1896 / 269 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Nov 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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Theater und Musik,

E Sqiller-Theater.

Sch iller’s Geburtstag wurde in dem Theater, welches seinen Namen trägt und welches den moralishen Einfluß auf die breite Masse des Volks zu gewinnen erstrebt, den dieser idealste deute Volksdichter der Schaubühne zuerkannt wissen wollte, mit einer Auf- führung des „Demetrius“ begangen. Von diesem leßten und reifsten Werk Schiller's, welhes ihn noch in seinen leßten Stunden beschäftigte, liegt leider nur ein Bruchstück von etwa anderthalb Akten und, als beredtes Zeugniß für die Sorgfalt und das Studiam, welches der Dichter an seine Aufgaben wandte, der Entwurf sowie eine

ülle zusammengetragenen Materials für die Fortseßung des Trauer- piels vor. Bei der Großartigkeit des fertig geste ten Theils ist es ein Wunder, daß der allgemein gehegte Wunsch, einerseits das Schiller'she Bruchstük der Bühne zugänglih zu machen, andererseits dasselbe roürdig und thunlichst im Sinne des Dichters zu vollenden, immer und immer wieder uach Erfüllung rang. Schon Goethe trug sih ernstlich mit diesem Plane, brachte ihn aber niht zur Ausführung. Den frühesten, freilih verunglückten Versu machte Franz Freiherr von Maltig (Karlêruhe 1817), den zweiten Gustav Kühne, dessen Arbeit im Jahre 1859 zum 100. Geburtstage Sciller?s erschien; der erste indessen, dem es glückte, ein für die Aufführung geeignetes Werk aus dem Vorhandenen aufzubauen, war Heinrich Laube, dessen rein theatralis wirksame Ergänzung bekanntlich vor einigen Jahren bei Eröffnung des Berliner Theaters in der glänzenden InscenierungLudwig Barnay?s hier wiedererstand. Das Schiller-Theater -vermittelte uns ‘arine die Bekanntschaft mit einer Bearbeitung noch jüngeren

atums, mit derjenigen des im Jahre 1889 als Direktor des Gymnasiums zu Wolfenbüttel verstorbenen, auch als Lyriker bekannten Otto Sievers. Dieser ist, von der an si unanfechtbaren Vorausseßung ausgehend, daß Schiller selbs in weiteren Stadien seiner Arbeit den u1sprünglihen Entwurf umgemodelt haben würde, in seinem Ergänzungs- werk ziemlich selbständig vorgegangen. Während er das Schiller's{e Bruch- sttück, gleich Laube, mit pietätvoller Rücksicht fast unverändert ließ, hat er, um den Helden Demetrius ohne Widerpart in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen, im Gegensaß zu Laube, die Scenen des Zaren Boris ganz ausgeschaltet. Beiden Bearbeitern ist aber wieder die Ümformun des Charakters der Axinia in dem Sinne gemeinsam, da diese den Demetrius liebt, während sie nach Sthhiller?s Angaben dem Romanow der sich weder bei Laube noch bei Sievers vorfindet zugethan sein und den * Usurpator hafsen soll. Gegen Laube’'s breitere fünfaktige Anlage des Trauer- spiels hat Sievers? Arbeit den Vorzug der Kürze; die Vorgänge drängea sih in vier Akte zusammen. Auch die Dikiion erhebt sich zuweilen über die nüchternere Sprache Laube's, ohne freilih den Schiller’shen Schwung zu erreihen; an Reichthum bühnenwirksamer Scenen steht aber die neuere Ergänzung gegen die ältere entschieden zurüdck, denn aus der Haupt- und Staatsaktion ist bei Sievers mehr ein internes F amiliendrama geworden, das des großen historischen Zuges ermangelt. Die Inscenierung, in der das Werk dargeboten wurde, machte dem Regisseur Pategg alle Ehre. Schon die große Reichstagsscene erweckte durch ihre Lebendigkeit starken Beifall, der niht zum wenigsten der packenden Leistung des Herrn Froböse als Sapieha galt. Herr Bach war in der Titelrolle voll edlen Anstands und hinreißenden Tempera- ments. Vortrefflich waren auch die Mazfa des Fräulein Detshy und der Odowalski ves Herrn Winterstein. In der Episodenrolle des Bitjakowsky sck@uf Herr Pauly eine Gestalt von lebendiger Charakteristik. Die übrigen Personen sind in der zu Grunde gelegten Bearbeitung mit Worten nur karg bedacht worden ; sie wurden im Ganzen würdig dargestellt. Die Ausstattung ließ nichts zu wünschen, nament- lih fand ein von Herrn Fischer gemalter, den Kreml darstellender Prospekt ungetheilte Anerkennung.

Theater des Westens.

