1896 / 73 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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wechselt Koalitionsfreibeit und Verleihung der Korporationsre{te. Den Nereinen, wele lediglih auf den Strike hinauskommen, will ih keine Korporationsrete gegeben wissen. Die Partei, welcher der Abg. Hüpeden angehört, ift durhaus nicht bereit, in friedliher Weise vorzugehen ; es giebt Elemente in derselben, die bedenklihe Tendenzen verfolgen. Redner bedauert, daß der Bundesrath sih über diese Frage noch nit \{lüssig gemacht habe.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Die Ausführungen des Herrn Abg. Wurm geben mir keinen An- laß zu einer Bemerkung. Dagegen möchte ih noch gegenüber den Ausfübrungen des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm wir ein Wort gestatien. Herr von Stumm hat der Regierung den Vorwurf ge- macht, daß sie auf dem Gebiete der Organisation der Berufsvereine noch niht zu einem Ents&lufse gekommen ift. Er übersieht dabei, daß der Bundeërath einen solhen Entschluß erst faffen kann, wenn ibm irgend eine Vorlage zugeht. Das ift bis jeßt von keiner der

- verbündeten Regierungen gesheben, und au von seiten des Reichs-

tags if dem Bundesrath ein Antrag auf diesem Gebiete noch niht zugegangen. Wenn Herr Abg. von Stumm dann ferner gemeint hat, daß cine fraftvolle Regierung, wie er \sich ausdrüdckte, auch dann, wenn die Sache innerhalb des preußishen Staats- Ministeriums zur Berathung gekommen sei, in dieser genugsam ventilierten Frage eine feste Stellung hätte nehmen müssen, fo weiß er doch wahrscheinlich nicht und konnte es nicht wissen, daß au im preußischen Staats-Ministerium ein Antrag auf Erlaß cines Gesetzes über die Organisation der Berufsvereine bis auf diese Stunde nicht gestellt i. Wenn ih vorhin von einer Be- \sprehung im Schooße des preußishen Staats-Ministeriums geredet habe, so bezieht si das darauf , daß die Frage der Organisation der Berufsvereine gestreift worden ist, bei Gelegenheit der Berathungen über den Erlaß eines allgemeinen Vereinsge\seßes für Preußen. So liegt die Sache.

Ich hoffe bierna, daß der Herr Abg. Freiherr von Stumm er- kennen wird, daß er nicht nöthig hatte, einen folchen Angriff auf die Regierung zu machen, und ich hoffe weiter, daß er der Regierung die werthvolle Unterstüßung, die er ihr bisher in so wirksamer Weise geleistet bat, au ferner nicht vorenthalten wird.

Abg. Hitze (Zentr.): Meine Interpellation hätte der Regierung wobl Anlaß; geben können, fich über die Frage der Berufsvereine, in

Bezug auf wel®&e wir eine andere Stellung einnehmen als Herr von Stumm, \{lüssig zu machen.

Zu diesem Etat liegt ein Antrag des Abg. Sachße (d. kons.) vor :

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, in den Reichs- bausbalts-Etat für 1897/98 50 0090 zur Unterstüßung für Hand- werkershulen im deutshen Reichsgebiet einzustellen.“

Abg. Frigen (Zentr.): Die Schulen gehören zur Kompetenz der Einzelstaaten; wie soll das Reich die Unterstüßung gewähren? Soll es selbst das Bedürfniß prüfen, oder soll es sich dabei auf die Landeëregierungen verlassen? Ich bitte das Haus, den Antrag nicht anzunehmen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Ich wollte mir nur erlauben, einen Irrthum des Herrn Vorredners zu berihtigen. Das Reich hat entgegen der Anführung, die er gemacht hat, allerdings {on gewerblihe Schulen unterstüßt. Es ist das in solhen Fällen geschehen, in denen die betreffenden Schulen eine Bedeutung, die über das territoriale Gebiet des Landes hinausging, besaßen. Es is in jedem Falle, bevor eine solche Unterstüßung erfolgte, sorgfältig geprüft worden, ob es sih dabei lediglich um ein Landesinteresse handelt, oder ob man ein Reichéinteresse bat kenstruieren können. Ergab fi bei dieser Prüfung das lettere, so hat das Reich aus dem Dispositionsfonds des Reichskanzlers Unterstützungen eintreten laffen. Diese Unterstüßungen werden aber jeßt niht mebr gewährt werden können, weil der Dispositionefonds des Herrn Reichskanzlers durch anderweitige Ausgaben so erbeblich belastet ift, daß er für diese Zweck…ke Mittel nicht hergeben kann; und deshalb baben die An- träge, die neuerdings an die Reichsverwaltung gestellt find auf Bewilligung folher Subventionen, abgelehnt werden müfsen. Es liegen allerdings Anträge vor, die niht unberechtigt find. Es liegt beispiels- weise ein Antrag vor zur Subventionierung der im Königreih Sachsen in Freiberg ctablierten Gewerbeshule. Da wird uns beispielsweise nachgewiesen, daß diese Gewerbeschule zu einer bestimmten Zeit nur 4 9% Sachsen cufgewiesen bat und daß die übrigen Schüler sämmtlich aus den übrigen deutschen Bundesftaaten sammten. Es würde also, glaube ich, sh sehr wohl rechtfertigen laffen, wenn man felche An- ftalten, die, wie gesagt, über den Kreis des territorialen Interesses hinausgehen, fofern fie überhaupt subventionsbedürftig sind und soweit fe einen Zweck verfolgen, der von Reihs wegen gefördert werden soll, durch cine Subvention berücksichtigt; und dazu würden wir, wie gesagt, gern mitwirêen. Jh stehe vom Standpunkt meiner Verwaltung aus der Resolution freundlih gegenüber; ob aber mein Herr Kollege vom Schazamt nicht seine Bedenken dagegen hat, das ift eine andere Frage.

Abg. Merbach (Np.) tritt für den Antrag ein und bofft, dak die Handwerkerfreundlihkeit des Zentrums dasfelbe über die formellen Bedenken hinwoegbringen werde.

