1896 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

den wenigen Missionaren Leute, die theils aus der Kapkolonie, theils aus England gekommen waren. Meer raena haben wir, von der Truppe und von den Beamten abgesehen, hon in unserem Schuß- gebiet mehr als 200 Deutsche, und unter diesen M ih Ansiedler, die aus der Schußztruppe felbst erveriegan en find. Es ift (ewiß kein [NleGtes Zeichen dafür, daß bei jeder Ablösung, die von Süd- west-Afrika nach Deutschland kommt, immer eine. große Zahl der Truppen im Lande zurückbleibt. Das sind also Leute, die das Land kennen, die wissen, was ihnen bevorsteht, und die die Hoffnung und e Mére Zuversicht haben, daß sie in dem Lande eine Eristenz finden können. möchte au hervorheben, L ungeachtet. der unficheren Zustände dauernd Ansiedler nah Südwest-Afrika auswandern, und daß endlih auch nach einen allerneuesten Bericht, den der \ächsische Lieutenant Dr. Hartmann erstattet hat, die Exploration des Schußz- gebiets auf Metalle noch lange nicht als beendet ane fehen werden Tann, daß aber in jüngster Zeit erst wieder ganz bedeutende und werthvolle Guanofelder gefunden worden sind. 20 glaube, daß alle diese Berichte doh immerhin als ein Beweis betrachtet werden können, daß unfer Schußzgebiet, wenn au in langsamer, fo doch in günstiger Entwicklung begriffen ift, und wir werden diefe Meinung für um so begründeter halten, wenn wir die Ae bei uns vergleichen wollten mit den Zuständen in den bena Meine Herren, ih möchte noch auf einen Punkt hier vorweg ein- ehen, von dem ih überzeugt bin, daß au er wahrscheinlih in die De- atte geworfen werden wird oder geworfen werden könnte, näm- Lich cut den Einwurf, daß wir Gar die großen Mittel, welhe wir hier für unser Schußtzgebiet verlangen, niht sowohl deutschen, als wie englischen Interessen entgegenkommen. Meine Herren, auch diese Bemerkung würde eine vollständig unrichtige sein. Ich habe ja hon zu wiederholten Malen Gelegenheit gehabt, vor diesem hohen Hause meine cigene perfönliche Stellung zu diesen englischen Gesellschaften zu fkennzeihnen. Aber ich möchte hier nur noch eins besonders hervorheben. Als diese englishen Gesellshaften konzessioniert worden find, war in der That den deutschen Gesellshaften, die in Südwest- Afrika Interessen zu vertreten hatten, ihr Kapital völlig. ausgegangen ; das Schußtzgebiet war von den verschiecenften Seiten so in Mißkredit gebracht, daß es unmöglih war, hier in Deutshland noch große Ka- vitalien für dasselbe und für dessen Entwicklung zu finden. Damals find die englishen Gesellshaften konzessioniert worden, und seit dieser Zeit hat sih der Zuspruh des deutschen Kapitals um ein ganz Erhebliches vermehrt, und man kann ziffffermäßig nachweisen, daß das deutshe Kapital, welches zur Zeit in Südwest-Afrika investiert ist, sehr erheblih größer if als zu der Zeit, bevor die englischen Ge- sellschaften dort fkonzessioniert waren. Im übrigen möchte ih auf eins noch aufmeiksam machen. Diese englishen Gesellschaften haben, wenn Sie wollen, zur Zeit noch gar keine materiellen Interessen an Südwest - Afrika, sie haben nur eine ganz be- trächtlibe Summe Geldes ausgegeben, um Expeditionen und Explo- rationen des Landes zu veranstalten. Diese Expeditionen sind noch nicht zu Ende, die englishen Gesellschaften stehen erst vor der Arbeit. Also, wenn wir heute von Ihnen wiederum eine erhebliche Unter- stüßung für Südwest-Afrika verlangen, so geschieht es nicht um freinder, sondern um der eigenen deutshen Interessen willen. Nun habe ih weder den Beruf noch die FENAnoigteit, allgemeine politische Gesichtspunkte hier crört-rn zu wollen, und ih will es auh nit thun; aber ich Ns es würde eine gewisse Lücke in meinen Aus- führungen zurückbleiben, wenn ih niht wenigstens die Andeutung machen wolite, daß die Aufrehterhaltung der deutschen D E in Südwest-Afrika niht allein ein koloniales, sondern auch ein all- gemein deutsches politisches Interesse darstellt. (Sehr ay Die verbündeten Regierungen sind der Ansicht und hoffen dafür au die Zustimmung, wenigstens der überwiegenden Mehrheit dieses hohen auses zu erlangen, daß wir unter keinen Umständen und zu keinen eiten unsere deutsche Herrschaft in Südwest-Afrika aufgeben können und aufgeben werden. (Bravo!)

Nbg. Richter: Die Berliner Banquiers fangen an kühl zu werden in Neu - Guinea, fie wollen die Sache auf das Reich über- tragen. Welche Hoffnungen hat man niht auf Wissmann’'s Er- nennung gesetzt, und nun kehrt er auf längeren Urlaub zurück, und man bezweifelt, ob er je wieder. nah Ost-Afrika gehen wird. Für Südwest- Afrika verlangt man eine Verdoppelung des Reihszuschusses. Wie leiht wird es, solche Ausgaben für Südwest-Afrika zu beantragen! In Freuden ist dagegen ein Lehrerbesoldungsgeseß gescheitert, weil der Finanz-Minister sih nit dazu verstand, 1} Millionen Mark her- zugeben, Steigende Ausgaben in Südwest - Afrika, aber keine wirthschaftlihen Erfolge. Früher begnügte man sich, die Landes- hoheit zu markieren durch einen Gouverneur und einen Sekretär ; das kostete 30 000 4 Dann erhielt er eine Leibgarde von 50 Mann. Dann begannen die Händel mit Witbooi, und sofort wuhs der Reichs- zushuß in die Millionen hinein. Mit Ende des Etatsjahres werden 10 Millionen hineingesteckt sein. Der Stolz, daß da 200 Deutsche sind, ist also nicht so besonders gerechtfertigt. Ohne die Schußtruppe würden. es nur_20 bis 30 Deutsche sein, welche eine selbitändige wirthschaftlihhe Stellung hätten. Das ist keine Unterlage für eine Schutze herrshaft, die größer is als Deutschland felbst. Wenn das Land einen Werth hütte, hätten die Engländer niht bis zu unserer Mlaggenbissung gewartet, sondern das Land felbst in Besiß genommen.

