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eferanten, strenges kon : personals u. \. w. Jn den kleineren Vereinen sind die Mitglieder den Verkäufern au fast ausnahmslos persönlih bekannt. Hierzu kommt dann die Kontrole der Orts-Polizeibehörden und die Kontrole seitens der Jn- haber anderer, mit den Konsumvereinen niht in Verbindung \tehen- der Geschäfte. — und im Lande Württemberg ist, wie weiter in diesem Schreiben mitgetheilt wird, nur eine einzige Bestrafung wegen Nichtbeahtung des Verbots des“ Verkaufs an Nichtmitglieder eingetreten. Also die Sache läßt sihch durchführen und muß meines Erachtens, wenn man niht nach dem Antrag des Herrn Abg. Dr. Schneider das ganze Verbot streichen will, {on im Snteresse der Rechts- einheit durchgeführt werden. Also, wenn die verbündeten Regierungen in Bezug auf die Auffassung, der sie im Jahre 1889 Ausdruck ge- geben haben, eine Aenderung haben eintreten lassen, so ist diese Aenderung nach Lage der Entwicklung der Geseßgebung und nah Maßgabe der Erfahrungen, die mit dem Genossen- schaftsgeseßb gemacht - worden find, eine durhaus berechtigte. Nun hat der Herr Vorredner noch betont und auch zur Motivierung seines Antrags auf Streihung des ganzen vierten Absatzes des § 8 angeführt, daß, wenn man leßteren aufrecht erhält, das Zuwiderhandeln unter Strafe stellt, und daneben die Konsumvereine mit einer Ge- werbesteuer belegt, dann gewissermaßen eine doppelte Belastung und Beschränkung eintritt. Jn dieser Beziehung kann ih ihn auc be- ruhigen. Die Gewerbesteuer, da, wo sie besteht, ins- besondere in Preußen, . wird veranlagt und erhoben nah Maßgabe des Umfangs des Geschäftsbetriebs. Wenn also die Konsumvereine an Nichtmitglieder nicht verkaufen dürfen, so ist ihr Geschäftsbetrieb ein geringerer, als wenn fie die Befugniß haben, an jedermann zu verkaufen. Sie werden also auch zur Gewerbesteuer in geringèrem Maße herangezogen werden.
Und nun, meine Herren, komme ich zum S{luß mit einem allgemeinen Gesichtspunkt. Wenn die Konsumvereine Handel treiben wollen, dann hôren sie meines Erachtens auf, Konsumvereine zu sein. (Sehr richtig! rechts.) Der Begriff wird ein ganz anderer, und es fehlt ja in unseren Geseßen niht an Formen, in denen man das Bedürfniß nah einem genossenschaftlihen Handelsbetrieb befriedigen kann. Dann wird eben aus dem Konsumverein eine Handelsgesellshaft. Was ist ein Konsum- verein begriff8mäßig? Der Konsumverein ist eine Genossenschaft, die darauf abzielt, die Bedürfnisse ihrer Mitglieder auf bestimmten Gebieten zu befriedigen; sowie die Thätigkeit des Konsum- vereins darüber hinausgeht, hört eben der Verein auf, ein reiner Konsumverein zu sein, dann wird er eine Handels- gesellshaft, auch unbeshadet des Umstands, daß er in erster Linie für seine Mitglieder sorgt. Auch in der Theorie und rationell läßt sich das Verbot des Verkaufs an Nichtmitglieder durchaus vertheidigen, und es ist sogar meines Erachtens ein noth- wendiges Erforderniß, foll niht der Charakter dieser Konsumvereine als Genossenschaften aufgegeben werden. Jh kann Sie deshalb nur bitten, den Anschauungen zu folgen, die in der Borlage ihren Aus- druck gefunden haben, und den Antrag des Herrn Abg. Shneider ab- zulehnen.
Abg. Klemm- Dresden (Reform-P.): Das Bestreben der Linken, die Beschlüsse der Kommission umzustoßen, wird ein vergebliches sein. Die Konsumvereine wollen wir niht chikanieren, wir wollen sie nur zwingen, sich auf den Kreis ihrer Mitglieder zu beschränken.
Abg. Dr. Dfann: Als die Bestimmung über die Konsum- vereine in das Geseß aufgenommen wurde, da dachte man an eine kleine Vereinigung von Personen zur Beschaffung von Bedarkfsartikeln, nicht an solhe Unternehmungen, wie sie jeßt in Hamburg, Breélau, Görlitz u. |. w. bestehen, die den großkapitalistischen Unternehmungen sehr ähnlih sehen. Dem gegenüber muß das vom Reichstage 1889 ge- wollte Verbot des Verkaufs an Nichtmitglieder den Könsumvereinen gegenüber durch Strafbestimmungen zur Geltung gebraht werden.
Der Antrag Schneider wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen abgelehnt und der Vor- schlag der Kommission unverändert angenommen.
Ein weiterer Antrag der Kommission, wona dem S 11 der Zusay gegeben werden soll, daß von der Eintragung der Genossenschaften in die Genossenschaftsliste die Gerichte allen Genossen Nachricht geben sollen, wird von dem preußischen Ge- heimen Ober-Justiz-Nath Vierhaus mit dem Hinweis auf die große Belastung der Gerichte durh das Schreibwerk bekämpft.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die von der Kommission in den Artikel T neu eingefügten Nummern 3, 6 und 7 werden gemeinsam diskutiert: es han- delt sih dabei um eine Aenderung des § 20, mit dem Zusatz eines neuen 8 89 a, und die Streichung des § 114.
8 20 soll dahin geändert werden, daß durch Statut fest- : geseht werden kann, daß der Gewinn nicht vertheilt, sondern
em Reservefonds zugeschrieben wird. Nah 8 89a soll bei Auflösung solcher Genossenschaften das unvertheilbare Rein- vermögen, sofern nicht eine andere physische oder juristishe Person dafür bestimmt ist, an die Suinatabe fallen und zu gemein- nüßigen Zwecken dienen. Der § 114, welcher gestrichen werden soll, trifft Bestimmungen über die Theilnahme der Genossen, welche im Laufe des Geschäftsjahres ausscheiden, an dem Gewinn, dessen alljährliche Vertheilung ausgeschlossen ist.
Abg. Dr. Schneider empfiehlt die Ablehnung der Anträge, welche im Interefse der Naiffeisen’schen Darlehnskassen gestellt seien.
