1896 / 186 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Aug 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Dié bei der Dur{fsührung des Krankenversiherungsgesetzes ge- machten fe Lingen haben gezeigt, daß das Entstehen von Innungs- krankenkafsen häufig den Bestand der Ortskrankenkassen in Frage gestellt und zu einer Zersplitterung der Kräfte geführt hat, welche für beide Theile unerwünscht und der allgemeinen Entwickelung der Krankenversicherung nit förderlih war. Jn ähnlicher Weise kann das Entstehen eines Jnnungs- siedsgerihts zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Jnuungs- mitgliedern und ihren Gefellen zur Gefährdung des Bestandes der auf Grund des Geseßes, betreffend die Gewerbegerihte, vom 29. Juli 1890 (Reichs-Geseßbl. S. 141) errichteten Sovierbegeidte führen, deren Zuständigkeit dadur eine erhebliche Einschränkung er- fährt. In beiden Fällen wird daher von den Behörden die Frage, ob eine dieser JInnungseinrihtungen überhaupt zuzulassen ist, vorweg zu prüfen und die Entscheidung der zuständigen Behörde darüber herbeizuführen sein, ob der auf die Errichtung eines Schteds- gerichts oder einer Kasse abzielende Beschluß einer Innung genehmigt werden kann. i: ;

Wird diese Entscheidung, wie bisher, so lange aufgeshoben, bis das erforderlihe Statut der zur Genehmigung zuständigen Behörde vorgelegt ist, fo entsteht die Gefahr, daß die oft sehr mühsamen Vor- arbeiten und die Aufstellung und Berathung des Statuts in vielen Fällen vergeblih vorgenommen werden. Die Entscheidung wird nicht vor Anhörung der Gemeinde- und der Aufsichtsbehörde erfolgen können, im übrigen aber dem pfli&tmäßigen Ermessen der Behörde zu überlassen sein. Beides erscheint nothwendig, weil gegen Ein- rihtungen dieser Art Bedenken aus örtlihen Verhältnissen entstehen können, welche einer eingehenden Erörterung unter Mitwirkung der den Verhältnissen nahestehenden Lokalbehörden bedürfen und deren Einfluß auf die Entscheidung über Ertheilung oder Versagung der Genehmigung si gefeßlih nicht festlegen läßt, sondern dem Ermessen im einzelnen Falle anheimgegeben werden muß 86b Absayz 1).

Wird die Genehmigung ertheilt, so sollen, wie bisher, die für die beschlofsene Einrichtung erforderlihen Bestimmungen in Nebenstatuten zu- sammengefaßt werden, welche ebenfalls der nah pflihtmäßigem Ermessen der zuständigen Behörde zu ertheilenden oder versagenden Genehmigung unterliegen müssen, da au gegen die Regelung im einzelnen ähn- lie Bedenken wie bei der Frage, ob die Einrichtung überhaupt zuzulafsen sei, in Betracht kommen können. i

Die Vorschrift des § 86 b Absatz 2 des Entwourfs wird nah dem Vorgange des § 98e der Gewerbeordnung auch für solhe Kassen zu gelten haben, auf welhe die Bestimmungen des § 73 des Kranken- versihherungsgesetes keine Anwendung finden.

Die im § 86 b Absatz 3 vorgesehenen Bestimmungen entsprechen in ihren drei ersten Säßen dem § 100c der Gewerbeordnung.

Die bestehenden Innungen haben vielfach den Anschluß an die Innung von dem Eintritt in ihre Hilfskassen, insbesondere in die Sterbekafsen, abhängig gemacht; dieser Zwangécharakter der Kassen wird, soweit Krankenkassen für Gesellen und Lehrlinge in Frage kommen, entsprechend den Vorschriften des § 73 des Kranken- versicherungêgeseßes fortbestehen müssen, dagegen bei den übrigen S mit Rücksicht auf den nunmehrigen Zwangscharakter der

nnung in Wegfall zu bringen sein 86bþ Absaß 3 am Schlusse). Zu §8 86e bis 866.

Bei der Bedeutung, welhe die Innungsschiedsgerihte mit Nücksicht auf die ansehnlihe Erweiterung ihrer Zuständigkeit künftig gewinnen können, bedarf es einer Ausgestaltung der für sie bisher giltigen, wenig ershöpfenden Vorschriften, wobei in etner Rethe von Einzelheiten dem von felbst als Vorbild gegebenen Gesetze, betreffend die Gewerbegerihte, vom 29. Juli 1890 (Reichs-Geseßbl. S. 141) zu folgen sein wird. Einer näheren Begründung der hiernach in den S8 86c bis 86e R Ergänzungen wird es kaum bedürfen, da sie durchweg aus den gleihen Erwägungen hervorgegangen, welche durch jenes Gese als berehtigt anerkannt worden sind.

Da die Gesellen bei den Innungskrankenkassen Beiträge zu ent- rihten haben, so würden sie an si, entsprehend der Vorschrift des § 85c Absay 2 Ziffer 4, bei der Verwaltung dieser Kassen, abgesehen von dem Vorsitzenden, in gleicher Zahl wie die Meister zu betheiligen, dessen ungeachtet aber dcch in der Minderzahl sein, da die zur Be- stellung des Vorsißenden berechtigte Meistershaft in dessen Prien Über die ausshlaggebende Stimme verfügen würde. In einer solchen Regelung liegt, solange die Gesellen nah dem auch für Jnnungs- krankenkafsen geltenden § 51 des Krankenversicherungégeseßes zwei Drittel der Kassenbeiträge zu leisten haben, eine Unbilligkeit, deren Beseitigung dadur angestrebt werden foll, daß die Vorschriften des 8 37 und 38 des Krankenversiherungsgeseßes auf JFnnungskrankenkassen für anwendbar ertlärt werden, und zuglei bestimmt wird, daß bei diesen die Regel des § 85c Tou 2 Ziffer 4 nur dann platgreifen soll, wenn die Meister die Hälste der Kassenbeiträge aus eigenen Mitteln bestreiten. Allerdings bleibt au dann der Meisterschaft in der Person des Vorsißenden das Uebergewicht, do erscheint dies mit Rücksicht darauf gerehtfertigt, daß den Meisteru die im § 65 Absay 2 des Krankenversicherungsgeseßes vorgesehene Zuschußverbindlihkeit des Betriebsunternehmers zur Last fällt.

Einige der bestehenden Innungen haben die eigentlihe Verwaltung ihrer Krankenkafsen für Gesellen und Lehilinge den Gesellen überlafsen und sih damit begnügt, der Meiftershaft einen mittelbaren Ginfluß auf die Verwaltung der Kassen zu sichern. Diese Regelung hat nah den gemachten Beobachtunçen sehr wesentlich zur Annäherung der Gesellen an die Meisterschaft und zu einer Stärkung des Ein- vernehmens zwishen ihnen geführt. Es wird sih daher empfehlen, einer solchen Regelung auch für die Zukunft eine geseßliche Unterlage zu. gewähren 86f Absatz 1).

