1896 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

: Deutscher Reichstag. 82. Sißung vom 2. Mai 1896, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Jnterpellation der Abgg. Meyer - Danzig (Np.) und Gen. : L u

„Beabsichtigen die verbündeten Regierungen demn mit G e 4- und 33 prozentigen Reichs- Anleihe in 3 prozentige . vorzugehen ?" |

Der Staatssekretär im Reichs: Shazamt Dr. Graf von Posadowsky- Wehner erklärt sih zur sofortigen Beant- wortung der Juterpellation bereit.

Abg. Meyer- Danzig (Rp.): Bei früherer Anregung dieser Frage hat die Seruas erklärt, daß die Vorausseßung der Konvertierung der \tabile niedrige ia sei. Seit der damaligen Erklärung ift der Kurs der 3 9/6 Konsols gestiegen, der Zinsfuß ift niedriger geworden, die Frucht ist gereift, aber fie ist niht gepflückt. Im April 1395 standen die 49/ Konsols 106, die 349 105, die 39% 98,7. Am 8. Oktober standen sie 104, 103,9 und 100,1. Die Pfandbriefe der Westpreußischen Landschaft wurden im August 1895 auf 3 9/0 konver- tiert und standen im Oktober 1895 über 97. Im Oktober wurde eine Unterredung des Reichskanzlers mit einem Korrespondenten der „Kölnischen Zeitung“ veröffentlicht, die nicht dementiert wurde. Die Veröffentlihung, welche gegen die Konvertierung si richtete, hat der Landwirthschaft sehr viel gekostet. Die landschaftlichen 3 9/0

fandbriefe verloren namentlih dadurch an ihrem Kurse und die 4 %/o Ra stiegen. Der billige Zinsfuß konnte daher von den Land- wirthen nur erkauft werden durh ein Opfer von 5 9/0, d. h. er kann erst nah zehn Jahren in Wirklichkeit erreicht werden. Dazu fommt, daß die Engländer infolge der Vorgänge in Trans- vaal ihre deutshen Werthpapiere abgeshoben haben. Die Stabi- lierung des Zinsfußes auf 3 9/6 is eine Thatsache, und damit ist die Voraussetzung vorhanden für die Konvertierung, welhe nothwendig ist im Interesse der Steuerzahler und der produzierenden Stände. eee Volkswirthe find der Meinung, Ee steigende

ultur ein Sinken des Zinsfußes mit sich bringen müsse. Dieser Meinung it der Finarz-Minister Miquel in Gemeinschaft mit dem französischen Volkswirth Leroy Beaulieu. Ausführbar ist die Konvertierung ohne Zuhilfenahme der Börse. Die Regierung brauchte den Inhabern der 34 9% R nur anzubieten, daß sie noch fünf Jahre im Genuß dieser Rente bleiben sollen, wenn sie sih freiwillig zur Konvertierung entshließen. Jn England is eine Konvertierung der Staatspapiere erfolgt; von 11 Milliarden ist nur für 400 bis 50 Millionen die Rückzahlung verlangt worden. Eine Konvertierung auf O würde nur eine Bereicherung des Großkapitals bedeuten. Der Schaßsekretär hat fi dahin Aideelbroden daß die Konvertierung dur ein Geseß erfolgen müsse, wozu die Zustimmung der verbündeten Regierungen nothwendig ift. Die Dauplliuine hat Preußen, welches an der Konvertierung am meisten Antheil hat. Ih würde es aber nicht verstehen, wenn mich der Schahsekretär an Preußen verweisen würde. Das würde nur beweisen, daß die verbündeten Regierungen keine Ahnung von der {weren Nothlage der Landwirthschaft haben.

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Herr Interpellant hat an die verbündeten Regierungen die klare und runde Frage gcrichtet, ob dieselben geneigt sind, ‘die Reichs-Anleihen auf 3 9% zu konvertieren. Jch bedauere, {hon nah der Natur der Sache, auf diese Frage eine gleich klare und runde Antwort, wie sie vielleiht der Herr Jnterpellant wünscht, nicht ertheilen zu können. Ih muß nach wie vor daran festhalten, daß die Reichsregierung zu einer Konvertierung der RNeihs-Anleihe nur über- gehen kann in Uebereinstimmung mit den Maßregeln, welche die Einzel- FRaaten zur Konvertierung ihrer eigenen Anleihen zu ergreifen gedenken. Mürden wir das nicht thun, so würden wir den Einzelstaaten finanziell präjudizieren, den Einzelstaaten, deren finanzielles Interesse an einer

Konvertierung threr Anlcihen ein viel größeres als das des Reichs ift.

Könnte ih also die Frage bejahend beantworten, so müßte bereits ein endgültiger Entshluß der Einzelregierungen vorliegen. Läge aber ein folcher Entschluß vor, so würde Jhnen bereits ein Konvertierungs- gesez zugegangen sein, oder ih hätte aus naheliegenden Gründen, bis die Einbringung eines solchen Konvertierungsgeseßes beim hohen Hause erfolgt, über die Frage zu shweigen. Ih nehme au an, daß der Herr Interpellant bei seiner Interpellation nur beabsichtigt, die Konvertierungsfrage bei den verbündeten Regierungen in mahnende Erinnerung zu bringen. Verfolgten wir ledigli taktis{ch-politische Gesichtêépunkte, so könnte uns ein solches Vorgehen außerordentlich erwünscht sein; denn darüber wird sih das hohe Haus nicht zweifel- haft sein, daß in den Kreisen der Interessenten diese Maßregel eine unerwünschte sei und denselben vielleicht sehr hart ersheinen wird. Wir fönnten also nur wünschen, daß in diesen betheiligten Kreisen das Ge- fühl fih ausbildet, daß bei einer Konvertierung die verbündeten Re- gierungen mehr dem Drängen der geseßgebenden Versammlung als ibrem eigenen Triebe folgen. Meine Herren, man darf bei einer Konvertierung auch nicht vergessen, daß für eine ganze Anzahl An- stalten und, Vermögensmässen geradezu eine Verpflichtung besteht, ihre Bestände entweder in Staatspapieren oder in gleihwerthigen Papieren öffentliher Verkände anzulegen.