ie englishe Gesellshast ist über Expeditionen und Crplorationen noch nit hinausgekommen. Troßdem wirthschaftlihe Interessen nicht in bedeutendem Maße vorhanden find, wächst die Gefahr der Ver- wickelung mit den Hirten und Nomadenstämmen, die sich ihre Bezirke nicht vorschreiben laffen wollen. Diese Aufständischen, wie man sie nennt, vertheidigen ihr natürlihes Reht. Wenn sie besiegt werden, ziehen sie sih wo anders hin, und dann fängt die Geschichte wieder von vorne an. Gefährlih wird der Aufstand, weil die Eingeborenen mit Hinterladern versorgt sind. Man sollte diese ganze geträumte Herrlichkeit aufgeben. Eine nationale Chre is dort nit ver- pfändet: es ift ein einfahes wirthschaftlihes Unternehmen, welches man aufgiebt, wenn es sich als wirthschaftlich nicht rentabel erweist. Wir können es den Steuerzahlern gegenüber unter Vernachlässigung anderer näher liegender Kulturaufgaben niht verantworten, diese Gelder zu bewilligen. Die Hereros, Hottentotten und die anderen Bundesbrüder sind keine Schußtruppe . werth.

Abg. Graf von Arnim (Rp.): Der Ton der Reden des Abg. Richter ist ja bekannt, ich kann deshalb darüber zur Sea übergehen. Die Geschihte wtrd urtheilen über diese Haltung. enn Herr Richter und seine Freunde Hand in Hand mit uns gegangen wären, dann wären solche Verwickelungen nicht entstanden. enn die aaen des Vorredners richtig wären, müßten wir uns ja verbluten in Südwest-Afrika. Aber wir sind sehr viel weiter, als man annimmt, wenn auch Südwest-Afrika kein Paradies ist. Nach Herrn Richter müßten wir, wie Dae Fischer die deutshe Flotte, Südwest-Afrika unter den Hammer bringen und ver- auktionieren! Würde fich dagegen das deutsche Nationalgefühl nit auf- bäâumen? Jch danke der Regierung dafür, daß sie sich entschlossen hat, diese Vorlage zu machen. Die Kämpfe mit Witbooi haben sch Jahre lang hingezogen. Das System des Fabius Cunctator ift endlich auf- egeben und man hat eingesehen, daß {nelle Siege billige Siege sind. Meil Witbooi seine Wanderzüge nicht mehr ausübt, haben die

reros eine größere Freiheit der Bewegung erhalten, und es muß mit serer einmal abgerehnet werden; es nrn sogenannte Lokationen

errihtet werden, wie für die Indianer in Amerika. Ich begrüße die Absendung der Schuptruppe, weil wir die Erfahrung gemacht haben, daß ein größerer Theil der Mannschaften drüben bleibt und sich ansiedelt. an sollte für die Shußtruppe nur Bauernsöhne oder Handwerker anwerben, keine Städter , weil diese fih drüben nicht so wohl fühlen. Die englishen Gesellshaften müßten einer strengen Kontrole unterzogen werden. Der Direktor einer dieser Gesellschaften ist zugleih Direktor der Chartered Company. Dur diese Aktion werden wir beweisen, daß wir die Absicht haben, Südwest-Afrika zu behalten gegenüber der großen Anzahl der Gegner, welche es aden für Ueberhebung halten, "E wir es überhaupt wege in E Kolonien zu haben. In Hongkong sind zwei Deutsche verurtheilt worden: es hieß zuerst, zu Zwangsarbeit, jeßt soll bloß eine Geld-

Kapitän

barten englischen Kolonien. |

strafe ausgesprochen sein. Es wäre mir erfreulih, zu hören, ob das bloß im Wege der Gnade geschehen ist. | 4 Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister Freiherr Marschall von Bieberstein: |

Mir liegt über die von dem Herrn Vorredner berührte An- gelegenheit wegen der Bestrafung zweier Deutshen in Hongkong nur ein kurzer telegraphisher Berit unseres dortigen Konsuls vor. Danach hat - die Sache sih in der Weise zugetragen, daß der und der Arzt des Postdampfers „Hohenzollern“ an einer inmitten des Hafens gelegenen befestigten Insel gelandet sind deren Betretung dur ein besonderes Strafgesey verboten is. Der Kapitän und der Arzt wurden verhaftet und in einem gerichtlichen Verfahren, vermuthlich weil man annahm, daß sie der Spionage ver- dächtig wären, bestraft, der eine mit drei Monaten, der andere, der einen photographischen Apparat bei sich trug, mit vier Monaten Zuchthaus. Es ist sofort unser Konsul eingetreten und hat die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkt, und es wurde wieder in einem gerihtlichen Ver- fahren das frühere Urtheil abgeändert und gegen beide Angeklagte auf eine Geldstrafe von 100 Dollars erkannt. Etwas Weiteres weiß ih im Augenblick über die Sache niht; ih muß erst den \chriftlihen Bericht des Konsuls abwarten, um mir ein vollkommen sicheres Urtheil über den ganzen Verlauf dex Angelegenheit zu bilden.

Abg. Dr. a se (nl.): Bei der Sachlage ist-es- geboten, die Vorlage möglichst {nell zu erledigen. Jch gehe dabei von der Ansicht aus, daß die Berichte des Majors Lon Leutwein hinreihendes Ver- trauen verdienen, daß eine Zwangslage vorliegt, s{chnell die Bewilligung auszusprehen, weil wir es für selbstverständlih halten, daß dieses Schußgebiet festgehalten werden muß. Wir hoffen, daß es bald ge- lingen wird, durch wirthshaftliche Aufwendungen, durch Entwickelung der Verkehrsverhältnisse die Herrschaft so zu befestigen, daß die Auf- wendungen nicht mehr so gros zu fein brauchen.

