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Also eine Seite die Vorlage von 1893 doch gehabt; um S gweiläbrigen enbeit willen haben wir des Vorlage an- genommen. Wie kommt Herr Richter dazu, zu behaupten, da ohne ie Opfer die zweijährige Dienstzeit zu haben gewesen wäre? Wir allein haben UERnos t die Fürsorge ug die zweijährige Dienst- g gehabt; das habe niht behauptet. Ih wollte nur den orwurf zurückweifen, als ob wir leihtfertig dieses große Gut hergeben wo
[lten.
. Richter: Die anderen Parteien waren der Meinung, daß die A S E A mit der Vorlage in Ver- bindung stehe und daß nur deshalb der Reichskanzler seine entgegen- Ffommende Erklärung abgegeben habe.
Der Antrag Richter wird gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, der freisinnigen und der deutschen Volkspartei, einiger Mitglieder der Siem artei und Polen abgelehnt.
Die eigentliche Vorlage wird ohne Debatte genehmigt.
Es folgt die Berathung des Nachtrags zum Reichs-
aushalts-Etat, der eine Folge der eben angenommenen - orlage ist, aber au einige weitere None enthält. In Bezug auf Neu-Guinea sollen 180 000 # zur itung der Verwaltungskosten eingestellt werden; dagegen kommen 1 600 M für einen rihterlihen Beamten 1m
Bismarck-Archipel in Wegfall. Die Kommission beantragt Ablehnung dieser Vorschläge.
Berichterstatter Abg. Dr. Hasse macht über die Kommissions- verhandlungen ein e Mittheilungen und hebt namentli hervor: gewisse Gerüchte 4 tten dem Neichs-Schaßsekretär Veranla ung ge-
eben zu einem Schreiben an den Vorsigenden der Sg sion, Baß keinerlei MeinunganerlGtedengelten zwischen dem Neichsschaßamt und der Kolonialabtheilung vorlägen. j
Abg. Werner (Reform-P.) erklärt, daß er in jener Sitzung der Kommission Protokollführer gewesen sei und die Auffassung gehabt habe, als ob der Staatssekretär Graf A fih für die damals vorgeshlagene Resolution ausgesprohen und fich damit in Gegensatz zu dem Direktor der Kolonialabtheilung Kayser gestellt habe. Redner fügt hinzu, daß er niht in der Lage sei, an seinem Pro- tokoll etwas zu ändern, und spricht \{ließlich seine Freude darüber aus, daß der Vertrag einstimmig abgelehnt fet, weil er die Rechte des Deutschen Reiches erheblich beeinträchtigt hätte.
Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:
Meine Herren! Ih glaube, es is auch in dem hohen Hause die Ueberzeugung verbreitet, daß die Protokolle der Budgetkommission nicht immer ein vollkommen zutreffendes und klares Bild von den Debatten daselbst geben. Diese Debatten sind viel zu umfang- reich und zum theil viel zu {hwierig, als daß die Herren Schrift- führer in der Lage wären, dieselben vollkommen treu wiederzugeben. Fch habe zuerst auf Anregung des Auswärtigen Amts von dem Artikel Kenntniß genommen, der in der Nummer der „Staatsbürger- Zeitung“ vom 10. Juni über die Vorgänge in der Budgetkommission bei Verhandlung des Neu-Guinea-Vertrages abgedrucktt ist. Ich muß sagen, daß ih über diesen Artikel sehr überrascht gewesen bin, in welchem es heißt:
„Graf Posadowsky erklärte nämli, daß der vom Mtinisterial- Direktor Dr. Kayser mit der Neu - Guinea - Kompagnie ab- geshlossene Vertrag die Interessen des Deutschen Reichs nicht genügend wahre, und er einer dahin gehenden NRefolution seine Zu- stimmung geben müsse.“
Das ift doch zunächst völlig klar, daß ih nicht eine Erklärung abgeben konnte, die über einen Vertrag, der die Unterschrift meines Vorgesetzten, des Herrn Reichskanzlers, trägt, eine Kritik übt, dahin gehend, „dieser Vertrag wahre niht genügend die Interessen des Deutschen Reichs“.
Meine Herren, wie lag die Sahe? Nach dem Inhalt der Ver- handlungen war es ganz unzweifelhaft, daß dieser Vertrag, nachdem ämmtliche Führer der Parteien ihre Erklärung in der Budgetkommission abgegeben hatten, die Genehmigung der Kommission nicht finden würde. Inzwischen ging der Antrag von Podbielski ein, der zwei Absätze hatte: als ersten Absay, diesen Vertrag niht zu genehmigen, weil er den Interessen des Deutschen Reichs niht entsprähe; und als zweiten Absay, den Reichskanzler aufzufordern, mit der Vorlegung des nächstjährigen ordentlihen Etats auch einen anderen Vertrag über Neu-Guinea vorzulegen, der den Aeußerungen und Wünschen der Budgetkommission entsprähe. Erst dann habe ih überhaupt das Wort genommen, und ih könnte noch heute wörtlich wieder- holen, was ich damals gesagt habe. Ih habe ausgeführt: nach den Erklärungen der Mitglieder der Budgetkommission schiene es unzweifelhaft, daß der vorliegende Vertrag nicht die Genehmigung der Kommission und damit wahrscheinlich auch nit die des hohen Hauses finden würde; wolle man aber einen neuen Vertrag, so wäre es meines Erachtens ein taktisher Fehler, den Neichs- kanzler aufzufordern, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen solchen neuen Vertrag mit der Neu-Guinea-Kompagnie vorzulegen, denn dadurch würde nur der Kontrahent, der bei dem Vertrage angeblich zu gut fortgekommen wäre, gestärkt und die taktische Position des anderen Kontrahenten, des Reichs, entsprehend geschwäcdht; daraufhin habe ich gebeten, den zweiten Absay des Antrags Podbielski zu streichen. (Sehr wahr! links.) Der Herr Schriftführer hat daraus im Protokoll der Kommission irrthümlich deduziert, daß ih den ersten Absatz befürwortet hätte, der dahin geht, die Interessen des Deutschen Reichs würden durch den Vertrag niht genügend gewahrt, und der Vertrag müsse deshalb abgelehnt werden. Die „Staatsbürger-Zeitung“ brate, wie oben angeführt, in ihrem Artikel vom 10. Juni, offenbar auf falsche Gerüchte hin, sogar die Behauptung, i hätte erklärt, durh den Vertrag würden die Interessen des Deutschen Reichs niht genügend gewahrt. Meine Herren, hier liegt ein Irrthum des Herrn Schriftführers vor, gegen den ih mit aller Entschiedenheit Einspruch erhebe, namentlich Einspruch erhebe mit Rücksiht auf die Benugzung, die diese Darstellung in der Presse gefunden hat. Ich glaube, ih kann für mih einen Zeugen anführen, den Sie in dem Falle als klafsisch anerkennen müssen. Die „Freisinnige Zeitung“ hat in einem Artikel vom 12. Juni über die „Neu- Guinea-Frage“ — und ih glaube, der Herr Abg. Richter, der Mitglied der Budgetkommission ist, wird wohl diesem Artikel nit fern stehen — eine Darstellung der Vorgänge in der Budgetkommission gegeben. Sn diesem Artikel heißt es:
„Schahsekretär Graf Posadowsky legte in den Verhandlungen entshiedenes Gewicht darauf, daß niht etwa dur eine Resolution der Regierung die Verpflihtung auferlegt werde, unter allen Um- ¿fländen einen neuen Vertrag mit der Neu - Guinea - Kompagnie ab- zuschließen.“
“Meine Herren, das ist die richtige Darstellung des Vorgangs in der Budgetkommission. Ih habe mit Rücksiht auf die Darstellung des ganzen Sachverhalts in einzelnen Preßorganen, die ih als falsch und
tendenziòós zurehtgestußt bezeihnen muß, mich gezwungen gesehen, Verwahrung gegen das Protokoll, das ih ‘vor dem Druck nicht gesehen hatte, bei dem Herrn Vorsißenden der Budgetkommission ein- zulegen.
