1896 / 55 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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dowsky in eingehender Ausführung abgeshnitten worden. Sonst würde dies cin berechtigter Wunsch fein; aber es bleibt jeßt ein frommer Wunsch, wir brauchen uns niht weiter mit ihm zu be- schäftigen. Noch andere Ss von denen, die auch etwas für die Landwirthschaft thun wcellen, wünschen, das jeßige Nothgefey lieber zu einem dauernden zu machen, als sich a Experimente ein- ulassen, die niht nur der Herr Abg. Richter, sondern auch andere eute als géwagt bezeihnen. Da ih eben den Herrn Abg. Nichter erwähnt habe, o möchte ich eine Sache besonders betonen, die er meiner Ansicht nah nicht genügend in den Vordergrund gestellt hat. Ich habe mi bemüht, der Rede desselben aufmerksam zu folgen, aber ich habe nicht den Eindruck gehabt, daß er die ernste Situation, wie sie sch im Juli nächsten Jahres entwickeln wird, wenn nichts geschieht, stark genug hervorgehoben hat. Der Herr Abgeordnete hat immer von den jezigen Verkbältnifsen gesprohen, wie sie im Laufe dieses Jahres noch liegen; er hat aber nicht genügendes Gewicht daraus gelegt, daß im Juli des nächsten Jahres au die jeßige geringe Prämie wegfällt. Dies wollte ih also unterstreichen. Was der Herr Abgeordnete sagte, stimmt ja vielfa auf den Zustand, wie er heut besteht und bis zum Juli n. I. bestehen wird, aber nicht mehr auf denjenigen Zu: stand, wie er eintreten würde, wenn wir gans ohne jeden Prämienshuß der ausländishen Konkurrenz gegenüberstehen. Und nun glaube ih hier nôch einshalten zu müssen, daß die Regierung fich nit nach dem Wunsche einiger Kollegen bereit finden lassen wird, den jetzigen Zustand zu einem dauernden zu gestalten. ielleicht haben wir noch Aussicht, in der Debatte etwas darüber zu ‘hören oder in der Kommission, welcher ja hoffentlih die Sache überwiesen werden wird. Jch darf vielleiht hier noch gleih einige kleine Richtigstellungen über Aeußerungen des Herrn Abg. Richter an- bringen, wenn sie auch verschiedene Kapitel seiner großen Rede be- treffen. Im Anfang derselben, als er noch über die aht Tage Ferien sprah, die dein Reichstag gewährt wurden, sagte er, daß die Kontrakte der Rübenbauer mit den Fabriken doc niht mehr dur dieses Geseß betroffen werden könnten. Da ist doch zu erwähnen, daß mir eine ganze Anzahl Kontrakte bekannt ift, welche die Klausel enthalten, daß entweder 70 oder 89 A pro Zentner gezahlt werden sollen, je nachdem dieses Gese Annahme findet oder nit, und zwar nit uur in der Provinz Sacbsen, fondern “auch in Stlesien. Für diese Kontrahenten ist es doch wichtig, sih je nah den Swickfsal dieser Vorlage mit ihren sonstigen Wirthschaftsmafnohmen einrichten zu können. Ferner hat der Herr Abgeordnete gesagt, die rentablen Preise, die die Zuckerrüben in den leßten Jahren erzielt hätten, wären durch hohe Zölle gesichert. Meine Herren, das ift im vorigen Jahre niht der Fall gewesen, sondern da is gegen 2 Jahre vorher ein Sturz von 11 #, von 28 auf 17, eingetreten, ohne den Bruchtheil. Also was haben die Zölle genügt! Diese Zahlen sprehen doch gegen die Behauptung des Herrn Abg. Richter, Taß die hohen Zölle immer hohe Preise gesichert hätten. Ferner hat der Herr Abg. Richter Süddeutschland mit seinen 20°/o ins Feld führen wollen gegen Norddeutshland. Meine Herren, da möchte - bloß das eine Wort „Branntweinsteuerge|eß“ nennen. glaube, daß da der Süden so entschiedene Vortheile gegen- über dem Norden davongetragen hat, daß es bloß ein Ausgleich der Gerechtigkeit sein würde, wenn hier der Süden, wie wir das mit Befriediaung vom Herrn Grafen von Posadowéky gehört haben, das allgemeine Interesse obenan stellen und nit Sonderpolitik treiben würde. Wenn Herr Richter ferner die Provinzen gegen einander hat auéspielen wollen, so könnte man das Gleiche au bei anderen Produktionszweigen, z. B. der Eisenindustrie thun. Wie viele Provinzen haben Eisen? Das sind nur sehr wenige. Ih will aber in Einzelheiten nicht weiter eingehen: er- wähnen mödhte ih nur noh, daß auf der zweiten Seite der Motive, auf die der Herr Abgeordnete sih bezog, gerade das Gegentheil von dem gesagt ist, was er uns mittheilen wollte in Bezug auf das Steigen der Produktion im Verhältniß zum Konsum, mit einem Wort in Bezug auf die Ueberproduktion. Es ist auf Seite 8 der Vorlage, nachdem die Tabelle über Produktion der leßten fünf Jahre aufgeführt ist, zuerst gefagt, daß dazu noch kämen die im Durchschnitt 30 Millionen Doppelzentner betragende Masse Mohrzucker ; dann fährt der Verfasser der Motive fort: Es ergiebt sih seit 1890 eine dur(schnittlike jährlihe Steigerung der Welt- produktion an Zuer um etwa 4 Millionen Doppelzentner. Erwägt man, daß die durhschnittlihe jährliche Zunahme des dieser Pro- duktion gegenüberstehenden Konsums in dem gleichen Zeitraum nch auf nicht über 25 bis 3 Millionen Doppelzentner siellen wird, so erhält man als natürliche Folge eine ftetige Ver- mehrung des Angebots auf dem Weltmarkt zu immer billigerem Preise. Da muß der Herr Abg. Richter also die leßten Zeilen nicht elesen baben; denn daraus ist leiht durch ein Subtrafitonsexempel festzustellen, daß seit dem Jahr 1890 jedes Jahr 4 Milionen Minus 94 bis 3 Millionen, alîo jedes Jahr durhsnittlich */4 Millionen Doppel-Zentrer mehr produziert worden find, als die steigende Be- vôlferung aufzunehmen im stande war. Meine Herren, das ift als wichtiges Moment festzuhalten für die Frage der Ueberproduktion, denn an diesen fünf Viertel Millionen Zentnern jährlicher Ueberproduktion, die die Vorlage hberausrechnet, ist Deutschland am allerwenigsten be- theiligt. Deutschland if mit 4809/9 an der Produktion ih fage nicht an der Ueberproduftion, sondern an der Gesammtproduktion die ih so enorm gesteigert hat von 1893 auf 1894, betheiligt. Ich verlasse damit die Rede des Abg. Richter und nehme den Faden deë- jenigen, was ih sagen wollte, wieder auf. . Fh hatte die beiden anderen Möglichkeiten, die innerbalb des Hauses erwogen worden sind, erwähnt, die aber als ausgeschlossen zu betrachten sind. Da bleibt eben nur übrig, ih die Frage vorzulegen: was ist praktis erreichbar? Denn ih glaube nit, daß die Mehrzahl des hohen Hauses die deutsche Land- wirtbschaft bei dem traurigen Zustande des Körnerbaues auch noch bei dem Zuckerrübenbau in die Lage bringen will, daf sie vom nächsten Juli ab \{ußlos der ganzen fremden Konkurrenz preisgegeben ist. Wir müssen also auf den Weg der praktischen Erwägungen treten, und da giebt die Vorlage der Regierung die richtige Tendenz an, wenn wir sie au) in allen Einzelheiten nicht billigen können. In der Hauptsache darauf ist auch nit genügend Gewicht gelegt worden von dem Herrn Abg. Richter handelt es sich ja um eine vorüber- gehende Maßregel, ja lediglich um ein Kampfmittel, welhes das iel verfolgt, das wir Alle erstreben, daß sämmtliche Zuckerprämien möglichst bald abgeshaft werden sollen. Meine Herren, ohne ein solches Kampfmittel werden wir das nit erreihen. Vor fünf Jahren sind die verbündeten Regierungen in edelmüthiger Weise vorgegangen und haben gehcfft, man werde ibnen nachfolgen. Dieje Hoffnung hat sih als illusorish erwiesen, und wenn der Herr Abg. Richter jeßt auch sagt: es stände kein Vorbehalt in den damaligen Motiven, fondern ein solher wäre bloß vom Regierungstish uns gemacht worden, dahin gebend, daß man mit dem Reichstage zu erwägen haben würde, was zu gesehen hätte, wenn die anderen Staaten nicht folgten, so meine ih, daß das auf dasfelbe hinausgeht; was ein Vertreter der ver- bündeten Regierungen vom Regierungstische sagt oder was in den Motiven. steht, sollte ein und dieselbe Wirkung haben. Nun ist aber eine Situation eingetreten, in der die Regierung mit Necht auf diesen Borbebalt zurückfommt. Die Vorlage will nur eine vorübergehende Maßregel, font sehen wir vor einem Vakuum. Von verschiedenen Seiten sind uns die Prämien gewährt worden, die andere Staaten zahlen, ob 7 M oder 8 Æ, die für Frankreih genannt sind, richtig find; kommt niht in Betracht. Ih nehme an, daß die Zahl des Herrn Staatssekretärs richtig ist, und daß er in der Lage ist, die Zahl des Herrn Abg. Richter zu kontrolieren, worum der Herr Abgeordnete ja selbst gebeten hat. Nach der Angabe des Herrn Grafen von Posadowsély beläuft sich die französishe Zuckerprämie auf über 8 M, also sechsmal fo viel wie bei uns. Wir wollen ja auh lange niht so boch gehen wie die französishe Prämie, aber das hohe Prämiensystem unserer Nackhbarstaaten bildet für uns eîne BZwangslage ähnlih, wie sie in militärisher Beziehung vor- liegt. Wenn unsere großen Nachbarstaaten plöulih ihre Armeen auf die Hälfte reduzieren würden, so würden wir sofort nachfolgen, wir würden dann viel mebr ersparen, als auf anderen Gebieten erspart

