1914 / 285 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Dec 1914 18:00:01 GMT) scan diff

YJustizministerium.

_ Dem Notar Moll s in Blankenheim (Eifel) ist der Amtsfitz _in Sinzig angewiesen. L

Ministerium der geistlichen und Untéerrichts- angelegenheiten. 4 Der bisherige Präparandenanstaltsvorsteher Otto Meyer B es ist zum Kreisschulinspektor in Lubliniß ernannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen

und Forsten.

Dem Regierungsbaumeister des Wasser- und Straßenbau- faches Johannes Gum t bei der Generalkommission in Düssel- dorf ist eine etatsmäßige Regierungsbaumeisterstelle in der landwirischaftlihen Verwaltung verliehen worden.

Finanzministerium. Königliche Seehandlung (Preußishe Staatsbank).

Bei der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) sind ernannt: Die Bureaudiätare Neumann [1]. und Mattheus zu Seehandlungs-Kassensekretären.

Verant mamun ga.

Das im laufenden Steuerjahre zu den Kommunalabgaben einshäßbare Reineinkommen aus dem Betriebsjahr 1913 oder 1913/14 ist nach §8 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 152) festgestellt worden:

1) bei der Hoyaer Eisenbahn auf . 10400,— M,

2) bei der Farge-Vegesacker Eisen- Ae 20 000— 5,

3) für die preußischen Strecken der Braun- ichweigishen Landeseisenbahn

L 4). für die preußische Streckte der R inteln- Stadthagener Eisenbahn auf. . 67266,94 „,

5) für die preußische Strecke der Vor-

wohle-Emmerthaler Eisenbahn L 4498983. Aus dem Betriebe der Hildesh eim-Peiner Kreis- eisenbahn und der Peine-Jlseder Eisenbahn ist ein tommunalabgabenpflihtiges Reineinkommen nicht erzielt worden.

Hannover, den 1. Dezember 1914. Der Königliche Eisenbahnkommissar. I. V. Samwer.

99 943,57 „,

Nichkamkliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 4. Dezember 1914. In der am 3. Dezember unter dem Vorsiß des Staats-

ministers, Vizepräsidenten ‘des Staatsministeriums, Staats--

ekretärs des Jnnern Dr. Delbrück abgehaltenen Plenar- ißung des Bundesrats wurde von der Beschlußnahme des Neichstags zu dem Entwurf eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für 1914 Kenntnis genommen. Der Ent- wurf von Bestimmungen über die Einlösung beschädigter oder unbrauchbar gewordener sowie über die Vernichtung nicht mehr umlaufsfähiger Darlehnskassenscheine wurde angenommen. Demnächst wurde über die Wahl von höheren Beamten der Reichsversicherungs8anstalt für Angestellte sowie über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt.

Dem Kriegsministerium gehen vielfah Schreiben zu, in denen deutsche und ausländishe Handelshäuser Ansprüche auf in Belgien liegende Waren, insbesondere Rohstoffe, erheben oder sie der Heeresverwaltung zum Kauf anbieten. Demgegenüber wird vom „W. T. B.“ darauf verwiesen, daß folche Bestände grundsäßlih zunächst an eine reichsdeutsche Sammelstelle gebracht werden, die sie, soweit möglich, für den Bedarf des Heeres verwertet. Bei späteren Ausfteilungen und Preisfestseßungen werden die Kriegsrohstoffgesellshaften mitzu- wirken haben.

Der heutigen Nummer des „Reichs: und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 249, 250 und 251 der Deutschen Ver- luftlisten bei. Sie enthalten die 93. Verlustliste der preußischen Armee und die 93., 94,, 95. und 96. Verlust-

liste der bayerishen Armee.

Breslau, 3. Dezember. Die „Schlesische Volkszeitung“ veröffentlicht folgende Bekanntmachung des Oberpräsidenten Dr. von Guenther: . e

Seine Majestät der Kaiser und König haben mih münd- lich Allergnädigst beauftragt, seine Schlesier zu grüßen. Sein Besuch in Schlesien gelte der Provinz und ihren tapferen Söhnen. Seine Majeïtät beglückwünschte die Provinz zu ihrer mannhaften Haltung in \{chwerer Zeit und zu den glänzenden Taten der Slesier, insbesondere auch der \chlesischen Landwehrmänner im Felde, und habe E Vertrauen, daß sie weiter alle ihre Aufgaben erfüllen werden.

Großbritannien und Frland.

Die Verluste der britishen Armee werden von dem militärishen Korrespondenten der „Times“ auf 84000 Mann angegeben, was ungefähr der ursprünglichen Stärke des britischen Heeres entspreche, als es ins Feld rückte. Die Ver- luste in der Schlacht bei Ypern und Armentières betrugen etwa 50 000 Mann, wovon etwa 5500 auf das indische Korps entfielen. Der Korrespondent fährt fort:

Wir müssen zugeben, daß die deutshen Truppen troß \{hreckliher Verluste noch zahlreicher sind als wir und daß sie starke Stellungen einnehmen. Sie besißen eine furchtbare Artillerie, die zerstreut auf-

estellt und wohl verborgen ist. Jhr \{hweres Geshüß hat not die

berhand und begräbt beständig unfere Leute, indem ganze Abschnitte der Laufgräben zerstört werden. Ihre Scharfshüten sind kühn und hartnädckig. Die Mörser in thren Gräben und die Granaten ber- ursachen uns besländig Verluste, und, obwohl ihre Aufklärung in der Luft

nachläßt, ershzinen doh noch Tauben und Albatros-Flugzeuge über uns und beobachten, was wir tun. Die englischen Offiziere und Unteroffiziere sind in shrecklidem Maße gce'chwäht. Wir haben fast die ganze reguläre Nefserrè und den betten Teil der Spezialreserve vieler Korys an die Front gebracht. Wenn die Depots nicht länger imstande sind, einen guten und regelmäßtgen Ertaz zu schicken, würde die Armee an der Front gern etnen Téil der neuen Armeen als Ersaß begrüßen. Wir brauden jeden Mann, den wir fiaden können, und werden bald erwägen müfsen, wie wir die neuen Authebungen am besien an der Front ver- wenden können, ob ais Armeen, Divisionen und Brigaden in Ein- heiten oder zur Auffüllung.