Abg. Müller -Fulba (Zentr.) bestätigt, daß der Vorgang fo gewesen, wie der Sie r 0M e at De aa f
bg. von Podbielski (d. kons.) bestätigt ebenfalls die Richtig- keit der Bebauptung des Staatssekretärs Grafen Posadowsky.
Abg. Werner bestreitet, daß er eine tendenziöse Absicht gehabt habe. (Vizepräsident Shmidt: Der Staatssekretair hat nur von der Presse gesprochen.)
Staatssekretär des Reichs - Shayamtis Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:
Ich erkläre zunächst, daß es mir völlig fern gelegen hat, zu be- haupten oder nur zu denken, daß der Herr Abg. Werner in irgend einer Verbindung stehe mit der tendenziósen Darstellung des Vor- gangs in der Budgetkommission, wie er ih in der Presse gefunden hat. Ich glaube, der Herr Abg. Werner wird von dieser Erklärung nunmehr vollkommen befriedigt sein. Er macht aber jeßt wieder den falschen Schluß, den er im Protokoll gemacht hat, indem er sagt: weil ich nur den zweiten Theil der Resolution des Herrn Abg. von Podbielski bekämpft habe, müßte ih wohl für den ersten Theil eingetreten sein, denn diesen ersten Theil hätte ih n icht bekämpft. Meine Herren, den ersten Theil zu bekämpfen, war nicht meine Sache, nachdem der Herr Direkior der Kolonialverwaltung ausführlich den Vertrag vertheidigt hatte; das war seine Sache. Aber den zweiten Theil zu bekämpfen, das war allerdings auch meine Sache, weil der zweite Theil gerade die Wirkungen berührt, die der be- treffende Vertrag für die Finanzen des Reichs haben follte, und darum hielt ich mi für verpflihtet, auf den taktishen Gesichtspunkt einzugehen, diesen zweiten Theil der Resolution des Herrn Abg. von Podbielski zu \treihen. Ich gestehe allerdings: meine gute Ab- siht ist leider vollkommen verloren gegangen; denn dadur, daß diese Absicht der Streichung in die Presse gekommen, ist der ganze Zweck meines Vorschlags verfehlt, denn jeßt weiß der andere Kon- trahent ganz genau, wie die Sache liegt. Ich hatte geglaubt, daß mein Motiv durch die Kommissionsberathung hindurchfließen würde, ohne Gegenstand der öffentlihen Erörterung zu werden.
Abg. Bebel: Um die Neu-Guinea-Gesellshaft habe ih mih nicht gefimmers, weil das Reich für se kein Geld aufzuwenden brauchte.
