1896 / 56 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

1/5 1

ad d A s

(4

anal aren E

Mr T .

» m:

-

20010 7 ân “ame

A A

as ifi

Cte

Rübenzuerfabriken prüfen, wo die Aktionäre gleihzeitig Rübenbauer find, wo also die Fabriken auf das engste mit den Rüben- bauern verbunden sind, so können Sie daraus über die Lage des NRübenbaues gar keine Sthlußfolgerung ziehen; denn die Herren fönnen aus fteuerfisfalishen oder aus anderen Gründen ihre ganze Bilanz verschieben nah dieser oder jener Richtung bin; sie können niedrige Rübenpreise zahlen, um mit hohen Dividenden oder böberen Uebershüssen zu figurieren (sehr rihtig! rechts), oder sie können mit niedrigen Uebershüfsen figurieren, wenn sie beispielsweise sih der Steuer ein bischen mehr entziehen wollen (Heiterkeit) und den Aktionären um so viel höhere Rübenpreise geben. Aus alledem kann man gar keinen Schluß ziehen.

Nun bat der Herr Abg. Richter \echs Rübenzuckerfabriken ange- führt. I bin nicht genau unterrichtet, ob fie alle Aktienfabriken, die nicht mit den Rübenbauern in Verbindung stehen, find; von der Bennigsen’schen weiß ih es aber. Ich behaupte, es sind alles solche Rübenzuckerfabriken ; denn die Aktien werden an der Börse gehandelt, und an der Börse können überhaupt nur Aktien von Zuckerrüben- fabriken gehandelt werden, wo der Besiy der Aktien nicht mit der Verpflichtung, ein bestimmtes Quantum Rüben zu bauen, verbunden ist; nur Aktien von solchen Rübenzuckerfabriken werden an der Börse gehandelt. Die Zahlen, die der Herr Abg. Richter vorgebraht hat, beweisen garnihts. Aber das Allerinterefsanteste dabei ift: es findet ih darunter eine Fabrik, die der Herr Abg. Richter hier mit auf- geführt hat, eine Mtlasse- Ertzuckerungsfabrik, eine Raffinerie, die also auc nit annähernd direkt eine folhe Bedeutung hat. (Widerspru links.) Jch habe das aus meinen Akten, ih glaube, mit Sicherheit feststellen können. Wie gesagt, irren kann sih jeder, meine Akten können sih aa irren, aber die Sache ist so. (Heiterkeit links.) Man fann nit dur allerlei glaublihe und unglaubliche Dinge das be- weisen. (Heiterkeit links.)

Auf die Spezialien des Geseyes, welhe Herr Graf Posadowsky {on berührt hat, will ih nit tiefer eingehen; ich will au nit auf andere mehc oder weniger nebensählihe Dinge mich einlafsen. Aber eine Schädigung ist bisber noch niht bervorgeboben, die unsere Rübenindustrie schr empfindlih trifft. Unser gefsammter Melafseerport ging bis vor wenigen Jahren fast autschließlich nah Frankrei, und zwar zu einem guten Preise. (Sehr rihtig !) Frankreich hat jeßt einen so boben Eingangszoll darauf gelegt, daß er geradezu prohibitiv wirkt ; jeßt sind wir in der üblen Lage, entweder daß die Melasse was ih durcaus niht wünshe entzuckert werde die Rückstände find dann werthlos, namentlich für die Landwirtbschaft oder und das ist das Ziel, welches wir erstreben müssen, sie muß der Landwirtbschaft wieder als Futtermittel für das Vieh zugeführt werden, dann werden die mineralischen Düngstoffe wieder der Land- wirthshaft erbalten, und sie dient zur Fleisherzeugung.

Ich resümiere mi kurz in folgender Weise. Ist es richtig, daß die Zu&erinduftrie das Rückgrat unserer gesammten Landwirthschaft bildet: ift es richtig, daß, wenn ein Glied leidet, alle Glieder mit leiden, handelt es sich um eines der bervorragendften Exportgewerbe, ist es richtig, daß der gegenwärtige Zeitpunkt der unglüdlihst gewählte ist, um eine vôllige Beseitigung der Ausfuhrvergütung eintreten zu lassen und die Fndustrie ibrem Schicksal zu überlaffen, ist es richtig, daß die anderen Staaten ih glaube das bewiesen zu haben troß aller Versuche, Ke von dem Wege abzubringen, fortfahren, uns uf dem auêwärtigen Markt, wohin wir 2/5 unserer Produktion absegen müffen, die Kon- furrenz unmöglih zu machen dann, glaube i, kann kein Mitglied dieses boben Hauses, welches ein warmes Herz für die Landwirthschaft bat, der Staatsregierung die Mittel versagen, in dieser gefährdeten Lage für die Landwirthschaft im allgemeinen, damit für die *ndustrie, für Handel, Gewerbe u. diejenigen Maß- nabmen zu ergreifen, die erforderlich sin um den blü-

Zweig unserer Landwirthschaft dem Niedergang

: So gebe ich mich der Hoffn in, daß konsequent mit Beschlüffen beim Nothfta s wie der Herr Nicbter, auf die Frage eingeben, °o ier etwas gescheken foll, ir in dieser gefährlichen

f mission t zum Segen unserer gesammten deutshen Landwirtbshaft ein vernünftiges und ¡wedentsprehendes, allerdings nid sondern ein Kampfgeseß bervorgebhen wird. Darum hbandelt es ! (Lebbaftes Bravo rets.)

