1915 / 54 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Mar 1915 18:00:01 GMT) scan diff

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Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers" liegen die Ausgaben 387 und 388 der Deutschen Verluft- listen bei; fie enthalten die 166. Verlustlijte der preußischen Armee, die 158. Verlustliste der bayerishen Armee und die 115. Verlustliste der sächsishen Armee.

Baden.

Der Austausch der schwerverwundeten Deutschen und Franzosen hat am 2. März von Konstanz und Lyon aus hegonnen; bis jeßt sind nah jeder Richtung zwei Züge abge- gangen. Der „Karlsruher Zeitung“ zufolge galt für den Aus- taush «ls Grundsatz, daß hierfür alle diejenigen Schwerverwun deten und Kranken in Frage kommen sollten, deren Verwendung für jeden militärishen Dienst ausgeschlossen wäre. Mit diesem Grundsaß hat sich die deutsche Regierung bereits im November vorigen Jahres, die französishe vor etwa sechs Tagen nach langen Verhandlungen einverstanden erklärt, nahdem die deutshe Heeresverwaltung bereits mii der Sammlung der Schwerverwundeten und Kranken in den Lazaretten von Konstanz und Umgebung begonnen hatte. Wie das genannte Blatt hört, ist der völlig klar hingestellte. Grundsaß von der französishen Regierung dahin ein- geshränkt, daß diese weder deutsche Offiziere noch Unter- offiziere austauschhen will, obwohl der deutshen Heeres- verwaltung einwandfrei bekannt ist, daß bei einer großen Zahl deutscher Heeresangehöriger dieses Dienstgrades die vor- erwähnten Bedingungen zutreffen. Bis Frankreih fih ein- verstanden erklärt hat, deutsche Offiziere und Unteroffiziere au8- zutauschen, beabsichtigt die deuishe Heeresverwaltung, ebenfalls von einem Austausch französischer Offiziere und Unteroffiziere abzusehen.

Oesterreich-Ungarn.

Zur Sicherung der zeitgerehßten Beistellung weiteren Er- faßes für die Armee werden, wie „W. T. B.“ meldet, nun mehr die in den Jahren 1873 bis einschließlih 1877 geborenen Landsturmpflichtigen, die bei der Stellung oder Ueber- prüfung waffenunfähig gefunden oder bis zum 31. Juli 1914 im Wege der Superarbitrierung entlassen wurden, zur Lan d- sturmmusterung einberufen. Diese Musterungen finden vom 6. April bis 6. Mai statt. Der Zeitpunkt des Einrückens der tauglih Befundenen wird nachträglich kund gemacht werden.

Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht eine Ver- ordnung des Handelsministeriums im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien über die- Verpflihtung zur Anzeige der Vorräte an Leder und in Bedarfsmaterialien der Lederindustrie.

Gestern sind in Kronstadt (Siebenbürgen) über Ru- mänien 500 österreihisch-ungarishe und deutsche Staatsangehörige eingetroffen, die seit Ausbruch des Krieges in Warschau interniert waren. Sie haben bei Ungheni die russishe Grenze überschritten. Zu der Reise von Warschau bis Kronstadt brauchten sie volle neun Tage.

Großbritannien und JFrland.

Im Oberhause gab gestern Lord Erewe auf eine An- frage, betreffend die Meuterei in Singapore, laut Bericht des „W. T. B.“ folgende Erklärung ab:

Die Meuterei bilde einen peinlichen Gegensaß zu der Lovalität und dem Pflichieifer der übrigen indischen Truppen. Unter den Truppen der fünften indisGWen Infanteriedivision hätte fich eine - gewisse EifersuchGt und Fehdelust bemerkbar gemackt, eine Tatsache, die er besonders bervorbhebe, da man sonst denken fönnte, die Meuterei babe mit dem Heiligen Krieg zu tun gehabt. Dies sei nicht der Fall gewesen. Crewe schilderte hierauf im einzelnen den Aufstand und saote, man dürfe niht vergessen, daß ein großer Teil des meuternden Regiments loya! geblieben sei und die Behörden bei der Wiederherstellung der Ordnung unterstüßt babe. Die Meuterei babe einen rein lokalen Charakter gehabt und sei auf Streitigkeiten in dem betreffenden MNegiment zurückzuführen. Sie habe nihis mit Nasse- oder Religionsfragen zu tun gehabt.

- Im Unterhause fragte gestern der Abgeordnete Bu ll, ob die englische Regierung mit Nücksicht darauf, daß es nah dem Völkerrecht die erste Pflicht des Erbeuters eines Handels- \chiffes ist, es vor ein Prisengericht zu bringen, beabsichtige, diesen Weg einzuschlagen, wenn Schiffe mit Gütern, die mut- maßlich für den Feind bestimmt seien, von ihm stammen oder ihm gehören, aufgebraht werden. Ferner fragte Bull, ob die Regierung beabsichtige, das Prisengerichi zu veranlassen, solche Güter als gute Vrise zu erklären und die Schiffe freizulassen, wenn die Neutralen die Fracht bezahlen, und, falls dies nicht die Absicht der Regierung sei, was fie mit solchen Ladungen und Schiffen zu tun beabsichtige.

Der Ministerpräsident As8quith antwortete nach einer Meldung des „W. T. B.“, die Absicht der Regierung werde offenbar werben, wenn die Verordnungen über die Mafrrege-ln und NRepreffalien gegen Deutschland veröffentliht würden. Er könne augenblidcklih keine be- stimmtere Erklärung abgeben.

Hierauf beantwortete der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Grey eine Anfrage, betreffend die von der japa- nischen Regierung an China gestellten Forderungen, und teilte mit, daß die britishe und die deutshe Regierung übereingekommen seien, Kriegsgefangene, die für den weiteren Kriegsdienst untauglih seien, aus zutauschen.

