1896 / 153 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Jun 1896 18:00:01 GMT) scan diff

“verständnissen vorbeugen können auf dem Wege, den Ihnen der Herr

Abg. Gamp vorschlägt, fo liegt dies, glaube ih, im Interesse des Bürgerlichen Geseybuchs; denn wir müssen wünschen, daß derartige - Jrrungen nit in das Volk hineingetragen werden, damit die Sym- pathien für das Bürgerliche Geseßbuh, auf die doch stark gehofft. werden muß, wenn das Geseygbuch ohne Schwierigkeiten in das Leben eingeführt werden soll, nicht ershüttert werden. Und deshalb, meine Herren, wenn ich Sie gebeten habe, den Antrag von Stauty und Genossen abzulehnen, so darf ih auf der anderen Seite Ihnen anheim geben, den Antrag Gamp und Genoffen anzunehmen. Wie ih glaube, wird er auh auf Seiten der verbündeten Regierungen keinem Bedenken begegnen.

Abg. Freiherr ron Manteuffel (d-kons.): Jh danke dem Minister für seine Erklärung im Interesse der Pfandbriefe. Die Vor-

lage enthält unter allen Umständen eine Deklässierung der landschaft-

lichen Pfandbriefe, denen die Reichssicherheit genommen und eine Partikularsicherheit gelassen wird. Redner erklärt, daß seine Freunde nicht für den Antrag Gamp stimmen könnten. i

Abg. Dr. von ania en (nl.): Wir können nicht für den An- trag von Manteuffel stimmen, wir werden för den Antrag Gamp stimmen. i

8 1783 wird mit dem Antrag Gamp mit großer Mehr- heit angenommen. |

Die S8 1783—1897 werden ohne Debatte enechmigt.

Damit ist das vierte Buh „Familienreht“ erledigt.

Es folgt Buch V „Erbrecht“. 8 1907 lautet:

„Der überlebende Ehegatte es Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertheile, neben Verwandten der ¡weiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als geseßliher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Antheil, der nach § 1902 den Abkömmlingen zufallen würde. Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung, noch Großeltern vorhanden, fo erhält der über- lebende Ehegatte die ganze Erbschaft.“

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) beantragt, den § 1907 so

zu fassen :

„Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der erften Ordnung zu einem Viertheil, neben Verwandten der zweiten und dritten Ordnung zur Hälfte der Erbschaft als gesetz- liher Erbe berufen.

Sind keine Verwandte der ersten und dritten Ordnung vor- handen, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.“

Abg. Freiherr von Stumm empfiehlt seinen Antrag, welchén der ABundedrathskommifsar fächsisher Geheimer JustizRath Börner bekämpft, weil dadurch die Ghegatten in vielen Gebieten Deutschlands \chlechter gestellt würden, als bisher. Das Erbreht der Ehegatten entspringe aus der innigen Gemeinschaft, welche die Ehe schafft. Abg. Dr. von Cuny (nl.) empfiehlt die Ablehnung des Antrages, wie fie auch in der Kommission erfolgt sei. Der Antrag wird abgelehnt und § 1907 unverändert

angenommen. | 8 2205 lautet in der Vorlage:

„Ein Testament kann in ordentliher Form nur vor einem Richter oder vor einem Notar errichtet werden. ; Der Richter muß einen Gerichts\hreiber oder zwei Zeugen, der Notar muß zwei Zeugen zuziehen.“ Die Kommission hat ihm folgende Fassung gegeben : „Ein Testament kann in ordentlicher Form errichtet werden: 1) vor einem Richter oder vor einem Notar, 2) dur eine von dem Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und untershriebene Erklärung.“ bg. Lenzmann (fr. Volksp.) beantragt, den ersten Absaß der Regierungsvorlage wiederherzustellen, die Nummer 1 und 2 der Kom- missionsvorlage aber zu streichen. / Abg. Dr. von Buchka (d. kons.) beantragt, nur die Nummer 2 des MEMU omp fc es zu streichen. Die Abgg. Dr. von Buchka und Kauffmann (fr. Vgg.) sprechen sih gegen den Kommissionsvorschlag aus. Bundesrathskommissar, badischer Gesandter Dr. von Jage- mann befürwortet ihn auf Grund der Erfahrungen in Baden und Bayern, sowie anderer Staaten, wo das eigenhändige Testament jeßt {on bestehe. Diese Form des Testaments, führt Redner aus, hat weder die Erbschleicherei, noch der Sucht zum Testieren Vorschub ge- leistet. Mißbräuche kommen bei jeder Form vor, auch bei dem ge- rihtlihen Testament. Die Gefahr der Unterschiebung ist nicht so groß, wie man glaubt. Der Beweis, daß der Testator niht zu- rechnungsfähig gewesen set, u auch beim eigenhändigen Testament [leiht zu führen. Auch die Sicherheit der Ausbewahrung läuft keine Gefahr; die Erblasser pflegen diese Testamente aufzubewahren wie Werthpapiere oder überreichen sie einem Freunde, dem Testamentsvoll- ftrecker. Außerdem i} eine gerihtlihe Hinterlegung mögli. Es handelt sich hier nicht um eine prinzipielle, sondern um eine Oppor- tunitätsfrage. Niemand wird zu dieser Form gezwungen, aber es wird die Bewegungsfreiheit gewahrt, und ih möchte nicht, daß in dieser Beziehung ein Nückschritt gemacht wird. In Baden und Bayern hat ih diese Form bewährt, und der Vorshlag Ihrer Kommission ist nicht von einer Partei, sondern von Mitgliedern aller Parteien gestellt worden. Ich kann Sie deshalb nur bitten, dem Antrage der Koóm- mission zuzustimmen. Staatssekretär des Reichs-Zustizamts Nieberding: Meine Herren! Ich bitte um die Erlaubniß, eine kurze Erklärun g

zu dieser Frage abzugeben.