Schiller’'s Geburtstag gab gestern Abend willkommene Ver- anlassung zur Aufführung des Trauerspiels „Maria Stuart“, weiches hier zum ersten Male in Scene ging. Die Titelrolle spielte Fräulein Barkany, die nah jahrelanger Abwesenheit von Berlin fast unverändert mit allen ihrcn s{auspielerishen Vorzügen und Schwächen wieder auf der Bühne ersien. Ihre Kunst stützt sich zumeist auf reín äußerliwe Mittel, aber diese sind glänzend und eindrucksvoll. Ihre gefällige Erscheinung in reiher Gewandung verfehlt hon an und für sfih nit die Wirkung auf die Mehrzahl der Zuschauer ; dazu kommt ein wohltlingendes, stets in schwungvoller Bewegung befindliches Organ

und eine klare, deklamatorishe Sprache, die freilich nit die Tiefen der Dichtung er[Gopss, fh aber den wechselnden Empfindungen geschickt anpaßt; ihre Stimme versteht zu stürmen und j zittern, u wenn ihre Seele nicht erbebt. Fräulein Stephanie Salta, welche die Rolle der Königin Elisabeth zu spielen hatte, verfügt niht über das zur Bewältigung dieser Aufgabe erforderliche künstlerishe Vermögen. Der ODarstellerin mangelt troß ihrer \tattlihen Ersheinung die Majestät des Wesens und der selbstbewußte, die Umgebung beherrschende Klang der Stimme. Dieser Elisabeth gegenüber, die aus der Enge klein- liher Bosheit und neidisher Mißgunst heraus ihre ver- nihtenden Pfeile zu senden schien, blieb notürlich in der großen Gartenscene Fräulein Barkany in jeder Beziehung Siegerin. Die beste Leistung des Abends bot Herr Bonn als Mortimer; er wußte den religiösen Fanatismus und die Leidenschaft der Sinne in shwärmerisher Exaltation glücklich zu vereinen. Herr Drach als Leicester spra seine Rolle in nachlässiger, eitler Selbstbespiegelung ohne Ernst und innere Ergriffenheit. Die Herren Kober als Bur- leigh und Firle als Amias Paulet konnten genügen. Herr Hatd spielte die Rolle des Melvil verständig und unaufdringlich.

Im Königlichen Opernhause werden morgen Leoncavallo?s „Bajazzi“ unter Kapellmeister Sucher's Leitung mit den Herren Sylva, Bulß und Fräulein Egli in den Hauptrollen gegeben. Hierauf folgt das Ballet „Die Puppenfee“, in welhem die Damen dell’Era und Urbanska auftreten.

Im Königliben Schauspielhause geht morgen Otto von der Pfordten’'s Schauspiel ,1812* in Scene.

Im Theater des Westens geht morgen Abend das Schau- spiel „Treue“ von Alexander von Roberts in Scene. Das Stück wird auf vielfahes Verlangen auch am Sonnabend und am nächsten Sonntag Abend wiederholt werden. Am Freitag findet eine Wieder- holvng von „Maria Stuart“ statt.

Die erste Aufführung der neu gegründeten „Dramatischen Gesellschaft“ im Theater des Westens findet am Sonntag, den 29. November, Mittags 12 Uhr, statt. Gegeben wird die dreiaktige Komödie „Die Fahnenweihe*“ von dem jungen Münchener Poeten Josef Ruederer. Da die Inscenierung des im oberbayerishen Gebirge spielenden Werks wegen der Eigenart der Dekoration und der großen Personenzahl, die fast das gesammte Ensemble des Theaters des Westens in Anspruch nimmt, s{chwierig und zeitraubend ist, so konnte der Zeitpunkt der Aufführung niht früher festgeseßt werden. Anmeldungen zum Beitritt zur „Dramatischen Gesellschaft“ nimmt nah Maßgabe der noch verfügbaren Pläße Herr Theodor Eutsch, Jägerstraße 20, entgegen. /

Von den „Mittheilungen für die Mozart-Gemeinde in Berlin" (im Vertrieb der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler u. Sohn hierselbst) is soeben das dritte Heft erschienen, welches fich gleich den beiden vorangegangenen Heften dur Reichhaltigkeit des Inhalts anszeihnet. Der erste Aufsatz: „Ueber Mozart’'s Klaviervariationen“ von Dr. Haase in Nordhausen bringt diese graziösen Schöpfungen Mozart's mit feiner Empfindung und in sehr warmen Worten in Erinnerung. In einem umfangreichen Aufsaß von dem Herausgeber Rudolph Genóe wird die jüngste Aufführung des „Don Giovanni“ in München be- sprohen. Die musikalishe und dramatische Einrichtung des einzigen Werkes wird lebhaft anerkannt, aber ebenso bestimmt gegen die fort- währenden Erneuerungen des Textes polemisiert und die alte, seit 1801 populär gewordene Rochliß’she Ueberseßung allen neueren Versuchen bei weitem vorangestellt. Ein kleinerer Artikel über Mozart?s Schwester Nannerl bildet nur den erläuternden Text zu einem s{chöônen Bildniß - derselben, das nah dem Salz- burger Original in forgfältig ausgeführtem Holzschnitt wieder- gegeben ist. Eine zweite interessante bildlihe Beigabe if die in Lichtdruck ausgeführte Reproduktion eines alten Kupferstihs, auf dem die hübsche Anekdote zur Darstellung gelangt, die sich im Berliner National-Theater 1789 bei Anwesenheit Mozart's ereignete. Diese „Mittheilungen“ werden den Mitgliedern der Berliner Mozart- Gemeinde gratis zugestellt, sind jedoch auch für Nichtmitglieder dur alle Buchhandlungen (Preis des Hefts 1 M 50 „) zu beziehen. Wie die am Schluß des Hestes abgedruckte Ergänzungsliste nahweist, sind seit Ende Januar der Berliner Mozart-Gemeinde 122 neue Mit- glieder beigetreten, sodaß dieselbe jeßt im Ganzen nahezu 500 Mit- glieder zählt.