Abg. Dr. Förster -Neustettin (Reform-P.): Für eine allgemeine Kolonialdebatte eignet sih die Frage niht. Wenn die Hottentotten keinen Schuß Pulver werth find, dann wollen wir bessere Leute an deren Stelle seßen, nämlich unsere Landsleute, da sich das Land sehr gut zur Ansiedlung eignet. Es handelt sich \{ließlich heute niht um die Frage, ob wir kolonisieren wollen oder nicht, sondern darum, ob wir unsere Landsleute dort retten wollen oder niht. Unsere Ghre erfordert es, unsere Stellung aufrecht zu erhalten. Der Auf- stand foll durch englishe Einflüsse veranlaßt sein; davon ist bisher nichts erwähnt worden.

Abg. Prinz von Arenberg (Zentr.): Wir erkennen die geschäft- liche Zwangslage an und acceptieren die Vorlage, die wir mit Freuden br e weil die Regierung dadurch von dem System abgewichen ifl, Expeditionen zu unternehmen, ohne vorher die materielle Ge- nehmigung des Reichstags nachzusuchen. : |

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons.) erklärt ebenfalls namens seiner politishen Freunde die Zustimmung zur Vorlage, die ihnen sympathish sei, weil diese Kolonie diejenige sei, wohin die Deutschen auswandern könnten. Daß dabei Konflikte mit den Ein- geborenen vorkämen, fei felbstverständlih. Wenn man die Kolonie erhalten wolle, dann müsse man auch ganze Arbeit machen und namentlich Eisenbaßnen bauen.

Abg. Richter: Der Vergleich mit der Auktion der deutschen Flotte ist nicht zutreffend. Das war eine Shwächung der deutschen Wehrkraft, während es ih hier darum handelt, Mittel zu besseren Zwecken zu verwenden. In Südwest-Afrika können Deutsche ih ansiedeln; aber es fehlt an Wasser und Holz, und dadurch ift die ganze Entwickelung unterbunden. Graf Arnim meinte, ich bätte das deutsche. Kapital abgeschreckt. Da bin ih mir ers bewußt ge- worden, was ih für ein mächtiger Mann bin. Wenn dort etwas zu holen wäre, dann würden meine Reden nicht abgeshreckt haben. Hinter den Kolonialfreunden {ind so viele Millionäre, baß - diese allein das Kapital für die Kolonien aufbringen können. Bilden Sie doch Gesellschaften zum Bau von Eisenbahnen ohne Neichsgarantie, und gehen Sie nicht immer das Reich an!

Abg. Graf von Arnim: Esgiebt dort etwas zu holen ; weshalb hätten denn sonst die Engländer sich fo beeilt, den Guano wegzuholen? Wie lange sind die Boeren in Transyaal gewesen, ehe Gold gefunden wurde! So ftann es in Südwest-Afrika auch gehen. Aber Zeit und

Geld wird es kosten.

Damit schließt die erste Berathung. Die einzelnen Titel des Nachtrags-Etats werden in der zweiten Berathung ohne Debatte gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Frei- sinnigen genehmigt.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.) beantragt, sofort nah Schluß der heutigen Sißung eine Sitzung zur Erledigung der dritten Be- rathung Kattfinden zu lassen.

Präsident Bre von Buol ist damit einverstanden und seßt, da ein Widerspruch nicht stattfindet, diese Sizung auf Nachmittags 4 Uhr fest.

Auf der Tagesordnung steht weiter die dritte Berathung des Geseßentwurfs, betreffend den Abgabentarif für den Kaiser Wilhelm- Kanal.

bg. Jebfen (nl.) empfiehlt dringend eine Reform des Tarifs, und zwar müsse derselbe so einfah wie möglih gestaltet werden. Besonders empfiehlt Redner, den Zuschlag für die Wintermonate zu streichen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Ich bin mit dem Vorredner ganz einverstanden, wenn er den Say aufgestellt hat: je einfacher der Tarif, desto besser. Von diesem Gesichtspunkt haben wir uns auch leiten laffen bei Aufftellung des provisorischen Tarifs und wenn bisher unter der Herrschaft dieses Tarifs die Frequenz nicht so fih entwickelt hat, wie wir das wünschen müssen hon im Interesse der Deckung unserer Berwaltungskosten, so bin ih weit davon entfernt, die Schuld davon niht auch mit auf die Normierung der Tarifsäße zu schieben. Jch glaube allerdings auh, daß wir den Tarif werden korrigieren müssen, und die Konferenz, ‘die wir gegenwärtig zusammenberufen haben, und die aus Sachverständigen zusammengeseßt is, wird uns hoffent- lih die Gesichtspunkte angeben, nach denen man mit Aussicht auf eine Vermehrung der Frequenz den Tarif zu reformieren hat. Aber eines bitte ih dabei zu bedenken : so ganz irrationell, wie es nah den Aus- führungen des Herrn Vorredners den Anschein gewinnen könnte, ist doh dieser Tarif und insbesondere au der Winterzuschlag nicht ge- wesen. Wenn wir den Tarif abgestuft hätten nah Maßgabe der Entfernung, wenn wir also dem Verkehr aus denjenigen Häfen, von denen aus die Durhfahrt durch den Kanal einen größeren Vortheil biete, auch höhere Tarifsäße auferlegt hätten, so würden wir eben gegen den von dem Herrn Vorredner an der Spitze seiner Ausführung gestellten Saß: je einfacher, desto besser, verstoßen, wir würden uns wenigstens niht ganz im Einklang mit diesem Sah befunden haben. Gerade dieser Say ist es gewesen, der uns damals zu der Ansicht geführt hat, es sei besser, einen einheit- lihen Tarif zu mahen. Wenn wir aber den Winterzuschlag daneben festgeseßt haben, so entbehrt auch diese Festseßung nicht einer guten Begründung. Es i} klar, daß die Kanalverwaltung im Winter höhere Verwaltungskosten aufzuwenden hat, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Unsere Eisbrecher müssen thätig sein,

wir brauen vermehrte Beleuchtung und ein größeres Personal, alleg L

dies rechtfertigt s{chon an sich den Winterzushlag. Außerdem wird aber der Zuschuß auch dadur gerechtfertigt, daß im Winter für die Schiffe der Weg um Skagen sehr viel gefährlicher wird, und daß der Vortheil, den die Schiffe bei der Wahl des Kanals haben, sehr viel größer ift, als im Sommer. ;

Allein, ih will niht leugnen, daß ih kein Freund von der Auf, rechterhaltung des Winterzuschlags bin, ih würde für feine Aufhebung mih erklären können, wenn man auf einem anderen Wege dazu ge» langen kann, die Frequenz zu heben und ausreihende Deckung für unsere Verwaltungskosten zu beschaffen. Das if das Ziel, was ih als guter Hausêyater anzustreben habe, und ih hoffe, daß es zu er. reichen fein wird.

