1896 / 185 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Aug 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Angekommen:

Seine Excellenz der Staatssekretär des Reihs-Marine- amts, Admiral Hollmann.

Nietamtkliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 5. August.

Von Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Erzherzog Karl Stephan von Oesterreich, à la suite der Kaiserlihen Marine, ist, wie „W. T. B.“ meldet, dem Fkommandierenden Admiral folgendes Telegramm zugegangen:

„Wollen Eure Excellenz für die ganze deutsche Marine den Ausdruck meines wärmsten Mitgefühls an dem Loose S. M. S. „Iltis“ entgegennehmen.“

Darauf ist von dem kommandierenden Admiral folgender telegraphishe Dank abgestattet worden:

„Surer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit sage ih im Namen der Marine unterthänigsten Dank für den Ausdruck der Cheilnahme anläßlich des Verlustes S. M. S. „Iltis“.

__ Der Kaiserliche Minister-Resident in Luxemburg, Legations- Rath Prinz von Thurn und Taxis hat einen ihm Aller- höchst bewilligten Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben fungiert der nah Luxemburg entsandte Attaché Graf Brockdorff-Rangzau als Geschäftsträger.

Der Königliche Gesandte in Dresden, Wirklihe Geheime Rath Graf von Dönhoff hat cinen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben fungiert der ectatsmäßige Legations-Sekretär der Königlichen Gesandischaft von Flotow als Geschäftsträger.

Der Präsident der Königlichen Eisenbahn: Direktion Berlin, Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Kranold hat Berlin mit vierwöchigem Urlaub verlassen.

Der Regierungs-Assessor Büchting zu Danzig ist mit der kommissarishen Verwaltung des Landrathsamts im Ober- westerwaldkreise Marienberg beauftragt worden.

Der Regierungs-Assessor von Alvensleben in Hannover ist bis auf weiteres der Königlichen Regierung zu Schleswig zur dievstlihen Verwendung Main und der Re- gierungs-Assessor von Blome dem Landrath des Kreises Höchst im Regierungsbezirk Wiesbaden zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.

Der mit der Verwaltung der Spezial-Kommission in Nieder- Wildungen beauftragt gewesene Regierungs-Assessor Nömer ist gestorben. Mit der weiteren Verwaltung der Spezial- Kommission in Nieder-Wildungen is der Gerichts-Affessor Reinhard beauftragt.

Bayern. __ Seine Königliche Hoheit der Fürst von Bulgarien ist gestern Abend von München nah Wien abgereist.

Oesterreich-Ungarn,

Der Kommandeur des XII. Armee-Korps (Siebenbürgen), FML. Galgoczy ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern früh in Hermannstadt gestorben.

Großb1itannien und Frland,

Das Oberhaus nahm gestern in allen Lcsungen die Finanz-Bill an. Bei der Einzelberathung der Bill, betreffend die Arbeiter in FJrland, beantragte Lord Arrau die Einfügung eines neuen Artikels, welcher bestimmt, daß eine lokale Untersuhung stattzufinden habe in den Fällen, in welchen gegen die Lokalbehörde Klage darüber geführt wird, daß sie Wohnungen an andere als an landwirthschaftliche Arbeiter vermiethe. Lord Ashbourne bekämpfte den Antrag und erklärte, die Annahme desselben würde die. ganze Vorlage zu Fall bringen. Der Artikel wurde gleihwohl mit 25 gegen 19 Stimmen angenommen.

Im Unterhause theilte der Parlaments-Untersekretär dès Aeußern Curzon mit, die Regierung habe von der Niederbrennung der Fianziskarerklöster zu YFenidje - Kale, Deongee und Nujuk-Deresi und von der Ermordung des Paters Salvatore durch 1ürkishe Truppen gehört; sie wisse aher nihts von einer Forderung, Mashau Bey, dessen Truppen Salvatore ermordeten, vor Gericht zu stellen; wahrscheinlich sei diese Forderung von dem Vertreter des Geburtslandes Salvatore’'s gestellt worden. Ferner erklärte Curzon, der britishe Konsul in Trapezunt habe berichtet, day die Türken von Niksar die Armenier am 20. Juni auf ein gegebenes Signal angegriffen, alle, denen sie begegneten, getödtet und ihre Häuser geplündert hätten. Der Vize-Konsul in Siwas habe am 22. Juli berichtet, daß keine Schritte erfolgt seien, um die Urheber der Unruhen zu be- langen. Der britishe Geschäftsträger in Konstantinopel werde darüber bei dem Sultan und bei der Pforte vorstellig werden.

Der Vize-König Li-Hung-Chang besuchte gestern Nach- mittag den Premier-Viinister Lord Salisbury und wurde auf dem Wege von dem Volk lebhaft begrüßt. Die Unter- redung dauerte, dem „W. T. B.“ zufolge, etwa eine Stunde; derselben wohnte nur der Dolmetscher bei. Der Vize-König besuchte dann das Oberhaus und das Unterhaus, wo cer sich mit dem Staatssekretär Chamberlain unterhielt.

Die „Daily Mail“ theilt mit, die Regierung habe auf Rhodes’ Anerbieten, nah England zurückzukehren und sich der gerichtlihen Untersuhung zu unterziehen, noch keine definitive Antwort ertheilt; cs sei jedoch kein Zweifel, daß die Regierung, nachdem juristische Autoritäten, welche sie konsultiert habe, den Gedanken eines gerichtlihen Verfahrens gegen Rhodes auf Grund der Foreign Enlistment Act für lächerlih erklärt hätten, jede Jdee einer gerichtlihen Verfolgung Rhodcs' auf- gegeben habe. Die Regierung sci der Ansicht, daß Rhodes ohne das Verdikt einer englishen Jury in der Lage sei, on Zeugniß vor der parlamentarischen Untersuhungs-Kommission zu verweigern.

Frankreich.

__ Vei der Ankunft des Präsidenten Faure in St. Malo, e wie bereits gemeldet, gestern früh erfolgte, wurde, dem

„W. T. B.“ zufolge, ein Jndividuum verhaftet, welches die Rufe „Nieder der Präsiden !/ „Hoch Orléans!“ „Hoch das Königthum!“ ausstieß. Nachmittags begab sich der räsident nach St. Servan, Dinard und anderen Orten, wo er überall von der Bevölkerung lebhaft begrüßt wurde.