er Vertrag mit der Neu-Guinea-Gesellshaft ist bereits in erster Lesung verurtheilt worden, und die einstimmige Ablehnung seitens der Kommission is die stärkste Verurtheilung, Man muß fragen, wie die Reihs-Regierung zum Abschluß eines solhen Vertrages kommen fonnte. Die Kapitalistenkreise üben allerdings einen großen Einfluß auf die Gesezgebung aus; aber diefer Vertrag sieht so aus, als wenn die Gesellshaft jede Bedingung ohne Widerspruch vorschreiben könnte
und das Reih sich fügen müsse. Bezüglich des Abg. Hammacher habe ih nach einer persönlihen Unterhaltung mit ihm zu erklären,
daß er persönlih große Opfer gebracht hat zur Förderung der Kolonial-_
politik, daß er auch an diesem Vertrage kein direktes Interesse hat. Im Interesse der Ehre der Reichsbeamten wünsche ih, daß der E niemals mehr in die Lage kommen möge, solhe Verträge zu berathen. Direktor der Kolonial - Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Ebenso wie in der Kommission muß ih hier im lenum die leßtea Worte des Herrn Abg. Bebel mit aller Ent- hiedenheit zurückweisen. Die Reichsbeamten werden ihre Ehre f\tets selber zu vertheidigen wissen. Wenn i in dieser Stunde nit mehr ver- suche, für den Vertrag irgend ein Wort zu sprechen, fo (eiae das mit Rücksicht auf das bobe Haus, welches den Vertrag in der erften Lesung bereits niht hat acceptieren wollen und in der Budget- fommision verworfen hat. Ich glaube, es würde geradezu eine Pro- vokation sein, wenn ich jet noch bei dieser mir bekannten Stimmung für den Vertrag eintreten wollte. Ih kann nur noch wiederholen, daß in diesem Vertrag die Rechte, die der Regierung duxch ihr volles Besteuerungëreht, durch ihre Abgabenhoheit, . durh die Möglichkeit, von dem Bergwerks- betrieb sowie von allen Verkäufen und On der Kompagnie eine möglichst hohe Quote für sich in Anspruch zu nehmen, zustehen, viel mehr gewahrt find, als die Herren, die dem Vertrag entgegen par annehmen. Ih will auch nit auf den Irrthum hinweisen, der n der Kommission und auch heute noch in Bezug auf Art. 9 des Vertrages zu Tage getreten is. Es is ein vollkommenes Miß- verständniß und eine Verkennung der Verhältnisse, wenn behauptet wird, daß dur den Vertrag der Neu-Guinea-Kompagnie ein besonderes Hoheitsreht in Bezug auf die Arbeiteranwerbung gegeben ist, und wenn man sich insbesondere so weit verstiegen hat, in Bezug auf diesen Artikel von den „Sklaven des Herrn von Dante zu reden. Meine or die Anwerbung der Arbeiter im Schutgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie is sehr {hwierig, mühevoll und kostspielig; sie darf nicht von jedem Be- liebigen in die Hände genommen werden. Die Kompagnie war erst nach einer Reihe: von Jahren in der Lage, allmählich Arbeiter heran- Wir haben das Vertrauen zur Kompagnie, daß sie auch
zuziehen. ch dieser Pflicht besser unterziehen wird als beliebige dritte
später
Ansiedler, von denen wir noch niht einmal wissen, wer p sein
werden. Dann fagte man, die Kompagnie s{haffe sih ein besonderes Monopol : wem fie keine Arbeiter abtreten wolle, der könne auch nicht ins Land gehen. Wenn man davon ausginge, daß die Kompagnie sich mit dem Midasreichthum begnügen will, das Land zu erwerben, hätte man ein Recht, das anzunehmen; aber es liegt im Interesse der Kompagnie, das Land möglichst zu verwerthen ; da wird sie au denen entgegenkommen uf nen, die Arbeiter brauchen. Fch habe aber keine Neigung, auf den Inhalt des Vertrags noch- mals einzugehen angesihts der ablehnenden E des Hauses. Nur noch ein Wort zu Gunsten der Mitglieder der Direktion, die Herr Bebel ausdrücklich ausnahm, alfo als diejenigen hinstellte, deren
atriotismus anzuzweifeln er sich au heute noch in der Lage glaubt.
ie erste Aufforderung, das Ug von Neu-Guinea für das Reich zu erwerben, ging niht von einem Mitglied der Direktion aus, sondern vom damaligen Herrn Reichskanzler; Herr von Hansemann glaubte, zunächst dies Anerbieten ablehnen zu müssen, weil er sich nicht in der Lage fühlte, eine so {were Verantwortlichkeit zu über- nehmen; ers auf wiederholtes Drängen der Regierung erklärte er ih zu diesem Schritt bereit, der ihm bis heute eigentlich nur Opfer brahte. Man mag ja über den Vertrag denken, was man will, mag ein sehr hartes Urtheil darüber haben und glauben, er sei mehr zu Gunsten der Kompagnie als des Reichs abgeschlossen — aber man follte nicht den Patriotismus und die anständige Ge- finnung von Männern anzweifeln, die dem Reich in seinem Bestreben, eine werthvolle Kolonie zu erwerben und zu erhalten, zu Hilfe ge- kommen find.
Abg. Graf von Arnim: Die Thätigkeit der esen lass, welche Jahre jang Opfer an Zeit, Geld und Arbeit aufgewendet hat, verdient denno Anerkennung; denn ihr verdanken wir es, daß wir noch in Neu - Guinea sigen, sonst würde es längst in die Hände der Engländer und Holländer übergegangen sein. Das hindert uns aber nit, den Vertrag abzulehnen, wenn an aus anderen Gründen als der Abg. Bebel. Neu - Guinea ist etwas werth. Es find Gold- funde gemaht worden , so daß es q einem zweiten Transvaal werden kann. hoffe von dem Patriotismus {der Gesellschaft, p e bessere Bedingungen gewähren und daß sie niht an fremde esell- schaften die Ausbeutung ihrer Länder abtreten werde.
Abg. Bebel: Die Weitsichtigen in der Kolonialpolitik haben Unrecht erhalten , während die Kurzsichtigen h als ihnen lieb ist, Recht behalten haben. Das beweisl die stetige Steigerung
x der Aufwendungen für die Kolonien, deren möglihst {ne gabe für das Rei das beste wäre, auch S n “ Y ; gemachten Aufwendungen verzichten müßten. Wenn in Neu-Guinea etwas zu holen wäre, hätten die Engländer oder Holländer nch dez Landes Bar längst bemächtigt. Goldfunde sind au von Oft-Afrika und Südwest-Afrika behauptet worden, aber sie SOA ch nit als lohnend. Die Herren von der hohen Finanz haben Opfer genug ge, bracht und wollen das weitere dem Reiche überlassen. Das nehme \à aas L übel; aber wir haben keine Ursache, auf solhe Vorschläge nzugehen.
Nach Schluß der Debatte bittet
Abg. Dr. Hammacher (nl.) den A tia zum s\teno- vávüisden Bericht festzustellen, das er sih bezügli dieser ganzen Sage der Betheiligung an den Verhandlungen und Abstimmungen enthalte, da er es für Pflicht jedes AOE erachte, si nit zu betheiligen bei der Abstimmung über solhe Dinge, die ihn h angehen. Die Erklärung des Herrn Bebel ihm gegenüber ei durhaus loyal gewesen; «x wolle nur hinzufügen, daß er von dem ganzen Vertrage erst Kenntniß erhalten habe, als derselbe dem Reichstage vorgelegt worden sei.
Die M Neu-Guinea bezüglichen Titel werden darauf einstimmig abgelehnt. Jm übrigen werden die für den Etat des Auswärtigen Amts nachgeforderten Ausgaben genehmigt,
Um 6 Uhr wird die weitere Berathung bis Dienstag 1 Uhr vertagt. Auf der Tagesordnung stehen außerdem Rechnungsvorlagen und die dritte Berathung der Militärs vorlage.
Prenstischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
80. Sißung vom 15. Juni 1896.
hes den ersten Theil der Sißung is gestern berichtet worden.
Das Haus geht zur ersten Berathung des Geseh- entwurfs, betreffend die Erweiterung des Stadtkreises Breslau, über. Danach sollen die Landgemeinden Kleinburg und Pôpelwiy sowie der Gutsbezirk Pöpelwig mit der Stadi: gemeinde und dem Stadtkreise Breslau vereinigt werden.
Abg. Graf Harrach (konf.) ift mit der Eingemeindung von Pôöpelwiy einverstanden, erklärt \ich aber entschieden gegen die Eiy- emeindung von Kleinburg und beantragt die Mberweisune der Vor- age an die Gemeindekommission.
Minister des Jnnern Freiherr von der Ree:
Meine Herren! Es liegt mir gänzlich fern, mich in Ihre häus lichen Angelegenheiten — und dazu rechne ih in erster Linie die Ge- \häftsordnungsfragen — meinerseits zu mischen. Wenn also das hohe Haus der Meinung sein sollte, diese Vorlage nicht ohne eine eingehende Prüfung in der Kommission verabschieden zu können, so fann ih nur ganz ergebenst anheimstellen, in diesem Sinne einen Beschluß zu fassen. Jch und meine Kommissare werden uns bemühen, jede irgend wie wünshenswerthe Auskunft in dieser Beziehung zu geben, und ih glaube, daß es uns nicht sehr {wer fallen wird, die Bedenken, die etwa gegen die Vorlage noch obwalten sollten, zu zerstreuen. Jedenfalls haben wir eine eingehende Prüfung der Vorlage niht zu scheuen.
Fh möchte aber für alle Fälle {on - jeßt einige Worte an dit Ausführungen des Herrn Vorredners knüpfen, indem ich mir weiter Bemerkungen für den Fall vorbehalte, daß die Gefeßesvorlage erst ar die Kommission verwiesen werden sollte. Meine Herren, der Geseß! entwurf bezweckt, zwei Landgemeinden und einen Gutsbezirk mit der Stadt Breslau zu vereinigen, weil wir auf Grund lang jähriger Verhandlungen zu der Meinung gekommen sind, daß die Unzuträglichkeiten, welhe \sich dort entwidelt Haben, und die darin bestehen, daß diese Gemeinden einen ganz städtishen Charakter angenommen haben und ‘in die engsten Beziehungen zu der Stadt Breslau getreten sind, in anderer Weise als durch Einverleibung nicht wohl gehoben werden können. Ich nehme nun keinen Anstand, hier vorweg zu erklären, daß auch nah meiner Auffassung derartige Vorlagen mit großer Vorsicht zu prüfen sind, und zwar namentli§ von dem Gesichtspunkt aus, daß es angesihts der Massierung der Bevölkerung in den Städten und der rapiden Zunahme der Stadt- kreise nicht wohlgethan is, ohne dringende Veranlassung Land gemeinden zu zershlagen und Landkreise zu {hwähen. Wenn ih mih gleihwohl zu dieser Vorlage entshlossen habe, fo glaube ich, dürfen Sie, meine Herren, angesihts der von mir geäußerten Grundsäße wohl mit ziemlicher Zuversicht annehmen, daß hier erhebliche By denken in der That nicht vorliegen.
JIch will mi auf Einzelheiten zunächst nicht einlafsen ; ih möhtt nur in allererster Linie hérvorheben, daß hier eine vollständige Einigung sämmtlicher Faktoren vorliegt, mit einer Ausnahme, nämlich de Kreises, auf den ih nahher komme. Also sowohl die Gemeinde vertretung «von Kleinburg und Pôpelwiy als auch der Gutsbesißer von Pöpelwiy- und natürlich au die Stadt Breslau haben sih mit dieser Einverleibung einverstanden erklärt, und wen" hier und da wohl ‘geäußert worden is — ih entsinne mi einiger dahin gehender Preßstimmen —, daß die Gemeinde Kleinberg hierbei nur einem sanften Zwange gefolgt sei, fo fann ich dem nit beitreten. Ih habe von der intelligenten Bevölkerung der Land- gemeinde Kleinburg einen zu hohen Begriff, als daß ih annehmen fönnte, fie würde überhaupt einem Zwange weichen; ih nehme viel mehr an, daß sie sih eines Besseren besonnen und aus Ueberzeugund von der Nüglichkeit der Maßregel zugestimmt hat.
Es läßt sich auch gewiß niht in Abrede stellen, daß eine ganit Reihe öffentliher Interessen dafür ins Feld geführt werden fönnett Fn der Begründung der Vorlage is \{chon darauf hingewiesen, dah es namentli erwünscht sei, die Baupolzei in geschulte Hände zl bringen; nicht minder liegt es im öffentlichen Interesse, auch di Sicherheitspolizei in staatliche Hände zu nehmen. |
Meine Herren, wenn ih vorhin gesagt habe, es wäre nur ein Faktor, der nicht zugestimmt hätte, so bezog sich dies auf den Land- kreis Breslau, dem ein solher Widerspruh auch nicht yerübelt werden darf; denn er verliert, wie ih zugestehen muß, einen recht beträt lihen Theil seiner Steuerkraft, den ih ungefähr auf # berent- Aber dieser Verlust is do nicht so erheblih, daß er meines E ahtens als durchschlagend anerkannt werden könnte in Anbetracht de! von mir vorgetragenen Verhältnisse und namentlich der v L ständigen Einigkeit der übrigen Faktoren, Der Landkreis hat auh df, Möglichkeit, wie bereits in den Motiven angedeutet ist, seine Wün hinsichtlich einer Entschädigung in dem geseylih geordneten Verfa m zur Durchführung zu bringen. Denn es versteht sih von felbfl, ° er durch die Annahme dieser Vorlage in seinem Recht, den in §8 v Kreisordnung bezeichneten Weg zu beschreiten, nit beeinträchtigt wer
\ \
fanu. Er wird also das dort vorgesehene shiedörihterlihe Verfahren vor den Bezirksaus\chuß einshlagen können, und wenn au nach den bisher gefällten Erkenntnissen des Ober-Verwaltungsgerihts der Verluft der Steuerkraft ihm keinen Anspruch auf Entschädigung giebt, so wird er doh voraussihtlih eine Reihe anderer Forderungen gelten machen fönnen, namentlich, wie ich annehme, auch die Forderung der Ueber- gahme eines Theils der Kreiss{ulden.