Vorgestern find die neuen vom Parlament in der vorigen Woche aufgestellten Normen in Kraft getreten, die unter dem Titel „Akte zur Verteidigung des Königreichs“ veröffentlicht worden sind. Nach dem „Corriere della Sera“ versetzen die Regeln England in eine Art Belagerungszustand. Die Admiralität und die Heeresleitung haben ohne Einschränkung die Erlaubnis, Maßregeln für die nationale Sicherheit zu treffen. Alle Rechte des Privateigentums verlieren ihre Unantastbarkeit. Die Autorität kann sich jedes Bau- werk aneignen, es zu Zwecken der Verteidigung herrichten oder zerstören: sie kann die Sperrung einer jeden Fabrik, jedes Geschäftes anordnen, ebenso wie die Räumung jeder Oertlichkeit und die Beschlagnahme von Fahrzeugen und Lebensmitteln. Die Regierung hat die unbeschränkte Macht, Untersuchungen anzustellen und Verhaftungen vorzu- nehmen, den Besiß von Waffen und Explosivstoffen zu kon- trollieren. Schließlich kann jeder bestraft werden, der von der Freiheit zu starken Gebrauch macht, und zwar von der Wort- freiheit. Nach englischen Berichten rief die Aufhebung der bürgerlichen Freiheiten in der Bevölkerung Beunruhigung hervor, der einige demokratische Abgeordnete im Unterhause Ausdruck gaben.

Das Prisengeriht in London hat die deutschen Segel Offa L Moland“ und“ „Excelsior“, die beiden leßteren aus Bremen, als gute Prisen erklärt.

Die Admiralität hat angeordnet, daß teine Aus- länder auf britishen Schleppneßdampfern fahren dürfen. Die Verfügung trifft die Besißer der Schiffe schwer, da Mangel an geeigneten Leuten besteht.

Frankreich.

Der Ministerrat unter dem Vorsiß des Präsidenten Poincaré hat beschlossen, die Kammern zu einer außer- ordentlichen Session auf den 22. Dezember in Paris einzuberufen. Die Minister reisen Ende nächster Woche nach Paris, um - dem Finanzausschuß des Senats und dem Budgetausshuß der Kammer zur Verfügung zu stehen. Der Präsident Poincaré wird ebenfalls dann in Paris sein.

Rußland.

Der General Nennen kampf ist nach einer Meldung der „Morning Post“ vom Oberbefehl enthoben, weil er in der Konzentrationsbewegung zur Einschließung der Deutschen seine Stellung zwei Tage zu spät eingenommen hat.

Jtalien.

Die Deputiertenkammer hat gestern ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Der Ministerpräsident S alandra gab unter gespannter Aufmerksamkeit des Hauses laut Bericht des „W. T. B.“ folgende Erklärungen! über die Politik der Regierung ab:

Dem Ministerium, das fch heute Ihnen vorstellt, ist sein Arbeits- programm unmittelbar durch die Notwendigkeit auferlegt, weil es in diesem fkrittsGen Augenblick der Geschichte die Geschicke des Landes zu lenken hat. Während die durch wiederholte Beweise Jhres Ver- trauens gestärkte Negierung daran gina, nüßlihe Verwaltungs-, Steuer- und Sozialreformen vorzubereiten, brach olme irgend etne Tetlnahme oder ein Gtnverständnts von un}erer Seite plößlich und fehr {nell der Konflikt aus, den wir zum Schuße des Friedens und der Zivilifation vergeblich zu beschwören trahteten. Die Regierung mußte erwägen, ob die Vertragsbestimmungen uns zur Teilnahme zwangen. Aber die gewissenhafteste Prüfung des Buchstabens und Geistes der bestehenden Vereinbarungen und die Kenntnis der Ursprünge und des augenscheinliwen Endzwecks des Kouflikts brachten uns zu der loyalen und sicheren Ueberzeugung, daß wir nit verpflihtet waren, an ihm teillzunebmen. Da wir dergestalt jeder anderen Erwägung enthoben waren, so emvyfabl uns eine unbefangene und freie Beurctetlung dessen, was die Wahrung der italientschen Interessen erforderte, unver- züglih unsere Neutralität zu erklären. Dieser Entschluß war ein solcher, taß man sih auf leiden!hafiliche Erörterungen und verschiedenartige Beurteilungen gefaßt machen mußte. Aber später begann allmählich in Jtalien und außerhalb die feste und allgemeine Ueberzeugung vorzuherrschen, daß wir unjer Neht ausübten und in richtiger Weise beurtetlten, was am besten den Interessen der Nation entsprach. Indessen genügte die frei proklamierte und loyal beob- achtete Neutralität niht, um uns gegen die Folgen der ungeheuren Umwälzung zu s{chütßen, die jeden Tag größer wird und deren Ende von ntiemandem abgesehen werden fann. In den Lndern und Meeren des alten Erdteils, dessen politishe Gestaltung vielleicht im Begriffe ist, sich zu ändern, besitzt Italien vitale Interessen, die es zu hüten, und gerehte Ansprüche, die es zu bekräftigen hat. Es muß seine Stellung als Großmacÿt behaupten und fie nicht nur. unversehrt erhalten, sondern auch so, daß sie nicht dur die möglihen Vergrößerungen anderer Staaten relativ gemindert werde. Daher mußte und wird notwendigerweise unsere Neutralität keine untälige und Uäfige, sondern eine tätige und wach\)ame sein, nicht eine ohnmächtige, fondern eine stark gewappnete, die jeder Möglichkeit gewach)en ist. (Die ge)amte Kammer erhebt sich und bringt dem Ministerpräsidenten eine lebhafte Huldigung dar). Demgemäß war und ist die höchste Sorge der Negierung vollständige Vorbereitung von Armee und Marine. Um fe durchzuführen, ist sie nicht davor zurückgescheut, die schwere Verantwortlichkeit für weitere Ausgaben und sür eine ge- wisse Abänderung der militärischen Organisation zu übernehmen. Die Erfahrung aus der Geschihte und noch mehr aus den gegenwärtigen Ereignissen muß uns überzeugen, daß, wenn die Herrschaft des Nechts aufhört, die Kraft allein die Bürgschaft {ür das Wohlergehen eines Volkes bletbt, tie organisierte und mit allen kostspieligen und vollendeten technishen Verteidigungêmitteln ausgerüstete menschliche Kraft. Wenn auch Italien nit das Ziel hat, irgend jemanden mtt Gewalt zu unterdrücken, muß es sih doch so gut wie möglih und mit der größten Stärke organisieren und rüsten, damit es nit früher oder spater selbst unterdrückt werde.