Der Antrag wird gegen die Stimmen der Konservativen und Nationalliberalen H tirte

Bei den Ausgaben für die Behörden für die Unter- suchung von Seeunfällen kommt

Abg. Metzger (Soz.) auf die zweite Berathung zurück und bält seine Behauptung aufrecht, daß die Auswandererschiffe mit einer zu

Redner macht

Mittbeilungen über die Besetzung einzelner Schiffe. Die Beschäftigung der Chinesen als Koblenzieher werde mit der Humanität begründet. Diese Humanität mache sih sehr gut bezahlt, denn europäische Kohblen- j 1 5959—60 Æ monatlih, die Chinesen aber nur 28 M weift auf das Telegramm des Reichskommissars bin,

2 Absicht, die Inspektion vorzunehmen, ankündigte.

Staatssefkret des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorre ift wieder auf die Klage zurückgekommen, die er bezüglih de : und Auêrüstung unserer Auswanderungs- schiffe bei Gelegenbeit zweiten Lesung vorgebracht hat. Seine Informationen, auf Grund deren er heute seine Bemerkungen gemacht bat, seinen ja vollständiger zu scin und einen größeren Anspruch auf Autorität zu baben, alé das bei In

bei den früheren Informationen der Fall war. Allein, meine Herren, diese Informaticnen, sofern der Herr Vorredner, wie ih nit anders vo |

rauésetze, rihtig referieit hat, timmen durchaus nit überein mit ten amtlien Erhebungen, welche ih nach seiner früheren Rede angestellt habe. Œs lag ja in der Natur der Sache, hon um der Beruhigung des Publifumé willen,

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das bei der Benußung unserer Auswandererschiffe interessiert ift —, ?

daß ih sofort Veranlaffung nabm, die Reichs-Kommifsarien für das Auêswanderungswesen zu einer Aeußerung darüber aufzufordern, ob die Bemängelungen, die bezüglih der Ausrüftung und Bemannung unserer Schiffe der Herr Vorredner vorgebracht batte, au wirkli thatsählich begründet seien. Ich habe nun hier den Bericht des Neichës-Kommissars in Hamburg zur Hand, und der ergiebt denn doch ein wesentlih anderes Bild, als es der Herr Vorredner uns vorgeführt hat.

Ih will dem Herrn Vorredner nah dem Gang {feiner eigenen Bemerkungen antworten , und will zunächst die Frage berühren, wie es mit der Bemannung der Schiffe steht, und wie es namentlich steht mit dem Verbältniß der bootskundigen Leute zu den nicht boots- kundigen Leuten auf den Schiffen. Ich habe nit die sämmtlichen Bootsrollen, die der Herr Vorredner zur Hand zu haben schien, vor mir; aber die eine Bootsrolle liegt mir vor, die erfte, von der der Herr Vorredner sprach, das ist die Bootsrolle der „Persia“, und aus der ergiebt sich die Zahlen hat der Herr Vorredner zutreffend vorgeführt —, daß auf diesem Schiff bootskundige Leute 74 vorhanden sind gegenüber 8 bootsunkundigen Leuten. Das macht zusammen einen Personalbeftand von 82, und der Herr Vorredner hat nun be- mängelt, daß dieser Personalbestand nicht die Ziffer erreihe, welche auêweiélih unseres Handbu(s die „Persia* an Mannschaften führen soll. Dabei hat der Herr Vorredner eins übersehen, und das ist das, daß der Mannschaftsbestand, wie er im Handbuch aufgeführt ift, feineëwegs der Mannschaftsbestand ift, der unter allen Umständen geführt werden muß, sondern es is der Normal-Mannschaftsbeftand, der sih reduziert und modifiziert nah Maßgabe des Bedarfs, wie er ih für jede einzelne Reise herausstellt. Wenn in einem Auswanderer- {if wenig Passagiere befördert werden, so werden auch wenig Bedienungsmannschaften für die Passagiere nothwendig, und fo ist es auch bei der „Persia*, auf welde sih die Bootsrolle bezieht, der Fall gewesen, daß das Personal der Bedienungsmannschaften bat reduziert werden können.

Weiter aber, meine Herren, wenn wirklich auf der „Persia“, wie sih aus dieser Bootsrolle ergiebt, 74 bootskundige Leute im Dienft waren, und wenn wirklich, was sih allerdings aus der mir vorliegenden Bootsrolle nicht ergiebt, 14 zu bedienende Boote an Bord sich befinden, so kommen nahezu sechs bootskundige Per- sonen auf jedes Boot. Es ist also eine Uebertreibung, wenn der Herr Vorredner die Meinung ausgesprochen hat, daß diese Zahl nicht aus- reie, um die sahgemäße Bedienung der Boote sicher zu stellen.

Weiter hat der Herr Vorredner von den Bootsmanövern selber gesprohen und in Wiederholung seiner früheren Ausführungen ge- meint, daß in dieser Beziehung der Zustand auf den Schiffen unserer deutshen Rhedereien außerordentlih viel zu wünshen übrig lasse. Ih möchte, damit meine Ausführungen durchaus jeder subjektiven Färbung entfleidet werden, mich darauf beschränken, den Herren vor- zulesen das, was über diesen Punkt der Reichskommissar sagt, der doch {hon Jahre bindurch mit den Verbältnifsen, vermöge seines Amts, vertraut geworden ift. Er sagt:

Die Aussetvorrichtungen variieren allerdings je nah dem Er- bauungsjahr der Schiffe und nah den Rhedereien; doch ist überall ein s{hnelles und siheres Zuwasserlafsen der Rettungsboote durh diese gewährleistet, soweit nicht zu anormale Seeverbältnisse: ftarkes Ueberliegen des Schiffes, shwerer Seegang u. dgl. vorliegen. Die neueren Damvfer, namentlih die der Hamburg-Amerika-Linie, leisten geradezu Außergewöhnlihes in Bezug auf fofortige Bereitschaft und schnelles Aussezen der Rettungsboote. Die Schnelldampfer sowie die neueren großen P-Dampfer dieser Linie: „Persia“,

„Patria“, „Palatia“, bringen die Boote in allerkürzester Zeit

zu Wasser. Die Boote f\tehen bei diesen Schiffen stets derartig bereit, daß nur ein Handgriff nöthig wird, um die äußeren Klampen niederzuklappen, und find die Boote dann ohne ein vorhergebendes, langwieriges und Menschen und Zeit erforderndes Anlüften der Taljen schon bereit zum Aufshwingen.