___ Ueber den Schauplaß und Plan für die großen Herbst- übungen des XII. und XVII. Armee-Korps, welche unter der Oberleitung des Generals Cailliot stattfinden werden, berichtet „La France militaire“ Folgendes:

Das Manöôvergelände ist in der Weise gewählt worden, daß die Operationen von Magnac sur Touvre, 6 km östlich von Angoulême, beginnen und sih nördlih bis nach St. Mary, 10 km nördli von Larochefoucauld, quer durch den Wald de la Braconne erstrecken. Die Grenzen bilden eine Linie, weldbe von St. Mary westlich über Aigre nah Neuvicq im Kanton Matha, in die \üdöstliche Spitze des Departements Charente Inférieure verläuft; eine Linie, welche südlih bis nah St. Simon, 20 km westlich von Angoulôme, hinabgeht; der Lauf der Charente von St. Simon bis Angoulôme und der der Touvre von L'’Houmeau bis Magnac. Die Uebungen werden am 9. September anfangen und am 16. becntet werden. Die Schlußparade findet am 17., Morgens 9 Uhr, auf dim rechten Ufer der Charente in der Nähe von G neu 1 km weftlih von Champmillon statt; sie wird durch den Prä \i- denten der Republik abgenommen werden, welcher einem Theil der vorangehenden Uebungen zu Pferde beizuwohnen gedenkt.

Nach den Ergebnissen der leßten Volkszählung betrug die Bevölkerungszahl Frankreichs 38228969; sie über- steigt das Ergebniß der Volkszählung von 1891 nur um 133 819 Einwohner.

Rußland.

Durch einen heute veröffentlichten Kaiserlichen Ukas wird die Umbildung der administrativen und gericht- lihen Organisation des Gebiets des Schwarzen Meeres verfügt. Das Gebiet wird in eine neue Provinz mit dem Namen „Provinz des Schwarzen Meeres“ unmgebildet. Diese neue Provinz soll dem Ukas gemäß niht mehr von der Verwaltung des kubanshen Territoriums abhängen, sondern wird einen Theil Transkaukasiens bilden und eine Verwal- tung sowie einen Gouverneur wie die übrigen Provinzen Transkaukasiens erhalten.

Der frühere Präfekt von Moskau und von St. Petersburg, General-Lieutenant Koslow is zum General der Kavallerie befördert worden.

In TDomsk (Sibirien) is gestern der erste Zug der Transsibirishen Eisenbahn eingetroffen und von dem Gouverneur sowie anderen hervorragenden Persönlichkeiten feierlich empfangen worden.

Belgien.

Auf Befehl des Königs begeben sih, dem „W. T. B.“ zufolge, der Gouverneur von Lüttih Pety de Thozée und der Kommandant dcs Divistionsbezirks Lütitih, General van Alderwardt nah Wesel, um den Deutschen Kaiser daselbst am 7. August im Auftrage des Königs zu begrüßen.

Gestern wurde die Verhandlung im Prozeß Lothaire fortgescßt. Der Kommissar Wiener fuhr als Berichterstatter in der Verlesung einer großen Anzahl von Schrifl- stücken fort, welhe die Unterlage für das Gerichts- verfahren in Boma gebildet haben. Im weiteren Verlaufe befragte der Vorsißende den Angeklagten Lothaire über die Beweggründe der Verhaftung Stokes’, über den Kriegsrath, die Verurtheilung und Hinrichtung desselben. Der Angeklagte gab in seinen Antworten die allgemein be- fannten Einzelheiten wieder. Heute werden die Verhandlungen fortgeseßt.

Türkei.

Jn Macedonien wurden am 3. d. M., dem „W. T. B.“ zufolge, 200 Aufständische von einer 300 Mann starken Ab- theilung türkisher Truppen am Sarantaporos-Paß, zwei Stunden von Elasson, geschlagen. Die Aufjtändischen, welhe 12 Mann verloren haben, wurden ins Jnnere ge- tricben. Die aufständishen Abtheilungen unter Makris und Davelis wurden von 1209 Türken bei Katranitsa be- lagert; gester zogen sich die Belagerten gegen Sorovitsovo zurück. Dcr Führer Brofas ist zwischen Verria und Florina vollständig eingeschlossen.

Nach einer Meldung der „Daily News“ aus Athen vom gestrigen Tage ist der frühere Gouverneur von Canea, Hassan Pascha am 2. d. M. wieder in sein Amt eingeseßt worden. Am 3. d. M. verwehrten ihm auf einem Jnspeküonsritte mehrere Tausend Mohamedaner, welche sich um die Stadt herum zusammengezogen hatten, den Zugang; er wurde angegriffen, vom Pferde gerissen und s{chwer mißhandelt. Die chrisiliche Bevölkerung wurde von einer Panik ergriffen. Von Canea entsandte Truppen - stellten die Ruhe wieder her. Die christlihen Deputirten verlassen Canea: einige haben si wieder mit den Ausständischen vereinigt.

Rumänien.

Der König und die Königin sind nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Bukarcst gestern von Sinaja nach Ragahÿ abgereist.

Ameerika.

Aus Montgomery (Staat Alabama) berichtet „W. T. B.“ vom gestrigen Tage: Die Wahl für den Gouverneur- Posten ergab eine vermehrte demokratishe Majorität. Der demo- fratisde Kandidat Johnson siegte über den Kandidaten der vereinigten Populisien und Republikaner Goodwin. Die Republikaner fechten das Wahlresultat an mit der Behauptung, Stimmen von Negern seien unterdrückt worden.

Afien.