Für die verbündeten Regierungen kann meines Grachtens bei der Entscheidung der Frage der Konvertierung zunähft nur ein Gesichts- punkt maßgebend sein: das ist die Entwickelung des Geldmarkts über- haupt. Der Herr Antragsteller hat dem gegenüber wirthschaftlihe Gründe in den Vordergrund ges{hoben. Jch glaube, er wird davon überzeugt sein, daß derartige wirthshaftlihe Gründe, die neben der Entwickelung des Geldmarkts ins Gewicht fallen, gewiß für die ver- bündeten Regierungen sehr s{chwerwiegender Natur sind; ih meine aber, die wirthshaftliGen Gründe, die angeführt find, lassen sih dohch nicht in der Weise, wie es geschehen is, mit der Konvertierungsfrage ver- koppeln. Darüber ist das hohe Haus sicher einig, daß eine Kon- version rur einem Sinken des allgemeinen Zinsfußes folgen, ihm aber nicht vorangehen kann. Wäre es nun richtig, daß der allgemeine Zinsfuß bereits auf 30°/o gesunken wäre, dann hätten eigentlih die erwerbenden Kreise keinerlei Jnteresse daran, zu welhem Zinsfuß die früher ausgegebenen Anleihen verzinst werden; ist aber der allgemeine Zinsfuß, der Zinsfuß auf dem freien Markt noch nicht auf 3% gesunken, so, glaube ich, kann man niht zum Schaden, der Staatsgläubiger die Konversion fordern, um im Interesse derjenigen Bevölkerungskreise, die des Kredits bedürfen, den allgemeinen Zinsfuß künstlich herabzudrldcken.

Der Herr Abg. Dr. Barth hat in der vorigen Tagung in dieser Beziehung eine Ausführung gemacht, die mir recht bemerkenswerth ersheint. Er sagte nämli: nit darauf kommt es an, zu welchem Zinsfuß das Reich und der Staat ihre Anleihen thatsächlich verzinsen, sondern für den allgemeinen Zinsfuß kommt cs lediglich darauf an, zu welhem Zinsfuß das Reich neue Anleihen kontrahieren kann. Meine Herren, is dieser Gesichtspunkt rihtig, so würden eigentlih die produktiven Stände daran, zu welchem Zinsfuß frühere Anleihen begeben sind, gar kein Interesse haben, sondern

sie würden nur ein Interesse haben, zu welchem Zinsfuß jeyt Staat und Reich ihre Anleihen begeben, und wie Ihnen bekannt, werden die Reichsanleihen \{chon feit über Typ emittier. Diese Ausführung wäre nur in einem Falle unrihtig, wenn wir nämli am öffentlichen Markt Geldmangel hätten und infolge dessen die verhältnißmäßig ge- ringen Kapitalien, die {h zu placieren suchen, selbstverständlih nur in 4% Papieren angelegt würden. Aber das i unrichtig. Man hat f\tatiftishch festgestellt, daß im Dezember 1895 in den Re- gierungstresors und in den großen Banken der Hauptländer Europas und Amerikas sich ein Goldbestand von über 19 Militarden Franks befand, während dieser Goldbestand im Jahre 1892 etwas über 16 Milliarden und derjenige von 1891 nur etwas über 84 Milliarden Franks betrug. Im Gegentheil, das arbeitslos umher- lungernde Kapital ift die Ursache, daß der Zinsfuß gedrükt ist und infolge dessen die niedriger verzinslihen Papiere gestiegen find. Man kann hiernah, glaube ih, nicht behaupten, daß die höhere Verzinsung älterer Anleihen ein Grund dafür ist, daß die erwerbenden Kreise zu hohe Zinsen zu zahlen haben. Meine Herren, es kann aber unmögli die Absicht der Regierung sein, eine Kon- version dazu zu benuzen, um den allgemeinen Zinsfuß künstlich herab- zudrücken; es kann auch nit bei der Stellung, die der Staat gegen- über seinen Gläubigern hat, die doch wohl wesentlih anders ift aïs die Stellung eines Privatshuldners gegenüber einem Privatgläubiger- Aufgabe des Staats sein, jede günstige, vielleicht vorübergehende Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, um durch Kündigung früherer Anleihen an Zinsen zu sparen. Ich meine, ein Staat kann mit gutem Gewissen nur dann konvertieren, wenn er die Ueberzeugung hat, daß nicht in absehbarer Zeit wieder Konjunkturen eintreten, die den Zins- fuß in die Höhe schhrauben, die infolge dessen ein Sinken der niedriger verzinslichen Papiere bewirken, und die den Gläubigern, neben dem Zinsverlust eventuell, wenn fie die niedrig verzinslichen Titres anstatt der höher verzinslihen angenonmen haben, au noch einen Kapitals- verluft zufügen.

Wie bat fich nun der Kurs unserer Reich8anlethen entwidelt ? Am 20. März 1895, als diese Angelegenheit in der Budget- kommission des hohen Hauses zuerst besprochen wurde, stand der Kurs der 39/6 Reichsanleibe 98,25, am 26, März 1895 bei Verhandlung der Frage im Plenum hatte sich der Kurs auf 9780 gesenkt. Jeßt, meine Herren, is Ihnen ja bekannt, daß diefer Kurs zwischen 99,60 und 99,80 pendelt. Ich glaube aber, wenn ein Staat dazu schreitet, seinen Gläubigern niedriger verzinsbare Papiere anzubieten, so darf er niht auf die Kursentwickelung in einem kurzen Zeitraum zurüdck- blicken, sondern man muß ih fragen: zu welhein Durhschnitts- zinsfuß hat der Staat thatsächlih seine Anleihen bisher verzinst ? Wenn wir die Frage nach dieser Seite hin erörtern, fo ergiebt si, daß die 3F 9% Reichsanleihen im Jahre 1894/95 von der Reichs- Finanzverwaltung durhschnittlich zu 102} realifiert find die Dezimalstellen sind unwesentlih, die werden Sie mir erlassen und daß daher die Verzinsung der 349% Neichsanleihen noch im Jahre 1894/95 sich fast auf 3499/9 belaufen hat. Gehen wir aber zu den 3 ?%oTitres über, so finden wir, daß im Durchschnitt der Jahre 1890/91 bis 1893/94 das Reich für seine 3% Papiere nur etwas über 85 gelöst hat, und daß also die Verzinsung jener 3 % Papiere thatsählih über 3F 9/6 betragen hat. Im Jahre 1894/95, wo die Papiere anfingen zu steigen, haben wir die 35 % Reichs-Anleiße zu etwa 875 durch- \chnittlih realisiert und haben also au im Jahre 1894/95 fast noch 32 9/6 für die 3 9% Reichs-Anleihe als Zins bezahlt. Erst im Jahre 1895/96, in welhem Jahre etwa 34} Millionen begeben sind, ift es gelungen, die 3 9% Reichs-Anleihe zu 99} zu realisieren (hört, hört !), und hat erst in diesem Jahre die Verzinsung rund 39/% und eine Dezimalstelle darüber betragen. (Hört, hört!) Meine Herren, Sie sagen: hört, hört. Aus jenen Zahlen folgt doch aber das eine, daß erst knapp ein Jahr verflossen ift, seit das Reich in der Lage ift, wirklich 3% Geld aufzunehmen und seine Anleihen thatsählich mit 39/06 zu verzinsen. Ob das ein Zeitraum ift, der für einen Staat ge- nügt, um sofort zu einer Konversion aller früheren Anleihen auf 3% vorzugehen, das scheint mir doch außerordentlich fragli.