Weiter heißt es:

Bei den Revisionen des Reichékommifsars werden die Boote aus- geshwungen und auf sofortige Bereitschaft sowie Brauchbarkeit in Bezug auf Inventar, Material, Proviant und Wasser geprüft.

Meine Herren, Sie werden aus diesem Bericht des Herrn Neichékommifsars entnehmen, nit allein, daß eine wirksame Kontrole über Bemannung und Ausrüstung der Schiffe geführt wird, sondern auch, daß die Rhedereien selbst bemüht sind, alle Vorrichtungen zu treffen, welhe zur Sicherheit für Leben und Gesundheit der Passagiere irgendwie getroffen werden können.

Wenn der Herr Vorredner nun das will ich zum SWhluß sagen mit großem Behagen auf das von ihm verlesene Telegramm, mittels dessen der Reichskommiffsar in Bremen sich zur Inspizierung eines Schiffes angemeldet hat, hinwies, so muß ih doch sagen, ich bâtte erwartet, daß die von einer Zeitung nicht unzutreffend als sozialdemokratischer Reinfall bezeihnete Kritik dieses Telegramms (sehr gut! oh!) bier niht von neuem vorgebracht werden würde. Was verlangen Sie denn? Sie haben in Parallele gezogen die Inspizierung ines Pafsagierbeförderung bestimmten und zur Abfahrt na

erseeishen Hafen bereit liegenden Schiffes mit der JIn- vizierung einer Fabrik durch den Gewerbeaufsihtsbeamten. Man fann faum zwei Dinge finden, die zu so verihiedenartigen Zwecken vorgenommen werden, als diese beiden. (Sehr rihtig! oh! In dem einen Fakl soll nahgewiesen werden und der Gewerbe- auffihtsbeamte soll fontrolieren, ob die Vorschriften der Gesetze und Verordnungen in dem betreffenden Fabrikbetriebe gehandhabt werden : im anderen Falle foll der Reichskommifsar kontrolieren, daß das Schiff nicht eber abgeht, als bis afle diejenigen Einrichtungen ordnungs- mäßig getroffen sind, die dazu dienen, Leben und Gesundheit der Paffagiere ficher zu stellen. Und nun, meine Herren, ob der Reihs- kommiffar fi vorher angemeldet hat oder nicht, das ift für diesen Fall vollftändig gleihgültig. (Zustimmung) Denn wenn der Reichskommifsar \ch nicht angemeldet hâtte und bätte das Schiff niht in Ordnung gefunden, was wäre tdie Folge gewesen? Er hätte weiter nichts thun fkönnen, als die Rhederei dazu anhalten, daß fie die unvollständigen Ein- rihtungen rervollständigte und den Anforderungen genügte, wele die Rbedereien zu beobachten haben, um ihre Schiffe gehörig zu bemannen und auszurüsten. Also, meine Herren, wie man aus dieser Thatsache, daß der Reichékommissar sih angemeldet hat, irgend einen Vorwurf erbeben fann, wie man das als ein abgefartetes Spiel, als Komödie hinftellen fann, das ift mir vollständig unerfindlich. Jch bätte im Interesse des Herrn Vorredners gewünscht, daß er ih niht die

er möge mir verzcißen Blêße gegeben hätte, auf diese Behauyty auch reinzufallen. Meine Herren, die Sache liegt ganz einfag j,.

- , . . . 7 1, der Reichskommissar kontroliert, ob alles in Ordnung ift. Zu welder Zeit es in Ordnung gebracht wird, if ganz gleihgültig, wenn es nur vor der Abfahrt in Ordnung gebraht wird. Und wenn Wi Reichskommifsar sh vorher anmeldet, fo is das nicht allein eine Maßregel der Vorsicht, als welhe man es vielleicht bezeihnen könnt, sondern es ift geradezu eine nothwendige Maßregel für den Fall daß er Bootsmanöver vornehmen lassen will; denn, wenn er \ih ver, her nicht angemeldet hat, riéfiert er, daß ein Theil der Mannschaft, beurlaubt ift, und daß aus der Kontrole der Bootseinrichtungen abso[z nihts werden fann. (Sehr rihtig !)

Also, meine Herren, wenn Sie künftig der deutshen Rheders;

und der mit dem Seewesen betrauten Verwaltung wieder etwas an, hängen wollen, seien Sie vorsihtig und fallen Sie niht zum zweiten Mal rein! (Lebhafter Beifall. Widerspruch bei den Sozial, demokraten.) __ Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) tritt den leßten Ausführungen des Staatz, sckretärs bei. Vor dem Untergang der „Elbe“, führt Redner au baben die Bootsmanöver nicht fo zahlreih stattgefunden und di Schiffsmannschaft war nichi stark genug; da hat man früher gespart. Der Norddeutsche Lloyd spart gern; früher befanden sich in den Häfen, welche die Lloyddampfer anliefen, Vertrauenêpersonen, wel{he tj: Löschungen und Ladungen überwachten. Jeßt werden die Stißs, offiziere damit betraut. Der Lloyd kauft übrigens australises Fleis für die Ernährung der Paffagiere, zum Schaden der deutschen Fleis produktion. Redner stellt in Ausficht, daß er seine Resolution üb diese Frage im nächsten Jahre wieder einbringen werde, und bitt um die Unterftüßung der Sozialdemokraten. i:

__ Abg. Frese (fr. Vgg.): Der Vorredner beschwert si über di: niedrigen Löbne der Swbifféoffiziere, ohne seine Beshwerden dur Zahler zu belegen. Ueber niedrige Löbne in der Landwirthschaft hat er si no& niemals beshwert. Die Schiffe, fährt Redner fort, können doc nitt deutsches Fleis in solhen Mengen mitnehmen, daß sie au für di: Rückreise noch genug haben. Da könnten die Pafsagiere si beklagen. Solche Ausfübrungen zeugen von wenig Sachkenntniß. Auf ta „Havel“ wurde ein neues Patent für das Herablafsen der Boote ver wendet und der Kommissar wollte dieses Patent prüfen; da kann er doch niht das Manöver vornehmen lassen von Scheuerleuten, wel an Bord anwesend waren, die aber die Reise nit mitmachen; & mußte dazu die Mannschaft an Bord haben. _ Werden europäisde Koblenzieber verwendet, dann jammert man über diese menshen unwürdige Beschäftigung; werden Chinesen verwendet, so flazt man über die niedrigen Löhne. Der Norddeutsce Lloyd wird é also den Sozialdemokraten niemals recht machen. :