“iveil es aus Cuba nicht genug bekommt.

werden fann. Alle Steuerzahler würden das mit Freude euren. Die Armee ist auch nur ein Kaimpfmittel, um unsere staatliche Selbst- ständigkeit erhalten zu können. So soll diese Vorlage auch nur ein Kampfmittel sein, um die Unabhängigkeit unserer großen Zuckerindustrie zu erhalten. Wenn wir diesen Zweck erreichen, so fällt mit der Prämie auch die Verbrauchsabgabe, denn es ist niht zu glauben, daß irgend eine Regierung die Verbrauhsabgabe in solher Lage beibehalten würde. Man würde ja eine Pn Bestimmung in die Vorlage hineinbringen können. Nun ist diese Ueberproduktion, von der ih vorhin sprach, deshalb bei uns so groß geworden, weil der Körnerbau niht mehr rentiert. Das ist meinerseits die Grundlage der ganzen Frage. Diese hat auch Herr Richter ganz umgangen. Weshalb hat man \sich mit einer Steigerung von 13 auf 18 Millionen auf den Rübenbau geworfen, bis man auch hier mit dem Gesicht an der Wand steht und niht weiter kann? Doch nur, weil {hon im Jahre 1893 der Getreidebau nit rentierte und der Rüben- bau deshalb stieg. Die Herren vom Regierungs haben erklärt, sie Fätten feine Möglichkeit, der Landwirthschaft zu helfen in Bezug auf den Körnerbau, den auch der Herr Abg. Richter mit seinen 14 Millionen Hektaren als bei weitem wichtiger hinstellt, wie den Rübenbau. Ganz gewiß, ih würde als ein Vertreter eines land- wirtbschaftlihen Kreises kein Wort mehr über den Zuder- und NRübenbau sagen, wenn wir in einen Zustand gebraht werden fönnten, bei dem der Körnerbau wieder rentiert. Der ist unendlich viel wichtiger als der Zucker. Aber wenn sozusagen in der Produktions- familie der Körnerbau der älteste Bruder ist, der jeßt sehr {wer krank darniederliegt, sollen wir da den jüngeren Bruder, die Zucker- produktion, vor den Kopf s{lagen, damit er ih ebenso Trank da- neben legt? Wir wollen do lieber helfen, wo wir helfen fönnen. e Graf Posadowsky hat * vorhin auseinandergeseßt, daß mit der eßten Steigerung der Zuckerpreise die Spekulation viel zu thun hat. Ih weiß das nicht. Aber jedenfalls hat Cuba am meisten damit zu thun. Die Wirren auf Cuba währen nun schon feit Jahr und Tag, und wie Herr Richter sagte, handelt es sh um 18 Millionen Zentner, die in diesem Jahre weniger aus Cuba erportiert werden. Das is eine gewaltige Summe auf dem Weltmarkt. Von Hamburger Importeuren sind mir nur 15 Millionen Zentner genannt worden, ih acceptiere aber Herrn Nichter?s Zahl; Thatsache ist, daß Amerika kräftig in Hamburg Zucker kauft, wel Nun kann man aber troß dieser Konstellation niht, wie viele Herren aus den östlichen Pro- vinzen bei ihren sonstigen s{lechten wirthschaftlichen Zuständen es wünschen, sich besonders auf den Rübenbau werfen und damit die Zukunft eskomptieren, als ob es sih niht um eine nur ephemere Er- scheinung, sondern um eine dauernde handelt. Nach ein oder zwei Jahren werden die Wirren auf Cuba beseitigt fein; ein 30 jähriger Krieg wird dort niht geführt werden können. Entweder werden die Spanier ihren leßten Franken hergeben, sei es auch nur ein Papier- franken, oder sie werden geshlagen, und Cuba wird über Jahr und Tag eine unabhängige Republik, wie Haiti; es giebt auh noch andere Möglichkeiten, auf die ih niht eingehen wil, um mich nicht dem BYorwurfe der sogenannten Kaxnegießerei auszuseßen: In ein paar Jahren wird also auf Cuba wieder Ordnung sein, und, wenn dort einjähriges Zuckerrohr eingeführt wird, was sich in Egypten bewährt haben soll, fo wird die Krisis um fo s{hneller überwunden. Eine hohe Steigerung des Nübenbaues bei uns würde dann zu einer Katastrophe führen, und ih glaube, der Herr Staatssekretär hat Recht, daß bann gerade der Often zuerst getroffen werden würde und ncch mehr als die kapital- kräftige Zuckerfabrikation in Zentraldeutshland. Wie den Herren bekannt sein wird, wird vielfah im Osten, wo fih Gelegenheit für Genossen- schaften und größeren Rübenbau bietet, von Maschinenfabriken tie Fabrik einstweilen umsonst gebaut. Das giebt nachher Abschlags- zahlungen, eine erheblihe Belastung, über die Kapitalanlage hinaus, und die Katastrophe muß kommen, wenn wir im Juli 1897 vor ein Vakuum gestellt werden; dem kann nur die Kontingentierung vorbeugen, die allerdings auf 17 Millionen na den Petitionen, die uns vorliegen, bemessen werden mußte; sons würde wegen der Noth- lage