Meine Herren, indem ich mi vor der Hand auf diese wenigen Bemerkungen beschränke, empfehle ih den Geseßentwurf Ihrer wohl- vollenden Prüfung, sei es im Plenum, sei es in der Kommission.
Aba. Schmieder (fr. Volksp.) fpriht fich für die Annahme der Vorlage ohne Komm \sionsberathung aus.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum (fkons.) wünsht die größte Borsicht bezüglich der Eingemeindung von Landgemeinden in große Städte. Wenn es ih um die Eingemeindung armer Arbeitergemeinden
andle, wollten die Herren (links) nichts davon wiffsen. Prüfung der Vorlage in der Kommission sei nothwendig.
Abg. Gothein (fr. Vgg.) ist für die Vorlage und erwidert dem
daß Pôpelwiy eine arme, wenig s\teuerkräftige Ge-
Eine genaue
Norredner , meinde sei. 6 Nachdem noch Abg. Wetekamp (fr. Volksp.) für die s gesprochen hat, wird dieselbe an die Gemeinbetemnif sion verwiesen. Es folgt die Berathung des von den Konservativen und reikonservativen unterstüßten Antrags des Abg. Dr. Tr endt (fr. kons.): die Eg M ersuchen, im Bundes- rath dahin wirken f wollen, daß die von demselben unter dem 4 März d. J. erlassenen Bestimmungen, betreffend den Be- trieb von Bädckereien und Konditoreien, nicht in Wirksamkeit treten.
Abg. Qeuts (kon\.) führt aus, daß die Arbeitszeit in Bälkereien hon die erforderlichen Pausen enthalte und daher die Gesundheit der Gesellen nicht (Plmba Wenn man die Arbeitszeit, die sie die ganze Woche zusammen zu leisten haben, betrahte, könne man von einer Ueberanstrengung niht sprehen. Er bitte namens seiner Freunde um die Annahme des Antrags.
Abg. Letocha (Zentr.) hält die Verordnung des Bundesraths für begründet, die daran von anderer Seite geknüpften Befürchtungen dagegen für gegenstandslos. Die Statistik der Arbeitsverhältnisse in den Bäckereien habe gezeigt, daß die kleinen Bälereien nicht eine Aufsaugung dur die Großbetriebe zu befürhten hätten. Die Bäer heshwerten ih über die Härte der polizeilihen Kontrole, diese bestehe aber nur darin, daß sie im Kalender die Tage anstreihen müßten, wo \leberstunden gemacht seien. Nach der Statistik sei die Krankheits- dauer der im Bâäckereibetriebe beschäftigten Arbeiter zwar nit länger als in anderen Gewerben, aber die Krankheiten seien {were, und die Nachtarbeit sei in den Bäckereien noh uneingeshränkt, selbst für ugendlihe Arbeiter. Die Bäckermeister hätten die Tragweite der
erordnung des Bundesraths übershäßt, wenn sie von der Be- willigung fozialdemokratisher Forderungen sprächen, Daß die ver- mögenden Bäermeister Sozialdemokraten würden, brauche man nicht zu befürhten. Die ehrheit in der Kommission für Arbeiterstatistik, welche diese Verordnung empfohlen habe, sei niht sozialdemokratisch.
Er beantrage die Ueberweisung des Antrags an eine Kommission von E Mlbo, Frei Zedl d Neukirch
g. Freiherr yon Zedliß un eukirch (fr. kons.): Dieser dilatorisde Antrag auf U ivi hat ian des da mins, der uns noch für unsere Verhandlungen geseßt ist, doch nur
einen humoristishen Charakter. Wenn auch a Mißstände im Bäereibetriebe bestehen, so ist doch der Weg zur Abhilfe, den der Bundesrath einschlägt, niht zu empfehlen. Nach der Statistik ist die Behauptung, da die Arbeitszeit der Bäcker gesundheitsgefährdend sei, niht haltbar. Im Gegentheil sind die Gesundheitsverhältnisse bei den Bâäckern besser, als bei anderen Gewerben. Ueber die Aus- führung der Veroxdnung gehe der Rehtsweg nicht bis zum Reichs- geriht, sondern nur bis zu den Ober-Landesgerichten, es könnten daher ganz vershiedene Urtheile in dieser Beziehung ergehen. Statt einer Verordnung des Bundesraths hätte sich empfohlen, die Sache im Wege des Gefeßes zu regeln. Man soll sich hier im Wege der Verordnung mit ilfe eines hygienischen Arbeitstags einen Maximalarbeitstag aufhalsen lassen. Und die Bedeutung der Sache eht daher weit über die Bäckereien hinaus, s{ließlich sind alle
ewerbe, auch die Landwirthschaft, nicht mehr vor der Einführung des Maximalarbeitstags sier. Daher hat die Einrichtung der
Kommission für Arbeiterstatistik eine sehr bedenklihe Seite, und man follte erwägen, ob man deren an sich guten Zweck nicht in anderer fori verwirklichen kann. Die Verhältnisse im ganzen Reih lassen \sich nit über einen Leisten s{hlagen. In gewissen Fällen können die Bäcker mit einer zwölfstündigen Arbeitszeit nt auskommen, oder sie verlieren ihre Kundschaft. Die sojale Gesetzgebung von 1891 hat vielfahen Widerspruch im Publikum gesunden, und zwar hauptsächlich dur die Art der Aus- führung der geseßlihen Bestimmungen. Die kleineren Bäkerei- betriebe können den Ausfall an Arbeitszeit nicht durch Einstellun einer neuen Arbeitskraft wett machen, sie werden also einen Thei ihrer Kundschaft verlieren müssen, und dieser fällt den Großbetrieben zu. Wix schädigen also mit dieser Verordnung die kleinen hand- werksmäßigen Betriebe zu Gunsten der fabrikmäßigen Großbetriebe. Vas gute Verhältniß zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern in der Bäckerxei wird durch die polizeilihen Kontrolmaßregeln gestört, es wird ein Gegensaß zwishen beiden hervorgerufen, der bisher nit be- stand, Schließlih is der jeßige Zeitpunkt für diese Verordnung niht geeignet, es müßte wenigstens noch einige Zeit damit gewartet werden, Und dann müßte die ganze Sache durch die Innungen selbst geregelt werden. Wir wollen die Uebelstände im Bäckereigewerbe aller- dings verbessern, aber nicht im Wege dieser Verordnung, welche der Bundesrath zurückziehen follte, um das Gewerbe niht zu s{ädigen.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\cch:
Meine Herren! Die vom Bundesrath unter dem 4. März d. J. erlassene Bestimmung, betreffend das Bätkereigewerbe, ist, wie den Herren Antragstellern bekannt is, auf Antrag der preußischen Regierung erlassen worden; Sie werden deshalb kaum erwarten können, daß die preußische Regierung gewillt ist, dahin zu wirken, daß eine Anordnung, die auf ihren Antrag erging, niht in Wirk- samkeit tritt. Die Königlihe Staatsregierung wird daher ganz ¡weifellos, falls dieser Antrag im Hause Annahme finden sollte, ihm niht stattgeben. (Sehr gut! im Zentrum. Hört! hört! rechts.)