Abg. von er-P ; dankt seine Entstehung dem Drängen des Reichstags, zuleyt in Form des Antrags Paasche. schließ 1 Wunsche Kommissionsberathung an. ir möchten Nothlage der Landwirthschaft mi begegnen. Hier ist ein solches diese Vorlage als die ibr gegenüber den Antrag Kaniß empfohlen. Merkwürdig ist, daß Vorlage für die allergefährlibste balt, folchen Uebertreibungen ist es kein Wunder, berechtigte Opposition nicht diejenige Beachtung verdienen könnte. Der Antrag Kani wollte eines Mindest-, sondern eines Durch!chnittépreises C und Konjumenten. Diese Vorlage will n

ntrag Kaniyg die Abwehr eines großen Imports, fondern : liste Erhaltung eines Exports, sie verdient auch nicht den Borwurf einer sozialistishen Tendenz, fie ist tehnisch durchfüh1bar und verft öf niht gegen völferrechtlihe Verträge. Deutschland hat auf dem Welt- marft für seinen Zucker seine Stellung behauptet, troß aller ungalei{- artigen Behandlung deéselben. Wenn diese ungleihartige Behandlung nit vorhanden wäre, so würden wir die Konkurrenz auf die Daver auébalten föônnen. Wenn die Rübenpreise die jeßige Höhe beibehalten, dann wird aber der Nübenbau unmöglich werden und der Konkurrenzkampf wird von selbst aufhören. Wer für diesen Todeskampf einer landwirth- schaftlichen Industrie nichts übrig bat, der beweist überhaupt, daß ihm die Interessen der Landwirthschaft sehr fern liegen. Wie Herr Richter die Bauern auf diese Weise gewinnen will, ift mir ein Räthfel; er sucht allerdings die ganze Sache darzustellen als eine Angelegenheit der Groß- grundbesiter und spriht von den vornehmen Leuten. Diesen Ton bat der Landwirthschafts-Minister hon zurückgewieseri. Nirgends

besteht zwischen den Afktiengesellshaften und den Landwirthen eine solche Solidarität wie zwischen der Zuckerindustrie und dem RNRübenbau. Die Rübenbauer sind niht große Herren, die dem Hofe nahestehen.

Im Osten kenne ih drei Fabriken, an denen 1200 NRübenbauer

betheiligt find. Herr Richter behauptet, daß in landwirthschaftlichen

Kreisen selbst eine Opposition gegen das Gese vorhanden sei. Die

Opposition findet ftatt gegen dieje oder jene Einzelbestimmung des

Geseyes; aber dem ganzen Grundgedanfken der ftaatlichen Hilfe wird

kein Widerstand geleistet. Ich habe mich gefreut, daß auch die Oppo-

sition des Bundesraths keine prinzipielle gewesen ist. Die mit Rüben bebaute Fläche ift niht alljährlich dieselbe, für die Bedeutung der- selben für die Landwirthschaft ist nicht die einfahe Fläche maßgebend, sondern ein Mehrfahes derselben. Der Rübenbau hat

r = 25 e R R Ss

Q.

5 r Uu

Getreidebau. Für die Gegenden mit Rübenbau besteht eine iat überhaupt nit mebr. Diese Dinge liegen ja Herrn ichter etwas ferner. Herr Richter ift ja ein Meister in poli- tischen Dingen und namentli in der Aufstellung von ablen, aber in landwirth\{aftliher Beziehung habe ich jede Hochahtung vor ibm verloren; er kennt diefe Dinge nur von Hörensagen und zwar von Leuten, die selbst nichts davon verstehen. Herr Spahn hat erklärt, daß das Zentrum für die SME der Konsumabgabe nicht zu haben sei. Wie will er denn den Ausfall decken ? Vielleicht durch die Betriebssteuer? Das würde allerdings dem Zustandekommen der Vorlage sehr hinderlich sein. Die Einzelheiten der D sind so schwieriger Natur, daß man sie beser der Kommission überläßt. Fch bin weder Theilnehmer einer Fabrik, noch ager were Gern nimmt die Zuckerindustrie die Prämien ni t; sie ift eine leistungsfähige Industrie und möchte nit gern Koftgänger des Staats sein. Aber es handelt sich um ein Bedürfniß, welhes nicht aus der Industrie selbs hervorgeht, sondern welches ihr von au8wärts aufgedrängt wird. Wo es sih um eine solche Vergewaltigung der vater- ländishen Industrie handelt, müßten Alle zusammensteben, um ihr gegen den auswärtigen Feind zu Hilfe zu eilen; auf diesem Stand- punkt scheint man allerdings dort drüben nit zu stehen. Wir nehmen die Prämien, weil wir sie nehmen müssen. Wenn Sie einen anderen Weg wissen, so kommen Sie heraus damit! Aber in der 14 stündigen Rede des Abg. Richter habe ih kein anderes Mittel gehört. Daß der Bundesrath die Prämien ermäßigt oder aufhebt, wenn die anderen Staaten dasselbe thun, damit find wir einverstanden. Aber wenn das Ausland seine Prämien noch heraufseßt, müßten wir dann nicht dem Bundesrath die Befugniß geben, daß er die deutshen Prämien erhöht ? Ich will meine Partei dafür no§ nit festlegen. Gin ziemliches Einverständniß herrscht darüber, daß ohne Kontingentierung keine Prämienzahlung mögli ist. Ueber die Höhe des Gesammtkontingents gehen die Ansichten weit aus- einander. Das Kontingent von 14 Millionen Dovppelzentnern wird als zu niedrig betrahtet; man könnte wohl ohne Schaden bis auf 17 Millionen Doppelzentner hinaufgehen, denn wir wollen nit den Rübenbau in seiner jeßigen Ausdehnung zurückschrauben, weil davon am ersten der Bauer betroffen würde. Hannover, Satsen, Anbalt stehen auf der Höbe ihrer Expansionsfähigkeit. Im Often aber if eine Expansion noch möglich und nothwendig, zumal der Getreidebau nicht lobnend ift; es ist selbstverständlich, daß der Osten jede Ausdehnung des Rübenbaues durch gewisse Dpfer Et: c) wird erkfämpfen müssen. Dur die Erhöhung der Verbrauch8abgabe, die eine minimale is, wird der Zukerpreis nicht erheblih erböht werden. Sole geringen Preiss{wankungen bei diesen Artikeln haben faum einen Einfluß auf den Verbrauch. Da spielen ganz andere Faktoren mit, namentlich ein guter und ständiger Verdienst der arbeitenden Klassen. Die Zunabme des Zuckerverbrauhs beweist die Besserung der wirthschaftlichen Lage der Arbeiter ; das beweisen“ auch die auf vier Milliarden angewahsenen Sparkasseneinlagen. Die Be- triebsabgabe wäre mir an si sebr angenehm; aber die Staffelform würde namentli die großen Betriebe des Ostens und Nordens treffen. Wenn auch der Großbetrieb sont billiger arbeitet als der Kleinbetrieb, so trifft das für den Osten niht zu. Wir sind viel fapitalärmer und haben die Fabriken nicht aus etgenen Mitteln, sondern aus gepumptem Gelde eingerichtet; im Osten sind die Frachtkosten sehr viel größer für die zu beziehenden Rüben und für den zu verkaufenden Zucker. Auf eine Staffelung_ der Be- triebssteuer föônnen wir uns also unter keinen Umständen etn- lassen; wenn die Staffelung aber wegfällt, bedeutet die Betriebssteuer nur eine Herabminderung der Prämie um 1 4 Das scheint mir ein sehr zweifelhafter Vorschlag zu sein. Es entsteht die Frage, ob der Fiskus die Prämie bezahlen kann ohne Betriebssteuer. Selbstver- tändlih wollen wir keine Schädigung des Reichs. Aber i glaube, daß die Erböbung der Verbraubsabgabe allein ausreichen wird, die Prämie zu decken. Die gegenwärtige Lage hat eine verzweifelte Aehn- lichkeit mit derjenigen, wele bestand zur Zeit des Abschlusses des österreichischen Handelsvertrags, defsen Abschluß viele nachher bitter bereut haben. Dur vorübergehende Umstände hat si die Lage des Zukermarktes etwas gehoben ; aber dieer Zustand ift ein vor- übergehender. Deshalb bitte ih die Herren, sih nicht beeinflufsen zu lassen dur die ershwerenden Momente, welche in der Vorlage liegen. Freilid, wer für das freie Spiel der Kräfte eintritt, der wird für diese Vorlage niht zu haben sein. Aber selbst diese könnten für die Vorlage stimmen, denn die deutshe Zuckerindustrie befindet sich nidt im freien Kamvf mit der auswärtigen, sondern es hat ein \chwerwiegender Eingriff in die Verbältnifse stattgefunden. Ein großer Theil der landwirtbsaftlihen Bevölkerung if bei dieser Frage be- theiligt, und diese zu stüßen, ift die erste Aufgabe der Gegenwart.