Hervorzuheben ist noch, daß nah dem Vorschlage des Entwurfs, entsprehend der Abänderung, welhe die durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 18. Juli 1881 geschaffene Rechtslage der Innungskrankenkassen durch § 73 Absay 2 des Krankenversicherungt- geseßes erfahren hat, niht nur die Gesellen (Gehilfen) und Lehrlinge, fondern auch die übrigen Arbeiter der Innungsmeister in den Kreis der Zugehörigkeit zur Innungskrankenkasse einbezogen werden sollen § 84a Ziffer 2), Wegen der Grweiterung der Zuständigkeit der

nnungsschiedsgerihte ist auf die Begründung zu § 84a zu ver-

weisen. Zu §8 87 und 87 a.

Die dur die Thätigkeit der Innung bedingten Aufwendungen werden von den betbeiligten Handwerkern aufzubringen sein, da für sie die Innung ein ihre Interessen wahrendes und die gedeihliche Fort- entwidelung ihres Standes förderndes Organ der Selbstverwaltung darstellt. Die Kosten, welhe dur die Gesellenvertretung erwachsen, würden zwar nach allgemeinen Grundsäßen den Gesellen zur Last fallen, jedoch wird aus Zweckmäßi een von etner Heran- ziehung derselben abzusehen sein. Der Betrag dieser Kosten wird voraussihtlich nicht groß und demnach der auf den einzelnen Gefellen entfallende Antheil äußerst gering sein. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Gesellen in ihrer Mehrzahl zur freiwilligen Leiftung selbst dieser geringen Beiträge bèreit sein würden; jedenfalls würde die in vielen Fällen erforderlich werdende zwangsweise Beitreibung Auf- wendungen erfordern, welche in keinem Verhältniß zu dem finanziellen Ergebniß stehen dürften. Bei dieser Sachlage werden auch die Kosten des Gesellenausshusses von den Innungen zu übernehmen sein, zumal die bestehenden Innungen folche Aufwendungen ftets freiwillig über- nommen haben und auch fonst von den Handwerkerkreisen vielfa an- erkannt worden i}, daß die Deckung dieser Beiträge eine natürliche P Meisterschaft sei. i

it der bisherigen Uebung ter Innungen, ihre Mitglieder unter- \scchiedlos zu einem für alle gleich hoh bemessenenu Beitragssatze heran- zuziehen, wird unbedingt gebrohen werden müssen. Abgesehen von threr Unbilligkeit, hat eine solhe Regelung das aus\{chlaggebende Be- denken gegen si, daß mit ihr eine ausreihende finanzielle Leistungs- fähigkeit der Innung nur äußerst selten zu erreichen ist, da mit Nück- B auf die geringe wirths{haftlihe Kraft zahlreiher Mitglieder die Zeiträge nur sehr niedrig bemessen werden könnten und deshalb in ihrem Gesammtergebniß nicht hinreihen würden, um den gesteigerten Anforderungen zu genügen, welche künftig an die Innung gestellt werden müssen. Der Entwurf \{chlägt daher im § 87 Abbe 1 eine Bestimmung vor, wona die Janungsbetiträge nah der größeren oder

eringeren Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe abzustufen sind.

en Maßstab für eine olche Abstufung würde, soweit eine Gewerbe- steuer erhoben wird, diese abgeben können, da bei ihrer Bemessung die Verschiedenheit der Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Nach welhen Anhaltspunkten im übrigen des näheren hierbei die Beitrags- stufen festgeseßt werden, etwa nah der Zahl der Hilfskräfte oder der Art der Erzeugnisse oder nach der O maschineller Cinrihlungen oder ihrer Zahl, muß bet der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse in den ver- schiedenen Gewerben der P na dur das Statut vorbehalten bleiben, nur sollen die Beiträge |o abgestuft werden, daß die stärkeren Betriebe in entsprehend höherem Maße zu den Beiträgen heran- gezogen werden als die {wäeren. A :

Wenngleih hierdurch ein ziemlich weitreihender Schuß gegen die Ueberlastung der kleineren Meifter gewonnen wird, so ist doch die Möglichkeit nicht ausgeshlofsen, daß felbst die Leistung geringer Bei- träge auf die Dauer für die wirtbshaftlih s{chwächeren Eristenzen drückend wird. Es empfiehlt sich daher, der Innung die Befugniß zu geben, von der Heranziehung folher Mitglieder zu Beiträgen Abstand zu nehmen, welche der Regel nah ohne Hilfskräfte arbeiten.

Die Abstufung der Beiträge nah der Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebs auch für die der Innung sich freiwillig anschließenden Perfonen erfolgen zu lassen, wird niht immer rathsam sein, da sich hieraus namentlich für die Inhaber von Fabrikbetrieben unter Um- fänden eine Belastung ergeben dürfte, deren freiwillige Uebernahme niht erwartet werden kann. Es muß daher der Innung überlassen bleiben, den freiwilligen Beitritt von Personen, auf deren Mitwirkung sie bei Erfüllung ihrer Aufgaben im eigenen Interesse Gewicht legen muß, dadurch zu erleihtern, daß sie die von thnen zu entrihtenden Beiträge ein für alle Mal in angemessener Höhe festseßt.

Die Erhebung von Eintrittsgebühren ist mit dem Zwangs- charakter der Innung unvereinbar; eine solhe für die freiwilligen Mitglieder zuzulassen, liegt, abgesehen von der Wahrung einer gleih- mäßigen Behandlung aller Mitglieder, kein Anlaß vor, zumal der der Innung daraus erwachsende Vortheil auch anderweit dur ent- sprechende Normierung der Beiträge dieser Mitglieder erzielt werden kann.

U S 07 U 4 und 5 wird der Innung der Fortbeftand eines ihr hon jeßt zustehenden Rechts (100bþ Absay 3 der Gewerbe- ordnung) gewährleistet.

Die Vorschrift des § 87 Absaß 6 des Entwurfs, daß Streitig- keiten wegen Heranziehung zu Beiträgen dur die Verwaltungsbehörde zu entscheiden sind, ist eine nicht abzuweisende Folge der Vorschrift des § 83c des Entwurfs, nah welcher dieselbe Behörde über die Frage, ob der Einzelne überhaupt einer Innung angehören muß, zu befinden hat.

Die Bestimmung des § 87a Absay 2 entspricht dem geltenden Necht und ift dem § 100 S L M Gewerbeordnung nachgebildet. Zu § 88.

