1896 / 52 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

_… Graf von Klinckowstroem wünscht bei einer weiteren Aus- dehnung dieser Geseßzgebung eine Rücksichtnahme auf die provinziellen Eigenthümlichkeiten und befürwortet die Vorlage, obwohl sie noch nit genüge. Die Haupisarhe sei eigentlih, die Hypotheken- und Grundschulden ganz zu verbieten und die Reutengüter} niht mit der Substanz, sondern nur mit der Rente haften zu fassen. Wenn die Regierung das Gesey für die ganze Monarchie mache. solle sie sich nicht zu sehr von H A esihtspunkten [eiten lassen, denn das edt jeien Sitte und Gewohnheit. Wir müssen wieder einen

sin Bauernstand schaffen. Es sei ein Unterschied, ob ein Gut ih n derselben Familie erhalte, oder ob ein Neuer es bewirthschaste ; nur im ersten Falle pflanze G auch die angestammte Königstreue und die Liebe zur Armee fort. Der freie Bauernstand sei der rocher _ e bronze, an dem die Sozialdemokratie zershelle. Es handle sih nit um eine agrarishe Forderung, denn dieses Geseß gelte nicht für die jeßige Generation, sondern diene den späteren Generationen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Nachdem der Herr Graf von Klinckowstroem die Erklärung abgegeben hat, daß er mit dem Entwurf, so wie er aus den Berathungen der Kommission hervorgegangen ist, im all- gemeinen einverstanden sei, wird es nicht nothwendig sein, von dieser Stelle auf die Frage einzugehen, die gleihfalls vom Grafen von Klinckowstroem gestreift ist, ob die Staatéregierung nicht

bei ihrer Vorlage noch hätte weiter geßen können, ob es nit angezeigt gewesen wäre, eine weiter gehende Beschränkung für die Testierfreiheit einzuführen. Die Frage der Aus- dehnung der heute zur Vechandlung stehenden Vorlage auf weitere Gebiete i mehrfach gestreift worden und aus dem Munde des Herrn Finanz-Ministers haben Sie gehört, daß die Auffassung und Absicht der Königlichen Staatsregierung dahin geht, allmählih den Gedanken, der zum ersten Mal in diesem Entwurf eine greifbare Gestalt gewonnen hat, weiter zu verfolgen, und da, wo die Ver- hältnisse danach angethan find, das Gebiet der Anerbengüter zu erweitern unter Festhaltung derjenigen Auffassungen, die diesem Gesetz zu Grunde gelegt sind.

An mich hat Herr Graf Klinckowstroem die Frage gerichtet, ob nit das Reichsrecht in dieser Beziehung der Landesgeseßgebung eine unzulässige Beschränkung auferlegen werde. Fch glaube, den Herrn Grafen Klinckowstroem hierüber vollständig beruhigen zu können. Der \{hon von dem Herrn Grafen Klinckowstroem erwähnte Art. 62 des Einführungsgeseyes bestimmt in seinem zweiten Saye :

„Die Landesgeseze können das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfügen, nit beschränken.“

Wird der Kreis der Anerbengüter in Zukunft erweitert, fo bezieht sich auf die zukünftigen Anerbengüter selbstverständlich auch diese Be- stimmung im zweiten Saß des Art. 62. Es wird aber die Landes8- gesetzgebung, wenn fie dazu übergehen will, dieSingular-Intestatf uccession für Anerbengüter im weiteren Umfang einzuführen, in der Reichs8geseßtz- gebung, falls der § 62, wie er im Entwurf lautet, zur Annahme gelangt, kein Hinderniß finden. Ebenso steht es mit der Frage der Einführung einer Verschuldungsgrenze. Die Frage steht materiell nicht zur Dis- kussion; sie wird einmal Gegenstand der Erörterung für die gesehz- gebenden Faktoren werden, und im Hinblick hierauf bestimmt der Art. 116 des Entwurfs zum Einführungêgesey des Bürgerlichen Gesetzbuchs :

„Unberührt bleiben die landesgeseßlihen Vorschriften, welche die Belastungen über eine befiimmte Werthgrenze hinaus unter- fagen.“

Nah dem Sprachgebrauch des Bürgerlichen Geseßbucks find aber unter den landesgeseßlihen Vorschriften nit bloß diejenigen verstanden, die beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Geseßbuchs in Geltung sind, fondern auch diejenigen, welche durch die zukünftige Landesgesezgebung eingeführt werden. Fch glaube also, daß die Besorgniß des Herrn Grafen von Klinckowstroem nach den béiden von ibm angedeuteten Richtungen hin der thatsächlihen Grundlage entbehrt.

von Helldorf spriht si gleichfalls für die Vorlage aus, weil ein natucgemäßes Erbreht für den gesammten Grundbesiß geschaffen werden müsse, ein Landgütererbrecht. Bei einer Ausdehnung der Vorlage für die ganze Monarchie müßten aber die prinzipiellen Ver- \chiedenheiten berücksichtigt werden.

Graf von Mirbach steht auf dem Boden der Kommissions- beschlüsse. Es handle sich darum, den subversiven Tendenzen der Sozialdemokratie gegenüber den konservativen Charakter des Bauern- thums zu stärken.

__ Graf von der SSulenburo -Decheoo glaubt, daß die Berücksichtigung der provinziellen Verschieden eit durch die Nefolution nicht verhindert werde. Er sei von Hause aus ein Gegner des Hundert-Milionengeseßes und des Rentengütergeseßzes gewesen; diese kleinen Güter hätten ihren fulturellen Zweck verfehlt; sie wider- sprächen auch der historischen Entwicklung unserer bäuerlichen Besiß- verhältnisse. Nachdem aber einmal die Regierung in bester Absicht Geld in die Bildung der Rentengüter habe \tecken wollen, so bleibe nihts übrig, als ihr die Erhaltung dieses Besites zu erleichtern dur dicses Gefeß. Nothwendig sei eine baldige durchgreifende Aenderung unserer Agrargesehgebung.

j Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hamme r- tein:

Meine Herren! Der Herr Graf Mirbach hat aus einer im Jahre 1894 erschienenen Broschüre des Regierungs-Raths Paul Wald- hecker einige Sätze vorgelesen. Es ist rihtig, daß dieser Herr Wald- hecker Mitglied der General-Kommission in Bromberg ist ; aber niht als Mitglied der General-Kommifsion hat er diese Schrift verfaßt, fondern nach dem ihm durh die preußishe Verfassung zustehenden Rechte, das jeder Preuße hat, seine Ansicht in Form einer Broschüre niederzulegen. Ich bitte also, nicht anzunehmen, daß diefe Aeußerung des Herrn Waldhecker -eine Aeußerung der General-Kommission in Bromberg is. (Heiterkeit.) :

Meine Herren, interessant is aber au Folgendes: Der Herr Waldhecker is naher über das vorliegende Anerbengeseß gehört und hat sich dazu zustimmend geäußert. (Heiterkeit.) Jch kann ferner mittheilen, daß ein Mitglied der General-Kommission Mitglied der im Iahr 1894 berufenen Agrarkonferenz war und daß der Nertrèter der General - Kommission in Bromberg zu den Anschauungen, die in der Agrarkonferenz zu Tage ge: treten sind, seine volle Zustimmung ausgesprochen hat. Das zur Beleuchtung der hier dur den Herrn Grafen Mirbach vor-

geführten Säße aus der Broschüre.

Meine Herren, Herr Graf von der Schulenburg hat einige Dar- legungen über das Rentengutsgesep und dessen Wirkungen gemacht, die ih zu meinem Bedauern als richtig nit bezeichnen kann. Leider liegt mir das Material, das ich gestern in der Kommission aus- führlich vorgetragen habe, nicht vor; ih würde sonst, Zahl für Zahl beritigend, hier mittheilen können, daß der Herr Graf die Darstellung

stehenden Zahlen nach meiner Erinnerung war es ein Prozent

nicht richtig wiedergegeben hat; namentli aber hat er einen Punkt hervorgehoben, der, glaube ih, durhaus ‘unzutreffend i}, und der gestern auch in der Kommission besprochen wurde. Aus ‘den fest-

der ausgéwiesenen Rentengüter, die in Verfall gerathen sind ift nicht die Schlußfolgerung zu ziehen, die der Herr Graf daraus zieht. Das habe ih mir gestattet gestern schon auszuführen. Die Renten- gutsnehmer sind gerade in den ersten Jahren, wo sie neu bauen müssen, wo sie ihr Inventar zu beschaffen haben, wo sle vielfach deteriorierten Boden zur Bewirthschaftung übernehmen, wo sie Meliorationen ausführen sollen, in der s{wierigsten Lage. Daraus, daß nur ein Prozent in dieser \chwierigsten Lage in Vermögensverfall gerathen ift, ist jedenfalls der umgekehrte Schluß zu ziehen, als der, welhen den Herr Graf von der Schulenburg gezogen hat.

Dann gestatte ih mir eine kurze Bemerkung zu dem Wunsch, den Herr Graf von Klinckowstroem ausgesprochen hat: es möge die Staatsregierung - mit möglichster Beschleunigung die weiteren Konse- quenzen aus diesem Gese ziehen. Meine Herren, die Sache ist außerordenlih \{wierig. Wenn Sie die Verhandlungen, welche in der Agrarkonferenz gepflogen sind, prüfen, werden Sie daraus die Ueberzeugung gewinnen, daß nit in kurzer Frist eine so tief ein- \hneidende Geseßgebung auf dem Gebiet des Agrarrechts möglich ist. Zudem sind umfassende statistishe Erhebungen erforderlich. Der Herr Finanz-Minister hat ja schon erwähnt, daß seitens der landwirth- \chaftlihen Verwaltung mit voller Energie daran gearbeitet wird, das für die Geseßgebung als Unterlage erforderliche \tatistiiche Material zu sammeln und zu sichten. Ich verspreche, soweit es an mir liegt und ih glaube, ih darf das auch namens meiner beiden hier anwesenden Herren Kollegen versprechen —, daß mit voller Energie dié Angelegenheit weiter verfolgt werden wird. Aber daß es fo schnell gehen wird, wie Herr Graf von Klinckowostroem es wünscht, halte ih für ausgeschlossen.

Ober-Bürgermeister Ben der erklärt, daß er gegen dieses Experiment nichts eingewendet haben würde, wenn man nicht die Absicht hätte, das Anerbenrecht auch auf andere Landestheile einzuführen. Wollte man die Interessenten fragen, ob sie dieses Gesetz wollen, er sei überzeugt, daß sie es verwerfen würden. Es könne dem Lande niht zum Segen gêreihen, wenn tas Erbrecht nicht nach freier Selbstbestimmung zu Gunsten des Tüchtigsten, sondern nah der Schablone geübt werde. Die Bestrebungen auf Beschränkung der Gewerbefreiheit seien auf demselben Boden gewachsen. Die Freiheit des Bauern habe Preußen groß gemaht. Die Bauern nah diesem Gesey würden als Bauern niederer Ordnung „angesehen werden. Das Gesetz werde also im höchsten Grade {chädlich wirken. Er - verkenne gar nicht die Schwierigkeit der Lage der Landwirthe, aber diese we1de vielfach übertrieben. Vielen Landwirthen gehe cs ganz qut und am besten den Fideikommißbesißern. Das Geseß brehe mit den bestehenden Sitten und werde den Landwirihen nicht helfen, sondern schaden.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jch hatte vorhin und darauf hat sih der Herr Vorredner bezogen gesagt: wir üben nicht einen unnatürlichen Zwang durch Oftroyierung eines neuen Anerbenrechts, im Gegentheil, der Zwang sei heute größer. Das findet der Herr Ober-Bürgermeister von Breslau sonderbar. Nun, meine Herren, von wel{em Zwang wollte ich da reden? Von dem Zwang des römischen Pflichttheil- rets. Ist denn das kein Zwang, wenn im römischen Recht und im Ländrecht eine ganz bestimmte Verpflichtung dcs Erblassers, des Vaters enthalten is, jedem Kinde in einer bestimmten Form nach Maßgabe einer bestimmten Art der Berechnung einen Pflichttheil in bestimmter Größe zu hinterlassen? Und was ist denn das Wesen dieses Gesetzes ? Daß wir dies Pflichttheilsrecht zu Gunsten des disponierenden Vaters ermäßigen und ihm eine andere Form geben, eine Form, welche den bäuerlichen, den ländlichen Verbältnissen allein entspricht. (Sehr gut !) Denn, meine Herren, das römische Recht seßt immer den Verkauf voraus und den Verkauféswerth und bestimmt dana den Pflichttheil. Hier wird erstens dem Anerben ein Vorzugsrecht gegeben gegenüber der sonft gleichen Theilung, auch wenn nit disponiert wird seitens des Erblassers, und zweitens wird der Werth des Grundstücks und der Abfindung nah dein dauernden Ertragêwerth bercchnet. Darum bandelt es si.