Staatssekretär des Reichs - Shagamts Dr. Graf von Posadowsky:

Fch bedauere, daß ih nohmals das Wort in der erften Be- rathung ergreifen muß, balte mich aber für verpflichtet, auf die Aus- führungen, die gestern der Herr Abg. Richter gemacht hat, schon jeßt zu entgegnen; denn ich möchte mir nit den Vorwurf zuziehen, das in einem Augenblick gethan zu haben, wo er zu antworten keine Gelegenbeit mehr bätte.

Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat sich gestern, ih glaube, zur allergrößten Ueberraschung der gesammten deutshen Landwirthe als ein Vertreter der deutshen Landwirthschaft und ihrer Interessen vorgestellt, und er hat geradezu die deutshen Landwirthe gewarnt, insbesondere die Vertreter der Rübenindustrie, sie sollten nit die gefährlichen Geschenke annehmen, die ihnen bier von der Regierung angeboten würden. Ich frage den Herrn Abg. Richter, was bat er denn bisher der deutshen Landwirthschaft gesenkt und gewährt ? (Große Heiterkeit links. Sehr gut! rechts.) Er war der entschiedenste Gegner jedes Schußzolls, er war der Gegner des Branntweinsteuer- gesezes, der Gegner des Zuckersteuernothgesezes, er war auch der Gegner der legten Branntweinsteuernovelle (sehr gut! links); er hat aub damals vor der Branntweinsteuernovelle die deutsbe Land- wirtbshaft gewarnt. Kürzlich, in einer Versammlung der Spiritus- industriellen, die doch in der Sache kompetenter sind, als der Herr Abg. Richter, ist den verbündeten Regierungen das Zeugniß ausgestellt worden, daß diese Branntweinsteuernovelle ausgezeihnet gewirkt bat (fehr richtig! rechts. Zuruf links), und daß heute ohne die Novelle der Preis 2% sein würde, daß die Branntweinindustrie vollkommen darnieder liegen würde. (Sehr richtig! rets.)

Also ich glaube, der Führung des Herrn Abg. Richter wird ich die Zuckerindustrie in dieser Angelegenheit nicht anvertrauen. (Sehr gut! rets.) Wenn die deutsche Landwirtbschaft und unsere ganze Wirthschaftspolitik der Führung des Herrn Abg. Richter ge- folgt wäre (Zuruf links große Heiterkeit), dann wäre die deutsche Landwirthschaft bereits Hungers gestorben. (Sehr richtig! rechts. Ac, ach! links.)

Meine Herren, Ich habe früher bei Berathung des Branntwein- steuergeseßzes darauf hingewiesen, daß die Richter’she Politik die deutshe Landwirthschaft in die Lage bringen würde, in der jeßt die englische Landwirthschaft is (sehr rihtig! rechts. Db, Oh! links), von der man sagen fann, sie is als nationaler Erroerbs8zweig zu Grunde gegangen. Damals hat det Herr Abg. Richter das für eine arge Uebertreibung erklärt; ih hoffe, er wird seitdem Studien gemacht haben (lebhafte Zurufe) und wird vor allen Dingen die amt- lihen Enquêteberihte der englishen Regierung gelesen baben; wenn

Präsidenten um die Erlaubniß bitten, zwei kurze Stellen aus der Rede eines englischen Staatsmanns zu verlesen, die in dieser Bes ziehung vollkommen s{lagend find. Lord Salisbury hat auf einem Bankett in Watford am 30. Oktober 1895 gesagt:

„Ießt sehen Sie, wie das Sinken der Preise, welches die Folge des Freihandels ift, die Landwirthschaft in verschiedenen Grafschaften dieses Landes faft zu Grunde gerichtet bat.“

Und ferner :