Bei der Durchführung der Organisation, welche für Stadt und Land in gleiher Weise zu erfolgen hat, werden die Gemeindebehörden an fleineren Drten voraussihtlich nicht immer im stande sein, den an Bedeutung erheblich gewahsenen Aufgaben gerecht zu werden, welche die wesentlih veränderte Stellung der Jnnungen auch für den Kreis und die Art der Thätigkeit der Aufsihtsbehörden zur Folge hat. Es erscheint daher unter gleichzeitiger Berücksihtigung des Umstands, daß die Innungen ihre Thätigkeit der Regel nah doch nur auf kleinere räumlihe Bezirke zu beshränken haben und einen Selbst- verwaltungskörper von überwiegend örtliher Bedeutung darstellen, zweckmäßig, zu ihrer Aufsichtsbehörde abweichend von der bisherigen Bestimmung im §104 Absay 1 der Gewerbeordnung die untere Verwaltungsbehörde zu bestellen, zumal damit für große Theile des Reichs, wie z. B, für Preußen, der traditionelle und natürlihe Zu- sammenhang der Stadtobrigkeit mit dem städtishen Gewerbe in allen Gemeinden von einiger Bedeutung aufrecht erhalten werden kann, während andererseits für die Zentralbehörden der Bundesstaaten die Möglichkeit geschaffen wird, au andere Behörden als die Gemeinde- behörden mit der Aufsicht über die Innungen zu betrauen 155 Absatz 2 der Gewerbeordnung).

Der jetzige § 104 der Gewerbeordnung hat in der Anwendung in fo fern zu Zweifeln geführt, als entgegen der Absicht des Gesetzes zuweilen angenommen worden ist, daß sein Fnhalt durch die Einzel- befugnisse erschöpft sei, welche in den Absäßen 3 bis 6 a. a. O. auf- gezählt sind. Um hierin für die Zukunft Klarheit zu \{chafen, empfiehlt es sich, durch die Einfügung des Wortes „insbesondere“ in den Eingang des S 2 des § 88 des Entwurfs unzweideutig zum Auéêdruck zu bingen, day das Aufsihtsreht ungeachtet des Hervorhebens einzelner seiner Bestandtheile doch in vollem Umfang bestehen soll.

Die Vorschrift im Absayz 3 rechtfertigt sih durch die Erfahrung, daß Innungen, welche über ihr Vermögen zu Gunsten ihrer Mit- glieder verfügt hatten, fih hinterher weigerten, wegen Rückgewähr einer folhen geseßwidrigen Bereiherung klagbar zu werden, und die Gerichte die Beauftragten der Aufsichtsbehörde, welbe zur Vertretung der Innung bei der gerichtlichen Verfolgung dieser Ansprüche bestellt waren, als nicht legitimiert erachteten.

Zu 88S 88a und 88 þ,

Geht die Zahl der Mitglieder einer Innung derart zurück, daß die Erfüllung ihrer geseßlihen Aufgaben dauernd gefährdet erscheint, so wird die Innung durch die Behörde zu \{ließen sein. Die bis- herigen Mitglieder werden dann entweder einer anderen Innung zu- gewiesen oder dem Handwerksauss{huß unterstellt werden müssen.

Die im § 88a Absay 1 Ziffer 2 und 3 außerdem vorgesehenen Fälle, in denen die Schließung einer Innung zu erfolgen haben wird, entsprechen den Bestimmungen des bisherigen Rechts. 103 Absatz 1 Ziffer 2 und 3 der Gewerbeordnung.)

Für den Verbleib des nah Schließung der Innung und Lösung ihrer Berbindlichkeiten übrig bleibenden Vermögens i} in erster Linie die Ueberweisung an die bei der Innung bisher bestandenen Hilfskassen vorgesehen, um bur diese Art der Verwendung denjenigen Personen, welche mehr oder minder zur Ansammlung des Vermögens beigetragen haben, wenigftens mittelbar den Fortbezug der aus ihm erwachsenden Vortheile zu erhalten. Soweit die Ueberweisung an solhe Kassen nicht erfolgt, soll das Vermögen dem Handwerksausshuß als der Ver- tretung des lokalen Handwerks überantwortet werden, welcher darüber mit Zuftimmung der höheren Verwaltungsbehörde in einer den bisherigen Zwecken am meisten entsprehenden Art zu verfügen hat. Der Fortbestand der bei der Innung bisher vorhandenen Hilfskafsen ist aus allgemeinen Gründen erwünscht. Der Entwurf {lägt daher vor 88b Absfay 2), daß diese Kafsen in ihrem Vermögensbestande unberührt bleiben sollen, falls, was wohl die Regel bilden dürfte, ihnen die Fähigkeit, Träger eines Vermögens zu sein, beigelegt wird. Auf Innungskrankenkafsen, auf welhe die Vorschriften des § 73 des Krankenversicherungégesetzes zutreffen, soll diese Bestimmung keine An- wendung finden, da es nah dem Fortfall der Innung niht mehr erechtfertigt sein würde, die bisherigen Mitglieder der Jnnungs- rankenkasse derjenigen Krankenkasse noch ferner zu entziehen, der sie nah der Regel des Krankenversiherungêgeseßes anzugehören haben. Die erforderlihen Anordnungen können im Verwaltungöwege getroffen werden.

u §8 88e,

3 U Die Vorschriften dieses Paragraphen {ind im wesentlichen den Bestimmungen der §§ 47 und 48 des Krankenversiherungsgesetzes nachgebildet. :

B, Handwe1rksausf\chü)se.

S8 89 bis 90e,

Die Bildung und Zusammenseßung des Handwerksaus\{hu}ses, seine eule und Obliegenheiten und die e des Kom- missars der Aufsichtsbehörde sind bereits im allgemeinen erörtert worden. Die innere Einrichtung des Handwerksauss{hu}ses und seines Gesellenaus\hufsses, sowie die S e der Aufsichtsbehörde sind den gleihen Verhältnissen der Innung im wesentlichen nahgebildet.

Soweit der Handwerksaus\{chuß den einer Innung nicht an- gehörenden Handwerkern gegenüber die den Innungen für den Kreis

ihrer Angehörigen E E Aufgaben zu erfüllen haben soll, ift in dem Entwurf eine Beschränkung seiner Zuftändigkeit dahin vor-

gelchen, A der Handwerksaus|chuß zrwar die Vorschriften über das ehrling8wesen in den Betrieben der Nichtinnungömitglieder zu über- wachen hat, niht aber solhe Vorschriften ua nicht fsubsidiär, wie die Innungen 84 Ziffer 3 Absay 2), selbst zu erlassen befugt ist. Es beruht dies auf der Erwägung, daß die Regelung des

Lehrlingswesens mit Erfolg nur unter Mitwirkung der Genossen des- selben oder wentgstens verwandter Gewerbe vorgenommen werden kann, während es, namentlich in gewerbereihen Bezirken, niht wohl ausführbar erscheint, die Zusammenseßung des Handwerklsaus\chusses so zu gestalten, daß in demselben sämmtliche niht in Fnnungen zusammengefaßte Gewerbe des Bezirks vertreten sind.