des nicht mehr rentierenden Körnerbaus der Rübenbau ins Ungemessene getrieben werden, wie wir das vor zwei Jahren erlebt haben. Ferner ist au ohne Kontingentierung keine Prämienzablung möglih. Herr Graf Posadowsky hat mit Recht gesagt, daß ihm das Geld nit, wie weiland das Manna in der Wüste in den Schooß fiele. Die Frage“ des Exports ist eine hohwichtige. Der Zucker- export steht an vierter Stelle unserer Gesammtausfuhr. Es giebt ‘loß 3 Gegenstände, nämlich Wollenwaaren, Droguen, Chemikalien und Eisenwaaren, die eine höhere Stelle in unserem Export ein- nehmen, dann fommt gleich der Zucker mit 232 Millionen, das ift 7 9/6 unserer Gesammtauëfuhr. Unsere Handelsbilanz ist nicht so be- schaffen, daß man leihtsinnig auf diesen großen Posten verzichten könnte. Soviel ih aus den leßten Monatsheften des Statistischen Amts ersehe, {ließt unsere Handelsbilanz von 1895 mit 42 Milliarden Einfuhr und 34 Milliarden Ausfuhr ab, also mit §00 Millionen Unterbilanz. Wenn der Zuckerexport sich verringerte, so wäre das um so nachtheiliger, als diefer Export der einzige ist, an dem die Landwirthschaft erheblih betheiligt ist. Der mport landwirthshaftliher Erzeugnisse, also fast ausschließlich Ge- treide, figuriert mit 607 Millionen Mark. Hiermit if unsere Land- wirthschaft geshlagen. Dies gilt den wesentlichsten Antheil an unserer Unterbilanz. Den Theil der Rede des Herrn Abgeordneten Nichter wollte ich noch besprehen, in dem er sagte, daß, wenn man den bisherigen Reichsbeitrag zurehnete, eine Mehrbelastung von über 50 Millionen beabsihtigt wäre, bei der die Regierung ein Geschäft von 14—15 Millionen machte. Nun, meine Herren, dies Bedenken können wir dem Herrn Abg. Richter gern dadur benehmen, daß wir vorschlagen, den bisher geleisteten Neidsbeitrag auch weiter zur Verfügung zu stellen. Dann würde nur eine Mehr- belastung von 36 Millionen für die höhere Verbrauchsabgabe in Frage kommen, und auch die nuc abzüglich der Betriebésteuer und der Erhebungs- kosten. Da der Herr Schatzsekretär ja erklärt hat, das Reich wolle keine Geschäfte machen, so fann im Laufe der Kommissionsberathung vielleiht ein derartiger Antrag mit Erfolg gestellt werden. Ent- sheidend ist natürlich die Höbe des Kontingents. In den leßten \echs Jahren betrug unsere Zuckerprodufktion 134 120 123 137 183 143 Millionen Doppelzentner, durch 6 dividiert ergiebt tas rund 14 Millionen als Jahresdurd;schnitt. Diese Summe will die Regierungsvorlage kontingentieren, wir halten sie aber für zu niedrig gegriffen. Wenn Sie nah dem Antrag der Nübenzucker- industriellen das Kontingent auf 17 Millionen bringen könnten, fo würden sämmtliche Kaufrübeninteressenten mit gedeckt sein. Es ist gar nicht denkbar, daß der Durchschnitt ih plöglih so erhöhen sollte, sondern wir würden durch die Vorlage auf einen gesunden Zustand fommen; dann werden die Kaufrübenbauern sih besser stehen, als wenn sie folhe Schwankungen durhmachen, wie sie vom vorigen zum vorvorigen Jahre stattfanden, wie Herr Richter mit Recht er- wähnt hat. Sogar nur 140 Pfennig pro Doppelzentner Rüben haben Herren in meiner Gegend bekommen. Herr Richter hat 150 als Minimum angeführt. Bei dieser Berechnung \ind die Schnitzel hon einbegriffen, 40% Scnigel gleih 10 „. Ich könnte auf Wunsch solhe Kontrakte hier vorlegen. Natürlich wird dabei mit Berlust gearbeitet; hat man aber einmal Rübenkultur, dann ist es \chwer, sie zu ändern; deshalb wird sie im Nothfalle auch ein paar Jahre felbst mit Verlust fortgeseßt, aber lange kann das nie- mand aushalten. In billigen Gegenden kostet die Herstellung des Zentners Rüben 75 S für den Rarsamiten Landwirth. Auf die finanziellen Details, die der Herr Abg. Richter uns mit vielen Zahlen vorgeführt hat, will ich nicht näher eingehen, denn ih habe die Hoffnung, daß die Sache in der Kommission berathen werden wird, und wir können die finanziellen Seiten hier doch nichi fo gegen einander abwägen. Ein wichtiger Punkt, der Erwähnung verdient, ist das Verhältniß der Raffinade zum Rohzucker. Es kann die Prämienzahlung wesentli beeinflussen, wenn die Ausfuhr der Naffinade steigen follte im Verhältniß zum Rohzucker, das jeßt, soviel ich weiß, 409/69 ist. Auch das wird bei Bemessung der Prämien in der Kommisfion zu erwägen sein. Nun komme ih zur Betriebssteuer. In der Beziehung sind auch verschiedene Ansichten

