1896 / 235 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Oct 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Be „W. T. B.“ berichtet, die Prinzen Adalbert, August und _Osfar auf dem Bahnhof anwesend. Nach der Begrüßung be- gaben Sich Jhre Majestät mit den Prinzessinnen und den drei Mtinzen nah dem Neuen Palais.

Jn der am 1. d. M. unter dem Vorsiß des Vize- räsidenten des Staats - Ministeriums, Staats ekretär s des nnern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenar sizung

des Bundesraths wurde der Beschluß des Reichstags zu der Petition des Magistrats zu Strehlen (Schlesien) wegen utheilung einer Garnison dem Reichskanzler, der Antrag reußens, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, owie die Vorlagen, betreffend den Entwurf eines Ge- ezes für Elsaß - Lothringen über die Gebühren für ührung der Schiffsregister, betreffend die Statistik der eeshiffahrt, betreffend den Entwurf eines Gesezes für Elsaß- Lothringen wegen Abänderung des Geseßes übèr das Notariat, betreffend den Entwurf eines R über die L Be von Arbeiterversicherungsgesezen, betreffend den Entrour eines Geseßes für Elsaß - Lothringen über die Be- steuerung der Bergwerke, sowie betreffend den Entwurf von Bestimmungen über die Führung der Börsenregister und die Aufstellung der Gesammtliste, den zuständigen Aus- shüssen überwiesen. Der Vorlage, betreffend den Beitritt Schwedens und Norwegens zu den Vereinbarungen über zoll- ichere Einrichtung der Eisenbahnwagen im internationalen erkehr, sowie dem Ausschußantrage über die Vorlage, be- treffend Berehnung der Dienstzeit bei Pensionierung der aus der Klasse der Telegraphenarbeiter hervorgegangenen Unter- beamten der Reichs - Post- und Telegraphenverwaltung, wurde die Zustimmung ertheilt. Von der Vorlage, betreffend die Regelung der Thronfolgefrage im Fürsten- thum Lippe, und von der Mittheilung, l handlungen der Kommission für Arbeiterstatistik, nahm die Versammlung Kenntniß. Außerdem wurde der Justizaus{huß mit der Vorberathung der Allerhöchsten Orts zu unterbreiten- den Vorschläge wegen A Red einer Senats-Prästdentenstelle und einer Nathsstelle beim Reichsgericht beauftragt, sowie über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt.

Der Kaiserliche Botschafter in Paris Graf zu Münster ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der hiesige Königlich württembergishe Militärbevoll- mächtigte, General - Major Freiherr v on Watter is nah Berlin zurückgekehrt und hat die Führung der Geschäfte der Königlich württembergishen Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial-Direktor von Herrmann ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt.

Dem Regierungs-Assessor Grafen von Westphalen ist die kommissarishe Verwaltung des Landrathsamts im Land- kreise Münster übertragen worden.

Der Regierungs-Assessor von Keudell aus Breslau ist der Königlichen Regierung zu Wiesbaden zur weiteren dienst- lihen Verwendung überwiesen, der Regierungs-Assessor Frei- herr von Malgzahn zu Köslin bis auf weiteres dem Land- rath des Kreises Rügen, der Regierungs - Assessor Freiherr von Gaudy zu Bergen a. Rügen dem Landrath des Kreises Breslau und der Regierungs-Assessor von Lucius dem Land- rath des Kreises Hanau zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.

Die Regierungs-Referendare von Gröning aus Hildes- heim, von Both aus Caffel und von Bülow aus Oppeln haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungs- dienst bestanden.

Nach telegraphischen Meldungen an das Ober-Kommando der Marine ist S. M. S. „Moltke“ Kommandant Korvetten- Kapitän Stiege, gestern in Dartmouth angekommen und beabsichtigt, am 6. Oktober nah Madeira in See zu gehen; S. M. S. „Arcona“, Kommandant Korvetten - Kapitän Becker, hat gestern Chefoo verlassen, um nah Nagasaki in See zu gehen; S. M. „Cormoran“, Kommandant Korvetten-Kapitän Brinkmann, hat gestern von Chefoo aus die Reise nah Sangkau-Bay angetreten.

Bayern.

Das Namensfest Seiner Majestät des Königs wurde vorgestern in München mit kirhlichen Feiern begangen. Am Vormittag wurde in allen katholischen tadtpfarrkirhen und in den Studienkirhen ein feierlihes Hochamt mit Tedeum O welhem die Schuljugend und viele sonstige Andächtige anwohnten. Auch in der protestantischen Kirche, der altkatholishen Kirhe und in der Synagoge fanden Gottesdienste statt. Die öffentlichen Gebäude, die Gesandtschaften und Konsulate hatten Flaggenshmuck an- gelegt. Die Wachen zogen im Paradeanzuge auf, do unter- lieben die große Reveille und Retraite sowie das Salut- feuern.

Württemberg.

Seine Majestät der König und Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Pauline sind wieder in Stuttgart ein- getroffen.

Baden.

Dem Staats-Minister Dr. Nokk ist, der „Karlsr. Ztg.“ ufolge, folgendes Handschreiben Seiner Königlichen Hoheit es Großherzogs zugegangen:

Lieber Herr Staats-Minister Nokk !