Auch nah der Beschlußfassung Ihrer Kommission stehen die ver- bündeten Regierungen in ihrer Mehrheit noch auf dem Standpunkt, daß es richtiger sei das holographische oder Privattestament in das Bürgerliche Gesezbuch nicht aufzunehmen. (Bravo! rets!) Sch enthalte mich, die Gründe dieser Auffassung hier weiter zu ent- wideln, Die Frage ist auf der einen Seite so einfach und auf der anderen Seite so wichtig, daß ih annehmen darf, daß die Parteten des Hauses ihre Stellung genommen haben, zumal nachdem in der Kommission die Gründe für und wider ausführlih entwickelt worden sind. Ich wollte aber keinen Zweifel darüber lassen, daß der Beschluß Shrer Kommission die von Anfang an für die Mehrheit der Ver- bündeten Regierungen maßgebend gewesene Anschauung nicht ershüttert hat und daß ich vom Standpunkt der Mehrheit der verbündeten Regierungen nur wünschen kann, daß Sie unter Beseiti- gung des Beschlusses der Kommission zu dem Entwurf der Regierung wieder zurückehren möge. (Bravo! rechts und links.)

Abg. Dr. von Cuny spricht dem badishen Bevollmächtigten [einen und seiner sämmtlichen Landsleute Dank aus für sein Ein- reten für den Kommissionsbeschluß. Es wäre eine Ungerechtigkeit, einer Bevölkerung, die über 90 Jahre dieses Necht hätte, dieses Recht, welches als ein persönliches Freiheitsrecht betrahtet werde, zu ents- ziehen. Besonders wunderbar sei es, daß die Freisinnigen die Stellung gegen den Kommissionsbeschluß mit ihren fretheitlißen Grundsäyen vereinbaren fönnten.

Abg. Dr. Step han -Beuthen (ente : Als Angehöriger des Ge- biets des Allgemeinen Landrechts e mich vollständig den Aus- ührungen des Vorredners an. lle Bedenken, welche gegen das olographische Testament geltend gemacht werden, könnten auch gegen die Form geltend gemacht werden, welhe das Allgemeine Landrecht vor-

reibt,

Abg. Freiherr von Stumm tritt ebenfalls nachdrücklich für die Kommissionsbeschlüfse ein. j

Abg. Dr.G ör þ(fr. Vgg.) erklärt sich gegen den Kommissiorsbes{chluß, weil die Gepflogenheiten im Norden und Osten Deutschlands andere seien als im Rheinlande. j

Abg. Dr. Simonis (b. k. F.) befürwortet mit Rücksicht auf die eltenden Ba für Elsaß - Lothringen die Beibehaltung der

ommissionsbeschlü}se. Í

Abg. Dr. Enneccerus (vl.): Wenn das eigenhändige Testa- ment in Deutschland nit {hon bestände, würden wir es auch nicht einführen. Da es aber in großen Theilen des Reichs besteht und sich bewährt hat und in diesen Gegenden [0 fest eingewurzelt ist, können Bedenken durchs{chlagender Natur niht geltend gemaht werden. Deshalb \limme ih dem Kommissionsbeschlufse zu.

Ê 2205 wird nah den Beschlüssen der Kommission gegen die Stimmen der Freisinnigen und einiger Konservativen an- genommen.

Ein Antrag des Abg. Grafen Mi rba ch(d.kons.) will bezüglich der Bestimmungen über den „Pflichttheil“ P 2275—2311) bestimmt wissen, daß diese, soweit der Nachlaß des Erblassers aus Grundstücken in land- oder forstwirthshaftlihem Betriebe besteht, keine Anwendung finde.

Abg. Graf von Mirbach begründet den Antrag damit, daß durch diese Maßregel der Zerstückelung und der übermäßigen Verschuldung des Grundbesißes entgegengetreten werden folle.

Abg. Dr. Enneccerus: Ich erkläre mi gegen den Antrag, der dahin führen würde, daß die Erblasser, deren Nachlaß nur in Grund- besi besteht, nur ein einziges Kind bedenken könnten. Der Antrag ist niht in der Kommission berathen worden; ihn anzunehmen, wäre ein Leichtsinn, wie er noch niemals dagewesen wäre. Für die land- wirthshaftlihen Verhältnisse in Preußen reihen die vorhandenen Land- güterordnungen vollständig aus. / 5

Bundesrathskommifsar sächsisher Geheimer Justiz-Rath Börner: Die vorliegende Frage hat au auf dem Juristentage eine gründliche Prüfung erfahren, fie ist aber noch nicht so weit spruchreif, daß eine geseßgeberishe Aktion unternommen werden könnte. Es sind ver- \hiedène Fragen noch nit geklärt worden, namentlih, ob die vom Erbe auszeés{lofsenen Ee ein Recht auf Unterhalt bekommen follen.

Aby. Graf von Mirbach: Ih muß dagegen protestieren, Ls die Annahme des Antrags ein Leichtsinn wäre. ch bedauere, da die Kommission sich mit diesem so vielfah ventilierten Gedanken gar niht beshäftigt hat. Ich bestreite, daß das Pflichttheilsrecht mit der Ländwirthschaft vereinbar ist. : : Ren i:

Abg. von Kardorff (Np.): Die Pflichttheilsverhältnisse wirken ruinierend für ten ländlihen Grundbesißg. Man wird nicht umhin können, dieser Frage näher zu treten.

Gegen die Stimmen der Konservativen wird der Antrag

des Grafen Abg. Mirbach abgelehnt. Die übrigen §8 2312—2359 werden ohne Debatte un-

verändert genehmigt. j

Damit i} die zweite Berathung des Bürgerlichen Geseß- buchs beendet. L E

Es folgt die zweite Berathung des Einführungs- ges (es.

ie Sozialdemokraten wollen mehrere Artikel neu

eingefügt wissen über Fragen, die in der Vorlage nicht be- handelt seien, und zwar ;

1) § 32 Say 1 der Nechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878

„der Rechtsanwalt is nicht verpflihtet, vor Empfang seiner uélagen und Gebühren die Handakten dem Auftraggeber heraus- zugeben“), erhält folgende Fassung: „Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, vor Empfang anti: Anslagen und Gebühren die D dem Auftraggeber herauszugeben , es sei denn, daß der Rechtsanwalt einer Partei, welcher das Armenrecht bewilligt ift, beigeordnet worden ift." ,

2) Die landesgeseßlihen Vorschriften, welche das Inverbindung- treten von Vereinen, welche politishe Zwecke verfolgen , verbieten, werden aufgehoben.