Abg. Dr. Osann bält es für bedenklich, in die Vorlage noch andere Dinge hineinzuschreiben, als von Anfang an beabsichtigt ge- wesen sci. Es sollten bier Bestimmungen geändert werden, die für alle Genossenschaften gelten, aber nur für eine Art von Genossen- [Bata von Bedeutung seien, und die Interessenten dieser Genoffen- aften habe man nit einmal gehört. Deshalb follte man diese Sache aus der Vorlage aus\cheiden.
Abg. von Werde ck (d. kons.) tritt für die Kommissionsbes{lüsse ein, die deshalb nothwendig seien, weil 1899 die ersten zehn Jahre der Geltung des Genossenshaftsgeseßzes abgelaufen sein würden. Die MNaiffeisen’shen Kassen seien also dann vor die Frage gestellt, ob sie ihr angesammeltes Vermögen vertheilen oder noh weiter vergrößern wollten,
Abg. Freiherr von Stumm hält es für bedenkli, einen von der Kommisfion mit großer Mehrheit angenommenen Borschlag zu verwerfeg, ohne baß eigentlich \tihhaltige Gründe dafür ange- geben seien. due A D M4 lv Beitr. 7 KAW6
Nachdem noch der . Dr. Pichler (Zentr.) sih für die ae Des Sauton ecflärt hat, schließt die Debatie.
Die Anträge der Kommission werden genehmigt.
._ Nach Art. Il soll hinter §30 des Genossenschaftsgesches ein neuer a 20a eingeschaltet werden, nah dessen erstem Absaß der Vorstand der Konsumvereine mit offenem Laden
ftliches |
riften über die Legitimation a g muß, welche der höheren Verwaltungsbehörde einzureichen sind. Die weiteren Absäße enthalten Strafbestimmungen. ' Abg. Dr. Schneider beantragt die Streihung der Straf- bestimmungen und will die Legitimationsvorschriften an die Gerichte, niht an die Verwaltungasbehörde gelangen lassen, deren Beaufsichtigung
d nit unterstellt seien. d Bene e Reientia R Gruner bestreitet, daß in dieser
Vorschrift eine Beaufsichtigung der Genossenschaften liegen solle; die Geae Ihn A Atllens ob die A A LEeR auss- reichend seien. j
Der Antrag Schneider wird abgelehnt und § 30a an- genommen, ebenso ohne Debatte der von der Kommission neu eingefügte § 30 b, welher den Konsumvereinen und ihren Waarenlieferanten die Ausgabe von Marken verbietet. 4
Darauf wird die Berathung abgebrochen. Der Präsident Mert von Buol schlägt für die Tagesordnung der
ißung am Montag die Jnterpellation des Abg. Dr. Bachem
wegen der Duelle und die Jnterpellation des Abg. Freiherrn von Manteuffel wegen des Betriebes von Bäckereien und Konditoreien vor. /
Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) beantragt, den freisinnigen Antrag aa der Duelle ebenfalls auf die Tagesordnung am Montag zu
eben. | ie Abgg. von Massow (d. kons.), Freiherr von Stumm und
Spahn (Zentr.) erheben dagegen Widerspruch. 7 Es bleibt bei dem Vorschlag des Präsidenten; E aber werden der Rest der Tagesordnung und Wahlprüfungen er-
ledigt werden. Nächste Ra Montag 1 Uhr.
Schluß 52, Uhr. ) (Novelle zum Genossenschaftsgeseßz, ahlprüfungen, Jnter-
pellation Bachem wegen der Duelle und Jnterpellation Man-
teuffel wegen des Betriebes von Bäckereien und Konditoreien.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 54. Sißung vom 18. April 1896.
Die zweite Berathung des Lehrerbesoldungsgeseßzes wird in der am Freitag abgebrochenen Debatte über den § 25 (Leistungen des Staats) und die dazu gestellten Anträge fort- geseht. i
Vom Abg. Dr. Sattler (nl.) ist noch folgender Antrag eingegangen: die Nr. IVa dahin zu ändern: Sind die ciner politishen Gemeinde nah den Bestimmungen zu II für das Jahr 1897/98 zustehenden Bezüge geringer als der ihr oder den betheiligten Shulverbänden im Jahre 1896/97 auf Grund der Geseße vom 14. Juni 1888 und 31. März 1889 gezahlte Staatsbeitrag, so wird dieser leßtere als fester jährlicher Staatszushuß an dieselbe weiter gezahlt.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Der Finanz-Minister hat gestern die Freundlichkeit gehabt, mih zu apostrophieren und mi aufzufor- dern, genau zu achten auf dasjenige, was er fagte in Bezug auf die Steigerung der Staatszuschüsse von 20 auf 28/5; Millionen nah dem Geseß von 1888. Gerade diese Stelle seiner Nede bekundet thatsäh- lihe Irrthümer des Finanz-Ministers über die Bedeutung dieses Ge- seßes. Der Minister meinte, diese Steigerung sei nicht allein eine Folge der Vermehrung der Bevölkerung, sondern auch der Vermeh- rung der Klassen. Der Unterschied von 20 Millionen und 284/53 Mil- lionen erklärt sih mit 6 Millionen daber, daß die Dotation von 20 auf 26 Millionen erhöht worden is, nicht wegen Bevölkerungs- zuwachses oder Vermehrung der Lehrerstellen, sondern intem man die Dotation für jede vorhandene Lehrerstelle um 100 4 erhöhte. Es bleiben also nur 24/5 Millionen als Wachsthum übrig für die Zeit bon 7 Jahren, was schon eine Vermehrung um 7 9/ der Bevölkerung bedeutet. Die Vermehrung der Lehrerstellen infolge der Einrich- tung kleinerer Klassen hat nur Mehrkosten von 200- bis 300000 A zur Folge gehabt. Die Schulstatistik von 1891 zeigt gegen 1886 für die Städte fechs Schüler weniger auf eine Lehr- kraft; aber dasfelbe gilt au für das platte Land. In den Städten werden zahlreihe Kinder in den höheren Lehranstalten unterrichtet, für die der Staat keine Zuschüsse giebt. Jch werde dem Minister immer dankbar sein, wenn er mi auf solhe Stellen seiner Reden aufmerksam macht, wo er falshe Thatsachen vorbringt. Besonders freigebig sind die Städte gegen ihre Lehrer nicht ge- wesen; sie müssen ihnen nur etwas mehr Gehalt geben, als den Landlehrern, weil Unterhalt und Wohnung theurer sind in den Städten. Der Staatszushuß zum Gehalt der Lehrer beträgt auf