Wie kann der Herr Vorredner unter diefen Umständen noch von einer vollständigen Vernichtung des freien Eigenthümers sprechen, der nah wie vor unter Lebenden und von Todeswegen frei disponieren fann! Viel eher kann man zweifeln, ob das Gese seinen Zweck voll erreicht. Aber daß hier niht die Rede davon ist, gewissermaßen Land-Sklaven zu machen, darüber kann fein Zweifel sein. Jch lade den Herrn Bürgermeister ein, mal nach Hannover zu kommen und si die bannoverschen Bauern anzusehen, ob sie wohl wie unfreie Menschen aussehen. (Große Heiterkeit.) Da wird er si überzeugen, daß alle seine Vorausseßungen unrichtig find.

Andere: seits wird er sehen, daß, wenn er die Summe der Ver- \{uldung auf den Höfen, wo das Anerbenrecht noch strenge Sitte und Gewohnheit ift, vergleiht mit der Verschuldung auf denjenigen Höfen, wo das entgegengesetzte Erbrecht gilt, die Zahlen sehr zu Gunsten des ersteren ausfallen. Und wenn er ich die Landeskultur ansieht die Entwickelung der Landwirthschaft auf diesen Höfen —, so werden sie in vollem Maß den Verglei aushalten mit den Höfen, wo er allein das freie Recht des freien Mannes findet. (Lebhafter Beifall.)

Graf von Klinckowstroem bemerkt, daß cs den Fidei- kfommißbesitern allerdings am besten gebe, daß sie aber gerade darum au dem Kleinbesiß mit diesem Geseh helfen wollten.

8 1 wird darauf mit großer Mehrheit angenommen. Die 88 2 bis 5 werden ohne Debatte erledigt.

Nach § 6 kann der Eigen E cines Anerbengutes ohne die Genehmigung der General- ommission weder durch Ver- fügung unter Lebenden noch von Todeswegen rechtswirksam die Zertheilung des Anerbengutes oder die Abäußerung von Theilen desselben vornehmen. Das Gleiche soll für die Ver- äußerung im Ganzen durch Verfügung unter Lebenden gelten. Jn diesem Fall darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme recht- fertigen, daß die wirt schaftlihe Selbständigkeit des Anerben- gutes durch Vereinigung mit einem größeren Gute auf- gehoben wird.

Ober-Bürgermeister Struckmann will die beiden leßten Säße streichen, weil die hier vorgesehenen Weitläufigkeiten abschreckend für die Rentengutsbildung wirken könnten. fei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer-

eln: 2

Meine Herren! Einige wenige kurze Worte. Daß in den nieder- sächsischen Landen die agrarishe Vertheidigung des Grundbesißzes eine sehr günstige ist, is im wesentlihen dem dort geltenden Agrarrecht

‘au die Vorschrift, daß mehrere selbständige Höfe nur mit Genéhmk

gung der Regiminalbehörden zusammengelegt werden dürfen. Diese Bestimmung galt in den niedersächsischen Landen überall da, wo das sogenannte Meierrecht in Gültigkeit stand. Ich selbst bin eine Reihe von Jahren Beamter in solchen Gebieten gewesen und habe vielfach Gelegenheit gehabt, diese Bestimmung anwenden zu müssen. Die An- wendung war eine sehr einfache und klare, eine lange Instruktion war fast niemals nöthig. Es handelte sih ja nur darum, ob der betreffende Hof verschwinden und zur Bildung eines Latifundiums dienen sollte oder nicht. War Ersteres der Fall, so wurde die Genehmigung versagt. Wenn aber zwei Höfe in der Hand cines Grund- besißers zusammengelegt wurden, wo beispielsweise zwei Söhne vorhanden waren, wo also zu erwarten war, daß schon bei der nächsten Erbfolge die betreffenden Höfe wieder in verschiedene Hände gelangten, dann wurde die Genehmigung anstandslos ertheilt. Kurzum, Schwierigkeiten sind aus der Handhabung der Vorschrift nit ent- standen, und ich muß im Gegensaß zu Herrn Ober-Bürgermeister Struckmann glauben, daß diese Bestimmung, welche im Jahre 1874 wohlthätig gewirkt hat, aufgehoben ist daß dieselbe daher, meines Erachtens, hätte bestehen bleiben können. Darum handelt es ih aber im konkreten Fall niht. Der Zweck der Rentenguts- und Ansiedlungs- geseßgebung ist doch der: da, wo mittlerer Grundbesitz nicht besteht, einen solhen zu schaffen und dauernd zu erhalten, theils aus politishen Gründen, wie bei der Ansiedlungskommission, theils aus wirths{haftlihen Gründen. Nun will Herr Ober-Bürgermeister Struckmann diese Bestimmung, die gerade verhüten soll, daß die mit Hilfe des Staats gebildeten Renten- und Ansiedlung8güter wieder von Latifundienbesißern aufgesogen werden, beseitigen. Das steht nah meiner Auffassung mit dem Zweck des Ge- seßes in Widerspruch. So lange die Rentengutsbesißer Renten zahlen, ist ja allerdings das jeßt {hon bestehende Recht ausreichend; wenn aber die Rente aufgehört bat, ist der Renten- gutsbesißer freier Diéponent, und da kann er sein Rentengut, das als mittlerer Grundbesiy gebildet ist, jederzeit auch an einen Latifundien- besitzer verkaufen und damit den Zweek der Errichtung vereiteln.

