1896 / 107 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

auf einer großen Zahl von Linien wesentlißhe Kurs- und __ Tarifänderungen nah, ebenfo die Fahrpläne der De bu Dawpf- aßen- und elektrishen Bahnen und Dampfschiffe. Auch eine Ueber- cht der Sonderzüge sowie der Stundenplan der Sehenswürdigkeiten dem Büchlein wieder beigegeben worden. Eine willkommene Er- Aeu dazu bildet „Kießling's Taschenplan von Berlin“ kleine Ausg. 20 .„Z, große usg. 30 4), der in der neuen Ausgabe dur Rothdruck der bebauten Flächen noch übersichtliher geworden ist.

Potsdam, 4. Mai. Heute Mitta Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin auf dem in der verlängerten Margarethenstraße, in der Nähe des Schlosses Sanssouci, gelegenen „Auguste Victoria-Plaß* der Grundstein zu einer neuen Kirche für die Friedens8gemeinde gelegt. Der Play hatte reihen Festschmuck erhalten: in der Mitte des Bau- terrains war, dem Grundstein gegenüber, ein mit den \{chleswig- holsteinshen , preußishen und deutshen Farben geschmüdter und wit duftenden Frühlingsblumen dekorierter Pavillon aufgerichtet ‘worden. Eine zahlreiche Versammlung, in welcher sich hohe Würden- träger der Kirche und des Staats befanden, erwartete die Ankunft Ihrer Majestät, Allerhöhstwelhe, mit lebhaften Hochrufen begrüßt, um 12 Uhr auf dem Festplay eintraf und Sich in den Pavillon begab. Mit dem vom Musikkorps des 1. Garde-Regiments z. F. begleiteten E ove den Herrn“ nahm die Feier thren Mnfána, worauf d AN er Wendlandt eine Ansprache hielt über den Text aus em 1. R, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Nach abermaligem Gemeindegesang verlas der Vorfißende der Baukommission, Regierungs- und Baurath, Professor L. Krüger die von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin vollzogene Stiskunaburtunde: welche den nahstehenden Wortlaut hat:

«Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes !

Den mehr als fünf Jahrzehnte sind vergangen, seit am Montage nach Jubilate, am 14. April im Jahre des Herrn 1845, an welhem Tage vor hundert Jahren eins der Grundstein zu dem Schloß Sansfouci gelegt war, auf Befehl weiland Seiner Majestät des Königs Friedrih Wilhelm 1V. der Grundstein zu der Friedenskirche gelegt wurde.

Die Worte, welhe der hohe Erbauer in einem vom 12. April 1845 datierten Briese an den damaligen Bischof Eylert. schrieb, lauten: „Es scheint mir passend, meine Kirhe, welche zu meinem Palastbezirk gehört, der den Namen Sansfouci, „ohne Sorge“, trägt, dem ewigen Friedensfürsten zu weihen und so das weltlih negative „ohne Sorge“ dem geistlich positiven „Frieden“ entgegen oder viel- aeb gegenüber zu stellen.“ So empfing das Gotteshaus den Namen Friedensfkirhe. Ein redendes Denkmal sür den frommen Sinn des Königs und Seiner Erlauchten , ihm gleihgesinnten Gemahlin , der Königin Elisabeth, wurde es vollendet, ausgestattet mit dem feinfinnig cinfaden inneren und äußeren Schmuck, wie ihn der kunstverständige Bauherr felbst bestimmte, und am 24. September 1848 in Gegenwart Ihrer Majestäten des Königs und der Königin, sowie einer zabhlreihen Ber- sammlung von dem General-Superintendenten der Provinz, dem Bischof Dr. Neander, eingeweiht.

Der neuen Parochie wurde durch Allerhöchste Ordre vom 22. No- vember 1845 und mittels Umpfarrungsdekrets vom 19. September 1848 zugewiesen:

1) die Le Hofdienerschaft in den bei Potsdam A Königlichen Schlössern und Gärten Sanssouci, Neues Palais, Char- Tottenhof, Neuer Garten, Wildpark, Fasanerie ;

2) die bisher zur Nikolai-Kirhe gehörigen Bewohner der vor dem Brandenburger-, Jäger- und Nauener Thore belegenen Vorstädte pon Potsdam, und als Filiale, bisher gleichfalls zur Nikolai-Kirche gehörig, die Kirhe zu Bornstedt mit der benachbarten Ortschaft

edlit, welche beiden leßtgenannten Orte jedoch mit Eiche zusammen dann am 1. August 1860 zu einer eigenen Parochie vereinigt wurden.

Die ursprünglihe Seelenzahl der Friedenskirhen-Parochie betrug 3126; im Jahre 1869 war dieselbe {on auf 6000 gestiegen und seitdem ift sie in 26 Jahren bis heute auf 15 297 evangelishe Ein- wohner angewachsen, und zwar betrifft der Zuwachs der leßten Jahr- zehnte in weitaus überwiegendem Maße die Brandenburger Vorstadt, wo zahlreihe Neubauten, besonders von Arbeiterwohnungen, einen O starken Zuzug der ärmeren Bevölkerungsklasse hervor- riefen.

Wenn bei diefer Lage der Verhältnisse die Friedenskirhe nur für etwa 800, die inzwischen in regelmäßigen gottesdienstlihen Gebrauch estellte Friedenskapelle in der Lennéstraße, welhe früher nur für

ebengottesdienste benußt wurde, für etwa 250 Zuhörer Raum dar- bot, so leuchtet ident ein dringender kirchliher Nothstand in der Friedens8gemeinde hervor. Schon Kaiser Friedrich III. hielt deshalb,

wurde in Gegenwart

riefe an die Korinther: „Einen anderen Grund kann niemand

als er noch Kronprinz war, den Bau éiner Kir in der Brandett- burger Vorstadt für ein unabweisbares Erforderniß.