Bereinigungen von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern, welche zum Behufe der Erlangung günstigèr Lohn- und Arbeitsbedingungen fich gebildet haben, unterliegen keiner landesgeseßlichen Vorschrift.

3) § 9% des Unfallversiherungsgeseßes vom 6. Juli 1884 wird aufgehoben. : G :

Abg. Stadthagen Sit In Bezug auf die Zulässigkeit des JInverbindungtretens der politischen Vereine hat sich \{chon neulich die communis opinio des Reichétags herausgestellt. Wir haben zu der preußischen Regierung ein so vollberehtigtes (Mißtrauen, daß sie ihr- reaktionäres Vereinsgeseß nit verlassen will, daß wir ihr hier eine Art Kompelle, einen Anreiz zu geben wünschen, der sie vor die Frage stellt: will sie das für jeden politisch reifen Mann uner- träglihe Gesey aufrecht erhalten oder nicht? Wir wollen sie in eine Zwangslage bringen. Man wird einwenden, dieses Nothstands- eseß passe niht in das Bürgerlihe Geseßbuh hinein. Nun, der undesrath hat ja Zeit genug zwischen der zweiten und dritten Lesung, die Aufhebung jener reaktionären Bestimmungen durchzusetzen. Wir Laken ja hier in ein paar Tagen 2359 Paragraphen durchberathen und eine Einigung zwischen Regierung und Parteien sich vollziehen sehen. Sollte da ‘der Bundesrath sich nicht in ein paar Tagen über eine so kleine Sache einig werden? Es käme allerdings ein Schönheitsfehler in das Gefeß mit unserm Antrag, aber die Verant- wortung träfe den Bundesrath, nicht uns; er kann ja in der wilden seine Entscheidung treffen. Auch die landesgeseßlichen Vorschriften über die Vereinigungen von Arbeitern und Arbeit- gebern zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen müssen fallen. Die reaktionären Partikularstaaten dürfen uns nicht zerstören, was wir in diesem Dar au auf diesem Gebiet für das Reich zusammengeflohten haben. § 95 des Unfallversicherungs- eseßes m beseitigt werden, weil er den Arbeitgebern eine Ausnahme- stellung giebt. Der Arbeitgeber soll nah diesem Paragraphen für den Schaden, den er dur vertrags8widriges Handeln an dem Körper, der Gesundheit eines Menschen verursacht hat, nur haften, wenn er dabei eine strafbare Handlung begangen hat. Dadurch wird der gesammte Schadenersaganspruch der Arbeiter auf das ernstlihste gefährdet. Diese Vorschrift bringt die Arbeiter um § ihrer berechtigten Ansprügze. Wollten wir hier auf die versprohene Novelle zum Unfallgeseß warten, so könnten wir lange warten. Die Arbeiter haben auf den zivilrecht- lichen Mera, AMLru wie alle anderen Staatsbürger, und deshalb mzs diese Materie auch im Bürgerlichen Geseßbuch geregelt werden. Ich bitte Sie um Annahme aller unserer Anträge.

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst:

Meine Herren! Zu dem sogenannten Nothvereinsgeseß-Para- graphen, ‘von dem foeben der Herr Vorredner gesprohen hat, muß ich erklären, daß der Bundesrath darüber Beschluß noch nit gefaßt hat. Ich glaube, es ist auch gar nicht nothwendig. Jh möchte SFhnen rathen, die Einfügung einer Bestimmung in das Bürgerliche Geseybuh, wie sie der Antrag des Abg. Auer in Aussicht nimmt, niht zu beschließen. f

Die Annahme des Antrags empfiehlt sich zunächst aus der Er- wägung nit, daß die vorgeshlagene Bestimmung einen öffentlich- rechtlihen Charakter hat, während \fih die Vorschriften des Bürger- lichen Geseßbuchs auf dem Gebiete des Privatrehts bewegen.

Ueberdies aber is die Aufnahme einer Bestimmung, welche den politishen Vereinen gestattet, mit einander in Verbindung zu treten, in dieses Gese entbehrlich. Wie bereits bei der dritten Berathung des fogenannten Nothvereinsgeseßes vom Bundesrathstish aus er- klärt worden ist, besteht die begründete Zuversicht, daß das in den ver-

“anderen Vereinen in Verbindung zu treten, außer Wirksamkeit werde

gefeßt werden.

Ich kann auf Grund der inzwischen unter den betheiligten Re, gierungen gepflogenen Erörterungen diese Erklärung dahin ergänzen, daß es in der Absicht dieser Negierungen liegt, die Befeitigung des durch das Verbot geschaffenen Rechtszustandes herbeizuführen. Ge, schieht dies aber und ih zweifle nit daran, daß es gesehen wird —, so wird es in Zukunft auch in den gegenwärtig noch unter dem Verbot stehenden Staaten zulässig sein, daß die politishen Vereine unter einander in Verbindung treten, und zwar wird dieser Erfolg unter allen Umständen früher eintreten, als dies durch eine Aufnahme des Antrags Auer in das Bürgerliche Geseßbuh der Fall sein würde, weil das leßtere erst mit dem Beginn des nächsten Jahrhunderts in Geltung geseßt werden soll. (Bravo!)

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Nach der Erklärung des Reichskanzlers werden wir nicht für die Aufnahme dieser Bestimmung in das Ein- An gooees sprechen. Der Reichskanzler hat zutreffend darauf hin- gewiesen, daß die Bestimmungen über das Vereinsrecht dem öffent- lihen Rechte angehören und nicht in das Privatreht gehören. Dur die Annahme des Reichstagsbeschlusses würden wir fbneller in den Besiß der Verbindungsfreiheit für die Vereine gelangen, als dur die Annahme des fozialdemokratishen Antrags.