Beim Etat des Kaiserlichen Gesundheitsamts be antragen die Abgg. von Podbielski (d. kons.) und Genossen:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, für die sofortige Einrichtung von Versuchsanftalten zur gründli@en Erforshung der Maul- unt

Klauenseuhe von Reichswegen und bei den einzelnen Bunde&-

staaten Sorge tragen zu wollen.“ : ;

Abg. Graf von Bernstorff - Uelzen (b. k. F.) empfieblt die Annabme: des Antrags, dessen Ausführung nur wenig Geld erfordern werde, da es sich hier um die Bekämpfung eines gefährlichen Feindes der deut hen Viehzucht handle. i ; :

Abg. von Podbielski empfiehlt ebenfalls dringend den Antraz

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! In Bezug auf das Ziel, das diese Resolution anftrebt, kann ich das Einverständniß der verbündeten Regierunger im vollsten Maße autsprehen. Da bandelt es fich in der That, wi: Herr Graf von Bernstorff hervorgehoben hat, um einen sehr per- nüßtzlihes Werk ist. Jch bin bloß zweifelhaft, ob die Form der Re- solution gerade si zur Annahme empfiehlt. Daß man bisber {hon auf dem Gebiete der Erforshung des Stoffs, durch den die Maul- und Klauer- seuche hervorgerufen respeftive übertragen wird, nit müßig gewesen if ist ja den Herren bekannt. Der Königlich preußische Herr Landwirtt- shafts-Minister hat {hon einmal eine Preiëaufgabe nach dieser Richtung hin gestellt ; damals ift die Sache resultatlos verlaufen, un er bat darauf einen zweiten Preis ausges{rieben für denjenige welcher die beste Lösung der gestellten Aufgabe bringen wird. Verkündung des Urtbeils soll aber erft am 1. Juli 1897 stattfinden, und ih begreife es, daß die Vertreter unserer Viehzucht ih sehnen, daß man {on früher zu einem Ergebniß kommt.

Ih möchte indessen darauf aufmerksam machen, meine Herren Es bandelt \sich bier um ein wisseashaftlihes Problem, und es if sehr die Fragz, ob- und in welcher Zeit die Lösung dieses Problew: gelingen wird. Im Kaiserlichen Gesundhbeitéamt ist man {on frübha damit bes{äftigt gewesen, der Maul- und Klauenseuche auf die Spr: zu kommen. Auch dort baben die Versuche zu keinem Ergebniß g führt, und sie werden gerade jeßt fortgeseßt werden auch ohne Rüd- sicht auf die Arbeiten und Forschungen, die infolge der Preiéaufgab: des Königlich preußishen Herrn Landwirthfichafts-Ministers angestellt werden.

Die Herren werden nun mit mir darin einverstanden sein, daé wenn man Versuchsanfstalten einrihtet, die nach der Art und Weise wie sie geplant find, auch nicht sofort eingerihtet werden können denn dazu feblt es an den erforderlihen budgetmäßigen Bewilligunge sowohl im Reih wie in Preußen —, diese Anstalten kaum ein! böbere Gewähr für einen ersprießliben Ausgang der Forschung: geben werden als die Untersuhungen, wie sie bisher {hon sowobl io Kaiserlichen Gesundbeitsamt als in den Technishen Hochschulen für dat Veterinärwesen unternommen worden sind.

Es wird Gegenftand der Erwägung der Regierung sein, ob m neben diesen zuleßt von mir bezeiGneten Untersuhungen nun no® i besonderen Arstalten die Forshungen fortsezen will, und ih fann d Herren in Aussicht stellen, daß diese Erwägungen sehr eingehend un? sehr gründlich vorgenommen werden sollen. Den Wuns, daß wf! auf dem einen oder dem anderen Wege zu dem Ergebniß einer poli ständigen Grkenntniß der Maul- und Klauenseuche kommen, fann i wie ih Eingangs {hon gesagt habe, durhaus nur tbeilen.

_ Abg. Dr. Kruse (nl.) bezweifelt, daß die Errihtung von Versu#* anstalten besonderen Nußen bringen würde.

_ Abga. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) begrüßt den Antrag #2 Freuden, weil die Erkenntniß der Ursache der Ansteckung die X kämpfung der Krankheit erleichtere. :

Abg. Graf von Kaniß (d. kons.): Ih erwarte auch von dies Antrag nit viel; ih erwarte von anderen Dingen mehr, nament!“ von einer gründliden Viebsperre, wie sie in Frankceih jeßt bef! Die Ansteckung geht jeßt immer von den Grenzen aus.

Der Antrag von Podbielski wird angenommen.

Bei den Ausgaben für das Reichs-Versicherung® amt weilt __ Abg. Nösicke (b. k. F.) die Angriffe zurück, welche die S0 demokraten gegen die besonderen Heilanstalten der Berufégeno" schaften vorgebracht haben, besonders gegen die Heilanstalt der 2 berufsgenofsenshaft in Neurahnsdsrf. Er bringt einen Bericht

hefarzicé der Anstalt zur Kenntniß des Hauses, aus welchem hervor- ehe, daß keineswegs die Kranken gegen ibren Willen Jahre lang wie E Zuchthause zurückgehalten würden. Der durhschnittlihe Aufenthalt dauere überbaupt nur wenige Monate; Herr Stadthagen habe fogar hauptet, daß drei Leute weggelaufen seien und lieber auf ibre Rente verzichtet hätten, als sich der Behandlung zu unterwerfen. Drei Leute seien allerdings weggelaufen. Einer bätte sich mehrmals dur Ueber- eigen der Umzäunung Branntwein verschafft, ein Anterer bätte einen Wärter mit einem Stuhl geshlagen. Beide fürchteten wohl Bestrafung. Aber keiner von ibnen habe auf seine Rente verzichtet. Ein vom Abg. von Kardorff gestellter Schlußantrag wird angenommen. Beim Etat der Verwaltung des Reichsheeres