Diese Erkenntniß von der unzureichenden kirchlichen Versorgung -

der Gefammtgemeinde war auch für Mich R E (7 Wh als Ih unter Beihilfe des von Mitgliedern des „Evangelish-Kirhliben Hilfs- vereins“ und des „Evangelischen Kirchenbauvereins*“ zu Berlin und einiger Wohlthäter zunäcdst zur besseren gean ersorgung des nördlichen Theils der Gemeinde die Pfingstkapelle mit circa 500 Sihz- vläßen und neben ihr ein Pfarrhaus erbaute, und es gereihte Mir zur hohen Freude, als E der Erbauung der e eam 15.Ok- tober 1894, dem Geburtstage weiland Seiner Majestät Königs Friedrich Wilhelm 1V., eingeweiht wurde, nah vielfahen Versuchen und An- regungen endlich am 18. Juni 1894 eine aus ganz Potsdam berufene Notablenversammlung den Bau einer neuen Kirhe mit Mare und Gemeindehaus in der Brandenburger Vorstadt nunmehr für unauf- \hiebbar erklärte, und dann ein für diesen Zweck erwähltes Aktions- Comits in Verbindung mit den Gemeindeorganen der Friedenskirhe die {nelle und energifche Förderung des Werks \ih angelegen fein ließ, über welches Ih auf die Bitte des Gemeinde-Kirchenraths ám 27. Juni 1894 gern das Protektorat übernommen habe.

In gnädiger Weise geruhte Seine Ma der Kaiser und König Wilhelm IL., Mein vielgeliebter Gemahl, eine von Mir unter dem 3. Juli 1894 an Ihn gerichtete Bitte, welcher die Gemeinde- organe ihr Gesuch folgen ließen, zu entsprehen und ein hohes Gnaden-

eshenk von 150 000 4 mit der Bestimmung zu gewähren, daß das- felbe in vollem Umfang für den Bau der Kirche und des Pfarrhauses zur Auszahlung gelangen folle.

Bereitwilli f kamen dann der Magiftrat und die Stadt- verordneten Ünserer Residenzstadt Potsdam Meiner ihnen ausge: \sprochenen Bitte entgegen, indem fie den s{hönen großen Bauplay, auf dem wir heute diese Feier vollziehen, der Friedensgemeinde geshenkweise überließen, und Ich habe gern Meine Einwilligung dazu gegeben, daß derselbe zur Erinnerung an Mein Protektorat über diesen Bau fortan „Auguste Victoria-Plaß“" heißen foll.

Daß aber auch die Friedensgemeinde für so mannigfahe Beihilfe und befonders für die Gabe des hohen Patrons sih dankbar bewies, indem sie ihrerseits unter Verdoppelung ihrer Kirhenfteuern bis auf 18 9/9 der Staatseinkommensteuer eine Anleihe von 180 009 Æ auf- nahm, wird von Mir mit freudiger Genugthuung anerkannt. /

Die neue Kirche, zu deren Ausführung Ih im Einverständniß mit der Gemeinde den Mecklenburgishen Kirhenbaurath Moeckel als einen bewährten Kirchenbauer berufen habe, wird, wie Ih hoffe, mit ihren 1000 Sißpläßen dem vorhandenen kirchlihen Bedürfniß in ausreihender Weise Rechnung tragen, während das Gemeindehaus einen geeigneten Mittelpunkt für alle diejenigen Arbeiten und Liebes- werke der inneren Mission wird bilden können, welchen neben dem Königin Elisabeth - Hause mit feinen fünf Diakonifsen bisher einzelne freie Vereine in großer Treue, aber unter allzu beshränkten Berhält- nissen zu dienen fich bestrebten. Vor allem den Armen der Branden- burger Vorstadt wird die barmherzige werkthätige Liebe künftig aus- giebigere leiblihe und geistlihe Hilfe spenden können.

Die Kirche, das Pfarrhaus und das Gemeindehaus. sollen in früh- gothishen Formen aus rothen Backsteinen erbaut werden.

Die Kosten für diese Bauten betragen :

1) für die Kirche mit Thurm, Orgel, Glocken und gefammter innerer Einrichtung etwa . 7. 230000 M 2) für das Pfarrhaus etwa . 60 000 , 3) für das Gemeindehaus etwa 90000 , In Summa rund 380 000

Diese Summe wird aufgebracht : : s dur das Allerhöchste Gnadengeschenk Seiner Majestät des O A E are 5 E 7 UDODOO É durch die Anleihe der Friedensgemeinde . . 180000 , N Rest soll durÞh Sammlung freiwilliger Beiträge gedeckt

werden,

Seine Majestät der Kaiser und König und Ih haben aus eigenen Mitteln und aus Gaben von Berliner Mitgliedern des Evangelisch- Kirhlichen Hilfsvereins “und des Kirchenbauvereins eine besonders werthvolle Orgel für die neue Kirche zu ftiften beschlossen. :

Der 4. Mai ist ein wichtiger Erinnerungstag für die Evangelischen des Landes, besonders aber für die Evangelischen Berlins, seiner Vor- orte und Potsdams. Am 4. Mai 1888 gab der in Gott ruhende Kaiser Friedrih, Mein theurer Schwiegervater, die Kabinetsordre zur Begründung des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsyereins unter Meinem Fee Dieser Verein hat, neben feinen andern verdienstvollen

rbeiten, im Jahre 1889 auf Meine Bitte den Kirhbau in und um Berlin angeregt und 1890 begonnen, reihen Segen bringend und noch immer zu eifriger Nachfolge anregend. So find unter Gottes nädigem Beistande, unter treuer Unterstüßung Tausender unserer Bürger, sowie mit Hilfe Meines vielgeliebten Gemahls, -des Kaisers,

und Seiner Behörden in diesen wenigen Jahren dreißig Kirchen {n und um Berlin vollendet worden und der Bau von noh neun Kirchen begonnen oder eingeleitet.