Die von dem Handwerksaus\{huß freiwillig zu übernehmenden Aufgaben haben gegenüber den Befugnissen der Innung 84 a) durch § 89 Absay 2 eine Einschränkung dahin erfahren, daß ihm das Necht zur Grrichtung von Kassen, in welhen die Gesellen, Lehrlinge und Arbeiter der Versicherungspfliht nach Maßgabe des Kranken- versicherungsgefeßes genügen, sowie zur Errifikina von Stieds- gerihten niht zustehen soll, da anderenfalls die allgemeine Organisation der Krankenversiherung und der Gewerbegerihte dur die Loslösung aller Angehörigen des Handwerkerstandes in ihrer zweck- mäßigen Gestaltung und in den unerläßlihen Vorbedingungen für eine ersprießlihe Wirksamkeit empfindlih beeinträchtigt werden würde.

Gewisse nothwendige Aufgaben der Innung, wie das Herbergs- wesen und der Arbeitsnahweis, werden da, wo die Jnnungen nur eine geringe Mitgliederzahl aufweisen, mit größerem Nachdruck und besserem Erfolge in Angriff genommen werden können, wenn ih mehrere Innungen zur Herstellung gemeinschaftliher Einrichtungen vereinigen. Für eine solche Vereinigung bietet der Handwerksausshuß den natürlihen Träger dar. Im § 89 Absay 4 ist daher C S daß die Innungen berechtigt sind, den Handwerksauss{huß mit seiner A eis für folche gemeinsamen Einrichtungen an ihre Stelle zu seßen.

__ Die Lehrlingsstreitigkeiten bei der Innung sollen in Ueber- einstimmung mit der gegenwärtigen Gesetzgebung dur ein Organ der Innung zu entscheiden sein, dessen Mitglieder aus\chließlich der Meisterschaft angehören. Die Zusammenseßung findet ihre Recht- fertigung in der Natur dieser Streitigkeiten und in der Stellung, welche die Innung als Genossenschaft zu den ihr angehörenden Lehr- herren und Lehrlingen einnimmt. Immerhin kann namentlich bei Innungen mit geringer Mitgliederzahl bei den nahen Beziehungen der Innungsmitglieder zu einander leiht der Einwand erhoben werden, daß eine solche U na Le entscheidenden Innungs- organs die völlige Unparteilichkeit der Entscheidungen nicht genügend ficherstelle. Jn dieser Erkenntniß haben die auf Grund der gegen- wärtigen Geseßgebung bestehenden Jnnungsaus\hüsse 102 der Gewerbeordnung) darauf Bedacht genommen, die Entscheidung von N T Nies an Stelle der ihnen angehörenden Jnnungen zu übernehmen. ie hiermit gemachten Erfahrungen haben gezeigt, daß eine solche Regelung niht nur für das Gewicht der Entscheidungen nah außen hin vortheilhaft ist, sondern auch den Vortheil hat, daß die Ver- hältnisse, welhe hinsihtlich der Lehrlingshaltung bei den einzelnen Innungen bestehen, zur Kenntniß der Jnnungsaus\chüsse gelangen, denen damit die willlommene Handhabe geboten wird, wenn auch nur auf dem Wege gütliher Vorstellungen und durh Geltendmachung eines moralishen Drucks, auf die Betheiligten bessernd einzuwirken. Hier- nah empfiehlt es sich, auch dem Handwerksausschusse, dessen Zusammenseßung eine hinreichende Gewähr für ein sahgemäßes Ver- fahren darbieten dürfte, künftig die Möglichkeit zu geben, an Stelle der thm angehörenden Innungen die Entscheidung der Lehrlings- streitigkeiten zu übernehmen.

Die dem Handwerksauss{husse gestellten Aufgaben werden seine Geschäfte ziemlich umfangreich gestalten und inbeldnbere bei der Für- forge für die Ausbildung der Lehrlinge von Meistern, welhe einer Innung nicht angehören, ein erheblihes Maß von Geschäftskunde und einen niht unbedeutenden Aufwand von Zeit und Mühe erfordern. Es wird daher in manchen Fällen unbillig sein, den einzelnen Meister zur Uebernahme des Vorsißes im Vorstande des Handwerksausschusses zu verpflichten, da gerade in der Perfon des Vorsitzenden die Verantwortung für die Thätigkeit des Ausschusses zusammenläuft und die sih hieraus ergebende Geschäftslaft besonders umfangreih fein wird. Der Entwurf faßt daher die Möglichkeit ins Auge, dieses Amt dem Kommissar der Aufsichtsbehörde zu übertragen, bei dessen Auswahl Vorsorge getroffen werdeu kann, daß er im stande ist, sich den Obliegenheiten dieser Stellung mit Erfolg zu widmen. Da die Wahl des Vorsißenden der freien Ent- schließung des Ausschusses anheimgegeben ist, fo darf angenommen werden, daß der Kommissar, falls er zu jenem Amte gewählt wird, der Vertrauensmann des Ausschusses is und shon aus diesem Grunde cine Gewähr für eine ersprießlihe Geschäftsführung darbietet. Für diesen Fall ift es unerläßlih, beim Handwerksaus\husse dem Kommissar der Aufsichtsbehörde abweihend von seiner Stellung bei der Handwerkskammer 92) die vollen Rechte eines Vorstands- mitgliedes, also auch das Stimmrecht im Vorstande beizulegen.

Die Koften des Handwerksaus\chusses werden, entsprechend seiner Namen epana und feinen Aufgaben, zwischen den ihm angehörenden Znnungen und den thm fonst unterstehenden Handwerkern zu ver- theilen sein, doch läßt sih die Art, in welcher diese Vertheilung im Einzelfall billigerweise zu erfolgen hat, im voraus niht übersehen, da die Thätigkeit des Ausschusses von den Betheiligten niht in gleicher Weije und in einem ein- für allemal feststehenden Umfang in Anspruch genommen werden wird. Eine gemeinsame Wirksamkeit hat der S C nur als Organ zur Vertretung der gewerblichen

nteressen aller ihm unterstehenden Handwerker zu entfalten, außerdem aber können ihm die Jnnungen die Erfüllung einzelner ihrer Auf- gaben übertragen, während er gegenüber den zu Innungen nicht ver- einigten Handwerkern seines Bezirks die Rehte und Pflichten der Innung namentlih auf dem Gebiet des Lehrlingswesens wahrzunehmen hat. Welchen Kostenaufwand die einzelnen dieser Obliegenheiten be- dingen, und in welchem Maße dementsprehend der eine und der andere Theil der in Betracht kommenden Handwerker bei der Aufbringung des Gesammtbetrages der Kosten heranzuziehen if, kann nur unter Würdigung der Verhältnifse des Einzelfalls ermittelt werden. Es muß daher auf eine allgemeine geseylihe Vorschrift verzihtet und die Vornahme der Vertheilung dem verständigen Ermessen der Aufsichts- behörde überlassen werden, welhe deu Verhältnissen am nächsten fteht und durchaus unbetheiligt ift. Der Antheil, welcher auf die niht zu Innungen vereinigten Handwerker entfällt, wird in gleiher Weise wie die Innungsbeiträge aufzubringen und einzuziehen fein, während den Innungen überlassen bleiben kann, den ihnen auferlegten Betrag nah freier Vereinbarung unter sih zu vertheilen, sodaß die Entscheidung der Aufsichtsbehörde nur einzutreten hat, wenn. eine Vereinbarung nicht zu ftande kommt. 5 i