bemerkt: . A

Abg. von Massow (d. kons.): Der Allerhöchste Gnadenerlaß pom 18. Januar ift s{on am 17. im „Vorwärts“ mitgetheilt worden; es war in der Mittler’ schen Druckerei ein grober Vertrauensbruch erfolat. Ob die Veröffentlichung im „Vorwärts“ an dem Tage sehr taktvoll cewesen ist, möchte ih bezweifeln. Die Inkulpaten sind allerdings bestraft worden, aber es müfsen Maßnahmen getroffen wer- den, daß solche unglaublihen Indiskretionen, folbe Diebstätle nicht

wieder vorkommen. Ich bitte den Kriegs-Minister, uns mitzutheilen, ob und welche Anordnungen er treffen wird, daß sih derartige be- flagenêwerthe Vorfälle nit wiederholen.

Kriegs-Minister, General der Jnfanterie Bronsart von Schellendorff:

J bin sebr gern bereit, dem-Herrn Abg. von Massow die ge- wünshte Auskunft zu ertheilen.

Niemand fann die vorzeitige Veröffentlihung des Allerhöchsten Gnadeneriafses unangenehmer sein wie mir selbst. Rachdem Seine Majestät der Kaiser den Erlaß unterzeichnet und mir eingehändigt hatte, war ih dafür verantweortlid, daß er nicht vor dem 18. in die Oeffentlic;feit kam. Wenn er troßdem am 16. oder am 17. s{on in einer sozialdemokratischen Zeitung erschienen ift, so muß ih die Schuld auf mi nebmen, und da ich nicht geneigt bin, unliebsame Vorkomm- niffe zu teshöônigen, zu bemänteln oder zu vertushen, so sage ih auch fein Wort zu meiner Vertheidigung. Ich erkläre nur, daß ih Maß- nabmen getroffen habe, durch wel@ec nah mens{licher Voraussetzung ein solder Skandal niht wieder vorkemmen wird. (Bravo! rechts.)

Wern ih heute ganz objektiv und rubig auf den Vorgang zurüdck- blide, so finde id, daß er weit weniger auffällig als vielmehr typish für die bei uns bestehenden Zustände ist; denn er zeigt, auch in diesem Fal, daß die Lehren der Sozialdemokratie aufs äußerste shädlich und verterblich auf gewisse Elemente unserer Bevölkerung wirken. Was Sie eupktemistisch eine barmloîse Verwendung eines wertblosen Blattes nennen; was in den sozialdemokratishen Zeitungen eupbemistisch als ein unshuldiger Vertrauensbruch bezcihnet wird, meine Herren, das tennzeihnet si bei näherer Betrachtung als ganz gemeiner Diebstahl, als Unterschlagung und als Hehblerei. (Lebhafter Miderspruh bei den Sozialdemokraten. Lebhafte Zufiimmung rets.) Menn diese Verbrechen als der Partei woblgefällige Handlungen be- zeihnet werden, fobald es sid darum handelt, geheime Erlafse der Regierung zu sieblen, wie kann man sih dann darüber wundern, daß der Diebs- ftabl auch zu preßgewerblihen Zwecken ausgebeutet wird, und daß man womöglih die Gemeinheit der Gesinnung noch als einen Kultur- fortsritt bezeihnet! (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Ich be- greife Ihre Unruhe nicht.

Meine Herren, die ersten Mittheilungen über die von der Militärverwaltung angestellten Versuche, den Thäter dieses Diebstahls zu ermitteln, wurden von den fozialdemoftratishen Blättern mit Hohn und Spott begrüßt, und als der erste Versuch mißlang, fand ich im „Vorwärts“ die stolze Zuversicht und Hoffnung ausgedrüdkt, daß es nit gelingen werde, den Dieb zu ermitteln.

Doch dies, meine Herren, will ich nur beiläufig bemerken. Thatsächlih hat die Zeitung einen politishen Zweck mit der Ver- öffentlichung nit verfolgt; das hat sie auch selbft zugegeben. Es hat ih für sie also nur gehandelt um ein Geschäft, um die Reklame, um die Absicht, bei dem einfältigeren Theil ihrer Leser den Glauben ¡u erwecken, die Zeitung hätte Verbindung mit den höchsten Kreisen, Beziehung zu den Ministerien. (Zurufe.) Hier steht es ja gedruckt : edem „Vorwärts“ gönnt man aber die bevorzugte Stellung in der deutschen Presse niht. Elender Konkurrenzneid und nichts weiter.“ (Hört! bört! Heiterkeit rechts.) So schreibt der ,Verwärts*. Ich will das Ganze nicht ausführlih vorlesen; ih sage also: ein politischer Zweck wr mit der Sache nicht verbunden, sondern nur die Reklame, das einfache Geschäftäinteresse. Nun frage ih Sie: ist es möglich, ernst- baft die Sache zu beschönigen, zu vertheidigen und in Schuß zu nehmen ? Es war tie Vermuthung zuerst ausgesprochen worden, daß möglicher- weise Bedienstete des preußischen Kriegs-Ministeriums betheiligt ge- wesen wären an dem Vorgange. Das hat sich nun nah den ange- stellten Erhebungen als nit rihtig berausgestellt. Die Vernehmung des sozialdemokratishen Zeitungéredakteurs führte auf die Spur der Thäter und es gelang sehr bald, festzustellen, daß eine kleine Diebes- und Heblerbande, bestehend aus Arbeitern, nicht der Buchdruerei, sondern der Buchbinderei, die gewisse Arbeiten für die Verlags- buhbhandlung zu verrichten hat, den „Vorwärts“ in diesem Falle be- dient hat. Diese drei Leute mögen, bevor sie Sozialdemofraten ge- worden waren, ganz ehrliche und rechtshafffene Menschen gewesen fein ; jeßt sind se nach meiner Ansicht es niht mehr, und die Verant? wortung dafür bat die Sozialdemokratie zu tragen. (Heiterkeit links. Sehr richtig! rechts.) Die Sozialdemokraten werden sich vielleicht eine Weile \{ütteln, die Diebe bleiben aber zweifellos an ihnen hängen. Aber ich habe {hon heute oder in der Zeitung von gestern gelesen, leßtere hätten alle Aussicht, zu Heiligen oder Märtyrern der Partei erklärt zu werden, Interesjant bei der ganzen Sache war noch Folgendes: Als die Leute überführt waren, haben sie ein reumüthiges und offenes Bekenntniß abgelegt und dabei auch zu erkennen gegeben, daß sie erstens mit einer sehr großen Raffiniertheit beim Diebstahl zu Werke gegangen sind und iweitens, daß sie au si vollkommen bewußt waren der Schuld, die Ix traf. Inzwischen haben sie Privatunterriht genommen oder be- ‘ommen und ih dann in der Hauptverhandlung hingestellt wie die “ammlein, weiß wie Schnee, kurz wie die reine Unschuld. Das Geriht hat s jedoch in keiner Weise dupieren lassen, sondern sehr wohl erkannt, daß es sich hier um ein {chweres Vergehen handelt, und ih glaube, es hat zum Ausdruck gebracht, daß selbst der erfolg- reiche Besuh der Schule des Verbrehens noch nit den Berechti- dungéshein zum Stehlen gewährt. (Bravo! rechts. Zurufe links.) Venn Sie bestreiten wollen, daß gestohlen gestohlen it, so müssen wir unsere Begriffe eben ändern. Nach Unserem Gesetze handelt es sih hier um Diebstahl, und die Angeklagten