‘dem Lande etwa {, in den Städten kaum § des Dur(hschnittsgehalts,
Das ist \chon eine ungerechte Vertheilung zwishen Stadt und Land, und gegen eine weitere Ausbildung diefer Ungerechtigkeit müssen wir uns wehren. Wir wollen gar nicht die Staatszuschüsse nach Maßgabe der Staatssteuern vertheilen; wir wollen das Unvermögen der Gemeinden ausreichend berüdsidtigen, denn font würden wir niht dem platten Land Zuschüsse gewähren, welhe die Ein- fommensteuer übersteigen. Als die lex Huene zur Berathung stand, da wurde von der linken Seite darauf gedrungen, daß die Mittel für die Schule, namentlich auf dem Lande verwendet werden sollten; die rechte Seite wider- seßte sih diesen Bestrebungen. Als man aus den Geldern Kreispaläste und Skatchausseen baute, suchte die Regierung wiederum Schulbauten aus der lex Huene flüssig zu machen; wiederum war es die rechte Seite, die Era, Bergeblih habe ih mich mit Herrn von Zedliß damals zur Vertheidigung der Staatsregierung verbunden, und das war doch alles Mögliche, daß ih mi gerade mit ihm verband. Es handelt sich hier gar niht darum, ob einige Millionen mehr oder weniger gewährt werden, sondern um ein grund- falshes Prinzip des reinsten Fiskalismus, daß Gemeinden mit größerer Einwohnerzahl und mehr als 25 Lehrern als wohlhabend, die kleineren Gemeinden mit weniger als 25 Lehrern als unvermögend anzusehen sind. Vielleiht hat der Finanz-Minister von den reichen iLeuten in Frankfurt a. M., denen er nahe stand, den Eindruck empfangen, daß die großen Städte wohlhabend sind. Jn Frankfurt betragen die Schullasten nur 23 9% der Einkommensteuer; ähnli steht Bonn; Berlin muß {hon doppelt so viel aufbringen, in anderen Städten gehen die Schullasten bis auf 200 % der Einkommensteuer hinauf. Der Finanz-Minister behält das Geld in der Hand, und die Gemeinden sollen in Zukunft de- und wehmüthig um das bitten, was ihnen jeßt zusteht; und je rah der Laune schüttet der Finanz-Minister scine Gnade aus. Die Zuschüsse werden dadurch zu festen Renten, während die Verhältnisse, auf welche sich die Zu- [hüsse basieren sellen, namentlich in den Städten wechseln. Daß Haß oder Vorliebe für eine einzelne Stadt vorliegt, hat niemand angenommen; es handelt sich auch nicht um den Gegensatz zwischen Stadt und Land, denn die großen Landgemeinden in den Industrie- beziiken und die Vororte großer Städte werden auch benachtheiligt. Es ist deshalb zu verwundern, daß das Zentrum si so kühl ver- hält, obgleih es doch auch große JIndustriebezirke zu vertreten hat. Bai das Zentrum im Drange der parlamentarischen Geschäfte keine eit gefunden, sich zu informieren? Wenn die Vorlage Gesetz wird, bekommt das platte Land mehr, als es an Einkommensteuer und Vermögenssteuer bezahlt, Die Ueberweisungen von Zuschüssen an die Gemeinden für Schulzwecke hängen nicht zusammen mit der preußishen Steuerreform, fondern mit der Steuerreform im MNeich; diese Zuwendungen mußten Vorspann leisten für die Be- willigung indirekter Steuern im Reich. Herr Hobrecht könnte dar- über ja als damaliger Finanz-Minister Auskunft geben. Es wurde ein Igr 1880 vorgelegt, in welhem die Beseitigung der unteren Klassensteuerstufen vorgesehen wurde. Ich erklärte mich
damal. laß des Schulgeldes, und Fürst Bismarck {lo
meiner Forderung an. Das U der Ursprung des Gesetzes Von 18S Es sollten nach dem Verwendungsgeseß 52 Millionea Mark ver» wendet werden für die Schule und zwar ein Zehntel zu Bedürf- nißzushüssen, das Uebrige namentlich ge Deckung der persönlichen Kosten der Schule; die persönlihen Kosten sollten mögli{st anz auf den Staat übernommen werden. Wenn der Finanz-Minister zur Hälfte nah der Schülerzahl, zur Hälfte nach den wirklichen Kosten vertheilen wollte, würde die Stadt Berlin. nicht 2 Millionen mehr als bisher erhalten. Die Bewilligung von 1885 und 1887 (Branntweinsteuer) brachte neue Mittel. Der Finanz-Minister gab damals als Abgeordneter den Aus\{lag für das Branntweinfteuergesez, Er verlangte eine weitere Entlastung der unteren Volksklassen aus diesen Ueberweisungen. Das war der Zweck des Geseßes von 1888. Der Finanz-Minister will dieses Geseß nicht tadeln; das wäre auch niht rihtig, denn niemand war begeisterter für das Gesetz als der jebige Finanz-Minister als Mitglied des Herrenhauses. Damals atte er au keine Verfassungösbedenken. Und als Finanz-Minister selbst hat Herr Miquel Hand ageleat, um das Ls von 1888 weiter auszubauen in dem Goßler’shen und Zedlig'schen hulgeseßentwurf. Vielleiht mag der Finanz-Minister nicht gern erinnert werden an
den Zedliß’shen Schulgeseßentwurf, den er at mit eingebracht hat.