Ich mache dabei noch auf eines aufmerksam. Die Erfährung, die man beim Suezkanal gemacht hat, spricht eigentli niht dafür, daß man jeßt zu einer Herabsezung des Tarifsaßes übergehen follte; denn beim Suezkanal sind die Einnahmen in den ersten Jahren mir sind die

Zahlen nicht gerade zur Hand außerordentlih gering gewesen,

und da ist man zu einer Erhöhung der. Gebühren übergegangen, und erst von dem Moment an, in welchem die Erhöhung der Gebühren eingetreten ist, hat der Suezkanal weitaus höhere Einnahmen erzielt als früher. Ih will dieses Rezept niht als ein absolut wirksames bezeichnen (Heiterkeit) und ih werde mich jedenfalls bemühen, dahin zu streben, daß das Ziel, was wir erreichen müssen: flotte Fahrt dur den Kanal und gute Einnahme, mögli bald erreicht wird, (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) empfiehlt eine besondere Berüksichtigung der deutschen Küstenschiffahrt, die in Bezug auf den Tarif der aus. ländischen vollftändig gleichgestellt sei. Redner beruft sich auf cine Refolution, welche der Reichêtag in dieser Beziehung bei dem Binnen- schiffahrtêgesez angenommen Vube, | E i

Abg. Rickert (fr. Vgg.) meint, daß diese Resolution wohl nur aus Versehen angenommen fei; man habe garnicht gehört, daß der Präsident sie zur Berathung gestellt habe.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Dem Herrn Abg. Dr. Hahn habe ih auf seine Anfrage Fol- gendes zu erwidern: Wir haben nah Erlaß unseres Küstenschiffahrts- Gesetzes bis zum Jahre 1886 die holländishe Flagge von unserer Küstenschiffahrt ausgeschlossen. Das hatte gewisse politische Nach- theile gegen fi, und im Jahre 1886 fanden wir, daß es gerathener sei, auch die niederländishe Flagge der deutschen in dieser Beziehung gleihzustellen. (Hört, hört! rechts.) Wollten wir jeßt dazu über- gehen, die niederländische Flagge wiederum \chlechter zu stellen als die deutsche, so würde das meines Erachtens ein feindseliger Akt fein, der doch mindestens durch irgend einen Vorgang gerechtfertigt sein müßte, bei dem uns die Niederländer unbequem geworden sind.

Nun liegt ja die Sache so, und das ift ausdrücklih bei Eröffnung des Kaiser Wilhelm - Kanals von Allerhöchster Stelle proklamiert worden, daß wir neidlos allen Völkern unseren Kanal öffnen wollen, und darum is eine differenzielle Behandlung der verschiedenen Flaggen hinsihtlich der Kanalgebühreu nicht gut möglich. (Sehr gut! links.) Ich glaube auh, daß, wenn die Ge- währsleute des Herrn Dr. Hahn sich die Sache näher ansehen, sie faum Grund haben, si zu beschweren, namentlich wenn sie berücksihtigen, daß gerade die Festseßung des Tarifs, wona die Schiffe mit einem- geringeren Tonnengehalt--als-50-+ -eine-tartfarische Begünstigung erhalten, den deutschen Schiffen in erster Linie, und ih möchte sagen eigentlich aus\schließlich, zu gute kommt. Die Dänen allerdings partizipieren auch daran, aber weniger, und am allerwenigsten die Niederländer, und das liegt daran daß die niederländishen Küstenfahrzeuge in der Mehrheit einen Tonnen- gehalt haben, der größer ist als die Grenze, welhe im Tarif aufge- nommen ist. Ich möchte daher glauben, daß eine zwingende Ver- anlassung nicht vorliegt, hier allgemein und noch dazu gegenüber einem einzelnen Lande einé differenzielle Behandlung eintreten zu lassen. Man kanu ja vielleiht auf dem Wege dazu kommen, den der Abg. Nickert angeregt hat, daß man nach Maßgabe der Entfernung, nach. Maßgabe des Vortheils die niederländishen Schiffe anders stellt

als die deutschen, vorausgeseßt, daß fie thre Schiffahrt betreiben von .

einem Hafen aus, der größeren Vortheil von dem Kanal hat als

andere Schiffe.

Der Gesichtspunkt, den der hat, kommt naturgemäß - bei augenblicklich s\{chweben, zur Geltung. Er is auch früher, wie ich vorhin bemerkte, nit ‘Unerwogen geblieben. Ob es dazu fommen wird, eine folhe Abstufung nah Maßgabe des Vortheils für die einzelnen Schiffe in den Tarif cinzuführen, kann ich in diesem Augenblick noch nicht übersehen. Aber die verschiedenen Anregungen, die hier im Hause gegeben sind, werden einmal in der Kommission, sodann aber im Bundesrath bei der definitiven Feststellung des Tarifs berüdcksichtigt werden. (Bravo!)

Abg. Dr. Hahn: Den Holländern wurde 1886 ein Geschenk ge- macht, während die deutshen Küstenschiffer in Holland keine Be-

äftigung finden. G Aba Febsen bleibt dabei, daß der Winterzuschlag beseitigt

werden müsse. Der Hinweis auf den Suezkanal sei nicht zutreffend, da der Umweg um das Kap der guten Hoffnung länger set als der um Kap Skagen. Y : 6 i

Die Vorlage wird darauf in endgültiger Abstimmung genehmigt. i

Sodann wird die Wahl des Abg. von Dziembowski-Bomst (Rp.) beanstandet und die Wahl des Abg. Grafen von Bis- marck (b. k. F.) für gültig erklärt. 8 i

Zum Mitgliede der Reihs-Schuldenkommission wird Abg. Schall (d. kons.) durch Zuruf C ta ;

Schluß 31/2 Uhr. Nächste Sißung r 4 Uhr. (Dritte Berathung des Nachtrags:Etats für Südwest-Afrika.)