Auf SwWloß Mainau nach fünfwöchentliher Abwesenheit zurück- gekehrt, drängt es Mich, den Gefühlen innigster Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Die Veranlassung Meines 70. Geburtstags hat im anzen Lande eine so lebhafte Bewegung in allen Kreisen der Einwohner- [aft ervorgerufen und zu so ausdrucksvollen Kundgebungen treuer, iebeyoller Gesinnung geführt, daß Ich in tiefster Seele Mich davon er-

r U fühle. Ueber Meine Erlebnisse in der Residenzstadt Karlsruhe habe 8 Gelegenheit ergriffen, Jhnen zu fagen, wie dankbar Jh alles

i dessen gedenke, das Mir in diesen Tage an Licbe und Treue zu theil geworden ist. Jch kann dem nur beifügen, daß Mir die Ein-

betreffend Ver- -

drüde dieser Tage unvergeßlich bleiben werden, glei einem Denkmal von Erz unvergänglih, aber zugleih lebensvoll auf künftige Gene- rationen wirkend.

Diesen Ereignissen folgten neue Kundgebungen in anderen Städten des Landes und in so manchen größeren und kleineren Landorten, zuleßt diejenigen in Mannheim und Konstanz, welche den festlihen Tagen von Karlsruhe an warmer Liebe und treuer An- bänglihkeit recht nahe standen in der Lebhaftigkeit ihrer Aeußerung und der Sinnigkeit ihrer Anordnungen. Es waren Kundgebungen der Liebe und der Treue von so überwältigender Wärme für die Großherzogin und für Mich, daß Wir keine Worte finden, welche der Tiefe unserer Gefühle ent\prehen, um zu schildern, wie lebhaft Wir die Dankbarkeit dafür empfinden. Aber gerne ergreifen Wir diese Gelegenheit zum Ausspruch der Versicherung, daß Wir die Uns ferner durch Gottes Gnade geshenkte Lebenszeit gewissenhaft benüßen wollen, um in treuer Pflichterfüllung Unsere Kräfte dem Wohle und Gedeihen des Landes und Volkes in Liebe zu widmen, und Uns dadurch fo großer Liebe würdig zu erweisen.

Ich ersuche Sie, lieber Herr Staats-Minister, diesen Dankes- ausdruck zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

Schloß Mainau, den 30. September 1896.

Ihr ergebener : Friedri.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Seine Königliche Hoheit der Herzog is gestern von Bukarest nah Coburg zurückgekehrt und hat sih heute nach Schloß Reinhardsbrunn begeben.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser und König ist gestern Nachmittag 2 Uhr in Budapest eingetroffen.

Der Vize-Präsident des Herrenhauses Fürst von Shönburg-Hartenstein ist gestern Abend gestorben.

Die direkten und indirekten Steuern ergaben in den ersten aht Monaten d. J. einen Reinertrag von 247 754 (97 Gulden (1 468 207 Gulden mehr als in dem- selben Zeitraume des Vorjahres). Der Reinertrag der direkten Steuern betrug 73770340 Gulden (445 804 Gulden mehr als in demselben Zeitraume des Vorjahres), der Reinertrag der indirekten Steuern 173 984457 Gulden (1022408 Gulden mehr als in demselben Zeit- raume des Vorjahres). Am Mehrertrag der leßteren Steuern partizipieren fast alle Posten, namentlich Salz und Bier; nur Zuckersteuer und Taback ergaben einen Minder- ertrag, die erstere um 2899 293, der leßtere um 2649555 Gulden, jedoch nur infolge des Ankaufs großer Vorräthe aus- ländishen Tabaks. Die Zölle ergaben einen Ueberschuß von 38450 723 Gulden (1636 773 Gulden weniger als in demselben Zeitraume des Vorjahres, und zwar infolge des 4 Goldagios und des Minderertrages der Einfuhr- zölle).

Das Erforderniß des gestern von dem Finanz-Minister Dr. von Bilinsfki im österreihishen Abgeordneten- hause eingebrahten Budgets für 1897 mit 692 Millionen weist gegen den Voranschlag für 1896 cine Erhöhung von rund 27,7 Vullionen Gulden auf. Hiervon entfallen auf Aus- gaben für gemeinsame Angelegenheiten als Antheil Oesterreichs (nah Abzug der Zollüberschüsse) 1,8 Millionen, auf das Ministerium des Jnnern 1,6 Millionen, auf das Landesverthei- digungs-Ministerium 1,1 Millionen, aufden Etat des Ministeriums für Kultus und Unterriht 1 Million, auf den Etat des Finanz-Ministeriums 84 Millionen. Hieran sind u. a. be- theiligt: „Allgemeiner Staatsaufwand“ mit 28 Millionen, „Verzehrungssteuer“ 2,8 Millionen, „&abadgefälle“ (Er- höhung der Posten, Fabrikationsunkosten, Material- beshaffung 2c.) 15 Millionen. Das Mehrerforderniß des Handels - Ministerium beträgt 1,88 Millionen, dar- unter für die Post- und Telegraphenanstalt 17 Millionen, dasjenige des Eisenbahn - Ministeriums 43 Millionen, dasjenige der Justizverwaltung 2 Millionen. Der Pensions- Etat erfordert mehr 2,6 Millionen, das Kapitel „Staatsschuld“ mehr 0,4 Million. Die Bedeckung i} gegen 1896 um 26,7 Millionen höher veranschlagt. Hieran hat der Etat des Finanz-Ministeriums mit 19 Millionen theil. Von diesen 19 Millionen entfallen auf die indirekten Abgaben 16,9 Millionen (die eigentlihen Verzehrungssteuern 9,7 Millionen, Tabacksteuer 2,7 Millionen, Taxen und Gebühren 38 Millionen), während u. a. die Erhöhung der Gebäudesteuer mit 1,4 Millionen, diejenige der Einkommensteuer um 1,77 Millionen Raa ist. Der Etat des Handels- Ministeriums ist um 3 Millionen, derjenige des Eisenbahn- Ministeriums um 96 Millionen höher veranschlagt. Der Einnahme-Ausfall im Kapitel „Staatsschuld“ von 6,8 Millionen beruht hauptsächlih darauf, daß im Jahre 1897 von der Einstellungeiner Bedeckungspost durhVeräußerungvon Tilgungs- rente Abstand genommen ist, weil das gesammte Tilgungs- erforderniß aus den laufenden Jahreseinnahmen bestritten werden wird. Für Jnvestitionen, deren Kosten aus der Jnvestitions- Anleihe bestritten werden sollen, sind pro 1897 im Ganzen netto 25391 690 Fl. angeseßt. Hiervon entfallen auf das Ministerium des Jnnern 3530 000 Fl., auf das Ministerium für Kultus und Unterricht 2944 600 Fl., auf das Finanz- Ministerium 2643500 Fl., auf das Handels-Ministerium 1268 000 Fl., auf das Eisenbahn - Ministerium netto 13 320 590 Fl., auf das Justiz-Ministerium 985 000 Fl., auf das Ackerbau-Ministeriuum 700 000 Fl.

