1896 / 207 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 Aug 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Rentmeister bei der Steuerkasse in Orb, und dem Regierungs- Sekretär Trottner in Wiesbaden, früher Rentmeister bei der Steuerkasse in Montabaur, verliehen worden.

Ministerium der Ae en, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Am Sgullehrer-Seminar zu Drofsen is der bisherige kommissarishe Lehrer Techter als ordentliher Seminarlehrer definitiv angestellt worden.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Bekanntmachung.

Bei dem Berggewerbegeriht zu Dortmund ist vom 1. September d. J. ab an Stelle des Bergraths Kost ju S ngpau en dem Bergrath Kirstein daselbst und an Stelle des Ober-Bergraths Starke zu Dortmund dem Bergrath Pommer daselbst die kommissarishe Wahrnehmung der Ob- liegenheiten eines Stellvertreters des Vorsißenden übertragen und der Bergrath Kirstein zugleih mit dem Vorsiß der Kammer Recklinghausen, der Bergrath Pommer zugleih mit dem Vorsiß der Kammer Süd-Dortmund dieses Gerichts betraut worden. Berlin, den 28. August 1896. Der Minister für Handel und Gewerbe. Jm Austrage: Esfkens.

Dem Ober-Bergrath Starcke, bisher NRevierbeamter für das Bergrevier Süd-Dortmund, ist die Stelle eines technischen Mitgliedes bei dem Ober-Bergamt zu Dortmund übertragen worden.

Versegt sind:

der Nevierbeamte, Bergrath Matthiaß von Frank- furt a. O. nah Magdeburg,

der Revierbeamte für das Bergrevier Neunkirchen, Bergrath Pommer von Saarbrücken nach Dortmund, für das Bergrevier Süd-Dortmund,

der Nevierbeamte, Bergrath Kirstein von Magdeburg nah Reklinghausen.

Ernannt ist :

der Berginspektor Badewiß, bisher in Staßfurt, unter Beilegung des Charakters als Bergmeister zum Revierbeamten für das Bergrevier Frankfurt a. O.

Angekommen:

Seine Excellenz der Ministerial-Direktor im Ministerium r Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Wirkliche Geheime ath, Ober-Landforftmeister Donner.

Abgereist:

der Ministerial-Direktor im Ministerium für Landwirth- haft, Domänen und Forsten, Wirkliche Geheime Ober- Regierungs-Rath Sterneberg, nah Tirol.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 31. August.

Jhre Kaiserlihen und Königlihen Majestäten wohnten gestern Vormittag dem Gottesdienst in der Friedens- trie zu Potsdam bei.

Heute Morgen nahmen Seine Majestät der Kaiser die Vorträge des Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Naths Dr. von Lucanus und des Chefs des Militärkabinets, Generals von Hahnke, sowie später diejenigen des komman- dierenden Admirals von Knorr, des Staatssekretärs des Reichs- Marineamts, Admirals Hollmann und des Marinekabinets

entgegen.

Nachdem der zum Legations-Sekretär bei der Kaiserlichen Gesandtschaft in Lissabon ernannte Freiherr von Heingße- Weißenrode auf seinem neuen Posten eingetroffen ist, hat derselbe bis zur Rückehr des z. L beurlaubten dortigen Ge- sandten die Leitung der Gesandtschaft als interimistisher Ge- \häftsträger übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem- arine Direktor von Fischer ist vom Urlaub hierher zurück- geteHrt.

Haynau in Schlesien, 30. August. Seine Königliche e der Graf von Turin hat in den leßten Tagen den avallerie-Manövern in der hiesigen Gegend beigewohnt.

Sachsen.

Außer Seiner Majestät dem Kaiser werden, wie das „Dresdn. J.“ meldet, noch folgende Fürstlihkeiten zu der Parade am 3. September in Dresden cintreffen: Jhre König- lichen Hoheiten der Prinz Heinrich von Preußen, der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, die Prinzen Friedrih Heinrich und Foachim Albrecht von Preußen, der Graf von

urin, die Prinzen Ludwig, Rupprecht und Leopold von Bayern, Jhre Hoheiten der Herzog Johann Albrecht u Mecklenburg und der Hergog Ernst Günther zu B&leawig - Holstein sowie Jhre Durhlauchten der Fürst und der Erbprinz Reuß j. L.

Baden.

Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Erbgroßherzog wohnten gestern in Mosbach der Enthüllung des dortigen Kriegerdenkmals bei. Zum Schluß der Feier rihtete Seine Königliche Hoheit der Großherzog eine längere Ansprache an die Pre en in welcher er zu- nächst der Stadt seinen Dank für die Errihtung des Denk- mals ausfsprach und dann, wie „W. T. B.“ berichtet, etwa Folgendes sagte: „Bei der Betrachtung des chönen Denkmals denken wir an die große Gt welche durch dasselbe geehrt werden soll. Bei diesem Gedanken führt uns die Erinne- rung zu dem größten deutshen Mann, der uns als Vorbild

diente und noch vielen Generationen als Vorbild dienen soll. Jh kann Gott danken, daß es mir vergönnt war, den Moment zu erleben, in welchem König Wilhelm T. zum Kaiser aus- ge wurde. Jch darf es bezeugen, daß es wohl niemanden is dahin gegeben hat, der mit solher Demuth und mit solcher Hingabe rid der Aufgabe gewidmet hat, die ihm anvertraut wurde. Ja, in Demuth! Denn nur diese Eigenschaft ist es, die ihn jo A in der Masse all der An- wesenden. Er hat.die hohe Würde aufgenommen mit der Liebe, die in seinem Leben geherrscht, mit der Treue, mit der er {hon vorher regierte, und mit der Aufopferung, die er durch sein ganzes Leben bewährt hat. Diese drei Tugenden sind es, die Ubertragen werden sollen auf alle diejenigen, die an diesem Bei- e 4 erheben können und wollen. enn nur mit diesen

igenschaften wird etwas Gutes geschaffen, etwas Bleibendes zu stande gebracht.“ Der Großherzog schloß seine Ansprache mit einem dreimaligen, begeistert aufgenommenen Hurrah auf Seine Majestät den Kaiser Wilhelm Il.