„Indem ih in diesem Raume spreche, kann ih nit vergessen, daß das größte Uebel, mit dem wir uns abzufinden haben, das \hrecklihe Hemmniß für den Woblfland unseres Landes, die verzweifelte Lage ift, in der die Landwirthschaft ih gegenwärtig befindet. Jch erwähnte hon, daß in mehreren Grafschaften oder wenigstens in vielen Theilen von ihnen, die Landwirtbschaft auf dem Punkte zu sein \{heint, zu verschwinden und daß die Bebauung des Landes aufhört. Der Niedergang, unter dem wir leiden, hat in gewissem Grade alle Schichten der aderbauenden Bevölkerung ergriffen. Der Grundberr hat in erster Unie und am schärfsten gelitten. Der Pächter leidet sodann und sein Leiden ift schrecklich und hôöchs\t beklagenswerth gewesen.“

(Hört, hört! rechts.) Und in einer anderen Rede hat Lord Salisbury am 29. November 1895 in Brighton gefagt:

„Nächst den Maßnahmen, die unseren Vertheidigungszustand betreffen, kommt die sehr traurige Angelegenheit des landwirth- shaftlihen Nothstandes. Es ift s{wer, darüber zu reden, so düfter sind die Gedanken, welche er erweckt, fo tief muß Aller Mitgefühl für diejenigen erregt sein, welche infolge des nicht vorauszusehenden Unglüds unsagbare, unerwartete Noth und Sorge auss\teben.“

Das ist, meine Herren, eine klassishe Darstellung, wohin eine Wirthschaftspolitik führt, deren erstes Prinzip nicht ift: Schutz der nationalen Arbeit (Bravo! rechts); und ih hoffe, in diesem hohen Hause wird sich keine Majorität finden, die den ver- kehrten wirtbschaftlihen Prinzipien des Herrn Abg. Richter folgt. (Bravo! rechts. Heiterkeit links.)

Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat gestern gesagt: nie- mals sind mit einer größeren Sicerheit falshe Thatsachen vom Ministertisch behauptet worden als heute. (Sehr richtig! links.) FIch würde es für geschmadcklos halten, in dieser Weise dem Herrn Abg. Richter zu antworten; sein Wissen ist au groß genug , um eine solhe Schärfe der Sprache entbehren zu fönnen; aber ih be- dauere nur, daß er auf volkswirthschaftlichem Gebiet aus feinem Wissen vollkommen falshe Schlüsse zieht.

Herr Richter bat gesagt, ih hätte selbft ausgeführt, mäßige Prämien nüßten nichts. Das is nicht richtig. Ih habe aus- geführt, mäßige Prämien nügen nihchts, wenn sie uns nicht wenigstens mit einem Konkurrenten in Parallele stellen.

Der Herr Abgeordnete hat ferner gesagt, die Begehrlichkeit der rechten Seite des Hauses wollte fogar das Gesammtkontingent auf 17 Millionen Dovpelzentner erböhen, das Velk sollte also noch mehr belastet werden. Das is doch dem Herrn Abgeordneten ganz genau bekannt, daß die natürlihe, automatishe Folge der Erhöhung des Gesammtkontingents die Reduktion der Prämien sein muß. Daß die Konsumabgabe noch mehr erhöht werden sollte, wie bisher vor- geschlagen, ist von keinem Redner des Hauses, auch nicht in der Oeffentlichkeit verlangt worden. „(Heiterkeit links.)

Es ift ferner ausgeführt worden, die übrige Landwirtbschaft abe an der Rübenindustrie eigentli gar kein Interesse. Ich glaube, das ist {on von dem landwirthschaftlihen Minister Preußens wider- legt worden; ih möchte aber noch auf einen Punkt hinweisen: eine intensive Landwirthschaft, und nur solche kann noch Erträge bringen, würde, wenn die mit Rüben bebaute Fläche zurückginge, wiederum in größerem Umfange sih auf den Kartoffelbau legen müssen. Des- balb würde ein Rückgang der Rübenindustrie auch perniziós werden für das Brennereigewerbe, sodaß einer solchen Ueberproduktion eine Novelle wie diejenige vom vorigen Jahre auch niht mehr würde Widerstand leisten können. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Richter hat gestern diese Vorlage verglichen mit dem Antrag Kaniy. Es sei das nur der Antrag Kanitz in anderer Form. Wenn das richtig if, dann steckt die Republik Frankreich

bereits in dem Antrag Kanitz; dann baben ihn bereits Belgien, Holland, Oesterreich, und auch wir; denn wir haben bisher auch {chon Prämien gehabt, sogar früher viel höhere.

Die Motive, die der Herr Abg. Richter gestern gegen das Gesetz geltend gemacht hat, fann man gegen jede wirthschaftliche Maßregel anwenden. (Sehr rihtig!) Es überrasht mich die Be- weisführung des Herrn Abg. Richter; denn gerade in seinem wissen- schaftlihen Kampf gegen die Sozialdemokratie hebt er immer die Wichtigkeit des Indiriduums und dessen Einfluß auf die gesammte Wirtbschaftsführung des Volkes hervor. Wie fann er nun sfagen, wenn er aus einem Adreßkalender die Leiter oder Besitzer einer Anzahl Fabriken heraussuht, daß es ih hier lediglih um das Interesse reicher Leute handelt! (Zuruf links.) So haben Sie, Herr Abgeordneter, das gestern ausgeführt und sind sogar auf diese Listen zurückgekommen. (Ja wohl! rechts.) Er kat au gesagt: in welchen Widerspruch hat fi der Reichs - Schatzsekretär gesezt! Wie es sih um die Tabacksteuer handelte, da war er gegen die Erböhung des Schußzolls; jeßt, wo es ih um die Zuckerindustrie handelt, plädiert er zu Gunsten der Erhöhung des nationalen Schutzes für diese Industrie! Das ift natürlih nur darauf berechnet, Süddeutschland zu alarmieren gegen das Geseß; aber der Verglei ist doch absolut unzutreffend; denn bei dem Tabacksteuergeseß handelte es sch um ein Finanzgeseß, bei der vorliegenden Zucker- steuernovelle beansprucht das Reich keine neuen Einnahmen. Selbft von den Freunden der süddeutschen Tabackbauern wurde ausgeführt, daß eine Erböbung des Schutzolles für den Tabackbau außerordentlich gefährlich wäre, da der süddeutshe Taback {on unter der Ueber- produktion leide, da der Taback nicht abzusezen sei und in Zukunft die Ueberproduktion in gefährlicher Weise zunehmen würde. Es würde eine Erhöhung des Schutzolls auch gerade das Gegentheil von dem erreicht haben, was man durh die Tabackfabrikat- steuer erreiden wollte, d. h. eine Grhöhung der Einnahmen