Die formellen Schwierigkeiten und Weitläufigkeiten des Verfahrens, welche Herr Ober-Bürgermeister Struckmann als Grund für Beseitigung der Borschrift anführt, kann ih als bestehend nit anerkennen. Es ist eine so einfache Frage, die Bestimmungen sind so klar, nach welchen die General-Kommission zu entsheiden hat, und Kosten werden auh nit daraus erwachsen, die Handhabung ist daher sehr einfa. Ich bitte das hohe Haus, sh dem Beschluß seiner Kommission anzuschließen, welcher empfiehlt, den § 6 unverändert anzunehmen.

8 6 wird unter Ablehnung des Antrages Struckmann angenommen. ;

Eine Debatte erhebt sich erst wieder bei dem S 15, welcher bestimmt, daß der Verzicht des Anerben auf sein Anerbenreht rechtswirksam nur gegenüber dem Nachlaßgerichte erflärt werden fann. Giebt der Anerbe binnen ciner be- stimmten Frist keine Erklärung ab, so gilt er als nit ver- zichtend. ° :

von Leveßow will diesem Nachsaßz die Fassung geben: fo gilt

er als verzihtend. : i: j Justiz-Minister Schönstedt erklärt, er halte diesen Vorschlag für eine praktische Verbesserung. Ober-Bürgermeister Struckmann spricht si gegen den Antra aus, der zu unnöthigen Härten führen könne. : 15 wird mit dem Antrage Leveßow añgenommen,

8 16 ohne Debatte. : Um 51/4 Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag

11 Uhr vertagt.

Haus der Abgeordneten. 99. Sißung vom 27. Februar 1896.

Ucber den ersten Theil der Sißung ist gestern berichtet worden. i : i

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unter- rihts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Bei den Ausgaben und zwar zu dem Titel „Gehalt des Ministers“ bemerkt

Abg. Lohmann- Hagen (nl.): Die Regierung hat das Recht der Gemeinden bezüglih der Lehreranstellungen niht immer gewahrt}; troy der Erflärung des Ministers wird in rücfsichtsloser Weise gegen die Gemeinden verfahren. In den Negierungsbezirken Münster und Minden werden die Schulen ohne Anhörung der Gemeinden besetzt; anders liegt es im Bezirk Arnsberg, wo die Anhörung der Patrone und der Gemeinden erfolgt. In der Stadt Hagen ift eine Schul- deputation eingeseßt, welhe die Schullehrer vorzuschlagen hat. Trogzdem ist 1888 eine Stelle von der Regierung beseyt worden; eine Beschwerde an das Ministerium hatte keinen Erfolg; das Ver- fahren der Regierung wurde gebilligt. Eine zweite Beschwerde blieb im Ministerium liegen. Die Schulordnung is seitdem beobachtet worden bis 1893; da wurde die Gemeindeverwaltung mit Strafen be- droht, wenn sie ohne Genehmigung der Regierung Vorschläge einreide. Dieser Verfügung gemäß ist seitdem in der \{roffsten Weise verfahren worden Auf eine damals eingereichte Beschwerde ist heute no kein Bescheid ertheilt. Die Verfügung foll aufgehoben sein, aber davon ist uihts bekannt geworden. Dieselben Klagen wie in Hagen bestehen in vielen anderen Städten und iu Landgemeinden; in einem Falle kefindet sich troß des Widerspruhs der Gemeinde der berufene ‘ehrer hon mehrere Jahre im Amt. Wenn die Regierung cin solches Recht sich ancignet, dann muß sie auch dafür forgen, daß die Fehler wieder gut gemacht werden, die ste begeht. j j

Ministerial-Direktor Dr. Kügler: Die Regierung hat darüber keinen Zweifel gelassen, daß sie die Betheiligung der Gemeinden an der SHulverwaltung wünscht. Der Fall, den der Vorredner aus einer Stadt anführte, war folgender: Die Stadt hat Lehrkräfte lange Jahre beschäftigt und naher die Lehrer angemeldet. Die Regierung hat der Stadt die sofortige Anzeige auferlegt und aus dem erregten Schriftwechsel it dann die Verfügung hervorgegangtil daß die Gemeinde erst anfragen sollte, ob sie Vorschläge machen dürfte. Bei einer Konferenz der Regierung mit dem Ober-Bürgel- meister follte die Sache friedlich zum Austrag gebracht werden, Wir dachten, diese friedlihe Einigung sei erfolgt, weil feinerlet Beschwerde hierher kam. Die Theilnahme der Gemeinde an det Schulverwaltung is {wer durhzuseßen. Wo das Sculpatronat herrs{cht, kann darin nicht eingegriffen werden. Die Verhältnisse sind mächtiger als die Unterrihtsverwaltung, welche nit im stande ist, überall gleihmäßig zu verfahren. l

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Gegenüber den Ausführungen de ersten Hedners fann ih mich auf eine Verwahrung beschränken. Der Falke g hat eine so vorsichtige Fassung, daß ma" beim Erlaß eines Mulgeseues über den Religionsunterricht faus etwas Anderes thun könnte, als den Fall’shen Erlaß abe schreiben. Besonders entgegenkommend ift die Gienung des Erla i bezüglih des Religionsunterrihts. Wenn dem Geistlichen die 8!

zu verdanken. In den Bestimmungen dieses Agrarrechts befand \ich

theilung des Religiongunterrihts gestattet wird, muß er sid natürlih in den Sh

ulplan eingliedern. Wo ein Lehrer den Religionb |

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unterricht ertheilt, da verlangt das Zentrum die missio canonica, während es jede Garantie, die der Staat beim Geistlichen verlangt, als ‘eine Beleidigung betrachtet. Wo haben wir denn die Herrschaft über die Schule! Unsere Anschauungen haben sehr wenig Einfluß auf den Kultus-Minister, der allerdings dic wichtigsten Prinzipienfragen verzögert; ob er aber dadur Siege erringen wird, wie Fabius CGunctator, das lassen wir dahingestellt. Einer staatlihen Dmnipotenz auf dem Gebiete des Schulwesens huldigen wir nicht. Der Abg. von Heereman hat in ciner Debatte im Januar den Fall’- {en Grlaß vorgelesen, aber dabei eine Stelle geändert, wahrscheinli infolge eines Versehens. Er hat vorgelefen, daß der Religionsunter- rit von fstaatlihen Organen ertheilt wird. Es heißt aber in dem Erlaß, daß der Religionsunterriht auch von fkirchliGen Organen, die der Staat zuläßt, ertheilt werden kann. Herr Bachem hat uns eine Aufstellung der Leistungen des Staats für die Katholischen und für die Evangelischen zugehen lassen ; fie enthält vielfah Falsches. Aber ich will heute nicht darauf eingehen, da Herr Bachem nicht hier ist; ih hoffe, daß er demnächst die Aufstellung erläutern wird.