Oesterreich-Ungarn.

Unter dem Vorsiß des Kaisers fand am Sonnabend eine Konferenz statt, an welher die gemeinsamen Minister, sowie drei österreihische und drei ungarische Minister theilnahmen. Die Konferenz dauerte zwei Stunden. Gestern Abend ist der Kaiser mittels Sonderzuges von Wien nah Grodek zu den Manövern abgereist.

_ Aus Anlaß der vorgestrigen Parade hat der Kaiser in

einem Armeebefehl seine besondere Zufriedenheit aus-

gesprochen; er sei äußerst erfreut über die besonders schöne

Hatung und das vorzüglihe Aussehen der ausgerückten ruppen.

Frankreich.

Die Rekrutirung vom Jahre 1895, durch welche dem Heere der im Jahre 1874 geborene, amtlich als Alters- [lasse 1894 bezeihnete Ersaß zugeführt ist, hat, der „France militaire“ zufolge, nah dem von dem Kriegs-Minister den Mitgliedern der Deputirtenkammer und den Senatoren mit- ees Bericht die nachstehenden Ergebnisse geliefert : „n den Loosungslisten standen \chließlich 3837 109 Namen. Von den in die ersteren aufgenommenen jungen Leuten stellten sih niht rund 9300, für untauglih zu jeder Art von Dienst wurden rund 27 700 erklärt, es blieben 309 476 übrig. Von diesen wurden zu einer dreijährigen Dienst- eit 163 121, zu einer kürzeren 47 445 ausgehoben; es waren ereits freiwillig eingetreten 31 599, zurückgestellt wurden 46 427, den Silfédiensizmeigen überwiesen 20776, als un-

, würdig ausgeschlossen 108. Es kamen hinzu 37 239 Zurück-

gestellte vom AELeno 1893, 19293 vom Jahrgang 1892: es schieden aus 7858 als Stüßen ihrer Familien, 3886, welche erst Franzosen geworden waren, nahdem sie das Lebensalter von 23 Jahren überschritten hatten, und es blieben \ließlich für das Heer 224 5385 Mann zur Verfügung, von denen 65 883 nur ein Jahr zu dienen hatten, 348 hatten gebeten, in die Marine eingereiht zu werden. Von diesen 224535 Mann wurden überwiesen: der Jnfanterie 155 745, der Kavallerie 21 120, der Artillerie 32960, dem Genie 6170, dem Train 4320, den Verwaltungstruppen 4220. Von denen, welche nur ein Fahr zu dienen haben, erhielt die Jnfanterie 53 863, die Artillerie 9280, das Genie 1830, der Train 1410. Weder lesen noch shreiben konnten 5,53 Proz., lesen, aber nit schreiben 1,68 Proz. Die Mittelgröße betrug 1,649m. Freiwillig in den Dienst getreten waren im Jahre 1895 30 885 Mann, davon 8838 in die Marine, 16593 in die Landtruppen im Mutterlande, 5454 in die Fremden-Regimenter und in die algerischen ein- eborenen Truppen. Es kapitulierten 477 Korporale, Briga- iers und Soldaten, 5750 Unteroffiziere, die Zahl der leßteren war um 2149 Kapitulanten höher als im Vorjahre. 15 737 Mann schieden wegen Dienstunbrauchbarkeit aus, in den Listen des stehenden Heeres wurden 104253 Mann gestrihen und der Reserve überwiesen.

Rußland.

Der Minister des Aeußern Fürst Lobanow-Rostowsky ist, nah ciner Meldung des W. T. B.“, auf der Reise von Wien nach Kiew plößlich gestorb en. Der Tod erfolgte im Eisenbahnwaggon in der Nähe der Station Kasatin. Weitere Einzelheiten a

Ftalien.

Die italienishe Regierung hat, der „Agenzia Stefani“ zufolge, beschlossen, wegen der Ablehnung des Pro- tokolls, welches die Reklamationen der Ztaliener enthält, sowie wegen der s{chwerwiegenden Vorfälle vor und nach der Ab- lehnung den früheren Gesandten in Brasilien de Martino in Spezialmission nah Rio de Janeiro zu ent- senden. Derselbe wird an Bord des Kriegsschiffes „Piemonte“ seine Reise ausführen und genaue, feste Instruktionen erhalten, um von der brasiliarishen Regie- rung alle für die Würde Jtaliens und den Schuß der Jtaliener nothwendigen Maßregeln zu erreichen, und zu verlangen, daß nah entsprehender Erledigung der jüngsten Reklamationen auch die älteren Reklamationen, auf welche sih das erwähnte Protokoll beziehe, der Erledigung zugeführt würden. Die Regierung hat ferner jede Auswanderung nah Brasilien verboten; nur den Auswanderern, welche sich bereits an Bord des Dampfers „Amerika“ eingeschifft hatten, wurde die Ab- reise gestattet, nahdem die Regierung sie auf die Gefahr ihres Unternehmens aufmerksam gemacht, ihnen Repatriierung und Unterstüßungen angeboten und den Schiffseigenthümer in formeller Weise verpflichtet hatte, die Auswanderer eventuell kostenfrei in die Heimath zurückzubringen, falls dieselben in Brasilien E werden sollten.