Herr Abg. Rickert aufgestellt den Verhandlungen, die jeßt

94, Sigzung, 4 Uhr.

In dritter Berathung erledigt das Haus ohne jede Debatte

den Nag e Ar h Oran Schußtßgebiet; derselbe wird endgültig genehmigt.

Y Schuß 4 Uhr 10 Minuten. Nächste Sißung Dienstag, den 2. Juni, 2 Uhr Nachmittags. (Nachtrags - Etat und Anleihegeseß; Verträge zwischen dem Reih und Japan und zweite Lesung des Depotgesehes.) E

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_ Preußischer Landtag. | Herrenhaus. 15. Sigung vom 19. Mai 1896.

Auf der Tagesordnung steht zunächst der Kommissions- heriht über die Novelle zum Geseß, b-treffend die Errichtung einer Zentralanstalt e örderung des genossen- shaftlihen Personalkredits (Erböbung des Grund-

fapitals von 5 auf 20 Millionen Mark). Berichterstatter Herr von Graß beantragt die unveränderte An-

nahme der Vorlage. 5 Freiherr von Durant: Die Gründung der P Reno en efriedigt. Die

sdaftskafse hat ein lebhaftes Bedürfniß im Lande Anregungen dazu sind {on vor Jahren seitens der Genossenschaften gegeben worden. Der Umfang der Geschäfte der Kasse hat sofort gezeigt, das ein Kapital von 5 Millionen nicht ausreiht, und meine politishen Freunde sind mit der Erhöhung des Grundkapitals auf 90 Millionen einverstanden. Die Entwicklung des Personalkredits neben dem Realkredit ist eins der Haupterfordernisse für die Land- wirthschaft. Der Personalkredit muß au solchen Personen zugänglich gemaht werden, denen er bisher vershlossen war. Wer nichts weiter hat als seine Arbeitskraft und seinen guten Willen, muß au des Kredits theilhaftig werden, z. B. die Handwerker. Wenn das Kapital der Kasse erhöht wird, kann sie erst ein wirkliches fozialreformatorishes Werk werden. Die Kasse hat fi bei der Konvertierung der Pfandbriefe förderlih erwiesen. Die weiteren Ausführungen des Redners bleiben wegen der Unruhe im Hause auf der Tribüne unverständlich.

Ein Regierungskommissar führt aus, daß der Wunsch nicht erfüllt werden könne, daß die Zentral-Genofsenshaftskasse direkt mit den einzelnen Genossenschaften in Geschäftsverbindung trete, dznn nah dem Gefeß dürfe fie nur mit Genossenschaftsverbänden in Verkehr treten. Die Handwerker müßten ers Genossenschaftsverbände gründen.

Die Vorlage wird angenommen. S

Es folgt der Bericht der Eisenbahnkommission über die Kreditv orlage (Sekundärbahnbauten, Förderung der Klein- egen: Errichtung von landwirthschaftlihen Getreidelager- häusern). :

Berichte:statter Herr von Breitenbauch beantragt die Annahme der Vorlage und folgender Resolutionen:

a) die VHiegierung zu ersuchen, Anordnung dahin zu treffen, daß in Zukunft zur Ermittelung der Grundwerthe und Wirth- a Ua welche den an Stelle der Grunderwerbskosten zu leistenden Paushsummen zu Grunde zu legen sind, Sach- verständige gutachtlich zu hören find, welche von den zahlungépflichtigen Körperschaften bestellt werden ;

b) die Regierung möge Versuche und Ermittelungen über die unserer landwirthschaftlichen Produktionseigenart und über die unseren heimishen Verkehrsbedingungen am besten entsprehenden Formen und Einrichtungen der Kornhäuser anordnen.

Jn der Generaldiskussion wird zunächst über die Eisenbahn- angelegenheiten verhandelt.

Graf von Klinckowstroem bemängelt die Berehnung der Grunderwerbskosten, die von den Interessenten aufzubringen seien, und die Festseßung des Paushquantums an Stelle der zu entrihtenden Grunderwerbskosten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Ich möchte zunächst bemerken, daß die Verhandlungen mit dem Kreise wegen der Linie Goldap— Angerburg bereits abgeschlossen sind, und daß infolgedessen die Staats-Eisenbahnverwaltung in die Lage geseßt ift, die erforderlihen Vorarbeiten zu machen. Ich möchte aber nohmals darauf aufmerksam machen, daß der Staat nah dem Geseßz nicht eher Geld ausgeben kann, bis die Vorbedingungen erfüllt find, und dazu gehört die Klarstellung der Grunderwerbsfrage. Erst dann kann mit den Vorarbeiten, die be- kanntlih viel Geld kosten, begonnen werden, weil wir vorber feinen Fonds haben, auf den wir diese Kosten anweisen können.

Was die zweite Frage anlargt, fo liegt diese allerdings \{chwie- riger. Ich bin ja sehr gern bereit, mit den betreffenden Kreisen nohmals in Unterhandlung zu treten; ih glaube aber faum, daß sih ein anderer Weg wird finden lassen, der uns aus dem Dilemma herausführt, als der, daß auf Grund der abgeshlossenen Verträge die Kreise den Grunderwerb selbs in die Hand nehmen. Denn durch das Gesey sind wir gebunden, das Pauschquantum in der Höhe, in der es ermittelt worden ist, auch einzufordern. Jh bin gern bereit, mit dem Herrn Finanz-Minister die Frage nohmals zu erörtern; heute sehe ich jedoch keinen Ausweg aus dem Dilemma, als den, daß die Kreise den Grunderwerb felbst in die Hand nehmen.