Sollte ein Handwerksausschuß \sich ähnliher Pflichtverlezungen As machen, wie sie im § 88a Absay 2 und 3 des Entwurfs be- eihnet sind, so wird zwar nicht, wie bei der Innung, die Schließung ndrwerksauss{chuß innerhalb der vorgesehenen Organisation nicht entbehrt werden kann, wohl aber wird seine Auflöfung und die Bornahme von Neuwahlen an- zuordnen sein.

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(Schluß in der Zweiten Beilage.))]

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 186.

Berlin, Donnerstag, den 6. August

1896.

T I A M KDOMCERE (Schluß aus der Ersten Beilage.)

C. Handwerkskammern.

Zu 88S 91 bis 95.

Die Handwerkskammer ift, abgesehen von anderen Aufgaben, zur Vertretung der Interessen sämmtlicher Handwerker ihres Bezirks und zur Regelung des Lehrlingêwesens berufen; für die Wahl ihrer Mit- glieder bieten sih daher als die natürlihen Wahlkörper die ihr an-

ehörenden Handwerksausshüsse dar, welche alle Handwerker ihrer Bezirke in sih vereinigen und in threr Gesammtheit die Zusammen- fassung des gesammten Handwerkerstandes innerhalb des Handwerks- fammerbezirks darstellen.

Dem Umstand, daß die im Bezirk einer Handwerkskammer vor- handenen Auss{hüsse vielfa in ihrer wirthschaftlichen Bedeutung und in der Zahl der thnen unterstechenden Handwerker von verschiedenem Gewicht fein werden, foll bei der Zusammenseßung der Handwerks- kammer durch eine diefe Verschiedenheit berücksichtigende Vertheilung der Mitglieder auf die einzelnen Handwerksaus\{üsse Rehnung ge- tragen und dabei auch darauf Bedacht genommen werden, daß den- jenigen Handwerken, welhe im Kammerbezirk besonders \tark vertreten und von hervorragender Bedeutung sind, eine entsprehend größere Bertretung in der Kammer gewährt wird. Eine hierauf abzielende Regelung kann jedoch nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse im einzelnen und daher niht dur Gesetz, sondern nur durch Statut er- folgen 91a Abjay 1). Derselbe Gesichtspunkt würde auch für die Zusammenseßung des Gesellenausschusses der Handwerkskammer maß- gebend fein müssen 92a Absay 2).

Ein sachverständiges Urtheil über die das Handwerk im Kammer- bezirk berührenden Fragen wird nur von denjenigen Personen zu er- warten sein, welche in diesen Bezirken ein Handwerk seit längerer Zeit selbst ausgeübt und dadurh die in Betracht kommenden Verhältnisse und Bedürfnisse aus eigener Anschauung kennen gelernt haben. Ebenso wird wenigstens der Regel nach eine ersprießlihe Mitwirkung bei der Regelung des Lehrlings8wesens nur von denjenigen Handwerkern zu erwarten sein, welhe den in dem vorliegenden Entwurfe für die Be- fugniß zur Anleitung von Lehrlingen aufgestellten Bedingungen ent- sprehen. Diese Erwägungen rechtfertigen die Vorschrift des § 91a Absay 4 Ziffer 3 und 4, nah welcher zur Handwerkskammer nur folche Personen wählbar sind, welche in ihrem Bezirk ein Handwerk seit mindestens drei Jahren betreiben und das Recht zur Anleitung von Lehrlingen besißen.

Die in den §§ 91 b (Zuwahl) und 91a (Bildung von Aus- \{chüssen) vorgesehenen Bestimmungen entsprechen den 889 und 12 des dem Reichstag vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Errichtung von Handwerkskammern (Drucksache des Reichstags Nr. 17, 9. Legislaturpertode TIV. Session 1895/96). Die Gründe, welche hierbei für die nah dem Vorschlage dieses Gesezentrourfs provisorisch zu errihtenden Handwerkskammern maßgebend gewesen sind, treffen auch für die Handwerkskammern des voriiegenden Entwurfs zu.

Was das Recht der Zuwahl anlangt, jo wird in der Begründung des Gesezentwurfs, betreffend die Errihtung von Handwerkskammern, ausgeführt :

„Es wird fich niht immer verhüten lassen, daß unter den ge- wählten Mitgliedern der Handwerkskammer Vertreter solcher Hand- werke fehlen, deren Vertretung durch ein oder mehrere Mitglieder wegen ihrer Bedeutung innerhalb des gesammten Handwerks des Be- zirks dringend erwünscht is. Ebenfo ist es niht ausgeschlossen, daß hin und wieder einzelne Orte und Bezirke, obgleih sie für die Ver- hältnisse des Handwerks von besonderer Wichtigkeit sind, bei den Wahlen zur Handwerkskammer ohne ausreichende Vertretung bleiben. In beiden Fällen würde in der Beseßung der Kammer eine fühlbare Lüdke entstehen; der Entwurf schlägt daher vor, die Handwerkskammer in den Stand zu seßen, diese Lücke durch die Wahl fachverständiger Personen auszufüllen. Das hiernach den Kammern beizulegende Kooptationsreht läßt sih dann zweckmäßig noch durch die Möglichkeit erweitern, au folche Personen als Mitglieder aufzunehmen, welche zwar dem Handwerkerstande nicht oder niht mehr angehören, fich aber dur besondere Sachkunde in Bezug auf die für die Interessen des Handwerks in Betracht kommenden Fragen auszeihnen . . . .“

„Aber auch dur ein solches Kooptationsreht wird es sih nit immer ermöglichen lassen, daß jeder einzelne im Kammerbezirk betriebene Handwerkszweig in der Handwerkskammer durch ein Mitglied oder gar durch mehrere Mitglieder vertreten wird; die Handwerkskammer würde daher niht wohl in der Lage sein, sich über die Verhältnisse des einzelnen Handwerks gutahtlich zu äußern und dessen besondere Interessen wahrzunehmen. Der Gntwurf {lägt deshalb vor, ihr die Befugniß zur Zuziehung von Sachverständigen mit berathender Stimme beizulegen; auf diesem Wege wird die Kammer in den Stand gefeßt, sh mit den Verhältnissen sämmtlicher in ihrem Bezirk ver- tretenen Handwerke vertraut zu machen und jede das einzelne Hand- werk betreffende Frage mit Vertretern der zunächst betheiligten Fach- genossen zu berathen." : ;

„Die Bildung besonderer Aus\hüsse“, bemerkt die Begründung zu § 12 des genannten Gesezentwurfs, „soll im wesentlihen dazu dienen, wichtigere Angelegenheiten, namentlih auh folhe, welche die Verhältnisse einzelner Handwerke betreffen, für die Berathung der Gesammtheit der Handwerkskammer im engeren Kreise vorzubereiten oder auch selbständig zu erledigen. Hierbei kann sich aus den oben dargelegten Gründen auh für die Ausschüsse die Nothwendigkeit ergeben, zu ihren Verhandlungen Sachverständige hinzuzuziehen.