Zu dieser unserer ersten Pflicht gesellt sich die weitere nit un- wichtige, die Wirkungen der Krisis zu mildern, die infolge der vielver!chlungenen Einheit des tnternationalen Handels und der Welt- wirtschaft ganze ÎIndufirien lähmte, Handel8unternehmungen um- stürzte und tausende unentbehrliche Arbeiter, früher als in anderen Jahren, în das Vaterland zurüdckehren ließ. Auch zu diesem Zwelke waren außergewöhnliche Maßnahmen notwendig, zeitweilige Ab- weihungen von dem Gemeinen Necht, Beschleunigung öffentlicher Arbeiten und weitgehende Verfügung über unsere Geldmittel. Die Negterung beantraat die alsbaldige Genehmigung aller dieser Maßregeln. Inzwischen können wir mit Genugtuung fest- stellen, daß der allgemetne wirtschaftlihe Zustand unseres

Landes sih schrittweise gebessert hat, daß Arbeit und Kredtt auf

dem Wege sind, zu normaler Funktion zurückzukehren und daß das Vertrauen des Publikums sich wieder einstelt. Aber man würde sich gefährlih täuschen, ivenn man glaubte, daß weitere außerordent- lihe Vèaßregeln unnôötig seten. Die Pegierung weiß wohl, daß alles angewandt werden muß, um dem Lande genügende Borrâte der wichtigsten Nohstoffe zu sihern; ihr Eingreifen wird nicht aut si warte lassen, wo und wann die private Tätigkeit zu diejem Zweck nicht ausreicht. ;

Auch der innere Friede muß um jeden Preis gesichert werden ; die Negierung is aber weit entfernt, zu alauben, daß unser Völk thn stören könnte. Es begreift, daß das Vaterland jeßt die Eintracht aller, die zu jedem Opfer bereit sind, für sein Wohlergehen und seine Größe braucht. Vertagen wir den politishen und wirtschaftlichen Streit, den Streit zwtschen Parteien, Ständen und Bevölkerungs- klassen auf sväter! Heute muß.sich in Wort und Tat das Gemein- gefühl aller Italiener fe'erlich bekunden. Das erste und erhabenste Beispiel diescs nationalen Geweingefühls werden sicher die bevor- slehenden Beratungen der obersten repräsentativen Körperschaften geben. Die Negterung, die heute ein Urteil oder Bestrebungen vom Parteistandpunkte aus für eine Verleßung threr heiligsten Pflichten halten würde, ruft die ganze Volkévertretung zu patriotischer Mitarbeit auf. Nur vom Parlamente empfängt fie die Kraft, die sie braucht, um - ihre |chwierige Aufgabe zu erfüllen. Die Stunde verlangt eine starke und fihere Regierung. Wenn Ihre Stimme uns Stärk2 und Sicherheit gibt, können wir die {were Last unserer Verantwortlichkeit 1ragen und unsere emfige und un- aufhörlihe Arbeit fortseßen, der wir die ganze Kraft unseres Geistes widmen, um die augenblicklidßen Interessen unseres Vaterlandes wirksam zu vertecidigen und forgsam über der künftigen Bestimmung Italiens in der Welt zu wachen. (Die ganze Kammer erhebt sich zu einer stürmischen Kundgebung.)

Hierauf begab sih das Ministerium in den Senat, um dort dieselben Erklärungen abzugeben, wie in der Kammer.

Die Radikale Gruppe der Kammer trat am Nach- mittag zusammen und beschloß einstimmig, die Regierungs- erklärungen zu billigen. Die Gruppe der Demokratischen Linken, die ebenfalls am Nachmittag zusammentrat, nahm eine Tagesordnung on, worin sie die patriotischen Erklärungen der Negierung zustimmend zur Kenntnis nimmt.

Niederlande.

Jn dem Jnternierungslager in Amsterdam wurde dem „Handelsblad“ zufolge gestern von Belgiern Wider- stand geleistet, worauf die niederländishen Bewachungs- truppen Feuer gaben. Fünf Belgier wurden getötet und sechs verwundet. Bereits vorgestern abend war ein gewi)er Widerstand unter den Jnternierten bemerkbar geworden. Die elektrische Leitung hatte man durhschnitten. Es wurde sofort Polizei aus Zeist requiriert, und gestern früh wurden Truppen zur Verstärkung aus Utrecht herangeholt. Es ijt noch nicht vollständig gelungen, den Widerstand der Belgier zu brechen. Nach einer anderen Meldung aus dem Haag sind bei dem Vorfall sechs belgische Soldaten geiötet und neun verwundet

worden. Schweiz.

Bei der Besprechung der Verleyung der Neutralität der Schweiz durch englische Fliegeroffiziere wird in einem Teil der schweizerischen Presse ein von süddeutshen Blättern gemeldeter angeblicher Neutralitätsbruch, begangen durch den britishen Gesandten in Bern, Grant Duff, erörtert. Wie die „Schweizerische Depeschenagentur“ mitteilt, ist es richtig, daß Anfang November der englische Gesandte eine Automobil- fahrt in der schweizerischen Rhein- und Bodenseegegend unternommen und sich in Romanshorn aufgehalten hat, wo er mit Erlaubnis des dortigen katholishen Pfarrers den Kirchturm bestieg. Es ist festgestellt: Erstens, day „am be- treffenden Tage nebliges Wetter herrschte und Friedrihshafen und das deutshe Bodenseeufer wenigstens mit bloßem Auge nicht sihtbar waren; zweitens, daß feiner der dret an dem späteren Fluge beteiligten Flieger den Gesandten begleitet hat. Es ist ferner zu bemerken, daß der englishe Gesandte zur Er- langung des nötigen Passierscheines dem Armeestabe 1m voraus genaue Angaben über den von ihm zu befolgenden Weg ge- macht hat. Anspielungen auf eine vom Bundesrate beantragte oder zu beantragende Abberufung des Gesandten enlbeyren ebenfalls der Begründung.