Nah einer Depciche der „Nowoje Wremja“ aus Wladiw o- st ok vom gestrigen Tage hätten Amerikaner die Konzession für eine Eisenbahnlinie Söul—Chemulpo und die Berechtigung der Ausnußung der Mineral - Reichthümer an dieser Linie, N die Konzession für eine Bahnlinie Ping-jang—Söul und Nußland die Berechtigung zur Ausnußung aller Goldgruben in der Provinz Chankion (?) von der koreanischen Negierung erhalten. Dieselbe baue die mit der chinesisch- russischen Telegraphenlinie zu verbindende Linie Söul—Ping- jang, um sich von der japanischen Linie Söul—Futshou un- Qin zu machen. Die russisch - inesishe Bank habe eine Filiale in Söul errichtet. Jn der Hauptstadt Söul herrsche

Ruhe. Das gelandete englische Marine-Detachement sei bereits zurücgezogen, das D werde in diesen Tagen zurück- gezogen werden, das russische sei vermindert worden.

Afrika.

Nach einer Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ aus Prätoria vom gestrigen Tage hat der Volksraad ein Gesetz angenommen, welches den Kindern von Uitlandern auf allen Goldfeldern Schulunterriht zusihert. Das Geseß tritt sofort in Kraft und bestimmt unter anderem, daß die Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden sollen. Der Volksraad ge- nehmigte ferner im Prinzip die Randmunizipien-Bill.

Entscheidungen des Reichsgerichts,

__ Der Rentier Sch. in S. (Holstein) hatte auf die Ehefrau seines Schuldners, des Landwirths F., unzüchtige Angriffe ge- macht, deren fie sich nur mit Mühe erwehren konnte. Auf ihre Vor- würfe bat Sch. um Verzeihung und bat ferner dringend, fie möchte ihn nicht anzeigen und weder ihrem Manne noch seiner Frau das Vorgefallene mittheilen. Als sie sich darauf nicht einlassen wollte, erklärte schließlich Sch., er wolle ihrem Manne alles erlassen, was er von diesem zu fordern habe, und ihnen auch font forthelfen. Gegen diese von thr ange- nommene Zusage versprach Frau F. Stillschweigen. Später klagte Sch. troßdem eine Schuldforderung von 4000 (4 gegen F. ein, welcher dagegen den erwähnten Erlaß des Kiägers geltend machte. In beiden Instanzen wurde der Erlaßvertrag für wirksam erachtet und dem- gemäß die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers, welcher eltend mate, daß der Erlaßvertrag ein unsittliher Vertrag fei, ob das NReichsgericht, 111. Zivilsenat, durch Urtheil vom 17. April 1896 das Berufungsurtheil auf und verurtheilte den Beklagten zur Zahlung der eingetlagten Forderung, indem es begründend ausführte : „Daß unsittlihe. Verträge ungültig sind, ist unstreitig; ob aber ein Vertrag als ein unsittliher anzusehen ist, läßt ih nit stets nach festen Regeln entscheiden, fondern häufig nur nah der Lage des einzelnen Falls und den zur Zeit maßgebenden Sittengeseßen des be- treffenden Volkes, sodaß auch die Einzelentsheidungen in den römischen Rechtsquellen für uns nicht unbedingt bindend sind. Der Richter muß die Ueberzeugung gewinnen, daß diese Sittengeseßze, die herr- schenden sittlihen Anschauungen, den Vertrag in so hohem Grade mißbilligen, daß troß der an sich bestehenden Vertrags- freiheit der Staat sich nicht dazu hergeben kann, dur seine Organe, die Gerichte, die getroffenen Vereinbarungen als verbindlih anzuerkennen und zu sck{üßen. Daß ih hierüber keine scharf beg! enzten Regeln aufstellen lassen, liegt, wie in ähnlichen Fällen, in der Natur der Sache. Es steht nun fest, daß dem Beklagten ein Net auf den Shulderlaß nicht zustand. Seine Ghefrau verwerthete die gegen sie gerihteten unsfittlihen Angriffe, indem sie fh ihr Stills(weigen abkaufen ließ. Daß fie nicht direkt für fich, fondern für ihren Ehemann diese Vermögensvortheile ver- sprechen ließ, kann keinen Unterschicd machen; infolge des ehel hen Verhältnisses kamen diese auch ihr zu gute, und ihr Ehemann handelte, indem er das Schweigegeld geltend machte, ebensowenig den guter Sitten entsprehend." (438/95.)

-— Wird ein Gemeindebeamter, welcher zu den nah § 56 Nr. 6 der Städteordnung für die östlihen Provinzen der preußischen Monarchie vom 30. Mai 1853 auf Lebenszeit angestelltcn Gemeinde- beamten gehört, troßdem vom Magistrat widerrehtlih, mit oder ohne Kündigung, aus feinem Dienflverhältnisse entlassen, fo ist, nah einem Urtheil des Neichêgerichts, 1V. Zivilsenats, vom 21. April 1896, diese Entlassung rechtlich wirkungöloes, der Entlassene bleibt Gemeindebeamter und bezieht sein Gehalt weiter, bis er aufhört, Beamter zu sein, insbesondere wenn er in den Ruhestand verseßt wird oder im Wege des Disziplinarverfahrens des Dienstes entlaffen werden follte. „Die Revision der beklagten Stadtgemeinde hat fich dagegen gerichtet, daß die Beklagte vom Berufungsgericht zur Zahlung des gegenwärtigen Diensteinkommens tes Klägers uneingeschränkt und ohne Zeitbegrenzung verurtheilt worden ift, und diefer An- griff ist als begründet anzuerkennen. Der Berufung®richter ift davon ausgegangen, daß das Rechtsverhältniß zwischen dem Kläger und der beklagten Stadtgemeinde infolge der Aufkündigung desselben von seiten der leßteren und der demhächst eingetretenen Entlassung des Klägers end- gültig aufgehoben fei. Dieser Auffassung ist niht beizutreten. Da der Kläger auf Lebenszeit angestellt und deshalb eine einseitige Auf- hebung des Dienstverhältnisses auf Grund eirer Kündigung, wenn solde auch stipuliert sein follte, ausgeschlossen ist, war die von der Beklagten vorgenommene Kündigung sowie die Entlassung des Klägers aus dem Dienste ohne rechtlihe Wirkung. Das Dienstverhältniß ist troy der Kündigung und Entlafsung recchtlich bestehen geblieben, und nur thatsächlich is insofern eine Aenderung eingetreten, als der Kläger von der Beklagten seit der Entlassung als Beamter nicht mehr beschäftigt wird. Der gegenwärtige Gehaltsanspruch von 85 4 monatli steht dem Kläger nur so lange zu, als das Dienstverhältniß unabhängig von einer unberechtigten Aufkündigung desselben von seiten der Be- flogten noch weiteren Bestand hat, der Kläger also Beamter der beklagten Stadtgemeinde bleibt. Der Anspruch fällt fort, wenn der Kläger aufhört, Beamtec zu sein, insbefondere wenn er in den Nuhbe- stand verseßt wird oder im Wege des ODisziplinarverfahrens des Dienstes entlassen werden follte“. (375/95.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltung8gerichts.