Unter den Befugnifsen und Obliegenheiten, welhe nah dem Vor- schlag des § 91c Absaß 1 Ziffer 1 von der Handwerkskammer zur Pregouna des Lehrlingswesens wahrzunehmen find, kommen namentlich in Betracht :

R Erlaß näherer Bestimmungen über Form und Inhalt der Lehrverträge, : l

2) die subsidiäre Befugniß zur Festseßung der Zahl der Lehrlinge

130), Va

3) G Fellepung der Dauer der Lehrzeit 130a Absay 2),

4) die Entbindung von dieser Dauer im Einzelfalle, h

5) die Entscheidung über die Bea-standung von Beschlüssen der Prüfung8ausshüsse zur Abnahme der Gesellenprüfung dur den Vorfißenden 132). / ; i

Als weitere Verpflichtung der Handwerkskammer tritt die Bil- dung von Prüfunç CEAA binzu, welhe im Bereich der Zuständig- keit des Handwerksaus|chusses die Gesellenprüfung abzunehmen haben 88 131 und 13l1a). Diese Prüfungsausschüsse, welhe für die

nnungen von diesen felbst gebildet werden, wären für den Zuständigkeitöbereih des Handwerksautschusses an sich von diefem zu bilden; doch würde dies für viele von thnen kaum durchführbar fein, da innerhalb ières Bezirks einzelne Handwerke oft eine fo geringe Zahl von Meistern oder Gesellen aufweisen werden, daß dur deren Heranziehung der Bestand eines Prüfungsaus\chusses, wenn überhaupt möglich, f doh nicht hinreichend gesichert sein würde; dagegen darf angenommen werden, daß dieser Mangel in dem erbeblich größeren Bezirk der Handwerkskammer zu befonderen Schwierigkeiten kaum Anlaß geben wird. : i

Um der Handwerkskammer den ihr gebührenden Einfluß auf die Gestaltung der Verhältnisse des Handwerks ihres Bezirks zu sichern, ist den Behörden zur Pflicht gemacht, sie in dea auf diesem Gebiet liegenden wichtigeren Fragen gutachtlih zu hören 91c Absatz 2).

__ Um für die gedeihliße Entwicklung der im Bereich ihrer Zu- ständigkeit liegenden Aufgaben überall da, wo die Initiative der ört- lihen Organe nicht ausreiht, eintreten zu können, muß die Handwerkskammer befugt sein, innerhalb dieses MNahmens aus eigener Gntshließung Veranstaltungen zur Förderung der gewerblichen, technishen und sittlihen Ausbildung der Meister, Gesellen und Lehrlinge zu treffen, namentlich Fachshulen zu errihten und zu unterstüßen 91e Absay 3). Der leßteren Be- fugniß ist eine besondere Bedeutung beizumessen, weil die Unterhaltung von Fachshulen, welhe in ihrem Lehrplan und ihrer Einrichtung den gesteigerten Ansprüchen der Gegenwart entsprehen follen, der Regel nah namentlich in finanzieller Hinsicht eines kräftigeren Trägers bedarf, als die einzelnen Innungen oder Handwerksaus\chüsse thn dar- zubieten vermögen.

Mit Rücksicht auf den Umfang, welchen die Thätigkeit der Kammer voraussihtlih gewinnen wird, wird die ordnungsmäßige Erledigung ihrer Geschäfte den in ehrenamtliher Stellung fungierenden it- gliedern in der Regel nur zugemuthet werden können, wenn wenigstens die laufenden Arbeiten dur eine ges{chulte Kraft besorgt werden. In der dadur bedingten Anstellung eines Sekretärs wird zuglei das Mittel gegeben, für die Handwerkskammer einen hinreihend geshäfts- kundigen Beamten zu gewinnen. Die Wahl des Sekretärs wird der Kammer zu überlassen, jedoch für den Fall der Anstellung auf längere Zeit ihre Bestätigung durch die Behörde vorzuschen fein 91e. Abs. 1 Ziff. 5).

Die Anordnungen, weihe die Handwerkskammer zur näheren Negelung des Lehrlingswesens trifft, werden für die Lehrlings- verhältnisse von folher Tragweite sein, daß die Nahprüfung ihres Inhalts durch die Zentralinstanz niht entbehrt werden kann. Eine solhe Nachprüfung ist um so werthvoller, als sie die Möglichkeit ge- währt, die Verschiedenheiten, welhe in den Anschauungen der einzelnen Handwerkskammern voraussihtlich hervortreten werden, unter der Mitwirkung hervorragend fachverständiger Personen auszugleichen, und damit wenigstens für das Gebiet des einzelnen Bundesstaates zu einer möglichst einheitlichen Regelung gleihartiger Verhältnisse zu gelangen. Nach dem Vorschlag des Entwurfs 916. Absay 2) sollen daher die Vorschriften der Handwerkskammer zur Regelung des Lehrlings- wesens der Genehmigung der Landes-Zentralbehörde bedürfen.

Die Befugniß, wegen Zuwiderhandlungen gegen die von ihr er- lassenen Vorschriften Ordnungsstrafen zu verhängen, ist für die Hand- werkskammer nicht vorgesehen. Der Entwurf geht vielmehr davon aus, daß die Handwerkskammer sih der Innungen und der Hand- werksausshüsse als ihrer Organe zu bedienen hat 91 c Abs. 4), und daß hierdurh die Durchführung der von thr erlassenen Vor- schriften genügend gesichert is. Ueberdies würden der Handhabung eines Ordnungss\trafrehts dur die für räumlih auêgedehnte Bezirke berehnete Handwerkskammer auch praktishe Bedenken entgegenstehen.