Abg. Haußmann (d. Volksp.): Dem Grundsatz, daß öffentliches Net nicht berührt wérden solle, is die Kommission nicht treu geblieben; fie hat zu Gunsten der Todten Hand die Genehmigung des Staats eingeschränkt. Da kann man bei dem viel wichtigeren Gebiet des Vereinsrechts wohl in derselben Weise vorgehen, und zwar nach den Erklärungen des Reichékanzlers um fo eher, als ja auch die Regierungen jeßt der Ansicht find, daß das Verbot der Ver- bindung der Vereine untereinander materiell sich nicht mehr recht- fettigen läßt; denn der Reichskanzler hat {ließlich doch nur eine allgemeine Reviston der Landesgeseße zugesagt, und welche Resultate ih dabei ergeben und ob fie überhaupt zu \tante kommen, das wissen wir Alle niht, Es wird aber zweckmäßig sein, den Antrag nicht zu bepackden mit dem zweiten Zusaß wegen der gewerk\{aftlichen Bereine, den der Bundesrath vielleiht zum Grunde der Ablehnung des Antrages macht.

Abg. Frohme (Soz.): Die Erklärung des Reichskanzlers kann uns durchaus nicht befriedigen. Man spielt hier mit dem Begriff des öoffentlihen und privaten Rechts und entscheidet ganz nah Be lieben, ob eine Bestimmung aufgenommen werden foll oder nicht. Die Vereine der Arbeiter haben durchaus privatrechtlichen Charakter; sie wollen die persönlihen Interessen der Arbeiter fördern und gerade diese Vereine werden in einer Weise benactheiligt, die durhaus nicht gerechtfertigt ist. Diese gewerkschaftlihen Vereine, ohne welche das Koalitionéêreht nicht besteht, müssen ges{üut werden gegenüber der polizeilihen Praxis. Deshalb können wir den zweiten Absaß unseres Antrags nicht fallen lassen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Jh bitte Sie, entgegen der Aufforderung des Herrn Vorredners, dem Antrag Auer keine Folge zu geben. Jch bin der Meinung, daß die von dem Herrn Reichskanzler abgegebene Er- klärung eine rechtlich und politisch unanfechtbare ist. Der Herr Abg. Haußmann hat zwar gemeint, daß die einzig würdige Art, um dem auf dem Gebiet des Vereinswesens augenblicklich be- stehenden und anerkannten Mißstande abzuhelfen, die Beshreitung des Weges der Reichsgeseßgebung sei. Jch weiß nit, ob der Herr Abgeordnete meine Ausführungen, die ih bei der dritten Lesung des Antrags auf Annahme eines Reichs-Vereinsgeseßes vorgebracht habe, angehört hat. Wenn er anwesend gewesen wäre, würde er gehört haben, daß, nachdem die Rechtslage in Deutschland ih fo entwidélt hat, daß das Vereinsrecht auf der Partikulargesetgebung beruht, und nahdem eine Uebereinstimmung ter verbündeten NRegie- rungen dahin, daß der Weg der Reichsgeseßgebung, der ja an sich nah dem Art. 4 der Verfassung zulässig wäre, gegenwärtig beschritten werden soll, zur Zeit nicht herbeigeführt worden ift, nihts übrig bleibt, als die nothwendige Korrektur auf dem Gebiet der Landesgesetßgebung vorzunehmen. Und, meine Herren, nach dem Meinungsaustausch, der unter den verbündeten Regierungen vorgenommen if, sehe ih auh vom Standpunkt der Herren, die eine {leunige Beseitigung des Ver- bots, wie cs im § 8 des preußishen Vereinsgeseßes enthalten ift, wünschen, durchaus keinen Grund zur Besorgniß. Die Regierungen aller Bundesstaaten, für welhe solche Verbote sie sind nicht alle übereinstimmend bestehen, haben \sich sämmtli anheishig gemacht, das Verbot außer Wirksamkeit zu seßen. Also sie werden die erforderlihen Schritte dazu thun, daß ein Zustand herbeigeführt wird, wonach künftig die Vereine unter einander in Verbindung treten können.

Nun liegt die Sache ja nicht so, wie der Herr Abg. Haußmann anzunehmen scheint, daß es sih hier um sämmtliche Regierungen handelt und um die Sorge, daß auch rücksichtlich der Verbindung der Vereine unter einander nun von neuem ein verschiedenartiger Rechts- zustand in Deutschland eintreten möchte. Einmal handelt es sich nur um 12 deutsche Staaten, in denen ein solhes Verbot besteht, sodann aber haben sich gerade die Regierungen dieser 12 Einzelstaaten bereit er- klärt, auf die Beseitigung des Verbots hinzuwirken.

Wenn \chließlich erwogen wird, daß das Verbot nach dieser Bereitschaft der Regierungen, sofort an die Arbeit zu gehen und es zu beseitigen, doch in absehbarer Zeit außer Wirksamkeit gesetzt werden wird, wenn andererseits die Aufnahme des Antrags Auer in das Bürgerliche Geseßbuch es herbeiführen würde, daß die Aufhebung des Verbots erst mit dem Jahre 1900 eintritt, so kann auch vom Stand- punkt des Herrn Abg. Haußmann meines Erachtens gar kein Zweifel darüber sein, daß es vorzuziehen ist, den Weg zu gehen, den der Herr Reichskanzler in seinec Erklärung angedeutet hat.

Was den zweiten Antrag des Herrn Abg. Auer anlangt, von dem ih übrigens niht annehme, daß er einen großen Beifall in dieser Versammlung findet, so irrt der Herr Abg. Frohme, wenn er meint, daß es sih hier um privatrehtlihe Verhältnisse handelt. Es handelt si um die Abänderung einer Vorschrift der Gewerbeordnung, um die Abänderung gewerbepolizeiliher Bestimmungen, und überdies ift dabei zu berüdsichtigen, daß Vereine, die auf die Herbeiführung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen gerichtet sind, bisher als öffentliche Vereine und nicht als Privatvereine angesehen sind. Es ergiebt si dies zweifellos aus ihrem Charakter, und ich würde es ebenso füt unrichtig halten, den Absay 2 des Antrags Auer in das Bürgerlihe Geseßbuh hineinzubringen , welches eben lediglih das Privatrecht regelt, wie ih es für unrihtig halte, den Absaß 1 in das Geseybu aufzunehmen. j

J{ch kann also nur dringend bitten, meine Herren, daß Sie den Antrag Auer ablehnen.