ur Erinnerung an den Stiftungstag des Evangelish-Kirchlichen Hilfsvereins wurde von Mir zwei Jahre später, am 4. Mai 1890, der erste Grundstein zu der unter Meinem Protektorat von dem Engeren Ausschuß des Hilfsvereins erbauten „Erköser-Kirche“ in Rum- melsburg gelegt. Abermals zur Erinnerung an diesen Tag und zum Gedächtniß daran, daß König Friedrich Wilhelm 1V., der Erbauer

unserer Friedenskirhe, ursprünglich mit dieser Kirhe den Namen

unseres Herrn und Heilands verbinden wollte, soll die von der Ge- meinde der Friedenékirhe neu zu erbauende Kirche den Namen „Erlöser-Kirche * tragen, als ein Bekenntniß, daß wir durch das heilige Leiden und Sterben unferes Herrn erlöset, erworben und gewonnen sind, und daß auf diesem einigen Grunde sih die neue Kirhe und die neue Ge- meinde gründen und aufbauen will, denn „einen anderen Grund kann N legen außer dem, der gelegt ist, welcher ift Jesus Christus“. men

Gegeben zu Potsdam, Neues Palais, am 4. Mai 1896, als am ahten Jahrestage der Uebernahme Meines Protektorats über den Evangelis)-Kirchlichen Hilfsverein.

Auguste Victoria. I. R.°*

___ Mit der Urkunde wurden außerdem in den Grundstein vermauert: je ein Cremplar des Jahresberihts der Friedenskirhe für 1895, des Jahresberihts des Kirchen -Pflegevereins für 1895, des Etats der Kirchenkafse für 1895/96, Drucksachen, betreffend die ersten Verband- lungen über den Kirchenbau in der Brandenburger Vorstadt, ein Plan von Potsdam u. a. m. Hierauf trat Jhre Majestät an den Grund- stein heran und that die n drei Hammerschläge; es folgten der frühere Patronatsvertreter, Wirkliche Geheime Sher-Rbaterüägbe Val) 0 D. De, Wiese, der Se Ee Ober-

ofmeister Meer von Mirbach, der Minister der geistlihen 2c.

ngelegenheiten D. Dr. Bosse, der See ag Staats-Minister Dr. von Achenbach, der Prä dent des Evangelischen Ober-Kirchenraths D. Dr. Barkfhaufen u. A. Während der Grundsteinlegung spielte die Musik die Chorâle: „Wir treten zum Beten“ und „Ein? feste Burg“. Mit dem Schlußgebet und Segen des General-Superintendenten D. Dryander und dem Gemeindegesang: „Großer Gott, wir loben Dich“ [chloß die Feier.

Aachen, 4. Mai. Auf der Waldstrecke der Aachener Kleinbahn fuhr ein führerlofer Motorwagen einen Berg hinab s einen anderen Motorwagen. Vier Personen wurden \{wer, le " PIOnen leiht verleßt. Der Materialshaden is nicht uu-

edeutend.

Dresden, 4. Mai. Die Elbe steigt sehr s{chnel. Es wird berehnet, daß morgen Abend der Wasserstand 3,40 m und am Mitt- woh Vormittag 3,60 m über Null sein wird.

Tas 5, Mai. Hier is Hochwasser eingetreten. Die Vor- orte Lieben, Podbaba, Kaisermühlen, ebenso ein Theil der Infel Kampa sind überschwemmt. Sämmtliche Ortschaften an der Moldau melden Steigen des Hohwassers infolge fortdauernden Rege. Aus Budweis wird berichtet, daß weite Gebiete in der Nähe der Stadt sowie das Bahnhofsgeleise unter Wasser stehen. Aus. dem Böhmerwald werden Sch neef älle gemeldet.

A miens, 4. Mai. Jn der Nähe von Albert fand auf einer Lokalbahn ein Eifenbahnunfall statt, bei welchem. drei Reisende getödtet und sech83 verwundet wurden.

Nach Shluß der Redaïtion eingegangene Depeschen.

Dar-es-Salam, 4. Mai. (W. T. B.) Der Gou- verneur Major von Wissmann, welcher in enge eit mehrfach unter Fieberanfällen zu leiden hatte, wird sich am 11. d. M. in Sansibar auf dem dort En französischen Dampfer einschiffen und, dem Wunsch feines Arztes ent- De sih zu einem mehrmonatigen Urlaub nach Europa. egeben.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

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i : i zu Breslau 21 mm. Memel und Königsberg hatten gestern Gewitter. Kühles, veränderlihes Wetter wahr-

berger als Gast.

Deutsche Seewarte. ; . An Freitag:

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Stationen. Wetter.

Bar. auf 0Gr u. d. Meeres\p red. in Millim Temperatur in 9 Celsius 50 C.

bededckt heiter 3\wolfkig bedeckt wolkig heiter wolkenlos

Belmullet. . | 772 Aberdeen . . | 771 Christiansund | 768 Kopenhagen . | 763 Stockholm . | 765

aparanda . | 765

De» ¿1 (00

Corf,Queens- T s pre F000 Cherbourg . | 771 E E A ylt 767 Putburg A De winemünde | 763 Neufahrwasser| 759 Memel ... | 759

Tore Sie E ünster... | 769 Karlsruhe . . | 768 Wiesbaden . | 768 München . | 768 Chemniy .. | 766 eite s a4 704 En eel 084 i Breslau . . . | 762 Regen

Se d'Aix .. | 768 wolkenlos B ¿e400 [D wolkig 12 E ee C00 bededckt 15

1) Gestern und Nachts Regen. 2) Abends Ge- witter. 3) Thau. Uebersicht der Witterung. Ein barometrisches Maximum über 770 mm

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bedeckt wolkenlos 3 wolkenlos Nebel heiter wolkig 2|bededck11) halb bed.?) wolkenlos heiter 3\wolkenl.3) wolftg 3heiter halb bed. halb bed. Regen

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in 5 Aufzügen.

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vagabundus.

Depression unter 760 zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer; dementsprechend sind über Zentral- Stuart Europa nördliche bis westliche Winde vorherrschend L eworden. In Deutschland, wo das Wetter im Norden trübe, im üden helter is, dauert

haus. 116. Vorstellung.

Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper-

dinck. Text von Adelheid Wette. S

vom Ober-Regisseur Teßlaff. Dekorative Einri

tung vom Ober-Inspektor Brandt. Dirigent: Kapell-

meh Weingartner. Phantasien im Bremer | eontrakt.

Phantastisches LUBON frei nah

Wilhelm Hauff, ¡

Adolf Steinmann. Dirigent: Musikdirektor Stein-

mann. Anfang 7 Schauspielhaus.

lungen. Ein deutsches Trauerspiel

Regisseur Marx

Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Opernhaus. 117. Vorstellung. Taun- äuser und der Säugerkrieg auf Wartburg. omantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. | leider. Ballet von Emil Graeb. Anfang 7 Uhr. Bas E51R Schauspielhaus. 123. Vorstellung. Ein Staats- streih, Komödie von Eugòne Scribe. „Minister und Seidenhändler“ in 4 Aufzügen be- Vi L d arbeitet von Axel Delmar. Anfang 74 Uhr. ctor Leon und F.

Donnerstag: Die Freitag: Lumpacivagabundus.

Berliner Theater. Mittwoh: Köuig Hein-

rich. Anfang 7# Uhx,

liegt über den Britishen Inseln, gegenüber einer pECaLERS D riberhe Leiue Seit Meno bearbeitet von C. Haffner und Richard

Freitag (33, Abonnementso-BorfteUung): Maria

berger, als Gast. Residenz - Theater.

Theater. Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern-

Donnerstag und folgende Tage:

von Emil Graeb, Mußk von

Uhr. 122; DANLt ing, Die Nibe-| Mittwoh: n 3 Abtheilungen | Kostümen,

Frei nah

Musik von Antoine Banés. Jn

Donnerstag : Tata-Toto.

Weber. Freitag: Tata-Toto.

line Fritsche.

enóe. Musik von Johann

Deutschland L erheblihen. Wärmeüberschuß ; Marcsas und Eduard Steinberger als Gast. Anfang | Musik von Arthur Sullivan. t. E oie d

in Ostdeutschland sind große Regenmengen gefallen,

Donnerstag: Waldmeifter von Johann Strauß, mit Frau Julie Kopaczy-Karczag und Eduard Stein- flotte Berlin.

E Direktion : Hänsel und Gretel. Lautenburg. Mittwoch: Feruand’s Chekonutrakt. | mam

S (Un fl à la patte.) Ehwank in 3 Akten n Scene ge]eßt | yon Georges Feydeau, überseßt und bearbeitet von * | Benno Jacob}on. Anfang 8 Uhr

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater.

Chausseestraße 25—26.

Mit großartiger Ausftatiuung an 1, l Dekoraitonen und Requisiten: Der von Friedrih Hebbel. In Scene geseßt vom Ober- | Hungerleider. Ausstattungs-Komödie mit Gcsang Grube. Dekorative Einrichtung | und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und vom Ober-Inspektor Brandt. Zweiter Abend. Dritte | Louis Herrmann, mit theilweiser Benußung einer Ahtheilung: Kriemhilds Rache. Ein Trauerspiel | Idee des Mark Twain. Musik von Louts Roth. n Scene geseßt von Julius Fritsche. Dirigent : rcr Kapellmeister Winns. Anfang 74 Uhr. Donnerstag und folgende Tage: Der Hunger-

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.

Mittwoch: Tata-Toto. Vaudeville in 3 Akten von

arSA j) Soeue (elei von Br Geh. Justiz-Rath Felix Korb (Breslau). t

: Sigmund Lautenburg. Kapellmeister : Gustav Wanda. Deutsches Theater. Mittwoch: Lumpaci- | Anfang 8 Uhr. Anfang 8 Uhr.

Theater Unter den Linden. Direktion: Mittwoh: Die Fledermaus. omische Operette in 3 Akten, nah Meilhac und | Druck der Norddeutshen Buchdruckterei und Verlagt-

trauß. Herr Kapellmeister Winné. Anfana S onnertag : Neu einstudiert: Der Vogelhändler. Cessing - Theater. Mittwoch: Waldmeister | gy"Kostümen Dekorationen unk Recuisiten Des

die kalte Witterung fort; nur Memel meldet in | von Johann Strauß, mit Frau Julie Kopaczy- | Großherzog. Operette in 2 Akten von Gilbert. | lichen Anz

Adolph Ernstl-Theater. Mittwoh: Das Große Ausftattungs-Gesangspofse in 3 Akten von Leon Treptow und Ed. Jacobson.

Waldmeister von Johann Strauß, : mit Frau Julie Kopaczy-Karczag und Eduard Stein- U N Es a E cene gesegt von toe

Ernst. 2. Akt: Alt: Berlin. Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Das flotte Berlin. Sigmund

Familien-Nachrichten.

‘Feruand's Ehe- | Verlobt: Frl. Emilie Kluge mit Hrn. Amtsrichter

Conrad Eckert (Ottmuth—Krappitßz).

Verehelicht: Hr. Ingenieur Wilhelm Haake“ mit hre Annemarie von Dewiß (Berlin). Hr.

astor Eduard Dietrih mit Frl. Helene Kast (Breitungen b. Roßla). Hr. Friedrich Wilhelm Frhr. von der Recke-Uentrop mit Else Fretin von Rüxleben (Schloß Nottleben a. Kyffhäuser).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Bürgermeister Mittelstaedt (Kalbe a. S.). Hrn. E. von Schalscha (Frohnau). Eine Tochter: Hrn. Prem.-Lieut. Bachfeld (Insterburg). Hrn. Dr. phil, Walther Link (Berlin).

Gestorben: Hr. Konsistorial - Rath Dr. Thilo Keyser (Sondershausen). Frhr. Theodor Haller von Hallerstein (Berlin). Fr. Marie von Kameke geb. Bieler (Halle a. S). Hr. Major Adolph von Engelbrechten (Münster). Hr. Prem.-Lieut. Carl von Engelbrehten (Hannover). Hr. Dr. jur. Otto Helfft (Auerbach in Hessen).