Die brasilianische Regierung hat durch ihren Ge- sandten der italienishen Regierung erklären lassen, daß sie sih eifrig damit beschäftigen werde, die Urheber der der italienishen Fahne zugefügten Beleidigungen zur Bestrafung zu ziehen. Die Regierung fei sih ihrer internationalen Pflich- ten vollkommen bewußt und verpflichte sich, keinerlei Attentat pegen die Jtaliener, welcher Art es auch sei, ungestraft zu assen.

Der Aviso „Galileo“ hat Befehl erhalten, als zweites Stationsschiff zur Verfügung der italienischen Botschaft nach Konstantinopel abzusegeln.

| Spanien. * Die spanische Regierung is, wie „W. T. B.“ er- fährt, entschlossen, auf den Pdióv init mit äußerster Energie einzuschreiten. Der in San Sebastian stationierte

Kreuzer „Jsabella“ erhielt Befehl, sofort nah den Philippinen abzugehen, ferner sollen in Cadix 1000 Mann Marine- Jnfanterie und in Barcelona 1000 Mann Jäger nach Manilla eingeschifft werden. Die philippinishe Kolonie in Madrid erhebt Einspruch gegen die Beschuldigungen des Separatismus.

Türkei,

Ueber die Unruhen in Konstantinopel wird dem Wiener „K. K. Telegraphen-Korrespondenz-Bureau““ aus Kons- stantinopel noch berichtet :

Eine Aktion war schon lange vorbereitet. Nach Aussage des Haupt- chefs, welcher die Ottomanbank beseßte, sowie aus anderen Beweisen und Anzeichen waren von dem Comité an verschiedenen Punkten der Stadt das Werfen von Bomben und Angriffe geplant, um einen allgemeinen Aufruhr berbeizuführen, doch ist dies aus unbekannten Ursachen unterblieben, Für die im großen Maßstabe gedahte Aktion ermangelte es wahrscheinlich an den ecigneten materiellen und persönlichen Mitteln. Viele Armenier Paiten im leßten Moment die ihnen zugewtesenen Aufgaben auf- egeben. In Wirklichkeit erfolgte nur der Angriff auf die Bank. Kerner wurde auf die Polizei aus vier Häusern in Galata geschossen.

ine Bombe wurde auf die Polizet-Direktion, eine zweite auf eine vom Selamlik kommende Abtheilung Militär in der Vorstadt Dasfaim geworfen, ohne daß die leßtere Schaden anrichtete. Ein Angriff erfolgte in Stambul auf das Haus Dschelal Beys und auf eine Schule in der Stambuler Vorstadt Psamatia und auf ein Wohnhaus am Goldenen Horn. Durch die Ereignisse wurde, so wie im Jahre 1895, die Erbitterung der Mohamedaner hervor- gerufen ; jedoch is erwiesen, daß die Polizei von dem bevorstehenden armenishen Gewaltthätigkeiten theilweise avisiert und vorbereitet war, da, kurz nahdem der Angriff auf die Ottomanbank bekannt geworden war, in den türkishen Stadtvierteln die Parole zur Verfolgung der Armenier ausgegeben wurde. Es begann dann eine fötmlide Nazzia bei Tag und Nacht gegen die Armenier. Sie wurden in den Straßen und Häusern niedergemeßelt. Nur in wenigen Fällen konnten die Maense ihr Leben retten. Bei den Plünderungen armenisher Geschäfte durch den mohamedanischen Pöbel sind dur Verwechselungen und dadurch, daß viele Geschäfte armenische Wärter und Angestellte haben, auch einzelne fremden Unterthanen gehörige Geschäfte und Bureaux zerstört und geplündert worden. Ven ösfter- reichishen Geschäften wurde nur in der Möbelhandlung von Radi- milovic für 100 Pfund an Waaren zerstört; ferner wurde dur

lintenshüsse auf den armenishen Wärter in der Großhandlung von

zerny unbedeutender Schaden angerihtet. Jn der Kolonialhandlung von Gwozden ist ein kleiner Kassabetrag geraubt worden. Die ösfter- reichischen Kaufleute bestürmen in ihrer Angst das Konsulat um Ge- währung von Schutz. Die österreichischen Geschäfte sind darauf der Polizet bezeihnet worden und werden theilweise von Militärposten be- wacht. Der Marschall Schakir Pascha, der Chef der Militärkanzlei des Sultans, entsprah allen Wünschen des Konsulats. Viele Oester- reiher und andere fremde Kaufleute hißten Flaggen auf. Weitere Maßregeln sind seitens des Konsulats nicht getroffen worden, da die Lage sih zu beruhigen scheint. Das Kriegs- und das Marine- Ministerium haben Tagetbefeh!e erlassen, worin die zur Unterdrückung der Unruhen verwendeten Truppen ermahnt werden, den Aus- schreitungen energisch entgegenzutreten und sich nit an denselben zu betheiligen.

_Jn dem Telegramm, welches die Vertreter der Mächte am Freitag nach ihrer Konferenz an den Sultan richteten und welches in energishem Ton abgefaßt ist, erklärten dieselben, dem „Reuter'shen Bureau“ zufolge, sie wendeten si direkt an den Sultan, als das Staatshaupt, im Namen ihrer Re- gierungen, damit er das Ende der Greuel veranlasse, welche mehrere Vertreter der Mächte, sowie einige Mitglieder der Bot- schaften mit eigenen Augen gesehen hätten. Jn dem Telegramm wird ferner die Verleßung und Plünderung der Wohnungen fremder Staatsangehöriger durch die mohamedanisheBevölkerung bei der Suche nach Armeniern erwähnt und auf die ernsten Folgen aufmerksam gemacht, welche aus einem derartigen Stand der Angelegenheiten erwachsen könnten.