Mannigfaltiges.

Die für heute Mittag angeseßt gewesene Vereidigun der Rekruten der in Berlin, Charlottenburg, Spandau und roß Lichterfelde garnisonierenden Gardetruppen wurde auf Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs abbestellt.

Hersfeld, 9. November. Das zu Ehren des badischen Oberst- Lieutenants, nahmaligen Generals Lingg hier errichtete Denkmal wurde gestern in Gegenwart der Spißen der Behörden, von Korpos« rationen und einer großen Menschenmenge in feierlicher Weise ent - hüllt. Das Denkmal, dessen Fertigstellung einem vor drei Jahren gebildeten Auss{chuß gelungen ist hauptsählich dank der von im In- und Auslande wohnenden Hersfeldern gewordenen Unterstüßung —, ist der Ausdruck einer längst fälligen Ehren- huld. Am 20. Februar 1807 sollte der damals ein badi)\ches Iäger- Bataillon kommandierende Oberst-Lieutenant Lingg auf Befehl der französischen Gewalthaber die Stadt Hersfeld plündern und an allen vier Ecken anzünden, weil die Hersfelder gegen die französischen Truppen einen Aufruhr angezettelt und einen Soldaten ermordet hatten. Lingg vermochte jedo durch sein edles Beispiel die Soltaten von der Plünderung abzuhalten. Die Stadt mußte zwar an allen vier Eden angezündet werden, doch waren es allein, stehende Häuser, und da Lingg mit seinen Soldaten alsbald abzog, so konnten die Bürger die Stadt vor der Brandzerstörung bewahren. Das Denkmal zeigt auf granitaem Scckel die von F. Göring- Berlin modellierte und von Gladerbeck in Bronze gegossene Statue des Helden, der, in badische Jäger-Offiziers-Uniform gekleidet, die Rechte wie zur Nuhe mahnend erhebt und in der Linken den Palla\ch hâlt, während der rechte Fuß eine Brandfackel zertritt.

Leipzig, 10. November. In dem Prozeß gegen Auer und Genossen wegen Vergehens wider das Vereinsgesecß fand heute vor dem Reichsgericht die Verhandlung über die Revision statt, welche von 15 der verurtheilten Angeklagten eingelegt worden war. Leßtere wurden von den Rechtsanwalten Wolfgang Heine und Herzfeld aus Berlin vertrèten. Der Ober - Reichsanwalt beantragte die Ver- werfung der Revision, da die Feststellung der Verbindung zwischen den Wahlvereinen und der Parkeileitung, sowie die Feststellung des Bewußtseins von dieser Verbindung nicht rechtsirrthümlih sei. Das NReichsgericht h ob indessen das Urtheil der Strafkammer des Land- gerichts [ in Berlin auf und verwies die Sache zur nochmaligen Berhandlung an die Vorinstanz zurück, weil die nah § 8 des Vereins-

eseßes erforderlide Feststellung des Thatbestandsmerkmals, daß die Pa rfelllbina ein Verein sei, welcher politishe Erörterungen in Ver- sammlungen bezwecke, zu vermissen sei.

Bremen, 10. November. Der „Bremer Courier“ meldet aus Wilhelmshaven: Nachdem am 25. Oktober bereits zwei Gerettete von der Mannschaft des „Jltis*“ hier eingetroffen waren, ist heute hier die Meldung eingelaufen, daß auh die übrige gerettete Mannschaft des „Iltis“ am 27. d. M. in Wilhelmshaven an- kommen werde. Für den feterlihen Empfang derselben werden be- sondere Vorkehrungen getroffen.

St. Etienne, 10. November. Durch einen Grubeneinsturz in Talandiòre wurden, einer Meldung des „W. T. B.* zufolge, 4 Bergleute getödtet.

St. Petersburg, 11. November. Auf der Eisenbahnlinie S t. Petersburg—Warschau fand, nah einer Meldung des ,W. T. B.*“, zwischen den Stationen Kusniza und Sokolka ein Zusammenstoß des von St. Petersburg kommenden Schnellzuges mit einem vor- \chriftswidrig auf das Gleis des ersteren geleiteten Güterzuge statt. Ses Personen wurden getödtet und 13 verlegt, dar- unter 7 vom Zugperfonal.