E Gt N f Pi 2 S c At On A H Auf die Arfrage erklärte der Staatssekretär, die eng Le _ À

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Negierung sei von Jaran über alle an China gestellten Forderungen unterrihtet worden. ‘Ec sei aber gegenwärtig nicht in der Lage, über den Gegensiand Autkunft zu geben. Die erschienenen Meldungen seten stark übertrieben. Namentlch set es unrichtig, daß Japan ver- langt habe, China solle bèi Anstellung ausläândisher Berater Japaner vorzteben und andere Ausländer als Japaner von den zukünftigen Konzessionen für E senbahn-, Berg- und Dockbau auésc{ließen, wenn niht Japan seine Zustimmung erteile

tete. r Krieg8gefangenen sagte Grey, die E

Bezüglich des Au8tausches de Entscheidung darüber, welche Gefangenen in Beträcht kämen, müßte natürlich der betreffenden Regierung vorbehalten bleiben. Ein Aus- tauich habe bereits stattgefunden und weitere würden zweifellos folgen. Nuch Zivilärzte und Zivilpersonen in nicht militärpflihtigem Alter dürsten nach einem Uebereinkomwen zwishen der britischen, der deutshen und der österreihisch-ungarishen Regierung tin die Heimat zurückfebhren. Die Abkommen, die hierfür. beständen, seien von den betreffenden Regierungen etngehalten worden. In einzelnen zweifel- haften Fällen seten besondere Vorstellungen erhoben worten.

Ueber 700 deutsche Zivilgefangene find vor- gestern von den Wohnschiffen bei Southend nach den Ge- fangenenlagern der Jnsel Man gebraht worden. Eine Kommission von Mitgliedern des Unterhauses hat mit der Inspektion der Gefangenenlager begonnen.

Frankreich.

Jn der Deputiertenkammer brachte gestern der Finanz- minister Ribot verschiedene Anträge ein, darunter einen An- trag auf Erhöhung des Ausgabebetrages der Staats\cha§- scheine von dreicinhalb auf viereinhalb Milliarden und einen anderen Anirag, betreffend die Summe von dreizehnhundert- fünfzig Millionen, die Belgien, Serbien, Montenegro und (Griechenland oorgestreckt werden foll.

Die Kammer hat, der „Agence Havas” zufolge, in der Gesamtabstimmung das Gesetz, betreffend die Beschränkung des Alkoholausschankes mit 472 gegen 95 Stimmen angenommen.

Die Panzerschiffe,„Vrovence“ und, Bretagne“, die im April 1913 vom Stapel liefen, werden, wie der „Temps“ meldet, dieser Tage in Dienst gestellt werden. Die Wasserverdrängung beträgt 23 550 Tonnen, die Geschwindig- keit 20 Knoten, die Bewaffnung besteht .aus zehn Geschüßen von 340 Millimetern und 22 von 138 Millimetern, die Be- sazuna aus über 1100 Mann.

Rußland,

Alle Russen im Auslande, die wegen der weiten Ent- fernung ihres Wohnsißes von Rußland bisher nicht zum Kriegsdienst herangezogen sind, haben, wie die „Rjetsh“ meldet, Befehl erhalten, sih spätestens am 14. März bei den russischen Konsulaten zu melden.

Die „Nowoje Wremja“' gibt einen Teil der Anflage- \chrift gegen die sozialdemokratishen Abgeordneten wieder, in der es u. a. heißt: Während in anderen Ländern die Sozialdemokraten für die Verteidigung des Vaterlandes eingetreten wären und einen Burgfrieden geschlossen hätten, hätten die radikalen Sozialdemokraten in Rußland den Sieg der zarishen Regierung als eine Gefahr für die innere Ent- wiclung Rußlands erklärt und verlangt, daß der Kampf gegen Panslawismus und Deutschenhaß zu führen sei. Das Blatt verurteilt diese fozialdemoktratishen Aeußerungen aufs schärfste und bezeichnet fie als Unterstüßung des deutschen Jmperialismnus.

Jtalien.

Der „Ofservatore Romano“ veröffentliht einen Brief des Staatssekretärs Kardinal Gasparri an den Präsidenten der Volksunion der Katholiken Jtaliens, in dem er mitteilt, daß der Papst bestimmt habe, der Vorstand solle eine Kommission von elf Mitgliedern aus seiner Mitte wählen (mit dem Präst- denten an der Spiße und unter Hinzuziehung der Präsidenten der anderen katholischen Vereinigungen Jtaliens), die die Auf- gabe haben solle, der Haltung der. italienishen Katho- lifen eine programmatishe Richtung zu geben und Einigkeit in Gedanken und Zielen herzustellen. Der Papst wünsche die Organisation der Union in allen Diözesen und Gemeinden.

Norwegen.

Der Gouverneur von Deutsch--Neu-Guinea und 120 dortige deutsche Kolonisten sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Kriftiania eingetroffen.

Griechenland.

Auf einen vom König angenommenen - Vorschlag des Ministerpräfidenten hat vorgestern nachmittag, wie die „Agence d'Athènes“ meldet, unter dem Vorsiß-des Königs im Palais in Athen ein Kronrat stattgefunden, um über die innere Lage zu beraten. Anwesend waren die früheren Ministerpräsidenten Theotokis, Mavromychalis, Dragoumis und Rallis, während Zaimi wegen Unwohlseins den Beratungen fernblieb. Der Ministerpräfident Venizelos teilte Einzelheiten über ver- schiedene Auskünfte mit, gab Erklärungen ab und entwickelte seinen Standpunkt über die Richtlinien der Regierungspolitik. Die Mitglieder des Kronrats hielten es für nötig, auch das technische Urteil des Generalsiabes zu hören. Aus diesem Anlaß erklärte der Ministerpräsident, daß er in seiner Eigen- schaft als Kriegsminister dem König vorgeschlagen habe, daß der General Dou3manis gelegentlih des Jahrestages des Angriffs auf Janina wieder zur Aktivität berufen werde und die Stellung des Generalstabschefs übernehme: der König habe seinen Vorschlag angenommen. Jm Verlauf des gestrigen Kronrats seßte der griehishe Gesandte in Paris Romanos die politishe und militärishe Lage der Verbündeten aus- einander, worauf der Ministerpräsident Venizelos die dur

die Expedition gegen die Dardanellen für Griechenland ge- -

schaffene Lage darlegte. Heute wird der Kronrat wieder zusammentreten, um den Generalstabschef um technische Auf- ihlüße zu ersuchen, die notwendig sind, um sih eine Meinung über die Lage zu bilden.

Rumänien.