ODeffentlihe Flüsse im Sinne des Preußischen Allgemeinen Landrechts find, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 4. März 1896. diejenigen Flüsse, welche von Natur \chiffbar sind, soweit die Schiffbarkeit reiht, gleichviel ob thatsählich ein Schiffahrtsverkehr ftattfindet oder niht; natürliche Hindernisse, wie Felsen oder Stromschnellen, schließen die Schiff- barkeit aus, niht aber kürftlihe, nie Stauanlagen oder Brücken; endlich muß die Wassermenge zum Befahren nicht nur mit kleinen Kähren und Nachen, fondèrn mit zum Transporte von Saten oder Personen bestimmten Fahrzeugen aus- reihen, der Fluß muß als Wasserstraße benußt werden könzen. Dagegen genügt nicht die katastralische Bezeichnung eines niht- schiffbaren Flusses als „öffentlihes Gewässer“ zur rechtlichen Annahme der Veffentlichkeit tes Flusses. Ferner ist ein nichts{chifff- barer Fluß deshalb noh nicht als ein öffentlicher zu erachten, weil er mit großen verbundenen ' Holzflößen befahren Wb, die Flößbarkeit steht gesezlih der Sciffbar- keit ntcht glet. «Auf "die vom Kläger ‘n den Vorinstanzen vertretene, jeßt allgemein als rechtsirrthümlih anerkannte Ansicht, daß, wenn ein Fluß in seinem unteren Lauf \chifftar if, dies auch von feinem ganzen Oberlauf ge*ten müsse, ist Kläger in der Nepisionsinstanz niht mebr zurückgekommen. Aber auch die Ansicht, daß für die Frage der Schiffbarkeit und damit der Eigen- schaft eines Gewässers als öffentliher Fluß das Flößen mit ver- bundenem Holz dem Schiffsverkehr gleihstehe, muß in Ueber- einstimmung mit dem Vorderrihhter als unrichtig bezeihnet werden. Wenn § 38 Tit. 15 Th. 11 des Allgemeinen Landrehts unter dem Marginale „Begriff“ folhe Ströme, die von Natur \chiffbar sind, den im § 39 a. a.D. genannten Privatflüssen als Gegensaß gegenüber- stellt, so bietet dieser an sich En klare Wortlaut keinen Raum dafür, unter Schiffbarkeit irgend eine Art von Flößerei miteinzube reifen. Allerdings steht nach gemeinem Recht die Flößbarkeit der Schiffbar- keit aleid, und diescr Gruntfsay hat auch in dem Code civil Art. 538 sowie in verschiedenen deutshen Partikularrehten Ausdruck gefunden. Daraus folgt aber nichts für das,Preußische Landrecht .… ." (1V 412.)

Statistik und Volkswirthschaft. ie Ergebnisse der Berufs- und Gewerbezähl i L Medcklenburg-Schwerin. A

Von der großen Berufszählung des Jahres 1895 liegen nun auch die ersten Theilstücke für das Wee tbenetbns Mecklenburg-Schwerin

vor. Die Bevölkerung Mecklenburgs hat sich in den leßten Jahr-

zehnten weniger. stark vermehrt als diejenige der übrigen Bundes- staaten; am 1. Dezember 1871 zählte Mecklenburg-Schwerin 557 897,

am 5. Juni 1882 574993 und am 14. Juni 1895 606 459 Ein-

wohner. Im Gegensaß zu anderen deutschen Staaten weist Mecklen- burg-Swerin auch eine Abnahme in dem Ueberwiegen des weiblichen Geschlehts auf. Während 1871 noch 13 829 weiblihe Personen mehr als männlide gezählt wurden, ergab die Berufézählung von 1882 troy wachsenter Bevölkerung nur noch einen Ueberschuß von 7809 und die von 1895 sogar nur einen folhen von 5541 weiblichen Personen. Von Interesse ist nun der Antheil jedes der beiden Ge- chlechter bei den Erwerbsthätigen und bei den Angehörigen. Die Statistik giebt darüber fclgende bedeutungsbollen Aufschlüsse: Es

wurden gezählt s A männliche weiblide Verhältniß Erwerbsthätige, einschließlich E 186 048 70 366 100: 38

der Dienenden für hâäus- 1895 207374 83330 100: 40

le Dien s ra diebalue 8 97544 221035 44:100 HNSCHOLIE e * 11895 93085 222670 42: 100 Auch in Medcklenburg is also das weiblihe Geschleht an der berufs- mäßigen Erwerbsthätigkeit in erheblihem Maße betheiligt, wenn au nicht in so hohem Grade wie in Preußen, Sachsen und Württemberg. Aus der Nebeneinanderstellung der Zählungsergebnisse von 1882 und 1895 ersieht man ferner, daß das weiblihe Element in den leßten 13 Jahren im Erwerbsleben immer weiter vorgedrungen ist. Führt man die im Hausbalt der Herrschaft lebenden Dienstboten (1882: §83 männlihe und 22 187 weitlihe, 1895: 672 männliche und 22 036 weibliche) gesondert auf, fo glietert si die Bevölkerung des Groß- herzogthums Mecklenburg- Schwerin in Prozenten, wie folgt: 1871 1882 1895

Erwerbsthätige .. 30,39 40,58 44,19

LERCNDE e s LO/D6 4,01 3,74

NAINGeDOtIde . ., 0439 55,41 52 07

Es fällt sofort in die Augen, daß die Zahl der Erwerbsthätigen in den leßten Jahrzehnten bedeutend angewachsen ist, dagegen aber die Zahl der Dienenden für häusliche Dienste beträhtlib abgenommen hat. Die 1871 gewonnene sehr greße Zahl für häusliche Dienstboten ist aber zu einem guten Theil in dem Verfahren beim Klassifizieren, das von den späteren Bestimmungen abweicht, begründet. Damals zählte man auch andere Personen als häuslihe Dienstboten, z. B. „Dienende aller Art*, zu dieser Berufsstellung. Die Zahl der An- gehörigen ift seit 1882 kleiner geworden, es sind also die Familien- mitglieder mehr zur Erwerbsthätigkeit übergegangen.