St. Gallen, 10. November. Das Kantonsgeriht entschied heute in dem Prozeß wegen des Nachlasses von Johann Orth (Erzherzog Johann von Oesterreich) dahin, daß die Bank in St. Gallen die bei ihr hinterlegte Million zurückzuzahlen habe.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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t vom 11. November, r orgens.

Hartmann.

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PVuppeufee.

Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig In Scene geseßt vom Ober- Regisseur Teylaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Die A n Pantomimisches Ballet-Divertifsement

Sonnabend: Zum ersten Male: Schauspiel in 3 Akten von Paul Hervieu.

Ehefefseln, Konzerte.

Konzerthaus. Karl Meyder - Konzert. Donnerstag: Ouverturen „Wilhelm Tell“ von

Stationen, Wetter.

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1) Nachts Regen.

Uebersicht der Witterung.

Unter der Wechselroirkung eines 770 mm über- steigenden Hochdruckgebietes über Frankreih und eines am NRigaishen Busen liegenden Minimums unter 750 mm wehen im südlihen Ostseegebiet mäßige bis \stürmishe Westwinde, während im Binnenlande schwache südliche bis westliche Luftströmung vorherrscht. In Deutschland ist das Wetter trübe, an der Küste, wo fast überall Regen gefallen ist, mild, im Süden kalt. Fortdauer wahrscheinli.

Deutsche Seewarte.

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Theater.

Königliche Schauspiele. Donnerstag : Opern- haus. 223. Vorstellung. Bajazzi. (Pagliacci.)

von Haßreiter und Gaul. Musik von Joseph. Bayer. In Scene geseßt vom Balletmeister Emil Graeb. Dirigent: Herr Bennheld. Anfang 74 Uhr.

Schauspielhaus. 252. Vorstellung. 1812, Schauspiel in 5 Aufzügen von Otto von der Pfordten. In Scene geseßt vom Ober-Negisseur Moax Grube. Anfang 7# Uhr.

Freitag: Opernhaus. 224. Vorstellung. Die Hugenotten. Große Oper in 5 Akten von Giacomo Meyerbeer. Text nah dem Französischen des (Fugène Scribe, überseßt von Ignaz Castelli. Tanz von Emil Graeb. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 253. Vorstellung. Kehraus.

lauderei in 1 Aufzug, nah dem Dänischen des Julius Lehmann, bearbeitet von Hermann Brau- müller. Eine. Historisher Schwank in 3 Auf- zügen von Max Dreyer. Anfang 7{ Uhr.

Dentshes Theater. Donnerstag: Freiwild. Anfang 7 Uhr.

Freitag: WMorituri. (Teja. Fritzchen. Das Ewig-Märnnliche.)

Sonnabend: Morituri. (Teja. Fritchen. Das Ewig-Männliche.)

Berliner Theater. Donnerstag : Renaissauce. Anfang 73 Uhr.

Freitag (10. Abonnements - Vorstellung): Die offizielle Frau.

Sonnabend: Renaissance.

Lessing - Theater. Donnerstag: Die goldue Eva. (Georg Engels als Gast.) Anfang 7# Uhr.

Freitag: Zum ersten Male: Masken. Drama in 1 Aufzuge von NRoberto Bracco. Deutsch von Otto Eisenshüß. Hierauf: Neu einstudiert : Untreu. (Jenny Groß.)

Sonnabend: Die goldue Eva. (Georg Engels als Gast.)

Residenz-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- burg. Donnerstag : Vorleßzte Aufführung. Der Stell- vertreter (Le Remplaçant). Lustspiel in 3 Akten von William Busnach und Georges Duval- Deutsch von Max Schönau. Hierauf: Treptow’s Ab- schied. Berliner Scherzbild mit Gesang in 1 Akt u M Müller (Dr. L, Leipziger). Anfang

L. Freitag: Zum leßten Male: Der Stellvertreter.

Oper in 2 Akten und einem Prolog. Musik und

Hierauf: Treptow’s Abschied.

Ueues Theater. Siffbauerdamm 4 a. /5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Donnerstag : Bok- \sprüuge. Schwank in 3 Akten von Paul Hirsch- berger und C. Kraaß. Vorher: Die sittliche Sor Crnns, Komödie in 1 Aît von Otto Erich Hartlcben. Anfang 7# Uhr.

Freitag: Bocksprünge. Vorher: Die fitt- liche Forderung.

Vorher: Die

Sonnabend: Bocksprünge. fittlihe Forderung. :

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu halben Preisen: Der Hüttenbesißzer. Schauspiel in 4 Akten von Georges Ohnet.

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn- hof Zoologischer Garten.) Donnerstag: Treue. Schauspiel in 4 Akten von Alexander von Roberts. Anfang 7F Uhr.

Freitag: Maria Stuart.

Sonnabend: Treue.