zu unserer Kenntniß gelangt. Die Eingabe der großen Rübenzucker industriellen if für Abschaffung der Betriebsteuer, der landwirthschaft. liche Zentralverein in meiner Heimath, Provinz Sachsen, ift aber für Beibehaltung, und führt in den Motiven aus, was mir tit geschienen bat, daß die Zuckerindustriellen doch ocuch mit 3 bis 4 Millionen beran- gezogen werden follten. Das hat etwas für sih, ich will aber sagen : non liquet, und nur beide Ansichten anführen. Es mögen besser unter- richtete Herren darüber entsheiden. Ueber die Verbrauchsabgabe möchte ih die fehr rihtigen Worte der Motive betonen, welche sagen, es handle sfih nicht sowohl um eine Steigerung, als viel- mehr um die Wiederherstellung altgewohnter Preise. Der Zuer kostete vor 10 bis 15 Jahren etwa 60 Z das Pfund jedenfalls mehr als das Doppelte so viel wie heute. Nun haben wir kon- statiert, daß der Preis des Zuckers in den leßten fünf Jahren fehr erheblich geschwankt hat; 1891 bis 1892 ging er von 24,54 auf 28,93; troßdem hat der Zuckerkonsum erheblich zugenommen, und zwar ist in den legten fünf Jahren der Inlandsverbrauh genau um eine Million Doppelzentner L Wie schnell fich die Konsumenten an die Preise gewöhnen, ist daraus ersihtlih, daß die höchste Stei- gerung in dem Jahre stattfand, in dem die Preise ungefähr konstant waren nah der leßten Steigerung, von 24,54 auf 28,50, um mehr als 300 000 Doppelzentner. Ich führe das nur an, um zu zeigen, daß die geringe Preissteigerung von 4 bis 5 S auf das Pfund, wo der Zuder schon so wohlsel i, in der That feine Abnahme des Konsums berbeiführen kann. Es mag sein, daß die Steigerung sich in geringerer Pro- gression hält; aber dann müssen wir sagen, daß es sih bei der Vor- lage um eine vorübergehende Maßregel handeln soll, die ich in dem Sinne zu erklären bitte, wie ih das mit meinem vorhin ge- stellten militärischen Vergleiche andeutete. Es giebt, wenn au vorauszusehen war, daß diese Verbrauchsabgabe am meisten an- gegriffen werde, im Rahmen der Vorlage do kein anderes Mittel, um einen Prämienfonds zu shaffen. Ich betone dabei wiederholt : es handelt ih um ein Genußmittel, dessen vermehrten Verbrauch wir wünschen, aber nit um ein unentbehrlides Lebenémittel. Andererseits müssen wir aber, wenn wir diese Verbrauchsabgabe als ein bedauerliches Kompelle zur Erreihung der Vorlage betrachten, bedenken, daß ein wefentli@er Theil unseres nationalen Wohlstandes, ein großer Bruchtheil des Exports und viele Millionen Existenz an der Zuckerindustrie betheiligt sind, welbe ihr Vermögen dort investiert haben oder welche dur ihrer Hände Arbeit ihren täglichen Lebens- unterhalt dabei verdienen. Jh möchte mit dem Antrage \{ließen, daß diese Vorlage ciner Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen würde; und ich thue das mit dem Wunsch, daß diese Kommission sine ira, sed multo cum studio arbeiten möge.

Abg. Spahn (Zentr.): Der Vergleich diejer Vorlage mit dem Antrage Kaniß paßt durhaus nit. In dem Moment, wo einer Industrie zugemuthet wird, 92 Millionen beizutragen zu den Staats- lasten, muß der Staat au die Möglichkeit gewähren, daß die In- dustrie leistungsfähig bleiben kann. Ich frage: ist die Landwirthschaft in der Lage, eine Katastrophe zu ertragen, und wenn diese Frage verneint wird, dann müssen wir Alle zu helfen suchen, soweit die Möglichkeit dafür vorhanden is. Dem Vorschlage ciner er- heblichen Ermäßigung der Verbrauchsabgaben können wir nicht zu- stimmen. Ob man das Kontingent von 14 auf 17 Millionen erhöhen, ob man es vertheilen soll auf tie Fabrikation oder auf den Anbau dcr Rüben, das sind Fragen, die in der Kommission erörtert werden können. Als eine Kampfmaßregel können wir die Prämie nicht auffassen, denn Frankreich wird immer in der Lage fein, bei seinem geringen Rübenbau uns darin zu übertreffen. Für uns handelt cs fi hauptfählich um die Erbaltung der deutschen Zuker-

industrie. i

Darauf wird die Vertagung beschlossen. Persönlich bemerkt der

Abg. Richter: Ich habe nur von vornebmen Herren gesprochen und erst auf cinen Zwischenruf hin von einem Minister. Damit war aber weder der Landwirthschafts-Minister, noch ein anderes Mitglied des preußischen Staats-Ministeriums oder einer der Staats- sekretäre gemeint. : ; __ Schluß 5 Uhr. Nächste Sizung: Dienstag 1 Uhr. (Fort- sezung der ersten Berathung der Zuckersteuer-Vorlage.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 32. Sißung vom 2. März 1896.