Eine andere Frage ist die, und die ist ja bereits auch in der Kommission diefes hohen Hauses erörtert worden, ob es nicht in Zukunft zweckmäßig sein möchte, die Ermittelung des Paushquantums nah Anhörung von Sachverständigen der Kreise beziehungsweise der betreffenden Gemeinden auszuführen, und zwar in der Weise, daß auf Grund dieser Gutachten klarzustellen ist, welhe Durschnittswerthe die betreffenden Bodenarten in den Fluren haben, die von der Eisen- bahntrace berührt werden. Wenn derartige Vorermittelungen mit den Lokalbehörden und lokalen Sachverständigen erfolgen sie sind übrigens schon jeßt, wenn auch wvielleiht nicht in folhem Umfange, thatsählih erfolgt —, dann wird es in Zukunft wahrscheinli möglich sein, näher an die wirklichen Kosten mit der Taxe des Pausch- quantums heranzukommen. Ich bitte aber dabei zu berücksichtigen, daß außer dem Werth, der ja verhältnißmäßig leicht festzustellen ift, dem eigentlichen gemeinen Bodenwerth, zwei Faktoren in dem Pausch- quantum zu berüsichtigen sind, deren Taxierung außerordentli {wer ist: erstlih die Wirthschaftserschwerung. Wenn die Bahn noch nicht geseßlih genehmigt ist, so finden sich der Wirthschaftserschwerungen verhältnißmäßig sehr wenige; ift aber die Bahn bereits in ein voll- ständig festes Stadium getreten, ist sie bereits in Fleisch und Blut übergegangen, so finden sich nahträglih der Wirthschaftsershwerungen äe große Menge und zwar der verschiedensten Art. Die Staats-Eisen- bahnverwaltung steht dem auch ziemlich wehrlos gegenüber; sie kann nur hoffen, daß die Landes-Polizeibehörde bei dem polizeilihen Termin das Ueberflüssige .abschneidet. Immerhin steckt aber in diesem Faktor tine ziemlich unübersehbare Summe Geldes. Der zweite Faktor ist nah meiner Erfahrung von noch größerer Tragweite; das ist derjenige Faktor, der sih dadurch herausftellt, daß die zwangsweise Enteignung bdhere Werthe bezahlt und auch geretfertigter Weise bezahlen muß als den gemeinen Werth; wieviel aber, das is von vornherein nicht zu übersehen. Wir haben Fälle, wo wir das Doppelte, Fälle, ivo wir das 20- und 30-fache haben zahlen müssen; also da treten vanz außerordentliche Differenzen auf zwischen dem früheren gemeinen Werth und dem Taxwerth im Zeitpunkt der Expropriation. Diese

iden Faktoren ershweren es außerordentli, bei der vorgängigen : shägung eines Pauschquantums anstatt der Hergabe des Grund und E in natura das Richtige zu treffen. Es ist Pflicht und wird qui tfgabe der Staats-Eisenbahnverwaltung sein, alle diejenigen ittel heranzuziehen, die es ihr erwöglihen, bier thunlithst

rihtig zu {äzen. Wir ftehen in diesem Jahre zum ersten Mal vor dieser Frage, wir sind vielleicht etwas vorsichtiger gewesen, als wir, wenn wir erst einige Erfahrungen gesammelt, vielleicht in Zukunft glauben fein zu müssen, und ih hoffe, daß dann die Frage mehr im Sinne der Ausführungen des Herrn Grafen Klinckowstroem geordnet werden kann, als das heute der Fall ift.

Freiherr von Durant ehlt beffere i Ü den oberschlesischen Industricbrtte A e öfteren für namentli eine Linie Pleß—Königshofen—Breslau.

Graf von Frankenberg spricht sih für eine besondere Förde- rung des Kleinbahnwesens aus. Die Regierung {telle viel zu strenge Vorbedingungen an den Bau von Kleinbabnen. Wenn man ftatt mancher Sekundärbahn eine Kleinbahn gebaut hätte, hätte man ein viel geringere Kapital gebraucht. Redner bespricht besonders die Verhältnisse einer Kleinbahn in Katser in seiner \hlesishen Hei- math, bleibt aber auf der Tribüne unverständlih. Er beklagt ferner, daß si neuerdings der Wagenmangel wiederum in sehr unan enehmer Weise für die Industriebezirke bemerkbar gemaht habe. Dur die in- sorge dessen hervorgetretenen Verkehrs tackungen gingen der ober- \chlesishen Industrie immer mehr ihre Absfatzgebiete verloren. Eine so große Verwaltung wie die preußische Staatsbahnverwaltung müsse auch auf einen großen Andrang getüstet sein.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Grafen von Frankenberg waren getragen vom warmen Interesse für die Klein- bahnen. Er ift si voll bewußt, daß die Kleinenbahnen einen Segen für das Land bilden in wahsendem Maße, und er hat dabei meines Erachtens . durchaus gerechtfertigt das Interesse der Staatsregierung dafür angerufen, daß dem Kleinbahnwesen \taatlicherseits die thun- liste Förderung zu theil wird. Meine Herren, in dieser Beziehung steht er mit der Staatsregierung vollständig auf demselben Boden. Auch die Staatsregierung ist sih bewußt, daß in der Förderung des Klein- bahnwesens die Förderung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse nicht zum geringen Theil beruht, und hat dieser ihrer Ueberzeugung bisher in aller und in jeder Hinsicht auch Rechnung getragen. Meine Herren, das Kleinbahnwesen hat seit Erlaß des Geseßes vom Juni 1892 in ganz überrashender Weise innerhalb des Staats einen Auf- {wung genommen. Allerdings sind einzelne Provinzen zurüdck- geblieben und bedauerliherweise gerade einzelne Provinzen, innerhalb deren eine Besserung der Berkehrsverhältnisse an erster Stelle nöthig wäre. Ih brauche nur darauf hinzuweisen, daß beispielsweise in Westpreußen die Provinz erft vor verhältnißmäßig kurzer Zeit fich der Kleinbahnfrage angenommen hat. JInfolgedessen is es auch für den Staat unmöglich gewesen, für die Entwickelung des Klein- bahnwesens in Westpreußen mit Unterstüßungen einzutreten, während die Nachbarprovinz, die Provinz Pommern, sofort nah Erlaß des Gesezes die Sache in die Hand genommen und dem Staate Ge- legenheit gegeben hat, fich an der Förderung des Kleinbahnwesens, welches in erfreulicher Weise durchgeführt worden ift, zu betheiligen.