Außer der rein technishen Konvention, die zwischen den Eisenbahnverwaltungen Rumäniens und Bulgariens über den_Durchfuhrverkehr kürzlih abgeschlossen wurde, haben der Finanzminister Costinescu und der Gesandte Radew nach einer Meldung der „Jndépendance“ folgende Vereinbarung über die Grundsäße für die Durchfuhr unter- zeichnet : Die Beförderung der Waren, deren Ausfuhr in Ru- mänien und Bulgarien nicht verboten ist, fann durch das Land in den Wagen erfolgen, in welchen sie an der Grenze an- langen. Die Durchfuhr der Waren, deren Ausfuhr verboten ist, kann nur mit besonderer Erlaubnis für jeden Fall erfolgen. Die Durchfuhr von Munition und Kriegsmaterial, in welcher Form es auch immer sein mag, ist ausdrücklich verboten.

Amerika.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Washington vom 3. d. M. wird amtlich mitgeteilt, daß, wenn die Ententemächte nicht imstande find, eine reguläre Blokade Deutschlands zu unterhalten, die Vereinigten Staaten gegen die Ver- legung alter Regeln des Seekrieges Einspruch er- heben würden. Weiter wird bekannt gegeben, daß der Präsident Wilson nicht geneigt sei, sich mit der neuen Theorie der sogenannten Blockade auf große Entfernung und mit der Aufbringung neutraler Schiffe, die für neutrale Häfen bestimmt sind, auf den bloßen Verdacht hin, einver- standen zu erflären. __— Im amerikanischen Kongreß sind drei Reso- [lutionen über den Krieg eingebracht worden. Im Senat wurde der „Morning Post“ zufolge beantragt, den Präsidenten zu bitten, eine Konferenz der Neutralen einzuberufen, die die riegführenden Mächte dringend zur Einstellung der Feind- eligfeiten auffordern solle, und eine internationale Exekutiv- örperschaft ins Leben zu rufen, die die Machtoollkommenheit

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besiße, über die Zwistigkeiten zwischen den Nationen ein Urtefl zu fällen und die Ausführung ihrer Beschlüsse durch: zusezen. Jm Repräsentantenhause wurde eine Resolution - eingebraht, in der mehrere Verstösße Groß- britanniens gegen dié Vereinigten Staaten aufgezählt werden, die die Vereinigten Staaten geschädigt und ihre Neutralität gefährdet hätten, und der Präsident aufgefordert wird, binnen 60 Tagen nah der Annahme der Resolution Zu- sicherungen zu erlangen, daß Großbritannien die Verstöße, derent- wegen die Klage geführt werde, aufgeben wolle. Ferner wurde die Einsezung einer Kommission beantragt, die den Plan zur Einrichtung neutraler Seehandelsstraßen mit entsprechendem Patrouillenshuß entwerfen soll. Alle drei Resolutionen wurden der Kommission für auswärtige Angelegenheiten überwiesen.

Beide Häuser des Kongresses, der auf unbestimmte Zeit vertagt wurde, haben, wie das „Reutershe Bureau“ meldet, gestern früh Resolutionen angenommen, die ‘die Regierung ermächtigen, Zollbeamte und bewaffnete See- \soldaten bereitzusiellen, um die Abreise aller Schiffe jeder Nationalität aus amerikanishen Häfen zu verhindern, wenn begründeter Verdacht vorliegt, daß sie beabsichtigen, Kohlen und Waren an Fahrzeuge Kriegführender zu liefern.

Unter der Leitung des früheren Präsidenten Roosevelt des Generals Wood und anderer sind, der „Times“ zufolge die ersten Schritte getan worden, um eine amerikanische Legion aufzustellen. Die Aufgabe der Legion - wird die Organisation aller Männer sein, die irgendwelche. militärische Ausbildung genossen haben, um sie für den Kriegsfall, als Freiwillige zur Hand zu haben. Man glaubt, daß es möglich sein wird, gegen 200 000 Mitglieder anzuwerben, die die bisher vollständig fehlende erste Reserve bilden würden.

Zum Präsidenten der Republik Uruguay ist nach einer Meldung des „Temps“ von den Kammern Dr, Feliciano Viera gewählt worden.

Afrika.

Das in Alexandrien versammelte russische Prisen- gericht hat den im Dezember in den syrishen Gewässern vom Kreuzer „Askold“ gekaperten deutshen Dampfer „Kaifa“ als gute Beute erklärt.

Kriegsnahrihten.

Westlicher Kriegsschauplaß.

Großes Hauptquartier, 5. März. (W.T. B.) Südlich von Ypern fügten wir den Engländern durch unser Feuer erhebliche Verluste zu. Aus der den Franzosen entrissenen Stellung auf der Loretto-Höhe wurde ein feindlicher Gegenangriff gestern nahmittag abgeschlagen. Jun der Champagne seßten die Franzosen gestern und heute naht ihre Angriffe nördlich von Le Mesnil fort. Sämtliche Angriffe wurden zurückgeschlagen, unsere Stellungen festgehalten. Angriffe auf unsere Stellungen bei Vauquois östlih der Argonnen und am Walde von Consenvoye östlich der Maas scheiterten. Sämtliche Versuche, uns das in den leßten Tagen in Gegend von Badonviller eroberte Gelände streitig zu machen, mißlangen. Ein gestern abend noch mit erheblihen Kräften in tiefer Staffelung unternommener Ansturm auf die Höhe nordöstlich von Celles brach unter großen Verlusten für die Franzosen zusammen, auch mehrere Nachtangriffe waren erfolglos. Ueber tausend tote Franzosen liegen vor unseren Hindernissen.

Oberste Heeresleitung.

Oestlicher Kriegsscchauplaß.

Großes Hauptquartier, 5. März. (W. T. B.) Die Lage um Grodno ist unverändert; russishe Angriffe wurden blutig abgewiesen. Die russischen Angriffe nordöstlih und nördlich von Lomza s\cheiterten unter schOweren Verlusten für den Feind, viele Go- fangene der 1. und 2. rufssishen Gardedivision blieben in unserer Hand. Weiter westlich bis zur Weichsel hat sich die Lage nicht geändert, einige Vorstöße der Russen östlih von Plock waren erfolglos. Oestlih von Skiernie- wice mißlang ein starker feindliher Nachtangriff gänzlich.

