werden kann. Der Grundbesig dient keineswegs zur Deckung laufender gewerblicher Ausgaben, fondern ist vermöge der Schwierigkeit und Kostspieligkeit des Umsaßzes fast immer dazu bestimmt, dem Besißer mehr oder minder dauernd zu verbleiben. Eine Anlage in Grundbesiß scheidet daher in der Regel aus den im Gewerbe mitarbeitenden Aftivis völlig aus. Dem ent- spricht es, wenn im vorliegenden Falle der Grundbesiß gerade nur 1 O äußersten Rückhalt für die Reserven bestimmt ist. . . .“

Kunst und Wissenschaft.

Ein Fund altbabylonischer Urkunden.

__Es sind in diesen Gs acht Jahre verflossen, daß den Königlichen Museen, dank der Freigebigkeit des Herrn Kom- merzien-Naths J. Simon, jene merkwürdigen Thontafeln aus dem Archiv eines egyptishen Königs zu theil wurden, deren Kenntniß für die Geschichte des alten Orients so fruchtbar geworden ist. Dern Sohne jenes verewigten Freundes unserer Sammlungen, Herrn James Simon sind die Museen jeßt für eine neue ähnliche Bereicherung zu Dank verpflichtet : einen Fund von Thontafeln, der zwar nicht die historische Wichtigkeit jenes eben erwähnten „Fundes von Tell Amarna“ hat, der aber dafür uns einen merkwürdigen Einblick in das Leben und in die Verwaltung einer weit zurückliegenden Vor- zeit eröffnet.

Es handelt sich um etwa 500 Tafeln aus gebranntem Thon, die mit altbabylonischer Keilschrift beschrieben sind und aus der bekannten fübbabolokischen Ruinenstätte Tello her- stammen. Vermuthlih gehören sie zu einem großen Funde, von dem beträchtlihe Theile dem Vernehmen nah auch in andere Museen Europas gelangt sind. Jn der Mehrzahl sind es Aktenstücke aus den Tempelarhiven von Tello, aus der Zeit der südbabylonishen Könige Jne-Sin, Gamil-Sin und Bur- Sin, die um 2500 vor Chr. in der Stadt Ur der Chaldäer residierten, die uns ja auch aus der biblishen Pa- triarchengeshichte bekannt ist.

Das Aeußere dieser Tafeln ist ein schr vershiedenes. Sie sind rehteckig oder quadratisch, einige auch in Halbkugelform; thre Größe schwankt zwischen 21/4 ecm und 25 em; die Keil- {rift ist bald mikroskopisch klein, bald groß und alterthümlich; die Siegel sind bald auf die Tafel selbst gedrückt, bald stehen sie auf einer thönernen Umhüllung, die die Tafel umschließt und auch eine kurze Jnhaltsangabe derselben trägt.

Zur Datierung benußt man bemerkensw:rthe Ereignisse des Jahres; so z. B. ist eine Tafel datiert aus „dem Jahre, wo der König Bur-Sin die Stadt Urbellum zerstörte“, eine andere aus dem „Jahre, wo König Jne-Sin die Städte Simurn und Lulubu zum neunten (!) Male zerstörte“, eine dritte aus dem Jahre, wo der König „die Statue des Gottes En-lil errichtete“, eine vierte aus dem „Jahre, wo der Mondgott, der Herr, das Orakel sprah“ u. a. m. Es liegt auf der Hand, wie lehrreih diese Angaben für das Geschichtsbild jener fernen Zeit sind. So lange als es in einem Jahre noch an einem Ereigniß fehlte, das zu seiner Be- zeihnung dienen konnte, führte man den Namen des leßten oder zuweilen auch des vorlegten weiter und datierte also z. B. aus „dem Jahre nah dem Jahre, wo der König Jne- Sin Anschan zerstörte“. Zuweilen wird auch das Jahr gegen sein Ende umbenannt, indem noch ein neu hinzugekommenes Ereigniß dem ersten beigefügt wird. :

Wie schon oben bemerkt, rühren diese Thontafeln aus jener großen südbabylonishey Stadt her, deren Ruinen heute den Namen Tello führen und die im Alierthume Lagasch hieß; die Stadt besaß zahlreiche, reich dotierte Heiligthümer und es ist die Verwaltung des Vermögens dieser Tempel, auf die unsere Tafeln sih beziehen.

_ Dieses Vermögen, das vorzugsweise aus Aeckern und Vichherden bestand, scheint nah den auf manchen T ge- nannten Zahlen cinen großen Umfang gehabt zu haben; so hören wir einmal von einer Getreideeinnahme von 3,853 8382/2 des gewöhnlichen Kornmaßes.

__Es ist interessant zu sehen, in welher Weise dieses Ver- mögen verwaltet wird. Zunächst stellen die Schreiber kleine Schriftstücke für jedes einzelne Geschäft aus, so z. B. für die Einnahme einiger Säcke Korn, die ein Feldarbeiter von seinem E oder für die Auszahlung eines Quantums

etreide als Lohn. Dann stellt ein Schreiber diese Einzel- notizen auf größeren Tafeln für einen bestimmten Tag zu- sammen, so haben wir z. B. eine Tafel, auf der die Löhne der Boten im S von Scirpurla am 15. April zusammengestellt sind. Hand in Hand damit gehen andere Zusammenstellungen die für die verschiedenen Schreiber angeben, was sie eingenommen oder ausgegeben haben; so- steht z. B. auf einer Tafel verzeihnet, was jeder der zehn Schreiber der Tempel von Schirpurla im- Ganzen an Löhnen an die E dieser Tempel bezahlt hat. Endlich stellt man auf großen Tafeln Halbjahres- und Jahres- berichte zusammen. Wie diese beschaffen waren, mag der folgern Anfang einer solchen Tafel zeigen, die die Ausgaben ür Aussaat und Bebauung der Felder von-9 Tempeln wäh: rend eines Jahres zusammenstellt: -

„Ein Feld von 17?/z Acker zu 450 Maß Korn per Aer. Ein bewässertes Feld von 82/5 Aker zu 450 Maß Korn. 1920 Maß Korn Lohn der gemietheten Arbeiter.

Das Land gehört dem Tempel des Gottes Lugalazagga.“

Weiterhin werden folgende Posten als Summen an-=

gegeben: 12/, Aer Fel 2/7 Aer Feld zu 540 Maß per Aer 32 rw " "” 540 r” r” i 6 e @ n O S 111/, r E "i I I" 851/ 2 t s 4 "n Sven M ß "n macht zusammen Korn.

20 400 Maß als Lohn der gemietheten Arbeiter, 1 080 Maß Korn für die Ochsen, e 6 000 Maß für die Leibeigenen,

5 040 Maß für die Tempelleute,

8 400 Maß für die E macht zusammen 115 185 Maß Korn ausgezahlt.