Meine Herren, zur Zeit sind eine so große Anzahl von Klein- bahnprojekten in der Ausführung begriffen, in der Konzessionsinstanz und in der ersten Finanzierung, daß mit Sicherheit erwartet werden kann, innerhalb der nächsten Jahre wird überall eifrig gebaut und allmählih ein dihtmashiges Ney von Kleinbahnen über das Land

hingezogen werden.

Meine Herren, der Herr Graf Frankenberg hat die Ausdehnung der Kleinbahnen wesentlch nach dem Maßstabe bemessen, nah welchem die Staatsunterstüßungen aus dem ursprünglich bewilligten Fonds von 5 Millionen gegeben worden sind. Es ist darüber dem Landtage der Monarchie eine Mittheilung gemaht worden, auf die sich der Herr Graf von Frankenberg bezogen hat. Meine Herren, seitdem diese Nachweisung aufgestellt worden ift, ift der Fünfmillionenfonds in fortshreitendem Maße in Anspruch ge- nommen worden, und ih kann dem Herrn Grafen von Frankenberg die beruhigende Erklärung abgeben, daß ven den ersten fünf Millionen nicht mehr viel vorhanden is (Heiterkeit), sondern wir sehr rasch in die acht Millionen, die jeßt Ihrer Bewilligung unterbreitet sind, werden hinübergreifen müssen.

Aber, meine Herren, man darf auch nit allein für die Aus- dehnung des Kleinbahnwesens den Maßstab danach anlegen, wie viel staatlicherseits an Unterstüßung gewährt worden ist. Es sind das ver- hältnißmäßig nit so sehr viel Projekte. Ein großer Theil von den Kleinbahnen is überhaupt ohne jeglihe Staatsunterstüßung gebaut worden, es ist für sie auch niemals Staatsunterftützung erbeten worden, weil die Unternehmer von vornherein überzeugt waren, sie könnten die Bahn aus eigenen Mitteln finanzieren resp. unter Hinzutreten der zunächst interessierten Korporationen, und die Bahn werde in kurzer Zeit eine Rente bringen. Das is namentli da gesehen, wo die Dichtigkeit der Bevölkerung, die Lage der In- dustrie eine günstige war, also hauptsählih im Westen der Monarchie, in Sachsen, Hannover und in den übrigen besser situierten Landestheilen. Dort i|st Staatsunterstüsung nur vereinzelt verlangt worden, zum theil wäre sie au meines Erachtens nit gerehtfertigt gewesen, ebenso wenig wie es meines Erachtens gerehtfertigt gewesen wäre, wenn der Stadt Katscher eine Unter- stüßung zu der kurzen Verbindungsbahn gewährt wäre. Die Stadt Katscher is der einzige Interefsent an dieser Bahn, und es ist bei Erlaß des Kleinbahngeseßes hon von der Voraus\ezung ausgegangen, daß die zunächft interessierte: kommunalen Korporationen wenigstens so viel Interesse bezeugen müssen, daß sie ihrerseits den Grunderwerb übernehmen. Das hat nun die Stadt Katscher nicht gethan, sondern sie hat von dem Grunderwerb nur einen Theil übernommen. Alles Uebrige is aus sonstigen Mitteln geflossen. Unter diesen Umständen glaubte die Staatsregie- rung, es niht wohl verantworten zu können, ihrerseits einzuspringen. Uebrigens is die Bahn seit dem 23. April dieses Jahres eröffnet und befindet sih im Betrieb.

Der Herr Graf Frankenberg hat dann ferner Klage geführt darüber, daz auch in anderer als in der direkten finanziellen Unterstüßung die Staatsregierung das Kleinbahnwesen nit genügend in allen Fällen fördert, und hat dafür angerufen die vielfahen Beschwerden, die ihm zu Ohren gekommen seien, einmal über zu hohe Forderungen für Gelände bei dem An- {luß der Kleinbahnen an die Staatsbahn, und ferner über die Wei- gerung, die Abfertigungsgebühren mit den Kleinbahnen zu theilen, und über manche andere Dinge. Vielleicht dürfte es zweckmäßig sein, wenn ih mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus der Bestimmung, die über diesen Gegenftand meinerseits an die Direktionen erlassen worden ift, das Betreffende mittheile. Es ist das eine Ausführungs- instruktion zu dem Kleinbahngeseß, worin es heißt :

„Die Herftellung von Einrichtungen zur Ueberladung von

Gütern aus Wagen einer {malspurigen Kleinbahn auf die Eisen- bahn if thunlihft zu fördern, soweit niht die Rücksiht auf die Sicherheit und Regelmäßigkeit des Eisenbahnbetriebs entgegensteht.“

Es ist also auf den Anschlußbahnen überall thunlichst dahin ge- strebt worden, die Kleinbahnen so hineinzuführen in den Anschluß- bahnhof der StaatseisenbaHn, daß eine derartige Ueberladung mit mögli geringen Kosten und möglihft rasch sich vollzieht.

Zweitens sind die Direktionen angewiesen worden, durhgehende Frachtbriefe auf den Kleinbahnstationen ohne weiteres anzunehmen, die Nachnahme an Provision freizulassen, sie überhaupt zu behandeln wie eine andere normale Eisenbahn. Ferner is ihnen aufgegeben worden:

„Die Benußung von Eisenbahngrundftücken für Zwecke der Klein- bahnen ift bei ertragslofen Grundstücken unentgeltlich, nur gegen eine kleine Anerkennungsgebühr bei nußbringenden Flächen gegen die ortsüblihe Pacht zu gestatten.“ j

Das scheinen mir doh liberale Grundsäße zu sein, nach denen au überall verfahren worden ist. Indessen gehen die Ansprüche der Kleinbahnunternehmer in diefer Richtung hier und da etwas zu weit, und ihnen entgegenzutreten is nach meiner Auffassung Pfliht der Eisenbahnverwaltung.