Die Gründe, welhe die Bestellung eines amtlihen Kommissars bei dem Handwerksausschuß zweckmäßig erscheinen lassen, treffen in erhöhtem Maße bei der Handwerkskammer zu, da der Kreis der ihr zugewiesenen Aufgaben erheblich weiter reiht und die Bedeutung ihrer Thâtigkeit für das Gemeinwohl ungleih größer ift; der Kommissar wird im allgemeinen die Rechte eines Vorstandsmitgliedes haben müssen, aber des Stimmrechts entbehren können, da die Gründe, welche es zweckmäßig erscheinen lassen, dem Kommissar des Handwerks- ausschusses dieses Recht beizulegen, hier bei dem Vorhandensein eines Sekretärs zum wesentlihen Theil hinwegfallen 92).

Auch bei der Handwerkskammer wird für die Vertretung der Ge- fellenshaft gesorgt werden müssen. Die gegebene Unterlage dafür bilden die Gefellenausschüsse der Handwerksaus\hüfse des Kammer- bezirks, so daß aus der Wahl dieser die Mitglieder der Gesellen- vertretung hervorzugehen haben. Die Verfassung des Gesellenaus- usses wird das für die Kammer zu erlassende Statut näher zu regeln haben. Aehnlich wie bei der Innung und dem Handwerks- ausschuß ist dec Gesellenaus\chuß auch bei der Handwerkskammer an dem Erlaß von Vorschriften über die Lehrlingsverhältnisse, an der Regelung der Gesellenprüfung und folgeweise auch bei der Ent- scheidung über die Beanstandung von Beschlüssen der Ausschüsse zur Abnahme der Gesellenprüfung 132) zu betheiligen; ebenso selbst- verständlich is seine Mitroirkung bei Abgabe von Gutachten und Er- stattung von Berichten der Handwerkskammer über Angelegenheiten, welche die Verhältnisse der Gesellen und Lehrlinge betreffen, doch wird hier sein Necht zur Beanstandung von Beschlüssen der Kammer nit zur Anwendung kommen können und ihm ftatt dessen die Be- fugniß beizulegen sein, den Behörden eine selbständige Darlegung seiner Auffassung zu unterbreiten (§8 92a. und 92bþ.).

Die Kosten der Handwerkslkammer werden von der Gesammtheit der ihrer Zuständigkeit unterliegenden Personen, der Handwerker ihres Bezirks, zu tragen sein. Da diese Handwerker in den Handwerks- ausshüssen vereinizt find, wird es am einfachsten und zweck- mäßigsten sein, die der Kammer angehörenden Hanowerksaus- {üsse zur Aufbringung der Kosten zu verpflichten, welche von ihnen in Form der Besteuerung der ihnen unterstehenden Innungen und der diesen niht angehörenden Handwerker bei- gebraht werden können. Es wird sich dies umsomehr empfehlen, als die Heranziehung der einzelnen Handwerker dur die Handwerk83- kammer viel zu kostspielig und umständlih sein würde. Der Antheil, welcher auf die einzelnen Handwerksausshüsse entfällt, wird auch hier nah der Zahl und der größeren oder geringeren Leistungsfähigkeit der ihnen unterstehenden Handwerker abzustufen und daher niht dur das Gefeß, sondern dur das Statut zu bestimmen fein 92 c).

Zu § 95 a.

Einzelne Bundesftaaten haben durch Errichtung von Handels- und Gewerbekammnern oder von Gewerbekammern {on bisher ¿Ae eine Vertretung des das Handwerk mitumfafsenden Kleingewerbes Sorge getragen. Es wird daher rathsam sein, diesen Kammern auch im Rahmen der Organisation des Handwerks den Fortbestand in der Weise zu ermöglichen, daß sie die Handwerkskammer erseßen können, wenn sie in ihrer Zusammenseßung und ihren Organen den Voraus- seßungen genügen, welche ihre Eigenshaft als Vertretungékörper des Handwerks, und zwar sowohl der Meister wie der Gesellen, sicherftellen.

Der Abs. 2 dieses Paragraphen wird, mit Ausnahme vielleicht der Hansastädte, wohl nur für die Stadt Berlin von Bedeutung sein, deren kommunaler Bezirk vorausfihtlih einen felbständigen Handroerks- kammerbezirk und zugleich den Bezirk nur eines Handwerköausschusses darstellen wird; die Berliner Handwerkskammer würde daher aus der Wahl dieses einen Handwerksausschusses hervorzugehen haben und aller Wahrscheinlichkeit nah in der Mehrzahl fol.he Personen als Mitglieder aufweisen, welche zugleich Mitglieder des Handwerksaus- schusses sind, sodaß die Handwerkzkammer unter diesen Umständen sich auch äußerlih nuc als ein engerer Aus\{huß des Handwerkeausschusses darstellen würde.

D. Gemeinsame Bestimmungen.

Zu § 96.

Sgon bei der Durchführung der Novelle zur Gewerbeordnung vom 18. Juli 1881 ift es als ein Uebelstand empfunden worden, daß das Gesey die Bildung von Innungen, decen Bezirke ih auf mehrere Bundesstaaten erstreckten, niht ermöglichte und dadurch vielfach den Zufammenschluß von Handwerksgenossen verhinderte, welche durch die thatsählihen Verhältnisse auf eine gemeinsame Wahrnehmung threr Berufsinteressen angewiesen waren. Vieser Zustand würde eine erheb-

lihe Verschärfung erfahren, wenn es si{ch künftig um die Bildung von Handwerksaus{chüfsen und insbesondere von Handwerkskammern han- deln sollte, für deren Bestand und Wirksamkeit ein größerer räum- licher Bezirk unerläßlich, und die natürlihe Interessengemeinschaft der Betheiligten von besonderer Wichtigkeit sein wird. Man wird daher nicht umhin können, bei der neuen Organisation denjenigen Elementen welche an sich durch die Gleichartigkeit ihrer Bedürfnisse und durch örtlihe Vertheilung ihrer Unternehmungen unmittelbar auf einander gewiesen sind, den Zusammenshluß zur Vertretung ihrer Interessen zu ermöglichen, und dementsprehend - die Errihtung von Innungen, Handwerksaus\{chüssen und Handwerkskammern auch für Theile mehrerer Bundesstaaten zuzulassen. Für die Wahrnehmung der gegen- über solchen Organisationen den Behörden obliegenden Geschäfte wird der unter den betheiligten Bundesstaaten zu vereinbarende Ort ihres Sitzes als maßgebend hinzustellen sein. V6 u S 96b.

Die in diesem Paragraphen vorgesehene Bestimmung entspricht dem Inhalt des § 100 þ Abs. 1 der Gewerbeordnung; ähnliche Be- stimmungen finden \sih in den Arbeiterversiherungsgeseßen. Sie be- zwecken, den Mißbrauch geseyglich anerkannter Organisation zu un- geseßlichen oder fremdartigen Zwecken zu verhüten. Eine Ergänzung findet diese Vorschrift in den §§ 86 Abs. 3, 90c Abs. 1, 93 Abs. 1 und 96d Abs. 1.