Da wurde das Gefeß erweitert, nicht a
getragen wie jeßt. Die Alterszulagen, die
Pensionszushüsse sollten erhöht weïden und zwar gleihmäßig für Stadt und Land. Bis zum vorigen Jahre dachte niemand an einen Geseyz- entwurf wie den vorliegenden. Noh im Sommer 1894 wurde von den Offiziösen versichert, daß man die Schülerzahl als Ver- theilungsmaßstab für die Staatszuschüsse anwenden wolle. Der Plan dieser Vorlage scheint also der allerjüngsten Zeit anzugehören. Der Finanz-Minister meinte, aus welhem Leder sollten denn die Riemen geshnitten werden? Er stellte es so dar, als ob der Geist des heiligen Yuirinus — (Zurufe im Zentrum: Crispinus!) des heiligen Crispinus hier walten sollte. Jn Bezug auf die Heiligen bin ih nicht so bewandert wie das Zentrum. Die großen Städte haben das Leder geliefert durh die höhere Einkommensteuer. Der Finanz- Minister hat selbst ausgeführt, daß die Einkommensteuer stärker heran- gezogen wird als früher. Daher sollten die Einkommensteuer- pflichtigen entlastet werden seitens der Kommunen, und dazu wurden den Kommunen die Realsteuern überwiesen. Die Städte sind dabei durchaus nicht gut gefahren; sie bezahlen 31 Millionen Mark mehr Ein- kommenfsteuer und 19 Millionen Mark Vermögenssteuer. Das find {on 50 Millionen. Eingebüßt haben sie die Einnahmen aus der lex Huene. Die Gewerbesteuer ist überwiesen, aber erst nahdem sie zu Ungunsten der Städte geändert war. Zu den Kreislasten werden die Städte stärker herangezogen als früher. Dem platten Lande find 25 Millionen Mark überwiesen; es bezahlt an Einkommensteuer neun Millionen und 12 Millionen Ergänzungésteuer mehr, also nur 21 Mil- lionen. Also die Steuerreform is in außerordentlißem Um- fange dem platten Lande zu gute gekommen. Die Denkschrift Über die Ausführung des Kommunalabgabengesetzes bringt freilih über das platte Land garnihts. Zugestanden wird aber in der Denk- rist, daß auf dem platten Lande die Grundbesitzer entlastet worden sind. Bezüglich des platten Landes muß man unterscheiden zwischen den Landgemeinden und den Gutsbezirken. Die Inhaber der leßteren find zu Schullasten nicht genügend herangezogen. Die Statistik von 1888 bis 1889 zeigt, daß die Schullasten in den Gutsbezirken 25 Millionen betrugen; fie hatten aber 8 Millionen Mark Grund- steuer aufzubringen, alfo 3mal fo viel. Man hâtte wenigstens in der Landgemeindeordnung Zweckverbände bilden follen für die Schulunterhaltung; aber jede Bestimmung, welche der Regierung nah dieser Nichtung hin ein Zwangsrecht giebt, ist gestrihen worden. gur Beurtheilung der Leistungsfähigkeit gehört nit allein die inkommensteuer, sondern au die STON L LUNLENENET, Die s\taat- lihe Einkommensteuer umfaßt doch nicht loß das städtische Einkommen, sfondern auch das vom Lande, welches in den Städten niht kommunalsteuerpflihtig ist. Dazu kommt die Ver- schiedenheit des Geldwerthes. Personen, die mit 700 bis 800 auf dem Lande steuerfrei sind, sind als Gesellen in der Stadt {on steuerpflichtig. Der Finanz-Minister macht so viel Aufhebens von ÜUeberweisungen von 59 Millionen Realsteuern. In der Denkschrift über die Ausführung des Kommunalabgabengeseßes wird ausgeführt, daß die Ausgaben der Städte in einem einzigen Jahre sich um 30 Millionen gesteigert hätten. Was machen da die 59 Millionen aus! Der freikonservative Antrag hat den Vorzug vor der Vorlage, daß er |die Gemeinden niht auf die Mildthätigkeit des Finanz- Ministers verweist, sondern ihnen einen geseßlichen Anspruch giebt. Der Antrag der Nationalliberalen seßt ein Plus von 2 400 000 M voraus, Die Nationalliberalen erkennen durch diesen Antrag durchaus nit das Prinzip an. Der neue Sattler’sche Antrag verlangt aus der R etwas weniger. Er hat aber den Vorzug, daß er leichter verständlich ist und das beseitigt, was man als das Brutalste an der Vorlage ansieht, die Entziehung einmal gewährter Staats- zushüsse. Der Finanz-Minister hat finanzielle Bedenken geltend ge- macht und von dem Defizit gesprohen. Wenn das Defizit wirkli vorhanden wäre, wie könnte der Finanz-Minister überhaupt nur die Vor- lage einbringen? Woher will er das Geld dafür nehmen? Wenn der Finanz-Minister die 14 Millionen für die Vorlage aufbringen kann, dann kann er auch noch eine weitere Million bringen. Herr Finanz-Minister, seien Sie doch so freundlich und sagen Sie uns, wie viel Uebershüsse Sie im vorigen Jahre gemacht haben. Da ist der Neichs-Schaßsekretär ein ganz anderer Mann ; er hat uns {hon längst darüber Mittheilung gemaht. Das müßte doch ein ungefs{ickter inanz-Minister sein, der nicht beute {hon darüber Angaben machen önnte. Auf eine Million kommt es ja dabei niht an. Ih habe früher {on den Uebershuß auf 30 Millionen geschäßt. Der Finanz - Minister s{chwieg. Daraufhin haben wir im Neichstag 8 Millionen abgeknöpft. Der Finanz-Minister sollte das Schweigen brechen; er ist ja nicht verbunden, das Geld abzuliefern. Ich fürchte nur, er s{weigt, weil die ganze Parade seiner falschen Autstellungen durhschlagen würde. Der Finanz-Minister \priht von der Be jer- stellung der Beamten, wo es si heute um die Lehrer handelt; als wir beim Eisenbahn-Etat davon sprachen, \{chwieg er. Wenn er den Pfandbriefen den Vortritt bei der Konvertierung lassen wollte, so war das Manöver ein falsches. Denn wer wird dreiprozentige fandbriefe kaufen, wenn er vierprozentige Konsols haben kann? ie Konvertierung mag hart für die Betroffenen fein; aber die Arbeiter müssen {h auch in veränderte Lohnkoniunkturen hineinfinden und die Landwirthe in die Verminderung der Grundrente. Jett muß der Finanz-Minister fich nicht L als Steuer-, sondern au als wirkliher Staats-Minister zeigen. er Finanz-Minister scheint mir aber auf cinen neuen Automaten für Schuldentilgung zu finnen. Das würde eine Erhöhung des werbenden Vermögens sein im Interesse zukünftiger Geschlehter. Der Finanz-Minister will kein Anhänger der Staatsshule sein; aber dieser Geseßentwurf führt \{licßlich dazu; den größeren Gemeinden wird die Selbständigkeit beshränkt, und die Mittel werden ihnen entzogen. Wie sollen die Gemeinden da noch aus eigenem Antriebe für die Verbesserung der Bolksschulen arbeiten! Die Vorlage muß zu einer Berschlechterung des Volks\hulwesens führen.