Oberst z. D. Bernhard Eberhard (Schweidnitz) Hr. Amtsgerichts - Sekretär Hermann Tulke (Reichenbach u. E.)

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

S Dirigent: Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32,

4 Uhr. Neun Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage),

equisiten. Der | sowie die Juhaltsangabe zu Nr. 6: des öffeut- ers (Kommanditgesellschaften auf fFtiengesellschaften) für die Woche ai 1896,

Aktien und vom 27, April bis 2,

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

.¿ 107.

Berlin, Dienstag, den 5. Mai

Deutscher Reichêtag. 83 Sißung vom 4. Mai 1896, 1 Uhr

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Jnterpellation des Abg. Auer (Soz.) und Genossen:

„Ift dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß der Reichstags- Abgeordnete Bueb am 25. April 1896 Abends in Mülhausen i. E. verhaftet worden ist? Ist der Herr Reichëkanzler geneigt, gegen diejenigen Beamten, welche die Verhaftung unter Verleßung des Artikel 31 der Reichsverfassung veranlaßt oder vorgenommen haben, die erforderliche ftrafrehtlihe Verfolgung zu veranlassen ?"

Abg. Stadthagen (Scz): Es handel1l sich niht um ein Privilegium des Abg. Bueb, sondern um die Wahrung der Rechte des Reichstags. Es hat eine Untersuchung und Verhaftung ftatt- efunden, ohne daß der Reichstag befragt worden is. Ein ganz Farmkoses Flugblait, welches der «“Mülhausener sozialdemokratifchen os am 24. April beigelegt war, wurde als gefährlih betrachtet. (Redner verliest das Flugblatt, welches von dem Wahlrecht, der Eintragung in die Wählerliste u. \. w. handelt). Am 25. April wolite der Abg. Bueb das Haus verlassen, wurde aber von einem Schußmann aufgehalten, bis der Kriminalkommissar kam, welcher von der Eisenbahn her Kenntniß von der Ankunft einer Drucksachen- sendung zu haben behauptete und diese Drucksachen mit Beschlag belegen wollte. Da Bueb die Flugblätter niht herausgeben wollte, wurde er verhaftet, ohne daß ein Grund angegeben wurde. Er sandte Telegramme an den Präsidenten des Reichêtags und an den Abg. Bebel. Der Staatsanwalt kam am nächsten Tage und sagte, der Grund der Verhaf- tung sei ein vierfaher : Ein Kolportagevergehen, wohl wegen Beilegung der lugblätter zur Zeitung, Verächtlihmachung der Staatseinrihtungen, Beleidigung und \chließlich Beiseiteshaffung beshlagnahmter Druk- sachen. Eine Beschlagnahme der Flugblätter Latte aber garnicht statt- gefunden. Am Freitag Morgen wurden die Flugblätter verbreitet ; wenn bis Sonnabeud Abend keine richterlihe Handlung e:folgt war, konnte niht Gefahr im Verzuge sein; ein Grund zur Verfütiuna lag also nicht vor. Alle vier Verbrechen sind aber keineswegs derartige, daß eine Verhaftung, wie sie Art. 31 der Verfassung im Falle der Grgreifung auf frischer That zuläßt, zu rec:fertigen ist. Solche Verhaftungen ohne Grund werden bet Beamten mit einer s{hweren Strafe geahndet. Von diesen Strafen i} bisher keine Andeutung gemacht worden. Der Polizeiberiht des Mülhausener „Expreß“, welcher der dortigen Polizei sehr nahesteht, fuhte das unrechtmäßige Ver- fahren der Beamten zu rechtfertigen dur eine unrichtige Darstellung des Sachverhalts. Redner fragt, ob der Reichékanzler geneigt set, gegen die Beamten einzuschreiten.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Nath Nieberding:

Meine Herren! Jch bitte um die Erlaubniß, die Interpellation im Namen des Herrn Reichskanzlers zu beantworten. Die Frage, auf die es hier ankommt und die zur Entscheidung des Reichstags steht, ift die: if bei der Verhaftung des Herrn Abg. Bueb am 95. April der Artikel 31 der Reichsverfassung verleßt worden? wenn Ja, ist der Herr Reichskanzler geneigt, gegen diejenigen Beamten, welche dieser Verleßung sich s{uldig gemacht haben, vorzugehen? Der Herr Reichskanzler hat aus Anlaß der Juterpellation sih mit der Regierung von Elsaß-Lothringen in Verbindung geseßt und die thatsähhlihen Auf- klärungen erhalten, die es bedurfte, um über diese Frage cin Urtheil zu fällen. Jh werde mir erlauben, an der Hand der dem Herrn Neths- fanzler zugegangenen amtlihen Mittheilungen den Sachverhalt fo, wie er sih entwickelt, Ihnen vorzutragen.

Am 2. April kam es zur Kenntniß der Polizeibehöcde und der Staatsanwaltschaft in Mülhausen, daß dort cin Flugblatt kol- portiert werde, welches angeblih in größeren Massen in die Stadt eingeführt worden sei. Von diesem Flugblatt gelangte eins in die Hände der Staatsanwaltschaft. Der Herr Interpellant, der Herr Abg. Stadthagen, hat dieses Flugblatt hier verlesen; es würde auf anderem Wege zur Kenntniß der Bevölkerung von Elsaß-Lothringen vorauêsihtlich niht gekommen sein. Nachdem er es verlesen hat und den Inhalt desselben als absolut harmlos dargestellt hat, darf ih mich darauf beschränken, die Aufmerksamkeit des hohen Hauses auf wenigstens cine Stelle hinzulenken, die von der Staatéanwaltschaft beanstandet worden is. In dem Flugblatt wird der Wähler au aufmerksam gemacht auf die bevorstehenden Gemeindewahlen, die in Glsaß-Lothringen auf Grund eincs neuen Landesgesezes vor sih gehen sollten, und es werden die Betheiligten darüber orientiert, wie und wann und ob sie wählen sollen, und zu der Frage, ob sie wählen dürften, findet sich folgender Pafsus in dem Flugblatt :

Wählen darf niht, wer Armenunterstügung erhält oder im leßten Jahre erhalten hat. Die Armuth is im Geseh also als eine Schande erklärt, und der Arme, für den es {hon traurig genug ist, daß er Unterstüßung hat erbitten müssen, ift bon unserem Landesaus\huß demnach noch extra geächtet worden.