Ucber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus seßt die zweite Berathung des Staatshaus- halts-Etats für 1896/97 und zwar des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fort.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich hatte geglaubt, daß ih mich am Donnerêtag und am Freitag über die Stellung der Staatsregierung zu der Polen- frage deutli genug ausgesprochen hätte, um eine nochmalige Debatte darüber hier zu vermeiden. Ih habe mich leider darin geirrt. Herr Abg. Dr. von Jazdzewseki hat es für nöthig gehalten, heute nohmals auf meine Ausführungen zurückzukommen. Ueberzeugt das kann ih Sie rersihern hat er mich nicht; und er hat mir auch keinen Anlaß gegeben, auch nur ein Wort von dem, was ih gesagt habe, zurückzuneßmen. Das einzige Wort, was zurück:unehmen wäre, habe ih bereits zurückgenommen; das ist das Wort „fanatisch“, welhes ih gegen die polnishen Schwestern gebraucht habe. Das war im Laufe der Debatte wohl etwas übereilt von mir; das habe ich zurückgenommen, und damit ift diese Sache für mich abgethan.

Der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski hat gesagt: Das Verhältniß der Polen zu dem Deutschen Staate käme für sie, wenn fie hier ihren Standpunkt geltend machten, gar nit in Frage, hätte mit den Auf- gaben, die sie hier verfolgten, nihts zu thun, und deshalb wären sie nit verpflichtet, aus den Patenten und den Landtags8abschieden die be- treffenden Stellen so vollständig mitzutheilen, wie ih das beansprucht hätte. Fa, meine Herren, das glaube ih sehr gern, daß für den Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski und feine parlamentarischen Freunde ihr Verhältniß zum preußishen Staate nit in Frage steht; für uns steht es aber in Fragez unsere ganze Politik rihtet sih darnach, in welches Verhältniß Sie \ich zum preußischen Staate stellen. Stellen Sie sich zum preußischen Staat in das Verhältniß, wie wir es von allen unseren Staatsbürgern verlangen, dann werden Sie auch dementsprehend be- handelt werden.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat vollständig bestätigt, was ih gesagt habe. Das was den Herren paßt, theilen sie mit, und das was ihnen nit paßt, theilen sie niht mit. Und ih habe mir er- laubt, neulich Ihnen einige Daten mitzutheilen, die Ihnen nicht passen, die aber uns passen, und die für eine gerechte Beurtheilung des Verhältnisses nothwendig sind.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

2 DD

: Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 3. März

1896.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski hat gemeint, von einer Agi- tation in dem von mir hier mitgetheilten Sinne fei ihm nichts be- kannt. Nun, meine Herren, das muß ih fagen, es ist ja mögli, daß nah S{hroda die Nachrichten über die polnis-nationale Agitation nit dringen. (Heiterkeit.) Aber zu uns dringen sie, und zwar in folhem Maße und in einer fo erdrückenden Fülle, daß wir uns da- gegen gleihgültig gar nit verhalten können und dürfen. Meine Herren, in allen polnischen Blättern, in den Hetblättern, die in Tausenden und Abertausenden von Sremplaren in der Provinz Posen verbreitet werden und jeßt au leider in Ober- {lesien , wird ein Haß, ja ein fanatischer Haß gegen Preußen und gegen das Deutschthum gepredigt; und das muß uns aufmerksam machen, daß wir unsere Pflicht zu erfüllen und das Deutschthum, mit dem wir dorthin gekommen find, zu {üßen haben. Das ift unsere Pflicht und Schuldigkeit, und die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski haben mih darin auch nit im entferntesten irre gemaht. Dann hat der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski meine Aeußerungen über die Thätigkeit der Drden fritisiert. Ih muß zu- geben, daß ein polnischer Ordensmann Lei der Seelsorge in einer polnishen Gemeinde auh polnisch sprehen muß. Aber das, was wir an den polnischen Orden vermissen, ift die Gewähr, daß die Herren zur barmlose Seelsorger seien; die Garantie, daß sie ihre geistige Thätigkeit niht benußen, um dem Deutschthum entgegenzutreten und das Polenthum zu fördern. Das können wir nit dulden.

Nnn sagt Herr Dr. von Jazdzewski, die weiblichen Orden poloni-

sierten niht; ih will das dahingestellt sein lassen; ich will auch zu-

geben, daß es außerordentlih {wer ist, juristische Beweise für diese Art Thätigkeit beizubringen; aber das kann ih versichern, daß in der Provinz Posen in weiten Kreisen die notorische Ueberzeugung dafür be- steht, daß solhe Mißbräuche vorkommen, und mehr habe ih überhauyt ait behauptet. Er hat mir vorgeworfen, ih wolle die Polen aus- rotten ; nein, meine{Herren, tas habe ih nie gesagt im Gegentheil, auch das hat heute ter Herr Abg. Dr. von Fazdzewski wieder weggelassen, daß ih ausdrücklich gesagt habe, die Polen werden mit derselben Gerechtigkeit , mit demselben Wohlwollen wie jeder Staatsbürger behandelt. Nur das verlangen wir von ihnen, daß sie fich au voll und ganz auf den Boden des Staats stellen, dem sie angehören, und der ih in der Nothwehr befindet, wenn sie ihn angreifen, und der durch die Ele- mente groß geworden ist, die er vertritt, deren Nationalität er ver- Tôörvert.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski ge- sagt: den neulich von mir erwähnten Fall, in dem einem Deutschen für seine Kinder der deutsche Kommunionunterriht verweigert worden sei, kenne er nicht, und er könne deëhalb auch nit weiter auf die Sache eingehen. Ich hatte geglaubt, ih bätte mih einigermaßen deutlich ausgedrückt; ih hatte gesagt, der Propst, der das gemacht bätte, sei dem Abg. Dr. von Jazdzewski ganz genau bekannt. Jh habe mich darin geirrt. Nun, meine Herren, der Propst heißt Dr. von Jazdzewéki in Schroda. (Große Heiterkeit.) Aus dem Bes rit, den ih darüber habe, werde ich mir erlauben, einiges mitzu- theilen.