Nach Darlegung des Budgets bejsprah der Finanz-Minister Dr. von Bilinsfki die Ueberschreitungen der einzelnen Ressorts. Der Voranschlag enthalte alles wirklich Noth- wendige zur Erfüllung der kulturellen Aufgaben und zur Sanierung des bisherigen Mankos. Der vorsichtig aufgestellte Voranschlag lasse einen Uebershuß gewärtigen. Bezüglich der richtigen Mehreinstellung der Ausgaben und Einnahmen sei eine wichtige grundsäßlihe Aenderung im künftigen Vorans chlag beab- sichtigt, ebenso sei eine große Aenderung in der Gestaltung des Budgets dadurch zu erwarten, daß die Jnvestitionen aus dem Staatsvoranschlage herausgehoben und durch eine besondere JInvestitions- Anleihe gedeck würden. Behufs einer intensiveren Jnvestitionspolitik wolle er eine reine, nicht amortisierbare, höchstens mit 31/2 Proz. verzinsliche Rente schaffen, und er sei überzeugt, daß 30 Millionen jähr- lich ausreihen würden, dasjenige zu decken was die österreichishe Volkswirthshaft ¡jahraus , jahrein vom Staat bedürfen werde. Für das Jahr 1897 seien viele kleinere Jnvestitionen im Voranschlag belassen. Der Golds sei im leßten Ane um 15 Millionen gewachsen; in diesem Jahre sei eine Einlösung von 10 Millionen Salinenscheinen beabsichtigt, eine Tilgungsrente werde niht mehr ausgegeben werden. Alte Schulden sollten aus den Ueber hüssen, ncue

Auslagen dur Jnvestitions- Anleihen gezahlt werden. Die Aufgaben der E besprehend, erklärte der Minister, ür die Steuerreform sei alles vorbereitet, das Geseh Über die Personal-Einkommensteuer solle jedenfalls in dieser Legislatur-Periode zu stande kommen. Die Reform des Straf- geseßes und des Gebührenwesens sei in Arbeit; der Verkauf von Viehsalz werde freigegeben, der Mißbrauch desselben aber bestraft werden. Auf den S Übergehend, betonte der Minister, derselbe solle auf dem Gerechtigkeitsstandpunkt fußen und niemand schädigen. Die Beseitigung des ungarischen Mahlverkehrs komme den Wünschen Oesterreichs entgegen, und die Aufhebung des Tiroler Getreideaufshlags entspreche den Wünschen Ungarns. Der Mahlverkehr ende mit Beginn des Jahres 1898, der Tiroler Aufschlag im Jahre 1903; bis dahin lasse sih ein Ersaß dafür shaffen. Was die wecsel- seitigen Klagen über die Eisenbahntarifpolitik angehe, îo sei eine vollständige Gleichheit der Lokaltarife und Durchzugs- tarife vereinbart worden. Hinsichtlih der Quotensrage erklärte der Minister, da die wirthschaftlichen Verhältnisse Oester- reichs sih leider nicht in gleichem Maße besserten wie die Ungarns, müsse die Quote erhöht werden; die beider- seitigen Regierungen erachteten sich für berehtigt und verpflichtet, erst nach eventuellem negativen Verlauf der Berathungen der Quotendeputationen diesbezüglich einzu- greifen. Der Zeitpunkt hierfür sei ne nicht gekommen. Natürlich liege es in der Hand jeder der beiden Regierungen, anderweitig zu gewährende Konzessionen niht früher der par-