Der „Standard“ berichtet aus Konstantinopel vom 29. d. : Der Sultan habe ein Jrade erlassen, worin erklärt werde, daß die Regierung keine Verantwortung für ein Geschäfts- haus, bei dem Armenier angestellt seien, übernehmen könne; vermuthlih infolge dessen sei die Ottomanbank von innen verbarrikadiert worden.

Die Pforte soll den Eisenbahnverwaltungen befohlen haben, für die fremden Angestellten türkische Unterthanen einzustellen. Die Ost-Eisenbahnen weigerten sich, dies zu thun, und drohten, den Betrieb einzustellen.

Nach einer Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ aus Saloniki wären dort am Freitag drei Hotels, mehrere Häuser und Läden in Lamm aufgegangen. Der Verlust werde auf 35 000 Pfd. Sterl. geschäßt.

Amilih is ein Schreiben des Verwesers des armenischen Patriarhats an den Großvezir ver- breitet worden, worin ersterer das Vorgehen der revolu- tionären Armenier im eigenen und im Namen der Nation ver- urtheilt und die strengste Bestrafung wünscht, damit erwiesen werde, daß die loyale armenishe Bevölkerung den revolutio- nären Umtrieben fernstehe. Gleichzeitig wird die Veröffent- lihung desselben im ganzen Reich verlangt.

Eine amtliche Bekanntmachung verbietet infolge der leßten Ereignisse bei der heutigen Jllumination anläßlih der Feier der Thronbesteigung des Sultans Aufzüge in den Straßen und Feuerwerk, damit keine Panik entstehe.

Aus U erfährt die „Agence Havas“, siheren Mit- theilungen zufolge enthalte der von dem Sultan unterzeichnete Ferman, welcher die Lösung der kretischen“ ag bringe, folgende hauptsächlihsten Bestimmungen: Einsezung einer christlihen Regierung auf 5 Jahre unter der Garantie der Mächte mit einem Veto gegenüber den Beschlüssen der Nationalversammlung, ohne indeß die p rechte des Sultans zu berühren; wirthschaftlihe Un- abhängigkeit der Insel mit einem jährlihen Tribut; Reorganisation der Gendarmerie; Maßregeln, welche die Ver- tretung der Rechte der Minorität festseßten. Ferner befänden sich unter den den Kretern gemachten Zugeständnissen: Unab-

ängigkeit der Gerichte in Streitigkeiten unter eingeborenen retern, sowie die Vereinigung der Zivil- und Militärgewalt in den Händen des General-Gouverneurs. Außerdem werde die Verwaltung von Kreta ermächtigt, von allen nah Kreta aus den anderen Theilen der Türkei eingeführten Waaren cinen U agen von 3 Prozent zu erheben, Mes Ertrag aus- chließlich zur Schadloshaltung der durch die pen Wirren Geschädigtea dienen solle. Diese Hugesanbn Ne ollen jedoch erst dann in Kraft treten, wenn die Aufständischen die Feind- seligkeiten eingestellt haben.

Die Konsuln in Kanea haben die christlichen Deputirten zu DA berufen und ihnen erklärt, daß sie bereit seien, ihnen die Entscheidungen der Mächte und der Pforte, betreffend die kretishen Reklamationen, mitzutheilen. Die Konsuln haben jedo verlangt, daß der Rest der christlihen Deputirten unverzüglich nach Kanea komme. Die Deputirten, welche sich noch in Athen aufhalten, sind eindringlich auf-

gefordert worden, nah Kanea zurückzukehren, und haben sih entschlossen, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

eber weitere Ausschreitungen auf Kreta liegen folgende Mittheilungen aus Athen vor:

Da die Haltung der Mohamedaner in Kandia immer drohender werde, ziehe der Gouverneur eine Verstärkung von zwei Bataillonen in die Stadt; er habe Befehl gegeben, im Nothfall mit Gewalt vorzugehen. In der Provinz Selin os seßten die Mohamedaner die Feindselig- keiten fort; sie seien fürzlih in dem Gefeht von Apopighadi zurückgetr ieben worden. In dem Dorfe Platania, in der Nähe von Kanea, hätten die Mohamedaner 8 Personen getödtet, 5 nerwundet, einige Gebäude in Brand gesteckt und die Kirchen entweiht. In Hera kleion hätten die Mohamedaner den Metrovoliten bedroht, welher die Re-

ierung um Hilfe ersucht habe. Der Gouverneur Abdullah Pascha Pabe ein starkes Detahement Gendarmerie nach dem bischöflichen Palast gesandt, jedo erklärt, er übernehme keine Verantwortung.

Serbien.

Die in auswärtigen Blättern verbreiteten Gerüchte von einem bevorstehenden Wechsel in den serbischen Ge- sandtenposten sind, wie „W. T. B.“ aus Belgrad erfährt, unrichtig.

Montenegro.

Zu Ehren des Prinzen von Neapel „und der Prinzessin Helene fand gestern in Cetinje im Palast des Fürsten ein Festmahl statt, an welchem alle Staatswürdenträger theilnahmen. Der Fürst brachte ein Hoch auf den König und die Königin von Jtalien sowie auf den Prinzen von Neapel und auf das italienische Volk aus; der Prinz von Neapel erwiderte mit einem Trinkspruch auf den Fürsten und die Fürstin sowie auf die Prinzessin Helene.

Amerika.

Der Vize-König Li-Hung-Chang ist am Sonnabend von dem Staatssekretär dem Präsidenten Cleveland vor- gestellt worden.