Die Staatsanwaltschaft hat in dem Jnhalt dieses Flugblattes den Thatbestand des § 131 des Strafgeschbuchs erblickt (Lachen bei den Sozialdemokraten), wonach derjenige, welcher entftellte Thatsachen öffentlich verbreitet, um dadurch Staatseinrihtungen verähtlih zu maden, mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft werden kann. Die Staatsanwaltschaft veranlaßte infolge dessen Ermittelungen darüber, von wo aus dieses Flugblatt verbreitet wurde, und wer die Verbreitung vermittelte. Es fanden infolge dessen Haussuhungen bei mehreren Personen statt, insbesondere au bei dem Herrn Abg. Bueb. Bei dem Herrn Abg. Bueb wurden in dessen Hause zwei Ballen mit diesem Flugblatt ermittelt. Auf Antrag der mit den polizeiliGen Maßnahmen betrauten Beamten erklärte Herr Bueb, daß er Verfasser der Publikation sei. Es wurde ihm darauf eröffnet, daß die Ballen mit Beschlag belegt würden. Der mit der Leitung der Hausfuhung beauftragte Beamte mate von dieser Beshlagnahme mündlich und schriftli der Staatsanwaltschaft Mittheilung. Auf Grund dieser Mittheilung wurden demnähst nah einiger Zeit wie der Herr Abg. Stadthagen sagte, nah einigen Stunden, was ih nicht bestreiten will, was aber gleichgültig ist, aber im Laufe desfelben Nachmittags Beamte entsendet, um das mit Beschlag belegte Material abzu- bolen. Als die Beamten in der Wohnung des Herrn Bueb er- schienen, fanden sie das Material niht mehr vor. Herr Bueb lehnte es ‘ab, den Verbleib desselben anzugeben und stellte den Beamten anx- beim, danach zu suchen, Die Staatsanwaltschaft erblickte in der

Thatsache, daß ein vor wenigen Stunden in ihrem Äufirag mit Beschlag belegtes Material dieser Beschlagnahme entzogen war, den Thatbestand des § 137 des Strafgeseßbuchs, wonach derjenige, der Sachen, die von zuständiger Stelle mit Beschlag belegt worden sind, bei Seite schafft, mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft werden kann. Auf Grund der Thatsache, daß der Herr Abg. Bueb gleih nah Ausübung dieser That betroffen wurde, auf Grund der weiteren Beforgniß, daß, wenn Herr Bueb in der Lage wäre, weitere Schritte zur Beseitigung des mit Beschlag belegten Materials zu thun, von dem die Staatsanwaltschaft ja nicht wissen konnte, wie weit die Beseitigung bereits vollendet oder ers im Wege sei, auf Grund alfo dieses Umstandes, daß, wenn der Hecr Abg. Buecb in Freiheit bliebe, er die Spuren des Vergehens, das ihm nah § 137 des Strafgeseßbuchs zur Last fiel, voraussichtlich verwishen werde, verfügte sie die Festnahme dcs Herrn- Bueb, gestüßt auf die Be- stimmung der Strafprozeßordnung, die in dringenden Fällen und wenn im übrigen die Voraussetzungen einer gerihtlihen Verhaftung vorlägen, die Staatsanwaltschaft ermächtigt, vorläufig zur Festnahme zu schreiten. Herr Bueb wurde am selben Abénd eingeliefert und am nächsten Tage es war ein Sonntag in der Mittags\stunde verhört. Bei dieser Vernehmung erklärte nah einigem Hin und Her Herr Bueb \ich bereit, in die Herausgabe der Sachen zu willigen, und gab auh Andeutungen darüber, wo die Sachen zu finden seien. Im Anhalt an diese Andeutungen wurden die Sachen zwar nicht dort, wo er den Ort bezeichnet hatte, aber an einer anderen versteckten Stelle gefunden. Nachdem in dieser Weise die mit Beschlag belegten Sachen wieder in den Besiy der s\trafverfolgenden Behörde gelangt waren , wurde Herr Bueb wieder in Freiheit geseßt. Das ift der thatsählihe Verlauf.

Die Frage ist: rechtfertigt dieser thatsählihe Verlauf die Be- hauptung, daß dem Art. 31 der Reichsverfassung entgegen gehandelt worden ist? Der Art. 31 der Reichsverfassung verbietet die Ver- folgung und die Verhaftung eines Mitgliedes des Reichstags ohne dessen Genehmigung, es sei denn, daß der zu Verhaftende auf frischer That oder im Laufe des nächsten Tages ergriffen wird. Herr Bueb ist aber alsbald, nachdem die in seinem Hause mit Beschlag belegten Gegenstände bei Seite geschafft waren, verhaftet worden. Die Ver- haftung hat sich vollzogen im unmittelbaren Anschlüuf! an die That, die ihm zur Laft fiel, die er au nit geleugnet hat. Sie ift also in der Zeit vor si gegangen, in welcher das Gesey den strafverfolgenden Behörden auch den Mitgliedern des Reichstags gegenüber freie Hand in der Strafverfolgung läßt. Sie ift demgemäß unter Beachtung der Vorschriften des Art. 31 der Reichsverfassung vor ih gegangen.

Der Herr Abg. Stadthagen hat zwar gesagt, die Reichsverfassung gestatte die Verhaftung nur, wenn der betreffende Thäter „ergriffen“ werde. Dieses Ergreifen seße voraus, daß der Thäter sih der Vers haftung entziehen wolle. Meine Herren, diese Auffassung kann ih nit theilen; das Wort „ergreifen“ hat hier eine rein thatsächliche Bedeutung, es will sagen, daß die Behörde im Laufe der durch die Verfassung begrenzten Zeit Hand an den Betreffenden legt.