lamentarishen Behandlung zuzuführen, bis Ge: enkonzessionen

erzielt seien. Dies liege in der Natur der Sache. Die öster- reichische Regierung werde unwiderleglich beweisen, daß sie in dieser wie in jeder Ausgleihsfrage ihre Pfliht voll- ständig erfüllt habe. Der Minister wies sodann den Zwischenruf eines Abgeordneten, man traue Ungarn nicht, entschieden mit der Erklärung zurück, die österreichische Re- gierung vertraue der Loyalität Ungarns. Für die Vortheile, die für die galizishe Nohölproduftion erzielt worden seien, würde die Regierung in jedem anderen Staat Dank und Beifall finden. Der Minister wies die Unrichtigkeit der Behauptung nah, daß die erfolgte Regelung der Konsumsteuern nur - Ungarn zum Vortheil gereiche. Die Negierung halte an dem Standpunkt fest, daß die Beamtengehaltsregulierung an die Erhöhung der Konsum- steuern geknüpft werde. Die Bankfrage bezeichnete der Minister ungeachtet der besonderen diesbezüglihen Schwierigkeiten als im wesentlichen gelöst. Die gerehte Paritätsforderung Ungarns müsse erfüllt werden, weil politishe und praktische Gründe für die Einheitlichkeit der Bank sprächen, die ohne Paritätseinräumung nicht erzielbar sei. Ungarn habe Konzessionen erhalten .und gemaht: daß die Bank durch die Verwaltungsparität werde verschlehtert werden, sei cin Vorurtheil, welches die Erfahrung widerlegen werde. Die Re- gierung weise entschieden den Vorwurf zurück, daß sie die Bank ruiniert habe. Der Minister hob sodann die Wichtigkeit des Staatseinflusses auf die Bankleitung hervor. Daß der Einfluß Ungarns der größere sei, sei eine falsche und nicht erweisbare Be- hauptung. Das Wichtigste für Oesterreich sei die finanzielle Seite der Bankfrage gewesen, nämlich die Verminderung der eine hwere Fessel bildenden 80 Millionenschuld. Hierzu sei die freundliche Mit- wirkung dcr ungarischen Regierung erforderlih gewesen. Dank der durch die Paritätsbewilligung erzielten Unterstüßung der ungarischen Negierung habe Öesterreih erreiht, daß statt der 80 Millionen- nur eine 30 Millionenshuld vorhanden sei. ZUr Valutafcage übergehend, bestätigte der Minister die Absicht einer Einlösung von 112 Millionen Staatsnoten durch Deponierung von 80 oder 90 Millionen in Gold bei der Bank, welche für diesen Betrag Zehn-Kronennoten aus- geben solle, und dur Ausgabe silberner Fünf-Kronenstücke im Betrage von 32 oder 22 Millionen. Der Minister bat \cließ- lich unter lebhaftem Beifall und Händeklatshen um Annahme des Voranschlags. Der Abg. Kaizl wünschte, daß das Budget auf die Tagesordnung einer der nähsten Sißungen gestellt werde, was der Prästdent zusagte.

Die Abgg. Graf Küenburg und Genossen brachten hierauf folgende Jnterpellation cin:

„Blätter verschiedener Richtung theiïen mit, daß der Salzburger Statthalter namens der Regierung den 4. allgemeinen öster- reihishen Katholikentag begrüßte, seine Sympathien mit den Zielen desfelben auédrückte und den Wunsch ausfprach, seine Ziele möchten Verwirklihung finden. Unter diesen Zielen be- finden sich auch solhe, deren Verwirklihung mit den be- stehenden Geseßen und der äußeren Politik der Monarchie in direktem Widerspruch steht. Die Debatten und Entschlüsse wider- sprechen denselben ebenfalls. Die unterzeichneten Abgeordneten fragen : Hat der Statthalter die Nede wirkli gehalten ? Hat er es im Auf- trage oder mit Wissen der Regierung gethan? War die Regierung damit einverstanden? War die Regierung damit niht einverstanden, oder that der Statthalter diese Aeußerungen nicht, uzd warum stellt dies die Negierung nicht klar ?"

Der Abg. Pergelt stellte einen dringlichen Antrag, worin die Regierung aufgefordert wird, ungesäumt entschiedene Maßnahmen zu treffen, damit der besonders in der leßten Zeit seitens eines großen Theils der czechischen Bevölkerung gegen die Deutschen Böhmens betriebenen maßlosen Verheßung und Vergewaltigung endlich ein Ziel geseßt und der der deutschen Nationalität verfassungsmäßig zugesicherte Shuß auch thatsächlich gewährt werde. Die Abgg. Herold und Gen ossen brachten einen dringlichen Antrag ein, betreffend den Schuß der böhmischen Nationalminorität. Der Abg. Per gelt klagte über das Zurückdrängen der Deutschen in oóhmen und warf den Czehen Urduldsamkeit vor. Der Abg. Herold beschul- digte die Behörden, daß sie die Germanijations-Bestrebungen förderten. Der Minister-Präsident Graf Ba deni erklärte, daß ganz lokale böhmische Konflikte zu Agitationszwecken aufge- bausht worden seien. Böhmischerseits werfe man der Regtie- rung Begünstigung der deutshen und mit gleicher Berech- tigung deutscherseits Begünstigung der Czehen vor. Die Abgeordneten hätten die motalis(e Pflicht, mäßigend cinzu- wirken, an der Regierung werde es nicht fehlen; für diese sei Ablehnung oder Annahme der Dring- lichkeitsanträge irrelevant. Daß die Konflikte in Böhmen nicht größere Dimensionen angenommen hätten, sei dem gesunden Sinne der Bevölkerung und der Umsicht der Lokalbehörden, sowie ferner dem Umstande zu verdanken, daß der von vöhmisher Seite gemachte Versuh, den Landesausshuß in diesen künstlihen Strudel hinein- Ius eden, mißlungen sei. Die Regierung könnte nicht säumig zusehen, wenn sih etwaige Vereinigungen autonomer Organe zum angeblichen Schuß der Minoritäten bildeten und sich un- statthafte Einflußnahme ul Angelegenheiten anmaßen sollten, die sh ihrem Wirkungskreise vo kommen entzögen. Der häuslihe Krieg in Böhmen werde nmuthwillig provoziert,