Aber gegen den Antrag des Herrn Interpellanten \priht noch ein ganz anderes Bedenken. Die Zahlen, die er gegeben hat bezüglich der Verschuldung des Reichs und der Einzelstaaten, sind niht ganz zu- treffend. Das Reich und die Einzelstaaten haben, soweit mir statistishes Material zur Zeit vorliegt, etwa den doppelten Betrag an 4 9/9 Titres wie an 3F 9/0, und die Schulden, die hier in Frage fommen, betragen ungefähr 6 Milliarden an 4% und etwa 3ck4 Milliarden an 3 9/% Titres. Hierzu tritt die sehr bedeutende Masse an Titeln der öffentlihen Kreditinstitute und der Kom- munen. Ich glaube, schon diese Zahl würde es als politisch und finanziell weise ersheinen lassen, eine Theilung der Masse bei der Konversion vorzunehmen. Würden ih die ungeheuren Massen, die anderenfalls annähernd gleichzeitig zur Konvertierung gelangten, von der Basis ihres bisherigen Zins\saßes auf einmal loslösen, so könnte man mit Necht eine außerordentlihe Umwälzung auf unserem Geldmarkte erwarten. Meine Herren, die nähste Folge würde doch wahrscheinlich die sein, daß unser gutes deutshes Geld ins Ausland geht (sehr richtig !)), und wir Papiere fremder Provenienz dafür hereinbekommen und zwar Papiere von zweifel- hafter Haltbaikeit. (Sehr richtig! rechts.) Der Vorredner hat die Sache fo dargestellt, als ob, nachdem die Landschaften auf 3 9% konvertiert haben, das Reich und der Staat so zu sagen moralisch gezwungen seien, auch ihrerseits dreiprozentig zu konvertieren. Das fann ih nicht zugeben. Das Reich und der Staat haben thre eigenen Interessen und können nur von ihren Gesichtspunkten aus eine der- artige Konversion vornehmen. Ih kann auch nicht zugestehen, daß darin, daß unseren Reichsbeamten anheimgestellt ist, ihre in % Papieren angelegten Kautionen in 39% umzuwandeln, irgend etne fonkfludente Handlung der Reichsregierung liege. Es ift ja klar, daft, wenn die 3} 9/0 Papiere eine sinkende, die 39% eine fteigende Tendenz zeigen, man den eigenen Beamten nicht das Risiko abnehmen, sondern es ihnen selbst überlassen will, ob sie nunmehr ihre Kautionen noch in 3X 9% Papieren belassen wollen oder ob sie vorziehen aus Erwä- gungen der Zukunft, ihre Kautionen nur in 3% Papieren anzulegen,

Ich kann zum Schluß namens des Herrn Reichskanzlers die positive Erklärung abgeben, daß derselbe unter keinen Umständen eine Konvertierungsvorlage dem Bundesrath unterbreiten wird ohne voll- ftändige Uebereinstimmung und ein gleihmäßiges Vorgehen bezüglich der Konvertierung: in den hauptsächlihsten Einzelstaaten (Bravo!),

und aus diesem Gesichtspunkte heraus kann ih au ferner die Er-

5 Jahren zu dem 3 proz.

flärung abgeben, daß in dieser Session auf eine Konvertierungs-

vorlage nicht zu rehnen ist. (Bravo!) - “Auf Antrag des Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) tritt das Haus in die Besprehung der Jnterpellation ein.

Abg. Dr. Rintelen bestreitet, daß eine Uebeteinstimmung des Reichstags für die Konvertierung vorhanden sei. . Von einem allge- meinen wirthfhaftlihen Nothftande fönne jet niht mehr die Rede sein, ebensowenig davon, daß der Zinsfuß si schon auf 3 9/o stabilifiert habe. Es komme nicht auf die Interessen einzelner Kreise an, sondern ul die Interessen des Ganzen; es würde die Ermäßigung des Zins- fußes nur ein Brocken sein, der der Landwirthfchaft vorgeworfen werde. Denn es würde die Verschuldungsgrenze hinaufgehen, bis die Zinsen- last dieselbe sein würde, wie früher. Die Grsparniß an Zinsen würde 5 Millionen Mark betragen. Preußens Schulden, fährt Redner fort, sind hauptsächlich E und die Eisenbahnen verzinsen ih mit 70/0, das heißt der preußishe Staat erhält mehr Zinsen, als er bezahlt; er brauht die Steuerzahler niht in Ansyruch zu nehmen. Cr hat die Eisenbahnen ihren früheren Besißern abgekauft, und es is moralisch nit berehtigt, daß er nun naGte alte den von ihm gezahlten Preis durch Ermäßigung der Rente hecunterdrückt. Die Reihs- und Staatsanleihen find vor- nehmlich Anlagepapiere, die als sihere Kapitalsanlagen auh von kleinen Besitzern betrachtet werden. Wenn der Spartricb nicht er- leihtert wird, dann wird die Zahl der kleinen Kapitalisten vermindert im Interesse der die kleinen Betriebe aufsaugenden Großkapitalisten. Das Kapital sucht höher verzinsliche Anlagen, das zeigt die Ueber- zeihnung der chinesishen Anleihe. Die 50/9 Zinsen haben dazu an- gereizt ; das zeigt, daß das Bedürfniß eher eine Erhshung als eine Verminderung des Zinsfußes verlangt. Die Landwirthe betreiben die Entwerthung des Kapitals; damit arbeiten fe aber den Sozialisten in die Hände. Kleine N ad in allen Ständen vorhanden, bis auf den Proletarier, welcher keinen Pfennig besitzt. Alle diese Kreise haben an den Zinsen ein großes Interesse; dazu ge- hôcen besonders auc die Stiftungen, welhe für die Erwerbslosen und Armen sorgen. Die Nothlage dieser Armen würde gesteigert werden, wenn die milden Stiftungen ihnen die Hilfe theilweise versagen müßten. Weil die Konvertierung von größtem sozialen Interesse ift für die wirthschaftlich Schwachen, so kann nur mit der größten Voc- sicht vorgegangen werden.