Abg. von Eynern (nl.): Jch hatte erwartet, daß Herr Bachem heute seine Imparitätéklagen wieder vorbringen E: ih en den Herren vom Zentrum meinen Play in der Rednerliste angeboten, aber fie haben dieses Anerbieten abgelehnt. Ich hoffe, sie werden nahber zum Worte kommen. Durch die Mittheilungen des Grafen Paul Hoensbroed), namentlich über eine Aeußerung von Windthorst in Köln, sind wir doch wieder zu der Einsicht gekommen, daß der Papîst in Rom hin und wieder einen Einfluß auf das Zentrum aueübt. Ich möchte den Minister bitten, durch den Gesandten in Rom den Papst aufmerksam zu machen auf die ultramontanen Publikationen \reiendster Art. Vielleicht wirkt der Papst dahin, daß die Angriffe gröbster Art gegen den Protestantismus eingestellt werden. Die Zentrumspresse is bekanntli eine außerordentlich \hlechte, das ist von Zentrumöblättern felbst ausgesprochen; 1887 ist unter dem Vorsitz des Herrn von Loë auf einer Katholikenversamm- i worden, daß die katholischen eine Protestantenheye treiben follen. Der L n Deutschlands wird in höchst bedenklicher Weise gefährdet. Nach dem Zeugniß des Grafen Paul Hoens- breech denkt die evangelishe Geistlichkeit niht daran, ibr Amt zur Katholikenheße zu mißbrauchen. Die periodische Presse des Zentrums erlaubt sih alles Mögliche. Wir haben uns ja neulich über Herrn Pastor Thümmel unterhalten. In Schlesien ers{cheint zur „Schlesischen Volkszeitung“ ein Sonntagsblatt, welhes in ganz ent- seulicher Weise den evangelischen Glauben angreift, Die Artikel seinen hauptsählih von Herrn Majunke geschrieben zu sein, der ja hier keine Reden mehr halten kann. Es heißt darin, daß die Katholiken troß ihrer Betheiligung an den Kämpfen vor 25 Jahren zu Bürgern zweiter Klasse gestempelt worden sind; Luther wird in geradezu entsepliher Weise verurtheilt und den Evangelischen wird gesagt, fie könnten sh für alle Unsittlichkeiten auf die Grundsäge ihres Relizionéstifters berufen. Wenn aus dieser Heye kein Religionskrieg hervorgeht, fo ist das nur durch die maßvolle Haltung der evangelischen Bevölkerung zu erklären. Das Schlimmste sind Publikationen, die hier im Verlag der „Germania“ erscheinen, „Katholische Flugblätter zu Wehr und Lehr“, die massenhaft durch Kolportage verbreitet werden. Sie beschäftigen sich fast aus\schließlich mit den wildesten Angriffen auf die Evangelischen und ihre Lehren. Die Ne- formatioren werden als Leute bezeihnet, die den Strang ver- dienten. Ein Heft beschäftigt sch mit dem Schulgeseß; die Konservativen, welhé auch ein Schulgeseß wollen, können daraus sehen, was das Zentrum eigentlich will. Katholishe Grundsätze sollen in Naturwisjenschaft und Kunst, in Erdbeschreibung u. #. w. ein- geführt werden. Das Zentrum hat fogar früher die Iesuitenaktion zurückgestellt, um die Schulaktion niht zu stören. Die Flugblätter find geschrieben, als das Schulgeseß noch nicht zurückgezogen war. Sie meinen, die Nückkehr ins Vaterhaus sei nun nicht mehr fern; alle Hoffnung beruht auf dem Kaiser, für den man ret fleißig beten müsse. Das Dm agctee war die erste auf dem Wege der gôtt- lihen Vorsehung herbeigeführte Etappe zur Wiedervereinigung im fatholischen Glauben. Die Schonung des Glaubens Anderer wird als übel angebracht bezeichnet. Es wird eine Hoffnung bei der katholischen Bevölkerung hervorgerufen, daß die E ih bekehren; man entblôdet sich nicht, die Person Seiner Majestät des Kaisers hinein- zuziehen, als wenn Er den ersten Schritt dazu gethan hätte. Es ist cine Pflicht, da den meisten diese Art und Weise der ultramontanen Propaganda fremd geblieben ist, darauf aufmerksam zu machen. Solche Sachen -schwimmen nit an der Oberfläche; es wird alles gethan, um diese Dinge in das Bolk hineinzutragen. Wir müssen be- kennen, daß wir eine Richtung in Deutschland haben, die alles zerstört wifsen will , was wir an geistiger Kraft aufgebaut haben. Jch weiß nit, ob eine Vorstellung unserer Gesandtschaft beim Papste Erfolg haben wird. Früher sind solche Einwirkungen nicht ohne Erfolg ge- wesen. Beim früheren Papst hatten fie keinen Erfolg; er war der streitente Papst. Wie der jetzige ist, weiß ih nicht. Er wird vielleicht dur seine Umgebung fehr stark beeinflußt, das zeigen wenigîtens die Veröffentlichungen, welhe aus seiner Umgebung hervor- treten, z. B. die über den Segen der íInquisition, die als eine In- stitution der Kirche hingestellt wurde und mit dem Ausruf \{loß: O seid gesegnet, ibr flammenden Scheiterl:aufen, dur die einige wenige vershmißte Subjekte gerettet werden! Sollen wir eine Ge- sandtschaft bei einer fo feindlichen Macht unterhalten! Demgegenüber muß man si wundern, daß Herr Porsch sich so cutrüstet ausgesprochen hat über einige Aeußerungen des Pastors Thümmel. Selten ist die Redefreiheit des Hauses so ausgenuzt worden wie von Herrn Porsch ia diesem Falle; er |prach von einem s{hamlosen Ausdruck bezüglich des Meßopfers, von miß- achtender, pöbelhafter, gräßlicher Weise, von einer Tiefe der Noh- heit u. |. w. Schwerere Vorwürfe kann man wohl kaum érheben, troßdem Herr Porsch selbst nit ganz unterrihtet war. Er zitierte nah der „Germania“ und niht nach_ der Schrift des Pastors Thümmel; fonst hätte er gefunden, daß Herr Thümmel nur Aus- sprüche von Geistlichen der römischen Kirche selbst wiedergegeben hat. Jch würde solhe Angriffe wie Herr Thümmel niht machen; Herr Thümmel is nur dur maßlose Angriffe dazu getrieben worden. (Redner zitiert Stellen aus katholishen Blättern, wo von der Ver- zauberung gesproden wird und davon, daß der Priester aus einem Stück Brot einen Gott matt.) Die „Schlesishe Volkszeitung“ ver- langte damals, als Herr Thümmel in Breslau gesprochen hatte, die Ausf ließung Thümmel's aus dem Evangelishen Bunde. Herr Konsistorial-Rath Leuschner bat aber dem gegenüber erklärt: Thümmel's Sage ift unsere Sache! Jch wollte nur zeigen, wie die katholischen Geistlihen das Verhältniß zwischen den Mitbürgern der verschiedenen Konfessionen auffassen.