Der Herr Abgeordnete hat weiter behauptet, daß, wenn auch die Verhaftung innerhalb der so beshränkten Zeit gestattet sei, so köane es sih dabei doch niemals um Lappalien- handeln, sondern nur um shwerwiegende thatsächlihe Vorgänge. Meine Herren, ih sehe ganz davon ab, daß es fich hier handelt um eine Verleßung des § 131 des Strafgeseßbuhs und um eine Verleßung des § 137 des Strafgesehz- buchs; beide Paragraphen treffen Thaten, die mit verhältniß- mäßig hoher Gefängnißstrafe belegt werden. Auch wenn das nicht der Fall wäre, hat das Geseß der Zulässigkeit der Verhaftung von dem Gesichtspunkte aus, ob es sich um cine mehr oder minder {were That handelt, keine Grenze gezoaen. ‘Das Gefeß ermächtigt die \trafverfolgenden Behörden, wenn im übrigen die Vorautsezungen der Strasprozeßordnung und der Verfassung vor- liegen, jeden Thäter zu verhaften nah ihrem Ermessen. Das Korrektiv liegt hier darin, daß, wenn die Verhaftung aufreht erhalten wird, ebenso wenn eine Strafverfolgung eingeleitet wird, dann der Neichstag in die Lage kommt, seinerseits zu bestimmen, ob die Verhaftung aufrecht erhalten werden, ob die Untersuchung fortgeseßt werden foll oder nicht. Zunächst aber ist innerhalb der dur die Verfassung bestimmten Zeit nah dieser Rihtung hin der Thâätig- feit der Staatsanwaltschaft keine Grenze gezogen. Daraus folgt, daß die Verhaftung des Herrn Abg. Bueb von der zuständigen Behörde auf Grund einer Thatsache erfolgt ift, die verfassungsmäßig die Ver- haftung gestattet und innerhalb der Zeit vor sih gegangen ift, inner- halb welcher der Staatsanwalt ohne Ermächtigung des Neichstags be- rechtigt war, die Verhaftung zu vollziehen.

Die Frage also, welche in der Interpellation gestellt ift, ob eine Verletzung des Art. 31 der Reichsverfassung hier vorliege, muß ih verneinen, und die Beantwortung der zweiten Frage, ob der Herr Reichskanzler geneigt sei, eine Verfolgung der schuldigen Beainten herbeizuführen, ergiebt sich daraus von selbst, ganz abgesehen davon, daß es nicht in der Kompetenz des Herrn Reichskanzlers liegt, Beamte einer Landesverwaltung wegen eines Versehens, das fie ih in ihrer amtlihen Thätigkeit haben zu Schulden kommen lassen, zu verfolgen. Der Herr Reichskanzler geht davon aus, daß die Landeê- behörden die Pflicht in ih fühlen, in jedem Falle, wo ein Be- amter ih die Verleßung eines Geseßes hat zu Schulden kommen lassen, das Ihrige zu thun, um die Bestrafung des Beamten herbei- zuführen, und daß es zu diesem Behufe eines Einschreitens des Herrn Reichskanzlers, wozu ihm die Verfassung eine Kompetenz nicht ver- lieben hat, au nit bedarf.

Das ift der Inhalt der Interpellation.

Gestatten Sie mir, noch einige Worte mit Rücksicht auf die Ausführungen des Interpellanten hinzuzusügen. Derselbe ift in seinen Ausführungen zum theil auf Dinge eingegangen, die nah meiner Meinung mit der Interpellation nicht in Zusammenhang stehen. Er hat verschiedene Vorgänge und Aktionen der polizeilichen Behörden von Mülhausen hier zur Sprache gebracht, bei denen nah seiner Mei- nung den Vorschriften des Gesetzes entsprechend nicht gehandelt worden

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sei. Jch bin über diese Dinge niht informiert, kann darüber auch nicht informtert sein, weil die Interpellation nicht darauf gerichtet war, und der Herr Reichskanzler keine Veranlassung hatte, nah dieser Richtung hin Informationen einzuziehen. Jch bin aber der Meinung, daß, wenn hier Pflicht- oder Ordnungswidrigkeiten von seiten des einen oder anderen Beamten begangen- sein sollten, diese zunächst nicht zur Würdigung dieses hohen Hauses kommen dürfen. Jedenfalls f}teht der Herr Reichskanzler auf dem Standpunkt, daß er seinerseits in diesem Stadium der Sache nicht berufen ift, eine folhe Würdigung eintreten zu lassen. Liegen in der That Verletzungen des Geseßes und Ordnungswidrigkeiten im Verhalten der Beamten vor, so werden diese zunächst verfolgt werden müssen auf dem Wege, den die Geseße des Landes in den verschiedenen Instanzen bieten. So lange der Instanzenzug, wie das Gesetz ihn in jedem Staate giebt, niht erschspft if, hat der Herr Reichskanzler keinen Anlaß, ih mit der Sache zu befassen, und hat au, foweir mir die Praxis des Reichstags bekannt ist, dieses hohe Haus es immer abgelehnt, eine vorzeitige Würdigung seinerseits eintr-ten zu lafsen. Ich muß dieses auch bemerken bezügliÞh der Vorwürfe und Bemängelungen, die der Herr Abgeordnete gegenüber dem Verhalten der Polizeibeamten hat eintreten lassen, die im Auftrage der Staats- anwaltschaft gehandelt haben, wenn ih recht verstanden habe, au gegenüber der Staatsanwaltschaft selbst. Die Sache if zwar zur richterlichen Kognition ja nicht gekommen, weil der Verhaftete vor dem Zeitpunkt entlassen wurde, bis zu welhem er der richterliden Behörde vorgeführt werden mußte; es fann infolge dessen auch eine Kognition der Gerichte in der Sache nicht eintreten, dagegen wohl eine Kognition der Aufsichts- behörden, die das Verhalten der Staatsanwaltschaft zu kontrolieren und zu beurtheilen haben. Wenn, was ich zunächst nicht annehme und was ich auf Grund der mir vorüiegenden amtlichen Mittheilungen bestreiten muß, das Verhalten der Staatsanwaltschaft oder eines Organs derselben nicht korrekt gewesen sein sollte, so würde den davon Betroffenen das Recht zustehen, bei der Ober-Staatsanwalt schaft, der durch das Gerichtsverfassungsgeseß berufenen Aufsichtsbehörde, gegen das Verhalten der Staatsanwaltschaft Beshwerde zu erheben. Der Herr Reicskanzler is niht berufen, der Würdigung einer solchen Beschwerde auf dem durch das Gerichtsverfassungsgeseß vorgesehenen Wege vorzugreifen, und ih glaube auch bei diesem Punkt annehmen zu dürfen, daß das hohe Haus nicht geneigt sein wird, nah dieser * Richtung eine Erörterung eintreten zu lassen, so lange die gesetz- mäßig berufenen Aufsihtsorgane ihr Urtheil nicht gesprohen haben. Das i}t das, was ih zur Sache der Interpellation zu sagen habe.