: Oberste Heeresleitung.

Wien, 4. März. (W. T. B.) Amtlih wird gemeldet: An der Biala südöstlih Zakliczyn wurden gestern vor- gehende russische Truppen nach. blutigem Kampfe zurückgeworfen. Beiderseits des Latorczatales und auf den Höhen nördlich Cisna dauern die Kämpfe stellenweise auh Nachts an. Ueberall, wo es unseren Truppen gelang, Raum zu gewinnen, unternimmt der Feind wiederholt Gegen- angriffe, die stets blutig zurückgeshlagen werden. Besonders entlang der Straße von Baligrod versuchten die Russen während dichten Schneegestöbers mit starken Kräften vorzu- stoßen. Der Angriff, der bis auf die nächsten Distanzer herangekommen war, brach s\chließlich unter großen Ver- lusten des Gegners in unserem Geshüßz- und Maschinen- gewehrfeuer vollkommen zusammen. An den übrigen Fronten feine wesentlihe Aenderung, nur Geshüßkämpfe. Vor Przemys!l herrsht Ruhe.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes : von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

„_ London, 4. März. (W. T. B.) «Die Admiralität teilt mit: Die Operationen in den Dardanellen wurden am Montag um 11 Uhr fortgeseßt. „Triumph“, „Ocean“ und „Albion“ fuhren in die Meerenge ein und griffen das z5ort 8 und die Batterie auf der Weißen Klippe an. Die Forts, Feldgeshüße und Haubitzen erwiderten das Feuer. Aufklärende Hydroplane meldeten Abends verschiedene neue Artillerie- stellungen, in denen aber keine Kanonen aufgestellt waren. Die Hydroplane entdeckten auch eine Anzahl Minen an der Oberfläche des Wassers. Einige Minenfischer räumten Montag- naht unter Deckung von Torpedojägern bis eineinhalb Meilen von Kap Kephen die Minen weg und verloren durch feindlihes Feuer nur sechs Verwundete. Vier französische Schlachtschiffe beschossen bei Bulair Batterien und Ver- bindungen. Die früheren Operationen führten zur Ver-: nihtung von 19 Kanonen von 15—271/, Zentimeter-Kaliber, von 11 Kanonen von weniger als 15 ecm, 4 Nordenfelds,

Scheinwerfern und von Pulvermagazinen der Forts 6 und 3. „Canopus“, „Swiftsure“ und „Cornwallis“ begannen m Dienstag den Kampf gegen Fort 8. Auf diese Schiffe wurde von Fort 9 zugleih mit Feldbatterien- und Haubigzen das Feuer eröffnet. Fort 9 wurde beschädigt und um 4 Uhr 50 Minuten . Nahmittags zum Schweigen gebraht. Die hlachtshiffe zogen sich um 5 Uhr 30 Minuten zurück. Alle drei waren getroffen, aber nur ein Mann verwundet. Die qlufflärung durch Hydroplane wurde durch die Witterung ver- hindert. Das Minenfischen dauerte die ganze Nacht an. Der ngriff wird fortgeseßt. Der russishe Kréuzer „Askold“ ver- inigte sich mit der Flotte in den Dardanellen. (Zu diesem Bericht bemerkt das „W. T. B.: Die bisherigen Reuter- neldungen haben sich als sehr unzuverlässig und fals er- iesen, mit dieser dürfte es auch nicht anders sein.)

Konstantinopel, 4. März. (W. T. B.) * Ueber die estrige Beshießung der Dardanellen telegraphiert der ortige Korrespondent der „Agence Milli“: Vier feindliche Manzerschiffe, umgeben von mehr als zehn Torpedobooten, be- viligten sich an der Beschießung, ohne irgend welhen Schaden ei den Batterien, die das Feuer sofort erwiderten, anzuriten. die feindlichen Schiffe énilséeoten sich wie gewöhnlich. Vier ranzösishe Panzerschiffe gaben eine Anzahl Schüsse gegen Bulair ab, trafen áber nur die englischen Grabstätten, die sich dort bekanntlich seit 1854 befinden.

Athen, 4. März. (W. T. B.) Wie die „Agence 'Athènes“ meldet, verhinderte heute der Nebel eine Feststellung her Wirkungen der Beschießung der Dardanellen, doch haben rei Torpedobootszerstörer, die an der Meerenge vorbeifuhren, estgestellt, daß die Ortschaften von ihren Einwohnern ge- äumt sind.

Konstantinopel, 5. März. (W. T. B.) Der Vertreter der Telegraphenagentur Milli“ in den Dardanellen telegraphiert : ie Mitteilung vom 2. März, betreffend den Untergang ines feindlihen Torpedobootes, wird amtlich nicht estätigt. Wie die Untersuhung ergab, hat infolge des ceuers der türfishen Batterien ein - feindlihes Torpedoboot hlreihe Pfiffe ausgestoßen. Einige andere Torpedoboote men zu Hilfe. Der Nebel verhinderte die genaue Feststellung er Beschädigungen des Torpedobootes, das, wenn es nicht erloren gegangen ist, niht mehr imstande sein dürfte, an den Rämpfen teilzunehmen.

Konstantinopel, 5. März. (W. T. B.) Das Haupt- uartier hat gestern abend mitgeteilt: An der Kaukasus- ront nur einige Vorpostengefechte, keine Veränderungen. Von en anderen Fronten ist nihts Wichtiges zu melden. Die indliche Flotte unterhielt eine Zeit lang ein unwirksames Feuer uf unsere Batterien am Eingange der Dardanellen.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der Reichstagsersaßwahl im 6. Shle3wig- olsteinishen Wahlkreis am 27. Februar dieses Jahres nd nah amtlichen Ermittilungen, wie „W. T. B.“ meldet, bei 295 Wahlberechtigten 10 253 gültige Stimmen abgegeben orden. Hiervon entfielen 10 226 auf den Stadtrat und Fabrik- siger Ernst Carstens aus Elmshorn (Fortschrittliche Volës3- partei). 27 Stimmen waren zersplittert. Carstens ist somit ewählt.

Der Bericht über die gestrige Sißung des Hauses der bgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbetterbewegung.