Es ift mir geschrieben :

Ich habe hon Söhne auswärts, und ih kann dur die Art,

wie ih hier behandelt werde,

es ist ein deutsher Katholik genöthigt werden, daß ih nun auch meine ältesten Töchter in den fernen Westen bringen muß zur Vorbereitung auf den Emvyfang der heiligen Sakramente. Ende Juni v. J. ließ ih dem Propste Herrn Dr. von Jazdzewski das Verzeichniß der beihtpflih- tigen Volksschüler, die den Religionsunterricht in deutscher Sprache empfangen, zugehen. Allein er richtete für sie keinen besonderen Beichtunterricht ein; sie wurden mit den polnishen zusammenge- nommen. Nachdem dann in den ersten drei Unterrichtswochen (bei wöchentlich zwei Stunden) keine deutsche Frage an die Kinder gestellt worden war, suchten deutshe Väter unter dem 28. November v. J. durch meine Vermittelung bei dem Herrn Propste nah, daß ihren Kindern der kirhlihe Beicht- und Kommunionsunterricht in deutscher Sprache ertheilt werde. Unter dem 3. Dezember v. I. befürwortete ih das Ersuchen und empfahl, den betreffenden Kindern wöchentlich etwa eine Stunde in deutsher Sprache zu geben. Zu dieser meldete ih gleichzeitig auch meine Töchter und den Sohn eines Gerichtsfekretärs an. Herr von Jazdzewski aber lehnte unter dem 15. Dezember die Bitte ab. Er sagte, daß alle beichtpflichtigen Kinder in den angeseßten Stunden zu ersheinen hätten, daß die Vikare angewiesen seien, „die Kinder deutsher Nationalität bezüglich ibrer Muttersprache mit zu berücksihtigen und sie in derselben zum Empfang der heiligen Sakramente vorzubereiten (Abg. Dr. von Jazdzewski: Hört , Hört!); auh ih möchte meine Töchter in die Stunden fenden, und der betreffende Vikar sei angewiesen, fie wo- möglich in Extrastunden dahin zu bringen, daß fie gehörig vor- bereitet die heiligen Sakramente empfangen könnten.“ (Abg. Dr. von Jazdzewski: Also!)

Meine Herren, warten Sie doch ab! Lasscn Sie mich doch

wenigstens ausreden! Dem kann ih nicht entsprehen, weil ih diese Behandlungsweise der deutshen Kinder prinzipiell mißbillige; am 1. Februar ließ ih feststellen, daß der eine Vikar allerdings in anerkennenswerther Weise drei deutshe Knaben in wöchentlich einer Stunde vorbereitet, aber zwei andere (die eine polnishe Mutter haben), unterrichtet er mit den polnishen zusammen polnisch. Der andere Vikar unter- rihtet die Mädchen zusammen von 2—3 und 3{—4 Uhr polnisch, entläßt um 3 Uhr die polnishen Mädchen zur Kirhe und fragt während dieser drei deutsche Mädchen deutsch ab. Zwei aber (das eine volnishen Namens, das andere von polnischer Mutter) werden nur polnisch gefragt. Ich mißbillige nicht nur diese Schiebungen, sondern auch die Art des Unterrichts an die drei Mädchen: bei

zweiftündigem Hinbrüten einige Fragen in der Freiviertelstunde. Und es wäre do fo einfach, die 11 bis 12 deutshen Kinder zu- sammen in einigen Stunden besonders zu unterrichten. Das scheint mir deutlich genug zu sprehen, und ih überlasse es dem Urtheil des hohen Hauses, ob ih zu weit gegangen bin, wenn ich damals mit aller Rücksicht gegen den Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski diesen Fall zur Sprache brachte. (Sehr richti !)

Damit, glaube i, habe ih das, was beute von seiten des Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski beigebracht ist, hinreihend widerlegt. Ich möchte nur noch, um vielleiht unsere Generalbesprehung bei dem ersten Titel meines Etats etwas abzukürzen, ein paar Worte über die polnishe Bewegung in Oberschlesien ans{hließen, die uns große Sorgen macht.

Meine Herren, in Oberschlesien. besteht eine von außen her importierte polnische Agitation, die in die gut preußishe und gut deutshe obershlesishe Bevölkerung Gedanken hineinträgt, die dem polnisch redenden obers{lesishen Volk biéher völlig fremd sind: Ge- danken der Zugebörigkeit zu cinem polnishen Reich der Zukunft, das niht nur goldene Berge, sondern das goldene Zeitalter dem ober- \chlesischen polnisch redenden Volk bringen foll.

Um Mißverständnisse auszuschließen ich habe das neulich {hon angedeutet —, möchte ih ausdrücklich bemerken, daß diese wilde national- polnische Agitation in Oberschlesien niht das Mindeste zu thun hat mit den anständigen und [lovalen polnishen Elementen benachbarter und befreundeter Länder; es handelt sih dabei vielmehr aus\{ließlich oder wesentli um Preßerzeugnifse \{limmster Art, für die es eine Grenzsperre nicht giebt und niht geben kann, und die den Ordnungs- elementen in den uns befreundeten benachbarten Ländern und den Regierungen dieser Länder ebenso feinlih und ebenso fremd gegenüber- stehen wie uns selbst. Nun, meine Herren, dieser bei uns ein- geschmuggelten nationalpolnishen Preßagitation gegenüber ist es in der That ein zwar immer wieder, aber vergeblich, an uns herantretendes böwst seltsames Ansinnen, daß wir die seit Jahren bewährte Sprachen- politik in den deutshen Schulen Oberschlesiens aufgeben sollen, oder daß wir sie ändern sollen. Nein, damit würden wir diesen revolu- tionären polnishen Bestrebungen geradezu entgegenkommen und ibnen Waffen in die Hand geben. Meine Herren, es giebt keine sentimen- talen Motive, die uns bestimmen könnten, in unserer Wachsamkeit in Oberschlesien nahzulassen; im Gegentheil, hier gilt es, ersi recht das Deutschthum, was dort bereits erreicht ist, zu {ügen und jedem Ver- such, das Deutschthum nachträglich einzuschränken, mit aller Energie Halt zu gebieten.