Finanz-Minister Dr. Miquel :
Meine Herren! Indem ih an die leßte Bemerkung anknüpfe, möchte ich den Herrn Abg. Richter fragen, ob er nit zugeben wird, daß, je mehr der Staat die gesammten Volkss{ullasten auf \ih nimmt, um fo sicherer die Staats\hule \sich ausbildet, und je mehr die Lasten der Volks\{ule getragen werden von den Gemeinden, um fo sicherer die Selbstverwaltung und die Gemeindeschule si befestigen.
Was verlangt aber der Herr Abg. Richter? Noch weitere Steigerung der in einem so eminenten Maße in den lehten Jahren bereits gestiegenen Zuwendungen für die Volksshule aus Staatsmitteln? Wenn die größeren Städte auch Vermeh- rung der Selbstverwaltung in Bezug auf die Schule fordern,
Stellenzulagen, die
ehe ih persönli, soweit die allgemeinen Staatsinteressen darunter [eiden und die allgemeinen Gesichtspunkte, die bei der Schul-
_F nicht | Lrvaltung festgehalten werden müssen, auf ihrer Seite. Aber ih | fann unmögli glauben, daß fie diese Forderung um so besser be-
gründen könnten,! jemehr sie in Bezug auf Tragung der Schullasten abhängig find von den Mitteln, die der Staat ihnen giebt. (Sehr ritig! rechts.) Jm übrigen hat der Herr Abg. Richter — ih glaube, ih gebe mit diesem Wort den Gefühlen des Hauses den richtigen Ausdruck — cigentlich gesprochen über alles und fonst noch was (fehr wahr! rechts); er hat hier Fragen in die Erörterung gebracht, die mit dem vorliegenden Geseßentwurf in gar keinem Zufammenhang stehen. (Sehr richtig! rechts, Widerspruch links.) Er hat über das Ver- hältniß des Reichs zu den Einzelstaaten gesprochen. (Lebhafte Nufe hei den Nationalliberalen: War auch sehr nothwendig!) Er hat ge- sprohen über die Wirkung der Steuerreform in Stadt und Land. (Lebhafte Rufe links.) Er hat über die Zweckmäßigkeit der Kon- yertierung, über die Zweckmäßigkeit der Schuldentilgung gesprochen. (Lebhafte Zurufe bei den Nationalliberalen: Gehört alles dazu!) Gr hat über alle sfolhe Fragen gesprochen, auf welhe ih wenigstens nicht einzugehen gedenke. (achen links.) Jch will in dieser Beziehung die Geduld des Hauses tht auf die Probe stellen. (Lebhafter Widerspruch links.) Diejenigen Punkte, die hier interessieren, werde ih hon berühren, darüber können Sie ganz ruhig sein. (Heiterkeit rechts.)
Meine Herren, ih glaube nicht, daß es nöthig ist, um die hier vorliegenden Fragen rihtig zu beurtheilen, zu untersuchen, ob und in welher Weise die Wirkungen der Steuerreform mehr den Städten als dem Unde zu gute gekommen sind. Wir haben es jeßt mit einem gegebenen thatsächlichen, finanziellen und wirthshaftlihen Zustande zu thun. Da [leibe ih nun dabei stehen, daß der Staat sich niht darum zu fimmern hat, welhen Namen eine Gemeinde trägt, ob sie Stadt oder Land heißt, sondern nur darum, welden Grad von Hilfs- hedürftigkeit die eine oder die andere Gemeinde hat. (Sehr richtig ! rechts.) Jeden anderen Gesichtspunkt lehne ih ab, und ich erkenne e an, daß der Herr Abg. Richter selbst gesagt hat: Es handelt sich nir um den Unterschied zwishen Stadt und Land; denn, sagt er, es giebt auh Dörfer, die unter diese Beschränkung fallen, und namentli wird das in den Industriebezirken der Fall sein. Hier kann es sih auch unmöglich um den Gegensaß zwischen Stadt und Land handeln; höchstens könnte e sich um den Gegensaß handeln zwischen Land und kleineren Städten einerseits und großen Städten andererseits. Auf diese ganze Frage gehe ih aber nicht ein, — sie hat gar keine Bedeutung für mich. — Der Staat hat sich lediglich zu fragen: wie stellen sich meine Zuwendungen zu dem Fonds der Leistungsfähigkeit hezw. Leistungsunfähigkeit der s{ulunterhaltungspflihtigen Korpo- ationen. Da hat nun der Herr Abg. Richter kluger Weise vorgebeugt, indem er sagte: Die Einkommensteuer giebt feinen vollständig rihtigen Maßstab der Leistungsfähigkeit. Das ist jvar richtig: ein abfolut rihtiges Maß der Leistungsfähigkeit giebt auh sie nicht, und namentli was die Leistungsfähigkeit der Kommune als folde betrifft, kommen allerdings noch andere wesentliche Gesichts- punkte in Betraht. Wir haben aber keinen anderen Maßstab, und vir sind do bemüht gewesen, unsere staatliche Einkommensteuer nah Maßgabe der Leistungsfähigkeit aufzubauen. Wir wollten ein Steuer- stem Haben, welhes im Staat die Lasten vertheilt nur nah der keistungsfähigkeit. Wenn wir also überhaupt einen Maßstab suchen, lônnen wir do nur die Einkommensteuer zu Grunde legen.