Wie weit die Summe der Bevölkerung aus den einzelnen Berufs- abtheilungen hauptsächlih ernährt wird, ergiebt sh in Prozentsätzen unmittelbar aus der nachstehenden Tabelle. Von je 100 Einwohnern Mecflenburg-Schwerins gehörten an

1895 mehr

der Berufs-Abtheilung S LoS2 1890 Le

als 1882

A. Landwirthschaft, Forstwirth-

haft, Gärtnerei, Thierzucht,

Fischerei 52,01

. Bergbau und Hüttenwesen,

Industrie und Bauwesen . . 20,58 23,36

), Handel und Verkehr . . 064 S831

. Lohnarbeit wechselnder Art, häuslihe Dienste, niht bei der Herrschaft wohnend . .. 9,76

2, Militär-, Hofe, Staats- und Gemeindedienst, Gesundheits- pflege und sog. freie Berufs- arten G8 9099 060 0.01

F. Berufélose, Pensionäre 2c. 483 5,74 759 + 1,85 Demnach umfaßt in Mecklenburg-Schwerin keine andere der

großen Berufsabtheilungen, selbst zwei oder drei zusammengenommen, jo viele Personen, wie die Abtheilung A: Land- und Forstwirth- schaft 2. Dem landwi1thschaftlihen u. f. w. Beruf gehören, ein- \chließlich der Dienenden und Angehörigen, im Hauptberuf

48,74 %/a der Gefammtbevölkerung an, während die nächst große Abtheilung B: Industrie 2c. nur 25,74 9% ernährt. Aber auch in Mecklenburg sind, wie aus der vorstehenden Uebersicht ferner hervorgeht, die Zeiten vorüber, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung dem landwirthschaftlichen Berufe angehörte. Im Jahre 1882 war dies noch der Fall; damals umfaßte die Abtheilung A noch 52,88 9/9 der Gesammtbevölkerung. Seitdem geht der Antheil des im Landbau beschäftigten Bevölkerungstheils zurück, vielfa sinkt sogar desscn absolute Zahl, und der Antheil der übrigen Berufs- gruppen oder Abtheilungen mit Ausnahme von D: wechselnde Lohnarbeit und hâäuslihe Dienste wächst. Ein Vergleich der Antheile der Berufsabtheilung D an der Gesammtbevölke- rung in den Jahren 1871, 1882 und 1895 i} allerdings unsicher, weil die Grundsäße bei der Bearbeitung des statistischen Urmaterials seit 1871 nicht dieselben geblieben find. Ebenso erklärt sich auh die große Zahl der Perfonen der Berufsabtheilung E (Militär-, Hof-, Staats-, Gemeindedienst und sog. freie Berufsarten) im Jahre 1871. Die Vermehrung der von der Berufsabtheilung F (Berufslose, Pensionäre u. #. w.) umfaßten Personen in neuerer Zeit muß dagegen auh dann noch eine bedeutende genannt werden, wenn man die weitere Ausdehnung des Begriffs dieser Berufsabtheilung im Jahre 1895 berücksihtigt. Genauer ermittelt sind nämlih 1895 die ländlichen Altentheiler, hinzugekommen sind Empfänger von Alterês- und Invaliditätsrenten, nit bei den Eltern wohnende Schüler unter 14 Jahren, Pflegekinder u. \. w.

_ Die hier {ch offenbarende Entwickelung der wirthschaftlichen Be- völkerungsverhältnisse ist dieselbe, die wir in ähnlichen Proportionen bereits in Preußen; Sachsen und Württemberg beobachtet haben. Sie bedeutet für keinen Volkêwirth eine Ueberrashung; und {hon auf Grund der bis jeßt vorliegenden Bruchstücke der leßten deutschen Berufs- und Gewerbezählung darf behauptet werden, daß diese Ent- wickelung im ganzen Reich vor sih geht.

4,14

+ 1,88 + 1,34

0,94

Invaliditäts- und Altersversicherung.

Bei der Hanseatishen Versicherungsanstalt sid I. an Anträgen auf Gewährung von Renten eingegangen: a. an Altersrenten: im Laufe des Jahres 1891 1105, 1892 404, 1893 381, 1894 353, 1895 354 und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Juli 1896 204, zusammen 2801; þ. an Invaliden- renten: im Laufe des Jahres 1892 181, 1893 301, 1894 550, 1395 895 und in der Zeit vom 1. Januar bis- Ende Juli 1896 5C6, zusammen 2433; mithin \ind seit Beginn des-Jahres 1891 an Renten- anträgen eingegangen im Ganzen 5234, Von den Anträgen auf Alters- rente entfallen auf das Gebiet der freien und Hansestadt Lübeck 464, Bremen 603, Hamburg 1734 und von denen auf Invalidenrente auf das Gebiet von Lübeck 259, Bremen 770, Hamburg 1404. Von den An- trägen auf Altersrente sind bis Ende Juli 1896 erledigt 2779, und zwar 2419 durch Rentengewährung, 320 durh Ablehnung und 40 auf sonstige Weise. Von den Altersrenten-Empfängern sind inzwischen aus- gelhieden 939, von diesen sind verstorben 505. Von den Anträgen auf Znvalidenrente sind bis Ende Juli 1896 erledigt 2364, und zwar 1717 durh Rentengewährung, 563 durch Ablehnung und 84 auf e „Weise. Von den Invalidenrenten-Empfängern sind inzwischen ausge|hieden 469, von diefen sind verstorben 432. Auf die Gebiete der dre Hansestädte vertheilen si die noh im Bezug der Nente be- findlihen Personen folgendermaßen: Lübeck 314 Altersrenten,