Türkei.

Auf Beschluß des Ministerrats ist die Ausfuhr von Mehl, Brotgetreide, Reis, Butter, Zwiebeln, Oliven, Oel, Hafer, lebenden Tieren, Petroleum, Benzin und zahlreichen anderen Lebensmitteln sowie von Drogen und Metallen verboten werden.

Serbien. :

Die Lage ist ernst. Die Oesterreicher haben der „Times zufolge jeßt in Serbien eine halbe ' Million Soldaten. Vie serbische Armee hat sehr große Verluste erlitten; mehrere Regimenter haben nur noch acht Offiziere statt 75. Die einzige Hoffnung sei die Hilfe Nußlands.

Amerika.

Das amerikanishe Staatsdepartement hat dem „New York Herald“ zufolge einen allgemeinen Protest bei der englischen Regierung gegen die Jnanspruchnahme des Rechts erhoben, amerikanische Ladungen zu beschlagnahmen, die aus bedingter Konterbande bestehen, für neutrale Häfen be- stimmt und an bestimmte Personen konsigniert sind. 0

Die Entwicklung der Dinge in Mexiko wird in Washington, wie die „Times“ meldet, mit Besorgnis verfolgt. Zapata beherrscht die Hauptstadt, Carranza ist in Veracruz und Villa irgendwo nördlich der Stadt Mexiko. Es scheint mindestens drei revolutionäre Präsidenten zu geben. Die Presse unterzieht die mexikanishe Politik des Präsidenten Wilson, besonders die Zurückziehung der Truppen aus Veracruz, einer \charfen Kritik.

Afrika.

Am 27. November haben nach einer Meldung des „Nouvelliste“ aus Tanger französishe Truppen in der Nähe von Taza die aufständishen Marokkanerstämme geschlagen, die unter Hinterlassung beträchtlicher Beute und einer Anzahl von Toten und Verwundeten in die Berge fliehen mußten. Dié französischen Truppen hatten 20 TDote und 25 Ver- wundete.

Einer amtlichen vom „Reuterschen Bureau“ verbreiteten Meldung zufolge sind australishe und neuseeländische Truppen in Aegypten eingetroffen, wo sie an der Landes- verteidigung teilnehmen und ihre Ausbildung vollenden föllen. Sie werden später nah Europa an die Front gesandt werden.

Amtlich wird aus Prätoria gemeldet, daß Dewet gefangen genommen worden sei. Dem „Reutexschen Bureau“ zufolge berichtet der Kommandant Brits, daß

er Dewet am 1. Dezember auf der Farm Waterburg,

100 Meilen östlich von Mafeking, gefangen genommen habe. B ibe der in der Nacht des 21. November den Vaal-Fluß überschritten und Transvaal betreten hatte, wurde von dem Kommandanten Dutoit im Automobil verfolgt, entfam aber mit vier Anhängern und traf ein kteines Kommando, das sich im geheimen im Bezirk Schweizerrencke gebildet hatte und hauptsählih aus Buren bestand, die aus dem westlichen Freistaat geflüchtet waren. Dewet- rückte mit dieser Truppe so nell in westlicher Richtung vor, daß die Bemühungén der Regierungstruppen, ihn zu umzingeln, er- gebnislos blieben. Eine Reihe Thiberer Gewitter begünstigte Dewet, da es unmöglich war, auf den {lehten Wegen Auto- mobile zu benußen. Er übershritt am 2%. November die Eisenbahnlinien nördlich von Devondale. Der Kommandant Brits begann die Verfolgung von Vrijburg aus und nahm am 27. November einen Teil des Kommandos Dewets unter dem Unterkommandanten Wolmarans gefangen. Dewet hatte Tags zuvor diese Abteilung verlassen und war weiter westlih gezogen. Die Verfolgung wurde ununterbrochen fortgeseßt, und am 1. De- zember holte Brits Dewet auf der Farm Waterburg ein. Die Buren, 52 Mann stark, ergaben si, da sie umzingelt waren, ohne einen Schuß abzufeuern. Die Gesamtzahl der von Brits (Gefangenen beträgt ungefähr 120, einshließlich des Komman- danten“ Oost und 5 Feldkornetts. Die Verfolgung Dewets von Vrijburg aus geshah mit Hilfe des Automobilkontingents von Witwatersrand unter dem Obersten Jordaans.

Eine Abteilung Buren hat sich in den Bergen des Magaliesgebirges festgeseßt. Der Distrikt Krugersdorp sendet Abteilungen aus, um Pferde und Gewehre auf den Farmen zu requirieren.

Kriegsnahhrithten.

Westlicher Kriegs\chauplat.

_ Großes Hauptquartier, 4. Dezember, Vormittags (W. L. B.) Auf dem westlichen Kriegsschauplaßz Ee französische Angriffe gegen unsere Truppen in Flandern wiederholt abgewiesen, ebenso in der Ge gend nord- westlich Altkirch, wo die Franzosen bedeutende Ver- luste hatten. Oberste Heeresleitung.

Oestlicher Kriegs\chauplaßt.

Großes Hauptquartier, 3. Dezember. (W. T. B.) Seine Majestät der Kaiser besuchte heute Teile der in der Gegend von Czenstohau kämpfenden österreihish-ungarischen und deutschen Truppen. Oberste Heeresleitung.

Großes Hauptquartier, 4. Dezember, Vormittags. (W. L. B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplaßz sind feind: lihe Angriffe östlih der Masurischen Seenplatte unter großen Verlusten für die Russen abgeschlagen. Unsere Offensive in Polen nimmt normalen Verlauf.