N Zur Ausstandsbewegung in England (vgl. Nr. 53 d. Bl.) ilt „W. T. B.* eine Meldung der „Morntng- Post“ aus Newcastle it, nah welcher in den Shiff8werften von Goole der Aus- and ausaebrochen ist. All? Schiffbauer haben die Arbeit nieder- legt. Durch den Ausstand sind betroffen die Goole Shipbuilding

d Repairing-Co. und die Webster and Bickerton-Co., die beide für

è Regierung arbeiten. Die Arbeiter fordern etne Lohnerhöhung von

Schilling für die Woche, die Firmen sind bereit, 3 Schilling zu bewilligen. Nach einer Meldung der Basler „Nationalzeitung“ ist der Metall-

beiterstreik in Glasgow noch nicht beigelegt. Die Un-

friedenbeit sei auf die Anwerbung von 3000 amerikanischen Arbeitern rüzuführen, welhe die englishen Arbeiter in E der nerifanischen Waffenfabriken einführen jollten. ie englishen rbeiter beklagten sich, daß die Amerikaner höher entlobnt ürden Die Konferenzen mit dem Londoner Exekutiv- mitee der Crade Unions seien sehr stürmisch verlaufen. jer Notterdamshe Courant“ berichtet, daß eine Abordnung von afenarbeitern aus Pembroke, Devonport, Portsmouth, batham und Deptford am Sonnabend bei dem Admiralitäis- retär Mac Namara erschien, um eine Lohnerhöhung von

è Schilling wöchentlich zu verlangen. Die Arbeitervertreter betonten, die ihnen gewährte Zulage von einem Schilling bet den erhöhten reisen für alle Lebensbedürfnisse zu gering sei. Vèac Namara erklärte sich reit, die Forderung der Hafenarbeiter der Admiralität vorzulegen. n Cardiff traten 200 Arbeiter von der Anchor and Star Patent

juel Co. in den Ausstand.

Kunst und Wissenschaft.

| A. F. Sn der Februarsizung der Gesellschaft für deutsckche orge) chichte hielt der Königlide Bezirkégeo oge Dr. Heß n Wichdorf einen von zahlreihen Lichtbildern begleiteten Vortrag er „Masuren, Land und Leute“. Der fesselnde Inhalt des bortrages sei nachstehend in tunlihster Kürze wiedergegeben. Von tasuren wird zweifellos heute mit lebhaftzm Interesse gesprochen. e der Welt find auf die berühmt gewordene Seenplatte lid)tet.

Erst im leßten Jahrzehnt ist das Land dank der befseren verkeh1s8mitiel auch dem Fremdenbverkehr ershlossen worden; namentli eunde des Wassersports suchen das seenreihe Gebiet in eigender Zahl aut. Es gehört keine eingehende Kenntnis des Tier- d Pflanzenlebeèns dazu, um die ganz eigenen Netze land- jaftlicher Bilder gerecht zu würdigen, welhe in Masuren tm Frühjahr t dihte Beseßung der Ufer mit der gelben Schwertlilte und i weißen Calla bietet, neben dem scheinbar unergründlichen ‘hwarzen, moorigen Gewässer und es tut der Pracht der Früh- bréflora nur geringen Eintrag, s sie meist kurz ist, dafür aber ets nur in üpptaster Entfaltung gesehen wird. Eigenartig wirkt

der die Ufer häufig säumende Gibenbaum (Taxus baccata), für sen Erhaltung, als er autzusterben drohte, man sich tim 17. Jahr- ndert eifrig bemüht hat, weil er einen gut zustußbaren Parkbaum gibt. Während dies aber an vielen Stellen in Europa geschah, îitte man es in Masuren niht nötig; denn hier lebte die vilde* Eibe in unverkürzter Schönheit weiter. Noch ina vielen