Die Ruhe im Staate San Paolo ist, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, völlig wiederhergestellt, dank der Haltung des Präsidenten Campos Salles, eines ehemaligen Senators gemäßiater Gesinnung, dessen Klugheit und Festigkeit allgemein anerkannt werde. Dagegen herrschte vorgestern in Rio de Janeiro noch große Erregung gegen die JZtaliener. Die Regierung hat strenge azregeln ergriffen, um Ruhestörungen zu verhindern. Nach einer dem „New-York Herald“ zugegangenen Depesche aus Nio de Janeiro von gestern hätten die dortigen Zeitungen Artikel veröffentliht, welhe in freundliherem Ton gegen Ftalien gehalten seien. Man glaube, daß die Ausschreitungen gegen die Jtaliener ihren Höhepunkt überschritten hätten.

Die „Times“ erfährt aus Rio de Janeiro, der Präsident habe die Demission der Minister des Auswärtigen und der Justiz angenommen.

Asien.

Nach einer Meldung des „New-York Herald“ aus Tokio sollen in Schantung in China Unruhen gegen die Christen ausgebrochensein. Etwa1000 Mitglieder eines Geheim- bundes hätten 30 katholishe Missionen gerstört Die chinesische Regierung häbe Truppen zur Unterdrückung der Unruhen ent- sandt. Ueber etwaige Verluste an Meiiicienleben sei noch nichts bekannt.

Das „Reuter’she Bureau“ berichtet aus Yokohama, der Kaiser habe den Grafen Kuroda zum stellvertretenden Minister-Pæxäsidenten ernannt. Die Ministerkrisis sei auf eine Meinungsverschiedenheit im Kabinet in Betreff des erledigten Postens des Ministers des Auswärtigen zurücckzuführen.

Eine in Madrid eingetroffene amtlihe Depesche des Gouverneurs der Philippinen meldet, daß ein Haufe von etwa 1000 Separatisten von den Truppen geschlagen worden sei. Die Zahl der an dem Aufstande Betheiligten übersteige 4000. Der Gouverneur fordere Verstärkung; der- selbe habe bereits ein Freiwilligen-Bataillon gebildet.

Die Verhaftungen auf den Philippinen dauern fort; unter den Verhafteten befindet sich ein amerikanischer Unter- than Namens Collins.

Wie dem „W.T.B.“ berichtet wird, brach der Aufstand auf den Philippinen in Novaliches, 10 km von Manilla, aus. Die Berge, in die sih die Reste der Banden zurü- gezogen hätten, seien s{hwer S änglih. Man glaube, daß an dem Aufstand die Mestizen Buld hätten, welhe sowohl mit den Flibustiers von“ Hongkong, als auh mit geheimen Gesell- schaften auf Japan in Verbindung ständen.

Afrika.

Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Kairo berichtet, daß die Expedition nah Dongola infolge der Fort- s{hwemmung des Eisenbahndammes zwischen Mognat und Sarras einen Aufshub von vierzehn Tagen erleiden dürfte. Die Derwi sche hätten ihr Lager bei Dongola vom Nil gu einen zwei Meilen westlich von der Stadt gelegenen wohl- befestigten Hügel verlegt. Man glaube, daß sie der egyptischen Expedition starken Widerstand leisten würden.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Sansibar berichtet, die von der britischen Regierung verlangte Auslieferung Said Kalid’s und seines Anhangs sei von dem deutschen Konsul Freiherrn von Rechenberg verweigert worden.

Aus Buluwayo vom 29. d. M. wird demselben Bureau

emeldet, daß die Unterhandlungen zwishen Cecil pors und den Anführern der Rebellen ohne ein endgültiges Uebereinkommen geschlossen worden seien. Die Rebellen seien voll bewaffnet gewesen, und es habe nicht räthlih geschienen, ihnen zu Dtehlen, die Waffen sofort nieder- zulegen. Die Anführer seien in die Matoppoberge mit der ausgesprochenen Absicht zurückgekehrt, ihre Genossen zu befragen. Aus Akassa erfährt das „Reuter'she Bureau“, das be- festigte Lager des Sklavenräubers und Sfklavenhändlers Katchella am Benue sei von den Truppen der Royal Niger Company nah heftigem Kampfe zerstört worden; 14 Sol- daten seien getödtet und viele verwundet. Katchella selbst sei während des Kampfes erschossen worden.

Nr. 37 des „Centralblatts für das Deutsche Reth“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 28. August, hat folgen- den Inhalt : 1) Marine und Schiffahrt: Führung des Eisernen Kreuzes auf der deutshen Handelsflagge; Erscheinen des van D die deutsche Handelsmarine für 1896; Erscheinen des Nautischen Jahrbuchs für das Jahr 1899, 2) Handels- und Gewerbewesen: Verlängerung

des Freundschafts-, Handels und Schiffahrtsvertrags zwischen den Staaten des deutshen Zollvereins und der Republik Chile. 3) Konsulatwesen: Ernennungen; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandsakten. 4) Polizeiwesen : Aubweisuna von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirthschaft.