des Reichs.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

feine Bedeutung für die ganze Kultur, auch für den

er das aber nit gethan haben sollte, so muß ih {hon den Herrn

Ì ganzen Ertragsberehnung von den „Snigeln“ ebensowenig die Rede

sagen an der Achse hängen, und deshalb kann man die Schnigtzel | bei dem wechselnden Werth, den sie für die Landwirthschaft je nach Ï der Entfernung von der Fabrik haben, als Koeffizienten einer Ertrags-

mit ibrem staatlichen Schuß der nationalen Arbeit bis über die Ohren /

E welhe von den Kosten in Abzug gebracht sind. Also auch diese Be- E Zuters so hoh stehen. „Ist denn Spekulation etwas Unsittliches ?“

} sittlih zu sein. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe nur darauf hin- | gewiesen, daß ih, und ih habe meine guten Gründe für diese

Î (große Heiterkeit links), und daß auch die cubanischen Verhältnisse y fünstlih zu diesem Zweck übertrieben werden.

Ï eines General-Konsuls vorgelesen, aus dem er glaubte, deduzieren zu N fönnen, die Verhältnisse in Cuba seien doch nit so ungünstig, wie

Ï dringend, der Herr Abg. Richter hätte den Bericht des betreffenden

Konsuls ganz vorgelesen. Glücklicher Weise habe ih den Ausschnitt | aus der „Freisinnigen Zeitung" hier, wo der Bericht abgedruckt

N Richter beruft. Das if ganz dasselbe, was ih gestern deduziert

Ï die Verbältniffe können sich auch sehr bald zum Besseren wenden, Ï und aus dem jegigen Zustande kann man nicht deduzieren, daß eine Ne-

| Richter bat ferner erklärt, die Betriebésteuer werde in diesem Hause | Veranlassung, in diesem Augenblick mi für die Betriebssteuer ins

i Zeug zu legen; aber, daß diese Vorausseßung nit ganz zuverlässig N ist, ergiebt sich {hon aus den Erklärungen, die Herr Abg.

i 96.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Abg. Richter hat damals treffend ausgeführt, wir würden nicht nur nicht Mehreinnahmen haben, fondern die Einnabmen würden zurückgehen. Außerdem aber ist damals bei dem Tabalsteuergeseß keine Kontingentierung, keine Beschränkung der Produktion vorgesehen, wie das jeyt bei der Zuckerproduktion vor- gesehen ist. Wäre der süddeuts@e Tabackbau mit einer Kontingentie- rung feiner Produktion einverstanden, so wäre die Erzielung er- böhter Einnahmen aus dem Tabak durch eine Erhöhung des Schutzzolles eine sehr wohl zu erwägende Maßregel. Alfo dieser Vergleich war fals.

Es ist weiter von dem Herrn Abg. Richter ausgeführt worden, von der Rübenkultur entfielen auf Süddeutschland 23 °/o, während es 90 9/0 der Zuckersteuer zu tragen habe. Was is ‘das für ‘ein Ein- wand? Mit demselben Rechte könnte man sfagen, wir müßten die Eisenzölle aufheben; denn der Siß der Eisenindustrie ist Ober- (lesien, Westfalen und die Rheinlande, und Süddeutshland braucht natürli auch rheinishes, westfälishes und obershlesisches Eisen. Dann hört Deutschland auf ein einheitlihes wirthschaftlihes Gebiet zu scin, und jeder Staat und jede Provinz müßten wieder mit einer besonderen Zollgrenze umgeben werden.

Der Herr Abg. Richter hat weiter gesagt: „Mustern Sie die Liste der Interessenten in dem Zabel’shen Adreßbuch: die Aktionäre der Zuckerfabriken sind die reichsten Leute“. Das ist die Profcriptions- liste, die ih bereits in einer bekannten Berliner Zeitung gefunden habe. (Heiterkeit.) Es ift dabei nur ein Irrthum untergelaufen : es End unter die reihften Leute auch solche gerechnet, die nihts sind als Vorsteher von Fabriken, Direktoren des Aufsichtsraths; ja, es ist sogar einer darunter, der ein ganz bekannter Gegner diefes Gesetz- entwurfs ist. Der Herr Abg. Richter bat es nun aber fo dar- gestellt, als ob die Aktionäre der Zuckerfabriken wenige Leute wären, die alle in den glücklihsten Verhältnissen sich befinden. Ich habe hier nun eine ganz spezielle Statistik von 158 Fabriken, woraus sich er- giebt, daß 17 Fabriken sind mit 2374 Aktionären, 21 mit 2675, 93 mit 3509 Aktionären, 24 Fabriken mit 3965 Aktionären u. f. w. Glaubt der Herr Abg. Richter, daß das alles reiche Leute find? (Heiterkeit rets.) Soviel reiche Leute giebt es ja gar niht. (Heiter- keit.) Das wird mir der preußische Herr Finanz-Minister mit größtem Bedauern bestätigen. Außerdem kommen zu diesen Aktionären noch Tausende von NRübenlieferanten, die an dem Gedeihen der Zudcker- industrie ganz ebenso betheiligt sind, wie die Aktionäre.