Nun hat der Herr Abg. Richter die Zahlen im Ganzen ziemli richtig wiedergegeben — ih will sie aber noch etwas vervollständigen, nament- lih die Zahlen, aus welchen \sich in dieser Beziehung das Verhältniß ¡wischen Stadt und Land ergiebt. Nach der Statistik vom Jahre 1891 — wir haben ja noch keine neuere — betragen die Gesammtkosten des Volks\hulwesens aus Mitteln der Gemeiuden und Sozie- têten in den Städten 49 Millionen — ih will nur runde Zahlen nennen — und auf dem Lande 34 Millionen. Die Zahl der Ein- wohner betrug in den Städten 11786 000, auf dem Lande 18169000. Danach entfällt auf jeden Einwohner eine Belastung mit Volks\{hul- bgaben in den Städten von 4,17 4, auf dem Lande von 1,92 M
Wie verhalten \sich nun diese Beträge zur Einkommensteuer ? Für dus Jahr 1895/96 entfielen auf den Kopf der Bevölkerung an Ein- bmmensteuer, sogar ohne Berücksichtigung der Steuer der ht physischen Personen, welche bekanntli in den Städten weit (rößer ist wie auf dem Lande, in den Städten 6,94 c, auf dem Unde 1,64 A (Hört! hört!)
Zur Deckung der Volks\{ullasten muß daher jeder Einwohner ablen von 1.4 Einkommensteuer: a. in den Städten 0,60 A, b. auf dem Lande 1,70 A (Hört! hört!) Hier liegt die Berechtigung und die Nothwendigkeit für den Staat, allerdings die Zuschüsse für die Tragung der Volks\{ullasten auf dem Lande stärker ausfallen zu laffen (lé in den Städten. (Sehr richtig!) Darüber kann gar kein Zweifel lin, meine Herren.
Dann operiert der Herr Abg. Richter mit einem Schlagwort, velhes ih jeßt {hon mehr und mehr au dur die Presse laufen lle: das Land hätte \ich doch garnicht zu beklagen ; denn in dem lßten Theil der Landbezirke betrage die Leistung des Staats für h Volks\chullasten mehr als die ganze Einkommensteuer. Man lun sogar weiter gehen: Es giebt sehr viele Landbezirke, für welche i Staat an unmittelbaren Verwendungen überhaupt mehr leistet, U sie aufbringen. Aber es giebt au eine große Anzahl Städte, wo # genau so ist. Woher kommt das? Wie kann man sih das er- liren ? Einfach dadurch, daß drei Viertel aller unserer Staatslasten Ufgebraht werden überhaupt nit dur Steuern, sondern dur die Vetriebsübershü}e. Wir sind in der glücklihen Lage, meine Herren, ns das [eisten zu können; wir haben ein solches bedeutendes Staats-. bermögen und fo erheblihe Einkünfte daraus. Aber man kanu doch der von einem städtischen Einwohner, noch von einem Einwohner des blatten Landes mehr verlangen, als er leisten kann. Wenn er line Einkommensteuer bezahlt unter rihtiger Schäßung seines Ein- mens — und das wird auf dem Lande do ebenfo gut stattfinden Vie in den Städten —, so hät er doch auh seine Schuldigkeit ge-
M, in der Stadt und auf dem Lande. Wir können nur bedauern,
wgs Herren, daß das Einkommen auf den Kopf der Bevölkerung em Lande an Einkommensteuer ein so geringes is. (Sehr a 1g!) Wir können aber daraus dem Lande keinen Vorwurf machen y nicht einen Anspruch daraus hernehmen, daß nun die Städte auf
osten dieses selben Landes bevorzugt werden sollen.
ih Meine Herren, das is für mich eben der Punkt, über welchen mi mit Herrn Richter nie verständigen werde. Er rechnet uns
immer vor: die Städte bringen doch in der Einkomm euer de Staat die großen Beträge. Nein, meine Herren, die Sie lige die großen Beträge nicht, sondern die reihen Leute, die in den Städten wohnen. (Sehr rihtig! rechts. Heiterkeit links.) Für den Staat ist der Steuerpflichtige überall derselbe, ob er in den Städten oder ob erx auf dem Lande wohnt. Im Gegentheil, aus dieser \tärkeren Leistung der Gesammtheit der Ein- wohner der Städte in der Einkommensteuer geht ja hervor, wie viel günstiger auch in kommunaler Beziehung die Städte gestellt find als das Land. Wenn hier also diese Art Rechnung gemackt wird, die ja \{ließlih dahin führen würde, daß man den Städten das wiedergeben müßte , was sie bringen, sodaß der Staat sich auflöste in Gemeinden, fo fann ih darauf auch nit das geringste Gewicht legen. Der Herr Abgeordnete führt nun aus, daß das Geseß von 1888 wesentlih die Folge des Brannt- weinsteuergesezes von 1887 sei, daß man habe die unbemittelten Klassen in dieser Beziehung wesentli soulagieren wollen für die Mehrleistungen , die sie durch das Branntwein- geseß und die Besteuerung des Branntweins übernommen hätten. Nun, wer zahlt denn heute in den Städten — wir können do nur mit heutigen Gesichtspunkten rechnen — die Schullaften vorzugsweise? Thun das die allerunbemitteltsten Leute? Sie zahlen kein Schulgeld, vielfach überhaupt gar keine Einkommensteuer ; die Hauptlasten tragen also gerade die reihen Leute. (Zuruf des Abg. Richter : Schulgeld !) Das Schulgeld bestand in den ganzen Provinzen und einer Anzahl großer Städte damals {hon niht mehr. (Zuruf des Abg. Nichter : 12 Millionen !) Die Aufhebung des Schulgelds ist ja über- haupt nichts als eine Lastenumlegung; man nahm berehtigterweise das auf die Steuer, was man bis dahin denjenigen auferlegte, die die Schule besuchten. 4
Der Herr Abgeordnete sagte, ih sei ein begeisterter Anhänger des Geseßes von 1888 gewesen. Nun, meine Herren, ih habe schon hervorgehoben, daß damals eine andere Form der Erleich- terung der Kommunen nicht erxistierte, zu welder der preußishe Staat geradezu dur die Reichsgeseßgebung verpflichtet war. Daß man damals also diese Art Hingabe an die Gemeinden mit Freuden begrüßte, lag auf der Hand. Heute — ih habe das immer wieder zu betonen — liegt die Sache ganz anders; heute haben wir eine andere und bessere Form — nicht bloß in der Theorie, sondern sie ist auch in die Praxis überseßt — der Unterstüßung der Kom- munen. Daher war es natürli, daß man das frühere Gesetz revidierte.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete, um noch weiter hervor- zuheben, wie {limm es dur die Steuerreform den Städten ergangen sei, weist darauf hin, daß die Kreise jeßt viel mehr Steuern zu er- heben genöthigt seien, nahdem die lex Huene aufgehoben ift, Bezieht sih denn das auf diese 69 Städte, um die es ih hier handelt? Das sind ja kreitfreie Städte, für sie kann diese Sache doch keinerlei Bedeutung haben; das würde höchstens für die fkreisein- gesessenen Städte in Betracht kommen, die werden aber gerade beser gestellt durch das vorliegende Geseß. Was follen also folhe Gründe bedeuten ?
Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagt nun weiter, im Jahre 1892 bei Vorlage des Volks\chulgeseßzes des Herrn Grafen von Zedlitz habe man dieses Gesetz von 1888 weiter entwidelt, anstatt daß man versucht hätte, es zu ändern. Auch in dieser Beziehung irrt er sich. Wenn er nur den § 184 des damaligen Volks\chulgesetzes ansieht, so wird er finden, daß damals in derselben Richtung vor- gegangen ist wie heute. Indem man nämli den Zuschuß für den Ersten und Zweiten Lehrer höher stellte als für alle weiteren Lehrer, ver- folgte man genau dieselbe Richtung, die kleineren Gemeinden befser zu stellen als die großen Gemeinden. Das war ganz dieselbe Tendenz.
Der Herr Abg. Richter kommt dann auf den Etat und meine Bemerkungen zu der allgemeinen Finanzlage. Er verlangt zunächst von mir, ih möge doch sagen, wieviel Uebershüsse wohl das eben abgeshlofsene Etatsjahr bringen würde. Der Herr Abgeordnete hat sich in der Presse seit langer Zeit bemüht, von mir zu erlangen, daß ähnlih wie im Reich der Finalabs{chluß sofort publiziert werden möchte. Ich habe das immer abgelehnt; bin der alten preußischen Tradition in dieser Beziehung treu geblieben und werde ihr au in Zukunft treu bleiben, und zwar einfah, weil aus dem unerläuterten Finalabschluß die allergrößten Jrrthümer entstehen können bei Leuten, die die Finanzen nicht verstehen (Heiterkeit rechts), dagegen ein großes Material gegeben wird, beliebige Schlüsse aus einem folhen Finalabschluß zu ziehen, für solche Leute, die es besser wissen können. (Sehr richtig! rets.) Im Reich kann heute {hon viel sicherer übersehen werden, wie der Abschluß si stellen wird im abgelaufenen Etatsjahr, als in Preußen. Wir haben die Finalabs{chlüsse aus der Bergwerksverwaltung, der Forstverwaltung der Domänenverwaltung, ebenso der Eisenbahn- verwaltung roch nicht. Wir kennen zwar die Mehreinnahmen der leßteren zum theil, aber die Mehrausgaben haben wir überhaupt noch niht. Es würde vollständig vermessen sein, heute irgend welche be- stimmte Zahlen zu nennen. Aber das will ih dem Herrn Abgeordneten gern zugeben, daß der Uebershuß in diesem Jahre reichlicher ift, wie er bei der Vorlegung des Etats erwartet wurde. (Heiterkeit links.) Aber wenn die Zahlen, die der Herr Abg. Richter genannt hat, bei denen er auf etwa 25 Millionen Mark Uebershuß kommt, richtig wären, dann würde er doch erwägen müssen, welhe Mehrausgaben in dem jeßt festgestellten Etat \tecken. Aber der Herr Abg. Richter sieht, wenn es ihm gefällig ist, nur die Einnahmen und läßt die Ausgaben an sih ohne Berücksichtigung vorbeipassieren.
Wir haben in diesem Etat die Uebershüsse der Eisenbahnver- waltung um 28 Millionen Mark gegen den eben abgeshlossenen Etat erhöht, und denno, find wir auf ein Defizit von 15 Millionen Mark gekommen. Woraus erklärt s{ch das? Einfach da- dur, daß entsprehend die Ausgaben gestiegen find, nicht bloß das Ordinarium, sondern vorzugsweise das Extraordi- narium, was doch nicht willkürlich ist, sondern hier im Hause mit der größten Freude begrüßt wurde als eine zweckmäßige, ja nothwendige Maßregel. Glaubt der Abg. Richter, daß im nächst- folgenden Jahre die regelmäßigen Ausgaben, selbst wenn wir* nicht folhe Gesege votieren wie die vorliegenden, niht wie die ganzen Jahre vorher um dur(hscchnittlich 6 Millionen Mark steigen werden ? Glaubt der Abg. Richter, daß wir nicht noch lange Jahre genöthigt sein werden, das Extraordinarium so hoch zu halten, wie es in diesem Etat veranschlagt is? Im Gegentheil, es wäre
sehr erwünscht, es noch viel mehr zu erhöhen, als das bereits in diesem
Etat geschehen ift. Ja, dann bekommt die Sache ein ganz E Wir wollen uns bei der nästen Etatsaufftellung prechen. G N Q Diesmal hatte der Abg. Richter in der «Freisinnigen Zeitung" —- doch wohl von thm ausgehend — gesagt, es wäre eine Kleinigkeit, das Defizit von 15 Millionen Mark wegzubringen. ‘Jh habe sehr be-- dauert, daß er das nit als Abgeordneter bewahrheitet und in dieser Beziehung uns die Wege gezeigt hat. Ih fordere ihn auf, beim nächsten Etat anders zu verfahren und hier mit uns zu diskutieren, ob der Etat rihtig aufgestellt ist oder nicht.