masurishen Forsten, z. B. in der Borker Heide, begegnet man ihr mit ihren blaugrünen, glänzenden Nadeln in ah!ungêwerten Beständen. Nicht so boch als andere Nedelhölzer, wild nur als Unterbolz vor- kommend, strebt die Eite bis auf bêchfteré 7 m in die Oôbe, aber Torheit ist es, an ihr drohendes Ausfterben aus feinem andere Grunde zu glauben, als weil fie angebli feine Frudbt trage. In der Borker Heide kann man #\ich von den prächtig rot gefärbten Früchten des Baumes - überzeugen. Die Bestandsverminderung der Eibe erklärt sich einfah daraus, daë ihr Holz sehr nüßlih ist und, im früben Mittelalter zumal, seiner bohen Biegsamkeit. halber als Bogenbolz, namentlih nach England, stark ausgeführt wurde. Nah 1780 wird durch einen Sthrift- steller das Eibenholz als für den Drechsler zur Herstellung von Löffeln und zu Schräukeinlagen be}onders geeignet b ezeihnet. Do Masuren und seine stillen Seen bergen auch ncch manche andere Seltenhbeiten der Pflanzenwelt, die anderswo in Deutschiand wobl au einstmals reihiich vorbanden ‘waren, aber je feltener fie wuden, um fo mehr zur vollständigen Ausrottung reizten und früber noch niht die eifrigen Naturfreunde fanden, die jeßt hir. und wieder offentlich zum Schuß dieser oder jener unsere Flora bereichernde Pflanze gegen unvernändige Verwüstung aufrufen. So wird man erfreut f sein, dem s{önen Straußenfarn, - der seit 1890 von den Höhen des Thüringer Waldes bei Oberhof bis auf das leßte Exemplar durch Sommersfrischler entführt worden ist, in Masuren wteder zu begegnen und in welcher s{ônen Entfaltung! Hoffentlich bleibt es so, wofür die Auëficht günstig ist, weil die Fundorte niht nur ziemlich abge- legen find, 3. B. im S{welchthal am Gasthof zum „Waldkater“, jondern weil der Straußenfarn bier auch seine Ausrottung selbst durh starke Verbreitung und baumartiigen Wuchs erschwert. Am bezeich- neten Ort erfüllt er zu tausenden das ganze Tal und bietet in seinen mannigfaltig verästelten Formen eine der schönsten landschaftlichen und botanischen Ersbeinungen. Im übrigen weiß auch Masuren von auf seinem Boden erfolgten Ausrottungen pflanzlther Besonderhbeiten zu erzäblen. So besaß noch 1595 Caspar Hennenberger in Oppen bei Wehlau nach Beriht, der Chronik etne tausendjährige Eiche von folder Größe 27 Ellen im Umfang daß man im bohlen Baum herumreiten konnte. Bezeichnend ist, was die Chronik vom Schicksal des Baumes berichtet: Da Jeder- mann fich in seiner Rinde durch Einschneiden des werten Namens zu verewigen wünschte, verdorrte die im Uebermaß bveanspruhte Rinde und trug die Last des Baumes nicht länger. Zu den lieblihsten Er- \cheinungen der mafuri)\hen Flora gehört au der „Pfaffenhütchen-“ oder Spindelbaum (Evonymus europaea) genannte bis 6 m bobe Strauch, der bald nah der Schnee|hmelje {on feines grünes Laub treibt, um die Zeit der Obs1blüte fih mit kleinen, grünlih weißen Blüten bedeckt und bald nachher prächtig rot gefärbte Beeren ent- widelt, die aufplaßend eine orangefarbene Samenmandel zeigen. Jm \pâferen tief purpurfarbenen dauerbaften Laubschmnuck bietet der oft aroße Flächen an den Schluchten bedeckende Strauch etnen sehr er- freuenden Anblick. Endlich sei noch zweier Shmucfquellen gedadt, denen fih die Ufer aller Seen in berrlihster Ueppigkeit rühmen können, die eine sogar oft als ein Hindernis für das Besehen der Seen gescolten, die andere mehr zu dem ill beobachtenden als zu dem shaulustigen Men|cen sprehend. Sch{mucquelle 1 ist die Sumpfrohrzone längs der Ufer, 20—30 m breit, erfüllt von Schilf, Binsen, Wasserrosen, Mummeln und den vielfältigen, meist zierlichen, dem Sumpf entsyrofsenden zarteren Blumen und Blüten. Pracht- eremplare dieser Shmudckquelle findet man namentlich in den zahl- reihen, allmählich der Verlandung verfallenden Buchten. In solche Seebucht hineinzus{auen, zu beobahten, wie fih die Uferpflanzen in Vorbereitung der Verlandung verankern, ist ein eigenartiger Genuß. Scchmucfquelle 2 will bet Kabnfahrten unter der Oberfläche des Wassers geiucht werden, wo die , Armleuchterg wächse* unterseeische Wiesen bilden, die unverändert im iWönsften Hellgrün prangen. Die Armleuchtergewäch|e find Kryptogamen, Algen, und das Grün dieser bier vertretenen Gattung der ausgedehnten A:!genflora, der Chlorospermen, ist ganz unve: fäshtee Chlo: ophyll, wenn man €s etne Fäls{hung zu nennen wagen darf, daß andere Algenarten durch Mishung von Chlorophrll mit verschiedenen „anderen Farbstoffen ein anderes, zweifellos oft recht s{ônes Aussehen von der Natur empfangen haben. Algen sind für ihren Aufbau auf Kalk angewiesen; 50% tbres Gewichts besteht aus diesem Urstof und bei ihrem Ab-

sterben (z B. auch beim Trocknen der nur untergetaucht gedeihenden »

Gewächse) bleibt dieter in Gestalt von Kalkröhrchen zurück. Die Unterwafserflora ist zugleich von hoher Wichtigkeit für die Tierwelt, in ihr laihen die Fische. Algen verfauien niht beim Absterben, außerhalb idres Elements; wie bei Luftabs{Gluß, bilden sh Kalk. ablagerungen, nichts weiter. Es folgt hieraus, daß auch die Algen ein ganz allmäblih:8 Verlanden bewirken. Wo fie wathsen, rotird der Verlandung in den Formen der Hohmeoorbildung.

Es bleibt noch von der Tierwelt Masurens zu berihten. Zu ibr stellen Hasen, Neb-, Dacse und Füchse den wichtigsten und be- deutendsten Beitrag. Besonders fiebht man kaum irgendwo foviel Rehkithen, die sich sonst tief im Walde versteckt halten. Hirsche gibt es wenig, den Forst um Sorguttten au8genommen. Elche sind fast ausgestorden; im Herbst kommen fie von der Kuri]chen Nehtung wohl berab bis Königsberg, aber bis Masuren verirren sie sih nicht. Der fonst so wohlgesinnte Masur bat zumetst über Wilddieberei und Fischdiebstahl von Alters her recht laxe Rehtsanschauungen; trotz aller Aufsicht bezieht er fein Fleisch recht oft aus der Forst. Der Wolf wird als Ueberläufer aus Rußland angeblih häufig (?) beob- achtet, man hört wenigstens jährlih etwa 2 bis 3 Mal, es sei einer gesehen oder ge\chossen worden. Ein Berliner Landforstmeister, der vor 8 Jahren dienstlich nah Johannisburg kam, hatte das Jagdglüd, vier Stunden nahdem er dem Eisenbahnzug entstiegen, einen starken Wolf zu erlegen. Er verdankte das seiner wetdmännishen Er- fahrung, welche aus der Unruhe der jungen Nehe auf Anwesenheit des Naublieres \{loß. Für die verhältnismäßige Seltenheit des Wolfes kann der Bortragende aber bezeugen, daß er auf seinen Streifereien durch Masuren zu allea Jahreszeiten nur einmal einen ausgewahsenen Wolf geschen bat. /