Der Herr Abg. Richter hat ferner ausgeführt um nachzuweisen gestern hat er gesagt wie „leiht“, in der Presse stand, wie „leichtsinnig“ wieder diese Vorlage ausgearbeitet sei, daß bei der

sei, wie beim Branntwein von der Shlempe. Auch das ist fals; wenn der Herr Abg. Richter sih mehr auf dem Lande bewegt hätte, so würde er wissen, daß die Schnißel zwar ein sehr nüßliches Futter bilden, aber nur für den, der so nahe an der Fabrik wohnt, daß die Transportkosten für die Sthnißel überhaupt noch lohnen. (Sehr richtig! rechts.) Liegt die Fabrik zu weit, so bleibt der Ertrag \ozu-

berechnung nit einstellen. Ganz anders if das mit der Sclempve, die erzeugt wird in der Fabrik, die zu dem einzelnen Gute gehört ; und auch da hat der Herr Abg. Richter Unreht, daß die Schlempe | nicht berücksichtigt werde. Denn wenn er die Güte hätte, die Motive u dem lezten Branntweinsteuergeseß anzusehen, fo würde er daraus finden, daß ganz ausdrücklih bei der Berehnung der Herstellung ines Hektoliters Spiritus auf Seite 28 der Motive gefagt wird: Nach Abzug des Futterwerths der Schlempe mit 0,30 4 für den Zentner verarbeitete Kartoffeln = 5,40 M,

hauptung ift unrichtig. Herr Abg. Richter hat ferner gesagt, ich bâtte darauf hingewiesen, das wäre Spekulation, daß jeßt die Preise des

Nein, meine Herren, Spekulation kann etwas Unsittliches fein, sie ist sehr oft etwas Unsittliches, aber sie brauht niht immer un-

Behauptung, den jeßigen Hochstand der Zuckerpreise für ein spekulatives Manöver gegen das Gelingen dieses Gesetzes ansebe,

Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat gestern den Bericht

sie hier vom Reichs-Schaßsekretär dargestellt würden. Ich wünschte

war, und ich will ihn jeßt verlesen. (Heiterkeit rechts.) Da heißt es: Die kriegerishen Ereignisse können jederzeit wesentliche Ver- änderungen zu Gunsten oder zum Nachtheil der Zuckerernte zur Folge haben, sodaß jede Schäßung nur momentan annähernd richtig ist und dur die nahfolgenden Thatsachen widerlegt werden fann. Das sagt der sahkundige Mann, auf den sich der Herr Abg.

habe. In den cubanishen Verhältnissen liegt ein unsiherer Faktor;

form der Zuckersteuer bei uns nicht nothwendig sei. Der Herr Abg.

einstimmig abgelehnt; das stehe heute schon feft. Ich habe keine

‘feilerung des Zuders und hat daraus deduziert, daß der Konsum des

: Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoh, den 4. März

Spahn gestern im Namen der Zentrumsêpartei über diese Steuer ab- gegeben hat. Wir werden uns ja in der Kommission über diese Frage eingehend unterhalten. Gs ift ferner gestern von Herrn Abg. Richter gelagt worden :

Der Verein der Zuckerfabrikanten verlangt eine Fixierung “der Mekhrsteuer auf 4 4 Das ist undurchführbar; denn wenn Zucker- vorräthe auf das nächste Jahr übertragen und dann erst exportiert werden, fo würde ein großes Loch in der Staatskasse entstehen. s Meine Herren, das muß auf einem Mißverständniß des geehrten

Herrn Abgeordneten beruhen; denn der Gedanke des Zukervereins ist der, daß niemand mebr zurückzabhlen foll, wie er bekommen hat. Wenn er also 4 #4 bekommen hat für das Superkontingent, so muß er au 4 4 zurückzahlen, und dann ift es ganz glei, welher Vorrath auf das nächste Iahr übertragen wird; ein Loh in der Staatskasse kann dadur nit entstehen, sondern vielleiht nur dadur, daß mehr Naffinade als bisher zur Ausfuhr gelangte.

Es ift ferner behauptet: s{ließlich müßte der Bundesrath, um den wechselnden Bedürfnissen des Auslandes zu genügen, alle Jahre die Kontirgentierung neu feststellen. Das verstehe ih faktisch nit; es find doch nur zwei Fälle möglih: entweder die Produktion bleibt binter dem Kontingent zurück, dann liegt keine Veranlaffung vor, das Kontingent böber zu normieren, oder die Nachfrage wird durch günstige Auslandskonjunkturen so groß, daß in erbeblihem Maße Superkontingent produziert werden muß, dann steigen aber auch die Preise, und dann wird das Superkontingent sehr wohl auch die eventuelle Verpflichtung der Rückzahlung der Prämie tragen können.

Meine Herren, es ift ferner gesagt das war auf die kleinen Leute berechnet' —: „die Nachfrage nach Nüben wird vermindert durch die Kontingentierung und man wird zunächst die Kaufrüben weniger nehmen und selbft Rüben bauen.“ Ich babe gestern {on ausgeführt : wenn die Aktienfabriken wirklih in der Lage wären, aus ibren eigenen Ländereien und denen ihrer Aktionäre ihren Bedarf an Rüben zu decken, fo würden fie niht daran denken, Rüben zu kaufen und würden es auch in Zukunft niht thun, ob mit Kontingent oder ohne Kontingent; die Kontingentierung hat gar keinen Einfluß auf das Angebot und die Nachfrage auf dem Weltmarkt. h

Herr Richter hat endlich angeführt: „Es wird die Legende aufrecht erhalten, als ob man si vorbehalten bätte, die Prämien wieder zu erböben; wenn die anderen Staaten dieselben nicht abschaffen. Das gerade Gegentheil ift damals in der Begründung ausgesprochen wordén.“ Und dann fügt der Herr Abg. Richter hinzu: Der damalige Schatzsekretär hätte bei den ferneren Verhandlungen, um das Gesez noch zu retten, gesagt, man könnte später einmal auf die Prämien zurückfommen. Meine Herren, die Legendenbildung liegt nicht auf Seiten der Regierung. Ich lasse es anheimgestellt, wie diese Legende entstanden ift; ich glaube, wir können die Wahrheit urkundlich ermitteln. In der Begründung der Zuckerfteuernovelle von 1891 heißt es:

Die Konkurrenzfähigkeit unseres Zuckers bängt davon ab, wie sich die gesammten Bedingungen seiner Produktion im Verbältniß zu den Bedingungen der Zuckerproduktion und Ausfuhr der übrigen betheiligten Länder ftellen. Eine Unfähigkeit zur Konkurrenz gegen- über dem Zucker von Prämienländern könnte für unsere Industrie nur in so weit eintreten, als die Zuckerindustrie jener Länder ohne die Prämien, oder ohne deren vollen Betrag ebenjo günstig produziert und erportiert, wie die prämienlose deutshe Zuckerindustrie. Nur eine derartig fituierte fremde Zuckerindustrie würde in dem vollen Betrage der Prämien oder einem Theile derselben einen reinen Borsprung vor der deutshen Zuckerindustrie genießen.