Der auswärtige Handel des deutschen Zollgebiets ist in dem Juliheft des Kaiserlihen Statistishen Amts für die Ein- und Ausfuhr angegeben mit: Mengen in 100 kg netto

Einfuhr Ausfuhr :

Juli Januar/Juli Juli Januar/Juli

1896 .. ,. , ,.35670493 197 422 820 22856 112 142 404 438 18990 .. « « »01024 700 12060 018 20 117 640 180. 084 129

im Jahre 1896 mehr 4045738 24833302 2078466 12 320 309 _ Nach Abzug der Edelmetalle, deren Mengen nur zum theil dem eigentlichen Waarenverkehr zuzurehnen sind, verbleiben für diesen : Mengen in 100 kg

Juli Januar/Juli Juli Januar/Juli 1896 . . , 35669670 197416876 22855813 142402051 1890 . O14 620.010: 12067 (04-20 ((74050-. 180 082 348 mehr in 1896 4043160 24829111 2078408 12319703

Die bedeutendsten Steigerungen in den Einfuhrmengen des Zeit- raums Januar/Juli 1896 entfallen auf Steinkohlen, Erden und Erze, Getreide, Holz und Holzwaaren, Abfälle, Eisen und Eisenwaaren, Drogen und Farbewaaren, Theer und Harze und dergl., Steine und Steinwaaren, Petroleum, Material- und Spezereiwaaren und dergl., Thonwaaren.

Mindereinfuhren von Belang sind zu verzeihnen bei Vieh, Baum- wolle und Baumwollenwaaren, Flahs und dergl. Spinnstoffe.

In der Ausfuhr sind für den Beiden Zeitraum erheblihe Steige- rungen zu konstatieren bei Steinkohlen, Steinen und Steinwaaren, sodann bei Thonwaaren, Eisen und Eisenwaaren, Erden und Erzen, Holz und Holzwaaren, Material- und Spezereiwaaren, Drogen und Farbewaaren, Instrumente und Maschinen, Theer 2c. und Harzen, Oel und Fetten, Kurzwaaren.

inderausfuhren von Belang sind zu nennen bei Getreide, ferner noch bei Abfällen, Fellen und Häuten, bei Vieh. Die E eraaaea in den Ein- und Ausfuhrmengen bei den übrigen Waarengruppen haben ih innerhalb mäßiger Grenzen gehalten.

Konkursfstatisitk.

Nach der vorläufigen Mittheilung des Kaiserlichen Statistischen Amts gelangten im zweiten Vierteljahr 1896 (und im ersten Viertel- jahr 1896, die Zahlen für dieses immer in Klammern) im Deutschen Reih 1717 (1922) Konkurse im volfswirthschaftlihen Sinne, d. h. Fälle wirthschaftlihen Zusammenbruchs, neu zur Kenntniß, und zwar wurden 130 (175) Anträge auf Konkurseröffnung wegen Mangels eines vorauésihtlich auch nur die Kosten des Verfahrens deckenden Massebetrags abgewiesen und 1587 (1747) Konkursrerfahren eröffnet ; von den leßteren hatte in 989 (1111) Fällen der Gemeinschuldner aus\chließlich die Konkurseröffnung beantragt. :

Beendet wurden im zweiten Vierteljahr 1896 1719 (1438) Konkurs- verfahren, und zwar durch Schlußvertheilung 1140 (943), dur Zwangsvergleih 433 (360), wegen allgemeiner Einwilligung 42 (43), wegen Mangels einer dea Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse 104 (92). In 572 (492) beendeten Konkursverfahren war ein Gläubigeraus\{huß bestellt gewesen. :

Von den 1717 (1922) neu zur Kenntniß gelangten Konkursen und den 1719 (1438) beendeten Konkursverfahren betrafen:

neu? beendete

Konkurse Konkursverfahren physische Personen überhaupt . 1479 (1648) 1495 (1254) Darunter Wene s 2 e 4109: CLOO) 171 C38 A E C A0& CISO) 145 (128) Handelsgesellshaften . . 66 (69) 68 (43) Genossenschaften .. 6 (9) 6 (4) andere Gemeinschuldner . . . 12. (1D) 5 (9).

Veber das finanzielle Ergebniß der beendeten Konkursverfahren giebt die vorläufige Mittheilung nur die Prozente an, welche bei den durch Zwangsvergleich beendeten Konkursverfahren für die nicht bevorrechtigten Konkursforderungen bedungen worden find. Von den 433 (360) dur Zwangsvergleih beendeten Konkursverfahren {lossen ab mit einem solchen Prozentfas (einshließlich der bereits vorher ver-

27 (18) 35 bis unter 40 é . 49 (36) 40 200 . +43 (41) «40: (40) 50 #00 ¿c 106 (459) D O 60 O G L (O) 0 6A O) 70 E 0 D, 05 (O) 90 O 1 O

theilten Prozente) von:

Unter 10 5 10 bie «1D 0 s 20

21 (20)

20 L 25 ; 30 :

Zur Arbeiterbewzgung.

Aus Flensburg wird dem „Vorwärts“ zum Ausstand der Werftarbeiter berichtet: In einer Versammlung am 27. August wurde über die Unterhandlungen, die am Mittag desselben Tages mit dem Vorstande der Flensburger Werft gepflogen worden waren, berihtet. Das Comitsó der Arbeiter hatte zwei seiner Mitglieder zu den Verhandlungen mit dem Borstand entsandt. Da dieser aber die Hauptforderung der Arbeiter, den Stundenlohn auf 30 4 zu er- höhen, nit bewilligen wollte, sondern sich nur bereit erklärte, in der Bezahlung der Ueberstunden ein D e bi zu machen, auch die ungleihe Bezahlung gleiher Arbeiter niht abstellen wollte, so kam es zu keiner Einigung. Die Versammlung beschloß deshalb die Fort- epu O Auss\tands.

i

e die Londoner „A. K.“ mittheilt, haben die Kohlen- grubenarbeiter von Lanarkshire den Bergwerksbesißzern der Grafschaft angekündigt, daß sie vom Mittwoch, den 1. September, 1 sh. tägli mehr bekommen müssen, wenn das Ausstandsverfahren nicht in Be- wegung geseßt werden foll. Die Arbeiter von Fifeshire sind beschei- dener. Ihre Nr aerung geht nur auf 6 d, Lohnerhöhung pro Tag. Die Bergwerksbesitzer behaupten, daß es eine Unmöglichkeit ist, die Forderung zu bewilligen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Bern, 29. August. (W. T. B,) Der Negierungsrath von Graubünden ersuchte den Bundesrath, zur Wiedereröffnung der feit April für die Viehausfuhr nah Bayern geshlofsenen Zollstellen Schritte zu thun.