wobei auch die bevorstehenden Reichsrathswahlen mit- spielen dürften. Die Regierung verkenne niht den tandpunkt der Gleichberehtigung und Gleichwerthigkeit beider Nationalitäten. Sie habe stets diesem Standpunkt gemäß gehandelt und werde dies auch in Zukunft thun. Es sei unstreitig ein begründetes Verlangen, wenn beide Natio- nalitäten die Forderung auf freie N in ganz Böhmen, ohne Rücksicht auf das Sprachgebiet, erhöben. Die Böhmen hätten das Recht, sih niht nur in Böhmen, sondern in ganz Oesterreih heimisch zu fühlen. Die Behörden seien verpflichtet, Jedermann in dem geseßlichen Gebrauch seines nationalen Rechts zu hüten. Sobald es sich aber um den Versuch eines demonstrativen Vorstoßes gegen andere Nationalitäten, verbunden mit Ruhestörungen, handele, trete die Politik in den Hintergrund, und die Regierung habe dann nur die Pflicht, für Ruhe und Ordnung u sorgen. Es handle sich um zwei Methoden: entweder üdsiht mit Rücksicht oder Gewalt mit Gewalt zu kompensieren. Bei ersterem werde die Regierung gerne mitwirken, bei leßterem könnte sie das nicht thun. Der Abg. Kastan begrüßte freudig die Erklärung des Minister- Präsidenten. Der Abg. Ruß erklärte, die Aussichten auf den nationalen Frieden in Böhmen seien seit Dezennien nicht so shlecht gewesen wie jeßt. Die Deutschen in Böhmen er- warteten von der Regierung nihts als Aufrechterhaltung der Ocdnung und Ruhe, damit sie nicht zur Selbsthilfe greifen müßten. Hierauf wurde die Debatte abgebrochen.

Unter den dem Abgeordnetenhause zugegangenen Vorlagen befindet sih eine über das Rekrutenkontin- gent von 1897, sowie eine über die Feststellung der Grenze zwischen Galizien und Ungarn beim Meerauge, der- zufolge die Entscheidung einem Schiedsgeriht überlassen werden soll.

Jn der gestrigen Sizung des ungarischen Unter- hauses bemängelte der Abg. Horanszky, daß sih die Re- gierung über die Auflösung des Parlaments zuerst im Ober- hause geäußert habe. Der Minister - Präsident Baron Banffy erwiderte, die Regierung sei sich ihrer Pflichten voll bewußt. Daß die Erklärung zuerst im Oberhause statigefunden habe, sei reiner Zufall. Die Regierung habe betreffs der Behandlung des Budgets nicht volle Beruhigung finden können und deshalb beschlossen, dem Monarchen die Auflösung vorzuschlagen. Er (der Minister- Präsident) kenne die Ansichten der Krone und glaube, die Er- mächtigung zur Auflösung s{hon in den nächsten Tagen zu erlangen. Der Abg. Ugron griff hierauf die Regierung an, indem er ausführte, die Regierung wolle das Gesetz, betreffend die Kurialgerichtsbarkeit in Wahlsachen, nicht durchführen, damit sie in ihrer Agitation nicht ge- hindert sei. Der Minister-Präsident Baron Banffy er- widerte, die klerikale Opposition im Oberhause sei es, welhe durch ihr vorgestriges Votum das Zustande- kommen dieses Geseßes verhindere. Diese Opposition stehe in der kirchenpolitishen Frage mit dem Abgeordneten Ugron auf demselben Standpunkt. Die Verhinderung dieses Geseßzes liege im Interesse der Klerikalen, niht aber im Jnteresse der Regie- rung. Auf eine Jnterpellation der Abgg. Graf Apponyi, Ugron und Komjalhy, weshalb die Feier bei Eröffnung des Kanals am Eisernen Thor keinen ungarischen Nationalcharakter getragen habe, erklärle der Minister-Präsident Baron Banffy, der größte Theil der Regulierungsarbeiten sei nicht auf ungarischem Gebiet erfolgt, der Kanal selbst liege niht auf ungarischem Gebiet. Die Eröffnungsfeier sci unter die Millenniums- Festlihkeiten aufgenommen worden; damit sei {hon der ungarische Charakter dieser Feier ausgesprohen worden. Die Einzelheiten habe der Handels-Minister in. der Weise durch- geführt, daß Ungarns Staatlichkeit niht verleßt worden sei.

ie Eröffnungsrede des Königs sei mit Beihilfe des Minister- Präsidenten zu stande gekommen. Die goldenen Becher, die bei der Feier geleert worden seien, trügen ungarische Jnschriften.

Großbritannien und Frland.

Wie aus Balmoral gemeldet wird, erledigte der Kaiser von Rußland gestern Staatsgeschäfte und verließ das Schloß nicht. Die Kaiserin Alexandra, die Königin Victoria und die übrigen Mitglieder der Königlihen Familie Es Spaziergänge in den zum Schloß gehörigen Gärten.

Frankreich.

Der Leiter des russischen Ministeriums des Auswärtigen Schishkin ist in Paris eingetroffen und hat si gestern in Begleitung des Ministers des Auswärtigen Hanotaux nach Rambouillet begeben, um dem Präsidenten Faure einen Besuch abzustatten.

n dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister des Auswärtigen Hanotaux mit, daß gestern ein Abkommen zwischen Frankreich und Jtalien unterzeichnet worden sei, worin sih die beiden Staaten gegenseitig hinsicht- lih der Zulassung der Schiffe des andern Staates in den eigenen Häfen dieselbe Behandlung zugeständen, wie den Schiffen der Landeéflagge. Das Abkommen werde am 1. No- vember d. F. in Kraft treten.

Die Budgetkommission der Deputirtenkammer hat gestern ihre Arbeiten wieder aufgenommen: es waren nur wenige Mitglieder anwesend.

Während des Aufenthalts des Kaisers von Rußland wird die Pariser Garnijon um 8000 Mann Jnfanterie und 1600 Mann Kavallerie aus den nächsten Armee-Korps ver- stärkt werden.

Mehrere sozialistische Deputirte und der Vize- Präsident des Pariser Gemeinderaths Landrin haben ein in den heftigsten Ausdrücken abgefaßtes Protestmanifest gegen die beabsichtigten Feste bei Gelegenheit der Anwesenheit des Kaisers von Rußland erlassen. Morgen soll eine große Protestversammlung der Blanquisten stattfinden.

Jtalien.