Der Herr Abg. Richter hat ih in Beziehung auf die Lage unserer Finanzen do hon sehr häufig getäuscht. (Heiterkeit rets.) Ich erinnere diejenigen Mitglieder, die damals {on im Hause waren, daran: als wir die Steuerreform begannen — das war im Jahre 1890 —, {losen wir allerdings noch mit einem Vebershuß ab; wer aber die Verhältnisse übersehen konnte, mußte sehen, daß wir direkt vor dem Beginn der Defizitwirthschaft standen. Und um diese Zeit verlangte Herr Abg. Richter, man sollte einfa die Gewerbesteuer streichen; denn bei einer so glänzenden Finanzlage brauche man eine fo erbärmliwe Steuer niht erst zu reformieren. (Heiter- keit rechts.) Er brate hier Anträge ein, die das Aufkommen der Einkommensteuer um etwa 16 Millionen Mark verringert hâtten, — und im folgenden Jahre \teckten wir im Defizit und blieben vier Jahre darin \tecken. Ich könnte Sie erinnern — es hat ja feine große Bedeutung und man karn einem Menschen keinen Vorwurf daraus machen, wenn er bei diesen verwickelten s{chwierigen Finanz- verhältnissen, wie wir sie namentlich auch dem Reiche gegenüber haben, si in den Schäßungen irrt —, ih könnte hier hinweisen auf seine Darlegungen über die Reichsfinanzen, als es sich um die Ver- mehrung der Ausgaben handelte, auf die ganz irrigen Darlegungen, welche damals in der Kommission dem Herrn Staatssekretär Freiherrn von Maltzahn gegenüber gemaÞßt wurden. Ich glaube daher, bei meiner Ansicht, daß wir alle Veranlassung haben, sehr vorsichtig mit der Steigerung dauernder Ausgaben zu sein, stehen bleiben zu müssen. Dieselben Reden von einem unendlihen Reichthum, von einem Ueberfluß an Geld haben wir au Ende der 80er Jahre ge- habt, — und wie {nell wurde aus diesem Loblied ein Klagelied! Aber wodurch namentlich wurde dies Loblied fo bald ein Klagelied ? Weil man sich durch solche Anschauungen, wie der Herr Abg. Richter sie vertritt, verführen ließ, auf s{wankenden und unsiheren Ein- nahmen große dauernde Ausgaben zu basieren. (Sehr richtig! rets.) Dadurch is die Verlegenheit und Schwierigkeit unserer Finanzen ents standen, und ih habe immer gehofft, daß die unmittelbar hinter uns liegende Erfahrung, die das ganze Haus noch erlebt hat, uns davor sihern würde, daß wir niht wieder in denselben Fehler verfallen. Ob ih als Finanz-Minister diesem Ansturm unzweifelhafter Bedürf- nisse und unberehtigter Forderunzen allein Widerstand werde leisten können, wie er im Interesse der dauernden Gesundung der preußischen Finanzen nothwendig wäre, das weiß ich nicht; bisweilen verzweifle ich daran. Dessen bin ih aber ficher, daß ein \folher Widerstand unmögli is, wenn die Mehrheit des Hauses eine der- artige Finanzpolitik nit billigt.
Meine Herren, ih habe durchaus nit behauptet, wie der Herr Abg. Richter es so scheinen lassen will, daß dies Defizit, wie es ver- anshlagt ift, von 15 Millionen Mark auch wirklich eintreten müsse. Ich habe fogar mit dürren Worten das Gegentheil gesagt; ich habe gesagt: bleibt der jeßige Zustand in Handel und Industrie bestehen, dann nehme ih auch an, daß das Defizit versGwinden wird. Aber ih habe hinzugefügt, wenn das der Fall wäre, dann haben wir doch immer nur eine Balance. Aus dem vorigen Jahre können Sie in dieser Beziehung keine Schlüsse ziehen auf das künftige, weil die Eisenbahnverwaltung allein 28 Millionen Mark mehr aufbringen muß, um nur ihren Etat zu erfüllen gegen den Etat des abgelaufenen Jahres. J wage wenigstens nicht, mit einiger Sicherheit zu behaupten, daß wir das jeßt begonnene Etatsjahr au mit erheblihen Uebershüssen nah Deckung des -veran- shlagten Defizits abschließen werden. Jedenfalls würden diese Ueber- hüsse aber nicht auf dauernden und sicheren Einnahmen beruhen, während wir aber dauernde und sichere Ausgaben kreieren.
Meine Herren, ih gehe aber noch weiter. Jch bin mit dem Abg. Nichter darin einverstanden, daß, wenn man fünf Millionen giebt, cs am Ende keinen großen Unterschied macht, ob man deren sechs giebt. Aber irgendwo muß doch cine Grenze fein. Dann fann man 5 mit 10 Millionen vergleichen und fagen: nach unserem Etat is eine solhe Differenz auch ohne Bedeutung. Wenn wir eine Einrihtung hätten, die wir vielleißt mal in Zukunft be- kommen werden, falls unsere Finanzen planmtißig dauernd behandelt werden, und man nit von der Hand in den Mund, von augenblick- lien Stimmungen lebt, daß nämli jede erheblihe Mehrausgabe über die Einnahme hinaus niht einfach dur Anleihe, fondern dur Zuschläge zu den direkten Steuern gedeck würde, dann bin ih über- zeugt, würde der Abg. Richter eine ganz andere Anschauung von der Sache haben. Darin liegt der eigentlihße Kernpunkt dauernder Sparsamkeit. Das haben wir nicht, und deswegen müssen wir aller- dings greifen zu anderen Einrichtungen, die das einigermaßen erseßen. Der Herr Abg. Richter spriht immer von Automaten, die ih erfinde. Nein, ih will nur organische Ordnung, gesetzliche, feste Grund- lagen, die stärker sind wie die augenblicklihen Stimmungen, Wünsche und Forderungen der Regierung, der Ressorts und des Volks bezw. des Abgeordnetenhauses. Wenn man eine dauernde Sicherung unseres preußishen Finanzwesens haben will, so muß man folhe geseßlihe Grundlage legen nicht bloß in Preußen, sondern viel mehr noch im Verhältniß der Einzelstaaten zum Reih. Gewiß, diejenigen, die ihre alleinige Aufgabe darin erblicken, cine gewisse finanzielle Souveränität der Vertretungskörper zu etablieren, beshließen zu können in irgend einer Budgetkommission, wie es einem gerade augenblicklich gefällig ist, ohne auf geseglihe Schrauken zu stoßen — die gewiß, meine Herren, werden solche geseh- lichen Ordnungen Automaten nennen. (Sehr rihtig! und Bravo! rets.) Aber diejenigen, die das dauernde Gesammtwohl des Staats
höher stellen als solhe Gesichtspunkte, die werden schließlich mit mir sich überzeugen, daß die dauernde Gefundung unserer Finanzen von
solchen festen Ordnungen abhängt.
Meine Herren, aus ähnlichen Gesichtspunkten is leider die obligatorische Schuldentilgung in Preußen aufgegeben. Es war gewiß vollkommen richtig, wenn man sagte: warum sollen wir Schulden
tilgen, wenn wir so oft genöthigt sind, wieder neue zu machen. Vom
Banquierstandpunkt aus vollkommen zutreffend, aber niht vom Stand-
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