Abg. Freiherr von Stumm

des sozialdemokratischen Antrags seine politishen Freunde gegen das

chiedenen Bundesstaaten für politishe Vereine erlassene Verbot, mit

ganze Geseß stimmen würden.

die auch

erklärt, daß bei Annahme.

Abg. Freiherr von Manteuffel (d.-kons.): Der erste Theil des Antra p it dur die Erklärung der verbündeten ietietungen telt t, Bei Annahme des zweiten Theils würden wir gegen das Bürgerliche Gesetzbuch stimmen müssen,

ba Dr. von Bennigsen Die Freunde der Beseitigung

des Verbotes der Verbindung der Vereine haben durchaus kein Interesse, die Bedeutung der Erklärung des Reichskanzlers herabzumindern, Wir fönnen feststellen, daß für die Beseitigung des Verbots gesorgt wird. Mann und wie das geschieht, können wir nicht absehen; aber es wird viel früher geshehen als 1900. Wenn die Sache den gewünschten Verlauf nicht nimmt, dann wird man im Reichstag wiederholt für die Beseitigung des Verbots eintreten können. Die Antragsteller lauben selbs nit, daß der erste Theil des Antrags in das Bürger- iche Gesepbuch gehört; fie wollten nur die Regierung zwingen, zwischen der zweiten und dritten Lesung des Bürgerlichen Geseßbuchs die Frage zu erledigen. Es handelt sich also niht um einen sachlichen, sondern um einen tafktishen Antrag. Deshalb muß der Antrag in dieser Gestalt abgelehnt werden.

Abg. Haußmann: Beim Wahlgeseß hat man die Wahlver- ammlungen dem Vereinsrecht der Einzelstaaten entzogen. Die Frage les Vereinsrechts berührt auch nicht nur die Landesgesetgebung, sondern auch die Ee Meleggebung soweit die Vereine über das Gebiet eines Einzelstaates hinaus in Verbindung treten wollen. Wenn wir sehen, daß fo einflußreihe Personen wie Freiherr von Stumm

dagegen erklären, dann können wir nicht erwarten, daß die Sache ehr schnell erledigt wird. Es sind manche Zusagen gegeben, aber nit gehalten worden. Die Steuerbegünstigungen der Beate find immer noch nit abgeschafft worden, troßdem es vor 21 Jahren ver- sprohen wurde. Deshalb haben wir allen Grund dazu, den Antrag in das Einführungsgeseß aufzunehmen.

Abg. Freiherr von Manteuffel: Ich habe ausdrüklich erklärt, daß der erste Theil des fozialdemokratishen Antrages hinfällig ge- worden ist; bezüglih des zweiten Theils habe ih erklärt, daß mit diesem Antrage das Einführungs8geseß unannehmbar würde.

Abg. Freiherr von Stumm: Herr Mmaln hat mich au A Für die Beseitigung des Verbots habe ih mi au erklärt. i

Abg. Stadthagen: Daß die Konservativen wegen des zweiten Theiles des Antrages gegen das Targcrige Geseßbuch {timmen würden, ist für uns eine sehr werthvolle Erklärung. Was verlangen wir denn? Daß die Nen Vereine keinen landesgesetz- lien Vorschriften unterworfen werden. Wollen Sie reih8geseßlihe Vorschriften, so seßen Sie dieselben im Reichstag durh. Sie werden niht so ausfallen wie in den Einzelstaaten. Aber man will nit „ein Reich und ein Net“. Deshalb bitte ih ausdrücklih, den zweiten Theil des Antrags anzunehmen. Es liegt uns nichts daran, ob Sie für oder gegen das Bürgerliche Gesezbuh stimmen. Es soll ih um die Gewerbepolizei handeln. Bei Miethöverträgen bestimmt die

olizei au die Umzugszeiten; bleibt deswegen das Miethsreht nicht

rivatrecht ? Das Privatrecht muß sih zum großen Theil decken mit dem öffentlihen Ret. Das Eheschließungs- und Ehescheidungsrecht, die Todeéerklärung und folche Dinge gehören alle zum öffentlichen Recht, Die Grenze zwischen privatem und öffentlißem Recht ist flüssig. Die N des Reichskanzlers ift nicht genügend. Der Apparat der Landesge ges soll in Bewegung geseßt werden. Wenn innerhalb Jahresfrist feine Zusage fih nicht erfüllt hat, foll dann die eiae [cpaerung eintreten? Soll die Landesgeseßgebung si bloß auf die Beseitigung des Verbots beschränken und wird man nicht in den einzelnen Landtagen noch andere Dinge regeln? Dabei würden die Arbeiter wahrscheinlih ihrer Rehte noch mehr beraubt werden, und dann nüßt uns die Sache nichts. Deshalb i} ein Neichsgeset nothwendig.

Alle drei Anträge werden abgelehnt.

Die Sozialdemokraten beantragen ferner, diejenigen landesgeseßlihen privatrechtlihen Bestimmungen, welche auf- recht erhalten werden sollen, im Einführungs cles ausdrüdcklich

] ugen: sie wollen ferner verschiedene Ärtiïel des Ein-

rungsgeseßes, betreffend die Stellung der regierenden und

ü H ehemaligen reihsunmittelbaren Häuser, betreffend die Fideiklommisse, das Erbpachtreht und betreffend die Landgüter-

ordnung und das Anerbenrechht, gestrihen wissen.

Die Anträge werden sämmtlich abgelehnt.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) beantragt, einen neuen Art. 5a, wonah das Reichsgeriht als leßte Jnstanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des Art. 8 des Einführungs- geseßes zum Gerichtsverfassungsgeschße an die Stelle der par- tiflularen Ober - Landesgerichte treten soll. Redner hofft, daß auch Bayern diesem Antrage zustimmen werde.

Der Bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Gesandte Graf von Lerhenfeld-Köfering erklärt, daß die bayerishe Regierung dem Art. 5a, wenn er vom Reichstage angenommen sei, ihre Zu- stimmung geben würde.