Der Prinz von Neapel wird d wie dem „W. T. B.“ aus Rom bcrihtet wird, am 5. d. M. auf der „Sovoya“ einschiffen, um si oen nah Montenegro zu begeben. Auf der Nüreise wird die „Savoya“ von einer Geschwader- Division unter dem Befehl des Nergogs von Genua esfortiert werden. Die „Agenzia Stefani“ bestätigt, daß die Vermählung des Prinzen von Neapel mit der Prinzessin Helene von Montenegro am 24. d. M. stattfinden wird.

An Stelle des verstorbenen Kardinals Monaco La Valetta hat der Papst den Kardinal Verga zum Groß-Pönitenziar und für den als Nuntius nach Belgien gesandten Migr.

Rinaldini den bisherigen Sekretär der Riten Msgr. Tripepi zum Stellvertreter des Kardinal-Staatssekretärs ernannt.

Türkei.

Die Botschafter in Konstantinopel haben, wie dem ,W. T. B.“ aus Athen berihtet wird, auf eine Anfrage der Konsuln in Kanea bezüglich des Textes des leßten Tan erklärt, der französishe Text, welcher der kretishen National- versammlung von den Konsuln mitgetheilt worden sei, sei der einzig offizielle. Die Botschafter würden die genaue Ueber- seßung des Fermans in die türkishe Sprahe und die Ver- öffentlihung desselben verlangen.

Das Jrade über die Einberufung einer armenischen Nationalversammlung zur Wahl eines Patriarchen ist infolge einer von armenischen Notabeln überreihten Denk- rift Eu worden.

Das Wiener „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ meldet aus Konstantinopel, wegen der für gestern angekündigten Unruhen seien von der Polizei und dem Militär besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen gewesen, die Nuhe sei jedo bis zum Abend nicht gestört worden. Die Hoffnung auf eine allmähliche Beruhigung der Stimmung wachse.

Der dem Sultan zur besonderen Dienstleistung atta- ierte General im Generalstab Mehemed Pascha ist, nah einer Meldung aus Sofia, zum Präsidenten dec Kom- mission zur Feststellung der Grenze zwischen Bul- garten und der Türkei ernannt worden. Jn amtlichen bulgarischen Kreisen erblicke man darin ein Anzeichen dafür, daß die Pforte nunmehr entschlossen sei, die Arbeiten der genannten Kommission auf Grund des zwischen beiden Regierungen ge- troffenen vorläufigen Einvernehmens weiterzuführen.

Das in Philippopel erscheinende túrkishe Blatt „Ghairet“ ist wegen seiner russenfeindlihen Haltung in der Türkei verboten worden.

Griechenland.

Das russishe Panzerschiff „Alexander I1.“, welches die Fahne des Admirals Andrieff gehißt hatte, und der Kreuzer „Navarin“ sind gestern Nachmittag im Piräus eingetroffen.

Serbien.

Am Mittwoh Abend fand in Belgrad zu Ehren des neuen rumänishen Gesandten Papiniu ein Galadiner bei Hofe statt. Wie „W. T. B.“ erfährt, brachte dabei der König einen Toast auf den König von Rumänien aus, worin Allerhöchstderselbe die traditionelle Freundschaft zwischen Serbien und Rumänien betonte und der jüngsten wie der bevorstehenden baldigen Begegnung mit dem Könige von Rumänien gedachte. Die Musik spielte die rumänische Hymne, welche der König und die zahlreichen Gäste stehend anhörten.

Die Skupschtina ist für den 17. d. M. nah Belgrad einberufen worden.

Die diesjährigen serbishen Manöver finden in den Divisions - Territorien Valjewo und Belgrad statt. Dem Beginn am 4. d. M. im Belgrader Territorium wird der König, in dessen Gefolge sih die fremden Militär - Attachés befinden werden, beiwohnen.

Schweden und Norwegen.

Die Wahlen zur Zweiten Kammer des \{chwedischen Reichstags sind beendet. Gewählt sind, dem „W. T. B.“ zufolge, 128 Anhänger des Freihandels und 102 Schutzöllner. DieFreihandelspartei hatte indem leßten Neichstag eine Mehrheit von 42 Stimmen, in dem jeßigen hat sie nur eine solche von 26 Stimmen. Von der Zollfrage abgesehen, ist die Stärke der Parteien ungefähr unvermindert, nämlih 127 Mitglieder der Landsmannspartei, 25 Mitglieder des neuen Zentrums, 20 Mitglieder des freihändlerishen Zentrums, 32 Ängehörige der Volkspartei und 27 keiner Partei Angehörige. Die ge- nannten Ziffern sind indessen niht endgültig, weil das Pro- gramm von mehreren der Gewählten nicht bekannt und gegen viele Wahlen Einspruch erhoben worden ift.

Amerika.

Aus Havanna wird gemeldet, die Aufständischen unter dem Oberbefehl Maceo’s, welche 4 Geshüße mit sih geführt hätten, hätten die Spanier bei Mantua angegriffen, seien aber zurückgeshlagen worden. Die spanishen Truppen hätten 6 Todte und 40 Verwundete, die Aufständishen 19 Todte und zahlreiche Verwundete verloren. Aus dem Vorfall werde gefolgert, daß die Aufständischen im Besiße von Artillerie seien, welche aus den Vereinigten Staaten stamme.

Afrika.

Der Khedive ist am Mittwoch in Alexandrien einge- troffen.