145 Invalidenrenten; Bremen 407 Altersrenten, 470 Invaliden- renten; Hamburg 1163 Altersrenten, 642 " Invalidenrenten. Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 602 466,80 6 aus, von welchem Betrage 139 472 (A für die in- zwischen ausgeschiedenen Rentenempfänger abzuseßzen sind. Nach ten Berufszweigen vertheilen si diese 4136 Rentenempfänger auf folgende Gruppen: Landwirthschaft und Gärtnerei 265 Rentenempfänger, Industrie und Bauwesen 1763, Handel und Verkehr 774, sonstige Berussarten 342, Dienstboten 2c. 992 Rentenempfänger. I1. Anträge auf Nüerstattung der Beiträge sind eingegangen: a. Anträge gemäß § 30 des Geseyes: im Laufe des Jahres 1895 425 und in der Zeit bom 1. Januar bis 31. Juli 1896 1206, zusammen 1631; b. Anträge gemäß § 31 des Geseßes: im Laufe des Jahres 1895 83 und in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1896 202, zusammen 289; also auf Grund beider Bestimmungen im Ganzen 1916. Von diesen 1916 Anträgen entfallen auf das Gebiet von Lübeck 156, Bremen 455, Hamburg 1305, zusammen 1916. Davon find erledigt durh Rückzahlung 1505, dur Ablehnung 207, auf sonstige Weise 28, zusammen 1740, mithin unerledigt 176.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Aachen meldet ,W. T. B.“: Die Weber in der Tuch - fabrik Aachen, A tcengel elt Paft, haben die Arbeit wieder anfgenommen, ohne daß ihre Forderungen bewilligt wurden. (Val. Nr. 182 d. Bl.)

In Wahren bei Leipzig ist der „Lpz. Ztg.“ zufolge der Aus- stand der Holzarbeiter in einer dortigen Fabrik, der nur einige Tage dauerte, aufgehoben worden. (Vgl. Nr. 182 d. Bl.)

Aus Berlin berichtet die Berliner „Volks-Ztg.“ zum Aus- stand der Lederarbeiter und -Arbeiterinnen, daß von 30 bis 35 in Betracht kommenden Fabriken bereits 18 die e rungen der Gehilfen bewilligt haben follen. Die Fabrikanten hätten es aber abgelehnt, mit der Ausstandskommission zu verhandeln. Die Arbeit niedergelegt haben die Anschläger der Bauschlosserei von Gebr. Teey. In der Kistenfabrik von Nobert Engel ist einer Mittheilung im „Vorwärts“ zufolge wegen Lohnstreits ein Aus- stand ausgebrochen.

Aus Wien berichtet die „Presse“, daß am Montag sämmtliche Steinnußknopf-Arbeiter wegen Lohnstreits in den Ausstand getreten sind.

Aus Brüssel wird der „Frkf. Ztg." berihtet, daß der an- gedrohte allgemeine Ausstand der Anstreicher, Tischler und fonstigen Holzarbeiter (vgl. Nr. 182 d. Bl.) am Montag thatsächlich ausgebrochen ist. Die Zahl der Ausständigen beläuft {h auf 1500.

Kunst und Wissenschaft.

Ueker die Sonder-Aus stellung von Berolinensien des „Vereins für die Geschichte Berlins“ in der Heiliggeist- Kirche zu Alt-Berlin berihtet Dr. Brendicke in den „Mit- theilungen" des Vereins, wie folgt :

Der „Verein für die Geschihte Berlins“, der seit dem Jahre 1865 eine segensreihe Thätigkeit für die Erforshung der geschichtlichen Denkmäler der Stadt Berlin entwickelt hat, wollte auf der Gewerbe- Ausstellung nicht die Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne den Be- suchern der Ausstellung einen Begriff zu geben, wie reih an geschiht- lien Denkwürdigkeiten unsere Vaterstadt ist, und beschloß, m der m von den Unternehmern All «Berlins 41 diesem Zweck überlassenen „Heiliggeist-Kirhe“ eine Sonder-Ausstellung von Berolinensien zu veranstalten. Schwierigkeiten aller Art stellten sich dem Unternehmen in den Weg. Der Mangel voller Gewähr- leistung gegen Diebes- und Feuersgefahr, pietätvolles Zurückhalten alten Familienbesißes und ähnlihe Bedenken verhinderten vielfach einen \chnelleren Entschluß, und so kam es, daß dem Vereins8aus\huß erst allmählich die Arbeit unter den Hönden wuchs und das Vertrauen mit der Arbeitsfreudigkeit sich vergrößerte.*) Es liegen in 212 Num- mern der zweiten Auflage des von Dr. Brendicke verfaßten Katalogs über 600 Gegenstände von durchaus eigenartigem Interesse den Be- suchern und Freunten vaterländisher Geschichte vor. :

Die Büste des Protektors, Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, in Bronze von Börmel, und die des früheren Protektors, Seiner Ma- jeftät des Kaifers Friedri, in Bronze von N. Schweiniß aus der Gießerei von Gladenbeck u. Sohn sind neben den Bronzebüsten Kaiser Wilhelm?s I. von C. Keil und König Friedrich's Il. unter einem Thronbimmelan der langen Nordwand aufgestellt. Die Bronzegruppe, Der große Kurfürst“ von Schlüter, auf kunfivollem Piedestal, grüßt den Ein- tretenden, und die 10 ersten Kursürsten von Brandenburg sind längs der anderen Wände der Kirhe in Bronzestandbildern zu finden. Das Königliche Institut für Glasmalerei (Direktor H. Bernhard) hat zunächst durch Einfügung von gecigneten Darstellungen den hohen Fenstern einen herrlihen Schmuck verliehen. Aus dem städtischen Archiv zu Berlin stammen aht Original-Urkunden als Beispiele zum Berliner Schrift- und Urkundenwesen (von 1338 bis 1410). Eine Reihe von Belegen für die Entwickelung und Neubelebung der Stecher- und Holzschneidekunst in Berlin von Ioh. Fr. Gottlieb Unger jun. und Joh. Georg Unger (1715 bis 1788), fowie von Friedrich Wilhelm Gubiy (1786 bis 1870) sind ausgestellt vom Hofantiquar Mai und Direktor N. Walden. Aus der Medaillen-Sammlung des Vereins sind über 100 Glanzstüe, meist Porträt - Medaillen der berühmten Münzschneider G. L008, Brandt, C. Fischer, Jachtmann, ausgewählt. Medaillen auf Frei- maurer, auf Ereignisse aus dem Leben der französishen Kolonie, aus der Cholerazeit in Berlin u. a. finden fi hier în großer Zahl bei- sammen.