Das, meine Herren, sehen jeßt auch eine ganze Menge deutscher Elemente in Oberschlesien ein, die früher mii einer nach meiner Ueberzeugung viel zu weit gehenden Gutmüthigkeit die dortigen polnischen Bestrebungen für harmlos und bis zu einem gewissen Grad für nit unberehtigt hielten. Meine Herren, die polnishen Schlummer- lieder von den Kindern, die ja ihre Muttersprahe lernen müssen, hatten dort wie in der Provinz Posen auch manchen Deutschen be- zaubert. Aber das sind sehr gefährlihe Schlummerlieder, denen jede Wahrheit fehlt. Denn es handelt sih namentlich in Oberschlesien gar nicht um die Muttersprahe; die Muttersprache jener Kinder ist ein plattdeutshes Patois, welches die Kinder ganz von selbst lernen durch den Verkehr und was man ihnen nicht erst in der Schule bei- zubringen braucht, sondern es handelt sich um einen verschleierten Versuch, in den deutshen Schulen die hohpolnishe Sprache ein- zuführen, damit unser tüchtiges, wirksames deutshes Lebrsystem zu durhlöchern und dem Polonismus dort die Wege zu bahnen, wo er nicht das Mindeste zu suchen hat. Meine Herren, wir werden unter diesen Verhältnissen diesen völlig ungehörigen polnishen Bestrebungen in Oberschlesien die Wege niht ebnen, sondern wir sind verpflichtet und ents{lofsen, ihnen die Wege zu weisen, wir bekämpfen sie, um ibnen zu zeigen, daß sie bei uns zu reussieren keine Aussicht haben. Die Kultur in Oberschlesien is die Frucht mühsamer deutscher Arbeit, und diese Fruht werden wir uns und dürfen wir uns von polnischen Bestrebungen nicht nehmen lassen. Wir sind auch gewiß, daß eine große, große Zahl deutscher Katholiken in dieser Beziehung mit uns vollkommen einverstanden is. Meine Herren, Oberschlesien ist im wesentlichen ein deutshes Land und wird deuts bleiben. Die Unter- ri&tsverwaltung wird dafür sorgen, daß die oberschlesis{en Kinder vor allen Dingen gut deuts sprechen lernen ; denn das brauchen fie und brauen sie viel nöthiger als Ihr Plattpolnisch, das sie ohnehin lernen. Für uns, meine Herren, liegt absolut kein Anlaß vor, von unserem Lehrsystem in den oberslesisch:n Volksshulen abzugehen. (Bravo !)

Abg. Rickert stimmt dem Minister darin bei, daß den hoh- verrätberischen, vom Auslande hereingetragenen polnishen Bestrebungen kräftig entgegengetreten werden müsse. Die Umwandlung der neben- amtlichen Kreis-Schulinspektion in eine hauptamtlihe wünsche er auch; er mißbillige aber den Erlaß des Ober-Kirchenraths über das Ver- halten der Geistlichen; diesen dürfe die Freibeit der Meinung nicht genommen werden. Redner tadelt ferner die Vorschriften Über die Ein- führung der angestellten Lehrer, mit der au eine Katechisation des Lehrers durch Verlesung einer Stelle der Heiligen Schrift verbunden sein solle, und trägt einen solhen Fall aus Mühlberg in Hannover vor. Das sei der Weg zur Kirchenshule, dem Ideal des Herrn Stöcker. Die friedlihe Gesinnung, die Herr Stöcker neulich be- wiesen habe, empfehle er ihm auf die Dauer. Aber nach der reinlihen Scheidung der Konservativen wolle Herr Stöcker eine eigene Volkspartei gründen, er werde sih ebenso zu einem Volksmann ent- wickeln, wie die antisemitishe Partei. Das Landrecht kenne nur die Staats\chule, die Religion sei der Kirche überlassen, aber diese habe die staatlichen Rücksichten zu nehmen. Herr Stöcker meine, die Agitation gegen das Volksshulgeseß |jei staatsgefährlih, er solle ih nur ein- mal die Agitation des Bundes der Landwirthe ansehen! Herr Stöcker wolle über das Schulgesey cine Volkéabstimmung. Auch er wünsche, wir könnten, wie in der Schweiz, darüber im Volke abstimmen. Dabei be- fämen die Gegner des Schulgesezes 400000 Stimmen mehr nach der Zusammensetzung der Parteien. Eine solche Bolksabstimmung würde einmal die egoistishe Schlammwelle der Interessenpolitik hinweg- \{chwemmen und wieder den Kampf für Ideale entfacen.

Abg. Schwarze (Zentr.) berechnet, daß seit 1873 die Auf- wendungen für evangelishe Zwecke erheblich gestiegen, für tatholische

gesunken seien, und fragt an, wieviel von den Zuwendungen auf reht- lichen Verpflichtungen und wieviel auf Liberalität beruhen. Die

Wittenberger Schloßkirhe fei nicht vom Zentrum, sondern vom Minister in die Debatte hereingezogen worden. Redner polemisiert gegen die Ausführungen der nationalliberalen Redner. Wenn man den Kampf gegen den Materialismus und Atheismus wolle, fo müsse man die christlihe Volksschule wollen.

Abg. Freiherr von Loë (Zentr.) bestreitet dem Abg. von Eynern, daß auf der fatholishen Generalversammlung von 1877 die Auf- hegung dur die katholishe Presse zugegeben fei. Das zeige wieder, wie Herr von Cyzern mit der Wabrheit umgehe. Der Staat müsse die Kirche in ihrer Aufgabe, die Schüler christlich zu erziehen, unter- stüßen; thue der Staat das nicht, so begehe er eine Unterlassungs- sünde und ein himmelschreiendes Verbrechen ! f _ Abz. von Eynern (nl.): Nah den Berehnungen des Herrn Schwarze möchte ih den Minister ersuchen, einmal den Recen- unterriht in Westfalen untersuhen zu wollen. Meine Angaben über die Katholikenversammlung von 1877 habe ih Berichten der Zentrums8- blätter entnommen. Ja, Sie sind immer zu unvorsihtig, Sie be- kommen nah Ihren Behauptungen immer gleih einen Schlag darauf. Redner verliest aus dem Scultes’shen Geschichtskalender die Beschlüsse auf der Würzburger Versammlung von 1877 über die fatholishe Presse. In feinen Angriffen auf das Zentrum sei er keines- wegs ermüdet, und er möchte den Kultus-Minister als Staats- Minister auf die Forderungen der_ katholishen Kirhe in Bezug auf die Anwendung des § 166 des Strafgesetbuhs aufmerksam machen. Die evangelishe Kirhe könne den § 166 entbehren, Herr Porsch alaube aber, daß die katholisch: Kirhe ihn mit Rücksicht auf Herrn Thümmel nicht entbehren könne. Die stolze rômische Kirche rufe also bei jeder Attacke nah dem Staatéanwalt. Herr Abg. Brandenburg, ein Richter, habe neulich einen Gerichts\spruch in Bezug auf § 166 kritisiert, ohne daß einer der anderen Richter im Zentrum dagegen protestiert hätte. Das heiße die Integrität des preußischen Richter- standes in Frage stellen. Wir wünschen, fährt Redner fort, die Be- seitigung des § 166, um solhe Schauspiele nicht wieder zu erleben. Beim leßten Karneval is gegen die Darstellung eines Mönches, der mit einem leihtgeshürzten Mädchen tanzt, der Staatsanwalt wegen Beleidigung der katholischen Bevölkerung angerufen worden. Was habe ih aber nit {hon für Scherze von Zentrumsleuten über Mönche und Mädchen gehört! Die Verfolgungen auf Grund des § 166 sind immer nur auf Tatholisde Denunziationen zurückzuführen. Es sind traurige Zustände, wenn wegen eines unvoz sichtigen Wortes ein evan- gelisher Geistliher vor das Tribunal ges{leppt wird in einem Lande, wo die Mehrheit Protestanten sind, die Minderheit aber na der Herrschaft strebt. : Í