In Vorbereitung: Schiedsmann Hempel.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion : Julius Frißsce. Donnerstag : Der Ober- steiger. Operette in 3 Akten von M. West und L. Held. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Po: Dirigent: Herr Kapellmeister Korolanyi. Anfang 7F Uhr.

grenag: Die Fledermaus.

onnabend: Zum ersten Male: Unter den Linden. Balletphantasie in 3 Akten von Benno Jacobson. Musik von Paul Linke. Durchaus neue glänzende Ausstattung.

Thalia-Theater (vorm. Adolph Ernst-Theater). Dresdenerstraße 72/73. Direktion: W. Hasemann. Donnerstag : Gebildete Menschen. Wiener Volks- stüdck in 3 Akten von Viktor Léon. Anfang 7 Uhr:

Freitag: Gebildete Menschen.

Sonntag, den 15. November, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen : Prima Ballerina.

Pentral - Theater. Alte Jakobstraße 30. Direktion: Richard Schuly. Donnerstag: Ewil Thomas a. G. Eine wilde Sache. Große burleske Ausftattungsposse mit Gesang und Tanz in 6 Bildern von Sulius Freund und W. Mann- Pi Musik von Julius Einödshofer. Anfang

r, Freitag: Eine wilde Sache.

Nossini, „Zampa“ von Herold. Prolog aus „Der Bajazzo* von Leoncavallo. Ungarishe Rhapsodie Nr. 1 von Liszt. Walzer „Nossen aus dem Süden“ von Strauß. Potpourri „Allotria“ von Linke. „Zigeur.erweisen“ für Violine von Sarasate (Herr Carntier). „Der Liebestraum*“ für Cornet-à-Piston von Hoch (Herr Werner).

Philharmonie. ODonnerstaa, Anfang 8 Uhr: Konzert der Berliner Liedertafel (Chormeister A. Zander). Mitwirkung: Königliche Hofopern- sängerin Fräulein J. Hiedler.

Saal Bechstein. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Lieder-Abend von Dr. Ludw. Wülluer. R

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Alice von Wartenberg mit dem Kammerherrn Leonhard von Kalckreuth (Groß- Lichterfelde— Obergörzig). Frl. Else von Trotha mit Hrn. Hauptmann Hans von Winterfeld (Magdeburg). 4a Elisabeth Mantius mit Hrn. Gerichts-Assessor Dr. jur. Walter Joel (Bergedorf) Frl. Marga Kern mit Hrn. Pro- fessor Dr. Josef Jadassohn (Breslau).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann von der Chevallerie (Berlin). Hrn. Professor Dr. Preibisch (Oblau). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann und Flügel-Adjutanten B. Frhrn. von Gayl (Dessau). Hrn. Gymnasiallehrer Dr. Dietrich (Greiz i. V.). Hrn. Landgerichts- reli e und Kammerherrn v. d. Decken (Neu-

reliß).

Gestorben: Hr. Korps-Generalarzt a. D. Dr. Friedrih Schrader (Goslar a. H.). Verw. Fr. Geheime Ober - Hofkammer - Rath Agnes von Lenhcke, geb. von Schulß (Gries b, Bozen). Fr. Prem.-Lieut, Annemarie Gräfin von Rotbkirh und Trah (Lüben). Hr. Rechnungs-Rath Julius Knothe (Breslau). Hr. Kämmereî- Kassen-Buchhalter Erich Hoerning (Magdeburg).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutshen Buchdruckerei nnd Verlags- Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32, Fünf Beilagen

(einschließli Börsen-Beilage). /

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und K

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der in den deutschen Münzstätten bis Ende

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 11. November

Deutsches Reich. Meer Ot

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1) Im Monat Oktober Goldmünzen

Silbermünzen

óniglih Preußischen Staats-Anzeiger.

1896,

Oktober 1896 vorgenommenen Ausprägungen von Reichsmünzen.

Nickelmünzen Kupfermünzen

Doppel- kronen

Halbe Kronen

1896 find geprägt worden in:

Kronen

Hiervon auf Privat- rechnung

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3) Gesammt-Ausprägung| 2 498 894 6001554 368 780/27 969 925|17576063710199 176 190/119 073 108[188 981 673| 71 681 024 501 35 717 922

4) Hiervon sind wieder eingezogen .

5) Bleiben

1 598 540|_3 497 530|___ 12 135 « | 2 497 296 0601550 871 250/27 957 790|

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*) Vergl. den „Reichs-Anzeiger“ vom 12. Oktober 1896, Nr. 243,

Berlin, den 10. November 1896.

Hauptbuchhalterei des Reihs-Schaygamts. Biester.

53 713 591,35 4 13 320 184,30

Deutscher Reichstag.

120. Sißung vom 10. November 1896, 2 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Gesehentwurfs, betreffend Aenderungen und Er- gänzungen des Gerichtsverfassungs-Geseßes und der Strafprozeßordnung.