Abg. Dr. Graf Udo zuStolberg (d. kons.): Ich spreche nicht im Namen aller meiner Freude. Die Konvertierung hat eine finanz- politishe Seite aber diese ist für mih nicht die Hauptsache und eine wirthshaftlihe Seite, und da kommt die Nothlage der Land- wirthschaft in erster Linie in Betracht. Da die großen Mittel nicht zu haben sind, fo muß ein fkombiniertes System kleiner Mittel angewendet werden; mit einem solhen Mittel haben wir uns gestern beschäftigt und werden uns in den näcsten Wochen noch roeiter be- schäftigen. Zu der Verbilligung der Produktionskosten gehört die Verbilligung des Zinses. Die Landschaften sind, da der Staat nicht vorging, ihrerseits mit der Konvertierung vorgegangen, zuerst’mit gutem Erfolg, aber bald gerieth die Konvertierung ins Stoden. Man wartet auf tas Vorgehen von Reich und Staat, damit die Landschaften weiter konvertieren können. Für Ostpreußen allein handelt es ch

- um eine Summe von 293 Millionen Mark 3 9%, Pfandbriefe, also

eine Zinsersparniß von 1} Millionen Mak, woran der kleine Grund- besiy zu 4/5 betheiligt ist. Das is nicht ein bloßer Brocken, der der Landwirthschaft hingeworfen wird; es handelt fich \cließlich um ein großes Mittel sür den Osten. Eine QuEEe Herabdrückung des Zinsfußes verlangen wir nit; er ist heute höchstens 3x 9/0; er wird durch das Nichtvorgéhen der Regierungen künst- lih hoh gehalten. Das Kapital erwartet die Konvertierung, das zeigt das Verhalten der Kurse unter einander. Gerade bei der heutigen Nothlage der Landwirthschaft sollte man keinen Tag länger tamit warten. Wartet man noch länger, dann haben s{chließlich die Land- wirthe gar feinen Vortheil davon, fondern nur die Kapitalisten. Natürlich soll die Konvertierung niht übereilt werden. Jch denke daran, daß cin Theil der 49/9 Anleihe in 3% verwandelt wird. Eine Konvertierung von 4 auf 39/9 würde nur der Börse zum Bor- theil gereichen. die Konvertierung einige Nachtheile mit #sich bringt, ist selbstverständlih; es fragt sih nur, ob die Vortheile nicht größer sind. Die Hauptinteressenten sind die Steuerzabler; der fleine Ländwirth i der wirthschaftlich Shwächere gegenüber dem kleinen Rentner. Die Sparlust wird durch eine folche Maßregel wirklih nicht erlahmen. Die Schlußerklärung des Schahsekretärs war eigentlich selbstverständlich. Jch wünsche, daß ein Einverständniß der Regierungen erzielt wird. Das Parlament übernimmt eine Ver- antwortung, wenn es folche “b anregt. Aber was bleibt uns übrig, da das Reich und Preußen nicht vorgehen wollen, als diese Frage in mahnende Erinnerung zu bringen ? s

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wir fürchten, daß die Konvertierung Verschiebungen hervorbringen wird, daß namentli die Mittelklassen, die wir in ihren Einkommenséverhältnissen erhalten wollen, davon betroffen werden. Aber eine Konvertierung müssen wir doch ins Auge fassen, wenn der Zinsfuß \fih dauernd auf einem niedrigen Niveau hält, oder wenn die Regierung hohe Anforderungen an die Steuer: zahler stellt. Seit cinem Jahre ift der Zinsfuß dauernd ein niedriger gewesen. Der höhere Zinsfuß ist eigentlih nur ein psychologises Poment; denn in Wirklichkeit muß derjenige, der ein höher verzins- lihes Papier kauft, einen höheren Kurs bezahlen, der nur deshalb etwas vermindert wird, weil die G:fahr der Konvertierung besteht. Man wird sih darüber nicht immer ret klar sein, und daráus mag die Abneigung des Publikums entstehen gegenüber den 30/9 Papieren, weil daneben noch 4- und 3# 9% bestehen. Dieses pfychologische Moment würde dur die Konvertierung beseitigt. Die Konvertierung der 49/9 Papiere in 3} % würde durh bloße E ohne jede Mithilfe der Börse vor sich gehen können. Wenn die Eisenbahnen hohe Einnahmen erzielen, dann können andere Aufwendungen im Interesse der Steuerzahler gemacht, namentlih die Eisenbahntarife ermäßigt werden. Das Versprehen einer immerwährenden 4 9% Rente i} den Aktionären der Priratbahnen niht gegeben. Jch bin dem Interpellanten dankbar, daß er keinen Antrag gz-\tellt hat; denn zu einer so wichtigen Frage darf der Reichstag nicht die Junitiative ergreifen. Noch besser wäre es aber gewesen, wenn die Interpellation im preußischen Abgeordnetenhause eingebraht worden wäre. y

Abg. Bebel (Soz.): Sozialistishe Ideen kommen hier gar nicht in Frage, fondern es handelt sich nur um die Frage, ob die Ent- wickelung des gegenwärtigen Kapitalismus eine Ermäßigung des Zinsfußes nothwendig macht. Für die Nothwendigkeit der Er- mäßigung des Zinsfußes is {on seit Jahren der frühere Reichs- fanzleramts- Präsident Delbrück, der schon längst die Frage im Sinne der Interpellanten gelöst hätte, denn es handelt sich nur um eine Frage des guten Willens. Es find nur gewisse maßgebende Per- fönlichkeiten und Institute, die sih, weil sie geschädigt werden würden, der Maßregel widersegen. Es handelt sich um 8 Millionen Mark Ersparnisse für die Steuerzahler im Reih und um 36 Mil- lionen in Preußen; diese Gelder können sehr gut gebrauht werden zur Verbessernng der Lage der Schullehrer und der Richter. Die andern Staaten sind dem Deutschen Reich vorangegangen, und es ift eine An- standépfliht gegenüber den Steuerzahlern, zu folgen. Das Kapital Tonzentriert fch immer tier und zwar în den Händen der Reichen, die also von den hohen Zinsen den meisten Vortheil haben. Das Sinken des Zinsfußes is eine Folge der großen Anfammlung von Reservefonds für die Jnvaliden- und No und des Ersatzes des Verkehrs in baarem Gelde durch ten Giro- und Check- Sitte Sachliche Gründe gegen die Konvertierung liègen nit vor, fondern nur der Ginfluß einiger reihen und einflufirei@en Leute und einiger Institute. Aber maßgebend ist in erster Linie das Interesse der Steuerzahler, und deshalb treten wir für die Konvertierung ein.