Ih glaube also, dem Verfasser diefer Begründung ift die Situation vollkommen klar gewesen, und das behaupten wir ja gerade, daß unsere Konkurrenten jeßt annähernd fo günstig produzieren wie wir, daß sie seit Erlaß jenes Gesetzes ganz außerordentliche technische Fort- schritte zu unseren Ungunsten gemacht haben, und endlich, daß ein wichtiger neuer Faktor die Erhebung des amerikanischen Werthzolls ist, der natürli auf niht prämiierten Zucker ganz anders wirkt, wie auf den prämiierten. Der Staatésekretär des Reihs-Schatzamts hat damals auch über seine Auffassung zur Sache, niht erft um das Gese im späteren Stadium zu retten, sondern glei bei der ersten Berathung des Gesezes keinen Zweifel gelassen. Er hat {on bei der erften Berathung am 12. Dezember 1890 gesagt:

Wir glauben allerdings, daß, wenn Deutschland diesen Schritt thut, die anderen Staaten, die bei der Zu cker- produktion betheiligt sind, diesem Schritt folgen werden im wohblverstandenen eigenen Interesse, und wir geben, da wir Ihnen vorschlagen, für die Uebergangszeit beim Export von Zucker feste Zuschüsse zu gewähren, die Mittel noch nicht aus der Hand, auch auf die Beschlüsse der betheiligten anderen Staaten unsererseits zu wirken. Wir be- balten um einen bekannten Volksausdruck zu be- nußzen mit der Einführung von festen Prämien unseren Nachbarn gegenüber Ball und Stock noch immer in der Hand.

Meine Herren, das is doch ganz klar, daß hieraus zweierlei hervorgeht : erstens, daß damals die verbündeten Regierungen ich der Hoffnung hingaben, unsere Konkurrenzstaaten würden die Prämien abschaffen, und daß das eine Voraussezung für die Abschaffung unsererseits wäre, und daß sih die verbündeten Regierungen ferner vorbebielten, wenn sich diese Vorausseßungen n iht erfüllten, ihrer- seits mit den erhöhten Prämien wieder ‘vorzugehen. (Hört, hört 1 rechts.)

Der Herr Abg. Richter hat ferner hingewiesen auf die Verwohl-

Zuckers auf das engste zusammenhängt mit dem Preise desselben. Herr Abg. Richter, ich will Ihnen das hier einmal in gewissem Grade zugeben ; aber wenn Sie die Folgen loben, müssen Sie auch die Ursachen als berechtigt anerkennen. Warum konnte der deutsche Zucker so billig werden? Weil durch den starken nationalen Schuß,

1896.

E =

unsere Zuckerinduftrie zu ungeahnter Höhe emporbob. (Sehr richtig! rechts.) Wenn man sich also defsen freut, daß der Zucker so billig geworden ift, so hat man, glaube ich doch, wenn die Industrie, die sich dieses Verdienst erworben hat, in eine gefährdete Lage zu kommen im Begriff ist, das Recht zu verlangen, daß man auch wieder mittels der Allgemeinheit ihr bis zu einem gewissen Grade helfend zur Seite stebt.

| Es ist auch, wohl um auf die einzelstaatlihen Herren Finanz-

Minister cinen gewissen Einfluß zu üben, darauf hbingewiesen, welch kolossalen Ausfall die Reichskasse erleiden könnte, wenn der Konsum um 2 Millionen zurückginge. Unser Gesammtkonsum beträgt nun etwas über 6 Millionen Doppelzentner. Zwei Millionen Doppel- zentner hieße also nichts Anderes als: unser Konsum könnte um 33 9/5 zurückgehen. Ich glaube, der Herr Abg. Richter hat diese Zahlen wobl als dialefktisches Moment gegeben; aber fo hwarze Befürchtungen begt er selbft nicht.

i Meine Herren, ih kann hiermit \{ließen, und zwar mit den- selben Worten, mit denen der Herr Abg. Richter ges{lo}sen hat. Er sagte:

Wer es wirklich gut meint mit der Zuckerindustrie und der Landwirtbschaft, der vereinige sch mit uns, um ein \solhes Geseß unmöglich zu machen.

| I ch sage: Wer es wirklich gut meint mit der Zucker- industrie und der Landwirthschaft, der vereinige \ich mit den verbündeten Regierungen, um die unfruhtbare Wirthschaftspolitik des Herrn Abg. Richter unmöglich zu machen. (Wiederholtes lebhaftes Bravo rechts, in der Mitte und bei den Nationalliberalen.)