Oberste Heeresleitung.

mdthér U 3. Dezember. (W. T D) Amtlich wird ge-

et: Unsere Lage auf dem nordöstlihen Kriegs\chauplatz

hat si gestern nit geändert. cen KriegssMauplag Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes :

von Hoefer, Generalmajor.

Südlicher Kriegsschauplat. Wien, 3. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird ge-

meldet: Siegreichhes Vordringen unserer Truppen über die Kolubara hat den Gegner gezwungen, Belgrad, dessen Ver- teidigungsanlagen gegen Norden gerichtet waren, kampflos preiszugeben, um nicht die dortige Besaßung der (Gefangen- nahme auszuliefern. Unsere Truppen sind über die Save und aus südwestlicher Richtung in Belgrad eingedrungen und haben die Höhen südli der Stadt besegt. Die öffentlichen Gebäude, auch die Gesandtschaftspalais Deutschlands und Oesterreich- Ungarns, wurden sofort militärish gesichert. An den übrigen Teilen der Gefechtsfront kam es gestern, da der Feind im Nückzuge und die eigenen Kolonnen auf den grundlosen Wegen nur langsam vorwärts kommen, nur zu kleineren Kämpfen mit feindlichen Nachhuten, von denen etwa zweihundert Mann ge- fangen wurden. |

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 4. Dezember. (W. T. B.) Der amtliche Bericht des Generalstabs teilt mit, daß die türkischen D"kuppen einen großen Erfolg in der Zone des C Tschorokh davongetragen haben. Einzelheiten

gen.

Kolonialer Kriegs\chauplaßg.

z Tokio, 9. Dezember. (Meldung des „Neuterschen Bureaus“.) Das Hauptquartier meldet, daß bei der Einnahme von T\ingtau zweitausendfünfhundert Gewehre, hundert Maschinengewehre, zwölfhundert Pfund Sterling Geld, fünfzehntausend Tonnen Steinkohlen und vierzig Automobile erbeutet worden sind. Alle Schiffe sind vernichtet worden. Die Vorräte hätten ausgereicht, fünftausend Mann drei Monate zu ernähren.

Statistik und Volkswirtschaft.

Von der Fleischnahrung. Der Verbrau an Flei ist in Deutschland in den leßten bundert Raben ganz DA ordentliß gewasen. Auf den Kopf der Bevölkerung kamen nach amtlihen Feststelungen im Jahre 1816 nur 27 Pfund Sleish, 1840 waren es schon 43 Pfund, 1873 hereits 99 Pfund, 1892 65 Pfund, 1900 92 Pfund uad 1912 sogar 104 Pfund, fast viermal soviel als im Jahre 1816 und doppelt - fovtel als noch vor 40 Jahren. In keinem andern Lande Europas ift der Fleish- verbrauch auf den Kopf der Bevölkerung glei, in den meisten au nicht annähernd fo groß. In Italien ‘entfallen nur 21 Pfund Fleis auf den Kopf der Bevölkerung, in Rußland 43, in Oesterreih-ÜUngarn 98, tn Belgten und Holland 68, in Frankceih 67, und selbst in Eng- land erreicht der Fleishverbrauh auf den Kopf nur 95 Pfund. Der Oygieniker und Physiologe Geheimrat NRubner erblickt einen Grund für den stark gewachsencn Fleishgenuß in Deutschland in der Aus- dehnung ver sogenannten falten Küche, In der allgemeinen Gewohn-

heit, belegte Brote zu essen. Das dürfte aber nit eigentlich der Grund, fondern die Erscheinungstorm der Tatsache selbst sein. Will man die Tatsache würdigen, so darf man Deutschland allerdings nicht mit einem Land wie Italien veraleihen, das ein ganz anderes, mildes Klima hat. Unser fälteres Klima erfordert etne fonzentrtertere Nahrung, die in einem geringeren Quantum eine größere Veenge von Kalorten (Wärmeetnheiten) zu entwickeln vermag, und in dieser Bezichung verdtenen Fleisch und Fett den Vorzug vor Gemüse und Obst. Aber keineswegs ist unser Klima kälter als das Englands, dessen Bevölkerung doch auch von der unseren im Sleishkon)um übertroffen wird. Fleis ist eben nit aur ein gutes und notwendiges Nahrungsmittel, sondern in mancher Hinsich: kann es avch als ein reines Genußmittel bezeichnet werden, und insofern dürfte eine allgemeinere Ausdehnung des Fleischverbrauchs auf cine gestiegene Wob!habenheit hindeuten. Es fragt sich aber, ob gerade der fo starke Fleishgenuß eine vernünftige Anwendung des gestiegenen Wohlstandes ist. Das ‘dürjte allgemein ganz kaum zuzugeben sein. Eine Form, in der in Deutsch1and der Fleishgenuß überaus verbreitet ist, ist die Wurst, und gerade in dieser Form ist das Fleisch ganz besonders teuer. Deutschland ist das Wurftland par excellence, in keinem andern Lande der Welt findet man die gute deutshe Wurst, und unsere Truppen in feindlichen Ländern leiden darunter, daß fie diesen gewohnten Genuß entbehren müssen. In Oesterreich wird zwar auch Wurst verfertigt, aber nicht annähernd in dem Maße wte in Deutschland. In rankrei, Belgien, England ist die Wurst zwar nicht ganz unbekannt, aver doch bei weitem nit so verbreitet wie bei uns. Nun wäre es töricht, gegen eine Volks\itte bei der Ctnährung ankämpfen zu wollen, die fi seit langem eingebürgert bat. Er- nähcungêgewohnheiten lossen fch nicht durch Gifern umändern oder gar abschaffen, nur sehr allmählich können unter der Einwirkurg der allerverschiedensten Umstände Aenderungen eintreten. Deshalb ist mit einer Verminderung des Wur: verbrauhs zunäst nicht zu rechnen, wofern nicht etwa die Wurst so teuer wird, daß nur noch Wohlhabende ihren Genuß si leisten können ein keineswegs er- wüns{ter Zustand, der un}|ern entwicktelten Wurstwarenhandel \{chwer fhädigen müßte. Noch eln anderer Grund ist vielleißt wirksam für die Zunahme des Fleishverbrau&s in Deutsch- land. Fleis läßt sh mit verhältnismäßig geringer Mühe und wenigen Kenntnissen in der Kohkunst in recht verschiedenen For- men zubereiten. Auch die Gefahr, das Fleisch bei der Zubereitung zu verderben, ist klein. Aus anderen Nahrungsmittteln auch nux annähernd so ge\chmadckvolle und abwechs1ungs- reiche Speisen zu bereiten erfordert bei weitem größere Kenntnis und Sorgfalt. Dieser Umstand mag es, zumal bet der zunehmenden Beschäftigung der Frauen im Erwerbslében, mitverichulbdet haben, daß die Fleishnahrung in den leyten Jahrzehnten jo außerordentli geitiegen ist. Hier könnte etne Aenderung nur dur eine ganz metbodisch betriebene Belehrung der Mädchen und späteren Haus- frauen herbeigeführt werden, aber natürli nicht von heute auf morgen, sondern die Aenderung könnte sih nur lang}\am im Laufe der Zeit vollziehen.