Abg. Dre. Barth (fr. Vgg.): Daß die verbündeten Regierungen eine Zeit lang gezaudert haben, die Verantwortung für die Konvertterung u übernehmen, ist begreiflich. Aber der Zustand des billigeren Zins- fußes ist doch nunmehr eine Thatsache, und man kann es den Steuerzahlern niht länger mehr zumuthen, die Lasten des höheren Zinsfußes zu tragen, den Gläubigern des Staats eine Liebesgabe zu

ewähren. Die Steuerzahler in ihrer Gesammtheit sind weniger

ngsfähig, als die SQULO des Deutschen Reichs. Nur ein Bedenken besteht bezüglih der Konvertierung: Was geschieht mit den ersparten Summen? Wenn sie verwendet werden sollen zu allerlei agrarishen Zwecken, dann überlasse ih das Geld lieber den Gläu- bigern. Wenn sie zur Erleichterung der Steuerzahler verwendet werden follen, dann bin ich für die Konvertierung. JIch möchte deshalb den verbündeten Regierungen, wenn sie mit einer Vorlage kommen, schon heute den Rath geben, zugleich mit derselben über die Verwendung der Summe uns Aufklärung zu geben; denn das wird das Entscheidende sein.

Abg. Gamp (Rp.): Eine Entscheidung kann heute nicht ge- troffen werden, aber die Gründe können doch gegen einander abgewogen werden, und die Gründe s\prehen für die Konvertierung. Dazu kann die Regierung nit veranlaßt werden, schon jeßt eine Ecklärung über die Verwendung der Gelder abzugeben. (Zuruf des Abg. Dr. Barth: Demnächst!) Demnächst werde ich zu einer Verwendung der Gelder zur Schuldentilgung bereit A , weil das am nächsten liegt. Der Schaßsekretär hat selbst darauf hingewiesen, daß das Kapital herumlungere, daß es sih mit einem geringeren Zinsfuß begnügen müsse. Das Kapital kann also jeyt verwendet werden zu Anlagen, die man früher wegen der höheren Zinsen nicht machen konnte. Es ist eigentlich unbegreiflih, daß Preußen, dessen Schulden durch Vermögen überdeckt find, noch immer 4%/ zahlt, während englische Papiere bei 23% Zinsen 115 standen. Das liegt an der Diskontopolitik der Reichsbank, die niemals unter 3% heruntergegangen ift; fie hat ihre Gelder lieber zu billigem Privat- disfont den reisten Leuten zur Verfügung gestellt. Höchstens wären die 34 9% Papiere noch zu vertheidigen gegenüber dem jeßigen Zinsstande. Wenn den Inhabern eine kleine Prämie gewährt würde in der Form, daß die höheren Zinsen noch einige Jahre gezahlt werden, dann werden die Papiere an das Inland gefesselt bleiben. Wenn die Konvertierung beabsichtigt wird, dann müßten die Regierungen natürli dafür sorgen, daß nicht gleichzeitig fremde Anleihen emittiert werden. Die kleinsten Kapitalisten haben ihre Anlagen nicht in Staatspapieren, sondern bei der Sparkasse, wo sie überhaupt nur 3 9% erbalten. Wie kann man den Großkapitalisten einen höheren F bewilligen? Durch die Konvertierung wird die Ver- tauflihkeit der Landgüter gesteigert. Geiade hente, wo Hunderte und Tausende von Landgütern zum Verkauf tehen, müßte man den Zinsfuß des mobilen Kapitals herabdrüctken. Daß der Reichskanzler dur Verschiebung der Konvertierung der Reichs-Anleihe den Land- wirthen die Konvertierung der Pfandbriefe erleihtern wollte, ift eine Ausführung, die besser unterblieben wäre. Gerade diese Er- R zur denkbar ungünstigsten Zeit hat die Konvértierurg der Pfandbriefe verbindert.

Staatssckretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Der Herr Abg. Bebel hat sich veranlaßt gesehen, anknüpfend an eine Aeußerung oder Andeutung, die er bereits bei Erörterung dieses Gegenstandes in der vorigen Session machte, den Verdackt auszusprehen, daß andere wie sahliche Gründe für die Behandlung die Konvertierungsfrage in der Reichsinstanz maßgebend seien; er bat gesagt, man müsse doch glauben, daß es rihtig wäre, wenn allgemein erzählt würde, daß deutshe Fürstenhäuser große Vermögen in vier- prozentigen Papieren angelegt hätten, und daß dieser Umstand maß- gebend wäre für die Entschließung der Reichsregierung. Jch bedauere aufrihtig, daß der Herr Abg. Bebel in den s\sachlichen Ton, der allgemein die Verhandlungen durchzogen hat, ein solches Motiv hinein- getragen bat. Jh kann dem Herrn Abg. Bebel versichern, daß von feiner Seite auf die maßgebenden Justanzen auh nur der Schein einer Andeutung in der Richtung eingewirkt bat, und ich bestreite ihm, daß es irgend einen deutshen Fürsten oder die Verwaltung eines deutshen Fürstenhauses giebt, die es versuchen würden, in der Be- ziehung aus privaten Interessen auf eine derartige wichtige Ent- scheidung der NReichsinstanzen in einer rein staatlichen Angelegenheit einzuwirken. Ich glaube, damit if diese Sache ein für allemal ab- gethan.

Ich muß aber do noch auf einige Bemerkungen eingehen, die von anderen Nednern gemacht worden sind.