Meine Herren, der Begründer des Antrags, der Herr Abg. von Zedliy, hat ifl seiner durchaus sachlichen Deduktion das ganze Material, das in dieser Frage zur Beurtheilung vorliegt, erörtert; er ist nicht in der Lage gewesen, etwas hinzuzufügen, was niht {hon im Reichstage zum Ausdruck gekommen wäre, und so werde au ih nicht in der Lage sein, einen neuen Gesichtspunkt, der seitens der Vertreter der Verordnung nit hon vorgebraht worden wäre, anzugeben. Er hat si meines Erachtens auf einen völlig korrekten Standpunkt ge- stellt, wenn er zum Ausgang seiner Deduktionen die Frage gemacht hat: liegen hier die Vorausseßungen des § 120 6 der Reichs-Gewerbe- ordnung vor oder nit? Er is der Meinung, daß diese nit vor- liegen; er sagt: der Paragraph verlangt, daß erstens eine übermäßig lange Arbeitszeit in dem betreffenden Gewerbe vorhanden ist, und daß Iweitens damit eine Schädigung der Gesundheitder Arbeiter verbunden set. Er führt aus: aus dem ganzen ftatistischen Material der Kommission ür Arbeiterstatistik ergiebt ih nit ein Moment, das den Beweis
‘erbrähte für die Behauptung, daß die zweifellos — wie er selbft Tagte — übermäßig lange Arbeitszeit im Bäckergewerbe gesundheits- gefährlich sei. Er bemerkte, daß Herr Minister von Boetticher im ‘Reichstage gegenüber diesem Resultat der s\tatistishen Arbeiten eine einzige Thatsache vorgebraht habe, daß nämlich in einem Kranken- hause mehr kranke Bäckerlehrlinge gewesen seien als Lehrlinge anderer Professionen. Der Herr Abg. von Zedliß irrt sich in dieser Be- ziehung. Der Herr Staatssekretär des Innern hat einen meines Er- ahtens sehr wesentlihen und s{chlagenden Gesichtspunkt hervorgehoben,
1 daß näâmlich im Bäckergewerbe 839/69 sämmtlicher Arbeiter unter } dreißig Jahre alt sind, ein Moment, welches ins Gewicht fällt.
Wenn beim Bäckergewerbe die Zahl der Erkrankungen ih gerade fo stellt wie in anderen Gewerben oder nur wenig ungünstiger, so steigt die;Bedeutung dieser Zahl, wenn man berücksichtigt, daß 83 9/69 sämmt- licher im Bäereigewerbe beshäftigten Personen unter dreißig Jahre alt sind; wenn man erwägt, daß die Arbeit der Bäder Nacht für Nacht, Tag für Tag ohne jede Unterbrehung in über- heizten, ungesunden Räumen stattfindet, so spricht die Vermuthung an und für sich schon dafür, daß hier eine Schädigung der Geswivheit die nothwendige Folge sein muß, und wenn das von mir erwähnte Zahlenmoment noch hinzukommt, so ist der Beweis geführt, daß eine Schädigung der Gesundheit dur übermäßig lange Arbeitszeit vorliegt, und infolge dessen trifft die Voraussezung des Geseßes zu, und das Net des Bundesraths zum Erlaß der Verordnung kann nicht in Frage gezogen werden.
Meine Herren, der Herr Abg. von Zedliy is der Meinung ge- wesen, daß, weil hier die Voraussezung der Gesundheitss{ädigung nit vorliegt, der Glaube entstanden sei, daß es \sich um die Ein- führung des allgemeinen Marimalarbeitstags handle. Er sagt: aus diesem Grunde ist die große allgemeine Bewegung entstanden, die sich gegen diese Verordnung richtet. Meine Herren, dann frage ih: wie lommt es denn, daß diese Bewegung nicht hon früher entstand ? Diese Bewegung, das Hereinziehen des Maximalarbeitstags mit seinen bedenklichen Konsequenzen, ist eine Erscheinung der neuesten Zeit. Bis dahin war weder in der Presse, noch sonstwo daran gedacht, dieses Argu- ment heranzuziehen. Jch kann Herrn von Zedliß einen Artikel aus der „Post“ vorlegen, wo gesagt ist: hier fragt es sid} ob es richtig ist, daß die Voraussetzung des § 1208 zutrifft, und wenn man das bejahen muß, worüber die „Post“ damals noch kein Urtheil abgab, dann läßt sich gegen diese Verordnung des Bundesraths garnichts sagen. Auf demselben Boden stand und fteht heute noch ein Organ der nationalliberalen Partei — von der „Kreuz-Zeitung“ habe ich früher {hon gesprochen —, sodaß ersihtlih ist, daß die angebli tief- gehende Beunruhigung jedenfalls niht zu der Zeit entstanden ift, wo man mit dem Vorschlage des hier in Frage stehenden fanitären Maximalarbeitstags hervorgetreten ist. (Oho! rets.) Diese Opposition hat ih erst mit dem Augenblick gezeigt, wo die Bäker- meister lebhaft in die Agitation eingetreten sind und den politischen Parteien gedroht haben, ihnen ihre Kundschaft zu entziehen, wenn sie nicht dafür sorgen, daß diese sie belästigende Verordnung aus der Welt geschaft werde. (Oho! rets.)