__ Abg. Bock-Gotha (Soz.): Die Zuckerindustrie leidet unter einer vorübergehenden Preisreduktion, die eine Folge der Ueber- produktion is. Seit Jahren sind den Zuterfabrikanten foloffale Prämien zugewendet worden, und Herr von Puttkamer hat ja seine Bereitwilligkeit erklärt, die Zuckerprämien anzunehmen. Der Minister von Hammerstein hat so gesprohen, als ob die ganze Welt untergebe, wenn die Prämie für den Rübenzucker niht bewilligt wird, weil au einige Maschinenfabrikanten u. st. w. von den Zuckerfabriken beschäftigt werden. Das ist {ließlich bei jeder Industrie der Fall. Gegen die Erböbung der Zudckerverbrauchsabgabe wenden sich aber die Petitionen der Lebküchler, die erst durch die Erhöhung tes Honig- zolls geshädigt sind. Das Landes - Oekenomie-Kollegium hat aller- dings in Gegenwart Seiner Majestät den Zuckersteuerentwurf in einigen Stunden durhgearbeitet. Aber der Standpunkt der Konsu- menten is gegenüber dem der Fabrikanten noch nit zur Geltung gekommen. Graf Bismarck folgte den Spuren feines Vaters, indem er den Zucker als ein Genußmittel bezeichnete, während er doch ein Nahrungsmittel ift. Es ift allerdings traurig, daß wir in Deutsch- land, wo der meiste Zucker produziert wird, den geringsten Konsum haben. Die Steuererhöhung würde den Zuckerverbrauch für eine Familie um 3 4 vertheuern. Wenn ein Arbeiter zu einem der Herren Zuckerfabrikanten ginge und ihm die 3 M anbieten würde, um thn aus seiner Nothlage zu befreien, so würde der Fabrikant ihn wohl zurückweisen; aber auf dem Umwege der Steuer \{hämen sie sich niht, aus den Taschen der Aermsten eine solhe Staatshilfe an- zunehmen. Graf Posadowsky fragt, was wir der Landwirthschaft geschenkt haben. Die Regierung s{chenkt der Landwirthschaft auch nihts, sie schenkt ihr das Geld der Steuerzahler.. Die Herren von der Rechten und die Zukerindustriellen haben keinen Dank der Land- wirthshaft verdient; denn in meiner Heimath giebt es da, wo Zuerfabriken bestehen, keine kleinen Landwirthe; die Nübenlieferanten sind alle Großbauern und namentlich Domänen, die durchaus niht in einer Nothlage sich befinden. Die Arbeiter der Zucker- fabrifen werden ins Feld geführt. Allerdings, die Arbeiter sind die einzigen Notkleidenden in der Zuckerindustrie; das zeigen die Fabrik- inspektorenberihte. Die niedrigsten hne, die schwerste Arbeit, die längste Arbeitszeit, die {wersten Unglücksfälle finden sih in den Zuckerfabriken. Liebesgaben werden den Branntweinbrennern und den Zukerfabrikanten gewährt, auch den Eisenindustriellen werden böbere Schienenpreise bewilligt, als sie der Markt rechtfertigt; aber den Arbeitern bringt man keine Gaben, troßdem man von ihnen des Dankes sicherer wäre. Vor diesem Gesegentwurf hat die Regierung sih wohl nicht die Frage vorgelegt, wie er auf die Sozialdemokratie einwirkt. Wir können mit dieser Politik sehr zufrieden sein; die Bauern werden keinen Vortheil davon haben, aber wir werden profitieren durch die wachsende Unzufriedenheit.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.): Wenn ih wmich auch in der Sorge um die Konsumenten mit dem Vorredner begegne, fo halte ih mich doch niht für berufen, die Vorlage ohne weiteres zu verwerfen. Bei der Zuckerindustrie handelt es sich um Millionen von Existenzen, für die wir ebenso sorgen müssen wie für die Arbeiter. Wenn er für die Arbeiter der Zuckerfabriken sorgen wollte, dann müßte er den Zucker- fabrikanten das Recht zu klagen erst nehmen. Besser wäre es gewesen, mit dieser Vorlage jeßt nicht behelligt zu werden, weil ja der Hauptpunkt der Begründung, die niedrigen Preise, beseitigt sind. Dafür allerdings muß geforgt werden, daß die Prämien beseitigt werden; in diesem Sinne acceptiere 1h es, daß die Vorlage eine vorübergehende Maßregel sein soll; aber es muß dann auch eine Frist bestimmt werden, um uns niht für alle Zukunft zu binden. Der Prämiensaß von 4 Æ is für mich unannehmbar. Auch die Verbrauchs\teuererhöhung von 18 auf 24 4 ist zu hoch vom Stand- punkte des Konsumenten. Wenn der Zuckerpreis früher ein böberer war, so folgt für mich noch nicht, daß der Preis wieder so bech fommen müffe, weil durch eine Preissteigerung die Zunahme des Verbrauchs namentlich auch zu industriellen Zwecken, zu Konserven, Chokoladen u. \. w. verhindert würde. Wenn die Vorlage als ein Kampfmittel betrachtet wird, so glaube ih, die Waffen sind stumpf. Denn wenn Oesterreih seine Prämien erhöht, fo kommen wir dadur wirth\caftlich mit ihm in Kampf, und politische Bundes- genossen sollten sich nicht wirthschaftlih bekämpfen. Und Frankreich dürfte bei seinem geringeren Export diesen Krieg länger aushalten als wir. Der Zuckerindustrie will ih helfen, aber nicht durch erx- orbitante Preis\teigerungen ; denn es \teht niht einmal die ganze Pu industrie binter dieser Vorlage. Süddeutschland ist niht so erheblich an der Vorlage betheiligt; es hat aber doh das Interesse seines Vieh- absazes an die Rübengegenden. Zu befürchten ist, daß die Kontingen- tierung gerade die kleineren Rübenbauer treffen wird und daß die Neichskasse einen Ausfall erleide, der namentlich den Einzelstaaten zur Last fallen wird. Deshalb wünsche ih eine Zom ae una, Mit seinem Hinweis auf die Branntweinsteuer hat Graf Bismark seiner Sache keinen besonderen Dienst geleistet ; denn {hon der Name dessen, der das ausgesprochen hat, wird niht überall im Süden günstig aufgenommen. Wir könnten fonst auch eine Gegenrehnung aufmachen. Aber für die Landwirthschaft haben wir ein Interesse, und damit ist mir meine Stellungnahme gegeben.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen. Schluß 51/3 Uhr. Nächste Sißung Mittwoh 1 Uhr.

den der Zucker unter der Materialsteuergesezgebung genoß, fich eben

(Fortsezung der ersten Berathung der Zuckersteuervorlage.)