Abg. M otty (Pole) führt aus, daß die Schule in den polnischen Laz destheilen ihre Aufgaben nit erfülle; sie diene nicht der allge- meinen Erziehung, sondern sie solle aus den polnischen Kindern Deutsche machen; das könne sie aber niht erreichen, denn ohne Unterricht in der Muttersprache wäre die Squle nur eine Abrictungsanstalt. Wie könne der Minister ein solches Schulsystem mit seinem Gewissen vereinbaren ? Der Kultus-Minister sei niht bloß Staatsmann, fon- dern au Dichter. Sn einem s{hönen Gedicht zu Neujahr fage er sehr richtig: „O denke dran bei jedem Schritt, was du gethan, das geht mit hinüber, hinüber!“ „Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter!" habe der Kaiser auf ein Bild geschrieben. Diese heiligsten Güter seien Religion und Sitte.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosfe:

Meine Herren! Ja einem Punkte stimme ih mit den Ausfüh- rungen des Abg. Motty überein, nämlich darin, daß es heißt Eulen nah Athen tragen, die polnischen Klagen über die angeblich preußische Bedrückung hier immer und immer wieder zur Sprache zu bringen. Es existierten solhe Bedrückungen niht (sehr richtig! bei den Nationalliberalen) und es is hier seit vielen vielen Jahren jedes Jahr immer wieder ausgeführt, daß die polnischen

lung zu Würzburg beschlossen Journalisten nicht Friere innerhalb

Klagen unbegründet sind und es bleibt mir nihts übrig als das eben- falls heute wieder auszuführen. Jch würde dabei nit geneigt sein, auf die Einzelheiten, die Herr Abg. Motty angeführt hat, näher ein- zugehen; er hat mir aber vier Fragen vorgelegt und diese Fragen will ih allerdings beantworten, weil sie eine Jllustration bilden für die Klagen, die er hier vorgebracht hat.

Er sagt erstens: Jst dem Minister eine Verfügung der König- lien Regierung zu Posen bekannt, wonah den polnischen Kindern, welche einmal den Religionsunterriht in deutsher Sprache gehabt haben, in keiner anderen Schule gestattet wird, die Religion in polnischer Sprache zu lernen? Darauf antworte ih: Nein, eine folche Verfügung is mir nicht bekannt; ih nehme auch an, daß sie nit existiert.

Zweitens: weshalb wird die Entscheidung der Frage, ob einem Kinde der Religionsunterricht in polnischer oder in deutsher Sprache gewährt werden foll, niht den geistlihen Inspektoren des katholischen Religionsunterrihts überlassen? Darauf erwidere ih: deshalb nicht, weil es nach den bisherigen Erfahrungen an jeder Gewähr dafür fehlt, daß dabei in den polnischen Landestheilen die deutsch-katholishen Kinder au wirkli der deutshen Religionsabtheilung zugewiesen werden (hört! hört!); daran haben wir aber ein erhebliches Interesse, wie ih nachher noch näher dar- legen werde. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rets.) Drittens: mit welhem Recht verzeichnen die Rektoren auf den soge- nannten Schulkarten ein polnisches Kind in der Rubrik Konfession durch die Buchstaben K. D. d. h. katholisch - deutsch —? Darauf erwidere ih: bei polnishen Kindern geschieht das nicht.

Viertens: weshalb werden polnische Kinder, welche im Neligions- unterriht zu Unrecht der deutschen Abtheilung zugewiesen sind, des Rechts beraubt, an tem polnischen Sprachunterricht theilzunehmen ? Darauf erwidere ih: es werden niemals Kinder zu Unrecht der deutshen Neligionsabtheilung zugewiesen; das kommt absolut nicht vor! Ich habe auc keine einzige Beshwerde in dieser Beziehung be- kommen.

Nun, meine Herren, ich will aber zum Beweis dafür, welche polnischen Einflüsse sh auf die deutshen Familien in der Provinz Posen geltend machen, und wie ‘vorsichtig wir sein müssen in Bezug auf die Gestattung des polnischen Religionsunterrihts an Kinder, die uns als polnische bezeichnet werden, die es aber nicht sind, hier einen ganz bestimmten Fall mittheilen.

Ein landwirthschaftliher Beamter mit ausgeprägt deutschem Namen, der, wie ich annehme, \tark unter wirthschaftlihem polnischen Einfluß steht, richtete an uns eine Bitte um Wiederzulassung seiner Kinder zum Religionsunterriht in der polnishen Sprache. Er führte an, daß die Muttersprahe der Kinder die polnische sei und daß die Kinder ihr Gebet zu Hause troß des deutshen Namens der Familie nur in polnischer Sprache verrihteten; den Kindern wäre auh eine Zeit lang der Religionsunterriht in polnisher Sprache ertheilt worden. Auf Verfügung des Kreis-Schulinspektors fei dies aber seitdem nit mehr der Fall gewesen. Die Sache frappierte mi allerdings, und ih habe Bericht darüber eingefordert und habe nun Folgendes über. die Sache erfahren.