Handel und Gewerbe,

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 29. August 1896. Auftrieb und Markt- Pete nah Schlachtgewiht mit Ausnahme der Schweine, welhe nah

ebendgewiht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 2753 Stüd. (Durchs nittspreis für 100 kg.) T. Qualität 116—122 A, 11. Qualität 104—112 4, III. Qualitäti 88—100 #4, IV. Qualität 76—84 A Schweine. Auftrieb 8745 Stück. (Durchschnitts- preis für 100 kg.) Mecklenburger 100 #4, Landschweine: a. gute 96—98 M, b. geringere 90—94 #Æ, Galizier —,— #4, leichte Ungarn —,— bei 20% Tara. Bakonyer —,— M bei kg Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 1173 Stück. (Durchschnitts- preis für 1 kg.) I. Qualität 1,12—1,20 4, II. Qualität 1,06— ,10 M, ITI. Qualität 0,96—1,04 # Schafe. Auftrieb 14 679 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,04— 1,20 #4, II. Qualität 0,96—1,00 H, III, Qualität —,—— h

Theater und Musik,

Lessing-Theater.

Das Schauspiel „Das eigene Blut“ von Fedor von. Zobeltiß gehört en wie des Verfassers früheres Bühnenwerk „Dhne Geläut“ zu der Gattung der „Bauecnschauspiele". Das neue Stück hat, ohne seinem Vorgänger an literarisher Bedeutung eben- bürtig zu sein, doch bei seiner ersten Aufführung am Sonnabend eine gleih beifällige Aufnahme gefunden, die dem Verfasser nach fast allen Akten gestattete, dankend auf der Scene zu ersheinen, Der Dichter hat sch au in dem neuen Schauspiel mit Erfolg bemüht, die A Art des märkischen Bauern bühnenfähig zu gestalten ; er wollte des Märkers ehrliche und eisenharte, im Grunde aber doch gemüthreihe Art an einer sehr shwierigen dramatishen Aufgabe entwickeln : an einem heftigen Widerstreit zwishen Vater und Kindern. Wie König Lear erlebt der alte Großbauer Maschke, nachdem er seinem Sohn und seiner Tochter thr Erbe übergeben, nur Undank von den herzlosen Kindern. Der Sohn geht an Trunksuht und am Kartenspiel zu Grunde; die Tochter verklommt durch ihre Vorliebe für leichtfertigen Tand und durch ihren lächerlihen Hochmuth. Dagegen ist ihm ein drittes „angenommenes" Kind, Fränzhen, herz- lih und zärtlih zugethan, und in ihrer Liebe findet der shließlich verarmte Großbauer Trost. Der braven “BrseteoMer winkt dec irdishe Lohn für thre selbstlose Güte in der Gestalt eines Dorfschullehrers von rührendem Edelmuth, der ihr seine Hand an- bietet. Zur Bereicherung der Handlung hat der Verfasser eine Menge von entwicklungsfähigen otiven s\chon in den ersten Akt eingefügt, wie Kindesunterschiebung, Todtschlag und ähnlihe {chlimme Erscheinungen, aber die #ich hieraus ergebenden Scenen sind kunstlos und ohne innere Noth- wendigkeit aneinandergefügt. Die Personen fprehen zwar im bäuerishen Dialekt, aber sonst durhaus nicht nah Bauernweise; durch lange Reden und Gegenreden foll der Charakter der handelnden Per« sonen gekennzeihnet werden, die entweder Lichtbilder von Güte und Gerechtigkeit sind oder dem ershreckten Auge des Zuschauers nur Nachtseiten der menshlichen Seele enthüllen, Durch diese Ein- seitigkeit gewinnen die Bühnengestalten einen unwahren, scablonen- haften Ausdruck, der manchmal auch den häßlihen Vor- gängen eigen ist. Das Gemisch von Gefühlsüberfülle und Brutalität vermohte das Herz der Zuschauer niht ret zu erwärmen, welche dafür die kleinen Scenen, in welchen eine friedliche, idyllishe Stimmung vorherrsht, so die Scene in der Dorf- \hule mit der \ingenden Kinderschaar, und die von ländlichem Humor erfüllten, an denen besonders der weise Schäfer Kobus betheiligt ift, mit erlösendem Beifallsjubel begrüßten. Die Darsteller konnten fich niht überall den pathetischen Empfindungen der guten Menschen und den \{limmen Gedanken der Bösewichte völlig anpafsen. Herr Suske als alter Großbauer, Herr Vorwerk in der Nolle des ver- lorenen Sohnes und Herr Waldow als Thierarzt Wasner, der das bewegende böse Element des Schaufpiels bildet, versuchten, freilich nicht mit bestem Gelingen, den Gestalten Leben und Farbe zu verleihen. Gute Leistungen boten dagegen die Herren Gutherv, welher mit wirksamem Humor den Schäfer Kobus gab, und Schönfeld, der die Gestalt des verklommenen NRiedelhans mit überrashender und packender Echtheit auf die Bühne stellte. Auch Herrn Merten war in der Rolle eines furchtsamen Dorfkrämers An- erkennung zu zollen. Die Damen Umlauft und Elsinger, welche die bôse echte und die gute untergeshobene Tochter darstellten, lösten ihre Aufgaben mit Glück; besonders gewann Fräulein Eisinger den Beifall der Zuschauer dur ihr fröhlihes Lachen und im Gegensaß dazu durch den innigen Ausdruck s{merzliher Trauer.