Ferner: „Für die Mitbenußung von Eisenbahnanlagen durch Kleinbahnen und für die Dienstleistungen der Eisenbahnen zu Gunsten der Kleinbahnen sind in den erften fünf Jahren nah der Betriebs- eröffnung der Kleinbahnen nur die entstehenden Mehrkoften zu vergüten.“

Wenn also die Fahrkarten für die Kleinbahnen durch unfere Beamten ausgegeben werden, ohne daß wir einen neuen Mann anzu- stellen brauchen, so werden für die Kleinbahnen Kosten nicht gerechnet, und fo geht es mit dem Güterverkehr, mit dem Stationsverkehr u. f. w. Man hat hier eine Frist von zunähst fünf Jahren festgeseßt, um die Entwickelung der Dinge abwarten zu können. Ich glaube, daß au nah dieser Richtung hin seitens der Staats- Eisenbahnverwaltung thunlichstes Entgegenkommen gewahrt worden ist. Auch in den übrigen kleineren Dingen, Beförderung von Korre- spondenzen und was da Alles ist, Abgabe von Material gegen Selbsft- kostenpreis u. st. w., sind die Direktionen angewiesen, in der kulantesten Weise das Interesse der Kleinbahnen zu fördern.

Auf das zweite Kapitel, welhes Herr Graf von Frankenberg hier einer Erörterung unterzogen hat, es war das Kapitel des Wagen- mangels, glaube ih, heute niht näher eingehen zu follen. Herr Graf von Frankenberg hat bereits ausgeführt, daß feitens der Staats-Eisen- bahnverwaltung in eingehendster Weise in einer besonderen Denkschrift die Ursachen des Wagenmangels im vorigen Herbst und anfangs Winter, ferner die Mittel dargelegt worden sind, welche dagegen ergriffen worden, und endlich drittens mitgetheilt worden ist, daß seitens der Staatsregierung eine ganz außergewöhnliße Vermehrung der Betriebsmittel im vorigen Jahre dur den Etat, und zwar dur das Extraordinarium sowohl wie das Ordinarium, herbeigeführt worden ist. Es sind im Ganzen etwa 12 000 Güterwagen dur den Etat neu zur Beschaffung vorgesehen und auch bereits in Bestellung gegeben worden.

Ich möchte nur noch eins bemerken: wir sind mit der Beschaffung der Betriebsmittel \tets voraus gewesen dem Zuwahs des Güter- verkehrs, und zwar niht unbeträchtliG. Die preußishe Staats- Eisenbahnverwaltung steht in Bezug auf Ausrüstung mit Betriebs- mitteln an erster Stelle. Jch glaube niht, daß eine Bahn des Inlandes oder des Auslandes im Verhältniß zu der von ihr zu befördernden Gütermenge so reihlich ausgerüstet ist, wie die preußischen Staatseisenbahnen. Das s{hließt aber niht aus, daß und das hat Herr Graf von Frankenberg ja eingehend ausgeführt, daß in Fällen ganz außergewöhnlihen Verkehrsandrangs, insbesondere dann, wenn er plöglich auftritt, wie im vorigen Jahre, vorübergehend Wagenmangel eintreten kann. Dieser Wagenmangel hat ih nicht nur bei uns geltend gemacht, sondern auf dem ganzen Kontinent. Wir find diejenigen gewesen, die eigentlich noch mit am besten gestanden und aus deren sehr reihlihem Leder die anderen Leute noch Riemen geshnitien haben, was uns natürlich nicht sehr angenehm war, aber auch nicht verhindert werden konnte. Ich hoffe, daß derartige Zustände, wie sie im vorigen Jahre sich entwidelt haben, und die natürli s{chwere Schädi- gungen in wirthshaftliher Beziehung mit \sich bringen müssen, in absehbarer Zeit sih niht wiederholen werden. Es lag dies wesentlich daran, daß die großen Transportstraßen der Flüsse überhaupt voll- ständig versagten; wir konnten weder auf dem Rhein noch auf der Elbe und der Oder fahren, sodaß die kolofsalen Transportmengen, welche sih in normalen Zeiten auf diesen Flüssen bewegen, \ich nun plößlich auf die Schiene warfen, dem waren wir niht gewachsen. Wir haben Wochen gehabt, wo in Oberschlesien der Verkehr um 100 %% größer war, als der Verkehr in der betreffenden Woche des Vorjahres; da ist überhaupt kein Kraut mehr gewachsen, da muß man sehen, wie man durhkommt, und wir sind verhältnißmäßig noch ziemlih rasch durchgekommen. (Bravo!)

Herr von Rochow bittet um eine bestimmte Erklärung, ob der Staat endlich die seit 12 Jahren gewünschte Linie Treuenbriegen—

Jüterbog—Brandenburg bauen wolle, damit sie eventuell von privaten Unternehmern gebaut werden könne.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Es ist rihtig, daß diese Bahnverbindung von Treucnbrießen oder ursprünglich von Jüterbog, Jüterbog ist ja nun fertig und in Betrieb von Treuenbrietzen über Brandenburg und in einer weiteren Fortseßung auch nah Neustadt a. Dosse an der Hamburger Bahn geplant und dringend von den betreffenden Kreisen und Gemeinden gefordert war. Es ist auch richtig, was Herr von Rochow ausgeführt hat, daß über die Verbindung von Treuen- briegen nah Brandenburg verschiedene Meinungen zur Zeit noÿŸ bestehen. Die Linie von Treuenbrießen über Niemegk und Belzig und Brandenburg ist nicht die direkte, sondern bildet einen niht unerheblichen Umweg zwischen Treuenbriegen und Brandenburg. Die direkte Linie geht über Brück und Lehnin. Meine Herren, die Wichtigkeit diefer Linie liegt weniger in dem zu erwartenden Lokal- verkehr, den die berührten Gemeinden der Bahn zuführen werden, als in dem Umstande, daß diefe Linie einen Theil einer neuen durh- gehenden Strecke bilden würde. Die Rente dieser Linie würde - auh nicht aus dem Lokalyerkehr zu ziehen sein, aus dem durchgehenden Verkehr. Sie würde von Unternehmern nur gebaut werden können und auch nur gebaut werden, um dem Staat den Verkehr, den er jeßt auf den großen anderen Routen hat, zu entziehen, niht aber, um von dem Lokalverkehr eine Rente zu gewinnen. Ferner is die Route eine wichtige, weil sie in Zukunft

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