Art. 5 a wird mit großer Mehrheit angenommen.

__ Abg. Dr. Lieber beantragt ferner zum Art. 55, daß niht nur bezüglich der Landesherren und der landesherrlichen Familien, sondern auch bezüglich der hannoverschen, kurhessischen und nassauischen Fürstenhäuser das Bürgerliche Gesezbuh nur gelten soll, soweit nicht Hausverfassungen und Landesgeseße andere Bestimmungen enthielten.

Staatssekretär des Neichs-Justizamts Nieberding:

Ich will nur namens der verbündeten Regierungen erklären, daß der Antrag Lieber durchaus im Sinne der Vorlage liegt und, wenn Sie ihn annehmen, was ih befürworte, damit eine wünschenswerthe Klarstellung der Absicht des Gesetzes herbeigeführt werden wird.

Der Antrag wird angenommen.

Die Abgg. Freiherr von Manteuffel und Ge- nossen beantragen, einen neuen Art. 59a einzuschalten, wonach die landesgeseßlichen Vorschriften über die bestehenden itnbschaftlichen und ritterschaftlichen Kreditanstalten unberührt

n.

Staatssekretär des Neichs-Justizamts Nieberding:

Ich gestatte mir, zum Antrage Freiherr von Manteuffel eine Erklärung abzugeben, bevor der Herr Antragsteller selbst seine Wünsche begründet hat.

Aus gelegentlihen Unterhaltungen über den Gegenstand dieses Antrags habe ich den Eindruck gewonnen, daß über Tragweite und Absiht der Vorlage in diesem Punkt nicht volle Klarheit besteht. Es ist vielleicht auch für das Urtheil des Hauses über diesen Antrag von einiger Erheblihkeit, wenn ih hier die Sache klarstelle. Was die Herren Antragsteller bezielen, ist, soviel ih erkannt habe, Folgendes :

e wollen die landschaftlihen und rittershaftlihen Kredit- institute, die zur Zeit bestehen oder bis zum Inkrafttreten n Bürgerlichen Gesezbuhs noch errichtet werden follen, sicher stellen hin, daß ihr gegenwärtiger rechtliher Besißstand, wie ihre gegen- würtige Organisation ihn darstellt, und daß auch die weitere Ent-

elung dieser Organisation unberührt bleiben von den Vestimmungen des Bürgerlihen Geseßbuhs. Wenn dies und uur dies die Absicht der Herren Antragsteller is, so ist vom Standpunkte der verbündeten Regierungen “s ¿u billigen, Diese Absicht liegt aber shon in den Worten des bi urfs ausgesproGen, Indem der Entwurf in dem Art. 167 aus-

Us sagt, daß die landesgeseßlichen Vorschriften über die land-

oftlihen und ritterschaftlichen Kreditinftitute aufrecht erhalten

bleiben, garantiert er diesen Instituten den Fortbestand, unberührt von den Vorschriften des Bürgerlichen Geseybuchs. Indem das Einführungsgeseß ferner im Art. 217 ausspri®t, daß die landesgeseßlihen Vorschriften, die in dem betreffenden Abschnitt des Einführungsgeseßes aufrecht erhalten sind, in Zukunft nach Jnkrafttreten des Bürgerlihen Geseßbuchs auf dem Wege der Landesgeseßgebung wieder geändert werden dürfen, garantiert das Geseß den betreffenden Instituten die weitere Ent- wickelung ihrer Organisation, den Ausbau ihrer Grundsäße, unberührt von den Borschriften des Bürgerlichen Geseßbuchs.

Nun fpriht der Art. 217 allerdings nur davon, daß es zulässig sein soll, die landesgeseßlihen Vorschriften auf dem Wege der Landes- geseßgebung abzuändern und weiter zu bilden, und es könnte fraglih erscheinen, ob denn au solche Vorschriften des Partikularrechts darunter fallen, welche nihtals eigentliches Gesetz, sondern als Verordnung oder Erlaß des Landesherrn oder als sonstige Rechtsnormen erscheinen. Das ist von praktisher Wichtigkeit gerade für die landschaftlichen In- stitute in Preußen, weil deren Organisationsbestimmungen ergehen auf dem Wege Allerhöchster Erlasse. Aber auch nach dieser Richtung kann kein Zweifel bestehen. Denn der Art. 2 des Einführungsgeseßzes, dem Sie Ihre Zustimmung bereits gegeben haben, sagt "ausdrücklich, daß Geseß im Sinne des Bürgerlichen Geseßbuhs eine jede Rechts- norm ist. Folglich fallen unter die vorbehaltenen gesetz- lien Bestimmungen des Art. 217 auch diejenigen Rechtsnormen, vermöge deren die rittershaftlihen und landschaftlichen Kreditinstitute in Preußen sich weiter entwickeln könnnen.

Daraus folgere ih, daß diese Institute von den Vorschriften des Bürgerlichen Geseßbuchs vollständig unberührt bleiben und daß das, was die Herren Antragsteller mit ihrem Antrage erreihen wollen, bereits jeßt hon auf Grund der Bestimmungen des Entwurfs, wie sie vorliegen, erreiht wird.

Unter den Umständen kann ich nur bitten, daß Sie Ihre Stimme abgeben zu Gunsten des Entwurfs und gegen den Antrag.

u s von Staudy zieht nah dieser Erklärung den Antrag rüd.

Gegen den Artikel 60, welcher die Ansiedelungsgesezgebun cueRT falten will, legt vai | asgelebg g Abg. Cegielski ole) Protest ein, we a I Deutsboa Reiche ébércunee Polen G L M E

Gegen die Stimmen der Polen und des Zentrums wird Artikel 60 angenommen.

Artikel 66 will das Bergreht von dem Bürgerlichen Geseßbuch ausnehmen.

Die Sozialdemokraten beantragen dagegen, auf die Bergarbeiter das Bürgerliche Gesezbbuch und die Bestim- mungen der Gewerbeordnung über die gewerblichen Arbeiter (S8 105—153) anzuwenden.