Nach einer dem „Figaro“ zugegangenen telegraphischen Meldung wäre der General Gallieni auf dem Marsche nach Tananarivo in den Wäldern von aufständishen Banden angegriffen worden. Der General sei wohlbehalten in Tanana- rivo angekommen und habe über die Stadt alsbald den Be- lagerungszustand verhängt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Kriminalstatistik für das Fahr 1893

weist im ganzen Reich die Verurtheilung von 430 387 Personen wegen 934 973 strafbarer Handlungen nach, gegen das Vorjahr 8076 (1,9 9/6) Personen und 970 (0,2 9/6) Strafthaten mehr. Gegen 1892 haben zugenommen die Verurtbeilungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen Staat, öffentlihe Ordnung und Religion um 6713 Personen und 7195 Handlungen, gleich 10,1 bezw. 10,0 9%/, und wegen Ver- brehen und Vergehen gegen die Person um 14 173 Personen und 15 051 Handlungen, gleih 9,0 bezw. 8,7 9%. Abgenommen haben da- gegen die Verurtheilungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen um 12795 Personen und 21 210 Handlungen, leih 6,5 bezw. 7,4% und wegen Verbrehen und Vergehen im Amt um 15 Personen und 66 Handlungen, glei 1,0 bezw. 1,49%.

Von der Zunahme der Verurtheilungen bei der ersten Gruppe und bei der Gesammtheit der Delikte entfällt ein erhebliher Theil auf die seit dem 1. April in Kraft stehende Strafvorschrift des § 146a der Gewerbeordnung (Zuwiderhandlungen gegen die Be- stimmungen der Sonntagsruhe). Die Zahl dieser E a rgen belief sih 1893 auf 5011, die der verurtheilten Personen auf 4864 egen 1622 Zuwiderhandlungen und 1590 verurtheilte Personen im Sabre 1892. Läßt man die Verurtheilungen wegen diefer Zuwider- handlungen für beide Jahre außer Ansatz, fo ergiebt sich bei der ersten Gruppe nur ein Mehr von 3439 verurtheilten Personen (5,3 9/6) und

3806 Handlungen (5,4 0/6) und bei der Gesammtheit der Delikte eine Zunahme der verurtheilten Personen von nur 4802 (1,19%) und für die Ss fogar eine Abnahme um 2419 (0,5 9/6).

Die Zahl der verurtheilten Personen hat \ich gegen das Vorjahr in 19 Ober-Landesgerichtsbezirken vermehrt, wobei Colmar und Cassel obenan stehen, und vermindert in 9 Bezirken, am bedeutendsten in Posen, Stettin und Königsberg.

Hinsichtlih der Kriminalität zeigt sich, daß im Jahre 1893 auf je 100 000 s\trafmündige Personen der Zivilbevölkerung 1210 wegen Verbrehen oder Vergehen gegen Reichsgeseze rechtskräfti verurtheilt worden sind gegen 1199 im Jahre 1892 und 108 Verurtheilte im Durchschnitt 1882/91. Von den Ober-Landes- gerihtsbezirken haben gegenüber dem Jahre 1892 17 eine Er- höhung der Kriminalitätsziffer aufzuweisen; besonders groß ist diese Erhöhung in Zweibrücken. Abnahmen sind dagegen zu ver- zeichnen in 11 Bezirken, wobei Königsberg, Posen und Stettin obenan stehen. Im Ganzen eigt die Ordnung der Bezirke nach der Kriminalitätsziffer gegen die Reihenfolge für das Jahr 1892 nur geringe Verschiebungen. Nach wie vor sind es die östlichen preußischen Bezirke Königsberg, Marienwerder, Posen, Breslau und erlin, ferner die sämmtlichen bayerischen Bezirke und Hamburg, die sih dur hohe Kriminalität hervorheben, während si in Rosto, Celle, Cassel, Oldenburg, Hamm, Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Colmar, also vornehmlih west- und süddeutshen Bezirken, sowie in Dresden die niedrigsten Zahlen finden.

Läßt man, wie oben bei den absoluten Zahlen der Verurtheilten, au für die Kriminalitätsziffer die Verurtheilungen wegen Zuwider- handlung gegen die Sonntagsruhe außer Betracht, so ergiebt ih für das Reih im Jahre 1893 nur die Zahl von 1196 Verurtheilten, 1892 von 1194 Verurtheilten auf je 100 000 \trafmündige Personen.

Was den Antheil der einzelnen Deliktsgattungen betrifft, so find gegen 1892 mehrfah größere Verschiebungen eingetreten. Ins- besondere hat sih der Prozentsaß der Verurtheilungen wegen Dieh- stahls und Unterschlagung erheblich vermindert (von 30,21 % auf 26,44 9/6). Dagegen ist gewachsen der Antheil der Körperverleßzungen von 21,78 9% auf 23,45%, der Verbrehen und Vergehen wider die öffentlihe Ordnung von 11,30 auf 12,30 % und der Beleidigung von 11,00 auf 11,72 9%.

Von der Zunahme des Antheils der Verbrehen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung entfällt wieder der größte Theil auf die Zuwiderhandlungen gegen die Sonntagsruhe. Läßt man diese E Ansaß, so beträgt der Antheil der übrigen Verbrechen und Vergehen 11,30% im Jahre 1893 gegen 10,96 im Jahre 1892; die Erhöhung des Prozentsaßes stellt sich so nur auf 0,34%, während sie bei Be- rüsihtigung jener Zuwiderhandlungen 1,0 9/6 beträgt.

An der Gesammtzahl der Verurtheilten nehmen die einzelnen Deliktsgruppen folgenden Antheil: Verbrehen und Vergehen gegen Staat, öffentlihe Ordnung und Religion 17% (1892: 15,7 9%, 1882/91: 16,6 9/0); Verbrehen und Vergehen gegen die Person 40 (37,4 bezw. 37,1); Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen 42,6 at E 45,9); Verbrehen und Vergehen im Amt 0,4 (0,4

ezw. 0,4).

Kunst und Wissenschaft.