Kunst und Wissenschaft.

__ ‘A. F. In der Novemberversammlung der „Brandenburgia“", Gesellschaft [Ur Hetmatkunde, spra nach Erk!edtgung des Geschäftlihen und nah interessanten wissenschaftlichen Mittetlungen durch den Vorsitzenden, Geheimrat Friedel zue: Fräulein Elisabeth Lemke über „Die Eule in Natur- und Volkskunde*. Da die Cule, so leitete die Rednerin ihren Vortrag ein, fi gerade zur Nachtzeit keine Ruhe gönnt, sondern aufmerksam und fleißig thren Auf- gaben nahgeht, ift sie bekanntlich seit lange ein Sinnbtld unermüdlichen Fleißes, der ih vor dem Opfer der nälhtlitzen Nuhe nicht scheut. Die Alten sollen. in der Gule den Austruck des Ernstes und. tiefen Denkens gefunden haben. Be'onders den „gelehrten“ Männern ward sie zugeteilt. Aber au eine in Charlottenburg bestetende Lehranstalt ut Buchführung, Amtssachen usw. fügt thren in Zeitungen er- scheinenden Anzeigen das Bild etner \tautlichen Eule hinzu ; es ist klar, fie ehrt damit dte fleißige Arbeit, worauf immer diese gerichtet ist. Nach Friedreth deutet die Cule als Vogel der Minerva nicht auf Klug- beit und Weisheit, sondern auf das Zerstörende im Kriege, wie denn auch (auf einer Münze der Bruttierc) der . Rriegsgott Ares als Begleittier eine Eule hat. Von den dur verschiedene Forscher in verschiedene Gruppen geordneten Eulen wurden von der Vor tragenden näher beschrieben der Uhu, die Wald- und die Sumpf- Dhreule, der Waldkauz, der Schleierkauz (oder Schleiereule) und der mehr unter dem Namen „Käuzcwhen“ befannte Steinkauz. Alle Gulen sind hervorragende Müäusevertilger. Man muß sie aus diesem Grunde zu den alleraüßlihsten Vögeln zählen. Es ist behauptet worden, daß ein für eine Jungen forgendes EŒulen- paar mehr Mäuse vertilgt, als 10 Kaßen zusammen vertilgen Tönnen. Vas sogenannte Gewölle liefert den besten Beweis dafür, “wenngleich in thm auch zarte Bogelknochen anzutre#en sind. Der Ubu kommt ia Deutschland sret lebend nur noch in abgelegenen Bezirken vor. Obgleich er dem Wildstand bösen Schaden zutügt, shont man ihn doch seiner Seltenhcit wegen. Der Bolfksaberglaube hat die Eulen, deren meist schauerliher Nuf durh nächtlihes Dunkel ncch un- hetmliher whift, sicherlih aus diesem Grunde zur Mythenbildung über den wilden Jägec herangezogen und berubigt sich noch heute nit, den ebenso lihtsheuen, wie auf ein (etwa tm Kranken- zimmer) zur Nachtzeit brennendes Licht zufliegenden Eulen ,Todes- meldung“ anzudichten. „Komm mit, Komm mit in's kühle Grab“ ruft das Käuzchen. Dem unbefangenen Naturfreund aber bedeutet der CGulenruf etwas, was er in dem großen, ehrwürdigen Stimmüngs- bilde der Natur nit missen möchte. Leider ergeht ih der Aber- glaube auch in Graufamkeiten gegen die Eulen. Mit dem Wunsche, daß dies aufhörea möge, mit Müiteilungen üver volkstümliche Redensarten und mit Hinweis auf den Schelm Till Eulenspiegel \chloß der betfällig aufgenommene Vortrag.