Eine Fülle von Oelgemälden, ferner Möbeln und Porzellanen, besonders Tassen mit Ansichten, aus älterem Berliner Familienbesißz zeigt, was der Berliner Bürger \sih pietätvoll von Geschlecht zu Geschleht aufbewahrt. Proben fsolher Erbftücke legen besonders in reicher Auswahl die Mitglieder Herren Paul Kühne und Erich Marquardt vor. Ersterer hat außerdem eine Orgel aus Eichenholz ausgestellt, die Friedrih der Große 1757 der böhmishen Brüder- gemeinde schenkte und die 1854 für 15 Thaler an den Gast- wirth Kühne _ verkauft wurde, jeßt aber infolge Gutachtens des bekannten Orgelbauers Dinse mit 1000 M versichert worden ist. Die große Zeit des Befreiungskrieges ist dur s{chöône Zeugnisse ver- treten, durch Eifenringe, Gestellungs- und Nequisitions|heine, durch das Ciserne Kreuz von 1813 und Proklamationen. Aus seiner über 2000 Blatt umfassenden Sammlung von Darstellungen aus dem vors- märzlihen Berlin von Th. Hosemann hat der Besißer, H. Schmal, nur einen Theil ausgestellt, ebenso Dr. Brendicke nur die interessantesten Aquarelle aus dem Nachlaß des verstorbenen Professors Robert Nabe. R

Den weitaus größten Naum nehmen natürlih die im Besiß des Vereins befindlichen Prospekte und Pläne von Schmettau, F. D. Shleuen, G. E. Müller, die Stadtansichten von J. Rosenberg u. A. ein. Die farbigen Blätter, Uniformen der preußischen Armee, ent- stammen meist den großartigen Saminlungen des Mitgliedes C. H. Goldschmidt, sowie die Proben zu „Berliner Wißen und Redens- arten“, die sich über 20 Katalognummern erstrecken. ;

Aber auch Fachmänner finden hier des Anziehenden und In- teressanten genug. Peter Walló stellt eine Gruppe von Porträts älterer Berliner Baumeister aus (I. A. Nering, f 1695, G. W. von Knobelédorf, 7 1596, C. von Gontard, + 1791). Von Berliner

*) Zur Vorbereitung dieser Ausstellung war unter dem Vorsitz des Herrn Rechtsanwalts J. Holz ein befonderer Aus\{huß eingeseßt. Derselbe besteht aus“ den Herren Dr. Bailleu, Dr. Brendicke, Dr. Clauswitz, Professor Ad. M. Hildebrandt, F. Lindenberg, Assessor Magnus, E. Marquardt, Hof - Photograph F. Alb. Schwarß, Pr. G. Bofß, N Walls, E. Winterfeld, Dr. Weiniß. Die Einordnung und Aufstellung der eingelieferten Gegenstände leiteten die Herren F. Lindenberg, E. Marquardt und Dr. Franz Weiniß. Diz Aus- arbeitung des Führers übernahm Dr. Brendicke.

Innungen haben Embleme, Fahnen, Laden oder Urkunden hierber geliehen die Shwertfeger-, die Buchbinder-, die Nadler- und die Siebmacher-Innung. An das Zeitalter Friedrih's des Großen erinnern die vom VWVerlagsbuhhändler Karl Sigitmund aut- gestellten messingenen NRauchtabacksdosen und die vom Re- gierungs-Affsessr G. G. Winkel geschmackvoll angeordneten seidenen ivat-, Sieges- und Frietenébänder, betreffend die Schlahten bei Krefeld, Zorndorf und den Hubertusburger Frieden. Spinnrad, Garnhaspel, Kommoden und vor allem der große roth- seidene Regenschirm, genannt „Stralauer“, 45 m im Umfang, versetzen jeden Besucher in die traulich stille Zeit vor 1840, und wer die Namen älterer Berliner Bürger aufsuhen will, findet dazu Gelegen- heit in den beiden Adreßkalendern von 1713 (178 Seiten) und 1796 (276 Seiten).

Der „geborene Berliner“ wird sih in dieser Sonder-Aus\tellung sicberlich wohl fühlen und fich gern früherer Zeiten erinnern oder bereit sein, die Erforshung derselben zu fördern und zu unterstützen. -

Zu Ehren des in München versammelten IIl. inter- nationalen Kongresses für Psychologie veranstaltete, wie „W.T. B.“ meldet, die Stadtvertretung gestern einen glänzenden Empfang 8abend im alten Rathhausfaale. Bürgermeister Brunner begrüßte die Gäste im Namen der Stadt und toastete auf die ausländischen Kongreßmitglieder ; n Nichet-Paris dankte im Namen der Gäste und feierte München als Stadt der Kunst und Wissenschaft, ihr glücklihes Gedeihen wünshend. Sodann sprachen Vertreter aller Nationen, darunter Professor Baldwin aus Princeton (Amerika), welcher die Bedeutung der deutschen Universitäten für die amerifanishen Studenten hervorhob, Pro- fessor Sidgwick im Namen der Engländer, Dr. Tokarsky-Moskau im Namen der Russen, Professor Flournoy-Genf im Namen der Schweizer. Professor Heymans-Groningen feierte die Stammver- wandtshaft der Holländer und Deutschen. Schließlich sprach Profcffor Saliger-Graz im Namen der Oesterreicher und faßte den Dank aller Nationen zusammen. Die Reden wurden mit großem Beifall auf- genommen. Das Fest verlief auf das angeregteste.