ind wegen Diebstahls zu 6, 4 und 1 Monat verurtheilt worden.

Da ih das Wort habe, will ich auch glei einige Angaben des Herrn Abg. Bebel berihtigen, über die ih, als er fie vorbrate, nicht vollständig orientiert war. Der Herr Abg. Bebel brachte einen Fall aus Trier zur Sprache. Es handelte sih nämlih um das programm- mäßige Vorbringen von Mißhandlungen. Er sagte:

In Trier beim 9. Husaren-Regiment wurde der Sohn des Engelwirths Pfeffer in Stetten bei Haigerloch in Hohenzollern von einem Gefreiten dermaßen an die Ohren geschlagen, daß das Trommelfell platte und also der junge Mann nun balbtaub ift. Was dem Gefreiten ges{ah, weiß ih nicht.

Ich kann ihm darüber die nöthige Auskunft ertbeilen. Erstens einmal handelt es sich hier nicht um einen Vorgeseßten oder Ge- freiten, der einen Husaren geschlagen bat, sondern um einen Kameraden ; ein anderer Husar hatte Heu zu empfangen. Bei dieser Gelegenheit nahm der Hufar Pfeffer leßterem einen Theil des Heues weg, ein anderer in der Nähe stehender Husar rief ihm dabei zu: „was, Du willst Heu wegnehmen“, und {lug ihn mit der flahen Hand auf den Kopf. Das wird also, glaube ih, eine Obrfeige gewesen sein. (Heiterkeit.) Dabei hat der Mann eine leihte Beschädigung des Trommelfells erlitten, er ift darauf ins Lazareth gekommen und am 11. Januar gesund wieder entlassen die Rede des Herrn Ab- geordneten war vom 14. Februar —, und der Chefarzt des Garnison-Lazareths berichtet über den Fall, wie folgt:

Die beutige Untersuhung des Husaren Pfeffer hat ergeben, daß die Trommelfellverlezung gebeilt is, Pfeffer bôrt auf dem linken Obr nit ganz so sharf wie auf dem rechten, jedoch versteht er Flüsftersprache noh auf 5 m, subjektive Beschwerden giebt er an nit mehr zu haben. Danach sind bleibende, nahtheilige Folgen, wele die Erwerbefähigkeit beshränken, von der erlittenen Verletzung nit zurückgeblieben.

Das sagt amtlih auf seinen Diensteid der behandelnde Arzt.

Nun muß ich zunächst doch bemerken, es bandelt sch bier darum, daß ein Soldat einem anderen einen Schlag verseßt, und daß der Ge- s{lagene garnicht einmal Strafantrag gestellt hat. Trotzdem aber hat der Eskadrons-Chef den Anarcifer mit fünf Tagen Arrest bestraft, weil auch unter Kameraden nicht immer alles egal ift. (Heiterkeit.) Jett aber, frage ih Sie, meine Herren, was würden Sie sagen, wenn ih alle die Obrfeigen bier zur Sprache bringen wollte, die die Herren Genoffen auf Arbeitëepläßen, in den Werkstäiten oder bei anderen Gelegen- heiten si gegenseitig applizieren oder von einander empfangen? (Heiter- keit.) Dann hat der Herr Abg. Bebel eine Geschichte aus Königsberg erzählt, wo ein Eskfadronë-Chbef, unter dessen Leuten ein Diebftabl vor- gekommen war, die Anordnung getroffen batte, daß die Leute so lange täglih cine balbe Stunde nacexerzieren follten, bis der Thäter ermittelt wäre. Diese Anordnung ift unter gewöhnlichen Verbält- niffen ja ganz unzweckmäßig. Sie entsyriht auch nicht den Ver- ordnungen über die Handhabung der Dis:iplinargewalt, und ist es ganz selbfiverständlih, daß jeder militärische Vorgese pon einem folœen Vorgang Kenntniß erbält, Remedur s{chaffft. Es ist also auch ein Fall, der garnicht zur Verbandlung in dieses ho Haus gehört. Der Herr Abg. Bebel gab der Geschichte aber dadu eine interessante und agitatorishe Pointe, indem er fagte:

Also dies veranlaßte einen Königsberger Bürger, der täglich an dem Platze vorüberging, an das General-Kommando eine Ein- gabe zu machen und das General-Kommando zu bitten, doch dahin zu wirken, daß diefe Nachererzierübungen abgestellt würden.