Wenn man sich den Gang der Ereignifse-vergegenwärtigt, so kann man nit zweifelhaft sein, daß die Sache so liegt; denn wenn es {ih um so wichtige Fragen handelte, wie die Einführung des Maximal- arbeittags, so hätten doch die politishen Parteien shon früher diese chweren Bedenken gefunden und die Regierungen zu einem Zeitpunkt auf sie auf- merksam gemacht, wo die Zurücknahme dieser Anordnung oder eine Aenderung der noch nit erlassenen Anordnung denkbar war.
Es handelt sich in diesem Fall meiner Meinung nah gerade fo, wie Herr von Kardorff neulih in dankenswerther Offenheit gelegentlih der Diskussion über die Handlungsgehilfen ausgesprohen hat, nicht um einzelne Fragen, sondern um eine Kritik der sozialpolitischen Geseßgebung überhaupt. (Sehr rihtig! im Zentrum.)
Nun, meine Herren, es sind, wie gesagt, die Einzelheiten der Ver- ordnung so eingehend besprohen worden, daß ih nicht in der Lage bin, noch viel hinzuzufügen. Einen Gesichtspunkt aber, der heute noch niht berührt, aber in der Presse vielfah, auch im Reichstag als ein Moment gegen den Erlaß zur Sprache gebracht worden is, möchte ih mit einigen Worten erörtern.
Man hat davon gesprochen, daß § 1206 nur gedacht sei gegen den Großbetrieb, daß man an handwerksmäßigen Betrieb, insbesondere an die Bâckerei garnicht gedacht habe. Das ist vollständig unzutreffend. Aus den stenographischen Berichten — sie liegen mir hier zur Seite — erhellt, daß bei der Verhandlung über das Arbeitershuy-Geseyß von 1891 aus- drücklih von dem Vertreter der Regieruag auf den Einwurf der Sozialdemokraten, man wolle dem Bäckergewerbe nicht den genügenden Schuß zu theil werden lassen, geantwortet wurde, daß der § 1208 derjenige sein würde, mit dem man insbesondere den Mißständen, die beim Bäckereigewerbe hervorgetreten seten, entgegentreten könne. Nebenbei bemerke ih, daß im stenographischen Bericht an dieser Stelle „Bravo! rechts" verzeichnet is. (Heiterkeit.)
Auch bei einer anderen Gelegenheit ist von dem Vertreter der Regierung, als von einem anderen Redner die Bäerverhältnisse er- wähnt wurden , ausdrücklih darauf hingewiesen worden, daß die Uebelstände, die sh bei den Bôckerbetriebe herausgestellt haben, bekannt seien, daß die Regierung nicht anstehen würde, auf Grund des § 120 6 ihnen entgegenzutreten.
Nun, meine Herren, hat Herr von Zedliß den zweiten Theil seiner Auseinandersezungen, nämlich daß die Art der Bestimmung niht zweckmäßig sei, damit begründet, daß ihm Fälle bekannt seien, daß Bäder, die für etne zahlreiche Landkundscaft zu arbeiten genöthigt seien, künftighin in der Zwangsjacke dieser Bestimmung innerhalb 134 Stunden täglich niht in der Lage seien, ihre Kundschaft zu befriedigen. Die Verhältnisse au dieser Bäcker haben eine eingehende Erörterung in der Kommission gefunden, und bei den Vernehmungen der Auskunftspersonen hat sich herausgestellt, daß in gleiher Lage befindlihe Bäckereien anderwärts, wenn fie ihre Zeit zu Rathe ziehen und überlegt vorgehen, ohne jede Schwierigkeit ihre Landkundschaft in der gegebenen Zeit von 13} Stunden be- friedigen können. Die Ueberzeugung, daß das, was an vielen Stellen geht, an einzelnen anderen Stellen auch gehen muß, war das
Bestimmende dafür, daß man den Einwand, kleine Existenzen würden
ruiniert, niht gelten ließ.
Meine Herren, die Frage der kleinen Existenzen ist ja heute wieder eingehend erörtert worden, sie hat auch im Reichstag ihre Er- örterung erfahren. Jh kann nur wiederholen, daß die verbündeten Regierungen bei Erlaß dieser Bestimmungen der wohlbegründeten Ansicht waren, daß von dieser Verordnung die kleinen Existenzen
im allergeringften Maße getroffen werden, daß sie viel mehr
‘ die mittleren Existenzen, namentli diejenigen, die über 6 bis 9 Ge-
sellen beshäftigen und länger als 12 Stunden arbeiten, treffe. Meine Herren, dieser Ansicht liegen nicht nur die Erhebungen zu Grunde, die seitens der Arbeiterstatistik-Kommission gemacht worden sind, fondern auch diejenigen, die über die Lage des Handwerks und seine Verhältnifse von dem Statistishen Amt auf Veranlafsung der Regierung neuerdings angestellt worden sind. Sie ergeben, daß ein Drittel sämmtlicher Betriebe im Bäckereigewerbe überhaupt ohne Gesellen und Gehilfen arbeiten ; die s{heiden überhaupt bei dieser Frage ganz aus. Dazu kommen nun noch weiter von den übrig bleibenden zwei Dritteln diejenigen 53 9%, die heute schon mit der gleihen Arbeitszeit auskommen, und außerdem scheiden aus die Tagesbäereien und diéjenigen Bäckereien, welche nicht mehr als dreimal wöchentlich baden. Also die allergrößte Zahl der Kleinbäckereien fällt überhaupt gar niht unter diese Verordnung und es steht fest, daß von den vernommenen Kleinmeistern 40 % erklärt haben, sie könnten mit der Arbeitszeit von 12 Stunden vollständig auskommen.
Meine Herren, die Behauptung, daß es wohl möglih sei, mit der doch immerhin recht reihlich bemefsenen Zeit von 134 Stunden für die eigentlihe Bäderarbeit auszukommen, is meines Erachtens durhaus wohlbegründet. Dagegen \prehen nur unerwiesene Klagen und Vermuthungen. Man sollte doch abwarten, ob wirkli die be- haupteten Schäden eintreten.