Zu § 96e.

Als Träger dauernder Verpflichtungen bedürfen die Innungen, andwerksaus|chüsse und Handwerkskammern der juristischen Persön- ihkeit. Diese foll ihnen in derselben Form beigelegt werden, welhe in der neueren Reihs-Geseßgebung faft durchweg, für die bestehenden Innungen im § 99 der Gewerbeordnung, für die Kranken- kassen , Berufsgenossenshaften und Versicherungsanstalten zur An- wendung gekommen ist.

Zu § 964.

Das Recht der Innungen, Handwerksausshüfse und Handwerks- kammern, für die Benußung ihrer im Interesse der Betheiligten ge- troffenen Einrichtungen, wie Herbergen u. dergl, Gebühren zu erheben, darf niht so auëgeübt werden, daß diese Einrichtungen ledig- lih als Einnahmequellen zum Zweck der Herabminderung der Innungs- beiträge auêgenußt werden. Um dies auszuschließen, soll der Auffichts- behörde bei Bestimmung der Gebührensäße eine Mitwirkung ein- geräumt werden (Abf. 2).

Zu § 96e.

_Die Vorschriften dieses Paragraphen entsprehen den für die gei egen Verhältnisse zutreffenden Bestimmungen des § 40 des rankenversiherungsgeseßes. Zu § 96 f.

Die neuere Gesetzgebung is namentlich auf dem Gebiete der Zwangsversicherung mit Erfolg bemüht gewesen, für den Umfang der Leistungen, welche dem einzelnen Verpflichteten auferlegt werden dürfen, einen Höchstbetrag zu bestimmen, welcher der Regel nah wenigstens ohne Zustimmung der Verpflichteten niht überschritten werden darf (vergl. z. B, § 31 des Krankenversicherungsgeseßes). Es war dies möglich, weil sih hier überall ein Maßstab finden ließ, welcher, wie z. B. der ortsüblihe und der durhschnittliße Tagelohn, eine allgemein anwendbare und zugleich die besonderen Verhältnisse im einzelnen berüdsihtigende Norm für die zulässige Höchstbelastung darbot. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck, die Belastung der Verpflichteten in einem ngemetenen Verhältnisse zu ihrer Leistungs- fähigkeit zu bemessen, wird au bei der hier geplanten Organisation anzustreben fein, dieses Ziel kann indessen hier niht auf demselben Wege erreicht werden. Von einer Heranziehung nah Prozenten der Gewerbesteuer, welhe vielleiht als Auskunftsmittel in Betracht kfommen könnte, muß abgzeschen werden, da eine folhe Steuer nit überall erhoben wird, und selb da, wo “dies der B ift, gerade die kleineren Betriebe, deren Verhältnisse efondere Berücksichtigung verdienen, aber auch die meisten Schwierig- keiten darbieten, niht trifft. Im übrigen aber fehlt es bei den großen Verschiedenheiten in der wirthschaft- lihen Lage der einzelnen Handwerksbetriebe an jedem ob- jektiven Merkmale, nah welhem das zulässige höchste Maß der Be- steuerung allgemein bestimmt werden könnte. Unter diesen Umständen muß die Bestimmung genügen, daß der Haushaltsplan der verschiede- nen Körperschaften der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, wo- durch diese in den Stand geseßt wird, einer unbilligen Belastung der Betheiligten vorzubeugen. Andererseits muß, wenn ein der Ansicht des Entwurfs entsprehender angemessener Erfolg der Wirksamkeit der Innungen, Handwerksausschüsse und Handwerkskammern sichergestellt sein soll, dieselbe Behörde befugt fein, diese Organe auh wider thren Willen zur Beschaffung der Mittel, welhe zur Erfüllung ihrer geseßlichen Aufgaben erforderlih werden, anzuhalten. Be- {werden über die Anordnungen der Aufsichtsbehörde wird die höhere Verwaltungsbehörde, bei den Handwerkskammern die Landes-Zentral- behörde zu entscheiden haben (S§ F ag 6, 90d Abs. 2, 94 Abs. 2).

Zu § 96g.

Dieser Paragraph erfordert nah dem Vorgange der Gesetzgebung auf gleihartigen Gebieten die Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu Rech18geshäften, welhe für die wirthshaftlihe Lage der Innungen, Handwerksausscüsse und Handwerkskammern von besonderer Trag-

weite sind. Zu § 96h.

Die hier vorgesehenen Bestimmungen geben im wesentlichen die Borschriften des eßigen S 101 Absatz 2 und 3 der Gewerbeordnung wieder, deren Beibehaltung und gleichzeitige Ausdehnung auf die Verhältnisse des Handwerksaushusses und der Handwerkskammer rid den bei threr Anwendung bisher gemachten Erfahrungen unbedenkli

erscheinen. Zu § 96 i bis 97 c.

Die Bestimmungen dieser Paragraphen sind dem § 42 Absayh 1 des Krankenversicherungégeseßes und den §8 12 Absay 3, 15 Absatz 1, 18 und 19 Abfay 1 des Gesetzes, betreffend die Gewerbegerichte, vom 29. Juli 1890 R E nachgebildet.

Zu § 97 d,

Um den Innungen, Handwerksausshüssen und Handwerkskammern die der Absicht des Cntwurfs entsprechende Erfüllung ihrer Aufgabe, insbesondere eine wirksame Aufsicht über die Befolgung der für die Beschäftigung der Gesellen (Gehilfen), Lehrlinge und Ar- beiter und für das Lehrlingswesen geltenden Bestimmungen zu ermöglichen, {chlägt der § 97d vor, ihnen nach dem Vorgange der Unfallversicherungs8geseze das RNeht zur Bestellung von WBe- auftragten auédrücklich cinzuräumen, denen es insbe ondere ob- liegen foll, in den ihrer Einwirkung unterstehenden Betrieben die Befolgung der geseßlichen und statutarischen Vorschriften zu über- wachen und von der Einrichtung der Betriebêräume, der für die Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume, der Herbergen und des Arbeitsnachweises Kenntniß zu nehmen. Der Entwurf geht hierbei davon aus, daß in der Bestellung folher Beauftragten cine werth- volle Unterstügung der Gewerbeaufsichtsbeamten zu erblicken ist, zu- mal die Thätigkeit dieser Beamten, felbst bei einer erheblichen Ver- mehrung ibrer Zahl, im Hinblick auf ihre sonstigen Aufgaben eine solhe Ergänzung immer noch wünschenswerth erscheinen lassen würde.

Befürchtet der Betriebtinhaber aus der Revifion durch einen be- stimmten Beaustragten eine Schädigung seiner Geschäftsinteressen unter welch leßteren Begriff auch die Wahrung etwaiger Ge|chäfts-

geheimnisse fällt —, so soll ihm nah dem Vorbilde des § 83 des