Nun kommt die Pointe. Die Antwort des General-Kommandos war, daß nunmehr seit dem 18, Dezember, an dem der betreffende Brief bei dem General- Kommando eingegangen war, die Leute zwei Stunden täglich nach- ererzieren mußten. Fa, meine Herren, das ist absolut unwahr nach dem mir vorliegenden amtlichen Bericht. Die Antwort if gewesen, daß gegen den Offizier mit äußerster Strenge eingeshritten und das Nahhererzieren fofort ab- gestellt wurde. Es ist also wieder die alte Geschichte: es bestätigt ih auch bier, was ih in der zweiten Lesung erklärt babe, dem Herrn Abg. Bebel wird von einem Genoffen oder von irgend einem Ehren- mann, ih weiß nicht, wievielster Klasse (Beifall rechts), etwas vor- gelogen, er glaubt es und matt sich dadurch unbewußt zum Sprach- robr grober Unwahrheiten. Dabei fiht es daß er den höchsikommandierenden Offizier der Provinz in den Augen des Publikums kherabsetzt indem er geradezu bei diesem den Glauben zu erwecken sucht, als bätte der kommandierende General bewußt eine unverständige und ungerechte Maßregel getroffen.

Weiter hat der Herr Abg. Bebel in längerer Ausführung, indem er über sehr viele Dinge abwechselnd sprach, nämli von der s{lechten Bebandlung der Soldaten, vom Moralzustand in der Armee, vo Selbstmord und von den Desertionen, sih s{chließlih auf einen Haupt- mann Edmund Miller als seinen Gewährsmann berufen, der ein Broschüre * geschrieben hat. Ih habe damals dem Herrn Abg. Bebel gesagt: aus solhen Büchern, aus der Literatur der verunglückten Lieutenants kann man fkeine richtigen Swlüfse ziehen auf die Einrichtungen der Armee. Der Herr Abg. Bebel hat das natürli nit für zutreffend gehalten; es ift also au mit ibm nit darüber zu streiten. Ich habe aber kurz nah der Rede des Herrn Abg. Bebel von Herrn Hauptmann Miller einen Brief bekommen. Ich bemerke vorweg, daß ih nicht die Ehre habe, den Herrn Hauptmann Miller zu kennen, und daß auch aus meinem Ministerium niemand mit dem Herrn näher bekannt ist. Gestatten Sie, meine Herren, daß ih den carakteristishen Saß des Briefes vorlese:

Meine erste Schrift, die vor nahezu sechs Jahren erschienen, ver- faßte ih in der Erregung und in Erbitterung über ein nah meiner Ueberzeugung mir zugefügtes Unreht und wie meine späteren Kundgebungen in dem wirklihen Glauben, verpflichtet zu sein, an mafßgebender Stelle auf „wunde Punkte“ aufmerksam zu machen. Fh babe eingesehen, daß meine Absicht eine verfehlte gewesen und daß mein Vorgehen in einer von mir niemals geahnten und zu allerleßt gewünshten Weise ausgebeutet wurde; denn selbst. nah sechs Jahren noch müssen meine Kundgebungen zu aufhetzenden Agitationszwecken herhalten. Ich habe nur das einzige Bestreben, alle meine Fehler und Irrungen, soweit dies einem Sterblihen möglich ift, gut zu machen. Ich werde meine ganze Kraft einseten.

Eure Excellenz bitte ich daher ganz gehorsamft, in diesem Sinne die Anlage entgegennehmen zu wollen. Ich will mir nur das Be- wußtsein erwerben, gesühnt zu haben, was möglich war. Ich will, eingedenk der Kaiserlihen Mahnung, dem Vaterland dienen,

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(Bravo! rehis.) Was er mir als Anlage \chickt, ift eine kleine Broschüre über „Stehendes Heer oder Milizarmee“. Er wendet \sich darin gegen die Miliz, gegen den Heeresverftärkungsvorshlag des Herrn Abg. Liebknecht und sett in sehr ansprehender Form seine Meinung auseinander. Er giebt auch viel statiftihes Material. Ich bin bereit, das Buch ten Herren zur Verfügung zu stellen. Nur den Shlußsaßtz desselben will ich noch vorlesen, der lautet :

Der deutshe Staat und [eine Monarhie bilden einen rocher de bronze, den nur Strôme von Blut erschüttern oder gar sprengen könnten. Er bildet die fiherste Friedensgarantie und wird bestehen, so lange er sih nicht selbst aufgiebt und, sich die festen Wurzeln feiner Kraft gesund bewahrend, in Festhaltung und Pflege dessen, wodurch wir groß geworden, sich niht irre führen läßt. Jede Schwächung des Ansehens der Krone und des monarchischen Prinzips bedeutet eine Shwächung des Reichs und damit eine Gefährdung des Friedens.

(Bravo! rechts.) Also schreibt Hauptmann Miller, der Gewährs- mann des Herrn Abg. Bebel. Ich stelle dem hohen Haufe anheim, seine Schlußfolgerungen daraus zu ziehen.

Nun i bin noh nicht zu Ende wird Herr Bebel gewiß sagen: Ich habe noch den Fall Schhoeler. Von diesem Herrn sagte der Herr Abg. Lenzmann, er sei ein Durhgänger und müßte arf an der Kandare gehalten werden. Das if der Wortlaut, ich glaube au, wie ich den Herrn Abg. Lenzmann kenne, daß er die dazu nöthige Zügelführung besißt; der Herr Abg. Bebel aber entgleist sicher mit Herrn Schoeler.

Er wird dann vielleiht einwender, er habe noch einen anderen Fall zur Verfügung, und das ift der Fall Wendlandt den habe ich auch zur Hand —, den bat der Herr Abg. Bebel vorgetragen, um zu beweisen, welhes Maß von Willkür, Ungeseßlihkeit und Ungerechtigkeit einmal in Bezug auf die Einrihiung der Arbeiter-Abtheilungen, dann auch in Bezug auf die Bebandlung der Leute in denselben bestebt. Er rollte dabei eine Anzabl interessanter Nechts- fragen auf, die von einzelnen Herren als sehr bedeutung8voll aner- kannt wurden.