Meine Herren, bis jeßt ist noch kein Arbeiterschußgeseß erlassen, wo nicht die Interessenten mit denselben lauten Klagen gekommen sind wie jeßt die Bäcker. Als man an die Ordnung der Verhältnisse im Großbetriebe ging, als man die Frage der Sonntagsarbeit im Großbetriebe regulierte, als man Bestimmungen zur Kontrole der Arbeitershug-Geseßgebung, betreffend jugendlihe Arbeiter und Frauen, erließ, wurden dieselben Stimmen laut: „Die ÎIn- dustrie muß zu Grunde gehen, wenn man sie so in polizeiliche Fesseln shmiedet.“ Gleiche Erfahrungen hat man bei gleicher Gelegen- heit vor Jahren in England gemacht, wo, als man dort die ersten Bestimmungen über Frauen- und Kinderarbeit erließ, die Textil- industrie ihren-Untergang in der allerkürzesten Zeit weissagte. Sehen Sie sih heute mal die englische Textilindustrie an, was von diesen Voraus- seßungen wahr geworden ist! So liegt es auch hier.
Nun hat der Herr Abg. Freiherr von Zedliß gesagt : die Klagen und Beschwerden, die sih gegen die soziale Geseßgebung von 1891 rihteten, wären wesentlich begründet in der Art ihrer Ausführung; er hat namentlih auch die Anweisungen, die in Preußen beziehentlih der Sonntagsruhe erlassen worden sind, als außerordentlih unglüdcklih bezeichnet. ‘
Meine Herren, daß, als die Bestimmungen über die Sonntags- ruhe in Preußen erlassen waren, allerdings eine große Zahl von si beschwerenden Stimmen hervortrat, ift vollständig rihtig; das war au gar niht anders zu erwarten. Wenn eine solche einschneidende Maßregel, wie die möglichst vollständige Betriebsruhe am Sonntag, eingeführt wird, so kann das ohne Störungen gar niht abgehen; darüber ist auch kein Mens zweifelhaft gewesen, der das Gesey von 1891 mitgemacht hat, noch weniger diejenigen, die die Ausführungsanordnungen erlassen haben. Meine Herren, von Jahr zu Jahr sind die darüber erhobenen Beschwerden stiller geworden (sehr rihtig! im Zentrum, Widerspru rets); heute sind sie fast ganz verschwunden, und wenn sie niht im Parla- ment hin und wieder hervorgeholt werden, im Lande draußen wird über die Bestimmungen der Sonntagsruhe so gut wie niht mehr geklagt. (Widerspru rechts.)
Meine Herren, im vorigen Jahre hat die Staatsregierung noch- mals eine Anhörung der Behörden veranlaßt, ob es etwa erforderlich sei, diese Sonntagsbestimmungen einer Revision zu unterziehen, weil hier und da noch Beschwerden darüber laut geworden seien. Die eingegangenen Berichte der preußishen Ober - Präsidenten gehen, mit einer einzigen Ausnahme, dahin, daß es nicht gerathen sei, an diesen Verordnungen noch irgend etwas zu ändern, weil, wenn auch im Anfange lebhafte Beschwerden hervor- getreten seien, heute Publikum wie Geschäftsbetriebe fich an die Sach- lage gewöhnt hätten, und es nur aufs neue Unruhe erregen würde, wenn man eine Aenderung der bestehenden Bestimmungen über die Sonntagsruhe vornehmen würde. Meine Herren, in allen solchen Dingen ist Konsequenz unzweifelhaft eine Tugend. Wenn man auf jeden Ruf, auf jede Beshwerde hören und sie zum Anlaß einer Aenderung bestehender Bestimmungen machen will, thut man besser, die Hand über- haupt von diesen Dingen wegzulassen. Die Herren, die im Jahre 1891 an der Arbeiterschuß-Gesezgebung mitgewirkt haben und heute eine Revision der angefohtenen Bestimmungen beanspruchen, machen \ih des Vorwurfs s{chuldig, daß fie diese Bestimmungen im Jahre 1891 überhaupt nit ernsthaft gewollt haben. (Sehr richtig! im Zentrum.) Wer auf dem Standpunkt steht, eine Arbeitershuß-Geseßzgebung mit Erfolg und Wirksamkeit durchzuführen, der muß mit voller Ueber- zeugung in die Sache hineingehen und darf sich niht dadur ftôren lassen, daß hier und da in einzelnen Geschäftskreisen noch Unzu- friedenheit über die Sache geäußert wird. (Sehr richtig! im Zentrum.) Entweder, meine Herren, muß die Sache ganz oder gar niht gemacht werden (sehr richtig! im Zentrum), und da ih auf dem Standpunkt stehe, daß eine solhe ernste Frage auch ernsthaft behandelt werden muß, so kann ih nicht denjenigen Recht geben, die heute den Antrag stellen, daß man die Bestimmungen über das Bäckereigewerbe wieder zurückziehen solle. (Bravo! im Zentrum, Widerspruch rechts.)
Abg. Trimborn (Zentr.) \timmt den Ausführungen des Ministers zu und meint, daß die Rechte überhaupt keinen Arbeiter- {uß mehr haben wolle. Eine Arbeitszeit von 16 bis 18 Stunden Nacht für Nacht am deisen Ofen sei do gesundheits\{ädlich. Die Regelung im Wege der Verordnung, -niht durch Geseß, sei gerade empfehlenswerth, denn eine Verordnung könne nah Bedarf leiht u oder ganz wieder Cen werden. Die Sonntagsru ei im Großen und Ganzen als ein Segen - vom Volke anerkannt worden. Die Tee der Verordnung nüßten der Sozialdemokratie, denn man bekämpfe die Sozialdemokratie am besten dadur! man offenkundige Mißstände beseitige. Die patriarchalis erhâltnifse ördere man nicht durch Erhaltung ungesunder Arbeiterver fe
ie Rechte diskreditiere und verleugne den Gedanken des Arbeiter- chußes, während 1890 der konservative Abg. von Brauchitsh den aximalarbeitstag gefordert habe. bedauere diese der Konservativen, welhe bisher dem Zentrum in der christlichen
Sozialrefom treue Waffenbrüderschaft geleistet . Das Zentrum werde diese Shwenkung E R. its 9
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Nur einige kurze Augenblicke möchte ih Ihre Aufmerksamkeit