Der Herr Abg. Gamp hat gesagt: die Befürhtung, daß, wenn die großen Geldmassen, die in 4- und 3F 2/6 Papieren angelegt \ind, auf einmal zur Konvertierung gelangten, und wenn diese Konvertierung sofort auf 39/6 erfolgte, fremde Papiere gekauft werden würden, wäre eine grundlose. Jn anderen Ländern sei diese Erscheinung nicht hervorgetreten. Ich kann diesen Einwand als berechtigt nicht zugeben. Die Verkbältnisse liegen in dieser Beziehung in Deutschland wesentlich anders als in England und Frankreich. Jn England und Frank- reich ist der finanzielle Nativiêmus, wenn ih mich fo ausdrücken darf, viel größer wie in Deutshland. In England betrahtet man heute noch das ift ja Geshmadcksfahe Anleihen des Deutschen Reichs nicht als erfte Sicherheit und kauft deshalb möglich# die eigenen Konsols, und in Frankreich das i} allgemein bekanrt kauft der französishe Rentner in erster Linie immer nur französische Rente, während in Deutschland eine aufterordentlih große Neigung für fremde Papiere besteht. Die eventuelle Konversion unserer Anleihen in erotische Papieren hängt au mit’ncuen Emissionen nicht zusammen. Wer in Zukunft statt 4 oder 34% nur 39/9 bekommt, braucht ja nicht solhe Emissionen abzuwarten. Er kauft einfach ein {on be- gebenes Papier, was niedriger \teht, aber höhere Zinsen giebt.

Der Herr Abg. Gamp hat ferner gesagt, ih hätte mir eigent- lich selbst widersprohen, indem ih auf der einen Seite behauptete, der Zinsfuß am offenen Markte wäre noch nicht auf 3 %%/% gesunken, andererseits wäre die Ursache des Sinkens des Zinsfußes das nicht genügende Beschäftigung findende Kapital. Das is unzweifelhaft, daß fett Jahr und Tag die Unmasse des Kapitals auf den Zinsfuß drückt ; ader wenn der Zinsfuß {hon so gesunken wäre, daß er allgemein 39/0 betrüge, so würden ja diese Kapitalien froh fein, zu 39% über- haupt Anlage zu finden, und die Erwerbsklafsen, welche 3 prozentiges Geld suchen, würden gar kein Jnteresse mehr an der Verzinsung der früheren Reihs- und Staatsanleihen haben , sondern würden auch ohne Konversion ausreichend 3 prozentiges Geld am Privatmarkt geliehen erhalten. Das ist aber niht der Fall, weil der Zinsfuß am offenen Markt eben noch kein 3 prozentiger ift.

Meine Herren, die Frage des Zinsfußes mit dem Diskont der Reichsbank oder der Englishen Bank zu verbinden , halte ich für völlig unmöglich; die Diskontpolitik ift eine ganz andere, wie die Ziné politik für unsere Anleihen. Würde man den Diskont in irgend eine Verbindung mit dem Zinsfuß von Anleihen bringen - können, fo müßte man in England schon lange einen Zinsfuß von 1} 9/% oder darunter haben.

Der Herr Abg. Dr. Barth hat s{ließlich noch geglaubt, mit der Konversion die Frage der Verwendung der Ersparnisse zu verbinden. Ich kann Herrn Dr. Barth“versihern;-daß diese Frage, wte eventuell Konversionsersparnisse im Deutschen Reich angelegt würden, mir noch nicht das geringste Kopfzerbrehen gemaht hat. Jh bin fest über-

zeugt, daß, wenn es zu solhen Ersparnissen käme, wir sehr leiht darüber einig würden.

Abg. Gräfe (Reform-P.): Von der Konvertierung würde der Grundbefiß einen Vortheil i aber die s{chwere Notbiage in Stadt und Land kann uns niht zur Konvertierung veranlassen, weil der kleine Bauer auch fernerhin noch 49% für seine Hypotheken wird zahlen müfsen. Vie kleinen Kapitalisten würden geschädigt, und das deutsche Geld würde ins Ausland gehen. Im Königreichß Sachsen find infolge der Konvertierung die Gelder vielfach in exotischen Werthen, in Portugiesen und Griechen angelegt und dabei verloren worden. Die Konvertierung würde die kleinen Ko"italiften zwingen, das Kapital anzugreifen, und dadurch würde eine proletarisierende Wirkung hervorgerufen. Nach der Konvertierung würden die Spar- kassen auch nicht mehr 3 9/6 geben können, und dadurch würden die kleinsten Leute Schaden haben. Wir werden daher einer Konvertierung niemals zustimmen. Wenn die Landwirthschaft nur davon noch ab- hängt, ob sie 3 statt 40/0 Zinsen zahlt, dann is ihr überhaupt niht zu helfen. Wir müssen ihr bessere Getreidepreise hafen, das ist das einzig wirksame Mittel.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.) erklärt, daß Abg. Dr. Rintelen nicht im Namen der Partei gesprochen habe; er und ein Theil feiner Landsleute seien nicht mit ihm einverftanden, de hielten unter der Be- dingung eines vorsihtigen Vorgehens eine Konvertierung für noth. wendig; das Reich müsse im Verein mit den Einzelstaaten vorgehen. Gegenüber den Stiftungen und den Wittwen, die ges{chädigt würden, vergesse er niht die ammen Steuerzahler, deren Zahl größer sei. Be: Verwendung der Mittel würde wohl eine Verständigung möglich sein.

Abg. Dr. Freiherr von Langen (d. kons.) spricht im Namen der Konservativen, welche im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Konvertierung niht für richtig hielten. Freilih, so führt der Redner aus, haben die Inhaber der Konsols, welche für die angekauften Eisenbahnen gegeben wurden, keine Garantie erhalten, daß diese nit konvertiert werden. Die Konsols befinden sich im Inlande, in den Händen des Mittelstandes, der Kirchen, der Stiftungen u. \. w. und der bevormundeten Personen, der Minderjährigen und Irren. Die kirch- lichen milden Stiftungen der Provinz Brandenburg belaufen ih auf 2¿ Millionen Mark in Konsols. Sinkt der Zinsfuß, was ja infolge der zunehmenden Kultur sein mag, dann müssen die Sparkassen weniger So nehmen für ihre Anlagen, können aber auch nur weniger BZinfen zahlen zum Schaden der kleinen Sparer. Redner empfiehlt ein vorsichtiges, niht überstürzendes Vorgehen.

Abg. Galler (d.Volksp.) erklärt, daß seine Freunde der Konvertierung sympathisch gegenüberständen. In manchen Fällen würde allerdings die Kürzung der Zinsen \{merzlich empfunden werden, aber die Zinsen- zahlung erfolge auf Kosten der ärmsten Steuerzahler, die durch die indirekten Steuern herangezogen würden.