Von den sozialdemokratischen Abgg. Stadthagen und Genossen liegen Anträge vor, welche die Unabhängigkeit der Richter gestärkt wissen wollen. Darnach sollen die Richter nur aus denselben Gründen ihres Amts enthoben werden können, wie die Mitglieder dcs Reichsgerichts. Ferner sollen pon Richteramt nicht ernannt werden können diejenigen, welche änger als drei Jahre ein Verwaltungsamt oder das Amt eines Staatsanwalts bekleidet haben; Richter dürfen Orden und Titulaturen niht annehmen. Die Enthebung der Richter soll nur dur Zweidrittel-Mehrheit des Plenums des betreffen- den Disziplinargerichts erfolgen können. Keine Verwaltungs- reit soll in die Entscheidungen der Gerichte eignet onnen.

Berichterstatter Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß die Kommission diese Anträge abgelehnt habe, weil fie durch Annahme derselben nit das ganze Geseß gefährden wollte. Die Wiedereinführung der Berufung in Straffadon, und die Einführung der Entschädigung unschuldig Verurtheilter sei so werthvoll, daß man sh wohl eine gewisse Beschränkung auferlegen könne.

Abg. Stadthagen (Soz.) begründet“ seinen Antrag mit dem Hinweise auf Disziplinierungen von Richtern in feâberer P namentlih in Preußen, wofür er verschiedene Einzelfälle anzuführen suht, und fordert, daß wenigstens die Gründe mitgetheilt würden, weswegen die Richter in Deutschland niht unabhängiger gestellt werden dürften, als es jeßt der Fall sei.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren, der Antrag, den der Herr Abg. Stadthagen eben vertreten hat, war von ihm ja hon in der Kommission gestellt worden. Aus den Bemerkungen des Kommissionsberihts haben Sie ersehen, welhes Schiksal der Antrag dort gehabt hat, und nach diesem Schicksal wäre die Annahme wohl nicht unberehtigt gewesen, daß der Antrag hier im Plenum nit werde wiederholt werden, da er doch irgend welche Aussicht auf Erfolg niht hat. JIch würde deshalb auch vielleicht darauf verzihten können, hier auf diesen Antrag zu erwidern, wenn nicht einige Einzelheiten in den Ausführungen des Herrn Abg. Stadthagen mich nöthigten, auf einige Minuten Ihre Geduld in An- spruh zu nehmen.

Der Herr Abg. Stadthagen is davon ausgegangen, daß die Richter sich nicht mehr des allgemeinen Vertrauens erfreuten in ihre Unabhängigkeit und Unparteilihkeit. Er findet für diese Auffassung sogar eine Bestätigung in der Thron- rede, in der gesagt worden sei, daß dies Gesey auch den Zweck habe, die Gerechtigkeit zu erhöhen. Nun, meine Herren, daß dieser Passus der Thronrede eine solche Spitze habe, wie sie der Herr Abg. Stadthagen darin findet, das ist, glaube ih, noch keinem bon den übrigen Herren hier in den Sinn gekommen. Ebenso wenig kann ih zugeben, wenn der Herr Abg. Stadthagen hier angedeutet hat, daß hier von dem Chef der preußishen Justizverwaltung der Ausspruch gethan sei, die Richter hätten nit mehr das Ver- trauen in ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, dessen sie bedürften, Die Bemerkung, welde ich in dieser Beziehung gemacht habe, hat einen ganz anderen Sinn. Ich habe gesprochen bon dem äußeren Ansehen der Richter in Anknüpfung an Augeführungen, welhe der Herr Abg. Lenzmann in Bezug auf die gefellshaftlihe und soziale Stellung der Richter gethan hatte. Und diese Ausführungen habe ih theilweise zu bestätigen vermoht. Hier irgendwie zu sagen, daß unsere Nichter das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit und Un- parteilihkeit, dessen sie bedürfen zur Ausübung ihres Amts, nicht mehr genießen, das is mir niemals in den Sinn gekommen.

Der Herr Abg. Stadthagen hat es als selbstverständlich und laum anfehtbar erklärt, wenn er verlangt, daß für alle Richter im Deutschen Reich dieselben disziplinaren Bestimmungen gelten müßten wie für die Mitglieder des Reichsgerichts. Nun, meine Herren, ich glaube, aus der Entstehungsgeshihte des Gerihtsverfassungs- geseßes wird sich ergeben, daß für diese privilegierte Stellung der Mitglieder des Reichsgerihts doch noch andere Gesichtspunkte maßgebend cewesen find als die heute von dem Herrn Vorredner hervorgehobenen. Daß für die Mitglieder des höchsten