Abg. von Heydebrand und der Lasa (kons.) meint bezüg- lih der Umwandlung der nebenamtlichen Kreis-Schulinspektion in eine hauptamtlihe, daß das Bedürfniß dazu nur von Fall zu Fall ent- schieden werden könne; es fei auf die Mitwirkung der Geistlichen dabei das größte Gewicht zu legen. :

_ Abg. Noeren (Zentr.) hält den § 166 für nothwendig und wiederholt die Klage über das Gese, betreffend die V-rmögens- verwaltung der Kirhe. Der wundeste Punkt in diesem Gesey sei der komplizierte Verwaltungsapparat, man folle das Gese beseitigen. Die Beschränkung der Ordensthätigkeit sei mit Unrecht vom Minister als ein Kompromiß bezeihnet worden. Der Staat sei verpflichtet, ein Geseg, welches folhe Härten mit si bringe, wie das Drdens- gesez, aufzuheben. Es vergehen Monate, che Ordens\schwestern z B. die Genehmigung zur Krankenpflege ertheilt werde. Die Behandlung der Orden sei unerträglih, der einfache Gerechtigfkeits\finn erheishe eine Aenderung. Alle Parteien för- derten die Bestrebungen für den Handfertigkeitsunterricht, aber den fatholishen Ordensshwestern werde dieser Unterricht nicht gestattet; in Kleve hätten Schwestern, die eine Kleinkinderbewahranstalt unterhielten, diesen Unterricht eingeführt, es fei ihnen aber plößlih befohlen worden, ihn einzustellen. Redner führt noch einige ähnliche Fâlle an. Die Unzufriedenheit in dec Bevölkerung sei darüber groß. Es sei wunderbar, daß man bei unsern sozialen Zuständen den Schwestern einen Unterricht untersage, für den man ihnen auf den Knien danken müsse, denn sie beschäftigten die unbewachten Kinder armer Leute in nüßliher Weise. Diese Behandlung der Schwestern wie Verbrecher sei eine Beleidigung für das ganze fatholische Bolk. Wenn der Minister sage, das alles beruhe auf Gefeß, fo müsse eben die Aufhebung des Gesetzes verlangt werden. Mancher, der in der Hitze des Kulturkampfs in den siebztger Jahren für das Ordensgesey gestimmt habe, habe wohl jeßt Bedenken dagegen. Der Minister würde für eine Revision des Ordensgesetzes gewiß eine Mehrheit 1nden.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich bin bereit, dem Herrn Vorredner auf die zwei Punkte, die er berührt hat, eine Antwort zu ertheilen.

Zunächst hat er sih darüber beshwert, daß noch immer das Geseß über die Vermögensverwaltung in den katholishen Kirchen- gemeinden von 1875 unverändert weiter bestände, und daß die Staats- regierung noch nit die Initiative ergriffen hätte, um die Ihnen so verhaßte Gemeindevertretung zu beseitigen. Er hat gesagt, dieser Apparat fände sih nirgendwo. Die Sache liegt gerade umgekehrt ; dieser Apparat findet sich überall, und wenn er aus dem Gesetze be- seitigt werden oll, so wird das Geseß in diesem Punkte ein Aus- nahmegesez. Der Apparat einer kontrolierenden Versammlung neben dem Vorstande findet si in der Provinzialverroaltung, in der städtischen Verwaltung; er findet sch nach dem Landrecht in der Verwaltung sämmtlicher Korporationen. Ebenso hat man ihn im Jahre 1875 hier aufgenommen; nur daß man noch den § 35 hinzugefügt hat, in dem ein ganz leihter Weg gewiesen istxum in den Fällen, wo dieser Apparat zu groß würde, seine Beseitigung im Einverständniß zwischen den Bischöfen und den Ober-Präsidenten zu ermöglichen.

Meine Herren, dazu kommt nun noch, daß die Gemeindever- tretungen nah der Enquête, die ih bei sämmtlichen Ober-Präsidenten und Regierungs-Präsidenten angestellt habe, ausgezeihnet und ganz tadellos funktionieren. (Lachen im Zentrum.)

Nun frage ih Sie: wie sollte ich wohl von Staatswegen dazu fommen, Shnen die Aufhebung dieses Gesetzes vorzushlagen ? Wenn Sie die Gemeindevertretung beseitigen wollen, so machen Sie dohch cinen Geseßentwurf aus Ihrer Junitiative, bringen Sie ihn durch beide Häuser des Landtags durch und lasen Se ihn so an die Staatsregierung herankommen ! Dann will ich Ihnen versprehen, daß ih dem Staats-Ministerium, wenn ich dann noch Minister bin, sagen werde, daß ih keinen Grund habe, mich für das Fortbestehen der Gemeindevertretungen zu interessieren. Bei uns, bei dem Staat liegt kein erheblihes Interesse vor, ob Sie zwei Organe oder ein Organ haben. Aber unsere Auf- gabe ift es nit, ein gut funktionierendes Gese abzuändern, bloß weil es Ihnen so gefällt, die Verpflihtung kann ih nicht an- erkennen. (Widerspruch im Zentrum.) Machen Sie die Sache

(Zurufe im Zentrum und links), machen S ie sie; aber ih habe keine

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