Auf Antrag des Abg. Singer tritt das Haus in die Besprechung der Jnterpellation ein.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Was der Staatssekretär des Neichs-Justizamts vorgebraht hat, hat mich von der Berechtigung der Verhaftung niht überzeugt. Der Reichëtag hat das allergrößte Interesse daran, zu dieser ungerechtfertigten geseßwidrigen Ver- haftung Stellung zu nehmen, wenn niht der Respekt vor dem Reichstag vershwinden foll. Jede Verleßung der Majestät der Krone wird mit den s{werften Strafen belegt, aber der Frevel an der Majestät der Volksvertretung wird entschuldigt. Es lag kein Grund zur Verhaftung vor, weder Fluchtverdaht, noch die Möglichkeit der Verdunkelung der Thatsachen. Die Sozialdemokraten haben im allgemeinen das Martyrium für ihre Ueberzeugung auf sih ge- nommen, um dadurch ihre Sache zu fördern. Eine Verdunkelung dew festgestellten Delikte, Kolportagevergehen u. \. w. fonnte niht mehr erfolgen. Verhaftungen sollen nur vom Richter, nicht von der Staatsanwaltschaft vorgenommen werden; das ist die einzige Garantie, die wir für die Freibeit noch haben. Die gesezwidrige Verhaftung wird doppelt frevelhaft, weil fie sih gegen einen Reichstags- Abgeordneten richtet. Welches der vier Delikte den Anlaß zur Verhaftung gegeben hat, ist nicht be- kannt. Es müssen alfo alle vier Gründe in Betracht gezogen werden, Das Flugblatt war früher als 24 Stunden vor der Verhaftung ver- breitet worden ; damit war die Verächtlihmachung und die Beleidigung auch {hon 24 Stunden vollendet. Es kann also nur die Beseitigung der beschlagnahmten Drucksachen in Betraht kommen. Jch behaupte aber, daß keine Beschlagnahme erfolgt ist, daß Herrn Bueb von einer folhen nihts bekannt geworden ift, wie Ihnen vielleicht r Bueb nachher feierli selbst versichern wird. Beschlagnahmte Ballen Druck- sahen hätte man Herrn Bueb nicht zur Verfügung gelassen. Herr Bueb hätte doch geradezu wahnsinnig sein müssen, wcnn er bei der Kreic direktion noch die Kolportage-Erlaubniß für beschlagnahmte Drucksachen nachgesucht hätte, was er doch gethan hat. Wenn die Beschlagnahme stattgefunden hat, so besteht sie heute noch, warum ist denn die rihterliche Bestätigung niht nachgesuht worden ? Wie wenig berehtigt die Verhaftung war, beweist die Ent- lassung, die doh nit erfolgt ist, weil er den Fluchtverdaht beseitigt hat, sondern weil er die Papiere herausgegeben hat. Man hat ihn durch diese moderne Tortur zu einer Handlung genöthigt, zu der er geseßlih nit verpflihtet war. Mit" Art. 31 der Verfaffung ift Mißbrauch getrieben worden. Ih {ließe mih dem zweiten Lheil der Interpellation nicht an; ih fordere Herrn Bueb auf, bei der Staatsanwaltschaft Denunziationen einzureihen gegen den Staats- anwalt und die Polizei; wir werden abroarten, ob die Anklageerhebun abgelehnt wird. Ich hoffe, daß selbst in Elsaß-Lothringen sti noch Richter finden werden, welhe in Bezug E Freiheit des Bürgers und der Md wgr e rae anderer Meinung sind, als der Staatssekretär des Reichs-Justizamts. Glauben Sie, daß wir die Elsaß-Lothringer dadurh gewinnen, daß die Gesetze verleßt werden, daß ihr Abgeordneter in seiner persönlihen Freiheit niht ges{hügt wird ? Die Elsässer werden dadur nicht zu der Ueberzeugung kommen, daß sie einem Rechtsstaat angegliedert sind. Es wäre besser gewesen, wenn die Vertreter der verbündeten Regierungen erklärt hätten: es ist ein Unrecht begangen und es foll gesühnt werden, wenn man ni durh feine juristische Deduktionen das entschuldigt hätte, was ni zu entschuldigen ift.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Nieberding:

Der Herr Reichskanzler würde siherlich davon bin ih über- zeugt und ih theile seine Auffassung kein Bedenken tragen, offen zuzugestehen, daß in einem Falle wie diesen, der zur Kognition des Reichstags gekommen ist, Beamte eine geseßlich inkorreklte Hand- lung vollzogen haben, wenn er in der That solcher Ueberzeugung wäre. Meine Herren, die Schwäche, die der Herr Abg. Lenzmann ihm vor- wirft, daß er aus nit in der Sache liegenden Rücksichten es ablehne, ein soldes Zugeständniß zu machen, und wie er meint, mit juristisen Deduktionen, die dem Volke nicht verständlich seien, -