Abg. Möller- Waldenburg (Soz.) empfiehlt diefen Antrag. Die Bergarbeiter seien früher privilegiert gewesen, jeßt sei aber ihre Stellung foweit herabgesunken, daß sie befriedigt sein würden, wenn sie unter die Schußbestimmungen der Gewerbeordnung fielen.

Der Antrag wird abgelehnt.

Zu Art. 86, betreffend die Zuwendungen an die Todte Hand, liegt ein Antrag des Zentrums vor, daß Zuwendungen unter 5000 /6 (die Kommission hatte beschlossen 3000 H, entsprehend dem preußischen Geseß) der Genehmigung nicht bedürfen sollen.

Staatssekretär des Neichs-Justizamts N ieberding:

Meine Herren! Der Beschluß Ihrer Kommission, nach welchem nur folche Zuwendungen an die Todte Hand, die 3000 4 übersteigen, der Genehmigung bedürfen, Zuwendungen, die unter diesem Betrag bleiben, aber nit genehmigungspflihtig sind, stammt aus der preußischen Geseßgebung. Die preußishe Geseßgebung hat bereits seit dem Jahre 1833 die Grenze gezogen, daß nur Zuwendungen, die den Werth von 1000 Thalern überschritten, der Genehmigung bedürften, daß aber Zuwendungen unter diesem Betrage genehmigungsfrei sind.

Nun muß ich dem Herrn Antragsteller darin Recht geben, daß die Werthgrenze, die im Jahre 1833 in der preußishen Gesetz- gebung gezogen wurde, mit Rücksicht auf die veränderten Preis- verhältnisse des Geldes heute dieselbe Bedeutung nicht mehr hat und daß die Rülsichten, die im Jahre 1833 der preußishen Regierung es für zulässig erscheinen ließen, die Grenze der genehmigungspflihtigen Zuwendungen auf 1000 Thaler festzuseßen, jeßt wohl dahin führen könnte, die Grenze etwas höher hinaufzuschieben. Die Herren Antragsteller haben aus diesen Erwägungen heraus die Grenze bis 5000 (A angenommen. Die Königlich preußishe Regierung hat kein Bedenken, diese Ab- grenzung zu acceptieren, indem fie davon ausgeht, daß durch diese neue Abgrenzung im wesentlichen der materielle Rehtszustand aufrechterhalten wird, wie er 1833 in Preußen konstituiert wurde. Ih kann für die übrigen Bundeêregierungen eine gleihe Erklärung nit abgeben. In einem Theile der Bundesstaaten bestehen derartige Beschrän- kungen überhaupt nit, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese auch dem Antrag der Herren vom Zentrum zustimmen werden. In anderen Bundesstaaten bestehen dagegen viel weitergehende Be- \{chränkungen, als sie bisher in Preußer. bestanden haben, und ich muß diesen hohen Regierungen ihre Stellungnahme vorbehalten. Nach meiner perfönlihen Meinung kann das hohe Haus den Antrag an- nehmen, ohne daß daraus eine entscheidende Erschwerung für das Bürgerliche Geseßbuch entsteht.

Abg. Dr. von Bennigsen erklärt sch nach dieser Erklärung für

den Antrag.

Art. 86 wird mit diesem Antrag angenommen.

Ein aba iag der Sozialdemokraten zu Art. 94,

wonach die Pfandleiher niht mehr als 8 Proz. Zinsen nehmen

dürfen, wird abgelehnt.

Zu Art. 95, welcher bezüglich des Gesindes die Landes-

gesebgebung aufrecht erhält, beantragt Abg. Stadthagen die treichung; wenn diese nicht erfolge, 10 werde den Sozial-

demokraten damit ein gutes Agitationsmittel gegeben.

Art. 95 wird angenommen.

Zum Art. 134 liegt ein Antrag der Sozialdemokraten vor, daß über die Zwangserziehung die landesgeseglichen Be- timmungen aufrecht erhalten werden sollen : die Zwangserziehung oll aber nur aae werden auf Grund der orshriften es Bürgerlichen Ge ebbuchs, d. h. nah den Beschlüssen der zweiten Lesung, wenn ein Verschulden der Eltern vorliegt.

Ein Antrag des n Gröô C TLOAIE) will eine Zwangs- erniehung Pepe auer inder auch zugelassen wissen, wenn der Znhaber der väterlihen Gewalt damit einverstanden ist. Abg. Dr. Osann (nl.) erklärt si{ch im Interesse der Landes-

geseßgebungen gegen diesen Antrag, den

Abg. röber mit dem Interesse des elterl Nechts auf Ertbuna der Kinder reti f E

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Nieberding:

Wir Vertreter der Regierungen sind s{merzlich davon berührt gewesen, daß die Kommission in dem § 1643 des Bürgerlichen Geseßz- bus derjenigen Bestimmung nicht zugestimmt Hat, die dem Vor- mundschaft?geriht die Möglichkeit geben sollte, verwahrloste Kinder au in denjenigen Fällen der Zwangserziehung zu überweisen, in welchen von einem Verschulden der Eltern keine Rede sein kann. Wir waren der Meinung, daß es für die Frage der Zwangserziehung doch weniger darauf ankomme, wo die Schuld und die Ursache der Verwahrlosung der Kinder zu suchen is, als vielmehr auf die Thatsache, daß die Kinder verwahrlost sind, daß ein öffentliches Interesse für ihre Besserung im Wege staatlicher Fürsorge vorhanden ist. Um so mehr haben wir uns gefreut, als in der zweiten Lesung der Kommission do soweit eine Annäherung an den Standpunkt der verbündeten Res- gierungen erfolgte, als dort beschlossen wurde, wenigstens der Landesgeseßgebung die Möglichkeit zu bieten, über die Grenzen, die das Bürgerlihe Geseßbuchß zieht, hinaus auch in den- jenigen Fällen die Zwangserziehung verfügen zu lassen, in welchen ein Vershulden der Eltern oder vielmehr des Vaters nicht vorliegt. Ich gebe dem Herrn Abg. Gröber darin vollständig Ret, daß der Beschluß, der in dieser Beziehung zum Einführungsgesey von der Kommission gefaßt wurde, die Grenzen für die Befugnisse, die der Landesgeseßgebung übertragen werden sollten, etwas weit gefaßt hat. Aber, meine Herren, wenn das auch der Fall ist, so hätte vielleicht die Veran- lafsunng vorgelegen, in dem Beschluß der Kommission nah dieser Richtung hin eine Korrektur eintreten zu lassen, niht aber, wie der erste Antrag Gröber dies wollte, das landesgeseßlihe Recht, die Zwangserziehung der Kinder über den Rahmen des Bürgerlichen Geseßbuhs hinaus anzuordnen, ganz zu beseitigen. Dieser Antrag würde dahin geführt haben, daß in solchen Staaten, in welhen man bereits jeßt die Zwangserziehung verwahrloster Kinder im Wege des Landesrechts8 geordnet hat, eine weitreihende Zerrüttung der dafür geschaffenen Einrichtungen zu besorgen gewesen wäre. Nun mag man über diese Einrichtungen in den einzelnen Staaten noch foviel Klagen nah der einen oder anderen Richtung zu erheben berechtigt fein, die Klagen werden doch immer nur einzelne Beziehungen berühren, im Großen und Ganzen wird man troßdem zugeben müssen, daß die Einrichtungen zur Zwangserziehung, die auf Grund der landesre{tlihen Vorschriften getroffen worden sind, segensreich wirken. Nun hat der Herr Abg. Gröber ja nachträglih seinen Antrag geändert in einer Weise, die in gewissen, allerdings recht eng gezogenen Grenzen es der Landesgeseßgebung ermöglichen foll, eine Zwangserziehung au dort eintreten zu lassen, wo das Bürgerlihe Geseßbuch nah den Be- {lüssen der Kommission fie nit gestatte. Es werden in diesem Antrage zunähst die thatsählihen Vorausseßungen, unter denen das Kind sih befinden muß, sehr {arf begrenzt. Es wird zweitens an jede Anordnung der Zwangserziehung die Bedingung ge- knüpft, daß die Zustimmung des Inhabers der elterlißen Gewalt dazu gegeben ist. Es is nicht zu verkennen, daß in diesen Maßgaben eine starke Einschränkung derjenigen Befugnisse liegt, welhe durh den Beshluß Ihrer Kommission den Landesgeseßz- gebungen vorbehalten bleiben follten. Vom Standpunkte der ver- bündeten Regierungen aus kann ich deshalb prinzipaliter nur den Wunsch aus|sprechen, daß es dem hohen Hause belieben möge, beim Vorschlag Ihrer Kommission es zu belassen. Die verbündeten Re- gierungen werden bei der dritten Lesung darauf nicht zurückommen auf den Vorschlag, in das Bürgerliche Gesezbuh selbs Bestimmungen mit erweiterten Befugnissen für den Vormundschaftsrihter aufzunehmen. Aber den Wunsch können wir nicht unterdrücken, daß doch der Landes- gesehgebung nah dieser Richtung hin diejenige Freiheit in Zukunft erhalten bleiben möge, die ihr bisher wie ich glaube, im Großen und Ganzen zum Segen der betheiligten Interessen gewährt gewesen ist, Daß der jeßige Antrag Gröber ein Entgegenkommen enthält, erkenne ih wiederholt an, und es ift auch rihtig, daß er sich im Ganzen, nicht vollständig, mit der Geseßgebung deckt, die gegenwärtig in den Reichslanden besteht. Jh will nicht leugnen, daß, wenn nichts Anderes zu erreichen is, die Regierungen noch \{ließlich hiermit zur Noth vorlieb nehmen können, und daß dastjenige, was in dem Antrag ge- boten wird, noch immer besser ist als das Nichts, was die Kommission in ihrem Beschluß erster Lesung statuiert hatte. Selbstverständlich vermag ih eine abscließende Erklärung zu diesem erst vor wenigen Augenblicken in meine Hände gekommenen Antrag namens der ver- bündeten Regierungen niht abzugeben; ich meine aber: es ift das Aeußerste, was die verbündeten Regierungen würden konzedieren können, wenn das Haus sih nicht bestimmen lassen sollte, zu dem Vorschlag der Kommission zurückzukehren. Darin trete ich dem Herrn Antrag- steller bei, daß, wenngleich auf der einen Seite in der Förderung, daß der Inhaber der elterlilen Gewalt die Zustimmung zur Anordnung der Zwangserziehung gegeben haben muß, eine für die Verwaltung sehr fühlbare Beschränkung liegt, auf der anderen Seite doch eine für die praktische Verwaltung nicht zu unterschäßende Konzession darin zu finden ift, daß die einmal gegebene Zustimmung des Jnhabers der väter- lihen Gewalt nit wteder zurückgenommen werden kann. Damit ! "Zt die Verwaltung die erwünschte Selbständigkeit gegenüber den Launen und wehselnden Willenserklärungen des Vaters, eine Selbständig- keit, die sie haben muß, wenn sie in der That mit Segen und Erfolg die Erziehung des Kindes durchführen soll.

Ich resümiere mih also dahin, meine Herren, daß ih es vom Standpunkt der verbündeten Regierungen am liebsten sehen würde, wenn Sie es bei dem Beshluß Ihrer Kommission lassen wollten, daß aber nach meiner persönlihen Meinung aus der Annahme des berihtigten Antrags Gröber ein entscheidendes Hinderniß für das Ge- fezbuh nicht erwachsen wird.

Ie Abag, Dr. von Buchka und Dr. Enneccerus halten den Antrag Gröber nicht ee weitgehend genug. Die Fwanakezieinng

ttliÞ verwahrloster Kinder würde dadur von dem Beli der e abhängig gemacht. h

Der Antrag Gröber wird mit einer Aenderung B angenommen, daß zur vangternetang Leman

die Haben der Eltern niht erforderlih sein soll, wenn sie nothwendig ist zur Verhütung des völligen ichen derbens des Kindes.

Die übrigen Artikel des Einführungsgeseßes werden ohne Debatte gene mgt.

Damit ijt die zweite Berathung beendet.

Die Berathung der vorliegenden Resolutionen wird auf

Antrag des Abg. iherrn von Stumm bis dritten Lesung zurükgeste ne ) M