Am Mittwoh Abend ist die internationale Kunst-Aus- stellung dur einen im Ehrensaale des großen Ausftellungsgebäudes abgehaltenen feterlihen Akt, zu dem u. A. auch der Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten D. Dr. Bosse erschienen war, ge\chlo\\en worden. Die Auéëstellungs-Kommission, mit den Professoren Becker, Gräf von Harrach und Eilers an der Spiße, war fast vollzählig zugegen, und neben vielen hiesigen nabm auch eine Anzahl auswärtiger Künstler an der Feier theil. Der Festakt begann mit dem Vortrag des „Hallelujah“ von Händel dur die Kapelle des 4. Garde-Regiments z. F. Dann betrat der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. B osse das mit rothem Plüsch ausgeschlagene Rednerpult, um folgende längere Ansprache zu halten:

«Hochgeehrte Versammlung! Zum Abschiednehmen find wir heute hierher gekommen. Es handelt \sich um den Schluß der „Internationalen Kunst-Ausftellung zur Feier ves 200 jährigen Jubiläums der Königlichen Akademie der Künste 1896 unter dem

rotektorat Seiner Majestät des Kaifers und Königs und dem Ehren- Präsidium Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich“. Jeder Abschied hat etwas Wehmüthiges, au dieser. Die diesjährige Kunst-Ausftellung ist mit besonderer Liebe und Hingebung vorbereitet, eingerihtet und gepflegt worden. Sie hat ihre besondere Eigenart gehabt. Sie hat au nach mehr als einer Seite hin ihre besondere Bedeutung, und sie wird au gewisse Nahwirkungen haben. Es fehlt uns eiwas, wenn wir sie niht mehr sehen können. Darum wird uns der Abschied nit ganz leiht. Beim Abschied ziemt sich aber wobl ein kurzer Nückblick.

Die Ausstellung is durch Seine Majestät den Kaiser am 3. Mai d. I. unter Theilnahme zahlreicher Vertreter der deutschen und aus- ländishen Kunst eröffnet worden. Schon damals wurde daran er- innert, daß der Zufammenhang der Auéstellung mit der 200 jährigen Jubelfeier der Königlichen Akademie der Künste ihr ein eigen- artiges Gepräge verleihe. Von dem Glanze des Akademie- Jubiläums fiel ein voller Strahl auf die Ausftellung. Und die hohbedeutsamen Worte, mit denen Seine Majestät damals in der Rotunde des Museums auf die Rede des Herrn Präsidenten der Akademie der Künste zu erwidern geruhte, der Hinweis auf die künstlerishe Aufgabe, das heilige Feuer zu hüten und die Flamme echt künstlerisher Begeisterung zu nähren, ohne welche alle Arbeit auf dem Gebiet der Kunst verkümmert und werthlos wird, diese König- lichen Worte gelten niht der Akademie allein, sie gelten der Kun und den Künstlern überhaupt. Mit Genugthuung glaube ih wohl fagen zu dürfen, daß unsere Ausftellung den der Kunft gefteckten hohen Aufgaben im Großen und Ganzen entsprochen, daß die hier vertretene Künstle: schaft, wenn auch auf fehr ver|chiedenen Wegen, den höchsten Zielen aller Kunst zugestrebt hat.

Auch die äußeren Verhältnisse, unter denen die Auéstellung in diesem Jahre sich vollzog, haben ihren Antheil an deren befriedigendem Verlaufe. Schon daß die Ausstellung bei ihrer Eröffnung ih Feet darstellte, war erfreulih. Nur die österreichische Ausftelung war dur besondere Verhältnisse, die sih nicht beseitigen ließen, um einige Wochen verzögert. Der durchgreifende Umbau des Gebäudes hat ih, wie wir alle mit Dank anerkennen müssen, bewährt. Wir sind damit endlih einen guten Schritt vorwärts gekommen. Der erhebliche Zu- was an zweckmäßigem Ausstellungsraum läßt hoffen, daß bei den regelmäßigen künftigen Jahresausstelungen die sämmtlichen Kunstwerke in nahezu glei guter Beleuchtung und überhaupt möglichst gleih guter Aufstellung fi zeigen werden.

Die Zahl der ausgestellten Kunstwerke war Agenten groß und legt Zeugniß ab von dem freundlihen und mit lebhaftem Dank begrüßten Entgegenkommen au der fremden Nationen. Während im Jahre 1886 nur 2820 Kunstwerke ausgestellt waren, zeigte die diesjährige Ausstellung deren 3876. Der ungewöhnlich große Um- fang der Ausstellung hat auch mge E hohe An- forderungen an die Thätigkeit der Ausstellungs-Kommission und aler an der Durchführun der Le _Be- theiligten geftelt. Um o lebhafter ist der Dank, den wir ihnen shulden und dem ih siherlich aus Ihrer Aller Herzen heraus hierdurch den wärmsten Ausdruck gebe. Nur zu leicht werden die unfäglichen Mühen und Nöôthe, Verdrießlihkeiten und Schwierigkeiten vergessen, die von der Durchführung einer fo ausgedehnten Ausstellun unzertrennlich find. Bei uns aber soll die unvergleichliche selbstlose Hingabe der Männer, denen wir das Zustandekommen der Ausstellung verdanken, unvergessen sein.

Nicht ohne Cinfluß auf den Besu der Kunst-Ausstellung ist, wie Sie alle wissen, die gleichzeitige Berliner Gewerbe-Ausftellung în Treptow geblieben. Immerhin ist die Theilnahme an der Kunst- Ausstellung als eine erfreuliche zu bezeihnen. Als besonders erfreulich aber ist hervorzuheben, daß eine verhältnißmäßig große Zahl von Kunstwerken in den Besiß von öffentlihen Sammlungen oder von