Der Mann if ein Sohn deutscher evangelisher Eltern (höt! Hôrt! bei den Nationalliberalen und rechts), im späteren Lebensalter zur rômisch-katholishen Kirhe übergetreten; seine Frau is noch evangelisch und ebenfalls eine Deutshe. Beide verstehen zwar etwas polnish, beherrshen aber die Sprache in keiner Weise. Danach ift die Muttersprache der Kinder thatsächlich die deutsche, und diese allein ist ihnen au nach dem Maße ihrer geistigen Entwickelung geläufig. Aus dem Umgange mit polnisch sprechenden Altersgenossen hätten die Kinder zwar etwas polnisch gelernt; sie verständen indessen Fragen in der polnischen Sprache nicht ohne Nachhilfe zu beantworten. Nun, meine Herren, diese Kinder wurden mir vorgeführt als folche, gegen die es eine Grausamkeit wäre, ihnen das polnishe Gebet zu versagen und die polnische Muttersprache im Religionsunterriht! Nein , meine Herren, so liegt die Sache nit. Hier is ein Deutscher, der unter polonisierendem Einfluß s{chwach und thöriht genug gewesen ist, um feinen {limmeren Ausdruck zu gebrauchen, sein Deutshthum zu ver- leugnen und si hinzugeben an polnische Einflüsse! Solchen Dingen und Versuchen gegenüber müssen wir pflihtmäßig mit aller Energie ent- gegentreten. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rechts.) Daraus, meine Herren, können Sie entnehmen, daß wir gar nicht anders können, als daß wir in den polnischen Landestheilen auf unserer Hut sind, und das werde ih Ihnen au sons noch ausführen. Ich hoffe, daß ih damit diese immerwährend wiederkehrenden Polendebatten, wenigstens in ihren Hauptpunkten, soweit sie mih angehen, erledige, vielleiht ab- \chneide. Ich sage dem Herrn Abg. Motty gegenüber: wir haben die Pflicht, das Deutschthum zu s{hügen. (Bravo! bei den National- liberalen und rechts.) Wir müssen allen Agitationen und Aspirationen national-polnisher Tendenz mit aller Entschiedenheit entgegentreten. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rets.) Denn, meine Herren, diese Agitationen und Aspirationen die in den letzten beiden Jahren erschrecktend gewachsen sind und zwar infolge zum großen Theil ausländishen Einflusses diese Ajpirationen ridten si im tiefsten Grunde gegen den Bestand und gegen die In- teressen unseres Vaterlandes. (Sehr richtig! bei den National- liberalen und rets.) Meine Herren, wir sind ein nationaler Staat; Preußen is nah seiner Entstehung, nah seiner Entwickelung ein deutsher Staat, kein Föderativstaat, der sich aus einzelnen deutschen, polnischen, dänishen Elementen oder Nationalitäten zusammensfeßt, sondern wir sind ein deutsher Staat, nnd zwar ein deutscher nationaler Staat. Der Geist, der unser ganzes Staatsleben gebildet hat, ist ein deutsher Geist; dieser Geist findet seinen Ausdruck in der deutshen Sprache, in der deutshen Armee, in der deutschen Schule, in deutshen Gesetzen, in deutshen Behörden, auch in einer unzweifelhaft deutshen Regierung. Nun, meine Herren, kein nationaler Staat kann si eine antinationale Bevölkerung selbst heranzichen; er würde ja damit den feindlihen Elementen selbs die Waffe gegen ih in die Hand geben. Das alles habe ih hier wiederholt ausgeführt; ih habe gar nichts. dagegen, meine Herren, wenn ih veranlaßt werde, das noch einmal sagen zu müssen: es ist gut und nothwendig, daß Polen und Deutsche in Preußen genau wissen, was sie von der Re- gierung in dieser Beziehung zu erwarten haben, und ih werde darüber feinen Zweifel lassen. Dagegen protestiere ih, was hier früher und in den polnischen Zeitungen vielfach gesagt worden ist, und was auch durh die Rede des Herrn Abg. Motty dur(klang, wenn es auch niht mit diesen. Worten gesagt ist, dagegen, daß die Regierung die Polen als Preußen zweiter Klasse behandle; das ist niht wahr. Die Regierung behandelt

die Polen in allen privatrehtlihen Verhältnissen ge fassung als vollkommen gleihberechtigte Staatsbürger mit Gerechtigkeit, demselben Wohlwollen, derselben Sachlich eit

nicht erfüllen, die mittelbar oder unmittelbar das öffentlihe Interesse des Staats gefährden; das können wir nit thun. Die Regierung befindet \sih den polnishen Bestrebungen und der national-polnischen Agitation gegenüber im Stande der Nothwehr, (Lachen bei den Polen) in der Vertheidigung, und die Regierung wird auf diesem Gebiete mit unerschütterliher Festigkeit ihre thun, darauf können. Sie sich verlassen. (Bravo! rechts,)

wimmelt, keine Beleidigung, keine Beschimpfung, aber auch kein \sanfies Schmeicheln und Locken wird die Regierung darin irre machen. Die Regierung muß in dieser Beziehung nach den von uns gemachten Erfahrungen überaus wachsam sein. Meine Herren, die Polen sind ein liebenswürdiges und impulsives Volk (Heiterkeit), das erkenne ih in vollstem Maße an; aber wenn man ihnen den kfleinen Finger reiht, springen sie sofort zu und nehmen nit bloß eine ganze Hand, sondern alle beide. (Große Heiterkeit.) Daun wollen sie uns fest- halten, und das wollen wir niht. Wir haben die Polen festzuhalten, aber die Polen niht uns. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, es hat hiernah eigentli gar feinen rechten Zwed,

oder angeführt haben, noch eingehe. Meine Herren, da wir an der Ostmark dem aggressiven Polenthum gegenüber auf Vorposten stehen, so müssen wir auch pflichtgemäß die gebotene Vorsicht üben und können nicht alle Wünsche der Polen erfüllen, oft au dann nicht, wenn fie auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Das habe ih an dem Bei- spiel von diesem deutshen Inspektor gezeigt.