Doch, so unterbrach sich an dieser Stelle der Vortragende, es fönnte nah dem biéher Mitgeteilten fo |chetnen, als erschdôpfe fich das Interesse an Masuren, an seiner \{ônen Flora und seiner zahlreiden Fauna, während der Mensh toch den begründetsten Anspruch hat, daß über ihn berihtet werde. Bei der Scbilderung der Stedelungen und der Landbewohner erregte zunächst eine große Neibe \{öner Lichtbilder ein s{chmerzliches Bedauern, weil sie zum Teil die Zustände nach dem russi)hen Einfall und der von diejen . Wilden geübten Mordbrennerei wtedergaben; doch dte Hoffnung auf die Auferstehung Masurens im früheren Glanze erweckten im Getlste der Zuschauer neben den gezetgten Bildern folie sogar von höherem Glanze, weil man der Zuversicht leben darf, daß dem Lande manche besondere Guttat zugewandt werden wird, um die durhlehte Schreckenszeit vergessen zu machen. Es bleibe daher fünftig zu zeigenden Bildern vorbehalten, das wieder auferstandene Masuren zu zeigen, und es set in Kürze hier nur erwähnt, welher Art die Gegenwarts- oder Jüngst- vergangenheitsbilder waren, unter denen natürlich auch solche sih befanden, die der Zerfiörung leßter Monate entgangen sind: 1) ein masurisches Dorf; 2) Häuser landesüblicher Art mit kleinen Borgärten im Shmuck roter Malerei, die Dächer an den Firsten verziert durch sih kreuzende fogenannte Reithölzer; 3) der Leinauer See bei Ortelsburg Frauen klopfen Wäsche; 4) See mit Boot „Seelenverfkfäufer“ zur Aufnahme der Ftisher und thres Fanges; 4) ein s\tattlihes Rittergut, von einem mächtigen Zaun umgeben; 5) eine Hofanlage, Holzhaus mit Schnigzereten geziert; 6) ein \{lichtes Schulhaus; 7) etn modernisiertes, d. i. von Ziegeln gebautes Dorf, doch das einzige vorhandene Holzbaus is das bet weitem hübscheste ; 8) Hetde- und Seenbilder; 9) 2 Masuren, rih'ige Typen der länd- lihen Bevölkerung; 10) die Stelle etner vorgesch'ckchtlichen 'Uusgrabung Gräberfelder, Urnen, Bernstein'chmuck, St1bershmuck, häufig gefundene eiserne Waffen; 11) der Goßlershausener Burgberg, daneben ein verlandeter See; 12) das Städthen Nothfluß; 13) der Krodtsee ;

Wasserspiegel flaher, von 17 m Minimalwasserstand ab begann die

14) 5 Bauern mit Holzihuben Sthlorren; 15) Schule in Leinau; 16) Walfahrer von Heiligenlinde (gehört schon nah dem angrenzenden fatbolisden Ermland, dern die Masuren find Protestanten) Bie Bilder hatten dem Vortragenden. Anlaß gegeben, gelegenilih von den Eigenschaften der Masuren zu berichten. Zunäcyst ist ihr Fleiß, ihre große Handgeschicklichkeit (z. B. in der Holzschnigerei), ibr Chrgiiz, voranzufommen, besonders bei den Landleuten, ihre wirtschaftliche Tüchtigkeit zu loben. Daß sie der Trunksucht ergeben, ift nicht zu- treffend, in ganz Ostpreußen liebt man, entshuldigt dur das Klima, einen fräftigen Trunk, vermeidet zumeist aver ein Uebermaß.

Im weiteren brate der Redner eigene Beobachtungen und

Ie früberer BeobaWhter zur Geltung: Ueber das „Land der 1000 Seen {rieb 1584 Caspar Gannenberg : „Wo gibt es anderêwo ein Land mit diesen \chönen Seen, wie unser Preußen? Wo find fie so maleriich und geeignet über das Land verteilt, entlang dem baltiihen Oöhenrüden, womit ibre Nüglichkeit für das umgedente Gebiet zusammenbängt? Ihre Schönheit ist der Wechsel bei ver-

hiedener Witterung. In betfier Sonne spiegelblank, find fe dem Aufsteigen von Dunstwolken, von dunklen Wetterwolfken unterworfen und bäufig in wildem Aufruhr. Fischer können manchmal faum die Ufer ncch erreichen. Ift das Glüd gut, so kommt zueill ein Bor bote, ein charfer Sturmwind (die sogenannte Eilung), der jeden Set in Waltung bringt. Prächtig sind die rot-goldenen Reflexe be Sonnenuntergang mit folgender violetter Färbung, wenn die Schatten des Waldes aufs Wasser fallen." So zutreffend diese Schilderung so bleibt der Zustand der Seen doch recht wechselvoll. Orfkane find jo selten nit, ibre Stärke hängt mit dem fontinentalen Klima zu- sammen, ja es gibt fräftige Wirbelstürme, die in den Wäldern die Bäume umreißen, in den Dörfern die Dächer abdecken. Die Tiefe der Seen ist recht vershieden. Die langgezogenen (bei 200 m Breite bis 11 km Länge) MRinnenfeen find die tiefsten und werden deshalb von den Dampfergesellshaften gern benußt. Die tiefsten Seen, wie der 50 m und darüber tiefe Spirdingsee, sind die fischreichten, hier finden sich auch die selten vorkommenden Maränen, die wandern und den tiessten Gewässern den Vorzug geben. Ueber die Entstebung der Seen ist noch nichts bekannt; vermutlih entstanden sie durch Spaltung des Elses beim Abschmelzen der Gletscher die einit das Land bedeckten. Dies is für die Rinnenfeen wahrscheinli, welche durch Schmelzwasser ausgehöhlt sein mögen. Von den Be- wohnern Masurens ist zu sagen, daß die Städter aus allen Teilen Deutschlands stammen. Die das Land kultivierenden Ordensritter brachten die Leute aus ihrer Heimat mit, andere kamen als Kaufleute, noch andere wurden, zumal nah Pestzeiten, als Anßedler ins Land gerufen, Anders ist, abgesehen von eingewanderten Salzburgern und Pommern, die He1kunft der Dörfler. Ste stellen einen polnischen Volfksstamm dar, der vollständig in germanishe Art aufgenommen wurde, teit 1525 auch evangelisch ist. Die Stadtbewohner sind behäbig, lteben bei allem Fleiß eine gewisse Behaglichkeit, sind vol Interesse für das deutshe Heimatland. Zwar haben sie ihre Steckenpferde, und häufig finden ih Orktginale unter ihnen. Gut- mütig vnd guter Gesinnung, gleich ihnen, sind auch die eigent- lichen Masuren, vielleiht etwas vershmiyzter und leiht schadensrob, doch sehr anfiellig und pfiffig. Ein Bauer prellt den andern gern, liebt aber auch harmlose Späße. Betde Bevölkerungselemente sind gute, könig8treue Staatabürgec, fleißige Zeitungs8leser. Strebsam in setnem Beru”, \chickt der Bauer den Sohn sicher auf die landwirtschaft- lie Fortbildungs\{zule. Ueberhaupt ist der hter vorhandene Grad landwirts{haftliher Intelligenz sehr \{ätzens8wert. Nührend ist die Kinderliebe bei beiden Bevölkerungselementen. Hiermit bängt auh zufammen, daß an alten Gebräuchen, etnschließlich der Erntefeste, an Tanzsitten u. \. f. streng festgehalten wird. Das fogenannte Wafßsergießen iît etn unausrotibarer Scherz bei allen Erntefesten. Es besteht darin, daß bis zum Beginn des Tanzes um die Erntekrone die Mägde alle Gefäße, deren sie habhaft werden können, mit Wasser füllen, um es den Knechten über den Kopf zu gießen. Eigentümlih ist auch die Sitte, fich bei Lebzeiten den Sarg anzuschaffen. Gewöhnlih stehen auf dem Boden der Kirhe 40 \chrwarze leere Särge mit dem Namen des fspäteren Inhabers. Wird ein Platz leer, findet sich sofort Ersatz. Wunderlich ist, daß das Saatgetreide im Sarge des Familienvaters aufs gehoben wird. Das Baumaterial der Häuser war früher aus- \chließlih Holz, in älteren Zeiten wurden Blockhäuser gebaut, während jeßt Verschalung, oft mit Schnizerei am Giebel, vorgezogen wird. Die Dächer sind mit Schilf gedeckt, und in der oben erwähnten Weise am First verziert. Die Giebelzierate find häufig sehr \{ön, und vtel Wert wird darauf gelegt, im Hause s{chön geshnizte Tische und Bânke zu haben. Noch ist zum Preije der Masuren zu sagen, daß die Militäraushebung den höchsten Prozentsaß Diensttauglicher ergibt, was au erklärt, daß hohes Alter in Masuren oft vo:kommkr, was besonders von der Landbevölkerung gilt.