Abg. Pauli (Rp.) erklärt namers eines Theils seiner Freunde, daß diese auf dem Standpunkt des Abg. von Langen ftehen; die Mehrheit der Fraktion wünsche der Regierung freie Hand zu lassen.

Nachdem Abg. Meyer-Danzig den Einwendungen gegen een E widersprochen hat, wird die Besprehung geschlossen.

Schluß 51/, Uhr. Nächste Sizung Montag 1 Uhr. (Interpellation, betreffend die Vechaftung des Abg. Bueb; zweite Berathung des Margarinegeseßes.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 13. Sizung vom 2. Mai 1896.

Auf der L steht die zweite des Lehrerbesol Ua S TTOGES,

Graf von Zieten-Schwerin hat einen Antrag ein- gebracht, wonach § 1 dahin lauten soll, daß die Mittel zur Errichtung und Unterhaltung des öffentlichen Volksshulwesens von den Gemeinden und im Falle des Unvermögens ergänzungs- weise vom Staat getragen werden sollen. is zum Erlaß eines allgemeinen VPolksschulgeseßes sollen den Gemeinden neue Lasten dafür nicht auferlegt werden ; die Mehraufwendungen auf Grund dieses Gcseßes soll die Staatskasse leisten.

Jn der Generaldiskussion bemerkt

Ober - Bürgermeister Schneider - Magdeburg, indem er die prinzipiellen Bedenken gegen die Vorlage resümiert, daß dieselbe im bureaukratischen Sinne die adminiftrative Willkür stärke, den Ge- meinden neue Lasten auferlege, obne ihnen weitere Rechte zu geben. Der Antrag des Grafen Zieten sei ihm annehmbar. Dié Ver- antwortung für die Vorlage könne man getrost der Regierung zu- schieben. Die Negierung werde hoffentlich daraus Veranlassung nehmen , künftig au den Ansichten in diesem Hause mehr Rechnung zu tragen. Seine Freunde wollten den Lehrern gern helfen, könnten es aber nicht auf Kosten der Gemeinden thun. Die Regierung müsse die Wünsche der Lehrer auf andere Weise erfüllen. Nicht auf die fogenaniten breiten Schultern der Gemeinden müsse die Laft ab- gewälzt werden, denn sie drüde niht die Gemeinde als Korporation, jondern die einzelnen Steuerzahler. NRedner bat zum Schluß, die Vorlage abzulehnen.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat wiederum in sehr scharfer Weise seine Stimme dafür eingescßt, daß der Geseßentwurf nicht in die Kommission verwiesen worden is, und Sie gebeten, ihn einfa abzulehnen. Ich muß es ja gewiß jedem Mitglied dieses hohen Hauses überlassen, wie es si zu diesem Gesetzentwurf stellen will. Aber, meine Herren, das glaube ih doch hervorheben zu dürfen, daß der Besckluß, wie er vorgestern hier gefaßt worden ift, nah allen Richtungen hin seine sehr betenklihen Seiten hat. Erlauben Sie mir, darauf auf- merksam zu machen, daß der Entwurf nicht nur von seiten der König- lien Staatsregierung vor seiner Einbringung in heißer Arbeit vor- bereitet worden ift, sondern daß das Abgeordnetenhaus ihn in monate- langer Kommissionsberathung und in drei Lesungen durhberathen und ibm diejenige Faffung gegeben hat, in welcher er jeßt an Sie gelangt ift.

Meine Herren, es is garniht die ausschließlichße Negierungs- vorlage, um die es sich hier handelt, sondern es sind die Beschlüsse des anderen Hauses. Und ih glaube, in der ganzen Geschichte unseres Parlamentarismus is auch nicht ein einziger Fall aufzuweisen, wo ein gleihes Verfahren mit einem Geseß von dieser Wichtigkeit einge- \hlagen worden wäre, wie dies hier jeßt geshebhen fol. Nun kommt dazu, meine Herren, daß dieser Beschluß, wie er vorgestern gefaßt worden ist, doch nicht bloß ein Geshäftsordnungsfall ift, sondern eine ganz unbestreitbar politishe Bedeutung hat. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß auch im Abgeordnetenhause bei den konservativen Parteien und dem Zentrum prinzipielle Bedenken mancher Art gegen den ursprünglihen Entwurf beftanden haben, daß man diese Bedenken aber hat zurückstehen lasen, weil man das Bedürfniß, dem Nothstand der Lehrer abzuhelfen, für so dringend hielt, daß man unbedingt dafür eintreten mußte, daß man ih ents{chlofsen hat, das Geseh so zu gestalten, wie es jeßt zur Beshlußnahme vorliegt. Darin liegt {on eine starke politisdhe Seite. Nun kommt aber dazu, daß durch die Annahme des Geseßes in den drei Berathungen des Abgeord- netenhau*es bei den Lehrern im Lande doch eine berechtigte Hoffnung

Berathung

erwachsen is und erwahsen mußte, daß nun endlich die dringendsten Nothftände auf dem Gebiet des Lehrerbesoldungswesens gebessert werden würden, Auch die Lehrer hatten anfangs Wünsche, die über das Maß dessen, was ihnen in diesem Gesey gewährt wird, weit hinausgehen, aber ih muß fagen, mit einer erftaunlihen Einstimmig- keit haben die Lehrer in ihren Organen, wie ih neulih {hon andeutete,- s{ließlich ihre weitergehenden Wünsche zurückgestellt und sind ein- stimmig für die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses eingetreten. Meine Herren, ich habe mich für verpflihtet gehalten, das hervorzuheben und möchte nur noŸh dem Herra Vorredner erwidere: er hat gesagt, die Verantwortung für die Unzuträglichkeit, die aus der Nichtannahme des Gesetzes hervorgeht, müßte er der Königlichen Staatsregierung überlassen. Das wird man ihm weder im Abgeordnetenhause, noch im Lande, noch in der Lehrershaft glauben (Beifall und Widerspruch), daß er damit Recht hat, nachdem das Abgeordnetenhaus das Geseg angenommen hat und nachdem es in dreifacher Lesung im Abgeordnetenhause und nah dreimonatlicher Kom- missionsberathung an Sie gekommen ift. Man wird die Verantwortung ausshließlich diesem hohen Hause zushieben. Jch bin ja gewiß, daß die- jenigen Mitglieder, die in ihrem Gewissen sich gedrungen fühlten, gegen das Gefeß zu stimmen, die Verantwortung zu tragen wissen werden. Aber damit ift es niht gethan, daß man die Verantwortung einfa auf die Schultern der Königlichen Staatsregierung legt. Diese hat gethan, was sie konnte (Widerspru), um nach dem Maße threr Kraft für Bedürfnisse, die wir zu den dringendsten im Staatsleben renen, die nöthige Bethilfe zu schaffen, also sie trägt die Verant- wortung nicht, und ich weise die Zumuthung des Herrn Vorredners nach dieser Seite auf das allerentshiedenste zurü.