A1s Zweiter sprach Dr. E. Bahrfeldt über den „Hacksilber- fund von Sonnenburg“, der sih den merkwürdig häufig in der Mark Brandenburg geglückten ähnlichen Funden würdig anretht und aufs neue Anlaß gibt, der Frage eingehendste Untersuchung zu widmen, wie es kommen mag, daß Funde folcher be- sonderen Art gerade hier und noch in feinem einzigen Falle westlih der Elbe gemacht sind und verhältnismäßig bier so häufig vorkommen. Denn es darf an folgende Fundorte im Gebiet unserer Oder und deren Nebenflüsse erinnert werden: Niederlandin bei Schwedt, Leissower Mühle bet Frankfurt a. O., Küstrin, Soldin, Güstrow bei Prènzlau usw. Bleibt an Umfang und Wert au der neueste Fund aus Priebrow bet Sonnenburg hinter anderen, j: 55, dem überaus reichen Ilmensee-Funde auf russishem Boden, weit zurü, wo si in einem Kefel niht weniger ais 200 Pfund Silber fanden, fo darf doch auch die Zusammen)ehung des jüngsten Fundes der Art als recht beahtenswert gelten. Er bestand aus folgendem: 465 g Schmelzkuchen und Gußstüke, 745 g zerbrohener Shmuck, 645 ck Münzenbruch uud 734 g ganze Münzen, zusammen also 2589 g oder reihlich 5 Pfund Silber. Leider wurde ein für die Untersuhung wichtiges Stü, nämlich der den Silberinhalt bergende Topf, zertrümmert, und es konnten fpâäter sogar seine Scherben nicht mehr zusammengesuht werden. Bedauerliherweise ist dieser Verlust niht, wie es ja ebr leiht und entshu!dbar geschieht, beim Ausheben des Fundes aus der Erde eingetreten, fondern vom Uebcreifer und von Unkenntnis etner obrigfeillihen Perfon vershu!det, der ein „alter Top}“ nit mehr wert zu sein schien, als bei der behördlihen Beschlagnahme des Schaßes. beiseite geworfen zu werden. Wie diete Stlber« funde in die Erde gekommen, wie es sich erklärt, daß sie dort ver- blieben und niht von den Menschen, die sie bier geborgen, wieder gehoben wurden, darüber gibt es nur Vermutungen, aber wahrschein- lih richtige Vermutungen. Das „Hacksilber“ ersegte wahrscheinlich in einer Zeit, da es im Norden unseres Erdteils noch keine Münzen gab, diese unerläßlihen Umlaufsmittel im Handel und Wandel und wurde in größeren oder kleineren Mengen auf weite Entfernungen als Zahlmtitel auf Netsen mitgeführt. Da mochte es vorkommen,

baß die Handelsleule aus Besorgnis vorx trgend einem drohenden

räubertschen Ueberfall thr Silber vergruben, um seiner nicht beraubt zu werden natürlich in der Absicht. es nah Abwendung der Gefahren wieder au8zugraben und mtitzunehmen. Fanden sie nun aber Tod oder Gefangenschaft bei feindlihen Angriffen folher Art oder hatten sie den Ort der Vergrabung ficÿ nit genügend eingeprägt, fo blieb der Schatz ungehoben, um nach vielen hundert Jahren uns die Wege zu kennzeihnen, auf denen sich der Handel jener Tage bewegte. Doch ist dies nur der bei weitem fleinste Teil des Gewinns, den die Forschung aus sol&en Funden zu ziehen vermag, deren Metallwert ja, im Grunde genommen, verhältniemäßig gering ist gegenüber dem, was uns unter Umständen der zerbrohene Schmuck, der Yiünzenbruch und die Münzen aus entfernten Läntern zu erzählen wissen.

Was diese Seite der Funde ins Auge gefaßt, verbliebe,

ist in Wohrbeit nah verschiedenen Richtungen ‘recht wertvoll und wichtig. Namentlich bringt es manche interessanten Au!shlüsse über die Zeiten, in denen von solchen Zahiungsmitteln Gebrauch gemacht wurde, über ihre Herkunit, ja zuweilen über die an dem Handel, dem sie dienten, beteiltgten Menschen und noch über viele andere Dinge, wenn man nur recht zu schen wetß. Zunächst ist das Aufhören des Brauches dadurch besiimmt, taß die Einführung der Münzprägung in den nordischen Ländern ihm ein Ziel segzte. Da in unserer Mark Branden- burg die Münzprägung erst im 2. Vier'el des 12. Fahrhunderts be- gann, bezeichnet eiwa längstens das Fahr 1150 das leute Ende des Handel 8h -rfehrs mittels Hacisilbers in unserer Gegend. Das kurz vor dieser Zeit benußte Umlaufgeld waren me! vom Westen einge!ührte silberne Pfennige, Denare, allermeist deutscher Herkunft, wie denn überhaupt der Mark Brandenburg die Kultur ja vom Westen ge- kommen ift, meist über. Magdeburg. Offenbar hatte {on lange vor der Zeit, da man sich des Hacksilbers bediente, die älteste Form des friedlihen Handels in Deutschland und seinen nördlichen Nachbarländern, der Tauschhandel, aufgehört : jene Form des Handeis, bei der zwei Tau‘chende von verschiedener Bedürftigkeit und im Besitz verschiedener Tauschmittel vorhanden sind, jeder von thnen zur Be- friedigung seiner Bedürfnisse die Mittel des anderen geeignet findet und man sich s{ließlich über den Wert der beiderseitigen Mittel einigt. Wertmesser für diesen Taushverkehr waren allgemein gesprochen, nicht ledig'ih auf unsere Heimatyrovinz bezogen Muscheln, Perlen, Shmuck, Früchte, geiröaänete Fische, gepreßter. Tee, Salz, Hâute, Felle, Pelze, Leinwand, Tücher, Vieh, Erz u. a. Man sprach deshalb von Bteh- oder Kuhgeld (daher die lateinische Ableitung pecunia = Geld von pecus = Rind), von Seuggeld, Fellgeld und dergl. Diese ursprüngliche Art des Geldes entfiel bei fortshreitender Kultur und wih der Crkenntnis, daß die prafktishsten Wert- messer die Metalle seien; doch nicht soglelch wurde der ori! schritt zum Gelde, zur Münze gemaht, sondern man wählte die &orm von Schmuck-, Prunk- und Gebrauch3gegenständen. Besonders beliebt war das Ringgold: offene Ringe, \ogenannte „Baugen“", die man an Händen und Füßen und um den Hals trug. Sie waren aus Erz, Stlber oder Gold. Größere Zahlungen vermochte: man durhch das Abstreifen eines oder mehrerer Ringe zu leisten, kleinere Ausgleihungen erfoigten mittels Ringbruchstücke. Bauge- oder Yingbrecher ist der dichterishe Ehrenname nordticher Könige (z. B. in der Frithjofsage), die sih freigebig gegen ihre Getreuen bezeigten. Ein bestimmtes Gewichtsverhäitnis zu einander bestand bet diesen Ringen wohl nicht, wenigstens im Anfang niht; aber recht bald wird die Zahlung nach Gewicht Eingang aefunden haben, worauf sih dann die weitere Zerstückelung der Meetallteile verschiedenen Ursprungs von felbst ergab. Daher stammt also die Bezeichnung solher zerkleinerter Silbermengen, die man fch zuwog, als „Hacksilber“ und zugleih seine, wie oben an dem Sonnenburger Funde gezeigt wurde, fo vielseitige Zusammensetzung. Die zerkleinerten Schmuckstücke, aud die Gußstücke, sind ganz willkürlich zer- fleinert. Der Muünzenbruch is westdeutsher, nordisher und arabischer Herkunft, manchmal untermisht mit solchem von recht entlegener Abstammung. Beispielsweise finden sich dabei auch altrôömishe Münzen aus der Katserzeit; römische Denare sind mit 15 Dugend vertreten. Die unbeshädigten Münzen in dem Hacfsilber« funde find gleichen Ur'prunas wie die zerbroenen, tragen aber nicht den Charaftter als Geldstücke, sondern waren bestimmt, als zuzu- wiegendes Hacksilber verwendet, verarbeitet oder zu Gußstücken ein- ges{molzen zu werden. Diese flahen Gußkuchen verschiedenen Ums- fanges, von denen je nah Bedarf mit Meißel oder Beil Stücke lo3- getrennt wurden, ergáben das jeweilig e:forderlihe Kleingeld im Verkehr. Der in allen Hacksilbe1 funden in Brucbstücken vorkommende Schmuck seßt fih zusammen aus Teilen kunstvoll gearbeiteter Arm- und Hals- ringe, au versehen mit Schließplatten und in Haken oder Vesen endigend, ferner aus Kopft- und Ohrsmuck. Gürtel- und Gewand- schließen, Spangen, Fingerringen, getriebenen Shmudckstücken, selbst Fili- grana' beiten, Perlen, Klunkern, Nadeln, reizenden kleinen Silberarbeiten u. dergl. mehr. Al glücklicher Umstand ist es zu betrachten, wenn man ein- mal in diesem silbernen Müll Kunstgegenstände aus vor vielleicht 1000 Jabre zurüdliegender Zeit in ungebrochenem Zustande findet. Dann bestaunt man in ihnen die ehrwürdigen Zeugen bewunderns- werter Kunstfertigkeit grauer Vorzeit als reiche Quelle künstlerischer und kulturgeshihtliher Anregungen. Zur Er: äuterung, welche Ueber- raschungen bei sorgfältiger Si&tung die Hacsilberfunde bringen, legte der Vortragende aht Tafeln photoarapbi\{er Abbildungen von Fund- stückden vor aus dem im Märkischen Museum aufbewahrten Funde von Leissower Mühle bei Frankfurt a. O.