Friedrih-Wilhelmstädtishes Theater. Am Sonnabend eröffnete die neue Direktion des Friedrih-Wil- helmstädtishen Theaters ihre Thätigkeit mit der Aufführung von Christian Grabbe?s historishem Schauspiel „Kaiser Friedrich Barbarof 1E Das im Jahre 1829 entstandene Drama dürfte hier wohl seine überhaupt erste Darstellung erlebt haben; aber das shwierige Unternehmen der Inscenterung, die niht weit von einer Bearbeitung entfernt blieb, war im Ganzen von s{chönem Erfolge begleitet. Der Kern der Handlung spielt sih in der Lombardei auf den Trümmern Mailands und auf dem Schlachtfelde von Legnano ab. Kaiser Friedrich war mit setnem Heer über die Alpen gezogen, um sih den Gehorsam der lombardishen Städte zu erzwingen. Gegen den Nath seiner Freunde entshließt er sich, die Lombarden bei Legnano anzugreifen. Allein Heinrich der Löwe verläßt den Kaiser in seiner Noth und versagt ihm den Beistand, um den ihn Free am Comersee bat. Die Deutschen werden geschlagen, und Barbarossa pes in Venedig Frieden mit dem Papst \ E Nach Deutschland zurücgekehrt, zieht Friedrich gegen den treulosen Vasallen ins Feld und besiegt ihn, sodaß Heinrich ge- demüthigt nah England in die Verbannung gehen muß. Die roßen mähtigen Züge in der Anlage des Schau- spiels erinnern an Shakespeare’'s Königsdramen. Ein- zelne Scenen sind voll ergreifenden dramatischen Lebens, und die Sprache, welche der Dichter den handelnden Personen in den Mund gelegt hat, if edel und natürlih. Die Regie überwand die Schwierigkeiten, die das Drama darbietet, in anerkennenswerther Weise. Die Schauspieler, die zum ersten Mal zusammenwirkten, hatten sich noch nicht völltg mit einander eingespielt; ihre Leistungen konnten aber im Ganzen befriedigen und fanden bei den Zuschauern reihen Beifall.

Im Königlichen Opernhaus findet morgen auf Allerböchsten Befehl Parade-Vorstellung statt. Zur Aufführung gelangen Richard Wagners „Kaisermarsh“ unter Kapellmeister Dr. Muck's Leitung und Otto v. d. Pfordten's „1812* (Napoleon: Herr Kahle; General n : Hexr Molenar; Luise: Frl. Lindner; Rittmeister Hertling:

err Matkowsky).

Im Neuen Königlichen Opern-Theater wird morgen Humperdinck's „Hänsel und Gretel“ gegeben (Peter: Herr Beh; Hänsel: Fräulein Egli; Gretel: Fräulcin Dietrich; Knusperhexe: Fräulein Reinl). Vorber geht das Ballet „Die Rose von Schiras“ mit Fräulein Adelina Genée aus Kopenhagen a. G. in Scene.

m Königlihen Schauspielhause gelangen morgen die einaktigen Lustspiele ,Einges{lossen* (Frau Schramm), „Die Prüfung“ (Damen Schramm, Conrad, Herr Vollmer) und „Kleine Miß- verständnisse* (Herren Blencke, Vollmer, Klein, Herter, Fräulein von Mayburg) zur Aufführung.

In der Aufführung des „Julius Cäsar“, welche das Deutsche Theater für nächsten Sonnabend vorbereitet, giebt Josef Kainz den Marc Anton, Hermann Müller den Cassius, h “gv Nissen den Brutus, Emanuel Reicher den Julius Câsar. An demselben Abend treten mehrere neue Mitglieder ihr Engagement am Deutschen Theater an: so spielt Frau von Poellniß die Calpurnia, Oscar Sauer den Casca, Tilly Waldegg den Lucius; in der Rolle der

ortia eröffnet Adele Doré vom Kölner Stadt-Theater ein Gast- piel auf Engagement.

Im Lessing»Theater finden die nähften Wiederholungen des Schauspiels „Das eigene Blut“ von Fedor von Zobeltiß morgen und am rene statt.

as Friedrich - Wilhelmstädtishe Theater giebt von heute ab außer seinen auf einen bestimmten Tag lautenden Abonne- ments au \olche für einen beliebigen Tag aus. Diese niht an den Tag gebundenen Abonnements sind îm „Offizter-Verein“, Neustädtische Kirchstraße 4/5, im „Waarenhaus für deutshe Beamte", Bunsen- straße 2, und im Theaterbureau, Chausseestraße 25/26, zu haben. Das historishe Schauspiel „Kaiser Friedrih Barbarossa“ bleibt vor- läufig auf dem Spielplan. _

Gn der wona Aoeiras des Schwanks „Der Stell vertreter“ im Residenz-Theater spielt nah längerer Pause Rosa Bertens zum ersten Mal wieder die von ihr fo erfolgreih fkreirte Nolle der „Valentine“. ;

Das Ñeue Theater beginnt morgen seine Wintersaison mit einer Aufführung des Shwanks „System Ribadier“, dem Alexandre Dumas’ Lustspiel „Besuch nach der Hochzeit“ vorangeht. Beide Stüde bleiben die ganze Woche hindur auf dem Spielplan.

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