e Profesor Bierling-Greifswald bedauert lebhaft die Ablehnung dieser hohwichtigen Vorlage und protestiert gegen die geshäftliche Behandlung derselben am Donnerstag; man habe nicht gewußt, daß es sih um eine materielle Entscheidung handeln würde, fondern nur an eine geshäftlihe Beschlußfassung gedacht. Er wiederhole den Antrag auf Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission. (Zuruf :

Ist mcht mehr zulässig!) Dann {ließe ich mich dem Antrage des Saite Bieten an, um mit diesem eine Kommissionsberathung zu erreichen.

Vize-Präsident Freiherr von Manteuffel bemerkt, daß der An- trag auf Kommissionsberathung nah der Geschäftsordnung, die aller- dings nicht vollkommen sei, niht zulässig sei.

Ober-Bürgermeister Struckmann - Hildesheim erklärt, daß er gern für die Ueberweisung an eine Kommission stimmen würde in der Hoffnung, daß die Regierung dann den Anschauungen des Hauses entgegenkommen werde, aber die Geschäftéordnung lasse die Ueber- weisung niht zu; nur ein Abänderungsantrag könnte an eine Kom- mission verwiesen werden. Er bedauere, daß die Sache so gekommen fei, eine Kommissionsberathung würde indeß au nihts ändern.

Vize-Präsident Freiherr von Manteuffel theilt mit, da Professor Bierling seinen Antrag auf Kommissionsberathung zurück- gezogen habe.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich bin nun {on lange erfahren in parlamentarishen Dingen sowohl als Abgeordneter, wie als Diener des Königs. Jh kann aber sagen, mi hat niemals der Beschluß eines Hauses so überrascht, und ih muß sagen peinlih berührt, wie der Beschluß dieses hohen Hauses von vorgestern. Wir haben es hier mit einem Gefeßentwurf {wierigster Art zu thun, gegen den eine Menge Bedenken aus materiellen Gründen und aus ideellen Gründen von vornherein auftauhen mußten, da eine Reihe von Abgeordneten grundsäßlih eine ftückweise Er- ledigung aus dem großen Gebiete des Schulwesens niht wollte, andere befürhteten, daß das Zustandekommen eines allgemeinen Schul- gesezes durch diese Vorlage hinausgeshoben und ershwert werden würde, andere wieder sich in ihrer Selbstverwaltung beschränkt, namentlich in den Städten, oder in ihren materiellen Interessen si geshädigt fühlten. Die Regierung if ih von vornherein klar ge- wesen, daß diefer Gesezentwurf mit den allergrößten Schwterigkeiten verbunden sein würde. Auch ih in meiner Eigenschaft als Finanz- Minister habe lange {were Bedenken gehabt, ob die allgemeine Finanzlage es gestatte, fo erheblihe dauernde Lasten, wie dies Geseg es mit fich bringt, auf die Staatskasse zu übernehmen, da do, meine Herren, der Finanz-Minister berufen if, gleihmäßig die Mittel des Staats zu vertheilen, um die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen, und wir noch eine große Anzahl von Bedürfnissen im Staats- wesen haben, die an unsere Thür fklopfen und auch Be- friedigung verlangen. Je weiter ih hier gebe, um so mehr beschränke ih die Möglichkeit der Befriedigung anderer Bedürfnisse, und vielleiht werden Sie {hon im anderen Jahre in die Lage fommen, felbst die Wahl darüber treffen zu müssen, wo die meisten Mittel zu verwenden find. Die wahren Freunde der Schule und der Lehrer das hat das Abgeordnetenhaus begriffen (Heiterkeit) waren daher von vornherein geneigt, hier zuzugreifen, weil sie gewissermaßen vorab und insofern ein günstiges Ergebniß für die Lehrer und die Schule erwarten konnten. So ift das Geseßz in den Landtag ge- kommen. Es brachte den Lehrern einem Theil wenigstens unserer Lehrer, von dem unzweifelhaft gesagt werden kann, das werden mir Alle zugeben, daß sie heute eine auskömmlihe Existenz noch nicht be- fißen, man kann geradezu fagen, daß fie mit Sorgen, ja hier und da mit Noth zu kämpfen haben die feste gesicherte Grundlage einer bescheidenen, auskömmlihen Existenz, Es verschaffte allen Lehrern die Sicherheit, auf gefeßliher Grundlage bei fteigendem Alter und bei wacsender Familie au im Gehalt aufzusteigen. Es beseitigte die großen Härten der Gewährung von Alterézulagen nur bis zur Größe der Gemeinden von 10 000 Einwohnern. Es suchte nah oben weiter auszugleichen, fih anzunähern mehr, als die Geseße von 1887/88 es thaten, an die Bestimmungen der Verfassung. Es \chneidet eine ganze Menge nah der Erfahrung hervorgetretener Differenzen zwishen den Gemeinden und Lehrern ab, es bringt Klarheit in die Verhältnisse, und es sollte den Lehrern die Freizügigkeit gewähren zwischen Stadt und Land. Dieses Gesetz hat gewiß die Wünsche, wie der Herr Kultus-Minister sh {hon ausgesprochen hat, die die ganze Lehrerschaft hat, nicht voll befriedigt, seine Hauptwirkung liegt im Osten, weniger im Westen, und doch hat die gesammte preußische Lehrerschaft zusammengestanden, um freudig das Gesey zu begrüßen und nah ihren Kräften zu fördern. Die Lehrerschaft hat einen Grad von Mäßigung und Weisheit in der Frage gezeigt, die ih im höhsten Grade anerkennen muß. Meine Herren, im Ak- geordnetenhause waren anch in allen Parteien schr bedeutende Be- denken ; diese Bedenken sind gegenüber der großen Bedeutung dieses Geseßzes zurückfgestelt worden. Man hat nicht an Einzel- interessen gedacht, man hat die Gesammtheit der ganzen Frage ins Auge gefaßt, und die Staatsregierung, auf deren Entgegenkommen Herr Ober - Bürgermeister Struckmann mit