Meine Herren, das gilt insbesondere von zwei Gebieten: von dem Gebiete der Schule und von dem geistlichen, kirchlihen Gebiete und dem Ordensleben. Wir können dort niht in dem Maße fonnivent sein, wie wir es in anderen Landestheilen können; auf dem Gebiete der Schule nit, weil wir darüber wahen müssen, daß die deutsche Sprache die herrschende Sprache in der Schule bleibt. Wir haben eine Ausnahme gemacht: im Interesse der Gewissensfreiheit der Polen haben wir dafür gesorgt, daß die Kinder so weit polnischen Schreib- und Lese - Unterricht bekommen, damit der Religions- unterriht, den sie haben müssen und der ihnen polnisch ertheilt wird, fruchtbar für diese Kinder werde. Das ist eine Maßregel, womit wir dem polnishen Gewissen gerecht geworden sind. Diese Maßregel das habe i. von Anfang an hier im Hause gesagt, hon zu der Zeit, als diese Maßregel hier einem außerordentlihen Mißtrauen begegnete muß s\triktissime interpretiert werden, und ih fann nit zugeben, daß man jeßt, wie die Polen thun, alle diese Maßregeln benußt, um nun Kinder zweifelhafter Nationalität, Kinder aus Mischehen 2c. in die polnishe Abtheilung hinein- zubringen. Ih habe deshalb mit aller Energie darauf gehalten, daß sie beschränkt bleibt auf Kinder unzweifelhaft polnisher Nationa- lität. Zu meiner großen Genugthuung höre ih von allen Behörden, daß die Maßregel si bewährt hat, und daß sie einen guten Einfluß gehabt hat auf die Lehrer, die früher noch unter dem Einfluß des polnischen Agitationscomités standen, welches ihnen den- polnischen Privatunterriht bezahlte und dadur die Lehrer uns aus der Hand nahm. Kurz, ih habe keinen Anlaß, irgendwie ein böses Ge- wissen in dieser Beziehung zu haben. Das möchte ih doch dem Abg. Motty gegenüber bemerken,

Es ift ja wahr, ih habe vor einer Reibe von Jahren ein paar sehr mäßige Verse verbrohen; aber so shwer ist doch meine Schuld wirkli nit, daß ih hier im Abgeordnetenhause jur Strafe darauf angenagelt werden muß. (Große Heiterkeit.)

Was das kirhlihe Gebiet betrifft, so ift in der Provinz Posen von kirchliher Seite als Uebelstand angesehen worden, daß wir in

fann uns au niemand verübeln. Die Polen wissen ganz genau, daß wir polnishe Männerorden dort nicht zulassen können; denn diese würden im Volk als eine starke Erregung und Anregung des polnischen Geistes wirken müssen, und sie würden uns auch gar keine Garantie bieten, daß sie niht wirklich polnishe Bestrebungen fördern. Wir müssen deshalb in dieser Beziehung bart sein und sind au hart. Es ift kein polnisher Männerorden dort bis jeßt zugelassen, und es wird au vorausfichtlich ein solher niht zugelassen werden. Wenn wir einen recht zuverlässigen deutshen Männerorden hätten, der dahin gehen will und dort willkommen ist, so ließe sih über die Sache sprehen. Solche Anträge sind aber bis jeßt noch nicht an uns herangetreten.

Ich gebe aber zu, wir müssen auch den polnischen Frauenorden gegenüber mit einer gewissen Vorsicht verfahren; denn wir haben die Erfahrung gemacht, daß auch die polnishen Damen in den Orden uns in Bezug auf das Deutshthum nicht diejenige Gewähr geboten haben, die wir von ihnen verlangen müssen. Deshalb Halten wir darauf, daß wir wesentlih national-deutshe Elemente auch in den Frauenorden für den Dienst der Liebe an den Erkrankten u. \. w. haben. Wir erkennen in vollstem Maße den Dienst dieser Schwestern an, aber wir sind niht in der Lage, auf die Firma dieses Dienstes os polnishen Gefahr gegenüber irgendwelche Konzessionen zu machen.

Nun, meine Herren, das is im wesentlihen unsere gebotere, unsere ehrliche, unsere gerehte Politik. Diese Polenpolitik is weder

sie mögen wollen oder niht! Mögen die Polen die national-polnische Agitation und die Gemeinschaft mit dieser Agitation von fich abthun! Das ist der einzige Weg, auf dem sie sh helfen können und auf dem ihnen überhaupt geholfen werden kann! (Wiederholter lebhafter Beifall rets und bei den Nationalliberalen. Zischen bei den Polen und im Zentrum.)

dem Minister unseren Dank für die Worte ausfprechen

gesagt hat. Wir waren in der leßten Zeit ai b Ua Se La Befriedigung kundzugeben. Wir haben von Anfang an dieselbe Haltung in der polnischen Frage eingenommen, und wo die ie- rung davon abwich, haben wir daraus kein Hehl gemacht.

der Minister sagt, daß die Konzession des volnisiden S; unterrihts niht geschadet hat, so soll uns das freuen. Wir haben aber damals gesagt: wenn der kleine Finger geboten wird, so nehmer die Polen die beiden Hände. Wir haben Recht behalten und werden den Minister unterstüßen. Wir erkennen die tüchtigen Eigenschaften der Polen an; aber wir können es nicht als berechti t zt e für ibre nationalen Tendenzen einen politischen A suchen. enn es sich nur um die fremde Sprache han!

anderen Bürger des Staats. Aber die Würsche der Polen kann ih :

Pflicht

Keine Angriffe der national-polnishea Presse, von denen es ‘doch -

daß ih auf einzelne Beshwerdefälle, die Sie auf dem Herzen haben

Bezug auf die Männerorden außerordentlich zurückhaltend sind. Das .

unklar, noch \{chwankend; damit müssen die Polen sih abfinden, -

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf.): Ih muß formell

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würden wir mit uns reden lassen. Aber die Sache ist iten A

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