Gerichtshofes, für die eine Verseßung in eine andere Behörde na unserer Organisation nicht mehr in Frage kommen fann und bei deren Auswahl die größte Sorgfalt, die größte Vorsicht waltet und walten muß in Bezug auf ihre Persönlichkeit, niht nothwendig die- selben disziplinaren Bestimmungen geboten sind, die für das Gros, die vielen Tausende von Beamten, die \ich in anderen rihterlihhen Stellungen befinden, erforderli scheinen, das wird, glaube ih, einer Ausführung nit bedürfen. Unsere Richter haben nach dem preußischen Disziplinargeseß vollständig diejenige Unabhängigkeit, die das Gerichts- verfassungsgeseß ihnen verbürgt: sie sind keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfen, und nah allen Disziplinargesetzen, die der Herr Abg. Stadthagen aufgehoben haben will, steht es fest, daß sie wider ihren Willen nur kraft rihterliher Entscheidung und nur aus den Gründen und unter den Formen, welchè die Geseße bestimmen, ihrer Stellung enthoben, in andere Stellen oder in den Ruhestand verseßt werden können. Sie stehen überall unter den ordentlichen Gerichten, und, an der Bemer- kung, die der Herr Abg. Stadthagen heute nit zum ersten Male gemacht hat, daß eigentli die Staatsanwaltschaft die Richter überwahe und einen Einfluß auszuüben habe in Bezug auf ihre disziplinarishe Behandlung, ist doch weiter nichts Wahres, als daß im Disziplinarverfahren, wie überall ix unserem ganzen Anklagever- fahren, die Staatsanwaltschaft die Anklage zu vertreten hat und unter Umständen au den ersten Angriff hat, obglei der Fall außerordent- li selten vorkommen wird, daß ein Staatsanwalt gegen einen Richter vorgeht, wenn nicht die Anregung dazu von dem Vorgeseßten des Richters gegeben wurde. Aber an der Entscheidung hat der Staatsanwalt niemals mitzuwirken.

Meine Herren, die Nothwendigkeit einer Abänderung der be- stehenden Disziplinargeseßgebung hat nun der Herr Vorredner aus einer Reihe von ihm heute kurz angeführter Fälle zu entwideln ge- suht. Alle diese Fälle waren, soweit sie niht der weiteren Oeffent- lihkeit angehören, mir unbekannt. Es müssen wohl au die Herren Regierungévertreter in der Kommission angenommen haben, daß die Fâlle nicht wieder im Plenum zur Sprache kommen würden; mir ift wenigstens Vortrag über einen dieser Fälle niht gehalten worden. Ich bin deshalb auch nicht in der Lage, auf die Einzelheiten einzu- gehen. Das Eine aber glaube ih doch den eigenen Ausführuvygen des Herrn Abg. Stadthagen entnehmen zu können, daß die Sachen so niht überall liegen können, wie er sie uns vorgetragen hat.

Er hat zunächst erwähnt den Fall Kirhmann. Nach seiner Dar- stellung wäre der diszipliniert worden, weil er eine Schrift ge\chrieben hat unter dem Titel: „Der Kommunismus in der Natur.“ An diesem Titel ist er selbstverständlih nicht gescheitert. Manche der Herren werden \ih des Falles erinnern. Man hat in der Schrift ob mit Recht oder Unrecht, will ich dahingestellt sein lassen die Vertretung unsittliher Grundsäße zu erblicken geglaubt und ift auf dieser Grund- lage zu dem Ergebniß gekommen, daß der Verfasser dieser Schrift in seinem Richteramte niht weiter bleiben könne. Also so einfa hat die Sache nicht gelegen, wie sie von dem Herrn Abg. Stadthagen dar- gestellt worden ift.

Der Fall, den Herr Stadthagen weiter erzählt hat aus dem Jahre 1878 von einem Kreisgerihts-Direktor, der deshalb versetzt worden fei, weil er sih die Ungezogenheit eines jungen Offiziers nicht gefallen lassen wollte, kann unmöglich fo liegen, und ich bin überzeugt, daß, wenn das Urtheil vorgelegt würde, sih ganz andere Gründe zu dem Disziplinarverfahren ergeben würden.

Bei einer Reihe von Fällen, die der Herr Abgeordnete erwähnt hat, genügen ihm schHeinbar die ausgesprohenen Disziplinarstrafen niht. Das gilt insbesondere von dem Richter in Holstein, der si eines unlauteren Wahlmanövers \{chuldig gemaht haben foll. Ja, meine Herren, wenn dem Antrage des Herrn Abgeordneten stattgegeben würde, dann würde ein solcher Richter gar niht disziplinarisch ver- folgt werden können, dann säße er noh heute in seinem Amt ; denn eine strafrechtlich verfolgbare Handlung lag in den thm vorgeworfenen Manipulationen nicht. Es war niht etwa eine unter den That- bestand des Strafgeseßbuhs fallende Urkundenfälschung, und, soweit ih den Fall kenne, kam auch irgend ein anderer Paragraph des Strafgeseßbuchs dabei niht in Frage.