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Wohlfahrtspflege.

Der eigenartigen Wirkung der modernen Geweßrgeschosse, dem hohen Stand der ärztlihen Wissenshaft und der musterhaften Organisation unserez Sanität3wesens ist es zu verdanken, daß im gegenwärtigen Krieg ein üb erraschend hoher Prozentsatz von Heilungen auch bei den s{chwersten, früher meist tödlihen Verwundungen zu verzeihnen ist. Diese erfreulihe Tatsahe ist in weiten Kreisen bekannt; sie wirkt tröstend, und sie mindert die bange Sorge der Daheimgebliebenen, die ihre Angehörigen in den Gefahren des Kampfes wissen. Ein Kreis von Verwundeten {hien von den Segnungen der ärztlihen Wissenschaft aber ausge|chlossen zu sein : die vielen, die der Bewegungsfreiheit ihrer Glieder dauernd beraubt er- scheinen, oder die ein Glied oder e mehrere verloren haben. Diesen Bedauern?werten erschien es oft erst als etn zweifelhafter Gewinn, wenn ihnen das Leben erhalten werden konnte. Sie schienen dazu verdammt, zeitlebens Krüppel bleiben zu müssen. In der Sorge, wie sie, dauernd aus ihrem Beruf gerissen, wieder Arbeit und Brot finden solltea, erschien thnen oft das Leben als eine brückende Bürde, wenn sie sahen, daß sie threr Familie oder der Allgemeinheit dauernd zur Last fallen sollten. Auch diesen Schwerverleßten kann heute Troft und Hilfe gebracht werden. Erstlich vermag die ärztlihe Kunst A der Wundheilung in viel höherem Maße als 1871 shädigende N der Kriecsverletzung zu beseitigen oder doch zu mildern, und zweitens steht Deutsch{land, das Geburts8land der Arbeiterfürsorge, in voller sozialer Nüstung da, um zu helfen, wo es früher unmöglich erschien. Um diese großen Er- rungenshaften der leßten Jahrzehnte den Schwerverwundeten in weiterem Umfang zugänglih zu machen, hat \sich in Deutsch- land etne auß!gebreitete und wohlgeordnete Hilfsbereitschaft unter dem Namen Krüppelfürsorge gebildet. An dem Namen sollte niemand Anstoß nehmen, zumal da es heute mögli ist, au einen derart Shwerverletzten wteder zu einem arbeitsfähigen, nüßlihen Gliede der menschlihen Gesellihaft zu machen. Die verlorenen Glieder freilich kann man nicht wieder wachsen machen, man vermag aber für sie dur künstliche einen brauh- baren Ersaß zu s{affen. Die „Deu!she Vereinigung für Krüppel- fürsorge“ und die „Deutsche orthopädishe Gesellschaft“ haben ihren gemeinsamen Schriftführer, den Professor Dr. Konrad Biesalskt eine Aufklärungs\christ unter dem Titel , Krüppelfürsorge“ veröffentlichen lassen, die dazu bestimmt tst, die tröstlihe Botschaft in die weitesten Kreise zu tragen: Es gibt kein Krüppeltum, wenn der eiserne Wille vorhanden ift, es zu überwtnden. Jn Wort und Bild führt die Schrift die zahlreihen von Wissenschaft und Tewnik ersonnenen und erprobten Hilfsmittel vor, die es ermöglihen, Glieder, die thre Bewegungs9- freiheit verloren haben, wieder beweglih zu machen und verlorene Glieder durch künstliche zu erseßen. Durch Sehnenauswechslung ge- lingt es, stetse Glieder wieder arbeitsfähig zu machen; auch versteifte Gelenke können ihre Bewegungsfähtgkeit wieder erlangen, zersplitterte oder verkürzie Knochen wieder geheilt und hergerihtet werden. Auch der Laie wird mit Staunen und Freude die sinnreihen Vor- rihtungen im Bilde betrachten, durch die all dies erreicht wird, vor allem die Beweglichkeit und Arbeitsfähigkeit der künstlichen Glieder. Da werden im wahrsten Sinn Lahme wieder gehend. So zeigt ein Bild einen Hauptmann, dem das linke Bein hat abgenommen

werden müssen, wieer 9 Wochen nach der Operation wieder zu Pferde steigt ;