__— Der 27. deutf{che Anthropologentag wurde am Montag, den 3. d. M., im festlih geschmüdckten Saale des Stadt- fauses zu Speyer eröffnet. Den Hauptvortrag hielt der Vorsitzende, Geheime Medizinal - Nath, Professor Dr. Virhow aus Berlin über Neihengräber und über den Pithecanthropos, bas missing link, von dem der Holländer Dubois auf Java Spuren gefunden haben will. Nach der Meinung des Vortragenden gehören die Funde einer Affenart, dem Gibbon, an. Der bedeutsamen Rede folgten bewillkomm- nende Ansprachen. Der Regierungs. Präsident von Auer begrüßte die Anthropologen namens der staatlichen Behörden, Adjunkt Serr namens der Stadt Speyer, Professor Harster namens des „Historischen Vereins“, Medizinal-Rath Karsh namens des „Aerztevereins“. So- dann spra der Geschäftsführer, Gymnasial-Rektor Ohlenschlager, der die Rolle schilderte, welhe die Pfalz von den ältesten Zeiten her als Völkerpforte bei den Verschiebungen der Bewohnerschaft zwischen West- und Osft-Europa gespielt hat. Geheimer Nath, Professor Ranke- München gab einen kurzen Ueberblick über die literarishen Erschei- nungen des leßten Jahres auf dem Gebiet der Anthropologie, und Oberlehrer Weismann-München erstattete den Kassenberiht. Nach der Sitzung fand eine Besihtigung des Doms und des Judenbades ftatt.

Literatur.

aus den Königlich preußischen Staats- Archiven. 64, Band: M. Bär, „Die Politik Pommerns während des Dreißigfährigen Krieges.“ Leipzig, S. Hirzel, 1896. Pr. 14 # Die Geschichte Pommerns im dreißigjährigen Kriege bietet dasselbe Bild wie die der meisten anderen norddeutshen Territorien : nah außen Wehrlosigkeit, nah innen Zerrifsenheit und Auflösung. Fast ein Jahrzent blieb Pommern von der Kriegs8gefahr vershont ; erst als der Bandenführer Mansfeld von Wallenstein geschlagen, durch Brandenburg und Swylesien nah Siebenbürgen flüchtete, \hien {ih der Krieg den Grenzen Pommerns zu nähern. Um fich der Marodeure Mansfeld’'s zu erwehren, fuhte Herzog Boleslaw sein Land in Kriegsbereitshaft zu seten, aber feine Bemühungen blieben ohne Frucht und zeigten nur die große Shwähe der damaligen Staatsverwaltung. Die Be- rathungen über die aufzustellenden Mannschaften wurden endlos ver- \{chleppt, die Stände waren jeder Ausgabe zu militärishen Zwecken abgeneigt und fürchteten, durch energishe Vertheidigungsanstalten in den Krieg verwickelt zu werden; kurz, man kam zu keinem festen Ent- \{luß, und das Land blieb wehrlos. Die Hoffnung der Stände, die Neutralität des Landes erhalten zu können, erwies fich bald als eitel. Pommern war mitten zwishen Großstaaten gelegen ; von Süden her drängte die Habéburgishe Macht zum Meere, von Often suchte Polen Einfluß auf die Odermündungen zu gewinnen, und diesem wiederum trat Schweden entgegen. Schweden und Polen lagen bereits im Kriege, und da der Kaiser die Polen aus religiösen und politishen Motiven unterstüßte, so war auh ein Krieg zwischen diesem und den Schweden bevorstehend, an dem Pommern nothgedrungen theilnehmen mußte. Von beiden Seiten umworben, wünschte der Herzog dennoch neutral zu bleiben ; niht im stande, sfich der Bewerber mit Gewalt zu erwehren, suchte er sich durch Geldzahlung von allen Kriegsleistungen loszukaufen; die Verhandlungen gingen hin und her, bis endlih die Landung Guftav Adolf’s und seine Siege E für immer an die Seite Schwedens fesselten. Neue Verwicktelungen entstanden, als Herzog Boleslaw ohne Nachkommen starb (1637) und nun der Kurfürst von Brandenburg, gestüßt auf alte Erbverträge, Anspruch auf Pommern erhob, zunächst freilich vergeblih, da die Schweden Pommern faktisch besaßen und zu behalten gedahten. Die pommerschen Stände suchten zwischen den beiden Prätendenten zu vermitteln; fie s{chlugen vor, das Land e'nst- weilen unter eine \tändishe Negierung zu stellen, bis die \treitenden Parteien sih geeinigt hätten. Der Kurfürst von Brandenburg,

eorg Wilhelm, wies jedoch diefen durchaus loyal gemeinten Vorschlag als eine Verleßung feiner Rechte zurück, und nun seßten die Schweden, die dem Antrage der Stände geneigt gewesen waren, eine eigené Regierung ein, die bis zum westfälishen Frieden bestehen blieb. Hier wurde Pommern bekanntli getheilt; den größten Theil öftlich der Oder erhielt Brandenburg, der Rest fiel an Schweden. Pommern felbst übte auf scin Geschick keinen Einfluß aus; dieser Be- chluß, der feine Geschichte auf anderthalb Jahrhunderte hinaus be- stimmte, ward gefaßt von den in Münster und Osnabrück verhandeln- den Großmächten. Die vom Verfasser in großer Anzahl voll- ständig oder im Auszug mitgetheilten Aktenstücke enthalten vor- nehmlich Briefe des Herzogs Boleslaw und der pommerschen Regierung an die Herrscher von Schweden und Brandenburg und die Verhand- lungen auf den pommerschen Landtagen. G

ff. Publikationen

Land- und Forstwirthschaft.

Ernteaussichten in Schweden. 2 Die Nozgenernte hat begonnen und pern ein gutes Resultat. Weizen fteht vorzüglih. Gerste und Hafer haben dur lange Dürre etwas gelitten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrung®- Maßregeln.

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb während der Woche vom 19. bis 25. Juli troy der anhaltend heißen Witterung, die während des größten Theils der Woche herrshte (das Thermometer zeigte wiederholt 27,0 C. und darüber) ein relativ günstiger und die Sterblichkeit eine mäßig hohe, wenn man von dem bedeutend ver- mehrten Vorkommen von akuten Darmkrankheiten, namentlih

Bre e s absieht, die in erheblich gesteigerter Zahl (in 236 Fällen) zum Tode führten und die Sterblichkeitsziffer auf 23,1