Der Herr Abg. Bebel hat weiter auch hervorgehoben, daß der Mann auf der Arbeiter-Abtbeilung sich nicht als Soldat, sondern als ein Sträfling und wie in einem Gefängniß befindlih zu betraten babe. Ich habe mich darauf bemüht nachzuweisen, daß die Arbeiter- Abtheilungen geseßlich beflehcnde Einri&tungen sind, deren Rechts- beständigkeit biéher von niemandem bezweifelt wurde. Kürzlich ift es mir nun sehr interessant gewesen, ven durhaus glaubwürdiger Seite mitgetheilt erhalten zu baben, daß Herr Wendlandt, nachdem er seine Dienstzeit absolviert batte und aus der Arbeiter-Abtbeilung entlafen worden war, si nit zuerst an den Herrn Abg. Bebel, sondern an seinen früheren Kompagnie-Chef, an den Hauptmann gewandt hat, unter dem er gedient, ehe er in die Arbeiter-Abtheilung versezt wurde. Dcr Mann hat in seiner Noth und Be- drängniß an den Hauptmann geschrieben und ihn gebeten, ibm doch bebilflih zu sein, fich eine neue Stellung zu schaffen. Ich glaube au, der Appell ift nicht vergeblich an den Offizier gerichtet gewesen, troßdem dieser es mit einem Sozialdemokraten zu thun hatte. Der Offizier bat diesem, soweit seine Mittel es ihm gestatteten, ge- bolfen. Demnächst hat Herr Wendlandt sih auch selbst eine Stellung vershaft. Auf seine persönlihen Verhältnifse, auf seine Meinung, auf seine Stellung zu Herrn Abg. Bebel will ich bier niht weiter eingehen, denn ich bin nit darüber unterrichtet; ih habe auch gar kein Interesse daran, das hier weiter zu erörtern.

Fh rlafse nun dem boben Hause, auch in Bezug auf diesen Fall fei lußfolgerungen zu ziehen. Vielleicht aber, meine Herren, werden erkennen, daß Soldat, felbst wenn er Schiffbruch ge- litten hat, aber noch nicht ganz verkommen ift, seinem Vorgeseßten nicht bloß Treue und Ankbäânglichkeit, fondern auch das Vertrauen be- wahrt, daß er ihn nicht verlaffen wird, selbst im bürgerlichen Leben, wenn ihn Noth und Sorge bedrängen. (Bravo!) Und, meine Herren, weiter! Daß dieses Vertrauen erworben sein muß durch ein gewisses Etwas, das in diametralem Gegensaß steht zu der Willkür und Ungerechtigkeit, die nach den Angaben des Herrn Abg. Bebel in der Armee und bei den militärishen Vorgeseßten herrschen sollen. (Sehr gut! Bravo!)

Nun, meine Herren, zum Schluß nur noch das Eine. Ich hoffe, Sie werden mir beistimmen, wenn ich sage: die Armee ift erhaben über die Angriffe, die Herr Abg. Bebel gegen fie rihtet (Bravo!) ; fe is au erhaben über die Anwürfe, die von sozialdemokratischer Seite auch sonst noch zum theil in meiner Person gegen die Armee alljährlih hier im Reichstag gerichtet werden. (Lebhaftes Bravo !)

Abg. Ancker (fr. Volksp.) bemängelt, daß die Garnifon- verwaltungen in Memel und Tilsit statt der englischen Kohle ober- \lesishe bezögen; dadurch würden die Hafenarbeiter in Memel ge- \châdigt. e : n : i

Abg. Liebkneht (Soz.): Als der Erlaß in unsere Redaktion gebracht wurde, hatte ih gedacht, es handle fich um eine ganz un- bedeutende Sache; jeßt, da ich sehe, welhe Wirkung die Beröffent- lihung hervorgebraht hat, erkläre ih: der Streich hat doch getroffen. Die drei jungen Leute haben unzweifelhaft geglaubt, ihrer Partei einen Dienst zu leisten. Das is bei allen Parteien fo, daß ihre Genoffen Neuigkeiten zubringen. Es ist eine ganz harmlose Sache, und ih beneide diejenigen nit um ihre Autorität, die hier, nachdem fie über Männer wie Leist, Wehlan, Hammerstein lange Zeit in der nach- sihtigsten Weise geurtheilt haben, die Sale ihres Zorns über diese drei unshuldigen Leute ausgießen. Ich hatte die Absicht gehabt, in der Generaldebatte zu reden, aber ih fühlte mih zu un- wobl, um das zu thun; jegt habe ih wenigstens die Gelegenheit, iht -zu vertheidigen, sondern anzuklagen. Wie der Kriegs-Minister, so hat auch der Ober-Staatsanwalt Drescher, der einen großen Apparat hierzu in Scene geseßt hatte, erklärt, daß der „Vorwärts dadurch die Tiefe seiner Moralität zu erkennen gebe. Unsere Moralität besteht einfa darin, daß wir Hallunken packen, wo wir sie kriegen können. Es wird ein Moment kommen, wo Ste dar- über am allerwenigsten lahen werden. Der Kriegs-Minister hat den Versu gemacht, es so darzustellen, als ob diese drei uns{ul- digen Leute ihre erste Aussage widerrufen hâtten; fie hätten ein Privatissimum inzwischen gehört. Dieses bat einfah darin bestanden, daß jene Genoffen, so will ich sie hier nennen, den Inhalt eines Protokolls, welches ihnen vorgelegt worden war, nicht als rihtig anerkanut haben. Der Polizei-Kommissar Schöne hat Dinge gesagt, von denen sie behaupteten, daß sie nicht wahr seien. Der Kriegs-Minister hat gesagt, daß fie zu Parteimärtyrern geworden seien; nein, aber wir stellen sie doch unendlih höher als diejenigen, welche von Ihnen da drüben Männer vertheidigt haben, wie einen Peters,

, 1 c 4 (E= 1 der bis zur jüngsten Zeit Jhr Vertrauensmann war, dem Sie Ihre Bewunderung zu erkennen gaben. Gegenüber solhen find fie Männer von Ehre, Männer, vor denen wir noch Respekt haben. Man hat an ihnen all den Haß, der sih angesammelt hat im Laufe der Zeit gegen den „Vorwärts“, auslafsen wollen. Sie find in dieser Beziehung Märtyrer gewesen. Was wäre ihnen gesehen, wenn es

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