Alle diefe Fundstücke sind natürli in ganz überwiegendem Maße nit Erzcugnisse der Gegend ihrer Fundstätten, keine Produkte der vor 1150 heidnish wendi\schen Lande. Sie entstammen indessen au keiner âlteren Zeit als dem Ende des 9. bis zum 3. Viertel des 11. Jahr=- hunderts, in dem Sinne nämlich, daß sie in diefer Zeit nach der Mark gekommen sind. Die Schmucksachen sind Erzeugnisse ferner Länder, zu uns nebst den massenhaft vorhandenen altarabishen Münzen gelangt auf den großen Verkehrswegen und Handelsslraßen, die in alten Zeiten den Orient mit dem Norden verbanden, beispielsweise {on zur Beschaffung des kostbaren und beliebten Bernsteins, den es ja nur an der Olifee gab. Schon im 17. Jahrhundert ist man auf das hâufigere Auffinden arabischer Münzen und orientalishen Schmucks bet uns aufmerkj)am geworden. In jener Zeit erfolgte der oben {on gedachte große Fund am Ilmensee. Diese arabishen Münzen führen den Namen Dirbems (wohl abgeleitet von dem griehi!che Worte Dracbme) Untersuchungen baben ergeben, daß sie in den rund 300 Zahren von 700 bis 1010 unserer Zeitrehnung gevrägt wurden. SFhre Auf- schriften nennen auch die Dynastien, von denen die Münzen stammen, und die betr. Münzstätten, unter denen. Bagdad, Samarkand, Taschkent “und Buchara genannt seten. Auch byzantinische Véünzen finden sich, in erhebliG geringerer Zahl als die arabi|chen, aber jünger als diefe, nämliÞh noch in Prägungen bis 1050. Bemerkenswert -ist, daß keiner dieser Funde bis in die Zeit der Kreuzzüge reiht. Das starke Vertretensein arabi\er Münzen und orientalisher Shmuckstücke hängt viel- leiht zu einem Teil mit den kühnen Raub- und Beutezügen der Bewohner Skandinaviens ¿ufammen, die zwischen 800 und 1000 die ganze ztvilisfierte Welt beunrubhigten und Bewegung in den Handel3- verkehr brachten. Wahrscheinlicher ist aber eine andere Erkiärung: Die Träger des internationalen Weltverkebrs im 8. und 9. Sahr- hundert waren hauptsählich die Araber, deren Neigung zu weiten abenteuerlihen Retsen dur die vom *Fslam geforderten Pilgerfahrten nach den heiligen Vrten des Ijlam angeregt worden war. Db Araber damals bis in die Ostseeländer : handeltreibend vorgedrungen, bleibt freilih bis auf weiteres unsicher. Einige Kenntnis bon den allgemeinen Verhältnissen der nordislhen Gebiete fehlte ihnen feineswegs. Der sagenhafte Bericht ihrer Schriftsteller von der großen, durch den Zorn des Himme?!s vernichteten Handelsstadt Vineta Jumne, Julin, das heutige Wollin scheint darauf hinzudeuten, daß sich im 9. und 10. Jahrhundert auch Araber an der Odermündung einfanden. Wie dem auch sei, es gibt kaum eine andere Erklärung für das bedeutende Eindringen arabischer Münzen bis in unfere Gegenden, als die Annahme, daß sie auf dem großen de wege vom Kaspischen Meer aus ihren Eingang in die te Nordens genommen haben. Während die Münzen von j

funden aber, wie gezeigt, über ihr Alter und ihre Heimäk §