Nun wüns{cht der Herr Abg. Stadthagen, daß ledigli auf Grund ftrafrechtliher Verurtheilung, wie das für Mitglieder des Reich8gerichts vorgeschrieben ist, ein disziplinarisches Vorgehen gegen

Richter gestattet sein soll. Es würde also dahin kommen, daß etwa ein Richter, der, wie ih einmal supponieren will, sih dem Trunke im höhsten Grade ergiebt, ein Richter, der einen böhst unsittlichen Lebenswandel führt, ein Richter, der durch sein ganzes Auftreten und Verhalten alles Vertrauen in seinem Kreise verloren hat, absolut un- anfehtbar sigen bleiben müßte in seinem Amt. Meine Herren, ob damit das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit des Nichterstandes gehoben werden würde, das werden Sie, glaube i, niht zu bejahen unternehmen. j

Meine Herren, wenn der Herr Abg. Stadthagen, wie es den An- schein hat, als den aus\{ließlihen Siß aller rihterlißen Tugenden das Rückkgrat anzusehen scheint, so erkläre ih: ich würde es auch nicht lieben, einen Richter ohne Rückgrat zu sehen. Aber es kommen doch noh viele andere Tugenden bei einem Richter in Frage, die nicht im Rückgrat ihren Sitz haben.

Der Herr Abg. Stadthagen ist auf dem eben angedeuteten Wege dahin gekommen, daß es absolut unzulässig sei, jemand, der drei Jahre als Staatsanwalt fungiert hat, zum Richter zu machen, weil er nit das nöthige Vertrauen besize. Wenn wir ein derartiges Geseß immer gehabt hätten, würde auch der von dem Herrn Abgeordneten erwähnte Herr von Kirhmann nicht haben Richter werden können, und daß es dem an Nückgrat gefehlt habe, da er lange Zeit nah den eigenen Anführungen des Herrn Vorredners Staatsanwalt gewesen ift, das wird wohl der Herr Abg. Stadthagen niht behaupten wollen.

Ich darf weiter erinnern an den Fall des Ober-Staatsanwalts Schwarck, der im Richterstande eine höchst verdienstliche Stellung eingenommen hat, nachdem er, allerdings gegen seinen Willen, aus der Staatsanwaltschaft in ein Richteramt verseßt war. Jch muß über- haupt für die Richter, die aus der Staatsanwaltschaft hervorgegangenen Richter, auf Grund meiner vielfachen, langjährigen Erfahrungen nah meiner festen Ueberzeugung in Anspru nehmen, daß sie mit derselben Gewissenhaftigkeit, derselben Zuverlässigkeit und derselben Unabhängig- keit ihres Amtes walten, wie die Richter, die niht Staatsanwalte waren. Und wenn hier wieder einmal erwähnt wurde ih glaube, in der Presse war das fon irgendwo der Fall —, daß der Kriminalsenat beim hiesigen Kammergericht, der in vielen Beziehungen die höchste Instanz in Strafsachea in Preußen ist, nicht das Vertrauen besitze in Bezug auf Unparteilichkeit, weil darin 3 Richter sigen ih weiß nicht, ob das genau richtig ist —, die früher Staatsanwalte waren, so will ih be- merken, daß die Zusammenseßung dieses Strafsenats auf dem Be- {{chluß des Präsidiums des Kammergerichts beruht, dem, soviel ich weiß, außer dem Vorsißenden des Kriminalsenats kein einziger aus der Staatsanwaltschaft bhervorgegangener Richter angehört; also die Stelle, welche zunächst berufen ist, das Vertrauen in die Gewissen- haftigkeit , Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit des Kammergerichts aufrecht zu erhalten, hat ein solhes Mißtrauen, wie es Herr Stadt- bagen hier zum Ausdruck gebracht hat, gegenüber den Mitgliedern des Strafsenats niemals gehabt und, wie ih hinzuseße, mit Recht. Diesec Senat is vollständig des Ver- trauens würdig, welches die Herren aus dem Kollegium in seine Mitglieder seßten, als sie ihn so besetzten.

Herr Stadthagen erwähnte dann noch, wie ih hier nahholen will, bezüglih des Richters in Holstein, gegen den auf Strafversezung erkannt war, daß derselbe in seine Vaterstadt verseßt sei, wohin er seine Verseßung schon lange gewünscht hätte. Mir war der Fall un- bekannt, ih habe mi aber erkundigt, und kann bestätigen, daß das richtig ist: er ist von einem großen Ort an einen ganz kleinen verseßt worden, der der Ort seiner Geburt war. Ob er den Wunsch hatte, dahin zu kommen, weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß, nachdem er dorthin gekommen war, er wiederholt den Wunsch gehabt hat, wieder wegzukommen, und dieser Wunsh ihm noch nit erfüllt worden ist. Jh kann hinzufügen, daß es im Justiz-Ministerium völlig unbekannt war, daß er aus jenem kleinen Ort stammte; irgend eine parteilihe Behandlung der Sache liegt also in keiner Weise vor.

Daß die gegen den Grafen B. vom Disziplinargeriht erkannte Strafverseßzung dem Herrn Abg. Stadthagen niht als genügende Strafe für das brutale Verhalten, das diesem Richter zum Vorwurf gemacht ist, erscheint, tritt auch in Widerspruß mit der Tendenz feines Antrags: wegen dieses Verhaltens würde der Graf B. nah dem Antrag Stadthagen unanfehtbar sein und noch gegenwärtig in seiner Stelle sitzen.

Meine Herren, ih glaube kaum, daß ih noch mehr Jhnen zu